“ … Mit der Entwicklung der Medien und ihrer sozialen, kulturellen und persönlichen Bedeutung verändern sich auch die Fragestellungen und Forschungsfelder der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Es stellt sich somit auch die Frage nach der Gültigkeit und Brauchbarkeit ihrer Paradigmen und danach, was denn zu ihren gesicherten Beständen gehört. Adorno und Benjamin, Lippmann und McLuhan – was haben sie und andere „Klassiker“ der Medien- und Kommunikationswissenschaft heute noch zu sagen? … Die Kulturindustrie blüht. Das „Kauderwelsch schrankenloser Kommunikation“ … Die vom Unterhaltungsapparat in Regie genommene Konsumentenkultur ist das warenförmige Produkt einer Branche; sie ist nicht den Lebensverhältnissen der Menschen als deren Originäres entsprungen … Vielmehr handelt es sich um eine Form der Manipulation als Enteignung eigenständiger, kultureller Ausdrucksweisen, hinter der kein herrschaftlicher Beschluss steht, sondern die Logik der kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer Tendenz, alles in Ware zu verwandeln. …“ | Aus: „Klassiker der Kommunikations- und Medienwissenschaft heute“: Theodor W. Adorno – Medienkritik als Gesellschaftskritik (Thomas Gebur, 2002) | https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2002-3-402.pdf?download_full_pdf=1
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Ariadne von Schirach bespricht: „Markus Metz und Georg Seeßlen, Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität“ Suhrkamp Verlag, 2011 (20.06.2011): “ … Blödmaschinen sind als eine Art Interface zwischen Mensch und Welt zu verstehen, die dem Menschen die Arbeit abnehmen, sich selbst über die Welt ein Urteil zu bilden. Die Analyse der BILD-Zeitung als „Mutter aller Blödmaschinen“ ist so bissig wie luzide. Die Beschreibung weiterer Blödmaschinen – vom Politspektakel übers Fernsehen hin zum Internet – gerät diffuser. … sozialen Auflösungserscheinungen [sind] laut Metz und Seeßlen der neoliberalen Gleichschaltung von Politik und Ökonomie, dem damit einhergehenden Verschwinden des bürgerlichen Subjekts und der zunehmenden Unmöglichkeit, ein Außerhalb der gegenwärtigen Verhältnisse zu denken [geschuldet]. Denn diese werden durch die verschiedenen Blödmaschinen erzeugt, die alle Formen der Kritik ausschließen und die Welt zu einem Brei aus Geschwätz machen … . Unterhaltung als Horrorshow, deren Inhalt mehr und mehr die „Erzeugung, Vorführung und symbolische Schlachtung menschlicher Opfer“ darstellt – vom Flutopfer in Pakistan bis zum Kandidaten bei DSDS. Ein Mensch, der in eine Blödmaschine gerät, kann „weder den eigenen sozialen Ort scharf erkennen, noch ein gemeinsames Interesse mit anderen suchen“. Selbstschöpfung und Selbstbemächtigung rücken in immer weitere Ferne, und der eigene Alltag wird zum unüberwindlichen Hindernis – wenn nicht die „Supernanny“ oder „Der Schuldenberater“ helfend eingreifen. Am Ende dieser medialen Entmündigung steht der „Verlust des Vertrauens in die eigene Würde“. … “ | Aus: „Der letzte Dreck“ (20.06.2011) | Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-letzte-dreck-100.html –
“ … Es entstand ein verhängnisvolles Machtdreieck aus Postdemokratie, Finanzkapitalismus und Blödmaschine. Das eine ist ohne die anderen nicht zu denken, das eine ohne die anderen nicht zu kritisieren. …“ | Aus: „LESUNG: Die Untüchtigen“ – GEORG SEEßLEN, MARKUS METZ: BLÖDMASCHINEN – DIE FABRIKATION DER STUPIDITÄT“ (2011)
// “ … On February 3, 2023, a freight train carrying vinyl chloride, butyl acrylate, ethylhexyl acrylate and ethylene glycol monobutyl ether derailed along the Norfolk Southern Railway in East Palestine, Ohio, United States. Emergency crews conducted a controlled burn of the spill at the request of state officials, which released hydrogen chloride and phosgene into the air. …“ | https://en.wikipedia.org/wiki/2023_Ohio_train_derailment
