Schlagwort: Anke Stelling

[Zur Begegnung mit Phantomen #10… ]

“ … Der Kunsthistoriker und Wahrnehmungstheoretiker Ernst Gombrich beschrieb als „phantom percepts“ den Umstand, dass wir nie nur sehen, was wir sehen, sondern stets antizipieren, erinnern, und die Relation der eigenen Position zum Gegenstand mitdenken. … Klassenverhältnisse existieren, [ ] als Phantome, … Getreu der Erhardschen Maxime „Wohlstand für alle“ hatten Millionen von Deutschen einst ein Ziel vor Augen, das sich tatsächlich erreichen ließ: ein Platz in der Mittelschicht. Das bedeutete mehr Wachstum und sozialen Frieden, von dem alle profitierten. Der Begriff der „Klasse“ als Relikt der Klassenkämpfe der 1970er Jahre erscheint heute überholt. Der französische Soziologe und Philosoph Didier Eribon weist aber darauf hin, dass „wenn man ‚Klassen‘ und Klassenverhältnisse einfach aus den Kategorien des Denkens und Begreifens und damit aus dem politischen Diskurs entfernt, verhindert man aber noch lange nicht, dass sich all jene kollektiv im Stich gelassen fühlten, die mit den Verhältnissen hinter diesen Wörtern objektiv zu tun haben.“ … “ | Zur Ausstellung: „Klassenverhältnisse – Phantoms of Perception“ (2018-2019) | https://www.kunstverein.de/ausstellungen/rueckblick/class-relations-klassenverhaeltnisse

Kameramann Billy Bitzer bei der Vorbereitung eines Phantom Ride (Publicityfoto), um 1900 … Als Phantom Ride, also ’scheinbare oder geisterhafte Fahrt‘, wird ein Genre der frühen Filmgeschichte bezeichnet, das um 1900 besonders in Großbritannien und den Vereinigten Staaten populär war. … | https://de.wikipedia.org/wiki/Phantom_Ride

“ … Auf einer Tonbandaufnahme von 1973 erklärt Brinkmann: »Ich bin mit Fritz Mauthner der Ansicht, daß Sprache, Wörter, Sätze zur Welterkenntnis völlig untauglich sind. Es sind immer nur Wörter und Sätze, Formulierungen aber was ist denn da tatsächlich? … In seiner Biographie steht Vechta, die Kleinstadt in der er aufwuchs, für alles, was er hasste: Enge, Bigotterie, Dumpfheit. In Vechta gibt es drei Gefängnisse, und zwei Hochschulen. Für Brinkmann »Ein Schweinelandstrich, viel krüppeliges Grünzeug, katholisch verseucht.« …“ | http://www.glanzundelend.de/auswahl/brinkmann.htm

“ … Schämen Sie sich für Ihre soziale Herkunft? – Wer arm aufwächst, hatte nicht nur weniger Geld. Viele kämpfen auch mit Scham und Vorurteilen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte. …“ | https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-08/klassismus-soziale-herkunft-armut-bildung-vorurteile-diskriminierung-leser

DAS873 #23 (2020): “ … Möglicherweise könnte man auch mal ZON-Redakteure fragen, ob „Sie“ irgendwie Scham haben, born natural zumindest im oberem Mittelstand aufgewachsen zu seien. Könnte man ja noch nen Artikel draus machen. … “ | https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-08/klassismus-soziale-herkunft-armut-bildung-vorurteile-diskriminierung-leser?cid=53766018#cid-53766018
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(2021): “ … Ein Witz auf Twitter hat im November irritiert: „Wie viele Arbeiterkinder braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln? 15. Einer wechselt die Glühbirne, die anderen 14 kriegen Kolumnen über ‚Klassismus‘ bei Vice“, schrieb Lars Weisbrod, Feuilleton-Redakteur der ZEIT. … Erfolgreiche Veröffentlichungen von Didier Eribon, Annie Ernaux, Christian Baron und anderen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es ein neues Interesse an der Klassenfrage gibt. … Aber kann diese Art der literarischen, subjektiven Auseinandersetzung etwas verändern? …“ | https://taz.de/Klassenfragen-stellen/!5748764/
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„… Das Problem ist in unserer Klassengesellschaft eher, dass die Menschen [ ] sich gegenseitig für Phantome haltenIch bin noch nie auf die Idee gekommen, dass meine Putzfrau meinen Dreck wegräumt. Komische Ansicht: „das kann Branka machen“ total außerhalb meiner Vorstellungswelt.Eine Klassengesellschaft? „Der“ Kapitalismus (was sowieso Blödsinn ist) teilt in Gewinner und Verlierer? Zu einer Klassengesellschaft gehört für mich auch ein Klassenbewußtsein. Das kann ich nicht finden.Jeff Bezos hat am Montag innerhalb von 24 Stunden 13 Milliarden Dollar verdient. Für mich ist das kein Grund für irgendeine Debatte, sondern eher Anlass anzuerkennen, dass er sich an dem Tag einfach richtig reingehängt hat. …

