[Picturesource – Serpentine Gallery]
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[…] Wenn man jetzt, da er tot ist, an seine Filme denkt, fallen einem sofort die vielen Sterbeszenen ein, die er gedreht hat: der blaue und schwarze Fiebertod des Malers Caravaggio in Porto Ercole („Caravaggio“, 1986), der dreckige, bleiche Tod des jugendlichen Helden in „The Last of England“ (1987), der rosa Todeskitsch aus „War Requiem“ (1988), der grausame, rotglühende Foltertod des Königs in „Edward II.“ (1991). Tod und Qual waren die Höhepunkte fast aller seiner Filme, und nur in den Pausen der Handlung, den Traum-Momenten zwischen Pein und Ekstase, gab es dieses kurze Aufatmen und Ausruhen in der Kunst, den Worten, der Schönheit der Bilder, das er wohl immer gesucht hat. Jarmans Kino war obszön und böse, aus Shakespeares Zauberinsel machte er ein Orgienlabyrinth („Der Sturm“, 1979), aus den Sonetten einen Hexengesang‘ („The Angehe Conversation“, 1985) und aus England immer wieder die Hölle auf Erden – aber hinter den Exzessen aus Blut und Asche, dem schwulen Liebes und Leidenskitsch, für den er berüchtigt war, steckte jedesmal auch der Gegenzauber des Geistes, das Gegenreich der reinen Poesie. […] Das nackte, grelle Fleisch auf den Gemälden Francis Bacons lernte in Jarmans Filmen laufen, es zuckte und schrie, und der homosexuelle Blick schuf sich einen Stil, eine Pose, eine eigene wilde Form. …
Aus: „Derek Jarman“ (DIE ZEIT, Ausgabe 09, 1994, Autor ?)
Quelle: http://www.zeit.de/1994/09/Derek-Jarman
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[…] 1970 dreht er den ersten seiner zahlreichen Kurzfilme auf einer geliehenen Schmalfilmkamera, da ihn die Malerei in dieser Zeit immer weniger begeistert. […] Homosexualität und Kunst als treibende Kräfte seiner Arbeit, hoher Grad an Experimentierfreudigkeit, betont subjektivistischer, unkonventionell antinaturalistischer Stil, bewusste und unbewusste Selbstinszenierung, Zivilisationskritik, ästhetisch formulierter Hang zur Magie und Ritual lassen seine Filme unverkennbar wirken. […] Jarman betont wiederholt das Moment des Magischen und des Traumhaften in seiner Bilderwelt – der Film sei ein Instrument, Träume lebendig zu machen. Durch seine Experimente mit Licht, Farbe und Schichtungen von Bildern rückt er die Arbeit mit der Kamera in die Nähe der Malerei. […] Durch seine Erkrankung erblindet Derek Jarman allmählich. Trotzdem realisiert er noch den Film Blue aus seiner „Sicht“. Es wird eine Art Hörfilm. Die Leinwand bleibt 70 Minuten lang blau. Kurz nach der Uraufführung verstirbt Jarman im Alter von 52 Jahren und wird auf dem Kirchfriedhof von St. Clement in Old Romney in der Romney Marsh beerdigt. Eine filmische Rückschau auf Jarmans Leben und Werk gibt der Dokumentarfilm „Derek“ von Isaac Julien. …
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Derek_Jarman (18. Juni 2008)
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[…] Derek Jarman (1942 – 1994) war wohl der herausragendste Vertreter des britischen Independent Cinema der 1970er bis -90er Jahre. Sein Leben verlief geradezu exemplarisch für diese Epoche, die er sehr genau beobachtete und an der er politisch aktiv teilnahm. In Jarmans genreübergreifendem, stark autobiographisch gefärbtem Werk überschneiden sich Film, Malerei, Bühnenbild und Schreiben.
Die Ausstellung Derek Jarman. Brutal Beauty, kuratiert vom Künstler und Filmemacher Isaac Julien, stellt Jarmans bekannter experimenteller Arbeit Blue und seinen Super-8-Filmen Gemälde und Assemblagen gegenüber, die teils noch nie gezeigt wurden. Die Schau bietet eine zeitgemäße Neubewertung von Jarmans Werk und Vermächtnis und verortet den Künstler als Grenzgänger zwischen Film und bildender Kunst. …
Aus: „Termine – Derek Jarman: Brutal Beauty (28.06.08 – 05.10.08, Kunsthalle Wien Halle 2)“
Quelle: kunstaspekte.de/index.php?tid=42017&action=termin
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[…] Jarmans Spezialität waren eigenwillig stilisierte, ästhetisch avancierte und provokative Fusionen von historischen Stoffen und aktuellen Anliegen: Mit aufmüpfigen Anachronismen durchsetzte Filme wie die unkonventionelle Malerbiografie Caravaggio (1986) oder die Marlowe-Interpretation Edward II. (1991) gingen um die Welt.
