Kategorie: Gedanken.Memo

[Halböffentlichkeit… ]

Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst, ja? (Evelyn Künneke)

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:: Irgendwann muss sich jeder abarbeiten an den Vorstellungen, die erst in der Erinnerung wahr werden. Unter der Bettdecke sagst du: „Wir sind Träumer“ – aber was bedeutet dies in einer unüberschaubaren Situation? – Langsam rieselt der Kaffee auf den Boden des Bechers. Rodeo-Kaffee. Wie hoffnungsvoll ein Schluchzen sein kann. Ich denke an die Schneekönigin: nur das Kay Gerda ist – und Gerda Kay. Also wird Gerda und nicht Kay von Splittern des Zauberspiegels getroffen. Ich glaube der Splitter hat dein Herz nur ein wenig angeritzt. Schlimm genug. Aber der Splitter ist nicht so mächtig, als das er dein Herz in einen Eisklumpen verwandeln könnte. Darum muss Gerda jetzt schluchzen und es fehlt noch etwas Milch in deinem heißen Rodeo-Kaffee. Und wenn wir auch schluchzen, sind wir wehrhafte Träumer.

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:: Wenn du da so liegst – direkt nach der Arbeit. Die Sachen liegen wild umher. Du bist frisch verliebt. Warum wirkt das nur so weltversöhnlich?

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:: Langsam schlängelt sich ein aparter Duft in die Nase. Ich sehe nach draußen oder leite den Blick über auf die Spiegelbilder in den Fensterscheiben. „Nein, ich weiß nicht wo ich bin, ich glaube ich habe mich verfahren, … ja ich sitze im falschen Bus. …“ Erst vermute ich einen Akzent heraus zu hören. Doch so mehr sie apart in das Telefon spricht, so mehr Worte sie von sich gibt, um so mehr gebe ich jegliche Vermutung auf. Ich erahne nicht im Geringsten woher sie kommen könnte. Sie weiß nicht wo sie ist. Meistens sind Telefonate im Linienbus abgrundtief blöd. Halbe Wahrheiten in der Halböffentlichkeit. Nicht so offensiv wie das Telefonieren vor einer Eistruhe im Supermarkt („Welche Pizza soll ich denn nun nehemn?!… Nee, komm sag schon!…“), aber oft noch deplatzierter. Das Telefon wird zu einer ausgestellten Nabelschnur. Das Gespräch ist zu ende. Rote Locken fallen ihr in das Gesicht. Die Tür öffnet sich. Der Gesichtsausdruck ist etwas vorfreudig und leicht verwirrt.

[Zum Wahn der Liebe #26… ]

“ … „Die Freundschaft“ hat Georges Bataille seine Tagebücher genannt, ein recht üppiges Werk aus Tagesnotizen, philosophischen Kurzessays und Aphorismen. … [So] erinnert uns Bataille … noch einmal an den eigentlichen Charakter von Worten in ihrem Verhältnis zum realen Ereignis: „Das Peinlichste, wenn wir die Wahrheit der Liebe erreichen wollen, betrifft überdies weniger jene Fesselungen in der realen Welt als ihr Versinken in den Worten. Die Liebenden sprechen, und ihre erschütterten Worte setzen das Gefühl, das sie bewegt, gleichzeitig herab und blähen es auf. Denn sie überführen es in die Dauer, dessen Wahrheit sich nur für die Zeit eines Blitzschlags halten läßt. … „(S.252) …“ | Von Wolfram Hasch: Georges Bataille „Die Freundschaft“ M & Seitz (2002) >> „Der beständige menschliche Irrtum“ | http://www.lucid-zoom.de/Bataille%20Die%20Freundschaft.html | http://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Bataille

[Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre… ]

“ … Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre (RSI) – Die drei Strukturbestimmungen des Subjekts Reales, Imaginäres und Symbolisches sind in der Struktur eines Borromäischen Knotens miteinander verbunden, das heißt: Jedes dieser „Register“ des Psychischen bedingt die anderen beiden, so dass die drei Begriffe eine unauflösbare Einheit bilden. … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Reale (02/2013) | Die Borromäischen Ringe >> https://de.wikipedia.org/wiki/Borrom%C3%A4ischer_Knoten