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Heinrich Zille: Müllsammler, Handzeichnung von 1895 (Stadtmuseum Berlin)

“ … Philipp Daum: Warum schämt man sich in Ihrem Milieu dafür, eine Putzfrau zu beschäftigen? – Anke Stelling: Da kollidieren Bequemlichkeit und Bewusstheit. …“ | Aus: „Anke Stelling: „“Klasse durchdringt alles““ – Interview: Philipp Daum (15. Februar 2021) | https://www.zeit.de/kultur/literatur/2021-02/mittelschicht-anke-stelling-schaefchen-im-trockenen/komplettansicht | https://de.wikipedia.org/wiki/Anke_Stelling
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Dyra #91: “ … Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, dass meine Putzfrau meinen Dreck wegräumt. Sie hat einen Beruf, in dem sie die Arbeit viel besser und schneller macht, als ich es könnte. Sie gehört zu meinen „Betrieb“ Haushalt, ich vertraue ihr und das hat nichts mit Freundschaft zu tun. Aber mit gegenseitigem Respekt. Komische Ansicht: „das kann Branka machen“ total außerhalb meiner Vorstellungswelt. …“ | https://www.zeit.de/kultur/literatur/2021-02/mittelschicht-anke-stelling-schaefchen-im-trockenen?cid=55997623#cid-55997623
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Doktor hahacece #86: “ … Endlich mal ein Interview [https://www.zeit.de/kultur/literatur/2021-02/mittelschicht-anke-stelling-schaefchen-im-trockenen/komplettansicht] in dem die bundesdeutsche Wirklichkeit in all ihrer Pracht realistisch dargestellt wird. … Und endlich kann man das Wort Klassengesellschaft wieder lesen und benutzen. In dieser Klassengesellschaft leben wir schon seit Beginn der Industrialisierung … „
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zadong #77: “ … Ohne das Buch gelesen zu haben, aber die Autorin lebt in einer anderen Welt als ich. Das geht mir häufig so bei solchen eher klassisch-Linken Sichtweisen. Eine Klassengesellschaft? „Der“ Kapitalismus (was sowieso Blödsinn ist) teilt in Gewinner und Verlierer? Zu einer Klassengesellschaft gehört für mich auch ein Klassenbewußtsein. Das kann ich nicht finden. Meine Oma hatte das noch, die konnte noch Sagen „Wir sind Arbeiterklasse!“. Aber Heute wäre das Lächerlich. Das ist doch, böse ausgedrückt, heute mehr Selbstetikettierung von Menschen mit Abitur. …“
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Nightrider #77.2: “ … “ …Klassenbewußtsein. Das kann ich nicht finden“ – – – Genau darum geht’s. …“
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U. Hermes #77.1: “ … Wer liefert Ihre Pakete? Wer putzt Ihr Büro? Man spricht nicht umsonst vom modernen Dienstleistungsprekariat. Ich frage mich, wie man auf die Idee kommt, dass es die Klassengesellschaft nicht mehr gibt. Vielleicht haben Sie ein zu eingefahrenes Bild des Proletariats als Industriearbeiterschaft. Die ist bei uns wohlsituiert und verdient manchmal so viel wie gehobene Akademiker:innen. …“
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[ … „Menschenunwürdig“ seien die derzeitigen Arbeitsbedingungen, sagt er. Die Forderungen der Protestierenden fasst er so zusammen: Lieferdienste wie Wolt und Lieferando müssten eine richtige Winterausrüstung zur Verfügung stellen. Jede FahrerIn müsse selbst entscheiden können, ob er oder sie bei diesen Bedingungen zur Arbeit erscheine. Auch einen Kältebonus müsse es geben. Von der Politik erwartet Schülke, dass „den Lieferdienstfirmen klare Vorschriften gemacht werden, die zum Beispiel die Arbeitszeiten bei diesen Witterungsbedingungen beschränken“. … Manche seiner KollegInnen würden trotz Minusgraden „bis zu zehn Stunden am Tag“ fahren, erzählt Schülke. Viele könnten aus ihren regulären Jobs derzeit keine Einkünfte erzielen. Dazu komme, dass viele FahrerInnen kein Deutsch sprächen. „Da ist die Gefahr groß, nur aus der Angst heraus zu funktionieren.“ Am Mittwoch hatte der Lieferdienst Delivery Hero verkündet, dass sich der Umsatz im Pandemiejahr 2020 auf Basis vorläufiger Zahlen mit rund 2,8 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppeln könnte. Nun wollen die Fah­re­rIn­nen einen Teil vom Kuchen abhaben. Noch besäße man aber nicht die nötigen Strukturen, um selbst ausreichend Druck zu erzeugen, erzählt Schülke. …“ ] | Aus: „Berliner Radkuriere protestieren: „Hört auf, Essen zu bestellen!““ Timm Kühn (11.2.2021) | Quelle: https://taz.de/Berliner-Radkuriere-protestieren/!5746305/
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Beutelpinguin #85.1: “ … Das Problem ist in unserer Klassengesellschaft eher, dass die Menschen, die sich gegenseitig für Phantome halten, keinen Kontakt mehr zueinander haben und nicht mal mehr die gleichen Medien nutzen. …“