“ … [Aura Dies Hard (Or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Copy) – Year 2010, Videonale VIDEONALE.13, Length 00:14:10, Format 4:3, Country USA, Language English] … The narrator of Nate Harrison’s video essay challenges the traditional notion of video as a dematerialized form of art. During his visits to an exhibition on the history of video art, the narrator starts questioning the claim of the exhibition’s curatorial text that video art has always put an emphasis on the performative aspect of the genre rather then on the production of a discrete and precious art object. He also points out that since the 1960s, which marks the beginning of video art, there has emerged a hierarchy of copies, ranging from a whole array of authorized video pieces such as master-, exhibition- or archival copies, to bootlegged copies illegally reproduced in violation of authorship or distribution rights. Thus the art world has developed new rituals of duplication, preservation and distribution that clearly show that a video art carrier can often be viewed as a repository of aura: Walter Benjamin’s notion of authenticity, characteristic of traditional works of art. The narrator’s words are illustrated with a sequence of video excerpts from 48 of the best-known video and performance artists who he has seen in the exhibition and copies of whose work he actually has stored in his personal video archive. (Olena Chervonik) …“ | https://archive.videonale.org/en/videos/aura-dies-hard
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“ … [Zu: Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Kommentar von Detlev Schöttker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2007. 254 Seiten, ISBN-13: 9783518270011] … Noch stärker als Fotografie und Schallplatte habe aber der Film die künstlerische Produktion und Rezeption verändert. … Zugleich aber werde der Zuschauer durch die transitorische Betrachtung des vielfach zerstückelten Filmbilds auch mit dem Optisch-Unbewussten konfrontiert, also mit Dingen, die beim Produktionsprozess gar nicht bemerkt worden seien, nun aber eine unbeabsichtigte Wirkung entfalten können. … Der Band problematisiert nicht die Hoffnungen, die Benjamin mit der technischen Medienrevolution verband, nämlich die Demokratisierung der Kunst, die den Verfall der Aura wettmache. „Jeder heutige Mensch kann einen Anspruch vorbringen, gefilmt zu werden“, meinte Benjamin (noch nicht ahnend, dass sich dieser Anspruch erst im Zeitalter der Webcam und des Fotohandys wirklich massenhaft einlösen lassen würde). „Damit ist die Unterscheidung zwischen Autor und Publikum im Begriff, ihren grundsätzlichen Charakter zu verlieren.“ Ob das wirklich so ist, scheint fraglich. …“ | Arnd Beise „Verlust der Aura, oder: Film ist Fortschritt: Eine Studienausgabe von Walter Benjamins „Kunstwerk“-Aufsatz von 1939″ (Archiv / Nr. 2, Februar 2008 / Kultur- und Medienwissenschaft) | https://literaturkritik.de/id/11571 -.- “ … Es ist bekannt, daß das Wort Aura oft, besonders von Theosophen, benutzt wurde, als Benjamin diesen Begriff in seine Ästhetik eingeführt hat. Und wir wissen aus dem Protokoll seines Haschischversuchs Anfang März 1930, daß er heftige Abneigung gegen den üblichen Gebrauch des Wortes hegte. Es scheint mir daher fast selbstverständlich zu sein, daß der Begriff für ihn zunächst fast nur negative Konnotationen hatte. Die erste Sinnstufe des Begriffs der Aura bei Benjamin ist etwas, was das Kunstwerk oder das Ding mit seiner Autorität der Einmaligkeit als Atmosphäre umgibt: eine Atmosphäre unnahbarer Ferne. „Aura“ in diesem Sinn ist seit dem vorigen Jahrhundert mehr und mehr verloren gegangen. Die Entwicklung der Reproduktionstechnik vernichtete allmählich die Einmaligkeit des Dinges, und zugleich bedrohte das Verlangen der modernen Massen, alles in die Nähe zu rücken, jene auratische Ferne. Es war Baudelaire, der sich als erster des Verfalls der Aura vollauf bewußt gewesen ist. „Es ist entscheidender Wert auf Baudelaires Bemühung zu legen, desjenigen Blicks habhaft zu werden, in dem der Zauber der Ferne erloschen ist.