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“ … Von den Eagles wurde in mehreren Interviews verneint, dass es ein reales „Hotel California“ gegeben hat. … In San Francisco gibt es wirklich ein kleines Hotel namens Hotel California. Die Wände der Zimmer sind verziert mit Zitaten aus dem Lied. … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Hotel_California (02/2013)

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Jacques Lacan – Die neu erfundene Psychoanalyse.
Dokumentation von Elisabeth Kapnist und Elisabeth Roudinesco
Frankreich 2001, 60 Minuten, Erstausstrahlung 23. 9. 2001, ARTE

[Pracht & Elend der Subjektivität… ]

“ … Was wir […] als »das Ich« bezeichnen, ist das phänomenale Selbst: Der im subjektiven Erleben unmittelbar gegebene Inhalt des Selbstbewusstseins. Das phänomenale Selbst ist vielleicht die interessanteste Form phänomenalen Gehalts überhaupt – unter anderem dadurch, dass es unserem Bewusstseinsraum zwei äußerst interessante strukturelle Merkmale verleiht: Zentriertheit
und Perspektivität. Solange es ein phänomenales Selbst gibt, ist unser Bewusstsein ein zentriertes Bewusstsein und an das gebunden, was in der Philosophie als die »Perspektive der Ersten Person« bezeichnet wird. … “ | Aus: „Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine Kurzdarstellung in sechs Schritten [Der erste Schritt:Was genau ist das Problem?]“ von Thomas Metzinger (1993/2000/2003/2005) | http://www.ifzn.uni-mainz.de/Metzinger.pdf | https://de.wikipedia.org/wiki/Subjekt_%28Philosophie%29#Metzinger

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“ … Die Akzeptanz von Subjektivität als Erkenntnischarakteristik für wissenschaftliches Wissen und Denken ist den Wissenschaftlern (und auch den Wissenschaftlerinnen) schwer gefallen. Das Ideal der „objektiven Erkenntnis“, die vollständig losgelöst ist von Eigenschaften und Merkmalen des Erkennenden, wird bei informierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Debatte grundsätzlich in Zweifel gezogen. „Objektive Erkenntnis ist die Konstruktion eines Subjekts, das sich selbst verabsolutiert, weil und solange es nichts von sich weiß“ …“ (RAUSCHENBACH 1996, S.21). | Aus: „Subjekthaftigkeit der sozial-/wissenschaftlichen Erkenntnistätigkeit und ihre Reflexion: Epistemologische Fenster, methodische Umsetzungen“ Franz Breuer, Volume 4, No. 2 – Mai 2003 | http://members.aon.at/groundedtheory/Subjekthaftigkeit_der_sozialwissenschaftlichen_Erkenntnist_tigkeit.pdf

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Wir Menschen als Exemplare einer Zeit. Wir Subjekte mit unserem jeweils einzigartigen Ausstattung des subjektiven Empfindens. Mit der Eigenart unseres Umgangs. Die Dinge & die Lebewesen, die wir wahrnehmen und verknüpfen mit anderen Dingen, die wieder anderes Berühren. Die ganzen Folgen und Reihen die entstehen und vergehen in der Zeit. Eine Pracht & ein Elend. Ich hege die Vermutung, das all unsere Sehnsüchte auf Objektversteigungen beruhen. Wie die Lust und der Ekel von Fieberträumen. Aber ohne diese hätten wir nichts um zu sein. Sollte das Subjektive, das Subjekthafte jeweils etwas einzigartiges sein im Universum – so ist es dennoch beachtlich, das die meisten Menschen dann untereinander überhaupt kommunizieren können. Wenn es natürlich auch nicht ohne Katastrophen und Fehlinterpretationen zu haben ist.

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ich versteige mich
du versteigst dich
er, sie, es versteigt sich
ich verstieg mich
verstiegen
ich verstiege
versteig dich!
versteigt euch!

