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[SPD (Politik)... ]

Started by Link, June 23, 2009, 11:31:41 AM

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Quote[...] Alles, was mit Verfassungsschutz zu tun hat, ist für den rot-rot-grünen Senat ein schwieriges Thema. Die Linkspartei möchte den Nachrichtendienst abschaffen, die Grünen stehen der Behörde skeptisch gegenüber, die SPD hingegen bekennt sich zu ihr. Die Gegensätze, vor allem zwischen der Linkspartei und der SPD, deren Innensenator Andreas Geisel für den Dienst zuständig ist, waren am Mittwoch im Abgeordnetenhaus bei der Sitzung des Verfassungsschutzausschusses wieder deutlich zu erkennen.

Es ging um den kürzlich vorgestellten Jahresbericht des Dienstes für das Jahr 2020. Darin führt er, nicht zum ersten Mal, im Kapitel ,,Linksextremismus" die Berliner Ortsgruppe der Klimaschutzbewegung ,,Ende Gelände" auf. Das gefällt der Linkspartei nicht - auch wenn bekannt ist, dass Aktivisten von Ende Gelände Gewalt bei Protestaktionen nicht ablehnen.

Die Einstufung von Ende Gelände als extremistisch sei falsch und eine ,,Kriminalisierung", sagte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Dass es Menschen gebe, die Klimaschutz mit Kapitalismuskritik kombinieren, ,,ist kein Beleg dafür, dass die parlamentarische Demokratie abgelehnt wird".

Schrader betonte, er solidarisiere sich mit Ende Gelände. Gegenrede des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber: die Berliner Ortsgruppe von Ende Gelände sei ein Beispiel dafür, wie Linksextremisten versuchten, Themen zu kapern, um ,,Andockfähigkeit" zu gewinnen.

Verfassungsschutzchef Michael Fischer hatte offenkundig geahnt, welche Kritik kommen würde, und war präpariert. Er betonte, es gehe nicht um die gesamte Ende-Gelände-Bewegung, sondern nur um die Berliner Gruppe. Sie sei eine ,,Ausgründung" der linksextremistischen Organisation ,,Interventionistische Linke". Mit entsprechendem Vokabular. Fischer zitierte aus einem Tweet von Ende Gelände, ,,BRD Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt".

Nächstes Thema: der Verein ,,Rote Hilfe". Die bundesweit agierende Organisation unterstützt Linksradikale bei Gerichtsverfahren und wächst beständig. Im vergangenen Jahr kamen in Berlin 200 neue Mitglieder hinzu, jetzt sind es 2100. Schrader hält es für unverständlich, dass ein Verein beobachtet wird, der ,,den bürgerlichen Rechtsstaat für sich nutzt und die Justiz in Anspruch nimmt, um Personen zu helfen". SPD-Mann Schreiber konterte, der Verfassungsschutz habe schon 2010, unter einem rot-roten Senat, im Jahresbericht die ,,Rote Hilfe" als extremistische Organisation benannt.

Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux hielt dem Dienst vor, im Bericht stehe nichts zu Rechtsextremismus in der Polizei. Fischer antwortete selbstkritisch, mit dem Phänomen müsse man sich ,,noch stärker auseinandersetzen. Und das tun wir auch."


Aus: "Linkspartei und SPD in Berlin streiten über linksradikale Klimaschützer" Frank Jansen (26.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/verfassungsschutz-beobachtet-ende-gelaende-linkspartei-und-spd-in-berlin-streiten-ueber-linksradikale-klimaschuetzer/27224068.html

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Quote[...] Sebastian Friedrich ist Journalist und führt in dieser Kolumne sein 2016 als Buch erschienenes Lexikon der Leistungsgesellschaft fort, welches veranschaulicht, wie der Neoliberalismus unseren Alltag prägt. Buch: Sebastian Friedrich - Lexikon der Leistungsgesellschaft: Wie der Neoliberalismus unseren Alltag prägt (Taschenbuch | ,,Sebastian Friedrich liefert dem Leser eine unterhaltsame Auswahl, nicht frei von Ironie und leichtem Spott." (Wolf Senff in Titel-Kulturmagazin, 8. September 2017) 96 Seiten | 978-3-96042-001-9 | 973, Oktober 2016

Ob ,,Hartz IV" nach der Bundestagswahl im September abgeschafft wird? Ob dann endlich Schluss sein wird mit Sanktionen und Regelbedarfen am Existenzminimum? 2020 wurde in vielen Medien erinnert, ,,15 Jahre Hartz IV", es wurde gefragt: War das 2005 der Sündenfall der SPD oder doch irgendwie nötig? Der Fokus auf die Einführung des ALG II verstellt allerdings den Blick darauf, was ihr vorausgegangen war: Was den Weg bereitet hatte, das Klima und den Diskurs bestellt. Ein Meilenstein liegt heute bereits 20 Jahre zurück.

Im April 2001 gab Kanzler Gerhard Schröder der Bild ein Interview und verkündete: ,,Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft." Schröder war drei Jahre zuvor unter anderem wegen seines Versprechens, die Arbeitslosigkeit zu verringern, ins Bundeskanzleramt gewählt worden. Doch ein Jahr vor der nächsten Wahl zeichnete sich Anfang 2001 ab, dass er dies nicht erfüllen würde. Der ,,Medienkanzler" wusste sich zu helfen. Und schürte Ressentiments gegen Arbeitslose. Auf die breite Ablehnung weiter Teile der Bevölkerung gegen ,,Faulenzer", ,,Drückeberger", ,,Sozialschmarotzer" konnte sich der Sozialdemokrat verlassen.

Die anschließende Auseinandersetzung bestimmte die Diskussion für Wochen und führte schließlich zur Ankündigung von Arbeitsminister Walter Riester, die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zusammenzulegen. Der Weg für die Hartz-Kommission war geebnet. Die Hartz-Reformen gossen dann die Vorstellung, Arbeitslose seien selbst schuld an ihrer Lage, in Gesetzesform. Die Zumutbarkeitsregeln wurden verschärft, der Druck, einen Job anzunehmen, egal welchen, stieg.

Natürlich gab es die Figur des faulen Arbeitslosen bereits vor 2001. In der BRD betrat sie schon in den 1970er Jahren die mediale Bühne. Aber Schröder gab ihr die Hauptrolle in einem arbeitsmarktpolitischen Sozialdrama mit dem Titel ,,Agenda 2010".

Viel hat sich seither nicht geändert. In der politischen Diskussion und in vermeintlich empathischen Reportagen erscheinen Erwerbslose zumeist als Zugehörige zu einer amorphen Gruppe ohne individuelle Bedürfnisse. Wenn sie zu Wort kommen, dann geht es vor allem darum, wie lange sie bereits keinen Job haben. Und um ihr Verhältnis zu Lohnarbeit als solcher. Bekommen sie morgens ihren Arsch aus dem Bett? Bemühen sie sich um einem Job? Und: Üben sie sich in Bescheidenheit? Schröder, SPD und vielen Medien sei Dank: Erwerbslose müssen sich bis heute die Solidarität der Gesellschaft jeden Tag aufs Neue verdienen.


Aus: "Die soziale Hängepartie" (Sebastian Friedrich | Ausgabe 20/2021 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-soziale-haengepartie

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Bartleby | Community

Allmächtiger Luzifer.

Reflexhaftigkeit verengt den Blick, wo es nötig wäre, ihn zu weiten. Wer sich die Politik der Bonner Republik anschaut, wer sie gar am eigenen Leib erfahren hat, der weiß: Vorurteile gegen Arbeitslose (wie auch gegen andere, die den kleinkarierten Vorstellungen der - leider nicht schweigenden - Mehrheit zuwiderliefen) gab es bereits lange VOR Herrn Schröder. Dies wird heute gerne übersehen - aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Auch in Zeiten des - hoffentlich ausklingenden - Merkel-Absolutismus. Oder, @gelse?

Ältere Menschen mit funktionierendem Langzeitgedächtnis erinnere ich gerne an Ansprachen des un-gesunden Volksempfindens Mitte bis Ende der 1960er Jahre. Kostproben gefällig: Ihr arbeitsscheues Gesindel. Geht doch rüber, Ihr Gammler. Bei Adolf hätte es Euch nicht gegeben, da wärt Ihr vergast worden.

Ich sehe es als VERPFLICHTUNG an, dieses Andenken zu wahren.

Späten Dank - auch posthum - dafür. Mein besonderer Dank gilt der Kampfpresse des Medienzaren Axel Caesar S.


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gelse | Community

@ Bartleby

>>Ihr arbeitsscheues Gesindel. Geht doch rüber, Ihr Gammler. Bei Adolf hätte es Euch nicht gegeben, da wärt Ihr vergast worden.<<

Das war allerdings nicht gegen Arbeitslose gerichtet. Aber die Bereitschaft, eine Gruppe von Leuten zu beschimpfen, egal welche: die kann jederzeit benützt werden, ja.

1966 wurde die plötzlich wieder ansteigende Arbeitslosigkeit durchaus als Krise gesehen und dargestellt. Schliesslich schallte es hämisch aus der DDR herüber: "Wir haben doch schon immer gesagt, dass Kapitalismus eine Abfolge von Krisen ist. Da habt ihr wieder mal den Beweis!" Peinlich für den westlichen Frontstaat im kalten Krieg. ...


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Mühlenkamper | Community


Mit den historischen Fakten ist das so eine Sache. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war 2003 ein zentraler Streit mit der Union und ihrem Wortführer Roland Koch. Die Union war es, die im Bundesrat eine fachliche Beratung verhindert hat und dann schließlich im Vermittlungsverfahren am 16.12.2003 in einer nächtlichen "Elefantenrunde" die entscheidenden Akzente zur Demütigung der Arbeitslosen durchsetzte. Vor allem die Vermittlung auch in Arbeitsstellen unterhalb der Tarife (jede Arbeit muss angenommen werden). Im Gesetzesbeschluß des Bundestages war das noch nicht drin, weil die SPD-Fraktion (Schreiner lebte noch) das verhindert hatte.

Die Union hat in den nachfolgenden Jahren der SPD genüßlich die Allein-Verantwortung zugeschoben und die neoliberalen SPD-Granden haben sich das als "Reform-Erfolg" auch gern gefallen lassen. Und in den Jahren darauf jede Korrektur verhindert. Allein mit platten Moralargumenten ist der Sache nicht beizukommen, ein wenig Recherche in der Sache gehört schon noch dazu.



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gsyme | Community


Klassisches 'Teile und Herrsche'. Wer den größten Niedriglohnsektor Europas schaffen will, muss natürlich erst mal die Leittragenden verteufeln, so dass die Gesellschaft kein Mitleid mehr mit den Schwächsten hat. Bis man selbst mal vor der "Arbeitsagentur" steht, dann ändert sich bei vielen schnell die Einstellung zu "Zumutbarkeit" und "Faulheit".

Weiterhin soll sich der Arbeitslose erst mal selbst die Schuld geben, so kommt auch keine Systemkritik auf.

"Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen" - Franz Müntefering (SPD)

"Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft" - Gazprom Gerd (SPD)

.... Das schlechtreden von Randgruppen funktioniert in Deutschland auch weiterhin Bestens....die Wenigsten erkennen es, solange sie (noch) nicht Teil dieser Gruppen sind.



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Flegel | Community
vor etwa 5 Stunden

So oberflächlich kommen Sie mir nicht davon: Hartz IV die lässliche Sünde?

Das rigide Hartz-IV-Regime war nur EINE Keule, den Arbeitsmarkt Bundesrepublik Deutschland radikal umzubauen. Es ging darum, den Arbeitgebern ein Billigangebot an Arbeitnehmern zu organisieren.

Dazu hat das Gaunerduo Gerhard Schröder/Joschka Fischer mit ihrer Parteien-Entourage zwei wesentliche Werkzeuge angewendet. Nämlich die Umverteilung des seit 1960 nahezu gleichgebliebenen Arbeitsvolumens auf jetzt 45 Millionen Arbeitnehmer und massive Geldgeschenke an die Arbeitgeber.

Ich möchte daran erinnern, dass sich die ,,traditionellen" Parteien des Deutschen Bundestags seit SPD-Kanzler Schröder zu einem »Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« gegen das Volk und für Big Money zusammengetan haben. Dass sie ganz bewusst Besitzstandsklau und gigantische Kürzungen der Masseneinkünfte bis hin zur Prekarisierung ganzer Bevölkerungsgruppen selbst noch über das Mittel der Einfuhr von Billigst-Arbeitskräften aus z.B. Rumänien und Bulgarien organisiert haben?

Bitte nicht vergessen: Die politische und gesellschaftliche Gegenwartssituation ist in erster Linie das Ergebnis der Politik dieses ,,Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn" seit Durchsetzung der AGENDA 2010, der deutschen Variante neoliberaler Gesellschaftsumgestaltung mit Hilfe eines rigide angewendeten Hartz-IV-Regimes und einer rücksichtslosen Prekarisierung von Bevölkerung für einen fragmentierten Arbeitsmarkt, der Deutschland zum Niedriglohnland machen sollte und zu einem Land der schlechtesten Rentenquoten Europas. 20 Jahre Bundesregierungen, davon 16 unter der Kanzlerschaft Angela Merkel, die das Lohndumping ermöglichten, die Werkverträge, die Vergabe an Sub-Sub-Sub-Unternehmer und schlussendlich die fast sklavenähnlichen Zustände an deutschen Schlachthöfen, wo die Arbeiter kaum besser behandelt werden, als das Vieh, dass sie verarbeiten sollen.

Es wurden Arbeitsplätze geschaffen, die progredient weder zu einem armutssicheren Unterhalt noch zu einer armutssicheren Rente reichen.

Hierfür hat Politik das Arbeitsvolumen, das sich seit 1960 über all die Jahrzehnte nicht wirklich verändert hat auf nahezu doppelt so viele Schultern verteilt. Seit 1960 mit rund 26 Mio. auf jetzt 45 Mio. Personen und von 56,382 Milliarden Arbeitsstunden in 1960 bzw. auf 61,054 Milliarden Arbeitsstunden in 2018, die ehemaligen DDR-Arbeitskräfte seit 1991 eingeschlossen.

Bekanntlich wurden gezielt Millionen von regulären Arbeitsplätzen gestückelt und in prekäre Arbeitsverhältnisse umgewandelt, mit denen man Tarifverträge unterläuft und die Betroffenen das Salz in der Suppe nicht verdienen können. Hierdurch bedingt stieg die zunehmende Anzahl der Erwerbstätigen, die gewollt oder unfreiwillig in Teilzeit arbeiten – darunter vor allem Frauen. Billig-Lohner müssen importiert werden.

Damit nicht genug: Prekäre Arbeitsverhältnisse werden staatlich subventioniert mit z.B. Aufstocker-Zulagen. Aufstocker sind Erwerbsfähige (Arbeitnehmer auch Selbständige), die zwar arbeiten, zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen aber noch Ansprüche auf Arbeitslosengeld II haben, da das Geld für die laufenden Lebenskosten inklusive Kosten der Unterkunft nicht reicht. Dies ist wohl auch die prozentual die größte Gruppe der Aufstocker. https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/lohn/aufstocker-wenn-der-lohn-nicht-zum-leben-reicht/

...

Parallel dazu die gigantischen, politisch gewollten, einseitigen Steuergeschenke für Arbeitgeber, Industrie und Finanzwirtschaft durch Steuergesetzesänderungen für die Zeit zwischen 1998 und 2013 in Höhe von ca. 490 Milliarden Euro. (Bontrup: Durch Umverteilung von unten nach oben in die Krise, Seiten 15 – 16.). https://library.fes.de/pdf-files/wiso/07705.pdf

Die politische Verantwortung insgesamt lag von 1998 bis 2005 bei Rot-Grün, bei Schwarz-Rot von 2005 bis 2009 und bei Schwarz-Gelb von 2009 bis 2013.

!!!Eine Glanzleistung des ,,Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn"!!!

Dem stand die Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent unter der großen Koalition aus CDU/CSU & SPD von 2005 bis 2009 gegenüber.

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Calvin | Community

@ Mühlenkamper

"Mit den historischen Fakten ist das so eine Sache. Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe war 2003 ein zentraler Streit mit der Union und ihrem Wortführer Roland Koch."

Danke für den Hinweis. Wer sich das ganze (ziemlich unappetitliche) noch einmal (chronologisch) zu Gemüte führen möchte (Bertelsmann, Roland Berger und -Tusch- McKinsey waren natürlich auch beteiligt): Hier.

11.8.2014 | Von: Frank Oschmiansky
Kurze Entstehungsgeschichte der Grundsicherung für Arbeitsuchende
https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/187946/geschichte-der-grundsicherung


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QuoteSabine Leutheusser-Schnarrenberger @sls_fdp

Der präventive #Staatstrojaner für die Bundespolizei erlaubt ein Durchsuchen des Computers von vermeintlich Verdächtigen, ohne dass der Verdacht auf eine Straftat  konkret vorliegt. Um es abzurunden, bekommen alle Geheimdienste in D auch noch dieses Instrument an die Hand.

10:34 vorm. · 9. Juni 2021


https://twitter.com/sls_fdp/status/1402544590066962433

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Quote[...] Am kommenden Donnerstag, den 10. Juni 2021 wird die Regierungskoalition voraussichtlich das ,,Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts" im Bundestag verabschieden. Die Digitale Gesellschaft hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie insbesondere den Einsatz von Staatstrojanern in der erweiterten Quellen-TKÜ durch sämtliche Geheimdienste sowie die Erweiterung der Überwachungsbefugnisse durch das Bundesamt für Verfassungsschutz kritisiert.

Das geplante Gesetz erweitert die Überwachungsbefugnisse der deutschen Geheimdienste erheblich. Trotz nahezu einhelliger Kritik der Sachverständigen und erheblichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit scheint die Koalition fest entschlossen das Gesetz zu verabschieden. Im sehr kurzfristig anberaumten Gesetzgebungsverfahren hat sich bereits eine breite Koalition, die von Facebook und Google bis zum Chaos Computer Club reicht in einem offenen Brief an den Bundestag gewandt um das Gesetz doch noch zu verhindern.

