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[Emanzipation, Selbstbefreiung, Geschlechterforschung (Notizen)... ]

Started by lemonhorse, October 08, 2008, 04:05:12 PM

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"Femizide in Italien:Sieben Tage, sieben Frauenmorde" Ein Artikel von Barbara Bachmann (2.2.2021)
Im Januar 2020 wurden in Italien an sieben Tagen sieben Frauen ermordet aufgefunden. Unsere Autorin hat sich auf Spurensuche begeben. ... Die sieben Frauen wurden auf unterschiedliche Arten getötet, unterschiedliche Hintergründe verbergen sich hinter ihren Geschichten. Zwei von ihnen teilen den Vornamen Rosalia, und allen gemeinsam ist ein Fakt, der auf einen Großteil der Frauenmorde zutrifft: Die Frauen kannten ihre Mörder. In den allermeisten Fällen besaßen sie denselben Wohnungsschlüssel. So wie in der letzten Januarwoche 2020 fanden auch in den Jahren zuvor in Italien die meisten Verbrechen zu Hause statt, hinter verschlossenen Türen. 2018 wurden 78 Frauen in Italien, bei einer Gesamtzahl von 60,5 Millionen Einwohnern, durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Expartner getötet.
In Deutschland waren es im gleichen Jahr 122 Frauen, die durch ihre Partner ums Leben kamen. Im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl ist die Rate in Deutschland damit höher als in Italien. (1:775.641 Einwohner in Italien; 1:680.327 Einwohner in Deutschland). Vergleicht man die Femizid-Rate mit dem weiblichen Bevölkerungsanteil, liegt Italien mit seinen Zahlen unter dem europäischen Mittelwert.
https://taz.de/Femizide-in-Italien/!5744030/

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Quote19.46 Uhr: Nach den tödlichen Schüssen in der Innenstadt von Wiesbaden am Montagmorgen (01.02.2021) dauern die Ermittlungen der Polizei weiter an. Die schwer verletzte Schwester der getöteten Frau sei nach wie vor nicht vernehmungsfähig, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag (02.02.2021). Auch die Ergebnisse der Obduktionen stünden weiterhin aus.

Bei dem Femizid in Wiesbaden, hatte ein 56 Jahre alter Mann nach bisherigen Erkenntnissen vermutlich zuerst seine 49 Jahre alte Ehefrau erschossen, danach deren 48 Jahre alte Schwester schwer am Kopf verletzt und anschließend sich selbst getötet. Die Polizei geht nach eigenen Angaben von ,,familiären Problemen als Tatmotiv" aus. ...


Aus: "Femizid in Wiesbaden: Mann tötet Ehefrau nach Trennung" Joel Schmidt, Marcel Richters (03.02.2021)
Quelle: https://www.fr.de/rhein-main/wiesbaden/wiesbaden-schuesse-innenstadt-femizid-ehe-familie-zwei-tote-schwerverletzte-polizei-zr-90186884.html

Anzahl der Opfer von Mord und Totschlag in Partnerschaften
https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland)#Anzahl_der_Opfer_von_Mord_und_Totschlag_in_Partnerschaften

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Quote[...] Gina-Lisa Lohfink (* 23. September 1986 in Seligenstadt, Hessen) ist ein deutsches Model. Bekannt wurde sie 2008 durch ihre Teilnahme an der dritten Staffel von Germany's Next Topmodel. Seitdem wirkte Lohfink in verschiedenen Formaten des Reality-TV mit. Gelegentlich tritt Lohfink auch als Moderatorin, Schauspielerin und Sängerin in Erscheinung.

Im Sommer 2016 stellte sie nach Veröffentlichung eines Amateurpornos, auf dem zwei Männer sexuell mit ihr verkehrten, Strafanzeige wegen Vergewaltigung. In der Folge wurde sie wegen falscher Verdächtigung angeklagt und letztlich rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 250 Euro verurteilt.[1] Der Fall bewirkte große mediale Aufmerksamkeit und eine breite öffentliche Debatte, nicht zuletzt um das Sexualstrafrecht.

