Schlagwort: Unter die Trauer mischt sich Wut

[Wirklichkeitsbezug #16 … ]

Anonym (10.02.2023): “ … Dieses Schutzschild, diese emotionale Distanz, um den Job auszuüben, die ist mir abhandengekommen. Ich bin eigentlich ein skeptischer und ungläubiger Mensch. Und trotzdem bete ich jeden Tag voller Hoffnung. Ich erwarte und warte auf Wunder. Und dabei glaube ich noch nicht einmal an Wunder! Aber aus Verzweiflung erwartet man in diesem Land ständig Wunder, die einfach nicht eintreten. Wir erleben Trauma über Trauma in diesem Land … Meine Liebsten sind unter den Trümmern, meine beste Freundin hat noch ihre Familie aus den Trümmern gezogen, bevor das zusammengestürzte Wohnhaus in Flammen aufging. Dort waren noch lebende Menschen, ihre Freunde, ihre Nachbarn unter den Trümmern. Und niemand eilte zu ihrer Hilfe. Wie denn? Jeder versucht sich gerade so gut es geht um Hilfe zu bemühen, aber es reicht einfach nicht. …“ | https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/bericht-aus-der-tuerkei-unsere-grosse-verzweiflung

via https://www.derstandard.de/story/2000143363519/wettlauf-gegen-die-zeit-drei-tage-nach-beben-in-tuerkei | „Wettlauf gegen die Zeit: Drei Tage nach Beben in Türkei und Syrien 19.000 Tote“ (9. Februar 2023)

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“ … Das Erdbeben in der Türkei und Syrien am 6. Februar 2023 war ein Erdbeben mit Magnitude 7,8 … Der türkischen Regierung wurde eklatantes Staatsversagen im Zusammenhang mit dem Katastrophenmanagement vorgeworfen. Kritisiert wurde, dass die türkische Regierung Warnungen von Forschern vor Erdbeben in der Türkei jahrelang ignoriert habe, keine Investitionen in den Erdbeben- und Katastrophenschutz tätigte, die Erdbebensteuer veruntreute, illegale Bauten nachträglich genehmigte und somit Baumängel in Erdbebenregion in Kauf nahm und außerdem aus Profitgier und Korruption Vorschriften zur Gebäudesicherheit aushebelte. … [Mindestens 51.919 Todesopfer (Stand 5. März morgens) wurden infolge des Erdbebens gezählt, davon mindestens 45.968 Menschen in der Türkei und 5.951 in Syrien. Die Zahl der Verletzten liegt in der Türkei bei mindestens 105.505 und in Syrien bei mehr als 5.685 Menschen. [Stand: März 2023] … ] … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben_in_der_T%C3%BCrkei_und_Syrien_2023 (12. Februar 2023)

Gunnar Köhne „Erdbeben in der Türkei: Unter die Trauer mischt sich Wut“ (12.02.2023): “ … Mit der Dunkelheit kommt die Apathie. Der Lärm der Baumaschinen verstummt, die verzweifelten Rufe der Helfer hallen nur noch vereinzelt von den Trümmerbergen. Die Angehörigen starren, in Decken gehüllt, stumm vor sich hin. … Vier Tage nach dem verheerenden Beben schwindet ihre Zuversicht, dass ihre Liebsten noch lebend unter den Tonnen von Beton und verbogenem Stahl gefunden werden. Sie bleiben trotzdem vor ihren Lagerfeuern sitzen – die einzigen Lichter in der Finsternis, abgesehen von Autoscheinwerfern und den Notleuchten der Suchtrupps. … Eine gespenstische Szenerie, die sich genau so in der Türkei schon einmal in mein Gedächtnis eingebrannt hat. 1999 habe ich über die zwei schweren Erdbeben rund um das Marmarameer in der West-Türkei berichtet. Damals starben mehr als 17.000 Menschen. … Nicht nur die Bilder gleichen sich: überforderte Helfer, die mit Spitzhacke, Vorschlaghammer oder auch nur mit bloßen Händen arbeiten, weil schweres Gerät fehlt. Menschen, die aus allen Landesteilen anreisen, um zu helfen – mit Lebensmitteln, Decken und Zelten. Rettungskräfte, die sich bis zur totalen Erschöpfung abmühen. Und immer wieder verzweifelte Menschen, die auch nach Tagen noch auf Hilfe warten. … Immer wieder höre ich auch: Das war ein Jahrhundertbeben, damit wäre jeder Staat der Erde überfordert gewesen – angesichts der Wucht von 7,8 auf der Richterskala und eines betroffenen Gebiets, das halb so groß ist wie Deutschland und mehrere Millionenstädte hat. Aber die Menschen wollen auch wissen, warum die Warnungen der türkischen Geologen vor den wachsenden Spannungen entlang der tektonischen Platten nicht ernst genommen worden sind. Führende türkische Erdbebenforscher beklagen, nicht einmal von einem Bürgermeister der Region konsultiert worden zu sein. … „Der Staat sollte auch in den Dörfern die Bauausführungen und die Materialien stärker kontrollieren“, sagt Sahin. Ein paar Nachbarn kommen hinzu. „Ab jetzt bauen wir hier nur noch einstöckig“, ruft einer. „Wie unsere Vorfahren.“ … “ | https://www.dw.com/de/erdbeben-in-der-t%C3%BCrkei-unter-die-trauer-mischt-sich-wut/a-64674823