“ (V 396) … Bürger versuchten auf sentimentale Art, die Aura zu konservieren. Eine Aura, welche in den Augen derer auftaucht, die in der Warenwirtschaft eine Einfühlung in den Tauschwert (einerseits durch den Starkult, andererseits durch den Konsumentenkult) versuchten, ist nach Benjamin falsch. Die zweite Sinnstufe des Begriffs der Aura hat mit dieser Pseudo Aura zu tun. Die Pseudo-Aura hafte nicht nur Werken an, die von Anfang an als Waren hergestellt werden. Auch die „reine“ Kunst sei degeneriert, welche die alte Aura zu erhalten trachte. Denn unter den modernen Verhältnissen, in denen sich alles notwendig in Ware verwandle, müsse ein „auratisches“ Kunstwerk, gegen seinen Willen, zu einem Werk „fünften Ranges“ werden . Als Beispiel für Künstler, welche die Situation nicht begriffen und das Auratische bis zum Unwesen forcierten … Die Schwelle zwischen der künstlerischen und der vorkünstlerischen Erfahrung ist genau die zwischen der Herrschaft des Identifikationsmechanismus und den Innervationen der objektiven Sprache von Objekten. Wie es der Schulfall von Banausie ist, wenn ein Leser sein Verhältnis zu Kunstwerken danach reguliert, ob er mit darin vorkommenden Personen sich identifizieren kann, so ist die falsche Identifikation mit der unmittelbaren empirischen Person das Amusische schlechthin. Sie ist das Herabsetzen der Distanz bei gleichzeitigen isolierenden Konsum der Aura als „etwas Höherem“. … Aber noch einmal gesagt: brauchen wir hier das Wort [Aura] und den Begriff überhaupt noch? …“ | „Der Begriff der Aura bei Benjamin und Adorno“ Osamu Nomura (Kyoto University, 1992) | https://core.ac.uk/download/pdf/39310322.pdf -.- “ … Der Banause wird als abwertende Bezeichnung gebraucht, mit der den Betroffenen ein Mangel an Intellekt, Feingefühl oder Bildung unterstellt wird; im Besonderen wird „Kunst“- oder „Kulturbanause“ als Vorwurf gegen ein fehlendes Kunstverständnis gebraucht. … Die Bezeichnung Banause wurde von der im antiken Griechenland üblichen Bezeichnung bánausos abgeleitet, was ursprünglich „der am Ofen Arbeitende“ bedeutete (von altgriechisch baúnos „Ofen“), später im weiteren Sinne „(Kunst-)Handwerker“, schließlich „gewöhnlich, gemein, vulgär“. Damit wurden von Teilen der aristokratischen Oberschicht alle diejenigen abwertend benannt, die nicht „frei geboren“ waren und ihren Lebensunterhalt durch körperliche Arbeit verdienen mussten. Dazu gehörten neben den Handwerkern auch jene Künstler, welche die „praktischen Künste“ (lateinisch artes mechanicae) ausübten. Der Zugang zu den „freien Künsten“ (artes liberales) blieb diesen Schichten verwehrt. In der aristokratischen Oberschicht der antiken Gesellschaft waren nur jene Tätigkeiten gesellschaftlich akzeptiert, die nicht von Erwerbsabsichten geprägt waren. … Egon Friedell schrieb dazu in den 1930er Jahren in seiner Kulturgeschichte Griechenlands: „Der griechische Begriff des Banausen ist nicht ganz leicht zu umschreiben. Sein Gegensatz ist weder der Kopfarbeiter (denn unsere Gelehrten mit ihren Laboratorien und Archiven hätten für Banausen gegolten) noch der sogenannte «freie Beruf» (denn auch die meisten Künstler galten dafür), sondern als banausisch ist alles verrufen, was Zweck hat, was für Geld geschieht, was man machen muss, was deformiert, was übermäßig anstrengt. […] Die Lyriker waren vom Stigma der Banausie nicht betroffen, obgleich sie ihre Siegeslieder für Geld machten, und zwar auf Bestellung irgend eines reichen Rennstallbesitzers, den sie dann mit Begeisterung andichteten (was wieder wir höchst banausisch finden würden).“ … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Banause