... 2008 erschien ein Amateurporno mit Aufnahmen von Lohfink und ihrem vormaligen Partner Yüksel D., der über zehn Millionen Mal heruntergeladen wurde.[45] Lohfink gibt an, mit der kommerziellen Veröffentlichung der privat gemachten Aufnahmen nicht einverstanden gewesen zu sein. Versuche, die Verbreitung des Videos und die Berichterstattung darüber zu unterbinden, seien nicht erfolgreich gewesen.[46]

Im Sommer 2012 wurde ein Video verbreitet, das Lohfink beim Sex mit zwei Männern zeigt. Später wurden weitere Videosequenzen auf einem Handy als Beweismittel sichergestellt; nur ein Teil der insgesamt 12 Sequenzen sind als Videoclip im Internet zu finden.[47] Die Videos wurden teils bei Nacht aufgenommen, teils als es taghell war.[48]

Rechtsanwalt Burkhard Benecken erklärte, dass Lohfink erst nachdem sie das Video von sich gesehen hatte zu der Annahme kam, dass es sich um eine sexuelle Straftat handeln könnte. Dies würde die liebevollen Botschaften an Pardis F. erklären, die nach der angeblichen Tatnacht ausgetauscht wurden.[49] Daraufhin erstattete sie gegen die Männer Anzeige und behauptete, sie habe die Vermutung, mit K.-o.-Tropfen betäubt und vergewaltigt worden zu sein. Die Männer erhielten Strafen aufgrund widerrechtlicher Verbreitung der Videoaufnahmen. Der Vorwurf der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung wurde im folgenden Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten jedoch von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen. Ein toxikologisches Gutachten hatte anhand des sichergestellten Videomaterials und der Aussagen von Lohfink keine Anhaltspunkte für die Verabreichung von K.-o.-Tropfen ergeben.[50] Der Gutachter beschrieb Lohfink als wach, aktiv, orientiert. Auch bei den sexuellen Handlungen konnte er keine Störung der Wachheit, der körperlichen Koordination oder der Orientierung feststellen.[51]

Lohfink erhielt daraufhin aufgrund falscher Verdächtigung nach StGB §164 der zwei Männer einen Strafbefehl in Höhe von 60 Tagessätzen je 400 Euro (24.000 Euro).[52] Gegen diesen legte Lohfinks Anwalt Einspruch ein.[53] Die von Lohfink beschuldigten Männer stellten gegen sie Strafanzeige wegen Verleumdung und Beleidigung.[54] Im Amtsgericht Tiergarten wurde sie am 22. August 2016 zu einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen je 250 Euro (20.000 Euro) wegen falscher Verdächtigung verurteilt.[55] Im Revisionsverfahren am 10. Februar 2017 wurde die Verurteilung Lohfinks wegen Falschverdächtigung rechtskräftig bestätigt; nur die Berechnung der Höhe der Tagessätze wurde als fehlerhaft und damit neu festzulegen erkannt, dieselbe Summe in der Neuberechnung jedoch bestätigt.[56]

Der Fall wurde medial breit rezipiert und kontrovers kommentiert.[57] Lohfink galt manchen als ,,Sinnbild für eine überfällige Reform des Sexualstrafrechts", andere Stimmen verwiesen auf die Vereinnahmung durch Politik und feministische Vertreter: ,,Von der Trash-Ikone zum neuen Symbol der Feministinnen: Gina-Lisa Lohfink, das It-Girl und Model, wird von allen benutzt."[58] Der Richter kritisierte Lohfink: ,,Sie haben sich öffentlich als Verteidigerin der Frauenrechte geriert. Aber allen wirklichen Vergewaltigungsopfern haben Sie einen Bärendienst erwiesen."[59][60][61] Staatsanwältin Corinna Gögge sagte, der Fall sei ,,eine Verhöhnung und Irreführung aller Frauen und Männer, die tatsächlich Opfer einer Straftat geworden sind".[62] Besonders kritisiert wurde in den Medien auch die Rolle des Anwalts Burkhard Benecken, dem über die schlagzeilenreiche Verteidigung von C-Promis vor allem daran gelegen sei, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern.[63]

