Schlagwort: Psychoanalyse

[Seelenleben #4… ]

Jacob und Wilhelm Grimm auf der Original-Daguerreotypie von Hermann Biow (aus dem Besitz der Familie Grimm) [Aus: „Vor 160 Jahren: „Deutsches Wörterbuch“ der Brüder Grimm – der erste Band erscheint“] (2006) | Quelle: http://www.engelbach-wwr.de/17_Jacob_und_Wilhelm_Grimm.html

“ … Ob wir nun im Deutschen vom „Geist“ sprechen oder das englische „mind“ verwenden, … sollten wir kurz innehalten, was wir damit überhaupt meinen. Der Duden erklärt das Wort als „denkendes Bewusstsein des Menschen, Verstandeskraft, Verstand“, das Grimmsche Wörterbuch setzt es in ganzen 119 Spalten unter anderem mit der Seele und dem Atem in Beziehung. Mit über 500.000 Zeichen wäre der Eintrag für ein einziges Wort genug für ein eigenes Buch! Das wäre aber allenfalls für ein paar Sprachwissenschaftler und Philosophen von Interesse. … In der frühen Menschheitsgeschichte – und in manchen Religionen bis heute – war es üblich, unerklärlichen Naturkräfte als Götter zu beschreiben: Da gab es einen Wasser-, Feuer-, Regen- oder Donnergott und so weiter. Diesen Prozess nennt man auch „Deifikation“, Vergöttlichung. Machen wir dasselbe, wenn wir unsere psychischen Prozesse wie Wahrnehmungs-, Gefühls-, Denk-, Entscheidungs- und Handlungsprozesse einem Geist zuschreiben, Reifikation? [„Vergegenständlichung“ … Beispiel: „Sein Gewissen hielt ihn davon ab, in diesen Zug zu steigen.“ …] … “ | Aus: „Das kleine Einmaleins des Leib-Seele-Problems“ Stephan Schleim (31. Mai 2020) | https://www.heise.de/tp/features/Das-kleine-Einmaleins-des-Leib-Seele-Problems-4769110.html

“ …“Die Triebe sind mythische Wesen, großartig in ihrer Unbestimmtheit“ (GW XV: 101) mit dieser Unbestimmtheit ist der Mensch konfrontiert, und er verkennt sich selbst, wenn er sein Seelenleben für beherrschbar und transparent hält. … In der Psychoanalyse erscheint die Verfassung des Menschen prekär: Das Ich ist abhängig von der Außenwelt, über die Innenwelt seelischer Vorgänge ist es nur unzureichend informiert … zusammengefasst: „Der Mensch ist ein Wesen von schwacher Intelligenz, das von seinen Trieben beherrscht wird.“ (IX: 182) … Auf der anderen Seite aber geht es darum, das Ich zu stärken: „Wo Es war, soll Ich werden“, und auch die Intelligenz erscheint in einem anderen Licht: „[…] die Stimme des Intellekts ist leise, aber sie ruht nicht, ehe sie sich Gehör verschafft.“ (IX: 186) … In der Entdeckung des Unbewussten liegt die eigentliche philosophische Frage der Psychoanalyse: wer wir sind, wenn wir uns unter der Perspektive des Unbewussten verstehen …“ | Aus: „Freud“ Jan Heise (Reclam Taschenbuch Nr. 20332), 2010

Martin Mosebach (07.09.2014): “ … So wie der Kosmonaut Gagarin dem Parteisekretär Chruschtschew rapportiert haben soll, er habe bei seiner Fahrt in das Weltall keinen Gott gesehen, so geben die Neurobiologen davon Kenntnis, sie hätten im menschlichen Organismus keinen Sitz der Seele entdeckt – es sei da aber keineswegs eine Leerstelle entstanden, denn alle einst dem Wirken der Seele zugeschriebenen Phänomene liessen sich befriedigend physiologisch erklären. Zur Ehrenrettung der Wissenschaft sei hinzugefügt, dass es genügend Gelehrte gibt, die an diesem Triumph zweifeln. …“ | Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/die-seele-1.18377891