“ … Ich war geographisch exiliert worden als 3-Jähriger aus Ostpreußen, nahe russischer Grenze, in äußerste Region Nordwest, Schleswig-Holstein, Grenzregion zu Dänemark; verpflanzt innerhalb des gleichen Lands, innerhalb des gleichen Sprachraums. Das Wort „Exil“ gab es in der Familie nicht. Wir waren „Flüchtlinge“, genauer Heimatvertriebene, eins der frühesten Worte in meinen Ohren; heimatvertrieben vom Russen! Die Eltern, die sechs Kinder durchzubringen hatten, einquartiert im Dorf Ostenfeld, Nähe Husum, beim Bauern Hansen, der, wider Willen, zwei Zimmer abtreten musste für uns acht Geflüchtete, wollten zurück, und glaubten daran. Im Radio war zu hören von „Emigranten“, die Deutschland verlassen hatten unter Hitler; in Verletzung ihrer Pflichten als Deutsche. Verräter, Verbrecher, die nun zurückkamen nach „Deutschland“ … In unserem Teenager-Werden kam uns genug zu Ohren über das von den Alten schmerzlich vermisste „3. Reich“. Ab ca. Alter vierzehn konnte man uns nicht mehr kommen mit „verlorener Heimat“ etc. Und bis zum Abitur hin hatten sich Wortfetzen, Bruchstücke, Tatsachen-Rudimente festgesetzt in unseren Schüler-Köpfen, gefüttert von einigen vernünftigen, jüngeren Lehrern, die uns – vorsichtig – unterrichteten von den Taten unserer Elterngeneration im Hitler-Staat – aus dem sie, mit vollem Recht, wie sie fanden, „die Juden“ vertrieben hatten; da diese den Deutschen, „uns“ „das Lebensrecht“ hatten nehmen wollen: „Zinsknechtschaft“, „Blutvergiftung“, „Kommunismus“. Diese Erfahrung teilten all jene Gleichaltrigen, die zu Freunden wurden im Lauf der Schuljahre. Dass Schleswig-Holstein das braunste aller braunen Biotope war, die die junge Bundesrepublik Alt-Nazis zum Weiterleben und Weiterwirken anbot, konnten wir nicht wissen als 16-Jährige; aber wir ahnten es, die O-Töne und Abwehr-Gesichter der Altvorderen in den Ohren und vor Augen; insbesondere in der Alt-Nazi-Stadt Flensburg, wo unsere Familie schließlich gelandet war; Ort meiner letzten drei Gymnasiumsjahre. Dies resultierte für „uns“ in einer speziellen Art „Exil“. Das Sprechen mit den Eltern wurde schwieriger im Maße, in dem ihr Schweigen unüberhörbar wurde, sobald es auf die Tätigkeit der Deutschen im Krieg und auf ihr eigenes Nazi- oder Nicht-Nazi-Sein kam. Aus dem befangenen Schweigen wurde bald, beim Vater, offene Wut, wenn man ihn mit Tatsachen der „Hitler-Zeit“ konfrontierte. Und Wut des Vaters bedeutete in der Regel: es drohen Schläge. Die Sprache der Erwachsenen (zu mehr als 90% sowieso aus Befehlen oder Anweisungen bestehend, soweit sie von unserem Vater kam) engte sich ein zum Standardsatz: „Du hast damals nicht gelebt. Du kannst das nicht verstehen“ – und Klappe jetzt. Das Sprechen mit den Alten „über diese Dinge“ wurde eingestellt und dann verlernt. Das betraf „die Erwachsenen“ insgesamt. Ich übertreibe kaum, wenn ich behaupte, von ca. Alter vierzehn bis ungefähr siebenundzwanzig kaum einen freiwilligen Satz zu einem Erwachsenen gesprochen zu haben ohne Verhaspeln, ohne Erröten, oder sonst einer Form von begleitendem Unwohlsein. … „Deutsch sein heißt gehorchen“ (war die Rede meines Vaters). … “ | Aus: „Über Exile“ – Dankrede zur Verleihung des Theodor W. Adorno-Preises der Stadt Frankfurt am 11. September 2021 von Klaus Theweleit | Quelle: https://literaturkritik.de/klaus-theweleit-ueber-exile-dankrede-zur-verleihung-theodor-w-adorno-preises-stadt-frankfurt-am-11-september-2021,28256.html -.