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Schlagwort: Die Klassenherrschaft hat sich extrem weiterentwickelt
Doris Akrap (24.12.2016): “ … Als ich diesen Sommer „Rückkehr nach Reims“ las, das autobiografische Buch des französischen Soziologen Didier Eribon, hatte ich ein Gefühl, das derzeit wohl vor allem AfD-Wähler haben: „Endlich sagt mal jemand, wie es ist.“ Und nicht nur, weil mich der Satz seiner Mutter – „Soziologie? Hat das was mit der Gesellschaft zu tun?“ – an meine Mutter erinnerte. Ich bin weder homosexuell noch Universitätsprofessorin, und auch in vielen anderen Details unterscheidet sich meine Familie deutlich von der Eribons. Trotzdem: Es war das erste Mal, dass jemand in meiner linken, bürgerlichen Filterblase über seine Herkunft aus einer Arbeiterfamilie so über diese redete, wie es Linke nicht so gern hören: wie ätzend eng es in Arbeiterhaushalten ist, räumlich, ökonomisch, geistig und emotional. Er thematisiert, was für bürgerliche Linke kein Thema ist: Dass man als Exot mit proletarischer Herkunft keinen profitablen Sonderstatus in der bürgerlichen Welt hat, sondern einen hohen Preis zahlt: den radikalen Bruch mit der eigenen Herkunft, die man dennoch nicht los wird. … Meine Mutter hatte keine Ahnung, was Klasse bedeutete. Sie sprach von „den kleinen Leuten“, so wie sie auch von „den Ausländern“ sprach, obwohl sie selbst mit einem verheiratet war und eine ihrer Töchter, ich, eine Aufenthaltsgenehmigung brauchte. …“ | Aus: „Klassengesellschaft in Deutschland: Rückkehr nach Flörsheim“ | https://taz.de/Klassengesellschaft-in-Deutschland/!5368011/
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Blacky 25.12.2016, 23:18: “ … Liebe Frau Akrap,… Ihr Artikel hat mich sehr nachdenklich gestimmt – auch was mein eigenes Verhältnis zu meinen Eltern betrifft (die zwar aus einem anderen Milieu stammen, aber Kommunikationsschwierigkeiten kommen auch woanders vor ;-)). …“
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redshrink #185: “ … Die Berliner Blockbebauung ab Mitte des 19. Jahrhunderts hatte ausdrücklich zum Ziel eine Mischung aus „höheren“ und „niederen“ Schichten zu erreiche. Zur Straße hin die größeren repräsentativeren Wohnung, zu den Höfen hin die Wohnungen der „kleinen“ Leute. Die einen verloren die anderen nie gänzlich aus dem Blick. Heute werden die „kleinen Leute“ aus ganzen Innenstadtvierteln gänzlich herausgeplatzt. Tragische Entwicklungen wie die trostlosen Neubaugebiete um den Gleisdreieckpark in Berlin riskieren erst gar nicht ihre Entwertung durch den „Pöbel“; man bleibt nett und adrett unter sich in seiner gemächlichen Retortenarchitektur, die ein wenig „nach was“ aussehen soll.