Im Fokus der Kritik steht die Befugnis zum Einsatz von Staatstrojanern zum Zweck der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, mit der insbesondere auch gespeicherte verschlüsselte Kommunikation direkt auf dem Endgeräten der Nutzerinnen und Nutzer ausgeleitet und überwacht werden soll. Dabei soll nicht nur laufende Kommunikation überwacht werden, sondern teilweise auch rückwirkend auf gespeicherte Nachrichten zurückgegriffen werden. Dies stellt nicht nur einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, sondern höhlt die Sicherheit der Kommunikation insgesamt aus, da die Behörden die Geräte hacken und Sicherheitslücken ausnutzen statt diese zu schließen.

Für das leichtere Aufspielen von Staatstrojanern sollen zukünftig auch Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet werden, Daten (etwa Updates) über die Verfassungsschutzämter zu leiten, so dass diese Zugriff auf die Geräte der Nutzerinnen und Nutzer erlangen. Eine so weitreichende Kooperationsverpflichtung, mit der die Anbieter zu Erfüllungsgehilfen beim Infiltrieren von staatlicher Schadsoftware gemacht werden, schädigt nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Anbietern und Nutzerinnen und Nutzern.

Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft: ,,Wenn die Geheimdienste künftig ausgerechnet Sicherheitsupdates dazu nutzen wollen Schadsoftware zu installieren, untergräbt dies alle Bemühungen sichere und bewusste Kommunikation im Internet zu etablieren."

Darüber hinaus sollen die Befugnisse zur Überwachung von Einzelpersonen massiv ausgeweitet werden und den Geheimdiensten ein weites Ermessen eingeräumt werden, tätig zu werden. Dies wird insbesondere mit Aktivitäten im Internet begründet. Tom Jennissen: ,,Mit einem derartigen Ermessen wird den Verfassungsschutzämtern eine noch weitergehende Deutungshoheit über die politische Meinungsäußerung im Netz zugesprochen. Statt präziser Regeln für Geheimdienste zu formulieren, wird ihnen weitgehend freie Hand gegeben."

Zweifel am neuen Gesetz bestehen aus Sicht der Digitalen Gesellschaft auch an der Zuständigkeit des Bundes. Zudem höhlt das Gesetz das historisch bedingte Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei noch weiter aus.

Die Digitale Gesellschaft lehnt das Gesetz daher entschieden ab. Sie fordert den Gesetzgeber auf, statt kurz vor der Wahl übereilt den Geheimdiensten immer neue Befugnisse zu geben, in der kommenden Legislatur das gesamte System der inneren Sicherheit auf einen kritischen Prüfstand zu stellen. Angesichts der Personalie des bis vor kurzem amtierenden Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und der Ereignisse um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erklärt Tom Jennissen: ,,Statt dem leider etablierten Grundsatz zu Folgen, dass die Geheimdienste noch aus jedem Skandal mit erweiterten Befugnissen hervorgehen, sollte die Politik endlich die Freiheitsrechte und die Sicherheit der Bevölkerung über die Interessen der Sicherheitsbehörden stellen."

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Aus: "Pressemitteilung: Digitale Gesellschaft veröffentlicht Stellungnahme zum Verfassungsschutzrecht" Tom Jennissen (08.06.2021)
Quelle: https://digitalegesellschaft.de/2021/06/pressemitteilung-digitale-gesellschaft-veroeffentlicht-stellungnahme-zum-verfassungsschutzrecht/

Berlin, Juni 2021- Stellungnahme zum Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts
https://digitalegesellschaft.de/wp-content/uploads/2021/06/SN-VerfSchR-DigiGes.pdf

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"Bundespolizeigesetz: Große Koalition einigt sich auf Staatstrojaner-Einsatz schon vor Straftaten"
Die Bundespolizei soll Staatstrojaner gegen Personen einsetzen, die noch gar keine Straftat begangen haben. Darauf haben sich SPD und Union im Bundestag geeinigt, übermorgen wollen sie das Gesetz beschließen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte eigentlich angekündigt, das ,,auf keinen Fall" mitzutragen.
08.06.2021 um 18:43 Uhr - Andre Meister
https://netzpolitik.org/2021/bundespolizeigesetz-grosse-koalition-einigt-sich-auf-staatstrojaner-einsatz-schon-vor-straftaten/

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Quotenetzpolitik @netzpolitik

Die Große Koalition beschließt heute Mittag den Staatstrojaner-Einsatz für alle 19 Geheimdienste und die Bundespolizei (sogar ohne begründeten Tatverdacht).

Das Zustimmen der SPD war entgegen aller Beteuerungen leider zu erwarten.
9:50 vorm. · 10. Juni 2021


Quelle: https://twitter.com/netzpolitik/status/1402896019432562691

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Quote[...] Unser Brief an die SPD-Bundestagsfraktion: Stoppt den Staatstrojaner!

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass gestern Abend und heute Vormittag sehr plötzlich und ohne Not eine Einigung mit der Union bezüglich der Reform des Bundespolizeigesetzes und des Verfassungsschutzrechts zustande gekommen ist. Dies beinhaltet ausweislich der bisherigen Berichterstattung die massive Ausweitung staatlicher Überwachungsmöglichkeiten auch im Vorfeld von Strafverfolgung. So soll wohl die Möglichkeit geschaffen werden, dass nunmehr auch unterhalb der Schwelle eines konkreten Tatverdachts die ,,Quellen TKÜplus" und der Staatstrojaner durch Bundespolizei und Geheimdienste eingesetzt werden kann.

Diese Einigung lehnen wir ab. Wir fordern euch auf, sie morgen bei der Abstimmung zu stoppen. Zum einen ist dies Reform politisch falsch: so ist das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bezüglich der "Quellen TKÜplus" im Rahmen der Strafprozessordnung noch nicht einmal abgeschlossen und die SPD Bundestagsfraktion läuft Gefahr, verfassungswidriges Recht mitzutragen. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein so weitreichender Eingriff in die Freiheit der Menschen in Deutschland notwendig sein soll.

Wir möchten euch erinnern, dass insbesondere die Arbeit der Verfassungsschutzämter in den letzten Jahren vor allem durch Skandale geprägt war. Diesen Behörden mehr Möglichkeiten einzuräumen ist nicht klug. Darüber hinaus erschließt sich uns nicht, warum man sich in dieser politischen Phase kurz vor Ende der Legislatur noch auf einen Kompromiss mit der Unionsfraktion einlassen soll, der unserer Partei massiven Schaden und den Verlust von Glaubwürdigkeit bei Bürgerrechtler*innen, Journalist*innen und Netzaktivist*innen zufügt. Während die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Einführung von Kinderrechten im Grundgesetz, ebenso wie die Streichung des Begriffs "Rasse" aus Art. 3 GG oder die Einführung eines sinnvollen Demokratiefördergesetzes sowie die Reform des Transsexuellengesetzes blockiert und uns qua Koalitionsfrieden dafür mit in Haftung nimmt.

Angesichts dieser – noch nicht mal vollständigen – Liste ist nicht zu erkennen, warum wir diese fatale Einigung mittragen sollten. Eher im Gegenteil: wir möchten einmal daran erinnern, wie sehr die SPD gerade bei jungen und linken Wähler*innen Vertrauen verloren hat, indem die Chance, die Reform der Urheberrechtsrichtlinie zu stoppen, nicht genutzt wurde. Für uns steht fest, dass sich die Union vollkommen destruktiv in der momentanen Zusammenarbeit
verhält. Das sollten wir klarmachen und daher selbst Grenzen aufzeigen, die bei dieser Reform definitiv überschritten sind.

Besonders in den Landesverbänden und Bezirken ist es unsere Aufgabe im kommenden Wahlkampf, jungen Menschen, die sich eine linke Gesellschaft und eine bessere Zukunft wünschen, die Politik der SPD zu erklären und für diese zu werben. Mit der Zustimmung zu dieser Reform würde die Bundestagsfraktion jedoch jene Grenze überschreiten, nach der dies schlechthin nicht mehr möglich wäre. Wir schreiben euch, um eine solche für die gesamte Partei fatale Situation zu verhindern.

Wir sind in den letzten Monaten zusammen mit der Parteispitze, der Bundestagsfraktion und unserem Spitzenkandidaten solidarisch in den Wahlkampf ausgezogen. An dieser Stelle liegt es nun bei euch, diesen gemeinsamen Weg nicht zu verlassen. Wir fordern euch auf, dieser Reform nicht zuzustimmen.

Mit sozialdemokratischen Grüßen

Jessica Rosenthal, Juso-Bundesvorsitzende
Julie Rothe, Juso-Bundesgeschäftsführerin
Antonia Hemberger, stellv. Bundesvorsitzende
Matthias Glomb, stellv. Bundesvorsitzender
Almut Großmann, stellv. Bundesvorsitzende
Manon Luther, stellv. Bundesvorsitzende
Seppi Parzinger, stellv. Bundesvorsitzender
Anna Rasehorn, stellv. Bundesvorsitzende
Hanna Reichhardt, stellv. Bundesvorsitzende
Stephan Schumann, stellv. Bundesvorsitzende
Ferike Thom, stellv. Bundesvorsitzende
Philipp Türmer, stellv. Bundesvorsitzender
Michelle Rauschkolb, Yes Vice-President
Lasse Rebbin, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Michelle Reißmann, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Patricia Seelig, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Mia Thiel, IUSY Vice-President
Benjamin Weiss, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand, Juso-HSGen

Jusos Baden-Württemberg
Jusos Bayern
Jusos Berlin
Jusos Brandenburg
Jusos Braunschweig
Jusos Bremen
Jusos Hamburg
Jusos Hannover
Jusos Hessen-Nord
Jusos Hessen-Süd
Jusos Mecklenburg-Vorpommern
Jusos Nord-Niedersachsen
NRW Jusos
Jusos Rheinland-Pfalz
Jusos Saar
Jusos Sachsen
Jusos Sachsen-Anhalt
Jusos Schleswig-Holstein
Jusos Thüringen
Jusos Weser-Ems


Quelle: https://www.jusos.de/inhalte/unser-brief-an-die-spd-bundestagsfraktion-stoppt-den-staatstrojaner/ (2021)

https://twitter.com/jusos/status/1403055276828377096

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QuoteLorenz Meyer
@shengfui

Liebe #SPD, die Ihr gegen einhelligen Expertenrat und gegen vorherige Versprechen den Einsatz von #Staatstrojaner​n erlauben wollt: Was treibt Euch an? Ist es eine morbide Todessehnsucht? Ist es der Wunsch, möglichst viel zu zerstören, bevor man sich bei den Wahlen verabschiedet?

1:37 nachm. · 9. Juni 2021


Quelle: https://twitter.com/shengfui/status/1402590662395052037

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QuoteNicht Chevy Chase @DrWaumiau

Die SPD macht den Weg frei für #Staatstrojaner in der Hand von Inlandsgeheimdiensten, obwohl sie mehrfach versprochen hat, dies nicht mitzutragen. Woher dieser Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust bei den Sozialdemokraten immer herkommt? Keine Ahnung!

8:12 vorm. · 9. Juni 2021


https://twitter.com/DrWaumiau/status/1402508853497974787

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QuoteSaskia Esken @EskenSaskia

Ich halte die Entscheidung für den Einsatz von #Staatstrojaner'n auch weiterhin für falsch, insbesondere in den Händen von Geheimdiensten. Diese Form der Überwachung ist ein fundamentaler Eingriff in unsere Freiheitsrechte und dazu ein Sicherheitsrisiko für unsere Wirtschaft.


https://twitter.com/EskenSaskia/status/1402577211882979335

QuoteReinald Kirchner @reinaldkirchner
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9. Juni Antwort an @EskenSaskia

Und WARUM stimmt ihr dann nicht ensprechend ab? WARUM beschließt ihr ein Gesetz, wenn ihr es angeblich nicht wollt?
Das sind doch nur Krokodilstränen fürs Publikum, die Nummer habt ihr schon zu oft abgeliefert! ...


Quotebauchig-nagetier @BauchigN
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9. Juni

Die "Wir mussten unter Bauchschmerzen wegen Koalistionsvertrag oder so ähnlich zustimmen" Partei.


QuoteChrrr @SchlChr
Antwort an @EskenSaskia

Wähle ich zur Bundestagswahl eigentlich diese "alte" SPD, die ich mit Olaf Scholz, Hartz IV, GroKo und Staatstrojaner verbinde, oder die "neue" SPD die ich mit sowas ähnlichen wie Grundeinkommen, Steuergerechtigkeit, Klimapolitik und Esken-Borjans-Kühnert verbinde?


QuoteThomas Stadler @RAStadler

Die namentliche Abstimmungen ist ganz aufschlussreich. Auch der ⁦@larsklingbeil
⁩ hat beispielsweise für den #Staatstrojaner gestimmt. Die #SPD ist einfach eine rechtsstaatlich unzuverlässige Partei.

Deutscher Bundestag - Namentliche Abstimmungen
https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=742

7:10 nachm. · 10. Juni 2021


https://twitter.com/RAStadler/status/1403036771269722121

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"Bundestag erlaubt auch Bundespolizei den Staatstrojaner"
Die Bundespolizei darf künftig in Smartphones von Personen eindringen, die noch gar keiner Straftat verdächtigt werden.
Artikel veröffentlicht am 10. Juni 2021, 15:28 Uhr, Friedhelm Greis
Die Bundespolizei erhält neue Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) von Verdächtigen. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD eine Reform des Bundespolizeigesetzes. Alle Oppositionsparteien stimmten geschlossen dagegen. Das Gesetz erlaubt künftig den Einsatz von Staatstrojanern zur sogenannten Quellen-TKÜ nicht nur gegen eine Person, die einer konkreten Straftat verdächtigt wird. Der Einsatz ist auch dann möglich, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird". ...
Darüber hinaus wird der Bundespolizei laut Gesetzesentwurf (PDF: https://dserver.bundestag.de/btd/19/265/1926541.pdf) erlaubt, nicht nur Daten zu Verurteilten, Beschuldigten und Verdächtigen zu verarbeiten, sondern auch zu "Anlasspersonen", bei denen "tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffenen Personen in naher Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Darüber hinaus darf die Bundespolizei Daten von Personen speichern, die als Zeugen oder als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen. Eine Einwilligung der Personen zur Datenspeicherung und Verarbeitung ist nicht vorgesehen. ...
https://www.golem.de/news/praeventive-quellen-tkue-bundestag-erlaubt-auch-bundespolizei-den-staatstrojaner-2106-157204.html

Quote
Verstehe ich das richtig?
Autor: Slythra 11.06.21 - 09:48

,,Darüber hinaus darf die Bundespolizei Daten von Personen speichern, die als Zeugen oder als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen. Eine Einwilligung der Personen zur Datenspeicherung und Verarbeitung ist nicht vorgesehen."

Das ist doch ein Freifahrtschein, dass die Daten von ALLEN grundsätzlich gespeichert werden dürfen, weil jeder ein potenzielles Opfer einer Straftat sein kann, oder verstehe ich das falsch?


QuoteKann man nur seine Stasi-Akte oder auch die von QTKÜ sehen?
Autor: mimimi123 10.06.21 - 18:45

Kann man nur seine Stasi-Akte oder auch die von der Quellen-TKÜ einsehen? Oh man echt, bin mal auf den ersten Skandal gespannt. "Huch Abgeordnete wurden überwacht","Huch der neue BRD-Trojaner verschlüsselt jetzt deine Handy-Bilder","Huch, jedes x-tes Handy wird ausgespannt"

...


QuoteSicherheit
Autor: sda0 10.06.21 - 15:43

Dient alles einzig und allein unserer Sicherheit. Wird garantiert nicht von z.B. Rechtsextremen, innerhalb dieser Kreise, die darauf Zugriff bekommen, ausgenutzt. ...


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Quote[...] Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz hat illegal Daten des stellvertretenden Ministerpräsidenten und SPD-Chefs Martin Dulig sowie weiterer Landtagsabgeordneter gesammelt. Laut einem Bericht der für die Geheimdienstaufsicht zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtags vom Dienstag, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, speicherte der Geheimdienst kritische Äußerungen Duligs zum Umgang der sächsischen CDU mit dem Thema Rechtsextremismus. Der Bericht (PDF) ist inzwischen auch vom sächsischen Landtag veröffentlicht worden. ...

https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/210607_PKK_Nachbericht_Abgeordnetendaten.pdf


Aus: "Verfassungsschutz Sachsen sammelt Daten von Abgeordneten" (8. Juni 2021)
Quelle: https://www.golem.de/news/geheimdienst-verfassungsschutz-sachsen-sammelt-daten-von-abgeordneten-2106-157138.html

...

Quote[...]  PKK-Nachbericht "Ungeheuerlicher Vorgang" - Verfassungsschutz sammelte Daten zu nahezu allen Abgeordneten

von Uta Deckow, MDR SACHSEN

Stand: 08. Juni 2021, 16:59 Uhr

Der Verfassungsschutz Sachsen hat über den Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden Martin Dulig illegal Daten gesammelt. Das geht aus einem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages (PKK) hervor, der heute vorgelegt wurde. Gesammelt wurden beispielsweise Aussagen, in denen er sich kritisch zum Umgang der sächsischen CDU mit Rechtsextremismus geäußert hatte. Damit nicht genug: Nun teilt das Landesamt mit, von der illegalen Datensammlung seien nahezu alle Abgeordneten des Landtages betroffen. ...


Aus: "PKK-Nachbericht "Ungeheuerlicher Vorgang" - Verfassungsschutz sammelte Daten zu nahezu allen Abgeordneten" Uta Deckow (08. Juni 2021)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/verfassungsschutz-sachsen-beobachtet-spd-minister-linke-abgeordnete-100.html

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"Abhör-Affäre in Sachsen : ,,Gravierende Grenzüberschreitung"" Stefan Locke, Dresden (08.06.2021)
Sachsens Verfassungsschutz hat illegal Daten von Abgeordneten gespeichert – darunter auch von Vize-Ministerpräsident Martin Dulig. Der SPD-Politiker reagiert empört. ... ,,Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Mir fehlen dafür die Worte", sagte der SPD-Politiker dem ,,Tagesspiegel". Er habe ein Auskunftsersuchen gestellt und daraufhin sechs Seiten mit Informationen, etwa über Teilnahmen an Demonstrationen und Facebook-Einträge, erhalten. Die Informationen, die über ihn gesammelt wurden, seien überwiegend belanglos – und ,,eher peinlich für die Agenten", zitierte die Zeitung den SPD-Landeschef....
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sachsen-verfassungsschutz-speichert-illegal-daten-von-abgeordneten-17378934.html

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Quote[...] Das EU-Parlament hat sich am gestrigen Dienstag mit deutlicher Mehrheit gegen biometrische Massenüberwachung in der Europäischen Union ausgesprochen. Von den deutschen Abgeordneten stimmten die Abgeordneten von SPD, Grünen, FDP, Die Partei und Piraten gegen die biometrische Massenüberwachung, die AfD enthielt sich, die Abgeordneten der Union stimmten dafür. Die Resolution des Parlamentes ist rechtlich nicht bindend. Eine Symbolwirkung hat sie dennoch, denn das ungewöhnlich deutliche Abstimmungsergebnis zeigt, wie das Parlament in dieser Frage steht.

