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The Purple Rose of Cairo (USA, 1985)
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“ … Die Filmfigur Baxter durchbricht eines Tages die Leinwand (vierte Wand) und spricht die entsetzte Cecilia direkt an … Beide verlieben sich ineinander. Der Vorfall hat jedoch Folgen: Die restlichen Filmfiguren können den Film nicht zu Ende spielen und sind jetzt auf der Leinwand gefangen, die Zuschauer verlangen beim Kinobetreiber ihr Geld zurück. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/The_Purple_Rose_of_Cairo
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“ … Eine wesentliche Vertiefung des Phantasie- und Imaginationskonzeptes wurde im 11. Jahrhundert durch die Schule von Chartres unter dem Einfluss der neu übersetzten griechischen und arabischen Literatur unternommen. … Sie versuchten der Phantasie und den anderen Geistesvermögen des Menschen einen physischen Ort im Gehirn zuzuordnen. … In Baumgartens Aesthetica aus dem Jahre 1750 taucht der Begriff des Phantasmas zum ersten Mal in § 6 auf, in welchem der Verfasser auf mögliche Einwände der Philosophen gegen eine Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis eingeht. Man könnte dieser Wissenschaft Vorhalten, meint er, dass sinnliche Empfindungen (sensitiva), Vorstellungen (phantasmata), Erdichtungen (fabulas) und Perturbationen des Gefühls (perturbationes affectum) eines Philosophen unwürdig seien und unterhalb seines Horizontes lägen. … Vor allem Friedrich von Schiller bringt als einer der ersten in Deutschland den Begriff der Einbildungskraft mit dem Freiheitsbegriff zusammen. … Für Friedrich Schlegel (1772-1829) ist eine erkenntniskritisch radikalisierte Phantasie das einzige Mittel, welches dem menschlichen Geist im Kampf gegen die Instrumentalisierung und Erstarrung des Denkens zur Verfügung steht. Sein Bruder August Wilhelm Schlegel (1767-1845) stellt die spekulative Vernunft und die Phantasie als die eigentlichen kreativen Vermögen dem Verstand und den äußeren Sinnen gegenüber. Die Frühromantiker münzen also die negative Charakterisierung der Phantasie in ein positives Vermögen um. Phantasie ist nun ein Garant der Gesundheit und ein Vermögen, das die verkrustete und erstarrte Alltagswirklichkeit verflüssigen und dynamisieren kann. Durch ein nicht-konformes Denken sollen die reaktionären Strukturen der restaurativen Monarchie aufgebrochen werden. … Gegenüber früheren Jahrhunderten zeichnet sich das 20. Jahrhundert durch eine breite Ausdifferenzierung der Auseinandersetzung mit Phantasie aus. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es neben der Behandlung der unbewussten Phantasien in der Psychoanalyse durch Sigmund Freud vor allem die Anthroposophie Rudolf Steiners, die das Vermögen der Imagination für den Bildungs – und Erziehungsprozess herausstellt. … Freuds verschiedene Bemühungen um eine Klärung der Rolle der Phantasie in der Psychoanalyse münden in den Versuch, die Stabilität, die Wirksamkeit und den strukturierten Charakter des Phantasielebens des Subjekts zu erklären. … Die große Entdeckung Freuds war das Unbewusste. … Die Systembildungen, von denen Freud [ ] spricht, sind nicht nur im Traum wirksam, sondern auch bei Phobien, Zwangsvorstellungen, Formen des Wahns und Tagträumen. …“
Aus: „Hans Dieter Huber: Bildhafte Vorstellungen. Eine Begriffskartografie der Phantasie. In: Hans Dieter Huber, Bettina Lockemann, Michael Scheibel: Visuelle Netze. Wissensräume in der Kunst. Ostfildern-Ruit: HatjeCantz Verlag 2004) | Quelle: https://www.hdhuber.net/publications/articles/ | https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/5686/ | https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/5686/1/Huber_Bildhafte_Vorstellungen_2004.pdf
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“ … Freud hat mit Blick auf die Kraft des Unbewussten dem Subjekt nicht nur die Herrschaft über sich selbst abgesprochen, sondern forthin den Bereich der menschlichen Psyche stets neu in antagonistischen und der Kriegssprache entlehnten Metaphern geschildert (»psychische Besetzung«, »Fluchtversuch der Liebesregung«, »Gegenbesetzung«, »Ausdehnung der Herrschaft des Unbewussten«, »Abwehrmechanismus«, »Einbruchspforte der verdrängten Triebregung«). Wie auch immer Freud die Kampfzonen des Selbst reformuliert, es bleibt die Einsicht bestehen, dass sich das Subjekt der Psychoanalyse, wenn überhaupt, dann als ein in sich zerrissenes bestimmen lässt. … Die Funktion des Phantasmas geht aus dieser Gespaltenheit des Subjekts hervor. Seine Aufgabe besteht darin, diese Gespaltenheit zu überdecken, den Schein eines Ganzen zu erzeugen. In einem nichtpathologischen Sinn haben wir mit dieser Ganzheit wenig Probleme. Die phantasmatische Suggestion einer Vollständigkeit unseres Selbst ist beinahe die Voraussetzung dafür, dass wir im Alltag dazu befähigt sind, Ich zu sagen. …“ | Aus: „Marc Ziegler: Technik und Phantasma. Das Begehren des Mediums“ (2005) | Quelle: https://doi.org/10.25969/mediarep/694