Lars Jaeger (21. Dez 2019): “ … So glaubt der US-Vize-Präsident Mike Pence nicht an die Evolutionstheorie. Er hält es für eine fundamentale Wahrheit, dass Gott Himmel, Erde und die Ozeane geschaffen hat – und den Menschen auch. Kaum ein vernünftiger, aufgeklärter Mensch zweifelt heute noch an der Evolution. In den 160 Jahren, seit Charles Darwin seine Theorie formulierte, haben Wissenschaftler aus unzähligen Mosaiksteinchen ein konsistentes Bild von der Entstehung der Arten zusammengesetzt. … Auch für Klimaskeptiker, Evolutions- und Relativitätstheoriekritiker, Impfgegner, Trump- oder AfD-Anhänger und andere erklärte Gegner der wissenschaftlichen Methode ist es selbstverständlich, mit Blitzableitern ihre Häuser vor Gewittern zu schützen, statt durch Opfergaben an Götter. Auch sie benutzen GPS-Systeme, um an ihr Ziel zu kommen, schlucken Antibiotika, wenn sie eine bakterielle Infektion haben und benutzen ihren Computer und das Internet, um mit Freunden und Geschäftskollegen zu kommunizieren und ihre populistische Polemik zu streuen. … Es ist paradox: Je mehr Wissen wir erlangten, desto weniger durften wir darauf hoffen, dass es eine letzte Wahrheit gibt. … “ | Aus: „Intellektuelle Redlichkeit II – Die Tugenden der Wissenschaft im Kampf gegen populistische Strömungen“ | https://scilogs.spektrum.de/beobachtungen-der-wissenschaft/intellektuelle-redlichkeit-ii-die-tugenden-der-wissenschaft-im-kampf-gegen-populistische-stroemungen/

“ … Der schwedische Gelehrte Emanuel Swedenborg (1688-1772) gab an, er habe durch göttliche Gnade die Fähigkeit erhalten, die geistige Welt wahrzunehmen und mit Engeln und Geistern Gespräche zu führen. Er identifizierte den Menschen mit der unsterblichen Seele, die den Körper nur vorübergehend als Organ nutze. … Ernst Cassirer [https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Cassirer] erörtert die Seele im Rahmen seiner Philosophie der symbolischen Formen. Er meint, dass jede symbolische Form die Grenze zwischen Ich und Wirklichkeit nicht als feststehende im Voraus habe, sondern sie selbst erst setze. … Bei Ludwig Klages wird aus dem Verhältnis von Geist und Seele eine Gegnerschaft, die sich zwangsläufig aus dem Wesen der beiden Pole ergibt. In seinem dreibändigen Hauptwerk Der Geist als Widersacher der Seele erläutert Klages, der hier stark von Friedrich Nietzsche beeinflusst ist, ausführlich seine These, dass der Geist und das Lebensprinzip, die Seele, „einander feindlich entgegengesetzt“ seien. … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Seele (September 2020)

Andreas Motschmann (09. November 2018): “ … Unmittelbar nachdem der Tod eintrat, wurde das Fenster geöffnet. Dieser Brauch entstand aus der Vorstellung früherer Jahrhunderte, dass die Seele durch den Mund des Verstorbenen in den Himmel entweicht …“ | https://www.obermain.de/lokal/obermain/art2414,695738,B::pic2417,779764

[Seelenleben #1… ]

“ … Because of their interest in dreams and the unconscious, it may have seemed obvious that Dali and Freud would have made natural friends, but Freud’s taste in art was strictly traditional and he was wary of the Surrealists after a run-in with André Breton in 1921. …“ | via https://dangerousminds.net/comments/that_time_salvador_dali_met_sigmund_freud (15.01.2020)

Jens Heise (23.09.2019): “ … Der Traum ist wie eine Psychose, aus der wir morgens gesund aufwachen; die Psychose ist wie ein Traum, aus dem es kein Erwachen gibt. … Freud hat die Psychoanalyse nicht philosophisch begründet. Philosophisch wirksam ist sie durch ihre Kritik an der Autonomie des Ichs oder des Subjekts, wie es sich im Selbstportrait des animal rationale kristallisiert hatte. Dieser Anspruch, ein anderes Bild vom Menschen zu vertreten, macht den philosophischen Kern der Psychoanalyse aus und verbindet sie mit nachidealistischen Positionen unter der Parole, das Ich zu dezentrieren. Für Freud liegt in der Dezentrierung des Ichs die Bedingung seiner Psychologie des Unbewussten. Was aus der Zentralperspektive des Ichs als Unsinn erscheint wie der Traum oder die Neurose, wird sinnvoll auf dem Schauplatz des Unbewussten. … In der Psychoanalyse erscheint die Kondition des Menschen prekär: Das Ich ist abhängig von der Außenwelt, über die Innenwelt seelischer Vorgänge ist es nur unzureichend informiert, es ist den Trieben ausgesetzt und unterliegt der Zensur durch das Über-Ich; die Vernunft erscheint als Werkzeug der Triebe und ist ohne eigenständige Kraft. Zusammengefasst: „Der Mensch ist ein Wesen von schwacher Intelligenz, das von seinen Trieben beherrscht wird“, schreibt Freud laut „Studienausgabe“. … Es ist offensichtlich, dass die Wende vom Bewussten zum Unbewussten in der Geschichte der Naturwissenschaften nicht aufgeht. Die psychologische Dezentrierung betrifft das Ich selbst und konfrontiert uns mit der Einsicht, dass wir zu einem Teil unserer Innenwelt keinen Zugang haben. In der Entdeckung des Unbewussten liegt die eigentlich philosophische Frage der Psychoanalyse … In seiner Rede zum 80. Geburtstag Freuds stellt Thomas Mann 1936 fest, dass die Wirkung der Psychoanalyse die Grenzen der Medizin weit überschritten und das Selbstverständnis des Menschen entscheidend geprägt hat: „die analytische Einsicht ist weltverändernd“ … “ | https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/deuter-unserer-traeume-2145/