Kontext #1

Karosh Taha, geboren 1987 in der kurdischen Stadt Zaxo, lebt und schreibt im Ruhrgebiet. (28. April 2020): “ … In Deutschland wird der Begriff der ‚Armut‘ in politischen Kontexten seit Jahrzehnten vermieden; wenn er unvermeidlich wird, dann wird er umschrieben: Von ’sozialer Ungerechtigkeit‘ ist die Rede, von ‚Chancenungleichheit‘ und ‚Perspektivlosigkeit‘ – diese chamäleonartigen Wörter eignen sich gut für Wahlplakate, weil sie verschiedene Probleme ansprechen können, ohne das Kernproblem ‚Armut‘ ausgesprochen zu haben. … Die Verleugnung der Armut bedeutet auch: Es gibt keine ‚Armen‘. Es gibt nur Menschen, die glauben, arm zu sein, aber eigentlich sind sie: ‚Geringverdienerinnen‘, ‚Hartz-IV-Empfängerinnen‘, ‚Sozialschmarotzer*innen‘, ‚Arbeitsunwillige‘. 1962 wurde ‚Armenfürsorge‘ in ‚Sozialhilfe‘ umbenannt, dann Anfang der 2000er-Jahre in ‚Arbeitslosengeld I‘ und ‚Arbeitslosengeld II‘, schließlich in ‚Hartz-IV-Leistungen‘ – die Begriffe sind nicht nur technokratischer geworden, sie lenken die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung: Es geht nicht mehr um Arme, sondern um Arbeitskräfte. … Während man früher glaubte, dass Armut ein gottgegebenes Schicksal sei, glaubt man heute, Armut sei selbst verschuldet – und wenn etwas selbst verschuldet ist, dann kann, nein, dann muss man sich selbst aus dieser Armut befreien, und das kann nur, wer hart genug arbeitet. … So loben wir Arbeiterkinder als Aufsteigerinnen, wenn sie ihr soziales Milieu verlassen. Wir ermutigen sie sogar, es zu verlassen, wir sprechen von einer sozialen Leiter, wenn doch eigentlich von einer finanziellen Leiter gesprochen werden müsste – wir drängen die Aufsteigerinnen dazu, Verrat an ihrem Milieu zu begehen, ihre Normen, Werte und Verhaltensweisen aufzugeben – und sich dafür zu schämen. Zugleich sollen nicht alle aufsteigen, nur einzelne, damit man weiterhin daran glaubt, hart arbeiten zu müssen, dass es genügt, nur ehrlich sein zu müssen, um der Misere der Armut zu entkommen. Armut ist nämlich nützlich: Je geringer die Hilfeleistung oder der Lohn, desto abhängiger ist der Arme vom Wohlwollen des Reichen, je abhängiger vom Staat, desto williger ist der Mensch …“ | https://www.zeit.de/kultur/2020-04/armut-chancenungleichheit-arbeitslosigkeit-hartz-iv-10nach8/komplettansicht
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Computer sagt NEIN #7.1: “ … Und manche, wie zu lesen, stolpern in die Falle und über ihre Eitelkeit. Aber Hauptsache mal loswerden, dass die Welt schon ok so ist (arm = faul und doof). Diese Sicht ist noch kein Verbrechen. Aber die Auswirkungen dieser Denkweise erleben wir jeden Tag. …“
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Shibboleth #17: “ … Was mich immer stört, das ist der Begriff „sozialschwach“, wenn es um arme Menschen geht. Eigentlich ist der Cum-Ex Betrüger und Steuerhinterzieher sozialschwach, egal wieviel er auf dem Konto hat, während der arme Mensch, der bei der Tafel mithilft, die syrische Flüchtlingsfamilie, die 500 Masken am Tag ehrenamtlich für die Bevölkerung näht, und der CEO oder Firmenbesitzer, der für soziale Zwecke spendet, „sozialstark“ [ist] …“