- “ … Theweleit: Die reale Befreiung kam 1955 auf Plattentellern – nicht mit den Panzern 1945. Die Nazis waren schließlich noch da: Sich von den Eltern zu lösen gelang erst mit Elvis und Chuck Berry. Das meine ich nicht einmal metaphorisch, sondern ganz wörtlich: Die neuen Stimmen aus dem Radio übertönten die alten, autoritären. Selbst diejenigen, die man in der Schule für angepasste Idioten hielt, hörten diese Musik mit Begeisterung. …“ | Aus: „„Rock’n’Roll hat uns befreit!““ Christoph Weinberger (21.10.2010) | Quelle: https://www.diepresse.com/604161/theweleit-bdquorocknroll-hat-uns-befreitldquo?from=suche.intern.portal -.-
When did you become a Hallmark card hippie? Joy, love, peace. Puke! Where’s the rage, anger, hatred? Reading these lately is like listening to an old preacher drone on and on at Sunday mass. — ERMINE, GRAND MARAIS, USA – Nick Cave (2023): “ … Die Dinge änderten sich, nachdem mein erster Sohn starb. … ja, vielleicht bin ich ein Grußkarten-Hippie geworden. … Hass hörte auf, interessant zu sein. Diese Gefühle waren wie alte tote Häute, die ich abgestreift habe. Sie waren ihre eigene Art von Kotze. … Ich begann die prekäre und verwundbare Lage der Welt zu verstehen. … Ich mache mir Sorgen. Ich verspürte ein plötzliches, dringendes Bedürfnis, zumindest irgendwie die Hand auszustrecken, um ihr – dieser schrecklichen, schönen Welt – zu helfen, anstatt sie nur zu verunglimpfen und über sie zu urteilen. …“ | | [… Things changed after my first son died. … yes, perhaps I became a Hallmark card hippie. … Hatred stopped being interesting. Those feelings were like old dead skins that I shed. They were their own kind of puke. … I started to understand the precarious and vulnerable position of the world. … I Worry about it. I felt a sudden, urgent need to, at the very least, extend a hand in some way to assist it – this terrible, beautiful world – instead of merely vilifying it, and sitting in judgement of it. …] | From: The Red Hand Files | Issue #220 / January 2023 | https://www.theredhandfiles.com/hallmark-card-hippie/ | https://de.wikipedia.org/wiki/Nick_Cave // https://de.wikipedia.org/wiki/Hallmark_Cards
My baby don’t care for shows My baby don’t care for clothes My baby just cares for me My baby don’t care for cars and races My baby don’t care for high-tone places Liz Taylor is not his style And even Lana Turner’s smile Is somethin‘ he can’t see My baby don’t care who knows My baby just cares for me My baby don’t care for shows And he don’t even care for clothes He cares for me My baby just cares for me My baby don’t care for cars and races Baby don’t care for high-tone places Liz Taylor is not his style And even Lana Turner’s smile Is something he can’t see My baby don’t care who knows My baby just cares for me My baby don’t care for shows And he don’t even care for clothes He cares for me My baby don’t care for shows And he don’t even care for clothes He cares for me My baby don’t care for cars and races Baby don’t care for high-tone places Liz Taylor is not his style And even Liberace’s smile Is something he can’t see Is something he can’t see I wonder what’s wrong with baby My baby just cares for My baby just cares for My baby just cares for me
Nina Simone „My Baby Just Cares for Me“ (Album: Little Girl Blue, Veröffentlicht: 1959)