“ … Rettungskräfte sprechen von „tumultartigen Szenen“. Grund sei die schwierige Versorgungslage. … „Es ist festzustellen, dass die Hoffnung langsam der Wut weicht“ … Bislang hat die Katastrophe mehr als 24.200 Menschenleben gefordert. Allein in der Türkei sind mindestens 20.665 Tote zu beklagen, in Syrien mehr als 3553. Fast 85.000 Menschen wurden zudem in beiden Ländern verletzt. Millionen sind obdachlos. …“ | https://taz.de/Erdbeben-in-Syrien-und-in-der-Tuerkei/!5915084/

(dtj-online – 10.02.2023): “ … Präsident Recep Tayyip Erdogan besuchte am Mittwoch und Donnerstag das Erdbebengebiet, in einer Rede im Bezirk Pazarczik in Kahramanmaras bezeichnete er die Erdbeben und die Folgen als „Schicksal“. Das seien „Dinge, die im Schicksalsplan stehen“. Der vor allem übers Fernsehen bekannte Theologe Nihat Hatipoglu nahm dazu am Donnerstag im Sender „ATV“ Stellung. Man könne im Zusammenhang mit den Erdbeben nicht pauschal von „Schicksal“ sprechen, insbesondere nicht in Bezug auf die Folgen. …“ | https://dtj-online.de/alles-schicksal-hatipoglu-widerspricht-erdogan-scharf/
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Büsra Delikaya (13.02.2023):“ … Forscher beklagt in einem Interview mit dem Nachrichtensender TGRT, niemand habe ihm und seinen Kollegen zugehört. Er sagt, sie seien damals als Unheilbringer bezeichnet worden, weil sie seit dem Erdbeben von 1999 in der Marmara-Region die Regierung stets gewarnt hatten: „Als Geowissenschaftler haben wir immer wieder gesagt und geschrieben, dass dieses Erdbeben kommen wird. Niemand reagierte auf das, was wir sagten“. … Man habe sie dazu angehalten, den Menschen keine Angst zu machen. …“ | https://www.tagesspiegel.de/internationales/niemand-hat-reagiert-wissenschaftler-beklagen-ignorierte-erdbebenwarnungen-9332111.html
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“ … Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 zerstörte zusammen mit einem Großbrand und einem Tsunami die portugiesische Hauptstadt Lissabon fast vollständig. Mit 30.000 bis 100.000 Todesopfern ist dieses Erdbeben eine der verheerendsten Naturkatastrophen der europäischen Geschichte. Es erreichte eine geschätzte Magnitude (Stärke) von etwa 8,5 bis 9 auf der Momenten-Magnituden-Skala. Das Epizentrum wird im Atlantik etwa 200 Kilometer südwestlich des Cabo de São Vicente vermutet. Das Erdbeben hatte erhebliche Auswirkungen auf Politik, Kultur und Wissenschaften. … Wie kann ein allmächtiger und gütiger Gott ein so gewaltiges Unglück wie das Erdbeben von Lissabon zulassen? Warum hatte das Beben die Hauptstadt eines streng katholischen Landes getroffen, das für die Verbreitung des Christentums in der Welt wirkte? Und warum überdies am Festtag Allerheiligen? Und warum waren zahlreiche Kirchen dem Beben zum Opfer gefallen, aber ausgerechnet das Rotlichtviertel Lissabons, die Alfama, verschont geblieben? …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Erdbeben_von_Lissabon_1755 (23. März 2022)