... Mittlerweile wird weltweit gegen Gesichtserkennung und biometrische Massenüberwachung protestiert. Unter dem Motto ,,Ban Biometric Surveillance" machen mehr als 200 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt auch außerhalb der Europäischen Union zum Thema mobil. 

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Aus: "Europäisches Parlament stellt sich gegen biometrische Massenüberwachung" Markus Reuter (06.10.2021)
Quelle: https://netzpolitik.org/2021/gesichtserkennung-co-europaeisches-parlament-stellt-sich-gegen-biometrische-massenueberwachung/


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QuoteManchen wird gegeben, andere gehen leer aus: Erben verstärkt die Ungleichheit in unserer Gesellschaft, betont Yannick Haan. Er spricht sich deswegen für ein Gesellschaftserbe für alle aus. --- Yannick Haan, 1986 geboren, Publizist und Politiker. Er ist unter anderem Mitglied in der netz- und medienpolitischen Kommission beim SPD-Parteivorstand und Autor des Buches ,,Gesellschaft im digitalen Wandel – ein Handbuch". Außerdem ist er Vorsitzender der SPD Alexanderplatz und stellvertretender Vorsitzender der SPD Berlin-Mitte.

Ja, ich habe geerbt. Keine Milliarden oder Millionen, aber ausreichend, um mir eine Wohnung kaufen zu können. Auch mit meinem ,,kleineren" Erbe spüre ich im Leben bereits einen großen Unterschied. Bevor ich selbst geerbt habe, war Erben ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft für mich, für alle. Ein Prinzip, das man nicht hinterfragt, weil es schon immer da war.

Doch so schön es ist, eine eigene Wohnung zu haben, stellt sich die Frage, ob es gerecht ist, dass ich so leicht und selbstverständlich an sie gekommen bin. Wenn ich mich umschaue, dann bekomme ich daran immer größere Zweifel. Gerade meine Generation, die Generation Y, kann heute kaum noch durch Erwerbsarbeit Vermögen aufbauen. Manche bekommen allerdings eine Sonderausschüttung.
Das spaltet und diese Spaltung verstärkt sich, denn die Vermögen, die in den nächsten Jahren weitergereicht werden, werden nicht nur immer größer, sie werden auch noch immer ungerechter unter den Erben verteilt. 
Auf der einen Seite also die Erben, auf der anderen Seite der Großteil der Gesellschaft, der sich anstrengt, aber kaum Vermögen aufbauen kann. Obwohl alle sagen, dass die zunehmende soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft ein Problem ist, wird über das Erben kaum gesprochen.
In den Koalitionsverhandlungen spielen diese Fragen auch keine Rolle. Mit dem FDP-Mantra ,,Keine Steuererhöhung" ist das Thema scheinbar final abgeschlossen. Dabei ist dieses Mantra nur eine Weigerung, nachzudenken. Denn eigentlich treffen hier idealtypisch soziale und liberale Vorstellungen aufeinander und dabei müsste es nicht unbedingt knallen.

Erben ist zumindest in der Form, dass es Reichtum fortschreibt und konzentriert, ein Prinzip, das dem ökonomischen Grundgedanken der SPD widerspricht.  Besänne sich die FDP auf ihre Grundideen sähe auch sie darin einen Widerspruch. Dem wirtschaftsliberalen Grundgedanken liegt ja die Annahme von Chancengerechtigkeit zu Grunde. Jeder soll die Möglichkeit haben, durch Leistung aufzusteigen.
Das Erben greift aber unsere soziale Balance und die Chancengerechtigkeit zugleich an. Kaum ein anderes Thema eignet sich daher so, um ökonomisch den großen sozialliberalen Wurf zu versuchen.


Eine Möglichkeit wäre natürlich, einfach die Erbschaftssteuer zu erhöhen, andere Länder machen es vor. Doch damit wären zwar einige etwas weniger reich. Die Ärmeren hätten jedoch wenig davon.
Die Lösung dieses Problems bietet das sogenannte Gesellschaftserbe. Das könnte so aussehen: Jeder junge Mensch bekommt im Alter von 21 Jahren 20.000 Euro vom Staat ,,vererbt". Dieses Geld darf man für Ausgaben in Ausbildung, Wohneigentum oder die Gründung eines Unternehmens verwenden. Zur Finanzierung der Maßnahme wird die Erbschaftssteuer für große Erbschaften erhöht.
Mit diesem Schritt eröffnen sich für viele junge Menschen neue Möglichkeiten. Sie bekommen in einer entscheidenden Phase ihres Lebens finanzielle Unterstützung. Das Gesellschaftserbe würde ihnen etwas Sicherheit geben. Sie könnten selbstbewusster, freier und mutiger ins Berufsleben einsteigen – so wie ihre von Haus aus reichen Altersgenossinnen und -genossen. Das hätte sicher auch Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft.


Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kalkuliert, dass eine solche Maßnahme die Vermögensungleichheit deutlich stärker abbaut als beispielsweise die vieldiskutierte Vermögenssteuer. Das Gesellschaftserbe kann die Vermögen der unteren Hälfte der Bevölkerung um 60 bis 90 Prozent steigen lassen. Mit dieser Verschiebung kämen wir der gesellschaftlichen Idee der Eigenverantwortung wieder ein Stück näher.
In vielen ökonomischen Fragen liegen die zukünftigen Koalitionäre weit auseinander. Das Gesellschaftserbe hätte das Potenzial zum sozialliberalen Leuchtturmprojekt zu werden. Es wäre eine Versöhnung des Sozialen und der Liberalen und es wäre eine geradezu mustergültige Rückkehr zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Und es wäre eine Maßnahme, die vielen jungen Menschen eine Starthilfe geben würde.


Aus: "Gesellschaftserbe für alle: Reichtum gerechter verteilen" Ein Kommentar von Yannick Haan (16.11.2021)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/gesellschaftserbe-100.html


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Egon Karl-Heinz Bahr (* 18. März 1922 in Treffurt; † 19. August 2015 in Berlin) war ein deutscher Politiker der SPD.
Er war von 1972 bis 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben und von 1974 bis 1976 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Unter dem von ihm geprägten Leitgedanken ,,Wandel durch Annäherung" war er einer der entscheidenden Vordenker und führender Mitgestalter der von der Regierung unter Willy Brandt ab 1969 eingeleiteten Ost- und Deutschlandpolitik.
https://de.wikipedia.org/wiki/Egon_Bahr

"Russland löscht mit Ukraine-Krieg einstige Erfolge der Entspannungspolitik aus. Und nun?"
Sozialdemokratie Lange Zeit hat die Entspannungspolitik der SPD das Verhältnis zu Russland geprägt. Heute stellt sich die Frage, ob die an Entspannung Interessierten zu viel auf Willy Brandt und seinen Berater Egon Bahr gehört haben, oder eher zu wenig ...
Daniela Dahn | Ausgabe 11/2022
https://www.freitag.de/autoren/daniela-dahn/ukraine-krieg-das-verhaeltnis-zu-putins-russland-muss-ueberdacht-werden

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"Erklärung des SPD-Geschichtsforums zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine" (09.03.2022)
Das Geschichtsforum ist erschüttert über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den der russische Präsident Putin gegen die Ukraine führt. Wir stehen an der Seite der ukrainischen Bevölkerung und ihrer Regierung. Putins Geschichtsrevisionismus, sein Großmachtstreben und seine menschenrechtsverachtende Politik auch gegenüber der eigenen Bevölkerung sind unübersehbar, spätestens seit der Annexion der Krim 2014 und der zunehmenden Verfolgung und gezielten Tötung von Oppositionellen.
Als Historiker*innen in der SPD werden wir uns an einer Diskussion über Vergangenheit und Zukunft der Entspannungspolitik beteiligen und auch fragen, warum im Westen frühe Warnungen aus Ostmittel- und Osteuropa vor der wachsenden Bedrohung durch Putins Kurs zu wenig beachtet wurden. Bemühungen sozialdemokratischer Politiker*innen, im Dialog mit Russland auf Deeskalation zu setzen, waren nicht falsch, haben sich jedoch leider als vergeblich erwiesen. ...
https://geschichtsforum.spd.de/aktuelles/aktuelles/news/erklaerung-des-spd-geschichtsforums-zum-russischen-angriffskrieg-gegen-die-ukraine/09/03/2022/?fbclid=IwAR1rNHEQBbuJQDA0LxdANWo8gO1jo4gjOPumLlF8FkhTQI105TdLC58M_rQ

https://geschichtsforum.spd.de/

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Quote[...] Um die soziale Ungleichheit in Deutschland zu verringern, schlägt der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), ein sogenanntes Grunderbe vor. Unterstützung für Pläne, dass der Staat jungen Menschen mit Eintritt der Volljährigkeit eine bestimmte Summe zur Verfügung stellt, kam am Donnerstag auch von der Linkspartei. Die FDP wies den Vorschlag dagegen als "klassische Umverteilungsidee" zurück.

"Eigentum zu bilden ist für einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr möglich, gerade in den Metropolen", sagte Schneider den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ein Grunderbe wäre ein interessantes Instrument, um diese Entwicklung aufzuhalten und die Startchancen ins Berufsleben etwas gerechter zu gestalten."

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte berechnet, dass ein staatliches Grunderbe in Höhe von bis zu 20.000 Euro für alle 18-Jährigen und deren Finanzierung durch eine Erbschaft- oder Vermögensteuer die Vermögensungleichheit in Deutschland deutlich reduzieren würde. Der sogenannte Gini-Koeffizient - das Standardmaß der Ungleichheit - würde je nach Ausgestaltung um fünf bis sieben Prozent sinken.

"Ich halte das für eine sehr spannende Idee", betonte der SPD-Politiker Schneider. "Die Ungleichheit wächst von Generation zu Generation, was weniger am aktiven Einkommen liegt als am Vermögenszuwachs. Wer nichts hat, der kann nur schwer etwas zurücklegen und ein Vermögen aufbauen."

Zur Finanzierung sprach sich Schneider für "eine höhere Erbschaftssteuer der oberen zehn Prozent" aus. In Deutschland würden Millionenerbschaften zu gering besteuert, kritisierte er. "Wir laufen Gefahr, dass sich eine Rentiersgesellschaft, die von Erbschaften lebt, von der normalen Arbeitsgesellschaft abkoppelt."

Ähnlich äußerte sich Linksfraktionschef Dietmar Bartsch in den Funke-Zeitungen. Aus seiner Sicht könnte ein Grunderbe auch "die Ost-West-Spaltung lindern, weil Vermögen und Erbschaften im Osten deutlich geringer sind". Bartsch forderte Schneider auf, einen Grunderbe-Gesetzentwurf bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Auftrag zu geben.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erteilte den Plänen aber eine Absage. Schneiders Vorschlag sei "nicht zielführend", sagte er den Funke-Zeitungen. "Wir müssen uns doch vielmehr darauf konzentrieren, es für alle Menschen in unserem Land einfacher zu machen, Vermögen zu bilden und beispielsweise Wohneigentum zu erwerben."

Der Generalsekretär verwies auf den Vorschlag Lindners, die Grunderwerbsteuer komplett oder teilweise entfallen zu lassen. "Auf diese Weise würde es auch für Familien und Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen leichter möglich sein, eine Immobilie zu erwerben, Vermögen zu bilden und gleichzeitig für das Alter vorzusorgen." (AFP)


Aus: "Ostbeauftragte wirbt für ,,Grunderbe" – Kritik kommt von der FDP" (13.05.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/20-000-euro-fuer-junge-menschen-ostbeauftragte-wirbt-fuer-grunderbe-kritik-kommt-von-der-fdp/28336524.html

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Quote[...] Der Besitz geringer Mengen soll in Berlin nicht mehr bestraft werden. Das fordern Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus.

Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) will in den kommenden Monaten prüfen, ob eine grundsätzliche Straffreiheit für Konsumenten auch bei geringen Mengen harter Drogen möglich ist.

,,Die Hausleitung steht dem Vorschlag offen gegenüber und wird diese Frage in den kommenden Monaten fachlich prüfen und auf Grundlage dieses Ergebnisses eine politische Entscheidung treffen", schrieb ein Sprecher der Senatsverwaltung für Justiz auf Tagesspiegel-Anfrage.

Derzeit liegt es in Berlin im Ermessen der Staatsanwälte, wie sie mit dem Besitz geringer Mengen von Kokain, Heroin oder Ecstasy umgehen.

Laut Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes ist eine Straffreiheit bei geringen Mengen grundsätzlich möglich. Für Cannabis wurde dafür in Berlin eine sogenannte Gemeinsame Allgemeinverfügung erlassen, die Straffreiheit bis zehn Gramm regelt – zumindest, wenn keine Gefährdung Fremder vorliegt oder einschlägige Vorstrafen.

Die Grünen- und Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will eine solche Regelung analog auch für harte Drogen schaffen. Die Debatte hatte Grünen-Fraktionschef Werner Graf vergangene Woche im Tagesspiegel gestartet. In Bundesländern wie Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen oder Hessen gibt es solche Regelungen schon.

Wenn die Justizverwaltung zu dem Schluss kommt, dass eine Straffreiheit bei geringen Mengen harter Drogen grundsätzlich möglich ist, muss eine mögliche Allgemeinverfügung mit der Innen- und Gesundheitsverwaltung abgestimmt werden. Am Montag hatte sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schon kategorisch dagegen ausgesprochen.

Auch in der SPD-Fraktion gibt es starke Vorbehalte gegen den neuen Vorstoß der Grünen: ,,Ein ,Recht auf Rausch' wird es in Berlin in dieser Legislaturperiode nicht geben, und die Wortwahl ist mehr als zynisch", sagt der SPD-Abgeordnete Christian Hochgrebe. Er verweist auf den Koalitionsvertrag. In diesen hatte es die Forderung auf Wunsch der SPD nicht geschafft.


Aus: "Berlins Justizsenatorin Kreck offen für Straffreiheit auch bei harten Drogen" Julius Betschka (17.08.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/kokain-heroin-ecstasy-berlins-justizsenatorin-kreck-offen-fuer-straffreiheit-auch-bei-harten-drogen/28604420.html

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"Olaf Scholz bei den UN: Mission Antiimperialismus" (21. September 2022)
... Offizieller Anlass für die Reise des Bundeskanzlers ist die 77. Vollversammlung der Vereinten Nationen, auf der Scholz seine erste Rede vor der Weltöffentlichkeit hält. Noch eine Premiere. Angela Merkel ist zwar auch regelmäßig zum UN-Hauptsitz geflogen, doch die zahlreichen Gespräche am Rand waren ihr stets wichtiger als der große Auftritt vor dem Plenum – ihre letzte Rede dort hielt sie, wie der Scholz-Tross zu berichten weiß, vor 15 Jahren. Beim großen Weltpalaver zog es die Kanzlerin vor zu schweigen. Politik hat sie hier stets am Rande gemacht. Und das nicht ohne Erfolg.
... Scholz sieht die Weltgemeinschaft an einer Weggabelung angekommen: "Schauen wir hilflos zu, wie manche uns in eine Weltordnung zurückkatapultieren wollen, in der Krieg ein gängiges Mittel der Politik ist?", so fragt er die Delegierten aus aller Welt. "Oder schaffen wir es mit vereinten Kräften, dass die multipolare Welt des 21. Jahrhunderts eine multilaterale Welt bleibt?" ...
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-09/un-generalversammlung-olaf-scholz-rede-new-york-russland-imperialismus/komplettansicht

https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-09/un-vollversammlung-bundeskanzler-olaf-scholz-russland-ukraine-krieg-sicherheitsrat

Olaf Scholz im Gespräch mit Stephan Detjen | 18.09.2022
https://www.deutschlandfunk.de/bundeskanzler-olaf-scholz-spd-102.html

https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-gegenangriff-gegenoffensive-deutschland-waffenlieferungen-100.html

"Putin kündigt Teilmobilmachung der Streitkräfte an" (Mittwoch, 21. September 2022)
+++ Russlands Staatschef Putin hat angekündigt, rund 300.000 Reservisten für den Kriegsdienst einzuziehen. +++ Bundeskanzler Scholz hat Russland vor der UNO-Vollversammlung ,,blanken Imperialismus" vorgeworfen. +++
https://www.deutschlandfunk.de/newsblog-zum-krieg-in-der-ukraine-100.html

"Zur Verteidigung ,,russischer Gebiete": Putin ordnet sofortige Teilmobilmachung an" (21.09.2022)
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts unterzeichnet der Kremlchef ein entsprechendes Dekret, die Anordnung gilt unverzüglich. Als Ziel gibt er die ,,Befreiung" des Donbass aus.
https://www.tagesspiegel.de/politik/dekret-fur-russische-streitkrafte-putin-ordnet-teilmobilmachung-an-8666938.html

https://www.zeit.de/thema/olaf-scholz

https://www.zeit.de/thema/wladimir-putin


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Quote[...] "Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents.

Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.  Die schrecklichen Bilder aus Kiew, Charkiw, Odessa oder Mariupol zeigen die ganze Skrupellosigkeit Putins. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, der Schmerz der Ukrainerinnen und Ukrainer - sie gehen uns allen sehr nahe.

Ich weiß genau, welche Fragen die Bürgerinnen und Bürger sich in diesen Tagen abends am Küchentisch stellen. Welche Sorgen sie umtreiben - angesichts der Nachrichten aus dem furchtbaren Krieg.

Viele von uns haben noch die Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern im Ohr vom Krieg. Und für die Jüngeren ist es kaum fassbar - Krieg in Europa. Viele von ihnen verleihen ihrem Entsetzen Ausdruck - überall im Land, auch draußen vor dem Reichstag.

Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf. Ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts. Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.

... Was heißt das für die Zukunft? Wir werden uns Gesprächen mit Russland nicht verweigern. Auch in dieser extremen Lage ist es Aufgabe der Diplomatie, Gesprächskanäle offenzuhalten. Alles andere halte ich für unverantwortlich.