“ … Idee und Wirklichkeit bleiben als unausgeglichene Gegensätze einander gegenüberstehen – denn die Wirklichkeit erscheint in der Deutung der Vernunft als ein Materielles und Ungeistiges, während andererseits die Welt des Geistes sich in ein bloßes Bild der Phantasie auflöst, das über das Wirkliche keine Macht hat. … [D]ie Welt [scheint] in Stoff und Form zu zerfallen – dort erschien das Geistige zuletzt als unwirklich, das Wirkliche als ungeistig. …“ | Aus: Ernst Cassirer „Idee und Gestalt“ (Die Methodik des Idealismus in Schillers philosophischen Schriften), [Goethe, Schiller, Hölderlin, Kleist. Fünf Aufsätze. Erstdruck: B. Cassirer, Berlin 1921]
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“ … Im extremen Fall verneint der Idealismus, dass es eine Außenwelt gibt, über die man sinnvoll sprechen kann. Die Empiristen gehen von der Existenz der Außenwelt aus – von dieser sollen Wahrnehmungen herrühren. Die Idealisten wenden dagegen ein: Man geht mit Wahrnehmungen um, nicht mit der Außenwelt. Man kann aus den Wahrnehmungen allenfalls schließen, dass es da eine Außenwelt gibt. Man benötigt zu diesem Schluss aber Ideen und diese gehören wiederum zum Subjekt, das die Wahrnehmung auswertet. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Erkenntnistheorie#Idealismus (19 März 2022)
Manche Straßen sind echte Affairen. Noch ist da der warme Becher Kaffee in der Hand. Noch geht der schlaf-trübe Blick aus dem Fenster. Kiel Gaarden. Verdichtete Weltatmosphäre. Irgendwer läuft da die Straße entlang. Irgendwer ruft einem anderen Menschen etwas zu. Der eine droht gespielt mit der Faust und grinst, der andere lacht. Mal wird gemosert und mal zeigt man es allen (was auch immer). Improvisiertes Straßentheater. Jeden Tag. Der Rasierschaum ist fast alle. Die Hinterradnarbe gibt leise Reibungsgeräusche von sich (es fehlt ihr das Schmierfett). Die Schläfen werden mir kühl im Märzwind (auf der Kieler Klappbrücke). Die große mittelgraue Wolke zieht langsam zur Seite und hellgelbes Licht bricht durch. Es ist so hell, dass ich die Augen zusammenkneifen muss. Wir stehen am Straßenrand. Hinter uns an der Hörn [„Die Hörn“https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6rn] werden Container verladen. Wir warten anonym an der Ampel. Die Anonymität der Stadt lockert den Tagesablauf (ein Horror, wenn wir uns alle kennen würden!). Die Ampel geht auf grün. Die anonyme Wohlgestaltete gleitet aufrecht auf ihrem Rad über die Kaistrasse. Sie legt sich in die Kurve. Mich stört nur das ausgesendete Lebensgefühl von Fahrradhelmen (so vernünftig!) und von Trekking-Rucksäcken (so praktisch!). Die schwarze Fahrrad-Strumpfhose wird durch das grelle Sonnenlicht durchsichtig und ich sehe ein mittleres Blau mit kleinen weißen Punkten durchschimmern. Ein privater Sternenhimmel. Ist das Private politisch? Ist das Private poetisch? Bleibt das Private auf der Straße privat? Sind mir darum fast alle Plakate der Landtagswahl viel weniger ergreifend, weil nicht definiert ist, was gesellschaftlich austauschbare Rolle ist, was Inszenierung? Wie privat kann das Lächeln auf einem Werbeplakat sein? Warum werden wir mit Floskeln beworfen? Plakate als austauschbare Bilderware mit lächelnden Gesichtern (Symbolbild für was?) Mir ist das so schmerzhaft. Schlechte Inszenierungen für die Kamera. Ich war vielleicht 12. Es gab einen Termin bei einem Photographen. Meine Mutter bürstete mir (lachend, denn ich war widerwillig und drehte den Kopf weg) meine Haare. Das Foto sah aus, als wäre ich brav. Mein Gott wie brav ich aussah – und wer will das schon mit 12 Jahren? Ich schämte mich (fast noch heute! …). Auf der linken Seite erscheint der Busbahnhof am Sophienblatt. Fensterreihen. Kriegsbilder von ausgebomten Wohnblocks durchkreuzen meine Gedanken (…der Krieg in der Ukraine, die Bilder fliegen uns seit Wochen um die Ohren, echtes Sterben und wir werden apathisch-blöd vor lauter symbolisiertem Wahnsinn, der tatsächlich