Bruchtext Quelle: https://de.wiktionary.org/wiki/versteigen

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Kontexte:

Subjektivität (lateinisch für Unterworfenheit) ist in der europäischen Philosophie diejenige Eigenschaft, die ein Subjekt von einem Gegenstand unterscheidet. Wie diese Eigenschaft genauer zu fassen ist, ist in Philosophie und Wissenschaft seit Beginn der Antike umstritten. …
https://de.wikipedia.org/wiki/Subjektivit%C3%A4t

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“ … „Subjektiv“ nennt man, was nur den einzelnen Individuen zugänglich ist und wofür auch keine Allgemeinheit beansprucht wird. Typische Beispiele sind lediglich durch Introspektion zugängliche Sachverhalte oder Geschmacksurteile („Der Spinat schmeckt mir nicht“, „Ich würde gerne einmal nach Island fahren“). Andererseits wird Intersubjektivität aber auch von Objektivität unterschieden: Objektive Fakten sind direkt beweisbar, und zwar unabhängig von Bedingungen, die etwa in einzelnen Betrachtern oder deren Kontext liegen. Typische Beispiele sind mathematische und logische Wahrheiten … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Intersubjektivit%C3%A4t

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“ … Transsubjektiv ist, was den Bereich des Subjektiven überschreitet. Wird subjektiv in diesem Zusammenhang im Sinne des Individual-Subjektiven verstanden, dann ist das Transsubjektive das, was intersubjektiv gültig ist (so etwa im Konstruktivismus der Erlanger Schule). Versteht man unter subjektiv dagegen das Kollektiv-Subjektive (die Gattung Mensch), dann ist das Transsubjektive das vom Menschen Unabhängige, also das, was jenseits des Bewusstseins liegt. Im letzteren Sinne verwendet Johannes Volkelt den Begriff und setzt damit das Transsubjektive dem (bloß) Intersubjektiven entgegen. …“ | Quelle: http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-woerterbuch/?tx_gbwbphilosophie_main[entry]=897&tx_gbwbphilosophie_main[action]=show&tx_gbwbphilosophie_main[controller]=Lexicon (Stand 01/2013)

[5 Minuten mit Diedrich Diederichsen… ]


[„Boulevard der Dämmerung“, R.: Billy Wilder (1950)]

Diedrich Diederichsen über Über Stars und Promis >> http://www.fluter.de/de/stars/lesen/8100/

http://de.wikipedia.org/wiki/Diedrich_Diederichsen | http://diedrich-diederichsen.de/

via http://welteninwelten.blogspot.de/

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Nachtrag:

„… WELT ONLINE: Löst Geschmack Bildung ab? Gibt es statt eines Bildungsbürgertums die Inflation des Geschmacksbürgertums?
Diederichsen: … Ich glaube, dass es ein kompaktes Bürgertum als Klasse, die eine bestimmte Kultur vertritt, so eh nicht mehr gibt. Das Bürgertum hat entlang von posttraditionellen Spezialisierungen die Aufgaben, die früher intern je und je an Männer und Frauen, Zahnärzte und Künstler, Poeten und Politiker verteilt wurden, neu aufgeteilt. Mit dem Ergebnis, dass auch das Bürgertum nur noch aus Subkulturen besteht, die sich nicht mehr zu einem größeren Ganzen ergänzen wollen, sondern vor sich hin autonomisieren. Die Kunst ist da allerdings im Begriff, zur Meta-Subkultur zu werden – was noch keine ganze neue Kultur ergibt. Die politisch-ökonomische Macht des Bürgertums, die sich eh stark der Kenntlichkeit und Sichtbarkeit entzieht und in das Gewirr der Holdings, Finanzakrobatik, Steuertricks, Fonds verkriecht, bildet sich auch nicht mehr so leicht in konsistenten Lebensentwürfen, Outfits, Geschmacksentscheidungen ab. …“ | Aus: „Diedrich Diederichsen: „Das Bürgertum besteht nur aus Subkulturen““ (25.05.08) | http://www.welt.de/kultur/article2030854/Das-Buergertum-besteht-nur-aus-Subkulturen.html

[Die Rotwein Episode in Paris… ]