... "


Aus: "Scholz' Rede im Wortlaut: "Putins Krieg bedeutet eine Zäsur"" (27.02.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Putins-Krieg-bedeutet-eine-Zaesur-article23159371.html

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Quote[...] Die SPD-Bundestagsfraktion veranstaltet eine Diskussion am Jahrestag von Scholz' Zeitenwende-Rede. Was diese Zeitenwende ausmacht, wird dabei nicht so deutlich. Augenfällig dagegen ist die anhaltend hohe Betroffenheit einiger Sozialdemokraten - über die seit Kriegsausbruch selbst erlittenen Verletzungen.

Die große Nachfrage hat die Veranstalter dann doch überwältigt: Nicht nur der Otto-Wels-Saal im Reichstagsgebäude, der die 206 Abgeordneten starke SPD-Fraktion zu fassen vermag, sondern auch der Nebenraum ist am Montagabend gut gefüllt. Zudem verfolgen am ersten Jahrestag von Olaf Scholz' Zeitenwende-Rede zahlreiche Interessierte die Diskussion "Ein Jahr Zeitenwende" via Livestream. Der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hält die Einführungsrede und setzt darin einen Schwerpunkt, der angesichts des Themas des Abends überrascht: Rolf Mützenich spricht in seinen - abzüglich Begrüßungsformeln - zehn Minuten Redezeit vor allem über Rolf Mützenich und alle anderen Sozialdemokraten, die in den vergangenen zwölf Monaten Verletzungen durch Kritik und Widerspruch erfahren haben.

Zu diesen bisher eher nicht als solchen wahrgenommenen Opfern von Putins Angriffskrieg zählt sich, wie später deutlich wird, auch Ralf Stegner. Der Partei-Linke hat zusammen mit Joe Weingarten und Falko Droßmann, die alle drei dem Unterausschuss "Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung" angehören, den Diskussionsabend organisiert. Warum das breite Meinungsspektrum zum Ukraine-Krieg innerhalb der SPD-Fraktion nicht durch Vertreter anderer Positionen wie etwa Michael Roth vertreten wird, bleibt unklar. Stattdessen gibt der Politikwissenschaftler Carlo Masala denen eine Stimme, die sich anders als Mützenich und Stegner von Beginn der Invasion an für eine robuste militärische Unterstützung der Ukraine ausgesprochen haben. Masala hatte sich in diesem Zusammenhang noch Ende Januar derart über einen Brief Mützenichs an die SPD-Fraktion geärgert, dass er drohte, Veranstaltungen dieser Fraktion künftig fernzubleiben.

Dass es so früh dennoch zu einem Wiedersehen kommt, dürfte einer der Hauptgründe hinter dem großen Interesse an der Veranstaltung sein. Ein anderer ist sicherlich die Teilnahme von Boris Pistorius, dem noch immer neuen, aber jetzt schon Beliebtheitsrankings anführenden Verteidigungsminister. Mützenich dagegen sieht den Zuspruch vor allem darin begründet, dass die Bevölkerung an Antworten auf die Zeitenwende interessiert sei, die über "monothematische Diskussionen" hinausgingen. Es ist der erste, aber nicht letzte Verweis Mützenichs auf eine seines Erachtens zu sehr aufs Militärische verengte Debatte.

Dabei zeigt ausgerechnet die Panel-Diskussion mit Masala und Stegner, wie schwierig es eben nicht nur für Medien ist, alle Aspekte des Krieges in gleicher Gewichtung zu beleuchten. Die ebenfalls geladenen Panel-Gäste - Diana Henniges, Aktivistin für Rechte von Geflüchteten, und Kristina Lunz, Gründerin eines Zentrums für feministische Außenpolitik - dürften sich in der Debatte jedenfalls eher wie Zaungäste fühlen. Die Fragen aus dem Publikum drehen sich vor allem um den Kriegsverlauf und klassische Außen- und Sicherheitspolitik. Zur Situation der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer hat niemand eine Frage.

Die große Hilfsbereitschaft einiger Deutscher, die freiwillig Ukrainerinnen und Ukrainer bei sich aufgenommen haben, zählt Mützenich als eine von vielen nicht-militärischen Unterstützungsleistungen der deutschen Politik für die Ukraine auf. Die selbstkritische Rückschau hält er dagegen für überzogen. "Es ist ja sogar manchmal zu einer modischen Einlassung geworden, welche Fehler man gemacht hat", sagt der Fraktionschef. Fehler gehörten aber dazu, auch bei politischen Entscheidungsträgern, "vor dem Hintergrund von Ereignissen, die man so nicht voraussehen konnte, die man aber im Nachhinein natürlich auch immer wieder prüfen muss".

Auch er habe Versäumnisse und Fehler zu bekennen, sagt Mützenich, ohne diese zu benennen. "Und gleichzeitig möchte ich aber auch die Freiheit nutzen, zu sagen, dass ich manchmal irritiert bin über die eine oder den anderen, die der Öffentlichkeit sagen, eigentlich haben sie alles schon gewusst." Das müsse man denen nicht glauben.

"Wenn man Versäumnisse und Fehler korrigiert," - welche das sind, lässt Mützenich erneut offen - "dann möchte ich als Sozialdemokrat eins auch hier bekennen: Die Entspannungspolitik trägt nicht die Verantwortung für den Überfall russischer Streitkräfte auf die Ukraine. Dies hat alleine Präsident Putin zu verantworten und ich hoffe, dass er irgendwann auch zur Rechenschaft gezogen wird." Die sehr wohl auch von egoistischen Wirtschaftsmotiven geprägte Russland-Politik Deutschlands vor und nach der Krim-Annexion 2014 als "Entspannungspolitik" zu titulieren, wäre schon vor dem 24. Februar 2022 mutig gewesen. Heute, ein Jahr später, ist die Wortwahl wohl Ausdruck von Mützenichs tiefer Verletztheit über die Kritik an seiner SPD und ihrer Mitverantwortung dafür, dass Putin glaubte, den Krieg führen zu können.

Doch nicht nur die Selbstbezichtigungen anderer Politiker und mediale SPD-Schelte findet Mützenich unangemessen, sondern auch den Umgang mit der eigenen Person. Der Kölner erinnert an seine Bundestagsrede von Ende März, als er dem Plenarsaal eine Weltkarte präsentierte, um zu untermalen, dass mit China und Indien die beiden bevölkerungsreichsten Länder einer UN-Resolution gegen Russlands Angriffskrieg nicht zugestimmt hatten. "Hier muss auch die Diplomatie versuchen, Wege zu diesen Staaten zu finden", erklärt Mützenich im Otto-Wels-Saal seine damalige Intention. Das sei "nicht zu verwechseln mit Verhandlungen mit Putin". Ihm gehe es darum, dass Diplomatie Brücken zu den aufstrebenden Weltmächten bauen müsse, damit einmal Verhandlungen stattfinden könnten. Genau das bezwecke auch Bundeskanzler Scholz mit seinen Reisen nach China und Indien.

Masalas mimische Reaktionen auf Mützenichs Rede bleiben dem Publikum hinter ihm verborgen, weil der Politikwissenschaftler in der ersten Reihe sitzt. Er geht während der Panel-Diskussion nicht auf den SPD-Fraktionsvorsitzenden ein, genauso wenig wie auf die Spitzen Ralf Stegners. "Ich habe zu denen gehört, die das in den letzten Tagen differenziert kommentiert haben", sagt Stegner über Chinas von Russland abgelehnten Friedensplan. Andere Experten und Politiker hatten Pekings Ankündigung von Beginn an skeptisch gesehen. Stegner sieht sich nun nach Putins Abfuhr in seiner Einschätzung bestätigt, dass auch China Interesse an einem Ende des Krieges habe.

Über kognitive Umwege bringt Stegner zudem eine Breitseite gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann unter. Die FDP-Politikerin bildet mit ihren vehementen Rufen nach Waffen für die Ukraine innerhalb der Regierungsfraktionen den Gegenpol zu Stegner. Der sagt nun: "Ich befürchte, dass Putin nicht mal Interviews der Vorsitzenden des Verteidigungsauschusses des Deutschen Bundestags liest." Auch Stegner lobt Scholz' China-Visite, die im Herbst von den Koalitionspartnern Grüne und FDP kritisch gesehen wurde. "Ich wünschte mir, dass das nicht verlacht wird. Manche reden nur noch darüber, dass das militärisch entschieden wird", sagt Stegner. Der vielfache Widerspruch, der ihm wegen seiner Rufe nach mehr Friedensdiplomatie begegnet ist, hat auch bei Stegner offenkundig Spuren hinterlassen.

Dass neben dem Militärischen alle Wege versucht werden müssten, den Krieg zu beenden, sei "ein seltener, historischer Moment" inhaltlicher Übereinstimmung, sagt Masala ironisch und schiebt nach: Das dürfe nicht zu oft vorkommen. "Keine Sorge!", versichert ihm Stegner. Mit der Einigkeit ist es dann auch schnell vorbei: Masala hat Zweifel, welchen Grenzverlauf Chinas Regierung meint, wenn sie von territorialer Integrität spricht: den Grenzverlauf von vor der Krim-Annexion 2014 oder den nach Russlands Annexion vier weiterer Regionen im Südosten der Ukraine im Herbst 2022? Auch beim Umgang mit nicht beteiligten Staaten widerspricht Masala den SPD-Politikern Stegner und Mützenich: Es gehe nicht allein um Friedensdiplomatie. Russlands Angriffskrieg beschleunige den "Konflikt um die zukünftige Ordnung des internationalen Systems", weshalb Deutschland die noch unentschlossenen Staaten umwerben müsse.

Auf frontale SPD-Kritik verzichtet Masala aber, er hat hier keine Rechnung zu begleichen. Eine Publikumsfrage zielt auf die Erzählung ab, die USA hätten in den vergangenen Jahren russlandfeindliche Kräfte in der Ukraine massiv unterstützt und somit Putin provoziert. "Egal, was vor dem 24.2. passiert ist: Nichts rechtfertigt den 24.2.", sagt Masala. Und: "Nichts rechtfertigt, einen anderen Staat anzugreifen und zu versuchen, seine Identität auszulöschen." Beide Sätze sollten auch führende Sozialdemokraten dahingehend beruhigen, dass weder Kritik an vergangener Politik noch Widerspruch zu jetzigen Positionen bedeutet, sie würden in eine Ecke mit Putin gestellt.

Der aus Niedersachsen mit seinem lange Zeit besonders Russland-freundlichen SPD-Landesverband nach Berlin gewechselte Pistorius spielt an diesem Abend viel freier auf als Stegner und Mützenich. Das mag auch daran liegen, dass er die nervenaufreibenden innerdeutschen Diskussionen des ersten Kriegsjahres von Hannover aus verfolgt hat. "Ich sage immer, alle sind gleich klug - die einen vorher, die anderen nachher", witzelt der Verteidigungsminister über die Vergangenheitsdebatte. Dann erläutert Pistorius, was die Ukraine und die Bundeswehr jetzt und in Zukunft bräuchten. Das mit der Klugheit mag sogar stimmen, aber die Menschen sind ungleich verletzlich. Wie verletzlich, hat ein an sonstigen Erkenntnissen armer Diskussionsabend im SPD-Fraktionssaal gezeigt.

Quelle: ntv.de


Aus: "Fraktion debattiert Zeitenwende: Was hat dieser Krieg der SPD nur angetan!" Sebastian Huld (28.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Was-hat-dieser-Krieg-der-SPD-nur-angetan-article23948742.html


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Quote[...] Grönemeyer: Das Thema Armut beschäftigt mich ungemein. Warum kommt es ausgerechnet in reichen Gesellschaften zu so viel Armut? Darin steckt die größte Sprengkraft für unsere Gesellschaft. In einer reichen Gesellschaft wie der unseren muss jeder Mensch in der Lage sein, seinen Unterhalt selber finanziell bestreiten zu können. Das ist auch machbar. Nur fünf Prozent der von Armut in Deutschland Betroffenen haben keine Arbeit. 25 Prozent arbeiten, 70 Prozent sind im Ruhestand oder erwerbsunfähig. Die Armen haben keine Lobby, offenbar ist das nicht mehr schick oder Instagram genug. Ich bin ein Kind aus dem Ruhrgebiet: Es gab in den 1960ern, frühen 1970ern eine Zeit, als diese Form des solidarischen Miteinanders ihre sozialdemokratische Hochzeit hatte. Dieses Gefühl für Gemeinschaft, für das Miteinander ging irgendwann verloren, das muss wieder her.

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Aus: "Herbert Grönemeyer: "Armut besitzt die größte Sprengkraft"" (Ronald Pohl, 23. März 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000144788015/herbert-groenemeyerarmut-besitzt-die-groesste-sprengkraft

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... Man sieht wo [der Arbeitskampf] heute stattfindet und wen es betrifft. Irgendwie spiegelt sich dieser Typ Arbeiter und dieser Spirit heute so gar nicht mehr in der SPD wieder. Zumindest nicht in der Partei Prominenz, die man als normalsterblicher so kennt. ...

Quote[...] Es ist Sonntagabend, die Sonne steht tief über der 60.000-Quadratmeter-Halle im Gewerbegebiet von Winsen an der Luhe, die das größte Logistikzentrum Amazons im Norden der Republik beherbergt. Rund 2.000 Menschen arbeiten hier im Süden Hamburgs in drei Schichten. Etwa 400 Beschäftigte sind es pro Schicht, die Spätschicht beginnt um 19.30 Uhr. Doch an diesem Abend werden nur wenige Menschen an den Streikposten vorbei zum Eingangstor laufen, um den Dienst anzutreten. Die anderen scharen sich um die Zelte der Gewerkschaft ver.di und tragen ihre Namen in die Listen ein, damit sie ihr Streikgeld bekommen. "Du bekommst dein Geld, auch wenn du nicht arbeitest", erklärt Hedi Tounsi einer Frau, die noch unsicher ist.

Tounsi, 32 Jahre alt, 1,90 groß, mit Sonnenbrille und Dauerlächeln im Gesicht, ist Betriebsrat bei Amazon Winsen. Mit einer kleinen Gruppe von ver.di-Mitarbeitern hat er diesen Streik organisiert, 28 Stunden lang dauert er, von Sonntagabend bis Montagnacht. Es ist sofort zu spüren: Tounsi ist der Motor dieses Arbeitskampfes. Er kennt hier alle, spricht Leute auf Arabisch an, auf Englisch, Französisch und Deutsch, macht Späße, ruft Slogans. Und er nimmt seinen Kolleginnen und Kollegen die Angst. Dieser Streik in Winsen ist außergewöhnlich, er ist auch eine Geschichte der Selbstermächtigung. Ein Arbeitskampf der Menschen, die neu in Deutschland sind und meist noch gar nicht wissen, welche Rechte sie als Arbeitnehmende hier haben. Sie müssen besonders viel Mut aufbringen, um sich zu organisieren und gegen ihren Arbeitgeber aufzubegehren. Doch das tun sie eindrucksvoll.

"Wir haben Leute aus 93 Nationen hier", erklärte Tounsi, und in der Tat: Gut 90 Prozent der Menschen, die aus den Bussen steigen, sind schwarz. Viele sprechen wenig Deutsch, sie kommen aus Eritrea, Somalia, Marokko, Ghana oder Afghanistan. Hedi Tounsi ist einer von ihnen. Er ist 2016 aus Tunesien nach Deutschland gekommen. "Ich bin der Liebe gefolgt", sagt er. In Tunesien war er bei der Polizei, Hundetrainer. Aber die Aufnahmeprozedur bei der deutschen Polizei war zu schwierig für ihn, der kaum Deutsch sprach. Ein Job im Amazon-Lager hingegen, der war erreichbar für Tounsi. Und so geht es vielen Menschen, die erst vor Kurzem zugewandert sind. Amazon bietet ihnen eine Chance, schnell in das Arbeitsleben einzusteigen. Später merkten viele, sagt Tounsi, dass die Bezahlung doch recht knapp bemessen sei.

"Kurdistan" steht auf dem Halstattoo des bärtigen Mannes, mit dem Tounsi jetzt ein Transparent am Zaun zum Parkplatz anbringt. "Make Amazon Pay" steht darauf, der Slogan einer internationalen Bewegung, die für faire Löhne bei dem Onlinelonzern kämpft. Aus Sicht des Konzerns selbst sind die Löhne längst fair. "Als Arbeitgeber bietet Amazon gute Bezahlung, Zusatzleistungen und Entwicklungsmöglichkeiten – und das alles in einem attraktiven und sicheren Arbeitsumfeld", heißt es auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit liege die Bezahlung in der Lagerlogistik "im Durchschnitt bei rund 35.000 Euro brutto pro Jahr". Das sind knapp 3.000 Euro monatlich, hinzu kämen Extras wie Mitarbeiteraktien, Familienboni und Ausbildungszuschüsse.

Ob das stimmt und aus welchen Löhnen sich der Durchschnitt zusammensetzt, lässt sich schwer überprüfen, denn Amazon schließt für seine Logistikzentren keine Tarifverträge ab und verhandelt nicht mit Gewerkschaften. Hedi Tounsi arbeitet zum Level-One-Tarif, der niedrigsten Lohngruppe in der Lagerlogistik. Er verdiene 2.600 Euro brutto, sagte er, das seien netto maximal 1.800 Euro im Monat. Eine 43-Stunden-Woche habe er und nur zwei freie Samstage im Monat. Zu wenig, findet Tounsi, angesichts einer Inflationsrate zwischen sieben und zehn Prozent. "Die letzte Lohnerhöhung waren gerade mal drei Prozent. Das nervt mich, das kann ich nicht akzeptieren. Eine Flasche Olivenöl kostet fünf Euro und wir bekommen 44 Euro brutto mehr?"

Von seinem Lohn gehen rund 400 Euro für den Kleinwagen ab, den er sich anschaffen musste, um nicht noch zwei Stunden täglich für den Arbeitsweg zu vergeuden. Er wohnt in Neugraben, ein südlicher Vorort von Hamburg, mit Frau und drei Kindern. Die Anfahrt mit Bahn und Bus ist mühselig. "Der Metronom ist immer zu spät", sagt er. "Und wir Mitarbeiter müssen es ausbaden. Wir versuchen mit Amazon darüber zu reden, aber sie sagen: Ist nicht mein Problem, das müsst ihr regeln." Amazon sponsert allerdings ein Monatsticket für den Nahverkehr. Bis vor zwei Jahren habe das Logistikunternehmen einen Mitarbeiterbus unterhalten, sagt Tounsi, um die Leute aus dem Süden Hamburgs in die Halle nach Winsen zu bringen. Jetzt fährt nur noch der normale Linienbus.