Aber Jarman war vielseitiger: Zum Kino kam er (vom Theater) als Ausstatter, gestaltete Kulissen für ein anderes echt englisches Enfant terrible, Ken Russell, etwa im hysterischen Hexenjagd-Film The Devils (1971). Andere wesentliche Teile von Jarmans Werk sind seine Bücher sowie der der komplizierte Garten seines Prospect Cottage in Kent.
Doch er selbst sah sich immer zuerst als Maler: Entsprechender Umgang mit Lichtsetzung und Bilddetails prägte sein Konzept eines „Kinos der kleinen Gesten“, das sich am stärksten in privaten, experimentellen Traumspielen wie The Angelic Conversation(1985) niederschlug, wo Jarman seine alten Super-8-Filme weiterverarbeitete.
[…] Aber so wie Juliens Ausstellung konzipiert ist, ist sie wenig geeignet, wieder ungebärdiges Leben in die Jarman-Rezeption zu bringen: Eher wird dessen schöpferisches Tun eingeglast (wie Juliens eigentlich hübsche begleitenden Stilleben von Jarmans Garten) und beschlagwortet – es passt, dass sich der Ton des Derek-Films dominierend übers zweite Zimmer legt, wo auf zehn Monitoren frühe Super-8-Filme Jarmans stumm in Endlosschleifen nebeneinander laufen. Als Blickarrangement führen sie schlagend unterschiedliche Vorbilder vor Augen – von Warhol zum Wizard of Oz, von den rituellen Farbenspielen Kenneth Angers zur Camp-Selbstdarstellung von Ken Jacobs –, aber eben nur buchstäblich en passant.
Nur ein zorniges, schwarzes Bild im Eck hebt sich ab: „Fuck Me Blind“ hat der zuletzt erblindende Jarman eingeritzt,vom Kino hatte er sich da schon verabschiedet – mit Blue (1994), einer poetischen Toncollage zu Yves-Klein-blauer Kinoleinwand, hier im hintersten Raum von Blu-Ray-Disc projiziert. Säuseln umfängt also auch die Kunstobjekte im vorletzten Zimmer: Teer-und-Feder-Bettgemälde kombinieren Literatur (Plato über Knabenliebe) und Penisbilder, interessant eher als Ausdruck der Protestkultur ihrer Zeit denn als Kunst. Wie auch kleinere Arbeiten, auf denen sich etwa „Safe Sex“ und „Victorian Values“ treffen: Eine Erinnerung, dass Jarmans Modernismus nie ohne etwas Nostalgie für Old England auskam. Ergiebigeres Material als die Ausstellung bietet so ein parallel erschienenes Buch von Martin Frey: „Derek Jarman. Bewegte Bilder eines Malers.“
Aus: „Kritik Ausstellung: Schultheater und Safer Sex“
CHRISTOPH HUBER (Die Presse, 01.07.2008)
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 02.07.2008)
Quelle: diepresse.com/home/kultur/…
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[..] „Jarman macht wahr, was Wittgenstein postuliert: „Arbeit an der Philosophie ist Arbeit an der eigenen Auffassung. Daran, wie man die Dinge sieht, und was man von ihnen verlangt“. […] Wir sind auf der Seite der Wahrnehmung und Erfahrung und weit weg von Seziererei und Werkanalyse. Also bleiben wir locker und aktiv. Wir müssen nicht klüger sein als der grüne Marsmensch, aber wir können es werden, wenn wir einer werden.“ … (Dietrich Kuhlbrodt, 2006)
Quelle: filmzentrale.com/essays/jarmandk.htm
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Jarman, Derek (1942-1994)
Director, Writer, Art Designer, Editor, Cinematographer
Erik Hedling, Reference Guide to British and Irish Film Directors
=> http://www.screenonline.org.uk/people/id/460999/
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„Derek Jarman: Brutal Beauty“ (21/4/08)
Serpentine Gallery, 23 February-13 April 2008
=> studio-international.co.uk/reports/jarman.asp
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