Ich nenne ihn den Physiker. Bei den ersten gemeinsamen Fahrten ist er mir kaum aufgefallen. Aber seit er mir früh am morgen, vor dem ersten Becher Kaffee, mit leicht krächzender Stimmlage mit einer Theorie über die Krümmung von Raum und Zeit kam, blieb er mir als ein besonderer Fahrgast in Erinnerung. Im Mittelgang, die Augen waren auf die Welt da draußen gerichtet, wurde ich zufällige Mithörer einer kurzen Linienbusunterhaltung. Der Physiker erzählte jemanden seine kleine pariser Rotwein Episode. Es trug sich zu, das er vor Jahren eben in Paris, in einem chinesischen Restaurant frustriert über das Essen war. Nein, es schmeckte ihm wirklich nicht. Aus einem ihm unerklärlichen Affekt heraus trank er deshalb kurzfristig eine Flasche Rotwein. Für einen Augenblick hatte ihn seine sonst so dominant rationaler Charakter im Stich gelassen. Dieser Rotwein war für den Magen des Physikers völlig ungewohnt, denn er merkte noch an, das er in seinem Leben durchaus nur dieses eine mal „besoffen“ gewesen war. Er musste dann ein wenig später schnell aus einem Linienbus springen, um irgendwo in Paris „über seine Stiefel kotzen“ zu können. Aus den Augenwinkeln sehe ich dann den Physiker auf dem Gehsteig stehen, wie er sich unnachahmlich verlangsamt eine Zigarette aus der Schachtel zieht. Ich bewundere ihn – ohne ihn auch nur annähernd zu kennen, oder kennen zu wollen. Die Fahrt geht weiter. Liegt es am November? – Mir kommt es vor, als wären wir besonders im November alle traurige Clowns. Auf der einen Seite hege ich ausufernde Faszination für Mikromomente. Wahllos herausgegriffen sind mir Situationen dann äußerst intensiv – jedoch nur für den Bruchteile einer Sekunde. Dann laufe ich wieder schlingernd der Weltbühne hinterher. Ich fühle dann teilhaftig wie ein Kind, das mit baumelnden Füßen auf dem Rücksitz eines Autos sitzt, das Auto fährt zu schnell durch die Nacht und ich sehe durch die regentropfen-fluchtende Frontscheibe. Die roten Rücklichter der Fahrzeuge wackeln und verschwimmen.

[Überlagerungen im Herbst… ]

Wenn die Gedanken zu Menschen hineilen. Oder wenn Gedanken zu den Vorstellungen, welche sich in der Erinnerung festgesetzt haben, hin laufen. Und ich gerade das Hemd ausziehe – denn ich muss noch duschen. Das Zimmer ist zerwühlt. Wir lagen aber in deinem Zimmer und erzählten von den Dingen, die um uns schwirren. Und bei deinem Klavier will eine einzige Taste nicht mehr recht erklingen, sie will nicht mehr funktionieren. Mal geht sie, mal nicht. Den Flur entlang – in dem kleinen provisorische Labor liegen die elektronischen Klangerzeuger und Tastaturen überall verstreut. Der Blick morgens aus dem Erker im 2. Stockwerk. Die Straße mit Kopfsteinpflaster da unten und der Gehweg ist aufgerissenen. Dort liegt meine Hingebung. Schnell noch eine Zigarette denkt sich der Mann mit der Schaufel und den lehmigen Arbeiterstiefeln. Ja ja das Haus (nebenan) wird an die Fernwärme angeschlossen sagt er. Der Boden ist nass und kalt. Die Ziegel des abgetreten restlichen Gehwegs glänzen matt. Ich denke einen anderen Tag: ganz zu recht hast du mich nur zögerlich in den Arm genommen, wir wissen wie verschieden wir ticken. Später im Krankenhaus trommelt wieder die beflügelte Spaßtruppe von außen gegen die Fensterscheibe. Die fliegenden Spaßmusiker, der lachende Engelschor. Sie tragen in der Mitte eine große goldene Uhr. Sie zeigen mit großen Gesten auf das Ziffernblatt um dann flatternd in Gelächter auszubrechen. Jetzt liegt das Buch von Zumbach (über Edgar Allan Poe) auf deinem Krankentischen. Mir macht es nichts aus, das du so verändert aussiehst. Ich habe so viele Bilder von Dir abgespeichert und eingelagert, das sich diese Bilder in abgestuften Schichten über das aktuelle Bild legen.
& Später in der Elisabethstrasse (die wir hier als verbliebene Freunde verliebt-zärtlich die Elli nennen) bekomme ich von Herrn Sternjäger einem Apfel frisch aus seinem Garten geschenkt. Er schmeckt köstlich. Da kann man einen Wurm verstehen. Er hat rote Backen. Es ist Herbst.