Der Journalist und Jurist Christian Bommarius kritisierte die vorschnelle Solidarisierung von Politikerinnen wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit Lohfink und schrieb: ,,Lohfink ist wegen falscher Verdächtigung verurteilt worden – das Urteil dürfen ihre Unterstützerinnen auch auf sich selbst beziehen."[64] Schwesig hatte u. a. die Twitter-Gruppe Team Gina Lisa mit eigenen Tweets unterstützt[65], was auch in anderen Medien kritisch kommentiert wurde.[66] Kritik an Schwesig und den Demonstrationen vor dem Gerichtssaal kam auch vom Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa, der dazu aufforderte, solche Debatten ,,mit weniger Emotionen und mit mehr Sachkenntnis" zu führen.[67]

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https://de.wikipedia.org/wiki/Gina-Lisa_Lohfink#Auseinandersetzungen_und_Strafverfahren ( 7. Februar 2021)

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the implausible grrrrl @verclairt
Einer der Männer, die Gina Lisa Lohfink vergewaltigt haben, wird wegen "Vergewaltigung, Körperverletzung und Nötigung [...], außerdem den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln" angeklagt - alles Dinge, die ihm auch im Kontext seiner vergangenen Tat vorgeworfen werden können.
8:47 nachm. · 10. Feb. 2021
https://twitter.com/verclairt/status/1359589778975506437


"»Stealthing«-Prozess in Berlin Mann aus Lohfink-Verfahren wegen Vergewaltigung vor Gericht" Ansgar Siemens (10.02.2021)
In Berlin steht ein Mann vor Gericht, weil er beim Sex mit einer Prostituierten das Kondom abgenommen haben soll – ohne Einverständnis der Frau. Der Mann war 2016 eine zentrale Figur im Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink. ... Laut Anklage, die dem SPIEGEL vorliegt, hat V. beim Sex mit einer Prostituierten gegen den Willen der Frau das Kondom abgezogen. Als die Frau den Verkehr daraufhin abrupt beendete, soll V. sie auf den Hinterkopf geschlagen haben. Der Anklage zufolge versuchte er, die Frau am Verlassen der Wohnung zu hindern. Sie schaffte es den Angaben zufolge dennoch und erstattete Anzeige. ... 2012 hatte Gina-Lisa Lohfink ausgesagt, V. habe gegen ihren Willen Sex mit ihr gehabt. Die Staatsanwaltschaft glaubte ihr nicht und warf ihr falsche Verdächtigung vor. Der Verkehr sei einvernehmlich gewesen. Weil Lohfink einen Strafbefehl nicht akzeptieren wollte, stand sie im Sommer 2016 vor Gericht. Das Verfahren fand in der Öffentlichkeit große Resonanz. ...
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/berlin-mann-aus-verfahren-gegen-gina-lisa-lohfink-wegen-vergewaltigung-vor-gericht-a-5f840512-0084-4281-ac38-860744b9fb52


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Quote[...] For all the talk of young people misinterpreting porn, fully grown adults routinely fail to grasp the distinction between fantasy and reality, or else fear the power of the former. Nowhere is that more evident than the current resurgence of morally and religiously motivated attacks on porn that some have described as a "holy war", and which has been devastating for sex workers.

... Often, sex workers are discouraged from speaking out to begin with, "for fear that our opponents will use our trauma against us to further crack down on our industry", as Selena the Stripper writes in the new anthology We Too: Essays on Sex Work and Survival.

https://www.feministpress.org/books-n-z/we-too

... Fantasies themselves are often driven by moral prohibition. In his survey of thousands of Americans, Kinsey Institute researcher Justin Lehmiller found that some of the most common sexual reveries involved themes of multiple partners, power, taboo and erotic flexibility. "To me, this collection of themes suggests that the American id is primarily characterized by desires to break free from cultural norms and sexual restraints," he writes in his book Tell Me What You Want: The Science of Sexual Desire and How It Can Help You Improve Your Sex Life, noting that the majority of Americans are brought up with narrow and idealized notions of heterosexual, monogamous, cisgender, procreative sex.

Fantasies are an escape hatch – and so much more. They can symbolically process hopes and fears, pleasure and trauma, like only the richest of dreams. They certainly can't be interpreted literally or predictably.

The therapist Esther Perel, author of Mating in Captivity: Unlocking Erotic Intelligence, calls fantasy the "central agent of the erotic", noting that it can "connect us to hope, playfulness, and mystery." She goes so far as to write: "I believe, if we didn't have fantasy, we couldn't live."

