Schlagwort: DEFA

[Das Reale, Symbolische und Imaginäre #79…]

Stefanie Eckert (2022): “ … Wir hinterfragen den Umgang mit dem sowjetischen Filmerbe, beleuchten das Filmschaffen … Der Lärm des letzten Jahres lässt uns nicht ohne Sorgen in die Zukunft blicken. … “

… Über 2.500 sowjetische Filmproduktionen gehören zum Bestand der DEFA-Stiftung. Die deutschen Sprachfassungen sind bis 1992 im DEFA-Studio für Synchronisation entstanden. Neben den Filmen aus den dominierenden russischen Studios Mosfilm und Lenfilm umfasst dieser Rechtebestand auch die Produktionen, die in allen anderen Filmstudios der verschiedenen Sowjetrepubliken entstanden sind, u.a. in Kyjiw im Dowschenko Filmstudio, in Kischinau bei Moldowa-Film, in Tbilissi bei Grusia-Film oder in Jerewan bei Armenfilm. …

[…] Barbara Wurm Geboren 1973 in Wien. Autorin, Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin (August 2022): “ … Auf bestimmte Ambivalenzen oder Schwierigkeiten, politischen Überzeugungen treu zu bleiben, sind wir bei der Vermittlungsarbeit des sowjetischen Filmerbes ja immer schon gestoßen (ich zumindest, seit es die UdSSR nicht mehr gibt, denn das war gleichzeitig auch mein Einstieg in den mittel- und osteuropäischen Kulturhorizont). Was »sowjetisch« meint, ist ja per se eine Sache der Anschauung. Es ist mehr als die Bezeichnung eines Staates und seiner Republiken, ein ideologischer Begriff, der im Positiven als Kampfformel, im Negativen als Diffamierung und im Objektiven als reale wie experimentelle Verschränkung von politischer Theorie und Praxis betrachtet wurde. Was die Ästhetik betrifft, so behalf man sich bekanntlich über Jahrzehnte hinweg mit der Formel des »sozialistischen Realismus«, was unter anderem eine seriöse Auseinandersetzung mit der Frage einer »Sowjetästhetik« scheinbar überflüssig machte. … Beim Schreiben als Kritikerin und Kuratorin bin ich jedenfalls regelmäßig und fast automatisch auf jene Ambiguitäten gestoßen, die bis heute ungelöst scheinen … “ und deren Lösung auf russ(länd)ischer Seite in Form eines verbrecherischen Krieges gesucht wird. Da geht es um Etikettierungen, Zuschreibungen, Zugehörigkeiten, Besitzansprüche, Identifikationen, letztlich … auch um die Klärung von Identitäten. Für die einen mögen es nur Formulierungen und stilistische Spitzfindigkeiten sein, für andere aber sind es notwendige Existenzbeweise oder unzulässige Nivellierungen. Wie Worte zu Taten werden, erleben wir ja gerade quasi in Live-Schaltung. Diese Bandbreite der Begriffe und Etiketten des Post-Sowjetischen ist groß, sie ist nie rein ideologisch motiviert, eher von Diskursschwankungen geprägt, und … “ das scheint mir für uns als »Dritte« besonders relevant … “ man sollte zumindest rudimentäre historisch-politische Kenntnisse haben, eine gewisse kulturelle Sensibilität aufweisen und bereit sein, nach den jeweiligen Innenperspektiven zu fragen. Auch wenn es uns als Kuratoren und Kuratorinnen noch so nebensächlich scheinen mag: Die Frage der Repräsentation spielt eine große Rolle. … Vielleicht können wir … gemeinsam … irgendwann wieder im Kino weinen. Unsere emotionalen Erschütterungen zulassen. Als Gegenentwurf zu einer Welt, in der die Panzer rollen. … “ | Leuchtkraft (2022): Journal der DEFA-Stiftung (Nr.5) | Quelle: https://www.defa-stiftung.de/fileadmin/DEFA_Stiftung/Dateien/Buecher/Journal_2022/DEFA-Stiftung_Leuchtkraft_5_WEB.pdf | https://www.defa-stiftung.de/defa/publikationen/buecher/leuchtkraft-2022-journal/

// https://de.wikipedia.org/wiki/DEFA

[Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre #63 ]


Pierre Brice und Gojko Mitic im Film „Unter Geiern“ (1964) [‚Weiße Siedler werden im Llano Estacado im Grenzgebiet von Neu-Mexiko und Texas von der berüchtigten „Geierbande“ überfallen und ermordet, die Schuld an dem Überfall schiebt man den Indianern vom Stamme der Schoschonen zu. Der erfahrene Trapper Old Surehand und Apachen-Häuptling Winnetou nehmen den Kampf auf und legen den Verbrechern trotz zahlreicher Intrigen das Handwerk. …‘] | http://www.rialtofilm.de/index3.htm?ugeiern.htm

