"Pop-Anthologie (103): Irgendwie griechisch – oder?" Till Schmidt (05.11.2020)
In einer Jerusalemer Billardhalle machten Spürnasen einen alten Mann ausfindig, dessen kuriose Musik vergessen war: Das Tanzlied „Dili Dili“ von Koko wirft ein Licht auf den „Israeli Greek Craze“ der Sechziger und Siebziger. „Dili, dili, dili, dili, / dili, dili, deli / Pechte apopse na chorepso / ena tsifteteli“: Der Mann, der diese Zeilen zu schnell vorantreibender Tanzmusik singt, heißt Yaakov Ben Hemo. Auf dem Cover seines Albums trägt er ein Siebzigerjahre-Disco-Outfit: Schlaghosen und ein buntes, fast bis zum Bauchnabel geöffnetes Hemd. Er blickt die Betrachter fordernd und zugleich wehmütig an, seine Hände hat er in die Hüften gestemmt. Der Schriftzug „Koko“, in Israel ein gängiger Spitzname für Yaakov, wurde auf Hebräisch sowie in lateinischen Buchstaben in das Foto hineinmontiert. Auf Ben Hemos Brust prangt keine Discokugel, sondern eine imposante Davidstern-Kette.
Als Maor Anava diese Platte zum ersten Mal in den Händen hielt, hatte er gerade angefangen, den Back-Katalog eines alten, aufgelösten Plattenlabels aus Tel Aviv zu sichten. „Kokos Musik hat mich sofort fasziniert. Die pointierten Keyboards, die treibenden Drums und dass die Bouzouki-Melodien entgegen der Tradition mit einer E-Gitarre gespielt werden, das ist etwas Besonderes“, erzählt der Betreiber von Fortuna Records. Abseits des Künstlernamens hatten Anava und seine Mitstreiter jedoch lange Zeit kaum Informationen über den Musiker und seine Biographie.
Kokos griechischsprachige Songs spielten Anava und seine Kollegen gerne bei ihren DJ-Sets, zusammen mit den anderen Schätzen ihres Reissue-Labels für vergessene Musik aus Israel und der Region. 2017 gelang es ihnen endlich, den damals siebzigjährigen Ben Hemo in einer zwielichtigen Billard-Halle in Jerusalem ausfindig zu machen. Ihn von der Idee der Wiederveröffentlichung seines Albums zu überzeugen, war „harte Arbeit“, so Anava. ...
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