[Ordnung, Herrschaft und Interessen (4)… ]

Zum Minenfeld der Aufklärung…

Oliver vom Hove (07.09.2012): “ … Für die Verbreitung der Werte der Aufklärung nahmen durch die Jahrhunderte Menschen Verfolgung, Verfemung, Verbannung, zuweilen auch Kerker und den Tod auf sich; etliche der besten aufklärerischen Ideen wurden im Exil, fernab von Aussicht auf Wirkung und Verwirklichung, geformt. Es ist der Saturiertheit mancher postmodernen Kreise im Westen zuzuschreiben, dass das „Projekt Aufklärung“ eine Zeitlang bloß als eine „große Erzählung“ abgetan wurde, deren Universalismus unweigerlich in einer Sackgasse mündete. …“ | Aus: „Das Fackellicht des Geistes“ | http://www.wienerzeitung.at/beilagen/extra/485211_Das-Fackellicht-des-Geistes.html

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Oskar Y. Martin (01. Juni 2011): “ … Holbach und Diderot [ ] leugneten Gott und gelten daher als böse. Ihre Haltung ist Ergebnis des eigenen, schmerzhaften Lösungsprozesses vom Religiösen als Konsequenz der Erkenntnis. Beleg dafür ist folgende Szene, zu der es gekommen sein soll, als Holbach Abzüge der Illustrationen für die botanischen Encyclopédie-Artikel in Diderots Werkstatt bewunderte: „All diese Schönheit, begann der Baron [Holbach] wieder und zeigte auf die detailgetreu wiedergegebenen Blumen, Blätter, Blüten und Fruchtknoten, all diese Schönheit muss doch der Beweis einer höheren Intelligenz sein! Diderot sah ihn einfach an, ohne zu antworten, woraufhin Holbach weinend zusammenbrach.“ … “ | http://www.diesseits.de/aktuelles-heft/herz-radikalen-aufkl%C3%A4rung

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Jürgen Nakott (10. Mai 2012): “ … „Böses“, von dem wir mehr brauchen … Man kann dieses Buch [Böse Philosophen: Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung] aufschlagen, wo man will – man wird auf jeder Seite Sätze finden, die es wert wären, dass man sie sich über den Schreibtisch hängt. Oder bis zur Rotglut mit anderen darüber diskutiert. Also machen wir den Versuch, Seite 206: ‚Selbstbesessen und kindisch, wie wir sind, erwarten wir von der Natur, dass sie ausschließlich für uns existiert, denn wir wollen glauben können, dass unsere Freuden und Leiden wichtig und sinnvoll sind.‘ (…) ‚Wir erkennen, dass wir schwach sind, und erfinden deshalb eine Vision der Kraft (Gott); wir erschaffen aus unseren Ängsten eine Vision der Vollkommenheit (nach dem Tod), in der alle von uns wahrgenommenen Ungerechtigkeiten und Gebrechen aufgehoben sind.‘
Dies ist nur eines der Themen, mit denen sich eine Philosophenschar um Denis Diderot im Paris des 18. Jahrhunderts bei Kirche und Politik unbeliebt machte. …“ | Quelle

