Schlagwort: 1941

[Zum Wahn der Liebe #56… ]

Walter Schubart „Religionen und Eros“ Kap. VI, Entartungsformen, (1941): “ … Der geschlechtliche und der religiöse Enthusiasmus haben von Anfang an die Richtung auf die Anomalie, was schon Platon einsah; er nannte die Verliebtheit eine Art Wahnsinn … Die mildeste Form dieses Warnsinns ist in der Erotik die Eifersucht. Ihr entspricht in der Religion der Glaubenseifer. Eifersucht und Glaubenseifer sind Zerrbilder des Enthusiastischen. Sie sind pathologische Formen der erotischen und religiösen Ausschließlichkeit. Der eifersüchtige kämpft gegen alle, die ihm die Geliebte abwendig oder streitig zu machen drohen. Der Eiferer befehdet alle, die seinen Gott mißachten. In der Welt der Geliebten soll es nur einen Liebenden geben – fordert der Eifersüchtige. In der Welt soll es nur einen Gott geben – fordert der religiöse Eiferer. … Der Drang zur Ausschließlichkeit kann so mächtig anschwellen, daß er zum Verbrechen treibt. In der Erotik zur Tötung aus Eifersucht, in der Religion zum Heiligen Krieg, zum Massenmord im Namen Gottes. Eifersucht und Glaubenseifer enthalten immer und mit Notwendigkeit den Keim zur grausamen Handlung. Hier stoßen wir auf die erste Form jener Grausamkeit, die im Wesen der Religion und Erotik selbst begründet ist. Stärker als das Weib neigt der Mann dazu, den Drang nach Ausschließlichkeit, der sich in unzugänglicher Seelentiefe mit dem Machtwillen berührt oder berühren kann, zur Grausamen Kraftentfaltung zu steigern. Deshalb sind Eifersucht und Glaubenseifer besondere Gefahren der männlichen Seele. In den klassischen Dichtungen der Eifersucht – in Shakespeares Othello, Leo Tolstois Kreutzersonate und Arzibaschews Drama Revnost – sind es immer Männer, die aus Eifersucht freveln, und die großen blutbefleckten Fanatiker der Religionsgeschichte vom Schlage der Inquisitoren sind durchweg Männer gewesen. …“

“ … Michael Heymel hat sich auf eine faszinierende Spurensuche begeben. Es geht um den deutschen Rechtsanwalt und Kulturphilosophen Walter Schubart, der nach seiner Emigration im Jahre 1933 zusammen mit seiner jüdischen Frau aus dem nationalsozialistischen Deutschland in Lettland eine reiche, international beachtete literarische Tätigkeit entfaltete. 1941 wurde das Ehepaar Schubart von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet und nach Kasachstan deportiert [Sein Werk „Religion und Eros“ hat der Münchner Psychologe Prof. Friedrich Seifert im Jahre 1941 herausgegeben] . In dortigen Lagern verlieren sich ihre Spuren. In sorgfältiger Recherche und detektivischer Kleinarbeit rückt Heymel einiges zurecht, was sich an Legenden um die Eheleute, zumal um Schubarts Ehefrau Vera, gebildet hatte, und öffnet so den Blick für das überlieferte, teils vergessene, teils auch heutige Zeitgenossen (bis hin nach Japan) inspirierende Werk des Kulturphilosophen. […] Wie Schubart in das geistige Klima der 20er Jahre und seiner verbreiteten ‚Russophilie‘ seinem Nietzsche entlehnten prophetischen Gestus und Oswald Spenglers abendländischen Untergangsvisionen gehört, wird von Heymel ausführlich nachgezeichnet. Aber in solcher Nachzeichnung zeigt sich zugleich die unverwechselbare Eigenart Schubarts, der sich dem Nihilismus der Epoche, gipfelnd in der Totalität der Macht, widersetzt, ein einsamer, sprachmächtiger Kämpfer zwischen den Fronten, auf verlorenem Posten, da und dort wahrgenommen als Repräsentant eines ‚anderen Deutschlands‘. …“ (Kristlieb Adloff, Erschienen in: Hessisches Pfarrblatt 4/2015,107-108) | Quelle: http://www.michaelheymel.de/mediapool/87/876413/data/Schubart_Rezension_HessPfBl_2015.pdf