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From: "My porn life: what my years as a sex writer taught me about my desires" Tracy Clark-Flory (Tue 16 Feb 2021)
Source: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2021/feb/16/want-me-tracy-clark-flory-excerpt-sex-writer-reporter

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"Half of men have had unwanted sexual experiences, UK study finds" (Kevin Rawlinson, Tue 16 Feb 2021 15.39 GMT)
About half of men have had an unwanted or non-consensual sexual experience, research suggests, as a leading charity calls for more attention to be paid to sexual abuse survivors who identify as male.
Mankind UK said many men who had such experiences often felt unable to talk about them and often took decades to tell anyone what had happened to them.
"I didn't want to believe that it had happened. I wanted to deny that it had happened," said the playwright Patrick Sandford, who for a quarter of a century told no one about the abuse he suffered as a schoolboy.
Sandford told the Guardian he spent decades fearing being stigmatised if he spoke out. "There is this huge thing that if a man admits to having had some kind of sexual victimhood, that is seen as weak."...
Savanta ComRes interviewed 1,011 UK male adults aged 18 or older online from 5 to 7 February 2021. It said 1,174 men were asked if they were happy to answer the question, with 163 declining and the rest answering. The data was weighted to be representative of population by age, region and social grade. ...
https://www.theguardian.com/society/2021/feb/16/half-men-unwanted-sexual-experiences-uk-study-mankind

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Quote... Die Nationalsozialisten verfolgten Homosexuelle. Doch der schwule Autor Friedo Lampe arrangierte sich mit ihnen. Ein Buch erzählt sein zerrissenes Leben.  ...  Friedo Lampes Roman ,,Am Rande der Nacht" ist selber ein Tanz, wie in einem Reigen begleitet er seine nur lose miteinander verbundenen Figuren von der Dämmerung bis zum Morgengrauen.
Lampe erzählt artistisch und avantgardistisch, Christopher Isherwoods Bekenntnis ,,I am a camera" gilt auch für ihn. Ihm schwebten ,,lauter kleine, filmartig vorübergleitende, ineinander verwobene Szenen" vor. Das Buch kam Ende 1933 im Rowohlt Verlag heraus. Kurz darauf wurden alle noch nicht verkauften Exemplare aus ,,sittlichen Gründen" von der Gestapo beschlagnahmt und eingestampft.
Denn zentrale Protagonisten des Romans sind erkennbar schwul, schwärmerisch wird die Schönheit des männlichen Körpers beschrieben. Suspekt war den Zensoren auch die Liebe zwischen einer Deutschen und einem Schwarzen. Ob sein Text ,,sehr anstößig" sei, hatte Lampe einen Freund in einem Brief gefragt und hinzugesetzt: ,,Ich habe Angst." Angst davor, dass sein Debüt als Coming-Out verstanden werden könnte.  ,,Am Rande der Nacht" gilt inzwischen als Klassiker der deutschen Zwischenkriegsmoderne. Der französische Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano erzählt in seinem Roman ,,Dora Bruder" von Lampes Bedrängnis. Nun ist eine Biografie über den Schriftsteller erschienen, die sein Werk preist und sein zerrissenes Leben schildert. Denn Lampe verstand sich zwar als unpolitisch, doch als Homosexueller musste er zwangsläufig mit der Politik in Konflikt geraten.
Den Paragraph 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, verschärften die Nationalsozialisten 1935. Etwa zehntausend Homosexuelle landeten im Konzentrationslager, 1942 wurden Zwangssterilisationen ,,legalisiert". Lampe war bedroht, sein Biograf Johann-Günther König spricht von einem ,,Damoklesschwert". Aber der Schriftsteller arrangierte sich mit dem Regime an, er machte sogar Karriere.
Friedo Lampe, Jahrgang 1899, war in einer gut situierten Patrizierfamilie in Bremen aufgewachsen, der Stadt, wo später ,,Am Rande der Nacht" spielen sollte. Nach einem ,,Bummelstudium", das er mit einer Dissertation über den Rokoko-Dichter Goeckingk abschloss, ließ er sich zum Volksbibliothekar ausbilden. Lampe sei von Anfang an ,,bedingungslos gegen den Nationalsozialisten eingestellt" gewesen, attestiert ihm eine Freundin nach dem Krieg. Der Autor Axel Eggebrecht rechnet ihn der ,,stillen Opposition" zu.
Wie passt es dazu, dass Lampe 1935 zum Leiter der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen aufsteigt? Dort beteiligt er sich an der angeordneten ,,Säuberung" der Bibliotheksbestände von ,,zersetzender, art- und volksfremder Literatur". Bereits ab April 1933 ist er Mitglied einer ,,Kommission für auszusondernde Bücher".
Mehr als 5000 Bücher landen auf dem Index, darunter auch Werke von John Dos Passos, mit dessen Montagetechnik Friedo Lampes Debütroman in zeitgenössischen Rezensionen verglichen wurde, und von Kurt Pinthus, der seinen Stil als ,,Gedichte in Prosa" lobte. Wenig spreche dafür, dass sich Lampe als Volksbibliothekar gegen die Barbarei gewehrt hab, urteilt König. Ein verbotener Autor, der selbst mitmachte beim Verbieten.
Im Privaten war Friedo Lampe mutiger. ,,Der Dichter träumt von wölfischen Zeiten – aber draussen ist wölfische Zeit noch immerzu!", schreibt er ins Gästebuch von Hans Fallada, der im mecklenburgischen Örtchen Carwitz haust. Lampe arbeitet ab 1937 als Lektor des Rowohlt Verlags in Berlin, sein wichtigster Klient ist Fallada. Der finanziell angeschlagene Verlag hofft, sich mit dem Roman ,,Wolf unter Wölfen" des Bestsellerautors zu sanieren.
Rowohlt ist nicht nur wirtschaftlich bedroht, das Unternehmen steht unter Beobachtung. 1933 war die Hälfte seiner lieferbaren Bücher verboten und verbrannt worden. Jüdische Mitarbeiter wie der Lektor Franz Hessel konnten heimlich weiterarbeiten. Verleger Ernst Rowohlt wurde 1938 wegen ,,Tarnung jüdischer Schriftsteller" aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Er emigrierte vorläufig nach Brasilien.
In Lampes zweitem Roman ,,Septembergewitter" gleitet ein Heißluftballon durch den norddeutschen Himmel. Von dort stürzt die Erzählung wie mit der Filmkamera hinab in eine Stadt, zu einer Kinderbande, auf einen Exerzierplatz und in einen Park, wo eine Frau ermordet wurde. Das Buch wird bei seinem Erscheinen im Jahr 1937 kaum beachtet, ebensowenig wie der magisch-realistische Erzählband ,,Von Tür zu Tür" (1944). ,,Ich habe eben immer Pech mit meinen Büchern", klagte Lampe.
Eins hatte er aus dem Desaster von 1933 gelernt: Künftig vermied er jede ,,anstößige" Stelle, alles, was als Anspielung auf Homosexualität gedeutet werden könnte. Der Schriftsteller sah bereits ,,die Sittenpolizei vor meiner Tür" stehen. Beinahe wäre es tatsächlich dazu gekommen. 1943 wurde Lampe von einem Strichjungen erpresst. ...