Von lumpazivagabundus (4. Oktober 2011): “ …Es tut gut dieses Buch zu lesen, in einer Zeit wo das Oberhaupt der katholischen Kirche ohne erheblichen Widerspruch zu ernten behaupten kann, dass der Atheismus Schuld sei an den Völkermorden des 20. Jahrhunderts. Wo beide Kirchen für sich reklamieren, dass unsere Leitkultur eine christliche ist und abstreiten, dass die Elemente dieser Leitkultur wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gegen die christliche Ideologie erkämpft wurden. Und wo auch in einer evangelischen Predigt ohne Widerspruch gesagt werden kann, dass ein Werte- und Verantwortungsbewußtes Leben nur in Verbindung mit einem Gottesglauben zu führen sei (welcher Gott auch immer: so liberal ist man ja inzwischen in manchen Kirchenkreisen). Für den, der dieser Überheblichkeit der Kirchen widerspricht, heißt dieses Buch „Gute Philosophen„, denn der Widerspruch gegen diese Überheblichkeit ist mindestens so alt wie die französische Aufklärung. … Wie kam es denn nun dazu, dass das Erbe der Aufklärung vergessen wurde, wie es im Untertitel heißt? Blom sieht die Ursache hierfür in der französischen Revolution. Der Staatsreligion eines Robespierre waren die atheistischen Aufklärer mit ihrer hedonistischen Ethik zu gefährlich. Roussaus „Gesellschaftsvertrag“ lieferte den nötigen Überbau für den Terror der Revolutionäre. Der Romantik stand der Gefühlskult Rousseaus auch näher als die Betonung der Rationalität. Schließlich hatte das industrielle und koloniale 19. Jahrhundert auch keinen Bedarf an Denkern, die an der organisierten Religion rüttelten, einem stabilen Grundpfeiler der Gesellschaft. …“ | Quelle

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“ … Bei den „Scheichs der Rue Royale“ (David Hume) erblickte ein Wein-Atheismus-Komplex das Licht der Welt, dessen Charakteristika heutige Hedonisten schamrot werden lassen müssten. Denn er basiert nicht nur auf einem spottlustigen Ketzertum, sondern zugleich auf einer kompromisslosen Ablehnung des europäischen Kolonialismus. Diderot war ein Meister des Tabubruchs – von links. Man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass alle Verhältnisse, in denen Menschen unterdrückt werden, in denen nicht alle die gleichen Lebenschancen haben, unmissverständlich abzulehnen sind. Diderot saß für seine Überzeugung mehrfach im Gefängnis. Radikale Aufklärung kann ein gefährliches Geschäft sein. ….“ | Aus: „Philipp Blom „Bösen Philosophen“ Aufgeklärt und radikal“ Von Mario Scalla (04. April 2011) | http://www.fr-online.de/literatur/philipp-blom—boesen–philosophen–aufgeklaert-und-radikal,1472266,8298760.html

[Return to Slumberland (2)… ]

8:55 Groovin‘ at Small’s Paradise – Jimmy Smith spielt My Funny Valentine und die Luft riecht erstmals etwas nach Herbst in diesem Jahr – in diesem kleinen Waldstück – auf dem Klapperrad. Bin wieder mal spät dran. Im Mund ist noch ein kleiner Krümelrest vom Räuberkaffee.

[Mentale Zeitverzögerung… ]

Die Situation, wenn der Gedankenapparat noch mit einer Sache befasst ist, die nicht im gegenwärtigen Raum stattfindet. Eine Sache die nicht fertig gedacht werden kann aus irgendeinem Grund. Ein Automatismus jedoch stattfindet, das ich die Esspresskanne aufschraube, was ich also selbst vollziehe, ohne das ich dies eigentlich gemerkt hätte.

[Sprachgebrauch #14… ]

“ … Die Frage ist stets: Würden Natur, Technik und Kunst auch ohne Sprache „funktionieren“? Bei der Natur nehmen wir es gar als moralische Prämisse: Ökologisches Empfinden entsteht aufgrund des, nun ja, Dogmas: Die Natur kann ohne den Menschen auskommen, aber der Mensch nicht ohne Natur.

Bei der Technik genießen wir gelegentlich die Un-Sprachlichkeit ihrer Protagonisten, die Hilflosigkeit der Bedienungsanleitungen, den Kürzel-Jargon etc.

Bei der Kunst geraten wir, mit einer gewissen Wollust, an den Punkt, an dem man „eigentlich in Worten nicht mehr ausdrücken“ kann, was einen in Beziehung auf das Werk bewegt.