passiert …), dabei blicke ich auf Plakate mit freundlich lächelnden Menschen, die sich zur Wahl stellen. Es ist Landtagswahl. Plakate hängen an fast jeder Straßenlaterne (überall gut durchgekämmtes Haar, freundliche Gesichtsausdrücke auch mal ernst und entschieden mit Floskelsätzen unter den Gesichtern). Vor der Auguste-Viktoria-Straße trennen sich unsere Wege. Eine Kreuzung. Der tiefblaue Unterhosensternenhimmel fährt geradeaus. Für mich geht es um die Kurve. Ich sehe nach dem Menschen, der seit Wochen im Schülperbaum auf dem Bürgersteig etwas unterhalb von Weinhaus Bröse in einem hellgrünen Schlafsack auf einer Matratze vor einem leeren Ladengeschäft (auch bei 0 Grad!) geschlafen hat [‚Der Schülperbaum ist eine Straße in der Kieler Vorstadt. Er läuft von der Südostecke des Exerzierplatzes in einer sanften S-Kurve bergab bis zum Königsweg, in den er an der Kirchhofallee übergeht. ‚]. Er ist nicht mehr da (auch die Matratze ist weg). Jemand brüllt nach oben. Handwerkerlärm schwirrt durch die Straße. Ein Gerüst steht am Haus. Ich trete in die Pedale, es geht bergauf. Der Himmel ist licht und weit über den Köpfen der Arbeiter auf den Gerüsten. Drei Wildgänse kreuzen (in Formation) – mitten in der Stadt – in 7 Meter Höhe den Weg (und kein römischer Beamte ließt aus dem Vogelflug den Ausgang des Krieges). Schon bin ich auf dem Wochenmarkt (auf dem Exer). Der Croissant-Verkäufer ist wieder eine Spur zu nett zu mir (er ist es zu uns allen vermute ich, gut fürs Geschäft! Bin ich zu misstrauisch?) und ich bin plötzlich auch eine Spur zu nett zu ihm (es ist ansteckend). Ist dieses halbprivate Agieren auf dem Wochenmarkt eigentlich Ausdruck einer gesellschaftlichen Wahrheit? Seit vielen Jahren lebe ich auf dem Ostufer. Der Westen Kiels ist mir nicht unbedingt fremder geworden. Er kommt mir nur weniger schmerzhaft-schön und weniger ehrlich-abgründig vor. Das Kieler Ostufer hat mir den Kopf verdreht. Ich denke an die Medusastraße Ecke-Kaiserstraße und ihre hingerotzte Tatsächlichkeit. Hier im Westen, am Schrevenpark, in der Schillerstraße ist die Vorstellungswelt nicht so sehr auf das Tatsächliche gerichtet, eher mehr auf das gern gesehene (das gewollte der Konvention). Ich sehe aufgeräumte Fensterbänke. Aber das sind nur Klischees. Auch auf dem Westufer gibt es Elend und Frust. Auf dem Exer riecht es manchmal nach Fisch, auch wenn die Verkaufswägen schon abgefahren sind. Auch am Dreiecksplatz schlafen Wohnungslose an der Straße. Und Ellen passt mit ihrem ganzen Wesen viel mehr zum Ostufer – arbeitet und lebt aber am Wilhelmplatz. Und wie ist es eigentlich – sind wir Leute hier auf dem Exerzierplatz gerade ganz privat? Wer definiert das? Sind wir auf dem Wochenmarkt auch Vertreter des jeweiligen Stadtteils? Sind wir Vertreter unserer Generation? Sind wir Vertreter unser gesellschaftlichen Schicht? Sind wir nur Konsumenten? Wir wogen hin und her. Schieben das Fahrrad. Gehen über die Straße. Haben Brillen auf. Wühlen in der Handtasche. Halten den Hund an der Leine. Schieben den Kinderwagen. Ob wir wollen oder nicht: wir inszenieren hier ein kleines Schauspiel des Aussehens und des Verhaltens. Später beim Bahnübergang steht die Uhr am Bahnsteig – und bevor ich sie mit einem Blick erhasche, wette ich mit mir selbst, wie viele Minuten ich zu früh oder zu spät bin. Die Arbeitswelt fängt mich ein (ja nun Anarchist wie vernünftig! Die Miete zahlen, das Essen kaufen, die Hinterradnarbe schmieren lassen, dabei ist doch die ganze Welt voller Absurditäten! … ) – Was hätte mein 16 jähriges Ich von der jetzigen Welt gehalten? In der Zeit wo die Tränen heißer sind (wer glaubt mit 16 schon an den Tod)? – Eine Zeit der Lustverblendung fast ohne unmaßgebliche Augenblicke.