Thomas Anz (‚Psychoanalyse und literarische Moderne – Zu den Anfängen einer dramatischen Beziehung‘, 21.11.2016): “ … Umstritten war die Psychoanalyse indes damals so sehr wie heute. Auch die gegenwärtig häufiger und aggressiver werdenden Stimmen gegen Freud haben eine literarische Vorgeschichte. Hofmannsthal schrieb 1908 in einem Brief: „Freud, dessen Schriften ich sämtlich kenne, halte ich […] für eine absolute Mediocrität voll bornierten, provinzmäßigen Eigendünkels.“ Die polemischen Bemerkungen von Karl Kraus gegen die Psychoanalyse sind bekannt, vor allem sein Bonmont, die Psychoanalyse sei jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich halte. … Am Kampf gegen die „entarteten“, „kranken“ Kunstwerke und Künstler der Moderne, wie er um und nach 1900 mit Argumenten sozialdarwinistischer und psychiatrischer, sozialistischer, deutschnationaler und rassistischer, heimatkunstbewegter und neoklassizistischer Provenienz geführt wurde, hat sich Freud allerdings nie beteiligt. … Die Bewunderung, die ihm später die Surrealisten entgegenbrachten, registrierte er, mochte diesen indes seinerseits wenig Verständnis entgegenbringen. … Gleichsam als Einmischung in innere Angelegenheiten wies Freud das Interesse der literarischen Moderne an psychopathologischen Stoffen zurück. Umgekehrt reagierten Autoren der Moderne hochempfindlich, wenn Psychoanalytiker in ihrem Interesse an der Kunst und an Künstlerpersönlichkeiten gegenüber dem Autor und seinem Werk von vornherein einen vaterähnlichen Überlegenheitsanspruch behaupteten, während dem Autor die Rolle eines quasi neurotischen, bewusstseinsmäßig unterlegenen Patienten zugeschrieben wird. Gewiss, es gibt im Umkreis der literarischen Moderne zahllose Beispiele dafür, dass sich Autoren freiwillig als Patienten einer therapeutischen Analyse unterzogen haben. Für viele war dies der Weg, auf dem ihre Rezeption der Psychoanalyse erfolgte. Das Beispiel Rilke, der im Winter 1911/12 eine psychoanalytische Behandlung erwog, doch dann davon Abstand nahm, weil er fürchtete, mit seiner Neurose auch seine Kreativität zu verlieren, ist nicht ganz so typisch, wie oft gesagt wird. Den produktiven Anstößen der Psychoanalyse steht indes die Bedrohung gegenüber, die von ihren dem „Therapiemodell“ folgenden Kunstinterpretationen dadurch ausging, dass jeder Autor durch sie, und zwar unfreiwillig und sogar öffentlich, mit seinen Werken zum pathologischen Fall und Untersuchungsobjekt werden konnte. „Ich bin […] unvermögend mich gegen Interpretationen der vagsten Art zu wehren […], wenn morgen ein Freudianer meine sämtlichen Arbeiten bis aufs I-Tüpferl als infantil-erotische Halluzinationen ‚erkennt'“, schrieb Hofmannsthal in einem Brief. Karl Kraus wettert: „Nervenärzten, die uns das Genie verpathologisieren, soll man mit dessen gesammelten Werken die Schädeldecke einschlagen.“ Döblin sprach in diesem Zusammenhang von „Tölpeleien“. … Den Antagonismus von Sexualität und Moral, Unbewusstem und Bewusstem, Körper und Geist wird in Literatur und Psychoanalyse gleichermaßen immer wieder mit Metaphern des Kampfes dramatisiert. Zusammen mit „Unterdrückung“, „Widerstand“ oder „Abwehr“ gehört auch „Kampf“ zum festen Inventar des psychoanalytischen Vokabulars. Vom „Kampf mit dem mächtigen Triebe“ oder „Kampf gegen die Sinnlichkeit“ spricht Freud etwa in seiner 1908 erschienenen Schrift „Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität“. Und Lou Andreas-Salomé, die 1911 Freud persönlich kennen lernte und bald zu seinem engsten Kreis gehörte, schrieb 1915, wohl nicht zufällig also während der Kriegszeit, in einem ihrer zahlreichen Beiträge zur Psychoanalyse: „Gewiß gibt es auch ohne alles spezifische ‚Schuldgefühl‘ im Menschen genug Krieg und Widerstreit der Triebe gegeneinander“. …“ | https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=5803