[Johann-Günther König: Friedo Lampe. Eine Biographie. Wallstein Verlag, Göttingen 2020. 388 S.]

Aus: "Opposition und Mitläufertum Friedo Lampe schrieb schwule Literatur – und machte im NS Karriere" Christian Schröder  (09.03.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/opposition-und-mitlaeufertum-friedo-lampe-schrieb-schwule-literatur-und-machte-im-ns-karriere/26985362.html

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"USA: Arkansas verschärft Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen" (10. März 2021)
Auch nach Inzest oder Vergewaltigung sollen Schwangerschaftsabbrüche im US-Bundesstaat Arkansas verboten werden. Bürgerrechtler kritisieren das als grausam. ... Im US-Staat Arkansas soll ein fast vollständiges Verbot für Schwangerschaftsabbrüche in Kraft treten. Gouverneur Asa Hutchinson unterzeichnete ein Gesetz, das diese Abbrüche nur noch bei Gefahr für das Leben der Mutter erlaubt. Ausnahmen für Schwangerschaften nach Vergewaltigung oder Inzest sind nicht mehr vorgesehen. Arkansas ist einer von mindestens 14 US-Staaten, in denen Abgeordnete umfassende Verbote für Schwangerschaftsabbrüche eingebracht haben.
Unterstützer der Maßnahme in Arkansas hoffen, dass sie den obersten US-Gerichtshof dazu zwingen wird, die Grundsatzentscheidung zugunsten von Schwangerschaftsabbrüchen, auch bekannt als Roe v. Wade, auf den Prüfstand zu stellen. ...
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-03/usa-schwangerschaftsabbruch-arkansas-abtreibung-gesetz-hutchinson