An der Haltestelle zu diesem Bus sprachen ihn Leute von ver.di zum ersten Mal an, vor fünf Jahren sei das gewesen. Weil es den Gewerkschaftsflyer auch in arabischer Übersetzung gab, verstand Tounsi, worum es geht. Er habe selbst in Tunesien eine Gewerkschaft mitgegründet: In den Jahren 2010 und 2011, als eine Protestwelle die korrupte tunesische Regierung stürzte, habe er mitgeholfen bei der Gründung einer Polizeigewerkschaft. "Ich bin Mitgliedsnummer 100. Wir haben den ersten Polizei-Betriebsrat in der arabischen Welt gegründet", sagt Tounsi. "Ich habe mich sofort bei ver.di gemeldet und mich zum Betriebsrat aufstellen lassen." Die Hälfte seiner Arbeitszeit ist er nun freigestellt, um Betriebsratsarbeit zu machen. In der restlichen Zeit arbeitet Tounsi im Techniksupport.

Wenn ein Problem auftaucht mit den Fließbändern oder den Transportrobotern, die die bestellten Produkte herumfahren: Tounsi läuft hin und versucht, es zu klären. In der Belegschaft ist er bekannt wie ein bunter Hund. "Hedi ist total wichtig für uns, der kennt hier alle", sagt Havva Öztürk, ver.di-Gewerkschaftssekretärin, während sie am Streikposten-Zelt beim Ausfüllen neuer Mitgliedsanträge hilft. Es war nur eine Handvoll Leute, mit denen Tounsi 2018 die erste ver.di-Gruppe gründete. Inzwischen sind nach Angaben der Gewerkschaft mehr als 400 Beschäftigte am Standort organisiert – und beim heutigen Streiktag werden es noch rund zwei Dutzend mehr.

Für ver.di ist dieser Arbeitskampf der Winsener Beschäftigten, von denen viele als Geflüchtete nach Deutschland kamen, ein Erfolg. Seit Jahren versucht die Gewerkschaft in den 20 Logistikzentren Fuß zu fassen, kann aber nur mäßige Erfolge vorweisen. Viele Streiks liefen bislang ins Leere, weil nicht genügend Beschäftigte mitmachten. Das Ziel, Amazon in den Tarif für den Einzelhandel zu zwingen, wurde bisher nicht erreicht. Ausgerechnet in Winsen aber ist nun mit dieser besonderen Belegschaft neue Dynamik in die Bewegung gekommen.

Aus den Lautsprechern plärren Mottosongs zum Streik: von Bob Marley Get Up Stand Up oder I Want It All von Queen.  Aber die Musik ist kaum zu hören. Alle reden und rufen durcheinander, machen Selfies in kämpferischen Posen. Nein, ein deutscher Routinestreik ist das hier nicht. Die Streikenden in ihren gelben Warnwesten stehen im Halbkreis um Hedi Tounsi herum und skandieren: "Make Amazon pay! Make Amazon pay!" "Jetzt in verschiedenen Sprachen", ruft Tounsi. "Eritrea! Wer macht es? Du? Komm her!" Sprechchöre auf Tigrinya, Somali, Arabisch und Kurdisch folgen. "Der Streik läuft perfekt", sagt Tounsi, "gut 80 Prozent der Nachtschicht machen mit, obwohl die Manager hier auch aufgetaucht sind und die Leute beobachten." 

Die Manager, auch Teamleiter genannt, sind ein Riesenthema hier. Aus Sicht der Streikenden sind sie für die überzogene Mitarbeiterüberwachung zuständig. Ein Mann zeigt ver.di-Sekretärin Öztürk die Abmahnungen, die er bekommen hat, weil er angeblich mit seinem Smartphone gedaddelt habe. "Das hören wir in letzter Zeit häufig. Leute werden abgemahnt, weil sie kurz auf ihr Handy schauen", sagt Öztürk. "Amazon nutzt die Abmahnungen dann, um Leuten zu kündigen."

Auch Hedi Tounsi berichtet von einem Klima der Angst bei Amazon Winsen. Teamleiter verfolgten die Leute bis auf die Toilette, um zu beobachten, ob sie dort heimlich Pause machten. Amazon äußert sich zu diesen Vorfällen gegenüber ZEIT ONLINE nicht, verweist aber darauf, dass Mobiltelefone nur in Pausen und bei Notfällen benutzt werden dürften und die Angestellten "jederzeit die Toilette aufsuchen" dürften. Im Februar entschied das Verwaltungsgericht Hannover, dass das Amazon-System zur permanenten Mitarbeiterüberwachung für die Steuerung der logistischen Abläufe notwendig und daher rechtens sei. Die Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen hat dagegen geklagt, dass der Konzern in seinem Logistikzentrum durchgehend Daten seiner Mitarbeitenden erhebt.

Für Hedi Tounsi endete die Datenüberwachung im vergangenen November mit einem Minus auf seinem Gehaltszettel, angeblich, weil er in der falschen Schicht da war. Tounsi wird wütend, wenn er darüber spricht. "Ich habe 250 Euro weniger bekommen, obwohl ich als Betriebsrat wählen darf, zu welcher Schicht ich komme", sagt er. "Die lassen mich meine Arbeit als Betriebsrat nicht machen. Ich bekomme Stress, weil ich meinen Kollegen helfen will. Sie wollen, dass ich aufhöre zu kämpfen." Aber es müsse jetzt Schluss sein mit diesem "amerikanischen Scheißsystem", sagt Tounsi. Amazon solle akzeptieren, dass "wir in Deutschland sind".

Tarifverträge, Streikrecht, legale Gewerkschaften, Kündigungsschutz. Hedi Tounsi ist ein großer Deutschlandfan, wenn es um das Arbeitsrecht geht. Seine Mission: den Kolleginnen und Kollegen klarzumachen, dass sie keine Angst zu haben brauchen, wenn sie für ihre Rechte eintreten. "Wir wissen doch, was in anderen Ländern passiert, wenn es keine Gewerkschaft gibt", sagt er. "Kameras überall, keine Rechte, sechs Tage arbeiten in der Woche, und wenn du krank wirst, ist es scheißegal. Ich höre das doch, von meinen Schwestern in Tunesien. Ich will nicht, dass das hier passiert in Deutschland."

Die Hauptforderung des Streiks ist auch in Winsen, dass Amazon endlich einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft verhandeln soll. Dagegen heißt es aus der Amazon-Pressestelle: Die Gewerkschaft spreche nur für eine Minderheit, und dass man mit den Betriebsräten direkt über neue Bonuszahlungen verhandeln wolle. "Wir finden das nicht okay", sagt ver.di-Sekretärin Öztürk dazu. "In Deutschland verhandeln Gewerkschaften über Gehälter, nicht Betriebsräte, weil das sehr willkürlich ist." Kann so ein Streik so viel Druck aufbauen, um Amazon zum Einlenken zu zwingen? Der Arbeitskampf betreffe nur eines von 20 Logistikzentren in Deutschland, heißt es vom Konzern, direkte Auswirkungen auf die Kundschaft sieht das Unternehmen nicht. Es lohne sich zu streiken, meint hingegen ver.di-Frau Öztürk. Es sei das dritte Mal, dass bei Amazon in Winsen gestreikt werde, und jedes Mal habe es danach mehr Geld gegeben. Zumindest habe das Unternehmen danach die Löhne angepasst.

...


Aus: "Streik bei Amazon: Mach mit, Bruder!" Aus einer Reportage von Christoph Twickel, Winsen-Luhe (4. April 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-04/amazon-warnstreik-logistikzentrum-winsen-luhe-arbeitsbedingungen/komplettansicht

QuoteGutentag

Wenn Amazon seine Verteilzentren auf Roboter umgestellt haben, werden die Leute andere Probleme haben.....


Quoteacross the rhine

Ich drücke Euch die Daumen! Es wird Zeit, dass immer mehr Leute kapieren (gerade in den unteren Lohngruppen), dass es sich lohnt, sich zu organisieren.
Die hohen Tariflöhne der Metaller kommen auch nicht von alleine, ... und getade im Dienstleistungssektor ists schwer die Arbeitsplätze ins Billiglohnland zu verlegen.


QuoteChocoholic

2600€ Brutto für eine ungelernte Kraft mit geringen Deutschkenntnissen - wo liegt das Problem? Tut mir leid, aber hier fehlt mir wirklich das Verständnis, dass man dagegen streiken muss. Über Amazon bin ich verwundert, dass keine Werksbusse eingesetzt werden.


Quote
Der VfL ist wieder da

Toller Artikel. Viel Erfolg den Streikenden. Glück auf!


Quotefh
fiete-hansen

Mit dem Bau von Amazon ist in Winsen der Wohnungsmarkt zusammen gebrochen.


Quotetrespanes

Wer hätte gedacht dass es keinen Arbeitskampf mehr gibt. Man sieht wo er heute stattfindet und wen es betrifft. Irgendwie spiegelt sich dieser Typ Arbeiter und dieser Spirit heute so gar nicht mehr in der SPD wieder. Zumindest nicht in der Partei Prominenz, die man als normalsterblicher so kennt. Aber es gibt sie.


...

Link

Quote[...] Eines muss frau den Hamburger Grünen lassen: Um ihren Ruf scheren sie sich nicht. Obwohl man mit dem öffentlichen Aufschrei hätte rechnen können, der nun weit über die Stadtgrenzen hinaus zu vernehmen ist, haben die Grünen auf ihrer Fraktionssitzung eine Bürgerschaftsabgeordnete dafür abgestraft, dass sie sich nicht an die Koalitionsdisziplin gehalten hat. Die 33-jährige Miriam Block, so beschloss es die Fraktion am Montag, ist nicht länger ihre wissenschaftspolitische Sprecherin. Was war geschehen?

Bei einer Abstimmung am 13. April wollte Miriam Block einen mit dem Koalitionspartner SPD ausgehandelten Kompromiss nicht mittragen. Sie stimmte für einen Antrag der Linksfraktion, der die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) in Hamburg fordert. 

Das Argument der Linken: Schon vor Jahren haben alle anderen Bundesländer, in denen der NSU gemordet hat, solche Ausschüsse eingeführt und zum Teil wichtige Erkenntnisse gewonnen. Der hessische PUA etwa förderte zutage, dass während des Mordes an Halit Yozgat in einem Internetcafé ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes anwesend gewesen war.   

Auch in Hamburg, wo die NSU-Mörder am 27. Juni 2001 Süleyman Taşköprü in seinem Obst- und Gemüseladen in Altona erschossen, sind noch Fragen offen: Warum versteifte sich die Polizei darauf, dass die Täter aus dem Milieu der organisierten Kriminalität kommen müssten? Waren die Ermittlungen von Ressentiments gegenüber türkischen Männern geprägt? Stimmt es wirklich, dass es keine Hinweise auf rassistische Motive gab, und keine Verbindungen zwischen den NSU-Mördern und der rechten Szene in Hamburg?   

In einem langen Thread auf Twitter begründete Miriam Block bereits kurz vor der Abstimmung am Montag, warum sie einen NSU-PUA in Hamburg für nötig hielt: Gelöschte Akten, Fehler in der bisherigen Aufarbeitung und Erfahrungen aus anderen PUA würden zeigen, dass es nötig sei, erneut Zeugen zu vernehmen und Akten anzufordern: "Vorladen muss möglich sein, da nicht alle von sich aus reden werden."   

Die Grünenfraktion plante, für den Koalitionsfrieden mit der SPD gegen einen NSU-PUA zu stimmen. Die SPD hatte alternativ vorgeschlagen, eine wissenschaftliche Aufarbeitung zu unterstützen. In diesem Fall wäre eine Vorladung beteiligter Ermittlerinnen oder Ermittler nicht möglich gewesen und Behörden wären nicht verpflichtet, Akten herauszugeben. Miriam Block reichte das nicht, sie entschied sich, den Antrag der Linken zu unterstützen: "Ich kann es (...) nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, den Antrag der Linksfraktion abzulehnen, solange wir keinen alternativen Weg für ernsthafte Aufklärung finden", twitterte sie.   

Für diesen Bruch mit der Fraktionsdisziplin wurde sie nun also bestraft: Block wurde ihr Amt als wissenschaftspolitische Sprecherin entzogen. Schon am Morgen nach der Abstimmung war auf der Website der Fraktion der Titel gelöscht. Natürlich sei es den Parteifreund*innen "nicht leicht gefallen", wie der Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen in seinem dünnen Statement erklärt, aber: "Die Abgeordnete hat wiederholt gegen gemeinsame Absprachen und geteilte Regeln der Kommunikation verstoßen." Zur Sache, also zur Ablehnung des NSU-PUA durch die Grünen, heißt es dort: "Nun ist es an der Zeit, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren und mit voller Kraft weiter unser Paket aus wissenschaftlicher Aufarbeitung rechten Terrors und parlamentarischer Begleitung voranzutreiben."

"Unser Paket" und "mit voller Kraft", das klingt schon reichlich orwellhaft. Denn erst ein paar Wochen zuvor hatte Lorenzen noch auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung erklärt, dass auch die Grünen einen PUA für angebracht und notwendig hielten und dass man sich lediglich der Koalitionsdisziplin beuge.

Bereits 2021 auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen-Parteibasis hatte man einen NSU-Ausschuss angestrebt. Warum sind die Hamburger Grünen nun also so bemüht, Abweichlerinnen der neuen Linie schnell und hart zu sanktionieren? Sind die Grünen nicht die Partei der Diversität? Haben sie sich nicht in jahrzehntelangen Fundi-versus-Realo-Kämpfen in weltanschaulicher Gelassenheit geübt? Hätte die Fraktion nicht Kulanz walten lassen können, um der Basis und dem linken Umfeld zu signalisieren, dass einerseits die Koalitionsdisziplin wichtig ist und andererseits einzelne Grüne durchaus auf ihre Grundsätze bestehen dürfen?   

Das wäre sicher clever gewesen. Aber bei der grünen Fraktion sind offenbar die Drähte durchgeglüht. Dass eine aus den eigenen Reihen sich herausnimmt, sich als einzige aufrechte Antifaschistin in einer Fraktion von Rückgratlosen zu präsentieren: Das wollen sich die Fraktionskolleginnen nicht bieten lassen. Wenn schon, dann sollen alle gemeinsam umknicken. 

An der Klimafront stehen die Grünen schon genug im Spagat, sympathisieren einerseits mit den Klimaprotesten, andererseits müssen sie eine Politik mittragen, die die Mobilitäts- und Energiewende auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. Psychologisch ist also durchaus verständlich, dass die Grünen nervös und überhart auf Dissidenz in den eigenen Reihen reagieren. Aber die Botschaft, die die Bestrafung von Miriam Block aussendet, ist fatal. Sie lautet: Als Grüne darfst du keine Prinzipien haben, wenn du im Amt bleiben willst.


Aus: "Miriam Block: Die Rache der Rückgratlosen" Ein Kommentar von Christoph Twickel (Hamburg 25. April 2023, 18:05)
Quelle: https://www.zeit.de/hamburg/2023-04/miriam-block-nsu-hamburg

Quotebehesa

Ich habe den Eindruck, sowohl Herr Twickel als auch zahlreiche Kommentatoren verwechseln da etwas: Frau Block ist nicht aus der Partei geworfen worden. Sie darf weiterhin als Abgeordnete der Grünen ihrem Gewissen folgen, dies öffentlich kund tun und bei Abstimmungen in der Hamburger Bürgerschaft gegen die Beschlüsse der Partei abstimmen.

Jede demokratische Partei erwartet von einer Person, die ein Sprecher-Amt bekleidet, in besonderem Maße Disziplin. Dafür gibt es einen ganz triftigen Grund: eine demokratische Partei möchte nämlich tunlichst vermeiden, dass die Parteirichtung von einer Einzelperson vorgegeben werden kann, die demokratisch ermittelte Parteibeschlüsse untergräbt. Vor allem in diesem Punkt sind die Grünen ganz besonders wachsam.

Um ein historisches Beispiel für mangelnde Wachsamkeit einer demokratischen Partei zu finden zu finden, muss man nicht unbedingt an Staatsratsvorsitzende denken. Es reicht ein Blick in die 80er und 90er Jahre auf die demokratische Partei "CDU", die damals bis hinunter auf Kreisebene von Helmut Kohl kontrolliert wurde.

Nein, Herr Twickel: hier ist keine "Abweichlerin der neuen Linie schnell und hart sanktioniert" worden: hier hat eine demokratische Partei klar und deutlich, unmissverständlich und in geradezu vorbildlicher Weise ihr tief verwurzeltes demokratisches Selbstverständnis durchgesetzt.


Quote
metrobolist

Doppelplusgut!


Quotezambaqia1

Man wird irre an dieser Demokratie. Warum kein Untersuchungsausschuss? ...


QuoteAvatarbild von Fussel72
Fussel72

Bei dem negativen Scheinwerfer den die Grünen auf sich gerichtet haben, fällt es garnicht auf, dass der Ursprung der Misere wohl daran liegt, dass sich die SPD gegen die effektivste Methode zur Aufarbeitung gesperrt hat.

Ist das jetzt Hamburger Lokalkolorit mit schwarz-blauen Genossen?


Quote
Cemal Gürsel

Die Grünen handeln maximal konsequent. Sie ist ja keine einfache Abgeordnete. Sie ist von ihrer Fraktion in mindestens eine prominente Position getragen worden, von der sie nun abgerufen wurde. Maximal konsequent wird die Entscheidung dadurch, dass zu.indest die Fraktion der Grünen auch im Aussenverhältnis loyal und integer bleibt. Nicht nur im Verhältnis zum Koalitionspsrtner sondern auch zur CDU. Es ist auf jeden Fall glaubhafter, gemeinsame Abstimmungen der Union mit der AfD zu kritisieren, wenn im eigenen Lager eine punktuelle Zusammenarbeit mit Linksaussen missbilligt wird.