Anna und Sigmund Freud im Jahr 1920

(4. Juni 2020): “ … Ganz im Gegensatz zu Sigmund Freud, der in einem Brief an die Prinzessin und Psychoanalytikerin Marie Bonaparte schreibt: „Im Moment, in dem man nach Sinn und Wert des Lebens fragt, ist man krank, denn man hat nur eingestanden, das man einen Vorrat von unbefriedigter Libido hat,“ sieht Frankl in der Frage nach dem Sinn des Lebens eine Manifestation der „geistigen Mündigkeit und intellektuellen Redlichkeit des Menschen“. … Mit verschiedenen Methoden, wie Hypnose, der sogenannten „freien Assoziation“ oder der Traumdeutung erforschte [Sigmund Freud] das Unbewusste. Auch er entschloss sich 1938 zur Emigration. Nach Bezahlung der „Reichs-fluchtsteuer“, gelang es Freud, das Land zu verlassen. Seine erzwungene Unterschrift unter der „Erklärung“, von der Geheimen Staatspolizei korrekt behandelt worden zu sein, ergänzte er mit den Worten „Ich kann die Gestapo jedermann auf das Beste empfehlen“. …“ | https://www.derstandard.at/story/2000117844831/ein-historischer-blick-auf-die-sinnsuche-die-oesterreichische-seele-und

Georges Roth (4. Juni 2020, 18:31:25): “ … [Es] ist vielleicht wirklich nur für neurotische Charaktere von Bedeutung, aber die falsche Angabe des Gestapo-Zitates vermurkst die eigentliche Pointe. Freud sagte nicht, er könne die Gestapo auf das Beste, sondern „auf das Wärmste“ empfehlen. Und das ist ja sexualtheoretisch ein kleiner Unterschied. …“

[Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre #5… ]

Markus Brunner (2011): “ … Auf den endgültigen Zusammenbruch war »selbst bei zunehmend empfundener Ambivalenz die große Mehrheit innerlich nicht vorbereitet«, weil die Allmachtsfantasien und Projektionen den realitätsgerechten Blick in die Zukunft unmöglich gemacht hatten (ebd., S. 38). Das Ende durfte nicht nahen. … Der Verlust des narzisstisch besetzten Objektes und die damit einhergehende Drohung einer Melancholie, die mit allen Mitteln abgewehrt werden muss, stehen – neben der Abwehr von Schuld – im Zentrum der Mitscherlichschen Argumentation. Doch was heißt eigentlich eine Abwehr von Melancholie? … Hitler oder besser: die Idee der großen »Volksgemeinschaft«, […] diente im »Dritten Reich« in seiner Funktion als Ichideal-Ersatz auch der Integration unbewusster Triebregungen […]. Der Nationalsozialismus gestattete es den »VolksgenossInnen« tatsächlich in einer vorher nicht gekannten Weise Grandiositätsfantasien zu realisieren. Als »Erlebnisangebot« (Brockhaus 1997) ermöglichte er psychische Intensität, die Teilhabe an Kraft, Stärke, Kameradschaft, Gemeinschaft und auch Gewalt. … “ | Aus: „Die Kryptisierung des Nationalsozialismus – Wie die »Volksgemeinschaft« ihre Niederlage überlebte“ http://www.agpolpsy.de/wp-content/uploads/2013/11/brunner-2011-die-kryptisierung-des-nationalsozialismus-text.pdf