QuoteThe D #8

Das geht selbst mir als bekennenden Abtreibungsgegner zu weit. Bei Kindern, die durch Vergewaltigung oder Inzest gezeugt wurden, sollte eine Abtreibung legal sein. Da die Zeugung in diesen Fällen gegen den Willen der Frau geschieht, ist dies auch rechtlich unbedenklich.


Quotedie Wolkenpumpe #5

Ich denke solche Gesetze dienen, wie überall auf der Welt, nur dazu bigotten Fundamentalisten ihre Vorstellungen einer männlich dominierten Welt ins Werk zu setzen. Ihre geradezu mittelalterlich anmutende Rückwärtsgewandtheit ist auch Ausdruck einer tief sitzenden Angst vor einer immer komplexer erscheinenden Welt.


QuotePlatero #14

Im 21.Jh sollte man davon ausgehen, dass Frauen selbst entscheiden können, ob das
zukünftige Leben mit Kind für Beide lebenswert sein wird. ...


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Quote...

Anna Fastabend: Wer sucht Hilfe bei Ihnen?

Eva Hubert: 85 Prozent sind Frauen, der Rest Männer.

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Anna Fastabend:  Von wem gehen die Grenzübertritte üblicherweise aus?

Eva Hubert: Bei den 177 Fällen gingen 126 von Höhergestellten und Vorgesetzten aus, 44 Fälle ereigneten sich auf gleicher Ebene und 7 Fälle auf einer Ebene darunter. Das klassische Schema ist demnach schon, dass jemand aus einer Machtposition heraus sexuelle Gefälligkeiten erpresst.

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Aus: "Eva Hubert über Sexismus am Theater: ,,Die Grenzen verschwimmen"" (13.3.2021)
Quelle: https://taz.de/Eva-Hubert-ueber-Sexismus-am-Theater/!5754697/


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Quote[...] Es gibt diese schöne Kurzgeschichte von Italo Calvino mit dem Titel Der nackte Busen, in der ein Herr Palomar am Strand spazieren geht. Herr Palomar sieht eine Frau, die oben ohne in den Dünen liegt und sich sonnt. Während er an ihr vorbeigeht, starrt er stur geradeaus, damit sich die Frau nicht gestört fühlt durch seine Anwesenheit.

Im Nachhinein ärgert sich Herr Palomar aber, denn erstens hat er das Gefühl, dass das eine ganz schön verklemmte Aktion von ihm war, und zweitens hätte er einfach gern geguckt. Zum Glück liegt die Frau immer noch in der Sonne, als Herr Palomar auf dem Rückweg ist. Diesmal schaut er ihr ganz beiläufig auf die Brüste, so, wie er zuvor auch die Wellen, die Wolken, die Bäume betrachtet hat.

Auch das aber scheint Herrn Palomar nicht das richtige Verhalten zu sein. Brüste sind doch nicht das Gleiche wie Bäume. Sie sind doch viel mehr, sie nicht zu feiern, ist in Wahrheit ein Ausdruck der Prüderie und der männergemachten Ordnung der Welt, die das Weibliche nicht würdigt.

Er nimmt also seinen Mut zusammen, dreht um und läuft ein drittes Mal an der Frau vorbei, diesmal ihren Busen mit Ehrfurcht und Freude und ohne Hemmung anstarrend. Die Frau schnappt sich ihre Klamotten und rennt weg. Herr Palomar ist ein bisschen angepisst und denkt sich: Es ist schwer, ein aufgeklärter Mann zu sein, wie schade, dass sein reines Herz so grob missverstanden wurde.

Die Erzählung stammt aus dem Jahr 1983, aber ich finde, sie ist auch heute noch eine gelungene Parabel dafür, wie die Auseinandersetzung von Männern mit dem Thema Sexismus aussieht. Sie ist scheinheilig, oberflächlich und empathielos. Nicht selten nehmen Typen daran nur teil, um sich selbst zu bestätigen, dass sie doch ganz okay sind. Und vielleicht eine dieser heißen Feministinnen kennenzulernen.