QuoteCemal Gürsel

Die Grünen handeln maximal konsequent. Sie ist ja keine einfache Abgeordnete. Sie ist von ihrer Fraktion in mindestens eine prominente Position getragen worden, von der sie nun abgerufen wurde. Maximal konsequent wird die Entscheidung dadurch, dass zu.indest die Fraktion der Grünen auch im Aussenverhältnis loyal und integer bleibt. Nicht nur im Verhältnis zum Koalitionspsrtner sondern auch zur CDU. Es ist auf jeden Fall glaubhafter, gemeinsame Abstimmungen der Union mit der AfD zu kritisieren, wenn im eigenen Lager eine punktuelle Zusammenarbeit mit Linksaussen missbilligt wird.


QuoteYoyo McGee

Der Kommentar beweist einen Sinn für Realpolitik, will sagen ist ein Plädoyer dafür, daß inhaltliche Positionen und politische Überzeugungen hinter Lagerdenken und taktischen Spielchen hintan zu stehen haben. Ohne klugen Pragmatismus kann man sicherlich keine Politik machen. Mit purem Opportunismus beschädigt man sie.


QuoteStadtmenscHH

Ich selbst bin auch Grünen Mitglied und massiv enttäuscht was die Partei hier für ein Bild abgibt. Das ist echt traurig, ängstlich und feige. Alles nur um den Koalitionsfrieden zu wahren und die SPD zu schützen? Wovor? Vor sich selbst?


QuoteYoyo McGee


Frau Bock hat sich parteischädigend verhalten? Die Fraktionsspitze hat es getan. ...


Quotedetailgeschrei

Für was stehen die Grünen in Hamburg eigentlich noch?

– Ein anti-faschistischer Minimalkonsens wurde soeben aufgegeben.
– Mobile Wende weit und breit nicht in Sicht (Auto-Infrastruktur wird weiterhin mit Samthandschuhen angefasst, gestrige Ergebnisse der ADFC-Umfrage zeigen keine nennenswerte Besserungen in Hinblick auf die Fahrradinfrastruktur)
– Soziale Politik? Umweltpolitik? Fehlanzeige.

Die einzigen Konstanten, die ich ausmachen kann, sind Wirtschaftsnähe, Machterhalt und das stete Bemühen der SPD möglichst tief in den Arsch zu kriechen.


Quotelukeichbindeinvater

Habe ich den Teil im Artikel überlesen, warum die SPD lediglich eine wissenschaftliche Aufarbeitung will? Mir ist dazu nichts bekannt aber die Begründung würde mich schon interessieren.


Quote
CTwickel

Hier steht ein bisschen was:

NSU-Mord in Hamburg: Lieber nicht so genau hinschauen?
In Hamburg lehnen SPD und Grüne eine parlamentarische Aufarbeitung der NSU-Ermittlungen ab. Auch wenn sie von den Ergebnissen der damaligen Polizeiarbeit wenig halten.
Von Christoph Twickel, Hamburg 2. April 2023
https://www.zeit.de/hamburg/2023-04/nsu-mord-hamburg-spd-untersuchungsausschuss-sueleyman-taskoeprue


Quote
Muhsha

SPD & Grüne haben während den NSU Morden die Regierung und den Verfassungsschutzpräsidenten gestellt. Entsprechend besteht wenig Interesse daran sich selbst zu belasten.


Quote
Vater_in_Elternzeit

Bei allem gebotenen Respekt vor der Gewissensentscheidung von Miriam Block gibt es in einer Regierungskoalition eben Kompromisse, an die sich alle zu halten haben. Es ist das Wesen einer Regierungskoalition, dass eben auf den Koalitionspartner Rücksicht genommen werden muss. Das ist im normalen Beruf nicht anders. Da kann ich auch nicht einfach an die Presse gehen, wenn ich mit einer Firmenentscheidung nicht einverstanden bin.

Klar, in der Politik ist das natürlich ein bisschen anders. Da wird Frau Block dann als die mit Prinzipien gefeiert. Der Rest, der sich an den Koalitionsvertrag hält ist dann halt, ja was eigentlich? Vertragstreu, würde ich sagen. Sich an geschlossene Vereinbarungen zu halten und somit zu seinem Wort zu stehen, ist auch ein Prinzip. Etwas, woran sich Frau Block nicht halten wollte. Statt dessen hat sie sich mit ihrer Prinzipientreue, mit dem sie gegen ein anderes verstößt, kurzfristig profiliert, und zwar auf Kosten der Fraktion und der Koalition. Das klingt, als wäre es nicht das erste Mal gewesen. Entsprechend ist die Entscheidung der Grünen Fraktion vielleicht kurzfristig unpopulär. Aber prinzipientreu.


Quote
Wilbur Larch

Sich an geschlossene Vereinbarungen zu halten und somit zu seinem Wort zu stehen, ist auch ein Prinzip.

Ich begreife im Prinzip, dass die Grünen die Fraktionsdisziplin einfordern. Aber mindestens genauso begreife ich, dass man gegen sein Gewissen nicht entscheiden kann. Das Zweite ist sogar durch die Verfassung gedeckt, das Erste nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass die Abstrafung sogar verfassungswidrig ist.

Dieser Popanz den Sie jetzt mit dem ,,gebrochenen Wort" aufbauen würde nur dann tragen, wenn sie persönlich diese Zusage getätigt hätte. Aber für ,,mein" Gewissen kann und darf halt kein anderer irgendwelche Versprechungen machen.

Und wenn man sich den Sachverhalt um den es geht anschaut, dann ist die Entscheidung auch durchaus plausibel. Wenn die SPD mit dem Untersuchungsausschuss wirklich ein Problem hat, dann ist er dringend nötig. Und wenn nicht, wieso wird dafür ein solcher Aufwand betrieben?


Quotepasternak
Antwort auf @Wilbur Larch

"Wenn die SPD mit dem Untersuchungsausschuss wirklich ein Problem hat, dann ist er dringend nötig."

Danke. Prägnanter geht es nicht!


QuoteArgumentClinic
Antwort auf @pasternak

Da gehe ich mit. Warum will die SPD denn nur keinen Untersuchungsausschuss?


Quotei
Vater_in_Elternzeit
Antwort auf @Wilbur Larch

Es ist völlig richtig, dass Abgeordnete Ihrem Gewissen verpflichtet sind. Sie sind nicht einer Organisationsstruktur wie einer Fraktion unterworfen es sei denn sie wollen das so. Wenn also eine Abgeordnete die Entscheidungen einer Fraktion nicht mit dem Gewissen vereinbaren kann, dann kann sie die Fraktion verlassen oder ihr Mandat niederlegen. Wenn Sie jedoch gegen die Absprachen in der Fraktion stimmt, dann darf sie sich nicht wundern, wenn das Konsequenzen hat.

Nun ist es ja auch nicht so, dass innerhalb der Fraktion nicht demokratische Entscheidungsprozesse laufen. Diese sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ablehnung des PUA die Gegenleistung der SPD wert ist. Was auch immer die SPD dafür angeboten hat.

Wenn sich alle Abgeordneten immer nur ihrem Gewissen verpflichtet fühlen und nie der Fraktion und der Koalition, dann funktioniert keine Regierung. Und wenn ich mich dem anschließe, dann muss ich mich daran halten.

Und machen wir uns doch nichts vor. Hätte die Grüne Fraktion hier anders abgestimmt und die Koalition platzen lassen, hätte es entsprechende Artikel gegeben, dass die bösen Grünen unzuverlässig seien, nicht regierungsfähig und ähnliches Blabla.


Quote
dunkelrote brandenburger Erdbeere in Wut
Antwort auf @Vater_in_Elternzeit

Zur Sache haben Sie nichts zu sagen. Nur zu Nebensächlichkeiten. Und dann noch zu ausführlich. Es geht um die Aufklärung der Verbrechen des NSU, falls Sie das noch nicht mitbekommen haben.


Quote
Vater_in_Elternzeit
Antwort auf @dunkelrote brandenburger Erdbeere in Wut

Warum sollte ich etwas zur Sache schreiben? Darum geht es bei meinem Beitrag nicht. Inhaltlich bin ich voll bei dem Antrag der Linken, einen PUA hätte ich begrüßt.
Nur geht es in einer Regierungskoalition nicht allein darum. Und auch in einer Fraktion nicht. Es geht darum, Kompromisse zu finden und sich an Vereinbarungen zu halten.
Das gilt für alle Politiker aller Fraktionen aller Parteien. Unsere parlamentarische Demokratie funktioniert nur so. Wie soll ich einen Haushalt verabschieden ohne Fraktionszwang? Es funktioniert nur so. Ob mir das Ergebnis nun passt oder nicht.

Aber, nochmal, Frau Block kann, soll und darf sich aufgrund ihrer Gewissensentscheidung gegen ihre Fraktion stellen. Sie muss eben die Konsequenzen tragen. Oder hätte sie vorab tragen müssen. Würden Sie jemanden mit wichtigen Aufgaben betrauen, der sich nicht an Absprachen hält?



QuoteKölner Down Under
Antwort auf @ArgumentClinic

Vielleicht weil der Innensenator zur Zeit des Mordes ein gewisser Olaf Scholz war? Es könnte ja sein dass man dem Kanzler weitere Gedächtnislücken ersparen möchte. Ich weiß es nicht und kann nur spekulieren, aber das Verhalten der Parteien in dieser Causa ist sehr verstörend.


Quote
Tengri

Ich bin von den Grünen enttäuscht. Böse Zungen würden sagen: Koalitionstaktik sticht ethisch-sittliches Handeln.


QuoteI d D

Zum Zeitpunkt des Mordes an Süleyman Taşköprü am 27.06.2001 regierte in Hamburg eine rot-grüne Koalition unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Ortwin Runde. Zum Zeitpunkt der Aufdeckung der NSU-Morde ab 04.11.2011 regierte die SPD unter Olaf Scholz. Ab 2018 wurde von verschiedenen Seiten (insbesondere der Linken) die Einsetzung eines NSU-Untersuchungsausschusses gefordert. Diese Forderung wurde bis heute von der damals bis heute regierenden rot-grünen Koalition unter Olaf Scholz und später unter Peter Tschenscher abgelehnt. Hier geht es einfach nur um schnöde Realpolitik. Da haben solche Dinge wie "Werte", "Moral" oder "freie Gewissensentscheidung" einfach keinen Platz.


QuoteJoern.R

Hamburg ist das einzige Bundesland eines Attentates der NSU, in welchem nach der Enttarnung Dieser 2011 kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Hintergründe eingesetzt worden ist. Mutmaßlich wird die SPD bzw. werden einige Eingeweihte in ihr ganz genau wissen warum. Wenn alles glatt, sorgfältig, mit dem Willen zur Aufklärung seitens der Untersuchungen der Stadt Hamburg gelaufen sein sollte, müßte es ja keine Bedenken geben einem PUA zuzustimmen. Die Erfahrung zeigt jedoch nunmal, daß dieses nicht nur nicht in Hamburg der Fall war, in Zusammenwirken mit den jeweiligen Landesämtern des Verfassungsschutzes - euphemistisch formuliert - Nebelkerzen en masse gestreut worden sind, stets fälschlicherweise (oder beabsichtigt fälschlicherweise?) von Taten im Bereich der Organisierten Kriminalität ausgegangen worden ist, Ermittlungen im Bereich des Rechtsextremismus (beabsichtigterweise, worauf Einiges hindeutet) nicht nur in Hamburg unterlassen worden sind.

https://www.deutschlandfunk.de/hamburg-und-der-nsu-nicht-ein-einziges-mal-nach-rechts-100.html

Liebe (wenigstens) SPD, die Hinterbliebenen des Attentats auf Süleyman Tasköprü haben das Recht auf Aufklärung, besonders Linke (seid ihr noch Linke?) stehen aus ihrer Tradition heraus dafür ein, für Schwache einzustehen sowie aufklärerisch zu wirken, auch im Sinne des öffentlichen Interesses in der Hinsicht rechtsstaatlicher Stärkung. Liebe Grünen, euer Verhalten ist hingegen einfach nur prinzipienlos.


Quote
Mio2013

Miriam Block ist ihrem Gewissen gefolgt. Ihr gebührt meine Hochachtung. Die Grünen entlarven sich, ebenso wie die SPD als populistische Wedehälse die ihre Prinzipien zum Machterhalt verraten. ...


Quote
Lumilie

Ohne eine gewisse Disziplin läuft nix und ohne organisierte Mehrheiten läuft nix in einer Regierung. so what.


Quote
panchoVilladelacasa

Da sind so kleinere Opfer eben zu bringen, nicht wahr?

Wie mich das anwidert.


Quote
Lumilie
Antwort auf @panchoVilladelacasa

Willkommen in der Realität der Politik (parteiübergreifend). Klar man kann sich auch ein wenig wohlig empören und dabei gut fühlen.


Quote
panchoVilladelacasa
Antwort auf @Lumilie

Zur Zeit, kurz bevor der Mord geschah, hatte meine Band einen Übungraum im Keller eines Autohändlers in der Schützenstraße zwischen Altona und Bahrenfeld. Der Kiosk der Familie des Opfers war meist Anlaufstelle auf dem Weg zum Üben. Den gibt es dort schon lange nicht mehr. Die Familie hat es einfach nicht mehr ausgehalten. Sie waren alle immer freundlich und herzlich, sehr beliebt bei den Nachbarn.

Sie können sich vorstellen, was Sie mit Ihrer "Realität der Politik" machen können? ...


Quote
PeterPlys

Und bei all dieser "Disziplin" gibt es keinen Spielraum, die zutiefst demokratische Meinung und das Abstimmungsverhalten einer Abgeordneten auszuhalten, sondern diese muss abgestraft werden?
Das ist doch abschreckend für viele Wähler und / oder politisch Engagierte!

Ein Hans-Christian Ströbele hat übrigens sehr oft anders als die Fraktion abgestimmt ...


QuoteZeit 12
Antwort auf @Lumilie

Der entscheidende Punkt ist aber, dass nicht die "Fraktionsdisziplin" ausschlaggebend war. Es hing wohl nicht an ihrer Stimme (dann wäre das in der Tat ein anderes Thema). Hier MUSS man als Partei drüber stehen.
Das Hamburger Abendblatt hat dazu gestern einen längeren Artikel veröffentlicht, der lohnt sich zu lesen:
https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article238202141/NSU-Ausschuss-Rot-Gruen-knapp-am-Koalitionsbruch-vorbei.html

Bei mir ist, spontan(!), nach dem ersten Lesen der Eindruck entstanden, dass man hier auch der SPD ein wenig zeigen wollte, dass man es Ernst meint, mit der Koalition. Das ist absolut kein Ruhmesblatt, das muss man leider so sagen.


...


Link

#134
Egon Karl-Heinz Bahr (* 18. März 1922 in Treffurt; † 19. August 2015 in Berlin) war ein deutscher Politiker (SPD).
https://de.wikipedia.org/wiki/Egon_Bahr

,,Wandel durch Annäherung" oder ,,Wandel durch Handel" ist ein politisches Konzept, das in der Bundesrepublik Deutschland im Kalten Krieg im Zuge der ,,neuen Ostpolitik" zum Tragen kam. Die Formulierung und auch die Erarbeitung gehen zurück auf den Leiter des Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin, den SPD-Politiker Egon Bahr. Wandel durch Annäherung war die Grundlage für die Entspannungspolitik der seit 1969 regierenden sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Wandel_durch_Ann%C3%A4herung

...

"Gerhart Baums Enthüllungen: Harsche Vorwürfe gegen Egon Bahr" Daniel Friedrich Sturm (19.07.2023)
Der SPD-Außenpolitiker Egon Bahr habe sich mit Moskau gegen die Vereinigung Deutschlands 1990 verschworen, behauptet Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP). ... Gerhart Baum, einst Bundesinnenminister und so etwas wie das linksliberale Gewissen der FDP, wirft dem einstigen, 2015 verstorbenen SPD-Außenpolitiker Egon Bahr vor, mit sowjetischen Kommunisten gegen die deutsche Einheit konspiriert zu haben.
Bahr habe ,,nach 1989 alles versucht, um den Zwei-plus-vier-Vertrag zu verhindern ... Bahr konspirierte mit der Gorbatschow feindlich gegenüberstehenden Falin-Gruppe in Moskau", schreibt Baum in einem Leserbrief in der ,,FAZ".
... Doch Baum, der von 1978 bis 1982 Innenminister unter Helmut Schmidt (SPD) war und in der SPD weithin geschätzt wird, greift mit seiner Bahr-Kritik noch weiter aus. So habe Bahr die Skepsis am Nato-Doppelbeschluss, dem ,,Kernstück der Außenpolitik von Schmidt und Genscher, genährt und Moskau Argumente an die Hand gegeben, die noch heute wirken".  ...
... Vor der KSZE-Konferenz in Helsinki 1975 habe Bahr der sowjetischen Forderung nachgeben wollen, ,,auch die innerdeutsche Grenze als endgültig anzuerkennen". Für den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sei das inakzeptabel gewesen. Baums Darstellungen fügen sich in das öffentliche Bild Bahrs, seine eigenen – in den 1980er Jahren zunehmend fehleranfälligen – Einschätzungen und Erkenntnisse aus Archiven. ...
https://www.tagesspiegel.de/politik/gerhart-baums-enthullungen-ein-harscher-vorwurf-gegen-egon-bahr-10165000.html

Leserbriefe vom 17. Juli 2023
https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/briefe-an-die-herausgeber-vom-17-juli-2023-19037905.html

QuoteSchartinMulz
19.07.23 16:20

Man fühlt sich wie auf einer Zeitreise.

Als Brandt Anfang der Siebziger die Ostpolitik bagann, konnte man genau diese Argumente hören, dass die SPD deutsche Interessen verrät, sich mit Russland verbündet etc.
Später war man froh, dass es die Annäherung an die UdSSR gegeben hat, sie wurde sogar als Grundlage der Wiedervereinigung gepriesen.
Jetzt schmeißen wir wieder alles auf den Müll.
Und die SPD ist alles schuld. Wir hätten Russland immer weiter als Feind sehen müssen, auch als Russland freiwillig Osteuropa freigab, den Warschauer Pakt beendete.
Wer da Hoffnungen hatte, eine neue, friedliche Beziehung zu Russland aufbauen zu können, gilt dann heute im positiven Fall als naiv, im negativen als Kollaboratuer Putins.
Und natürlich ist es wieder die SPD. BAum spricht von Egon Bahr, aber natürlich lässt der Autor die Chance nicht vergehen, die gesamte SPD madig zu machen. Dass in den entscheidenden Jahren seit 2005 die CDU regiert hat, egal. Dass Frau Merkel für ihre guten Beziehungen (Sie kann ja sogar Russisch!) zu Russland gerühmt wurde, alles vergessen.
Die SPD wars wieder mal.
Könnte man nicht ein wenig, wenigstens den Ansatz von Differenzierung erwarten?