Ich habe in London als Psychiater einen Dienst für obdachlose Menschen, Sexarbeiter*innen, marginalisiert Minderheiten und die verachtete und bettelarme (auch weiße) Unterschicht ärztlich geleitet. Man wird sensibel für Umgestaltungen öffentlicher Räume, in welche arme Menschen keinen Platz mehr haben, vor allem in London, wo sich vieles was wie öffentlicher Raum aussieht in privatem Besitz befindet. Die institutionalisierte und mediale Demütigung armer Menschen ist menschlich widerlich, aber die Armut, die ständige Sorge, ob das Geld reichen wird, die vielen Konflikte – Papas Kneipentour mit Kumpels oder neue Schuhe für den Sohn – zermürben die Menschen. …“ | https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-02/klassismus-soziale-gruppen-soziologie-literatur-gesellschaft?cid=56054948#cid-56054948
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DeLaSoul #160: “ … Viele aus den sog. „Unteren Schichten“ schauen auch voller Verachtung auf „die da oben“, die ihnen mit gerümpfter Nase aus dem Weg gehen. Die fokussieren viel mehr auf „Stars“, man träumt sich in die Welt des Glamour. Zum gehobenen Bildungsbürgertum eher nicht. Akademikergeschwafel finden die zum Kotzen. …“
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E_Dantes #160.1: “ … Nicht, wenn sie selbst Akademiker sind aber mit 50 in den Niedriglohnsektor sanktioniert wurden. …“
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Gero von Randow (1. März 2021): “ … Die derzeitige Diskussion um die Frage, ob wir in einer Klassengesellschaft leben, hat einen blinden Fleck. Die Privilegien, die sie anspricht, sind materieller und ideeller Art: Geld, Sachen, Bildung, Habitus, Prestige, Gesundheit, Lebensdauer, alles ungleich verteilt. Und zwar ziemlich dauerhaft, über Generationen hinweg, denn Klassen reproduzieren sich. Aber was ist mit der Herrschaft? …Herrschaft ist also nicht nur ein politisches Phänomen, sondern auch ein soziales. Nicht nur eine Kanzlerin übt Herrschaft aus, sondern auch ein Unternehmensvorstand oder ein Priester, eine Redakteurin oder ein Platzanweiser. Artikel 20 des Grundgesetzes spricht lediglich davon, wie die Staatsgewalt legitimiert wird, und schließt nicht etwa aus, dass in der Gesellschaft Herrschaftsverhältnisse existieren. … “ | https://www.zeit.de/kultur/2021-02/klassenherrschaft-klassengesellschaft-deutschland-soziale-ungleichheit-demokratie-marx
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jgbk #115: “ … Mich beherrscht überhaupt niemand. …“
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StamoKap2019 #115.1: “ … Cool. Mit Abstand der lustigste Kommentar. …“
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jgbk #115.2: “ … Was ist daran lustig? …“
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StamoKap2019 #115.3: “ … Alles. :-)) …“
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jgbk #115.6: “ … Der Staat braucht Geld um seine Aufgaben zu erfüllen. Es gibt keine Ausgangsperre ich war bisher jeden Tag draussen. GEZ ist doch Peanuts gegen das was z.B. ein Raucher verraucht. …“
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DaDaDude #115.7: “ … Sie haben es nicht verstanden. … „
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K. Theo Frank #52: “ … „Leben wir unter einer Klassenherrschaft?“ Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen ihre Mitmenschen nicht mehr als Individuen sehen, sondern als Mitglieder bestimmter Gruppen, wodurch sie sie auf jene Gruppen reduzieren. Der Grund für den identitären Turn der Gesellschaft ist wahrscheinlich die Verdummung bzw. Überforderung oder das Desinteresse ihrer Mitglieder an der unendlichen Komplexität des Einzelnen, kombiniert mit der manifesten Spaltung, welche dieser Turn erzeugt. …“