“ … Wir begreifen uns also als beseelte Wesen, die an einer immateriellen, geistigen Sphäre teilhaben, deren Erscheinungen nur der subjektiven Erfahrung zugänglich sind. Zugleich aber, und hier tritt der Konflikt auf, wissen wir uns mit der gleichen Gewißheit als der materiellen Welt zugehörig. Wir rechnen uns zu den Organismen, die ihr In-der-Welt-Sein einem kontinuierlichen evolutionären Prozeß verdanken. … Gewöhnlich denkt man sich das Sehen ganz einfach. Wenn zehn Menschen vor einem Hause stehen, sehen sie alle dasselbe. Denn das Haus bildet sich gleichmäßig auf der Netzhaut des Auges ab, und was sich da abbildet, das sehen wir auch. Aber so einfach ist das doch nicht. …“ | Aus: Abstraktion des „Lebens“. Psychologische Ästhetik und Suggestion im Werk von Henry van de Velde und August Endell, Flora Nieß (2018) | Quelle: https://opus4.kobv.de/opus4-ku-eichstaett/files/513/Abstraktion+des+Lebens_Dissertation_Niess.pdf // … Henry Clement van de Velde (1863 – 1957) war ein flämisch-belgischer Architekt und Designer –> https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_van_de_Velde
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(4. Juli 2019): “ … [[Warum ist die Hirntätigkeit von subjektivem Erleben begleitet?]] … Unter dem Bindungsproblem (engl. „Binding Problem“) versteht man die Frage nach den neuronalen Grundlagen sensorischer Integration, also der Fähigkeit des Gehirns, aus einer Vielzahl von Sinneseindrücken einheitliche Wahrnehmungen zu konstruieren. … Eine eindeutige Definition des Begriffs der Bindung (engl. ‚binding‘) steht [ ] bis heute aus. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Bindungsproblem – John Horgan (01.09.1994): “ … McGinn glaubt [ ], daß das Bewusstsein für den menschlichen Verstand immer ein Rätsel bleiben wird. Fast so pessimistisch äußerte sich in Tucson der australische Philosoph David J. Chalmers von der Washington-Universität in Saint Louis (Missouri); auch er meinte, keine rein physikalische Theorie – ob sie nun von quantenmechanischen oder neuralen Mechanismen ausgehe – sei imstande, das Bewußtsein zu erklären. Nach Chalmers können physikalische Theorien immer nur mentale Teilfunktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Intention oder Selbstbeobachtung beschreiben, indem diese mit bestimmten physikalischen Prozessen im Gehirn korreliert werden. Doch keine solche Theorie behandle die eigentliche Frage, die durch die Existenz des Geistes aufgeworfen werde: Warum ist die Hirntätigkeit von subjektivem Erleben begleitet? …“ | https://www.spektrum.de/magazin/ist-das-bewusstsein-erklaerbar/821801 – Steve Ayan (03.12.2015): “ … Seele – das klingt nach Geistern und Wiedergeburt, nach Jenseits oder letztem Seinsgrund. … Kaum einen anderen Begriff verwenden wir so selbstverständlich, ohne doch recht zu wissen, was er bedeutet. … In der Forschung ist so viel Vagheit natürlich verpönt, vor allem wenn sie spirituell konnotiert ist. So verschwand die Seele in den vergangenen 100 Jahren nahezu völlig aus der Psychologie, der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. … Viele Menschen verstünden „Seele“ schon heute nur noch als Umschreibung für die Gesamtheit unserer geistigen Fähigkeiten. Am Ende entpuppt sich das eingangs beschriebene Manko des Seelenbegriffs vielleicht als sein Erfolgsrezept: Er ist so vieldeutig, dass ihn jeder auf seine Art mit Sinn füllen kann. …“ | https://www.spektrum.de/news/warum-wir-an-die-seele-glauben/1379699 –
“ … Rezensionsnotiz zu [Manuela Di Franco: Die Seele – Begriffe, Bilder und Mythen (Reclam Verlag, Ditzingen 2009)] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.01.2010: … Worauf man [ ] zu achten habe, so Ryle, … sei die Sprache und wie sie uns über unser Inneres zu sprechen lehrt, anleitet, verführt. Metaphern und Bilder [bildliches, figürliches, figuratives im übertragenen Sinn] sind nichts, das sich, resümiert Mayer, auf eigentlichere Beobachtungen hin transzendieren ließe – den Metapher[n] und Bildern selbst sei schon ablesbar, was man übers Leben der Seele erfahren könne. …“ | https://www.perlentaucher.de/buch/manuela-di-franco/die-seele.html
In der frühen Dunkelheit des Novembers, ist mir so, als hätte sich die Welt zusammengezogen. Als sei da draußen alles klein wie ein verkommenes Dorf. Ein bisschen Holz, Dachpappe, Regenrinnen, roter Klinker, Putz an den Wänden, der an manchen stellen abfällt, Glas, Stahl, Unrat, Zivilisation und Infrastruktur legen sich um das das eigene Leben, wie ein Fuchsfell um den Hals einer Frau. Der Blick geht aus dem Fenster. Daran denkend, wie die Haare von G. leicht im Wind wehten, nachdem wir die zwei Kerzen an den zwei Gräbern in den Laternen angezündet hatten – und wir etwas später an der Eckernförder Straße darüber sprachen, wie wir die Welt vor 20 Jahren wahrgenommen haben.
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