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Kontext #2

Peter Kossen kämpft seit Jahren gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen. Dass sich viele Leiharbeiter nun infiziert haben, überrascht ihn nicht. (10. Mai 2020): “ … Im Konkreten geht es um die Arbeitsbedingungen, weil diese Menschen in der Regel nicht im Unternehmen, also beispielsweise von den Schlachtereien, angestellt sind, sondern über Personaldienstleister. Sie werden also nicht nur beschäftigt, um Produktionsspitzen abzufedern, sondern sie stellen bis zu 80 Prozent der Arbeiterschaft. Faktisch arbeiten sie 60 Stunden die Woche, sind total erschöpft – und dadurch auch besonders anfällig für Krankheiten. … Der Wohnungsmarkt ist in Deutschland sehr eng. Arbeitsmigranten, die keine sozialen Kontakte hier haben und oft die Sprache nicht können, müssen nehmen, was sie bekommen – und das ist oft das, was die Firma, die einen verleiht, anbietet. Das sind dann Sammelunterkünfte, Schrottimmobilien, Bruchbuden, die vollgestopft werden. … In meiner Nachbarschaft in Lengerich gibt es ein ehemaliges Hotel, an dessen Postkasten 55 Namen stehen. So viele Zimmer hat das Gebäude aber bestimmt nicht – die Räume müssen mehrfach belegt sein. Sicherheitsabstände kann da niemand einhalten. Zudem ist es ein altes Haus. Hygienische Fragen stellen sich also bestimmt auch. Das ist im ganzen Bundesland so. …“ | https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-05/coronavirus-schlachthoefe-arbeitsschutzgesetz-fleischwirtschaft-abstand-hygiene

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Kontext 3

Studierendenvertretender #5: “ … „Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Gerhard Schröder, Davos 2005 …“ Zu: „Eine Million Menschen müssen ihren Lohn „aufstocken““ (12. Juli 2020) | Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/mindestlohn-hartz-iv-aufstocker

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Kontext 4

Nico Semsrott @nicosemsrott (22. Juli 2020)
Jeff Bezos hat am Montag innerhalb von 24 Stunden 13 Milliarden Dollar verdient. Für mich ist das kein Grund für irgendeine Debatte, sondern eher Anlass anzuerkennen, dass er sich an dem Tag einfach richtig reingehängt hat.
https://twitter.com/nicosemsrott/status/1285933308799586307

Schlag Sahne @NeuImNeuland Replying to @nicosemsrott
Die eigentliche Frage ist doch, weshalb Elon Musk so eine faule Socke ist.

Tesla-Chef Elon Musk darf eine etwa 2,1 Milliarden US-Dollar hohe Vergütung beziehen, weil der Börsenkurs seines Unternehmens eine vorher vereinbarte Zielmarke über längere Zeit gehalten hat. Im Mittel von sechs Monaten belief sich die Marktkapitalisierung des Automobilbauers auf mehr als 150 Milliarden US-Dollar …„| https://www.golem.de/news/zielvereinbarung-elon-musk-bekommt-2-1-milliarden-us-dollar-2007-149801.html
https://twitter.com/NeuImNeuland/status/1285942604035653632

Toxo77 @Toxo77 Replying to @NeuImNeuland and @nicosemsrott
Der is halt kiffer
https://twitter.com/Toxo77/status/1286175947130052609

usw.