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“ … Das Imaginäre ist kein eindeutiger Ort. Es folgt nicht den Gesetzen von Raum und Zeit, es hadert bei Geschwindigkeiten und ist ein Grenzgänger. … Begehren – und das ist für Lacan zentral – ist gegenüber dem Symbolischen, der Ordnung der Dinge und der Welt, die wir uns zurechtlegen, subversiv. Das Imaginäre, in dem solches Begehren stets haust, holt uns, in anderen Worten, mit seinen Grenzgängen immer wieder ein, es untergräbt die konstruierten Ordnungen. …“ | Aus: „Kersten Reich: Die Ordnung der Blicke, Bd.1, Beobachtung und die Unschärfen der Erkenntnis“ (1998) | https://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/reich_works/buecher/ordnung/band1.html | https://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/reich_works/buecher/ordnung/ | https://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/reich_works/buecher/ordnung/band1/reich_ordnung_band_1.pdf
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“ … Nachdem bereits Sigmund Freud der „Phantasie“ eine entscheidende Rolle für die Konstitution der menschlichen Psyche zusprach, führt der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan ab 1957 (mit dem Seminar IV über die Objektbeziehung) das Phantasma als terminologischen Begriff in die psychoanalytische Theorie ein. Lacan bezeichnet damit die psychische Repräsentation eines Objekts oder einer Situation, an die sich das Subjekt bildhaft erinnert. Das Phantasma gehört somit dem Register des Imaginären an. … Hinter dem einzelnen phantasmatischen Bild steht letztlich ein „fundamentales Phantasma“ (in der deutschen Übersetzung von Hans-Dieter Gondek: „grundlegende Phantasievorstellung“, Die Übertragung. Das Seminar, Buch VIII, S. 138), auf dem die Identität des Subjekts und die Formen seines Begehrens beruhen. Dieses Szenario gilt es in der psychoanalytischen Therapie zu „durchqueren“ und aufzuarbeiten. Am Umgang des Subjekts mit seinem fundamentalen Phantasma konstituiert sich die Subjektivität des Individuums selbst; es ist eine Weise, wie das Subjekt sein Genießen, seine Jouissance, reguliert und organisiert. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Phantasma (21. Januar 2025)
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via https://postsecret.com/ | https://postsecret.com/2025/06/22/sunday-secrets-560/
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“ … Das Begehren, so könnte man mit Louis Buñuel formulieren, hat stets „obskure Objekte“. Und deshalb, so Zizek, täuschen wir uns, wenn wir denken, wir könnten die Frage nach dem Begehren einfach geradeheraus stellen. … Dieser widersprüchliche, ambivalente, paradoxe oder zumindest völlig intransparente Charakter des Begehrens und unseres Wissens davon zeigt sich auch in bezug auf den „Anderen“. … Zizek weist unermüdlich auf Situationen hin, in denen er das, was wir gewöhnlich als Realität betrachten, als Phantasma entlarvt. Genauer gesagt, das was wir idealerweise als „objektive Realität“ annehmen (der symbolische Bereich) ist durch keine Metaebene vom imaginären Bereich der Phantasmen getrennt. Die Phantasmen sorgen für eine Art erträglicher Oberfläche, sie fungieren wie eine Erzählung (narrative Kohärenz) oder wie ein Schirm (gemeint ist der Bildschirm ebenso der beschützende Schirm), der uns vor der „Realität“ schützt. Phantasmen bilden sozusagen das Interface zum Unbewußten, sie sind verwoben mit dem imaginären Bereich des Psychismus und mit den uneindeutigen, zwiespältigen, paradoxen Konstellationen und Bildungen, die dem Unbewußten entstammen. … Was die Aufforderung im Titel „Liebe Dein Symptom wie Dich selbst!“ für die Psychoanalyse auf dem Niveau des Individuums indiziert, gilt bei Zizek auch für den Bereich sozialer Gesellschaften, Politik und Philosophie. … “ | Aus: „Symptome zum Anfassen“ Nina Ort über Slavoj Zizek (literaturkritik.de, Frühere Ausgaben, Nr. 7, Juli 1999 (1. Jahrgang)) | Quelle: https://literaturkritik.de/id/299
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Kontext:
Slavoj Žižek: Liebe Dein Symptom wie Dich selbst! Jacques Lacans Psychoanalyse und die Medien. Merve Verlag, Berlin 1991. 140 Seiten, ISBN-10: 3883960810
Slavoj Žižek: Die Metastasen des Genießens. Sechs erotisch-politische Versuche. Passagen Verlag, Wien 1996. 232 Seiten, ISBN-10: 3851652096
Slavoj Žižek: Die Pest der Phantasmen. Die Effizienz des Phantasmatischen in den neuen Medien. Passagen Verlag, Wien 1997. 216 Seiten, ISBN-10: 3851652819
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