Die #MeToo-Bewegung hat daran nichts geändert. Der Mord an der 33-jährigen Sarah E. in London wird daran nichts ändern. Die Anschläge auf die Massagesalons in Atlanta werden daran nichts ändern. Dass statistisch gesehen jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet wird, ändert nichts am Verhalten der Männer. Dass laut einer EU-Studie jede vierte Frau in Europa irgendwann in ihrem Leben Opfer sexueller Gewalt wird, dass Frauen bei fast jedem Besuch in einer Bar, in einem Club sexuell belästigt werden, ändert daran nichts. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer laut BKA zu mehr als 98 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es 89 Prozent. Experten schätzen, dass überhaupt nur fünf bis 15 Prozent der Frauen, die solche Vorfälle erleiden müssen, diese zur Anzeige bringen. Trotz all dieser Zahlen: Dass Frauen sich permanent mit Fragen der eigenen Sicherheit [https://www.zeit.de/zeit-magazin/2021-03/sexismus-frauen-joggen-cat-calling-belaestigung-angst-erfahrung] beschäftigen müssen, fällt Männern meist noch nicht mal auf. Geschweige denn, dass sie sich fragen, welche Rolle sie selbst dabei spielen. Männer leben in einer anderen Welt als Frauen.

Während ich das schreibe, fühle ich zwei Dinge: Scham und Verwirrung.

Scham, weil ich nicht besser bin als die Männer, über die ich hier rede. Ich meine das nicht als Floskel, das ist kein Trick aus dem Rhetorikhandbuch. Bis auf ein paar Versuche im Privaten, mich mit Sexismus zu beschäftigen, habe ich nichts vorzuweisen. Und ohne Bezahlung würde ich diesen Text nicht schreiben, so ehrlich muss ich dann wohl auch sein, das hier ist kein altruistischer Dienst in Sachen Geschlechtergerechtigkeit.

Scham, weil ich das Gefühl habe, den Raum für diesen Text sollte jemand in Anspruch nehmen dürfen, der sich besser mit dem Thema auskennt. Allein die Tatsache, ein weißer cis Mann zu sein, der sich zum Thema Sexismus äußert, reicht offenbar aus, als Autor angefragt zu werden. Während meine Freundin die Wohnung putzt. Das ist kein Witz. Während ich über kritische Männlichkeit schreibe, putzt nebenan meine Freundin. Sie ist ebenfalls Autorin, hat zum Thema Sexismus garantiert mehr zu sagen als ich, aber ich sitze hier, bekomme den Auftrag, den sie nicht bekommt, bekomme die Honorare, die sie nicht bekommt. In jeder kreativen Branche müssen Frauen härter arbeiten als Männer, um das Gleiche zu verdienen und zu erreichen. Und in den Jobs, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, zum Beispiel in der Pflege oder im Einzelhandel, sind die Arbeitsbedingungen für sie trotzdem meist härter, die Bezahlung schlechter.

Scham, weil ich insgeheim dann doch oft genug gedacht habe, irgendwie klüger zu sein als sie. Oder besser organisiert. Besser vernetzt. Manchmal habe ich solche Dinge auch laut gesagt. Wenn ich schon die Kohle heimbringe, dann kann sie doch jetzt mal den scheiß Abwasch machen, mein Gott. Türen knallen, Suff. An irgendetwas muss es doch liegen, dass der Erfolg für mich einfacher zu haben ist? Scham, weil die Erkenntnis, dass Sexismus der wohl wichtigste Grund dafür ist, auch erst so langsam durchsickert bei mir.

Verwirrung, weil meine Partnerin und ich in Situationen wie diesen merken, wie kompliziert es ist. Die Tatsache, dass wir unsere Haushalte zusammengelegt haben, führt uns Ungleichheiten noch deutlicher vor Augen, drängt uns gleichzeitig aber oft zu einem gemeinsamen Handeln, das sexistische Handlungsmuster wiederholt. Wenn ich arbeite, verdiene ich mehr als sie. Im Moment – und dieser Moment ist bei freien Autorinnen und Autoren eigentlich immer – können wir jeden Euro gut gebrauchen, denn wir sind gerade umgezogen. So ist dieser Artikel zynischerweise ein Produkt dieser alten Rechnung: Ich gehe meinem Beruf nach, damit Geld reinkommt. Sie macht in der Zwischenzeit den Haushalt.