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Doonsbury #111: “ …Gesellschaftswissenschaftler und Journalisten lieben Klassen und Schichten; Forumschreiber offenbar auch, sonst gäbe es in so kurzer Zeit keine 107 [mittlerweile 726] Kommentare und ich nehme mich nicht aus. Trotzdem sind die Grenzen seit Ende der Feudalgesellschaft immer fließender und vielschichtiger geworden, so dass es sich inzwischen um relativ willkürlich gezogene Linien innerhalb einer Gesellschaft mit sehr großer Spreizung aber wenig definierbaren Rangverhältnissen handelt. Welcher Klasse gehört z.B. ein erfolgreicher Autohändler an, der in seiner Kleinstadt zu den Tonangebenden gehört aber schon im nächsten großen Hotel als reicher Prolet betrachtet und von anderen Gästen auch teilweise so behandelt wird? ein Fußballprofi mit Millioneneinkommen, der seinen eigenen Vertrag kaum lesen kann? ein Dr. der Philosophie, der sich auf einer halben Stelle und mit gelegentlichen Veröffentlichungen mehr schlecht als recht durchschlägt? Klasse lebt von Distinktion und Distinktionen gibt es viele. Die Gesamtgesellschaft ist aber keine Pyramide oder sonst etwas geometrisches sondern zum Glück etwas sehr Vielfältiges, in dem man auf viele verschiedene Arten erfolgreich sein kann, notfalls auch als Gangsta-Rapper. …“
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thesard_ecully #67: “ … Ich habe länger Zeit in drei europäischen Staaten gelebt (wenn man die DDR als Staat mitzählt, sogar vier): Deutschland, Frankreich, Großbritannien. Deutschland ist bei weitem die klassenloseste Gesellschaft. In Frankreich gibt es offiziell seit der Revolution nur Franzosen einer Klasse („la République est une et indivisible“), auch wenn in Wirklichkeit das (Groß-)bürgertum herrscht. Klassenzugehörigkeit ergibt sich durch Geld, aber auch durch Habitus, Bildung, Sprachbeherrschung. In GB hat es nie eine wirkliche Revolution gegeben, Klassenbewusstsein ist voll ausgeprägt (Leute sagen „I’m working class“) und die herrschende Klasse ist seit ca. 1066 dieselbe. Klassenzugehörigkeit definiert hier den ganzen Lebensstil. In Deutschland hat es im letzten Jahrhundert so viele Verwerfungen gegeben, dass sich eine beherrschende Klasse vielleicht erst so langsam wieder herausbildet. …“
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wetware #8: “ … Die Klassenherrschaft hat sich extrem weiterentwickelt und differenziert, weil aus den Klassenkämpfen gelernt wurde. Von brutaler Unterdrückung her gab es eine Entwicklung zur Internalisierung der Macht, der Erzeugung legal freier Subjekte, denen die Einfügung in Machtverhältnisse wie eine zweite Natur ist. …“
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Empiricism #95: “ … Laut einer Studie des Bundesminesteriums für Arbeit leben wir nicht bloß in einer Klassengesellschaft, sondern in einer Oligarchie. Da wurden über einen Zeitraum von 15 Jahren Gesetzesbeschlüsse mit Meinungsumfragen abgeglichen, Ergebniss: Der Einfluss der oberen 10% war alles dominierend, die mittleren 80% hatten einen statistisch von 0 nicht zu unterscheidenden Einfluss, während die Regierung aktiv gegen die Interessen der unteren 10% gearbeitet hat, egal welche Partei da gerade die Pöstchen besetzt hielt. Leider scheint die Studie von deren Website verschwunden zu sein, …“
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mwandishi #116: “ … Sieht man sich den Armutsbericht von 2015 an, wird klar wer profitiert und das ist die Oberschicht: Im Armutsbericht von 2015 der UNI Osnarbrück heißt es dazu: „…Darüber hinaus konnten wir erstmals für Deutschland nachweisen, dass politische Entscheidungen mit höherer Wahrscheinlichkeit mit den Einstellungen höherer Einkommensgruppen übereinstimmen, wohingegen für einkommensarme Gruppen entweder keine systematische Übereinstimmung festzustellen ist oder sogar ein negativer Zusammenhang. …“ [https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.pdf?__blob=publicationFile&v=3 | „Systematisch verzerrte Entscheidungen? – Die Responsivität der deutschen Politik von 1998 bis 2015. Endbericht“ | https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Armutsbericht/doc/2015_Armutsbericht.pdf | //
„Gelenkte Wirklichkeit: Bundesregierung streicht brisante Stellen aus Armutsbericht“ Marcus Klöckner (15. Dezember 2016) – https://www.heise.de/tp/features/Gelenkte-Wirklichkeit-Bundesregierung-streicht-brisante-Stellen-aus-Armutsbericht-3572521.html] Die Bundesregierung verwässerte allerdings bei der Veröffentlichung die Ergebnisse …“
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