Schlagwort: Jacques Derrida

[„Entweder-Oder“ außer Kraft setzen… ]

[…] Der französische Philosoph Jacques Derrida ist in der Nacht zum Samstag gestorben. Er erlag im Alter von 74 Jahren in einer Pariser Klinik einem Krebsleiden der Bauchspeicheldrüse. Der Autor von „Die Schrift und die Differenz“ begründete in den 60er Jahren den Dekonstruktivismus.
[…] Nach Überzeugung des Pariser Gelehrten beruht die westliche Philosophie auf der falschen Annahme, dass man sich auf die wahre und unverrückbare Bedeutung von Worten und Begriffen verlassen könne. Mit der als Dekonstruktivismus bekannt gewordenen Methode versuchte Derrida stattdessen nachzuweisen,
dass es unmöglich ist, eine definitiv gültige Bedeutung von Texten zu ermitteln. Diesem Ansatz liegt die These zu Grunde, dass kein Gedanke und kein Konzept in Reinform vermittelbar ist. Eine objektiv wahre Deutung von Texten sei deshalb unmöglich.
[…] Am Bekanntesten ist er als Querdenker und Begründer des Dekonstruktivismus. Diese Analysemethode wandte er auf Literatur, Linguistik und Philosophie, aber auch auf Gesetzestexte und Architektur an. Im Fokus seiner Arbeit stand die Sprache. Er erkannte, dass diese mehrere Ebenen und daher auch mehrere Bedeutungen hat. Laut Derrida ist Sprache keinesfalls direkte Kommunikation.
[…] Der Kern seines Denkens war die Annahme, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Verschiedene, auch sich widersprechende Deutungen betrachtete er gleichzeitig als wahr. Um dies zu beweisen, wendete Derrida eine Methode an, die als Dekonstruktivismus bekannt wurde. Dabei werden Texte so zerlegt, dass keine \“wahre Interpretation\“ mehr möglich ist. Die Dekonstruktion hat den Diskurs der siebziger und achtziger Jahre geprägt. Derridas Texte, die Denk- und Gattungsgrenzen in Frage stellen und mit Begriffen spielen, wurden von vielen als unverständlich angesehen.

Bruchstück aus: „Französischer Philosoph Derrida in Paris gestorben“ (Frankfurter Rundschau, 10.10.2004)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/boulevard/?cnt=522708

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[…] Und der Autor eines Textes muss nicht der Autor von dessen Botschaft sein. Ziel seiner Denkschule ist es, das geschriebenen Wort von den sie einschränkenden Sprachstrukturen zu befreien, und so die Grenzen der Textinterpretation zu öffnen.
[…] Einige seiner wichtigsten Veröffentlichungen: „Gewalt und Metaphysik“(1964) „Die Schrift und die Differenz“ (1972) „Semiologie und Grammatologie“ (1975) „Die Postkarte. Von Sokrates bis an Freud und jenseits“(1980) „Aufzeichnungen eines Blinden“ (1996) „Marx‘ Gespenster“ (1995) „Geschichte der Lüge“ (1997)

Bruchstücke aus: „Ein Meister der Dekonstruktion“ (09.10.2004)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/896/40856/

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[…] dass Dekonstruktion nicht nur Destruktion und nicht Konstruktion, sondern, in einer paradoxen Bewegung, beides meine: Dass sie Systeme und Hierarchien zerstört, um sie in einer neuen, offenen Ordnung wieder aufzubauen, um mit dem freiwerdenden Material zu spielen, das die Gegensätze wie Kultur und Natur, und sogar Mann und Frau, als kulturelle Setzungen entlarve…
[…] Er zeigte […] Wege der Öffnung, neue Perspektiven, Werkzeuge, um die Totalisierung des Denkens, das Entweder-Oder außer Kraft zu setzen.

Bruchstück aus „Adieu, D.“ Niklas Maak (10.10.2004)
Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,322427,00.html