[Das Reale, Symbolische und Imaginäre #93]

„Winnetou – 1. Teil“ (Harald Reinl, 1963)

// „Atmosphärisch recht dicht inszeniert, etwas hölzern in der Darstellung.“
// – Kölner Stadt-Anzeiger
// https://de.wikipedia.org/wiki/Winnetou_1._Teil

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Tobias Dirr (11.12.2023): “ … Für einen kleinen Jungen war die Winnetou-Filmreihe gute Unterhaltung. Sie hat mich mitgenommen in eine Welt, die ich nicht kannte und die es so natürlich auch niemals gegeben hatte. Die Filme und deren literarische Vorlagen entstammen der Fantasie eines Mannes, der die Regionen, in die er seine Leser mitnahm, zunächst nie besuchen wollte. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts – ein paar Jahre vor seinem Tod – bereiste Karl May den Orient und später Amerika – er soll bei seiner Rückkehr mehr oder weniger desillusioniert gewesen sein. … Ob die Filme besonders gut oder besonders schlecht waren, kann ich heute kaum mehr beurteilen. Aus filmkritischen Perspektive lässt sich zumindest festhalten, dass es sich nicht um filmische Meisterwerke handelt. … Und trotzdem ist die Winnetou-Filmreihe für einen Teil der Gesellschaft zum Phänomen geworden. Für jenen Teil nämlich, der sich Samstagabends millionenfach vor den Fernseher gesetzt hat … Die Winnetou-Begeisterung … hat [ ] viel zu tun mit vererbter Gewohnheit. …“ | Aus: „60 Jahre Winnetou – Woher kommt der Erfolg?“ | https://www.br.de/nachrichten/kultur/das-phaenomen-winnetou,TxxDDmp

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Doris Akrap am 1.9.2024 zu Clemens Meyer: „Die Projektoren“. (2024, 1.056 Seiten): “ … Karl May. Der ebenfalls [wie Clemens Meyer] aus Sachsen stammende Schriftsteller hatte immer behauptet, der von ihm erfundene weiße Freund von Winnetou, Old Shatterhand, sei keine fiktive Figur, sondern er selbst. … Die Filmfigur Winnetou ist allerdings ganz ohne solch Hochstapelei zu einer realen Figur geworden. Kaum ein Kind, das mit diesen Filmen groß wurde, das nicht der Meinung war, Winnetou gäbe es, und kaum ein erwachsener Deutscher, dessen Bild von den Indianern nicht vom Bild dieser deutschen B-Movie-Filme geprägt ist. Verfilmt wurden dessen Romane über den Häuptling der Apachen ausgerechnet in Jugoslawien, vor allem im südlichen Teil des kargen und unwirtlichen kroatischen Gebirgsmassivs Velebit, dessen Name so viel bedeutet wie „Großes Wesen“, also als hätte sich den Namen Karl May ausgedacht, um ihn irgendwie indianisch klingen zu lassen. … Bei seinen Reisen in dieses Gebirge erfuhr [Clemens Meyer], dass rund um die bizarre Felsformation Tulove Grede, die jeder erkennt, der die Winnetou-Filme gesehen hat, sich bis heute ein vermintes Feld befindet. Und zwar nicht als Metapher. …“ | https://taz.de/Neuer-Roman-von-Clemens-Meyer/!6033439/

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“ … Nicht die Tiefe der menschlichen Psyche, sondern die des kulturellen Gedächtnisses ist unauslotbar. … Die Geschichte hat immer eine verborgene Dimension, die sich der bewussten Wahrnehmung auf kollektiver Ebene entzieht. … Wir müssen [ ] diese Dimension nicht in der individuellen Psyche, sondern im kulturellen Gedächtnis lokalisieren, in das jeder einzelne auf seine Weise hineingeboren und hineinsozialisiert wird. Nicht die Kultur ist Ausdruck oder Symptom einer psychischen Grundaustattung, sondern umgekehrt: in den je individuellen psychischen Strukturen prägen sich kulturell vermittelte Übertragungen aus. Das kulturelle Gedächtnis wird nicht phylogenetisch [https://de.wikipedia.org/wiki/Phylogenese] vererbt, sondern ontogenetisch erworben [https://de.wikipedia.org/wiki/Ontogenese], aber nicht nur durch bewusstes Lernen, sondern über Spracherwerb, Kommunikation, komplexe interaktive Prozesse, die weit über das bewusst Erlebte und Verarbeitete hinausgehen. …“ | Aus: Jan Assmann „Das kulturelle Gedächtnis und das Unbewusste“ In: Buchholz, Michael ; Gödde, Günter (Hrsgg.): Das Unbewußte in aktuellen Diskursen. Anschlüsse. Gießen 2005, S. 368-392 (Bibliothek der Psychoanalyse ; Das Unbewusste 2) | https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3394/ | https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3394/1/Assmann_Kulturelle_Gedaechtnis_2005.pdf

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Kontext #1:

“ … C.G. Jung definierte das kollektive Unbewusste als den überpersönlichen Bereich des Unbewussten: Es sei der „Teil der Psyche, der von einem persönlichen Unbewussten dadurch negativ unterschieden werden kann, daß er seine Existenz nicht persönlicher Erfahrung verdankt und daher keine persönliche Erwerbung ist“. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Kollektives_Unbewusstes // https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturgeschichte

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Kontext #2:


[Identitätspolitik (Kulturelles Unterbewusstsein)#8…] (Veröffentlicht am 23 August 2022)
… Phantasmen sind Schutzmechanismen. Eines der Hauptprobleme bei vermeintlicher „kultureller Aneignung“ ist stets die Frage wer sich wann, wo und mit welchem recht zum Richter aufschwingt.Wenn einem der Unterschied zwischen Realität und Fiktion und Spiel nicht klar ist … Kinder haben ein Recht auf Naivität und Stereotypen, das ist ein Teil von Kunst. … Die Wahrheit liegt halt zwischen der Darstellung als gesichtsloser Feind und der Verklärung des edlen Wilden. … Der Tod Winnetous lässt Tränen fließen. Was hier entworfen wird, ist ein autobiographischer Gründungsmythos, der die politische Unschuld der eigenen Kindheit verteidigen möchte. … „
Link –> https://www.subf.net/fraktallog/?p=20455

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