“ … Die Ausstellung „Ost/Western“ in Rostock will zeigen, wie DDR und BRD sich für das Genre des Indianerfilms begeisterten. … Olaf Reis, der an der Universität Rostock zur Kinder- und Jugendpsychiatrie forscht, spannt im Katalog einen ganz großen Bogen. Er vergleicht die Filme über verdrängte Indianer durch übermächtige Kolonisatoren mit dem Untergang der DDR und fasst alle Bewohner des Ostens zu einem eigenen Stamm zusammen. Die „InDDianerR“ als besiegte Ethnie, deren Kultur untergegangen ist und musealisiert wird. In einem Audiobeitrag sieht sich eine Ostfrau als Indianerin im Reservat: „Nur niedergemetzelt haben sie uns nicht.“ Doch Tokei-Ihto, Osceola, Tecumseh, Weitspähender Falke oder Ulzana, all die DEFA-Helden, sie hatten sich nie in eine Opferrolle hineingesteigert. Die Ausstellung „Ost/Western“ bleibt offen für Assoziationen …“ | https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/warum-karl-may-in-der-ddr-keine-chance-hatte-li.167619


Regie: Josef Mach, 92 Min., Farbe, Spielfilm – Deutsche Demokratische Republik (DDR)
DEFA-Studio für Spielfilme, 1965
| https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/die-soehne-der-grossen-baerin/


“ … 1966 flimmerte mit „Die Söhne der großen Bärin“ der erste DEFA-Indianerfilm über die Leinwände der Kinos in der DDR. Nachdem vier Jahre zuvor die westdeutschen Karl-May-Verfilmungen um den Apachen-Häuptling Winnetou gestartet waren, wollte man bei der DEFA eigene Filme produzieren. Das Interesse an Indianerstoffen war vor allem beim jungen Publikum immens, Tausende sahen in den tschechischen Kinos die in der DDR nicht gezeigten Winnetou-Filme. Bei der DEFA näherte man sich dem Western-Genre auf eine ganz eigene Weise: Bräuche und Lebensweisen der amerikanischen Urbevölkerung sowie wahren historischen Begebenheiten erhielten deutlich mehr Raum. Neben dem Unterhaltungsanspruch hatten die Filme auch einen ideologischen Auftrag zu erfüllen: die Ausbeutung und Unterdrückung der Indianer durch die US-amerikanischen Imperialisten darzustellen. …“ | https://artsandculture.google.com/exhibit/defa-indianerfilme/ZQLyVBhH2vfFIA |



Sasha Salzmann (16.06.2021): “ … Man versuche, eine „authentische“ Atmosphäre herzustellen, ein „authentisches Bild“ zu liefern, was wiederum das Interesse steigere und in der Folge den Verkauf befördere. Wenn, mit Michel Foucault gesprochen, authentisch sein imperfekt sein bedeutet, dann heißt der Ruf nach Authentizität: „Hab Fehler, sei eine Abweichung.“ Und wenn man sich die Inszenierung von rassifizierten Körpern anschaut, könnte man weiter schlussfolgern: „Und ich bestimme, wie diese Abweichung aussieht.“ Die Kunst- und Kulturindustrie bedient sich kollektiver Phantasmen, um das Produkt, das sie produziert und präsentiert, anzupreisen. … Phantasma bedeutet im Altgriechischen die Vorstellung, die man sich von Dingen macht. In der Psychoanalyse, so könnte man verkürzt sagen, ist das Phantasma konstitutiv für die menschliche Psyche, es hat die Funktion eines Abwehrmechanismus – im Phantasma werden Erfahrungen bildhaft umgedeutet. Judith Butler spricht von „komplexen unbewussten Objektbeziehungen“, von „unbewussten Neigungen, die Bildform annehmen und uns in ein Spannungsverhältnis zu uns selbst versetzen oder uns in verschiedene Richtungen gleichzeitig treiben und gegen die eine narzisstische Verteidigung aufgebaut wird“. Ein Phantasma ist ein Filter zwischen dem gereizten Subjekt und seiner Außenwelt. Oft genug haben wir es mit kollektiven Phantasmen zu tun. „Unbewusste Neigungen“ und „narzisstische Verteidigung“ können identitätsstiftend wirken. Schwört sich eine Gruppe auf eine bestimmte Version der Gegebenheiten (oder der Geschichte) ein, und sei sie noch so abwegig und auch nicht belegbar, kreiert sie eine emotionale Gemeinschaft. … In der Literatur bewegt man sich in einem Koordinatenfeld von Phantasmen. Ein mehrheitstauglicher Text spielt mit seinen Themen auf der emotionalen Klaviatur einer kollektiven Psyche. Den dramaturgischen Bogen, nach dem Menschen verlangen, wenn sie auf eine fiktionale emotionale Reise gehen, kann man sich von der entsprechenden Fachliteratur erläutern lassen. … Kitsch bedient sich hemmungslos am Phantasma. Kitsch ist ein Spiel mit den Erwartungen, die einer kollektiven Psyche eingeschrieben sind. Er referiert stets auf eine bereitwillig und breit geteilte Annahme und trägt somit den Mief der Nostalgie mit sich, reproduziert abgenutzte Bilder … Kitsch drückt jene Knöpfe, die längst eingebaut sind, darum ist er so vorhersehbar und funktioniert so gut. … Humor zielt [ ] aufs Gefühl, Ironie dagegen auf den Intellekt. Sie signalisiert kritische Distanz. Wenn Kitsch klug sein will, wird er ironisch. Er stilisiert und ikonisiert Gegebenes, im Wissen um die Abgeschmacktheit des Details, das er zum Markenzeichen erhebt. In der queeren Modesprache des Camp [Camp: https://de.wikipedia.org/wiki/Camp_(Kunst)] sind weiße Tennissocken zu einem Code geworden. Synthetische Stoffe und Plüsch bezeugen Zugehörigkeit zu oder Solidarität mit einer Klasse, die sich die Accessoires der Haute Couture nicht leisten kann oder will und für die sie nicht bestimmt sind. … Phantasmen sind Schutzmechanismen. …“ | https://www.deutschlandfunk.de/themenreihe-muss-literatur-politisch-sein-die-bestehende.700.de.html?dram:article_id=498818