Was außerhalb der Sprache geschieht, will stets zugleich includiert und excludiert werden. Das heißt, zum Beispiel, die Technik kann nur durch Sprache „gezähmt“ werden, aber zugleich ist sie dieser Sprache voraus; die Kunst bedarf der Sprache (und es wird, spätestens seit dem Beginn des bürgerlichen Zeitalters) in gewaltiger Quantität über sie gesprochen, aber vor allem bedarf die Kunst der Sprache um in der Sprache selber auszudrücken, dass sie Mehr-als-Sprache ist. Die Kunst steht über der Sprache (so wie die Natur vor der Sprache war und die Technik vor der Sprache ist).

… In einer populären Denkfigur driften Kunst, Technik und Natur immer weiter auseinander. (Umso schärfer scheinen sie einander zu kommentieren.)

In der Katastrophe, in der Krise, im Skandal kommen sie, mit einem Schlag, mehr oder weniger, wieder zusammen.

Die Wirklichkeit, zweifellos, setzt sich aus Natur, Kunst und Technik zusammen (und aus noch einigem mehr). Das heißt, sie setzt sich aus Widersprüchen zusammen. Was diese Widersprüche überwinden soll, ist Mythos, Ideologie, Religion. Wirklichkeit ist ein unentwegter Kampf um die Hegemonie. …

Natur, Technik und Kunst sind nicht nur sprachlos, sondern erzeugen auch Sprachlosigkeit (in allem Geschwätz). Wer sagen soll, was Natur ist, gerät entweder ins Plappern oder an die Grenzen seiner Sprache. Wer der Kunst etwas sagen will, provoziert sie zu einem Verhalten, welches das Gesagte, das Sagbare sogleich überschreitet. Und es ist ein Wesenszug des Technischen, sich schneller zu entwickeln als das Sprachliche. …“

KL am 08 Aug 2012 um 07:59 Uhr: … Ob die „abendländische“ Kultur zu einem Bewußtsein kommen kann, das uns trotz technischer Beherrschung der von uns aus Substrat gemachten Apparate Respekt vor seiner Unbegreiflichkeit erlaubt?

Aus: „KUNST/ZEIT/SCHRIFT NR. 4/12“ von Georg Seeßlen
http://www.seesslen-blog.de/2012/08/02/kunstzeitschrift-nr-412/

[Geheimnisse alter Männer… ]

In Kiel gibt es in Seitenstraßen Zweite-Hand Läden für Modellbaueisenbahn-Krams. Ich war auf der Suche nach einem klitzekleinen Plastikauto für eine Schultüte. Im Laden herrschte ausgelassene Stimmung 3 Kunden – alle wirkten jenseits der Achtzig – und auch der Ladenbesitzer strahlte mich mit seinen freudig-betagt-glasigen Augen an und hatte die Hose offen. Wild lagen Schienenstücke, Tunnelanlagen und zusammengeklebte Häuser in den zerwühlten Regalen. Ich spürte sofort: ich war in eine echte Subkultur eingefallen. Aber die 4 ließen sich durch mich Grünschnabel nicht stören und tauschten weiter lebhaft ihre Gedanken aus. Ich dachte, man ist es groovie hier.
Meine Gedanken schweiften ab – im Baumarkt an der Sägetheke hatte mir vor einem Jahr ein weißhaariger Rentner gestanden, das er sich heimlich eine große Eisenbahnanlage im Keller aufbauen wolle. Dafür bräuchte er ja erst mal eine große Platte am Anfang. Er hätte sich als Kind immer so eine Eisenbahnanlage gewünscht. Als Handwerker sei er dann aber nie dazu gekommen. Vor seiner Frau müsse er allerdings sein Projekt verheimlichen – weil „oh nee die versteht das nicht…“
Es ist hoffnungsvoll – vielleicht gibt es nicht nur eine Aussicht auf eine Alterssanftheit, sondern auch eine Altersverspieltheit, wenn einem nicht die Demenz oder andere hinterhältige Unwägbarkeiten dazwischen kommen.

[Glück gehabt… ]

Lange noch, als der Fahrtwind im kühlen Wald mir um die rostigen Speichen wirbelte, dachte ich an das Bild – du auf dem Balkon im Nachthemd, wir winkten uns zu, Küsse flogen durch die Luft im Hinterhof. Immerhin hatten wir ein paar Sekunden.

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