Quoteturbo_p
19.07.23 17:00
@SchartinMulz am 19.07.23 16:20

Nee, es ist Krieg - Krieg in den Köpfen.


Quote2010ff
19.07.23 18:06
@SchartinMulz am 19.07.23 16:20

Wir Leser bekommen vorgeführt, was man Deutungshoheit nennt. Hier erhalten wir Lektionen, wie die Geschichte wirklich war.
Und was für unzuverlässige ZeitGenossen die SPD-ler schon immer waren. ...


Quotejohanna
19.07.23 18:52
Leider kann Egon Bahr nicht mehr zu den Anschuldigungen Stellung nehmen. Warum hat Herr Baum nicht schon früher darüber berichtet? Und stimmen seine Bemerkungen? Erzählen kann man viel. Und es ist ja jetzt Mode, der SPD die Schuld an Allem zu geben.
Ich bin froh über die Politik, die in den vergangenen Jahrzehnten von der SPD gemacht wurde, auch wenn ich sie heute nicht mehr wähle, da mich die Personen, die das Sagen haben, nur noch anstinken.


QuotePTT
19.07.23 19:13
@johanna am 19.07.23 18:52

Ja, ich habe mich auch gefragt, warum Gerhart Baum jetzt mit seiner Geschichtssicht auf schlägt.

Die Vorsitzende Nahles hat in ihrem Regiment leider die Historikerkommission der SPD aufgelöst.
Das war ein Fehler, wie man jetzt sieht.

Es wird der SPD nun gut zu Gesicht stehen, wenn sich verschiedenste Historiker:innen an die Arbeit machen und die letzten 67 Jahre der SPD aufarbeiten. 1966 begann die Große Koalition mit Kurt Georg Kiesinger als Kanzler und Willy Brandt als Außenminister.


QuoteSteinfest
19.07.23 19:00

Vielleicht sollte man die "ganze" Geschichte hören.
Die deutsche Großindustrie war an sehr guten Beziehungen zur Sowjetunion interessiert, weil sie von dort das Gas wollte und vor allem gute Geschäfte mit dem Staat machen wollte. Mannesmann - damals einer der größten Hersteller für Rohre - war sehr daran interessiert, diese an die Sowjetunion zu verkaufen.
Auch die BASF, Ruhrgas und viele andere waren ganz versessen darauf, billige Energie zu bekommen, denn unser Land ist rohstoffarm.

Ich möchte nicht wissen, wieviele Manager bei den jeweiligen Regierungen vorstellig wurden, damit diese Geschäfte "politisch geölt" abliefen.
Warum angeblich Herr Bahr die Wiedervereinigung und die osteuropäischen Staaten mangelhaft behandelten, ist nur dadurch zu erklären, dass man die Beziehungen zu der Sowjetunion nicht behindern wollte.
So wie heute viele die Erwartung - um nicht zu sagen Forderungen - haben, dass der Staat alle Probleme im privaten Bereich klären und unterstützen soll, so war das auch bei der Industrie.
Aus der Sicht von heute sicher schwer nachzuvollzehen, aber damals verständlich.
Aus meiner Sicht gibt es heute zuviele "Schlaumeier", die schon vor 50 Jahren wussten, dass man mit Russland/Sowjetunion möglichst nur Geschäfte machen sollte, die keine Abhängigkeit beinhaltet.


QuoteMobilrouter
19.07.23 19:55
@PTT am 19.07.23 19:13

    Die Vorsitzende Nahles hat in ihrem Regiment leider die Historikerkommission der SPD aufgelöst. Das war ein Fehler, wie man jetzt sieht.

Sie wusste schon was tat.

Hier einige SPD-Thesen, noch aus dem Jahr 1989.

Gerhard Schröder, später Bundeskanzler: ,,Eine auf Wiedervereinigung gerichtete Politik ist reaktionär und hochgradig gefährlich."
Egon Bahr: ,,Lasst uns um alles in der Welt aufhören, von der Einheit zu träumen oder zu schwätzen."
Peter Glotz: ,,Der derzeitige Gebrauch des Wortes ,Wiedervereinigung' ist opportunistisch und widerwärtig."
Hans-Jochen Vogel: ,,Das leichtfertige und illusionäre Wiedervereinigungsgerede."
Willy Brandt (1988): ,,Die Hoffnung auf Wiedervereinigung wurde zu einer Lebenslüge der zweiten deutschen Republik."
Oskar Lafontaine: ,,Vorsicht mit unbedachten Wiedervereinigungsparolen. Das Gespenst eines starken Vierten Deutschen Reiches erschreckt unsere westlichen nicht weniger als unsere östlichen Nachbarn."
Walter Momper, der Regierende Bürgermeister von Berlin, hielt die Lebenslüge der SPD noch am 10. November 1989 aufrecht, als tags zuvor die Mauer gefallen war.


Quotejv.zucker
19.07.23 21:05
@Mobilrouter am 19.07.23 19:55

Das Wirtschaftsdesaster, was Kohl mit seiner Sturzvereinigung angerichtet hat, gibt doch den Zitierten recht.


QuotePTT
19.07.23 21:13

@Mobilrouter am 19.07.23 19:55

Besonders treu war Oskar Lafontaine seinen Gedanken.
Ich persönlich war und bin hin- und hergerissen.
Klar war es fast wie ein Wunder, dass sich die Grenzen öffneten. Aber nach 34 Jahren stehen hier und dort wieder
kleine Mäuerchen,
Stacheldrahtverhaue
und
es gibt heftige Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Bei uns in Deuschland.

Mein Eindruck:
Wir sind mit der Sache noch lange nicht durch.

Vielen Dank für die Zitate, @Mobilrouter.
Für mich alles sehr authentisch.


QuoteUggstein
19.07.23 18:37

Da bleibt noch viel Arbeit für die Historiker. ...


QuoteMostrichmeister
19.07.23 18:27

    Als das Eis des Kalten Krieges endlich zu tauen begann, zeigte Brandt seine tiefe Freude über die Revolution in der DDR, drängte wie Helmut Kohl auf eine rasche Einheit. Bahr hingegen trauerte und bremste, fürchtete einen Siegeszug der Nato und der USA.

Tja , dummerweise hat die rasche Einheit so einige Ossis überfahren und mit dem Auseinanderbrechen der UdSSR und des Ostblocks wurde die USA zur Weltmacht No. 1. Da hatte Bahr also durchaus recht.


QuoteDanielFriedrichSturm
19.07.23 21:07
@Mostrichmeister am 19.07.23 18:27

Sind jetzt die USA auch noch für den Zusammenbruch der Sowjetunion verantwortlich?


QuoteMostrichmeister
20.07.23 17:09
@DanielFriedrichSturm am 19.07.23 21:07

Kommt darauf an wen Sie fragen. War es nicht u.a. Ronald Reagan ,der den Zusammenbruch des Ostblocks und damit der UdSSR auf das Wettrüsten zurückführte? Und verkündete die USA habe den Gegner totgerüstet?
Wenn Sie mich fragen ,so würde ich spontan sagen, das es verschiedene Gründe gab und die USA als äußerer Grund auch mitverantwortlich waren.Ein anderer Grund dürfte gewesen sein ,das die UDSSR die Fortsetzung des Zarenreichs waren und es halt eher die "Russen" -zu denen da auch noch Ukrainer und Weißrussen zählten - einfach alleine durch zahlenmäßige Überlegenheit dominierten ,aber auch die Überwindung von Rassismus und Nationalismus nie richtig verwirklicht wurde.Wie so viele andere Verheißungen der kommunistischen klassenlosen Gesellschaft.


Quotetony
19.07.23 17:51

Viele der Kommentare hier zeigen eindrucksvoll, dass zahlreiche SPD-Anhänger die Verstrickungen von Teilen der SPD mit Moskau schlicht nicht wahr haben wollen. Dann heißt es, man müsse auch auf die Schuld von Merkel und der CDU schauen.
Natürlich muss man das! Aber darum ging es in dem Kommentar von Baum gar nicht. Baum hat an so vielen Stellen auf eigene Fehler wie auch die Fehler von Merkel hingewiesen. Aber anscheinend wollen und können viele in der SPD dies immer noch nicht wahrhaben. Stegner und Mützenich sind Musterbeispiele für die Unterwürfigkeit gegenüber Putin.


Quotetorsten379
19.07.23 15:01

Egon Bahr stammt aus dem thüringischen Treffurt und hat jahrzehntelang dafür gearbeitet, dass wir Deutschen in der DDR nicht nur die Adressaten pathetischer Sonntagsreden blieben, sondern Nutznießer einer pragmatischen Politik des "Wandels durch Annäherung ". Dafür sind viele Ostdeutsche (auch ich) ihm heute noch dankbar! Es war 1989/90 durchaus nicht klar, wie die Entwicklung in der DDR verlaufen würde. Wenn er Moskau seinerzeit davor warnte, den mündlichen Zusagen hinsichtlich einer Selbstbeschränkung der Nato zu trauen, so haben sich seine Prognosen nicht als falsch herausgestellt. Hätten die Russen damals auf Bahrs Rat gehört und auf einer schriftlichen Fixierung westlicher Versprechungen bestanden, wären ihnen ( vielleicht) Enttäuschungen erspart geblieben und den Hardlinern im Kreml fiele die Rechtfertigung für ihren Konfrontationskurs nicht so leicht.


QuoteWahlforscher
19.07.23 15:52
@torsten379 am 19.07.23 15:01

Und die Balten, Polen, Rumänen usw. wären einem russischen Angriffskrieg ohne NATO-Schutz ausgeliefert!


QuoteMostrichmeister
19.07.23 17:34
@Wahlforscher am 19.07.23 15:52

Vielleicht hätte es aber auch gar keinen Angriff gegeben?


QuoteWahlforscher
19.07.23 18:57
@Mostrichmeister am 19.07.23 17:34

Wenn die Ukraine im Februar 2022 schon in der NATO gewesen wäre definitiv nicht!


QuoteKDN
19.07.23 16:01
@torsten379 am 19.07.23 15:01

Eine solche schriftliche Fixierung hätte es niemals geben können. Die betroffenen Staaten waren keine Kolonien, sondern souveräne Völkerrechtssubjekte. Niemand konnte der Sowjetunion so etwas ernsthaft zusagen. Auch Egon Bahr nicht...


Quotetorsten379
19.07.23 18:06
@KDN am 19.07.23 16:01

Die sowjetische Führung hat der deutschen Wiedervereinigung nur unter Bedingungen zugestimmt, die auch den Verzicht auf die Ausdehnung der Nato bis an die russische Grenze beinhalteten. Im Nachhinein so zu tun, als seien die Zusagen Genschers und anderer nur unverbindliche Privatmeinungen gewesen, ist nicht überzeugend. Hätte Moskau die Warnung Bahrs ernst genommen ,"Versicherungen des Westens, er werde sowjetischen Interessen Rechnung tragen, hätten...nur wenig Wert" (siehe H.A.Winkler FAZ 15.07.23), wäre eine "schriftliche Fixierung" sicher zustande gekommen. Eine solche Nato-Selbstbeschränkung wäre keine Negierung der Tatsache, dass die osteuropäischen Staaten "souveräne Völkerrechtssubjekte" sind. Übrigens habe ich nichts gegen die Nato (bin sogar froh, dass Polen, Letten...Deutsche unter dem Schutz des Bündnisses stehen!), aber der Umgang mit Russland hätte vor mehr als 20 Jahren ehrlicher und rücksichtsvoller sein können.


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"SPD: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sollen sich ausgesprochen haben" (12. September 2023)
Mehr als 24 Jahre waren Altkanzler Schröder und der Ex-SPD-Chef Lafontaine zerstritten. Es sei Zeit, "alte Reibereien Geschichte werden zu lassen", schreibt Schröder nun. ... Altkanzler Gerhard Schröder und der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine haben sich 24 Jahre nach ihrem Zerwürfnis offenbar wieder angenähert. Wie der stern berichtet, kamen beide im Mai bei einem geheim gehaltenen Treffen in Lafontaines Haus im Saarland zu einem fünfstündigen Gespräch zusammen. ...
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-09/gerhard-schroeder-oskar-lafontaine-zerwuerfnis-versoehnung

Quoteklaurot

Das sind so Artikel, bei denen man sich fragt, ob man den "Helden" die Ehre eines Kommentars angedeihen lassen soll. Lasse es damit bewenden.


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#136
... Der Ampel-Koalitionspartner FDP sieht den Einsatz von Subunternehmern weniger kritisch als die Grünen und die SPD. ...

Quote[...] Die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellung sind zum Teil extrem schlecht. Werkverträge an Subunternehmen und Leiharbeit zu verbieten, könnte dagegen helfen – und wäre rechtlich möglich. Das zeigt ein neues Gutachten von Rechtswissenschaftler*innen für das Hugo-Sinzheimer-Institut (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Missstände in der Paketbranche sind unübersehbar und haben die Politik auf den Plan gerufen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat im April neue Vorgaben für den Arbeitsschutz in diesem Bereich angekündigt, unter anderem sollen Pakete über 20 Kilo nur noch von zwei Personen zugestellt werden dürfen. Der Bundesrat hat im Mai die Bundesregierung aufgerufen, für die Paketzustellung die Vergabe von Werkverträgen an Subunternehmen zu verbieten – wie es die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schon länger fordert. Ob ein solches Verbot mit dem Grundgesetz und EU-Recht vereinbar wäre, haben Anneliese Kärcher und Prof. Dr. Manfred Walser von der Hochschule Mainz im Auftrag des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht untersucht. Ergebnis des Gutachtens, das heute auch auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wird: Einem ,,Direktanstellungsgebot", das verschlungene Konstruktionen mit Subunternehmen verhindern würde und an bereits bestehende Regelungen in der Fleischwirtschaft angelehnt sein könnte, steht rechtlich nichts im Wege.

Die Entwicklung in der Paketbranche weist laut dem Gutachten eine deutliche Unwucht auf: Das Geschäft boomt, dank der zunehmenden Bedeutung des Onlinehandels hat sich das Sendungsvolumen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt und 2021 mit 4,5 Milliarden beförderten Paketen ein neues Rekordhoch erreicht. Die Zustellerinnen und Zusteller scheinen davon aber wenig zu haben: Der Stundenlohn von Vollzeitbeschäftigten, der 2009 im Schnitt bei 17,12 Euro lag, betrug 2020 gerade einmal 17,13 Euro, was einem realen Minus von 15 Prozent entspricht. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat in der Branche in den vergangenen Jahren immer wieder ,,eklatante Verstöße" gegen das Mindestlohngesetz festgestellt. Von gewerkschaftlicher Seite und von Beratungsstellen wird berichtet, dass unbezahlte Überstunden ebenso verbreitet sind wie unberechtigte Lohnabzüge für Verzögerungen oder Schäden an Paketen und Fahrzeugen. Pausen fallen demnach regelmäßig aus, die Höchstarbeitszeit wird oft weit überschritten. Gleichzeitig ist die Arbeitsbelastung enorm, 2018 fühlten sich 59 Prozent der Beschäftigten körperlich und 34 Prozent emotional erschöpft.

Kärcher und Walser legen dar, dass diese Missstände mit der Struktur der Paketbranche zusammenhängen. Von den sechs großen Konzernen, die den Wirtschaftszweig hierzulande dominieren, lasse nur DHL Pakete nahezu vollständig von der eigenen Belegschaft zustellen. Die anderen Unternehmen setzten zu einem mehr oder weniger großen Anteil auf kleine oder mittelgroße Subunternehmen. Amazon etwa beschäftige überhaupt keine Stammarbeitskräfte in der Zustellung, sondern habe diesen Bereich komplett ausgelagert. Insgesamt sei fast die Hälfte der Zustellerinnen und Zusteller in Deutschland bei Subunternehmen angestellt, 2 Prozent von ihnen seien soloselbstständig. Über die Jahre sei ,,eine stark zerklüftete Branche mit vielen Kleinstunternehmen" entstanden, 88 Prozent der insgesamt 14400 Unternehmen in der Branche hätten weniger als 20 Beschäftigte.

Die beiden Fachleute erklären diese Entwicklung mit der harten Preiskonkurrenz: Insbesondere im Onlinehandel seien Versand- und Rücksendekosten ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. ,,Die letzte Meile", also die Beförderung der Pakete vom Depot zur Kundschaft, mache wiederum gut drei Viertel der Kosten insgesamt aus. Indem die großen Konzerne diesen Teil der Dienstleistung auslagern, können sie den Preisdruck durch rigide Vorgaben an ihre Subunternehmen weitergeben, ohne für die Folgen arbeitsrechtlich geradestehen zu müssen. Am Ende der Kette stünden die abhängig Beschäftigten der Subunternehmen und die Soloselbstständigen, die für wenig Geld ein enormes Arbeitspensum bewältigen müssen, um die Vorgaben der großen Anbieter zu erfüllen.

Die Vergabe der Paketzustellung an Subunternehmen gesetzlich zu verbieten, um diesem Treiben ein Ende zu machen, wäre zweifellos ein Eingriff in die Berufsfreiheit, schreiben Kärcher und Walser. Ein solcher Eingriff müsse aus verfassungsrechtlicher Sicht ,,durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, geeignet und erforderlich sein". Zudem müsse bei der Gesamtabwägung ,,die Grenze der Zumutbarkeit" beachtet werden.

Ein Direktanstellungsgebot würde in erster Linie auf den Schutz der Beschäftigten vor erheblichen Missständen abzielen, heißt es in dem Gutachten. Es würde zwar nicht automatisch zu besseren Arbeitsbedingungen führen, aber Transparenz schaffen und klare rechtliche Verantwortlichkeiten herstellen. Strukturelle Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorgaben dürften seltener werden, wenn die großen Paketdienstleister dafür haftbar gemacht werden können. Die Beschäftigten, die bei den derzeitigen undurchschaubaren Subunternehmerketten teilweise nicht einmal wissen, wer juristisch ihr Arbeitgeber ist, könnten leichter ihre Ansprüche durchsetzen. Die Behörden könnten effektive Kontrollen durchführen.