“ … Als kulturübergreifendes Phänomen zeigt sich der Fatalismus in den meist weiblichen Schicksalsgottheiten von Mythen und Traditionen des Volksglaubens. Im Sagengut und Brauchtum zahlreicher europäischer Völker ist seit der Antike der Glaube an die drei „Schicksalsfrauen“ verankert, die nach der Geburt eines Kindes dessen Geschicke festlegen, insbesondere die Lebensdauer. Auf verbreitete Ablehnung stößt der Fatalismus ebenso wie der Determinismus wegen seiner Konsequenzen für die Ethik. Kritiker machen geltend, er lähme die Tatkraft, verneine die menschliche Autonomie und unterminiere die moralische Verantwortlichkeit. … Religionsphänomenologisch lässt sich erkennen, dass in zahlreichen Kulturen alternative Muster der Schicksalsdeutung nebeneinander bestehen (‚Tool-Box-Konstellationen‘); es werden unterschiedliche Formen der Aneignung von Schicksalserfahrungen angeboten und genutzt, ohne dass die Gegensätzlichkeit der verschiedenartigen Ansätze reflektiert wird. In monotheistischen Religionen, die einen allwissenden Gott postulieren, stellt sich ein besonderes Problem, da sich die Allwissenheit auch als Vorauswissen auf die gesamte Zukunft beziehen muss, sodass diese als determiniert erscheint. Dadurch entsteht ein Konflikt mit der in diesen religiösen Lehren angenommenen Freiheit des Menschen, zwischen Alternativen zu wählen, und mit dem Prinzip der persönlichen Verantwortung. … Ob eine fatalistische oder deterministische Weltdeutung mit dem Konzept der Willensfreiheit vereinbar sein kann, ist umstritten. … Ob es sich bei der Ödipussage und ihrer Bearbeitung im Drama um ein unausweichliches, von Anfang an feststehendes Verhängnis und somit um den Ausdruck eines fatalistischen Weltbilds handelt, ist bei den modernen Interpreten umstritten. Im 19. Jahrhundert herrschte unter dem Einfluss der Romantik der Eindruck, die Sage zeige eindrücklich die Hilflosigkeit des Menschen angesichts einer absolut überlegenen Schicksalsmacht. Eine solche Konstellation sei für die griechische „Schicksalstragödie“ charakteristisch. … Im europäischen Volksglauben und Sagengut sind fatalistische Vorstellungen weit verbreitet. Sie kommen in zahlreichen Schicksalserzählungen zur Geltung. Eine sehr häufige Struktur ist durch drei Merkmale bestimmt: Einem „Schicksalskind“ wird nach seiner Geburt Unheil geweissagt, oft die Umstände seines Todes; der Betroffene oder seine Beschützer versuchen das Verhängnis abzuwenden; am Ende erfüllt sich die Prophezeiung. … [Den Ausgangspunkt des Fatalismus bildet die Annahme, dass künftige Ereignisse und Verhältnisse durch eine schon immer bestehende Notwendigkeit, der niemand entrinnen könne, festgelegt seien. Daran könnten keine gegenwärtigen oder künftigen Entscheidungen und Taten etwas ändern. Die Meinung, es liege in der Macht des Menschen, durch eine freie Willensentscheidung einen anderen Ausgang herbeizuführen, ist demnach eine Illusion. Diese Grundannahme teilen Fatalisten mit den Deterministen.] … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Fatalismus (13. Dezember 2022)

-as-: “ … Tavsancil [ –> Tavsancil, Dilovasi | https://tr.wikipedia.org/wiki/Tav%C5%9Fanc%C4%B1l,_Dilovas%C4%B1]: –> „17 Agustos 1999 depreminde yikilmayan yer Tavsancil“ >> https://youtu.be/30a9qKc3ZLw Leider nur auf BBC Türkçe. Die einzige Gemeinde, die beim Gölcük Erdbeben 1999 weder Tote, noch Verletzte oder auch nur geringfügige Schäden davontrug, obwohl sie mitten im Erdbebengebiet lag. Dank des Bürgermeisters, Mehmet Gün, der auf die Warnungen der Geologen Acht gab und im Bebauungsplan der Gemeinde gegen große Widerstände der Wähler durchsetzte. Er sagte „lieber verliere ich Stimmen als Menschen“. …“ | Kommentar zu: https://www.derstandard.de/story/2000143363519/wettlauf-gegen-die-zeit-drei-tage-nach-beben-in-tuerkei