// Sasha Marianna Salzmann (geboren 21. August 1985 in Wolgograd, Sowjetunion)
// https://de.wikipedia.org/wiki/Marianna_Salzmann

[La Lune #33… ]

Bild aus „Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B.“
(R: Wolfgang Staudte, 1948 [DEFA])

// “ … Staudte sah im Film 1963 rückblickend ein Werk, das „vollkommen danebengegangen ist, weil ich eine Geschichte in einer bestimmten Form, einem bestimmten Stil begonnen habe, sie sich jedoch nicht auf diese Weise zu Ende erzählen ließ, so daß ich den Stil wechseln mußte: das war der Film „Fridolin B.“ […] Beim Schreiben ist es mir schon klar geworden; zwar fing der Film so attraktiv an, aber es reichte nicht bis zum Ende, ich mußte den Stil wechseln, und der Film ist einfach daran gescheitert.“ … Das Lexikon des internationalen Films schrieb, dass der Film Staudte „in eine Sackgasse [führte]. Trotz bissiger Ausfälle gegen die Bürokratie und originallen Bildeinfällen hat der Regisseur nicht die leichte Hand für kabarettistisch Unverbindliches. Für die hintergründige politische Satire […] fehlt es dem vorliegenden Film […] an Logik und Substanz.“ …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Die_seltsamen_Abenteuer_des_Herrn_Fridolin_B. (Oktober 2019)

Falk Schwarz (16.07.2014 | 18:39 Uhr) „Im Schlachtfeld der Vorschriften„: “ … Staudte selber nahm Abstand, zumal er diesen Stoff bereits 1944 verfilmt hatte, der Film aber verboten worden war. Eine Satire auf den deutschen Bürokratismus. Sein Kameramann Friedl Behn-Grund wählt die richtige Perspektive – alles von unten. So klein ist der Bürger gegenüber dem Bürokraten. Alles ist festgelegt in Gesetzen, die ausser den Beamten selber keiner kennt. Es gibt also zwei Fridolin Biedermann (alleine der Name ist schon Programm). Einer ist der beredte Axel von Ambesser, der andere der ewig übertourige Hubert von Meyerink. Behn-Grund findet zu dieser Defa Produktion kongeniale Bilder: gleich zu Anfang saust der Beamte auf seinem Stuhl an den Registerwänder entlang hinab ins buckelnde Tägliche. Dann wiederum fotografiert er Aribert Wäscher in großer Pose. Dialog-Plattitüden werden nicht vermieden: „Nehmen Sie doch Vernunft an“, sagt Fridolin zum Beamten. Der darauf: „Bedaure, ich nehme nichts an“. Dann hauchen alle ihre Stempel an, damit das behördliche Siegel auch gut zu lesen ist. …“ | https://www.filmportal.de/film/die-seltsamen-abenteuer-des-herrn-fridolin-b_93693116a03a49b99a2e29e4d639ed75