Gleichzeitig wären die Voraussetzungen für mehr betriebliche Mitbestimmung geschaffen, an der es momentan in der Paketbranche schon deshalb mangelt, weil viele der unzähligen Kleinstunternehmen gar nicht die gesetzlich nötige Größe aufweisen. Mehr Betriebsräte wiederum würden dazu beitragen, die Rechte der Beschäftigten durchzusetzen, unter anderem in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Darüber hinaus würde auch das Tarifsystem stabilisiert, das bisher darunter leidet, dass kaum ein Subunternehmen Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist und die Gewerkschaften unmöglich Firmentarifverträge in tausenden Kleinstunternehmen durchsetzen können. Die Rahmenbedingungen für eine funktionsfähige Tarifautonomie sicherzustellen, sei dabei genauso wie der Schutz von Beschäftigten eine staatliche Aufgabe. Schließlich dürfte ein Direktanstellungsgebot noch dazu beitragen, dass Steuern und Sozialabgaben korrekt abgeführt werden und Verkehrsdelikte, zu denen Zustellerinnen und Zusteller unter extremem Zeitdruck häufig gezwungen sind, vermieden werden. Alles in allem sei ein solches Gebot geeignet, eine Vielzahl legitimer Zwecke zu erreichen.

Zur Erreichung dieser Zwecke dürfe es keine gleich effektiven, aber milderen Mittel geben, damit der Eingriff in die Berufsfreiheit auch als erforderlich gelten kann, schreiben Kärcher und Walser. Nach ihrer Einschätzung ist das tatsächlich der Fall. Mehr gesetzliche Vorgaben – wie ein Verbot von sachgrundlosen Befristungen oder eine verschärfte Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung – wären zwar unter Umständen auch sinnvoll. Es gebe aber in der Paketzustellung ein ,,Durchsetzungsdefizit", das in der Branchenstruktur fußt, die zur Verschleierung von Verantwortlichkeiten beiträgt. Aus ähnlichen Gründen wären eine Stärkung der Kontrollbehörden, eine Lizenzpflicht für die Paketzustellung oder eine ,,Nachunternehmerhaftung" für arbeitsrechtliche Unregelmäßigkeiten bei Subunternehmen ebenfalls keine ausreichende Lösung für die bestehenden Probleme: Intransparente Subunternehmerketten machten Kontrollen extrem aufwendig und eine ausreichende Kontrolldichte praktisch unmöglich.

Unter dem Strich stellen die juristischen Fachleute fest, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit der Subunternehmer zwar ,,zweifellos von nicht unerheblicher Intensität" ist. Die betroffenen Schutzgüter – wie der Arbeits- und Gesundheitsschutz und damit das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – seien allerdings von überragender Bedeutung. Die rein wirtschaftlichen Interessen der Paketunternehmen wögen das nicht auf. Bei einer ,,Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe" erscheine ein Direktanstellungsgebot zumutbar und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Kärcher und Walser weisen auf die Gefahr hin, dass Unternehmen bei einem bloßen Verbot von Werkverträgen Beschäftigung in großem Stil in die Leiharbeit verlagern könnten, um Direktanstellungen zu vermeiden. Insofern gebe es ,,gute und verfassungsrechtlich tragfähige Gründe" nicht nur Werkverträge, sondern auch Leiharbeit in der Paketzustellung zu verbieten.

Die Gutachtenden haben auch geprüft, inwieweit ein Direktanstellungsgebot mit EU-Recht vereinbar wäre. Ein entsprechendes Gesetz würde demnach unzweifelhaft die Dienstleistungsfreiheit beschränken. Eine solche Beschränkung könne aber unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein, die sich weitgehend mit den verfassungsrechtlichen Kriterien decken.

Der Europäische Gerichtshof habe bereits mehrfach bestätigt, dass der Schutz von Beschäftigten ebenso wie die Beseitigung von ,,strukturellen faktischen Kontrolldefiziten" staatliche Eingriffe rechtfertigen können. Auch eine Diskriminierung liege nicht vor, weil ein Verbot von Subunternehmen unterschiedslos für inländische und ausländische Anbieter gelten würde.



Anneliese Kärcher, Manfred Walser: Vereinbarkeit eines Direktanstellungsgebots in der Paketzustellung mit dem Verfassungs- und Unionsrecht, HSI Working Paper Nr. 18, September 2023.
https://www.boeckler.de/content/xpublication.xml?source=hsi&id=HBS-008692


Aus: "Studie im Auftrag des HSI - Paketbranche: Verbot von Subunternehmen wirksam gegen Missstände und rechtlich zulässig, zeigt neues Gutachten" (15.09.2023)
Quelle: https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-paketbranche-52074.htm

Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Düsseldorf. Benannt nach dem ersten Vorsitzenden des DGB, Hans Böckler, ist sie allen ihren Aufgabenfeldern der Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip verpflichtet und wirbt für diese Idee. ... Die Hans-Böckler-Stiftung hatte Ende 2021 etwa 220 Beschäftigte ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-B%C3%B6ckler-Stiftung

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Quote[...] Um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in Deutschlands Paketbranche zu unterbinden, fordern zwei Grünenpolitiker härtere Regeln für den Einsatz von Subunternehmern. Die Weitergabe von Aufträgen an Sub-Sub- oder sogar Sub-Sub-Sub-Unternehmer sollte verboten werden, sagten die Bundestagsabgeordneten Sandra Detzer und Frank Bsirske der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die anstehende Postgesetzreform. Dies könnte die Arbeitsbedingungen verbessern. Derzeit sei die Lage düster. ,,Die Subunternehmerketten in der Paketbranche begünstigen systematisch Rechtsbruch, den wir nicht länger zulassen dürfen", sagte Bsirske.

Nach Vorstellung der Grünen sollte nur noch der Einsatz von Subunternehmern erlaubt sein. Die Gewerkschaft Verdi, deren Chef Bsirske bis 2019 war, setzt sich hingegen für ein Komplettverbot ein, also einschließlich Subunternehmen. Aus rechtlichen Gründen will der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion aber nicht so weit gehen, da das Bundesverfassungsgericht ein solches Verbot kippen könnte.

Laut einem Schreiben der Generalzolldirektion an das Bundesfinanzministerium vom Oktober ist die Kurier-, Express- und Paketbranche ,,aufgrund komplexer und weit verbreiteter Subunternehmerketten für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigungsformen anfällig". Arbeitnehmer könnten oft ihren Arbeitgeber nicht nennen, da diese regelmäßig wechselten, umfirmierten und so ganze Teile einer Subunternehmerkette ausgetauscht werden könnten. Man ermittle zu Sachverhalten, die der schweren strukturellen Kriminalität oder der organisierten Kriminalität zuzuordnen seien.

Das Wirtschaftsministerium hatte im November einen Reformvorschlag vorgelegt, demzufolge Sub-Sub-Sub-Strukturen zwar auch künftig möglich sind. Die Regeln sollen aber verschärft werden. Auftraggeber sollen stärker in die Verantwortung genommen werden, indem sie externe Dienstleister regelmäßig nach bestimmten Kriterien überprüfen.

Der Ampel-Koalitionspartner FDP sieht den Einsatz von Subunternehmern weniger kritisch als die Grünen und die SPD. ,,Es gibt schwarze Schafe, die man bestrafen muss, aber insgesamt handelt es sich um ein funktionierendes und bewährtes System", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben. Sein Pendant bei den Grünen ist Detzer.

Houben weist auf saisonale Schwankungen im Paketgeschäft hin - für Auftragsspitzen eigneten sich Subunternehmer besser als die dauerhaft angestellte Stammbelegschaft einer Paketfirma. Hinzu komme, dass Subunternehmer die Expertise für spezielle Produkte hätten - ein Wissen, was bei Auftraggebern mitunter nicht vorhanden sei. ,,Ein Verbot von Sub-Sub-Strukturen macht keinen Sinn - es würde kleinen Firmen die Existenzgrundlage entziehen."

Deutschlands Paketfirmen setzen unterschiedlich stark auf Subunternehmer. Marktführer DHL erledigt die Zustellung weitestgehend über eigenes Personal. Für die Konkurrenz sind Subunternehmer hingegen sehr wichtig. Am Mittwoch könnte das Bundeskabinett den Reformvorschlag des Wirtschaftsministeriums annehmen. Danach wären Bundestag und Bundesrat am Zug. Im Frühjahr könnte die Reform beschlossene Sache sein. (dpa)


Aus: "Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung: Grünen-Politiker wollen härtere Regeln für Subunternehmer-Strukturen in Paketbranche" (19.12.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schwarzarbeit-und-illegale-beschaftigung-grunen-politiker-wollen-hartere-regeln-fur-subunternehmer-strukturen-in-paketbranche-10947139.html

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"Ausbeutung bei Amazon:Menschen sind keine Maschinen"
Hassan muss derzeit täglich rund 270 Amazon-Pakete ausliefern. Er arbeitet für ein Sub­unter­nehmen, das häufig Arbeitnehmerrechte missachtet.
Ein Artikel von Malene Gürgen 20.12.2023
https://taz.de/Ausbeutung-bei-Amazon/!5980811/

QuoteRoland81

Das Grundproblem der Menschheit: Es gibt immer irgendjemanden, der aus welchen Gründen auch immer, bereit ist für noch weniger und noch schlechteren Bedingungen zu arbeiten. Die Politiker haben das strategisch genutzt nach der Wende: Arme Menschen aus Osteuropa fuhren LKW, hier verloren Güterbahn und lokale Fahrer ihre Jobs, konnten aber meist "etwas besseres finden". Viele Osteuropäer haben sich den Hintern aufgerissen und Geld nach Hause gebracht und etwas daheim aufgebaut zu einem hohen menschlichen Preis. Ob als Erntehelfer, bei der Pflege oder bei Prostitution. Menschen sind bereit oder hoffnungslos, um alles zu geben und Konzerne wissen das auch. Ein höherer Mindestlohn/Tarifvertrag und das Verbot von Sub-Dienstleistern würde die Verhältnisse stark verbessern, aber sicher auch 50% der Jobs kosten. Was machen die Menschen dann?


Quotenuklar

Die individuelle Zustellung ist aufwendig, aber den Preis zahlen die prekär Beschäftigten. Was für ein Irsinn, dass sich fünf, sechs Lieferdienste die Klinke in die Hand geben und mit ihren Fahrzeugen auch noch die Strassen blockieren, weil sie ja irgendwo die sperrigen Fahrzeuge abstellen müssen. Und permanent tragen die Fahrer auch noch das Risiko an Strafzetteln und Unfällen beteiligt zu werden. Es müsste doch gesamtwirtschaftlich mehr Sinn machen, die Einzelzustelllung im urbanen Raum zu unterbinden und stattdessen in Filialen oder Paketstationen zu liefern. Die meisten Retouren werden ja auch jetzt auf diesem Wege verschickt. Wer auf Haustürlieferung besteht, sollte entsprechend dafür zahlen.


QuoteManzdi

Niemand muss bei diesem ausbeuterischen Weltkonzern arbeiten, Punkt.
Niemand muss bei diesem demokratiegefährdenden global Player bestellen.

Amazon zahlt praktisch keine Steuern. Momentan macht Amzon nicht einmal Gewinn mit seinen Ausleferungen. Das ist dem Konzern aber egal, denn er hat das Ziel, die Einzelhändler zu zerstören, um die alleinige Marktmacht zu bekommen.

Den Leuten scheint das egal zu sein. Diese Gleichgültigkeit hat seinen Preis.


QuoteAndreas Oberländer

Die Paketausahrer nehme ich in Zukunft auch mit in meine Auflistung, wenn jemand sagt "Ausländer arbeiten nicht" oder sind zu faul. ...


...

Link

Quote[...] Der frühere SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat seiner Partei den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder als Vorbild nahegelegt. "Schröder hat seine Agenda 2010 im Jahr 2003 entworfen, übrigens damals in einer ähnlichen Situation, als Deutschland schon einmal als der kranke Mann in Europa bezeichnet wurde", sagte Steinbrück dem Online-Portal der Neuen Westfälischen. "Sechs Jahre später galten wir als das Kraftzentrum."

Die SPD müsse heute wieder mit dem Angebot eines mutigen Reformprojekts antreten. Auch die Koalition insgesamt könne versuchen, "nochmal einen großen Wurf zu entwickeln". Ob man das Agenda 2030 oder anders nenne, sei egal. Sein Eindruck sei, dass die Politik die Konsequenzen der "Zeitenwende" nicht ausreichend vermittele.

Mit der Agenda 2010 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung mit Schröder als Kanzler ab 2003 den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem in Deutschland reformiert. Die darauffolgende Bundestagswahl 2005 hatte er allerdings verloren – es folgte eine Große Koalition unter Führung von Angela Merkel (CDU).


Aus: "Peer Steinbrück empfiehlt Altkanzler Schröder als Vorbild" (22. Dezember 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-12/spd-peer-steinbrueck-gerhard-schroeder-vorbild

QuoteKoopa

Peer wer?


QuoteElanoid

Humorvolle Artikel müssen als solche gekennzeichnet werden! Sonst glaubt das noch jemand! Bitte mehr Verantwortung!


Quotedymphna

Die Altvorderen wissen es halt am besten. Es ist ja auch nicht so, dass ihre Politik uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind. Gas-Gerd als leuchtendes Vorbild ist der (vorläufige) Gipfel der Unverfrorenheit.


QuoteHeraklit2020

Man muss Schröder nicht uneingeschränkt gut finden: Dennoch, mit einem Mann wie Schröder an der Spitze wäre die SPD keine Partei mit 15 %. Politiker mit den Ansichten und auch dem Habitus eines Schröder vermisst das Land und ich persönlich ebenso.

Antwort auf @Elanoid
Ich bin immer für Humor, allerdings meine ich es hier sehr ernst!


QuoteElanoid
Antwort auf @Heraklit2020

Erschütternd


Quotearkj

Steinbrück? Schröder?

Lasst doch bitte die Fossilien im Museum.


QuoteHalbhollaender

Tatsächlich hat der Herr Schröder damals ein sehr heisses, und seit dem Regierungsantritt Kohls überfälliges Reformprojekt angefasst. Dies führte direkt zur Marginalisierung der SPD, die bis heute anhält. Das sollte auch der Herr Steinbrück wissen ...


QuoteBis

Gas- Gerhard, der sich von Russland finanzieren lässt, als Vorbild anzuführen lässt mich an der Vernunft der SPD zweifeln.


Quoteheydideldey

Eher an der Vernunft von Steinbrück...


QuoteRedirigent
Antwort auf @heydideldey

Demenz macht auch vor Politikern nicht halt.


QuoteWiesflecker
Antwort auf @Redirigent

Eher Arroganz... die glauben immer noch, Deutschland mit der Agenda 2010 einen Gefallen getan zu haben.


QuoteReichensteuer

Dass die spd überhaupt noch gewählt wird nach Agenda 2010... Ein mutiges Reformprojekt wäre Hartz4 für Peer Steinbrück.


Quotenicht_mehr_ganz_jung

Nun, sie haben damals nicht die vielen Millionen Arbeitslosen gesehen. Auch nicht die ungute wirtschaftliche Situation (Stern Überschrift 15.01.2004 "2003 schrumpfte die deutsche Wirtschaft"). Unsere Medien lobten damals die Neoliberale Wirtschaftsform, empfahlen alles zu privatisieren. Klar, wer damals, wie auch heute, einen sicheren Arbietsplatz hatte, z. B. im öffentlichen Dienst angestellt, der hatte gut reden. Auch damals musste die SPD die Hinterlassenschaft nach 16 CDU/CSU Jahren aufräumen. Die Merkel CDU profitierte anschliessend davon. Die Medien schossen sich auf die SPD ein. Die Grünen, die mittlerweile viele Anhänger in bestimmten Medien hatten, taten so, als wären sie an der Agende 2010 nicht beteiligt gewesen.


QuoteZipfelmützenalarm
Antwort auf @UlfvomNorden

"das günstige russische Erdgas hat der deutschen Industrie enorm geholfen"

Die Zahlungen aus Deutschland haben Putin geholfen, seinen Mafia-Staat zu finanzieren und seinen verdammten Krieg auf die Ukraine zu finanzieren.
Scheiß auf billiges russisches Erdgas.

Ich heize mit Erdgas. Ich bin bestimmt nicht reich. ...


Quotegaytoday

Ey, Steinbrück, nichts gerafft!


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Quote[...] Die Ampel hat im Bundestag das "Rückführungsverbesserungsgesetz" beschlossen, wodurch Abschiebungen leichter gemacht werden sollen. Es sieht mehr Befugnisse für die Polizei, verschärfte Aufenthalts- und Einreiseverbote und verlängerte Abschiebehaft vor und erlaubt eine strafrechtliche Verfolgung von Seenotretter:innen. Im Jahr 2023 gab es 27 Prozent mehr Abschiebungen als im Jahr davor, während die Zahlen von vertriebenen und flüchtenden Menschen weltweit steigen.

Am Donnerstag hat der Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen der SPD, FDP und Grünen das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz beschlossen. Die CDU und AFD haben gegen das Gesetz gestimmt, weil es ihnen nicht weit genug geht. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) soll das Rückführungsverbesserungsgesetz dafür sorgen, dass ,,Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen". Durch das neue Gesetz sollen Abschiebungen also erleichtert werden. ...

... Das neue Rückführungsverbesserungsgesetz öffnet auch die Tür für eine strafrechtliche Verfolgung von Seenotretter:innen. Darin wird von vielen Kritiker:innen eine ,,Agenda der Rechten" gesehen, ,,mit der humanitäre Hilfe kriminalisiert werden kann".

... Im Jahr 2023 wurden insgesamt 16.430 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Das sind rund 3.485 Menschen, bzw. 27% mehr als noch im Jahr 2022. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt seine Ankündigung von Oktober 2023 also offensichtlich in die Tat um. Damals meinte Scholz im Spiegel-Interview: ,,Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.". Gleichzeitig steigen die Zahlen von vertriebenen und fliehenden Menschen durch Krieg, Krisen und die Folgen des Klimawandels laut UNO-Flüchtlingshilfe weltweit in beängstigendem Ausmaß.


Aus: "Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel: Verschärfte Polizeibefugnisse, Einreiseverbote, Abschiebehaft und Verfolgung von Seenotrettung" (Perspektive Online, 20.01.2024)
Quelle: https://perspektive-online.net/2024/01/rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-der-ampel-verschaerfte-polizeibefugnisse-einreiseverbote-abschiebehaft-und-verfolgung-von-seenotrettung/

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw03-de-rueckfuehrung-986284

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2024/01/bt_verbesserte_rueckfuehrung.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Abschiebung_(Recht)