“ … Das Bild, das wir heute von den 50er Jahren haben, ist das der witzig geformten Nierentische, der lustig wippenden Petticoats und der Cocktailsessel. Heute finden wir das alles ein bisschen schräg, aber eigentlich ganz lustig. … Vieles wiederholte sich, wenn auch in einem neuen Gewand. Der Mief, die sozialen Vorurteile blieben, sie verschoben sich nur. Waren zunächst die Flüchtlinge oft genug „Menschen zweiter Klasse“, so waren es dann wenig später die „Gastarbeiter“. Soziale Vorurteile gegenüber „dem Fremden“ blieben erst einmal bestehen. Was man nicht kannte, lehnte man vorerst ab, denn es machte ja auch gleichzeitig Angst. So waren Anstand und gutes Benehmen wichtig. Das war sicher nicht falsch, aber der Schein nach außen war wichtiger als die Ehrlichkeit. So sollte alles seine Ordnung haben und blitzsauber sein, das Haus und die Kinder. Frauen putzten fleißig, Männer zeigten stolz ihre Neuwagen und wenn sie auch nicht die Wohnung putzten, dann zumindest ihr neues Auto. Jeder schaute nach jedem und keiner wollte in der Menge auffallen. Was könnten denn die Nachbarn sagen? Eine Frage, die sich viele Menschen stellten. … “ | http://www.zeitklicks.de/brd/zeitklicks/zeit/143/4/typisch-50er-jahre/

Michael Dienstbier (27. Dezember 2014): “ … Lange Zeit spielte die nationalsozialistische Terrorherrschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im kollektiven Gedächtnis der Deutschen keine Rolle: Die Verantwortlichen waren ja in den Nürnberger Prozessen abgeurteilt worden und in der BRD genoss man die Früchte des Wirtschaftswunders, richtete sich in der neuen Mittelklassegemütlichkeit ein, ließ den alten Adenauer die große Politik machen und die Vergangenheit Vergangenheit sein. …“ ( Aus „Niemals tut man so vollständig und so gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewissen tut“ – Kommentar zu: „Die Unfähigkeit zu trauern: Grundlagen kollektiven Verhaltens„)


Der Verlorene, (R. Peter Lorre, D 1951)

Jessica Ellicott (January 16, 2015): “ … Peter Lorre’s Der Verlorene („The Lost One“) does not fit easily within the grand narrative of German film history. When discussing German film in the 1950s, one is usually told of a barren cultural landscape, populated by escapist Heimatfilme. Films that satisfied the perceived desire of post-war audiences to forget. …“ | https://fourthreefilm.com/2015/01/the-lost-one-in-german-film-history-peter-lorres-der-verlorene-1951/

“ … Der Verlorene, 1951 … In Hamburg drehte er als Regisseur und Hauptdarsteller den Spielfilm Der Verlorene. Von der Journaille verrissen und verhöhnt, vom Publikum ignoriert, verschwand der Film nach 10 Tagen aus den Kinos und in der Versenkung. …“ | http://der-film-noir.de/v1/node/130

Ein sehr schwieriges Thema, Tita Fürst-Koren (25. November 2017): “ … Es blieben einige Fragen für den Zuschauer offen. Wie ist es mit der Sühne, wann kann ein Mensch von der Schuld „befreit“ sein […] ? Darf man in einer besonderer Zeit, wie der Krieg ist, andere Maßstäbe für die Schuld haben, eben, weil es „so war“. …“ | https://www.amazon.de/Verlorene-Deutscher-Film-Peter-Lorre/dp/B002LEZ2J2

Friederike Schulz (05.07.2010): “ … Doch wer unfähig ist zu trauern, um den Verlust des Führers einerseits und um die Millionen Opfer andererseits, der kann sich auch der Gegenwart und der Zukunft nicht stellen, der verharrt in psychischer Starre, so das gewagte Fazit. Nimmt man das Buch heute zur Hand, überraschen diese Thesen noch immer – schließlich liegt hier das gesamte deutsche Volk wider Willen auf der Couch. …“ | http://www.deutschlandfunk.de/kursiv-kollektive-verdraengung.1310.de.html?dram:article_id=194124

Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (04.11.2017): “ … Liest man heute, fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung, Alexander und Margarete Mitscherlichs Die Unfähigkeit zu trauern, so kann man überrascht werden. … Die Deutschen seien, so konstatierten die Mitscherlichs, emotional so blockiert, dass sie sich nicht für die Opfer interessieren konnten. … Nicht nur der Moralismus, auch die Psychoanalyse behagte vielen Lesern nicht. Unberechtigt ist das nicht, ist doch der Schritt vom einzelnen klinischen Befund zum Kollektiv methodisch kaum ausgewiesen und das Verständnis von Trauer alles andere als klar. … Mehrfach argumentieren die Mitscherlichs, die Gefühlsstarre sei Resultat eines »gleichsam reflektorisch ausgelösten Selbstschutzmechanismus« gegen die totale psychische Entwertung gewesen, eine Regression, die einen »submoralischen Notstand« ausgelöst habe – die Deutschen hätten also gar nicht anders gekonnt, als nicht zu trauern. … der heutige Diskurs über die Erinnerungskultur ist geprägt durch so abstrakte wie kategorische Forderungen, „niemals zu vergessen“ und einen weitgehend entpolitisierten und neutralisierten Begriff von „kulturellem Gedächtnis“. Er könnte von einem Konzept von Erinnerung profitieren, dass sich der Ambivalenz und Doppelbödigkeit von Erinnerungen bewusst ist, das Individuum und Gemeinschaft aufeinander bezieht und auch die Dimension von Affekt und Abwehr – gerade diese! – denken kann. Die Psychoanalyse stellt hier ein Potential dar, das noch keineswegs ausgeschöpft ist. …“ | http://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2017/11/14/daniel-weidner-die-unfaehigkeit-zu-trauern-geschichte-einer-abwehr/

Caroline Fetscher (03.12.2017): “ … Handelt es sich bei Aggression um eine anthropologische Konstante, wie Lorenz in „Das sogenannte Böse“ behauptete, oder um kulturabhängige, einhegbare Triebabfuhr? Welche Rolle besaßen Freuds Konzepte von Eros und Thanatos, Libido und Destrudo bei Mitscherlich? … „Aggressive Triebbefriedigung“, schrieben die Mitscherlichs 1967 in „Die Unfähigkeit zu trauern“, sei „moralisch bis heute zulässiger geblieben als die zärtlich-sexuelle“. Altersempfehlungen für Filme stufen auch 2017 noch – oder wieder? – eher gewalttätige denn erotische Szenen als kindgerecht ein. …“ | http://www.tagesspiegel.de/wissen/aufarbeitung-der-ns-vergangenheit-wozu-die-deutschen-unfaehig-waren/20664540.html

fidelche (16. Juni 2012): “ … Detlef zum Winkel schrieb in Konkret 9/87 über Margarete Mitscherlichs Aufsätze zur »Erinnerungsarbeit« : „Die Nachkommen der Nazis sind nicht »weiß«, sie beginnen ihr Leben nicht an einem existentiellen Nullpunkt, sondern sind auf vielfache Weise – individuell wie kollektiv – von der Vergangenheit geprägt. Je weniger man sich das eingestehe, desto stärker sei man diesen Kräften ausgeliefert.“ …“ | https://thinktankboy.wordpress.com/f-rubriken/margaretemitscherlich/#comment-17769

seriousguy47 (14.06.2012) “ … [Es] sei schließlich noch auf eine merkwürdige Diskussion in konservativen Kreisen Baden-Württembergs hingewiesen, wo, ausgerechnet nach dem staatlich „übersehenen“ langjährigen Rechtsterrorismus (5), nach dem jahrzehntelangen Decken des Ohnesorg-Mörders Kurras durch Polizei und Justiz (6), den immer neuen Medienberichten über die Nicht-Ahndung von polizeilichen „Übergriffen“ (sprich Verbrechen) (7) und dem Nichtverfolgen eines in Italien rechtskräftig verurteilten SS-Mörders durch den Stuttgarter Oberstaatsanwalt Häußler (8) nebst öffentlicher Rückendeckung für denselben durch einen SPD-Justizminister (9), der Rücktritt der Integrationsministerin Öney gefordert wird, die sich in einer Diskussion verplappert hatte und die deutschen Zustände, politisch inkorrekt, nicht hinreichend von türkischen Zuständen separiert hatte, wo mit dem Begriff „tiefer Staat“ ein Staat im Staate gemeint ist, „bei dem Politik, Verwaltung, Justiz und Sicherheitskräfte mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten.“ Damit haben die oben genannten Zustände selbstverständlich nichts zu tun. Wir sind schließlich keine Türken (10). …“ | https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/margarete-mitscherlich-tot-unfahigkeit-zu-trauern-bleibt