Es ernst zu nehmen mit dem Feminismus würde für mich konkret bedeuten, dass wir die Hausarbeit trotzdem gleich untereinander aufteilen, auch wenn ich diesen Monat wieder mal einen Artikel mehr veröffentliche als sie. Aber am Sonntagnachmittag im Radio ein Fußballspiel zu verfolgen, ist für mich dann doch wichtig genug, um zu sagen: Sorry, aber jetzt gerade ist schlecht.

Was mich wirklich profund verwirrt, ist, wie es möglich war, so lange durch diese Welt zu laufen und vom Thema Sexismus so gar keine Ahnung zu haben. Ich werde fürs Denken und Schreiben bezahlt, ich halte mich für einen einigermaßen reflektierten Typen, und mit Mitte 30 bin ich auch nicht mehr ganz neu auf der Welt. Trotzdem war es für mich absolut prima möglich, das Problem nicht nur zu ignorieren, sondern von dessen Existenz insgesamt unberührt zu bleiben. Und trotzdem ganz selbstverständlich zu behaupten, dass ich meine Partnerin liebe und meine Kolleginnen schätze. Obwohl ich offensichtlich nie Zeit und Lust hatte, ihre Perspektive der Welt zu verstehen. Dabei hat es nicht viel gebraucht, damit sich das ändert: Vor fast fünf Jahren fragte mich eine Kollegin, was ich denn so zu #MeToo denke. Ich hatte nichts zu sagen, denn das Thema hat mich nicht interessiert. Um einen Text zu schreiben, begann ich, mich mit Sexismus auseinanderzusetzen. Seitdem kenne ich erst die Zahlen, die ich weiter oben so großkotzig vorgetragen habe, und sie haben mich betroffen gemacht.

Ich fühle Scham, weil ich mich danach zwar gern zu Podiumsdiskussionen einladen und mich vom Fernsehen interviewen ließ. Mir aber nicht die Frage gestellt habe: Wo bin ich denn selbst Sexist? Im Hier und Heute, nicht in irgendwelchen selbstreflektierten Geschichten von früher, die ich eigentlich nur erzähle, um zu zeigen, dass ich doch eigentlich ein ganz feiner Kerl geworden bin? Wo bin ich selbst zum Täter geworden? Was kann ich jetzt gegen Sexismus tun – wenigstens in meinen eigenen Beziehungen? Was bedeutet es denn für die Frauen in meinem Leben, wenn ich als Mann so viele Privilegien habe? Wie wäre es denn möglich, auf meine Privilegien zu verzichten?

Ich schäme mich, weil ich honoriert werde, wenn ich mir diese Fragen stelle, während Frauen – und das ist ein ganz wesentlicher Teil des Problems Sexismus – diese Fragen unermüdlich unverständigen Männern gegenüber beantworten müssen – und doch nicht gehört werden. Eher beleidigt, ausgelacht.

Es hat fünf Jahre gedauert, bis mir meine Freundin zum ersten Mal erzählt hat, dass sie vergewaltigt wurde. Ich habe mich geschämt. Denn ich verstand intuitiv, warum sie es mir nicht eher erzählt hatte. Wahrscheinlich hätte ich scheiße reagiert. Es geschafft, es irgendwie runterzuspielen, nach ihrer eigenen Schuld zu fragen, Tipps zu geben. Vielleicht auch nicht. Aber anzunehmen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kackreaktion meinerseits hoch war, hielt ich jedenfalls für sehr legitim.

Als die Bars noch geöffnet hatten, hatte ich einen Minijob als Barkeeper. Ich liebe es, nach einer langen Schicht am verrauchten Tresen durch die leeren Straßen des frühen Morgens zu latschen, mit ihren angekippten Fenstern und blinden Ampeln. Wenn mir unterwegs Männer begegnen, sind sie meist betrunken. Wenn mir Frauen begegnen, sind sie meist am Telefonieren. Witzig, dachte ich immer. Mit wem telefoniert man denn früh um vier?

Es hat fast acht Jahre gedauert, bis mich meine Freundin zum ersten Mal anrief, weil sie sich auf dem Nachhauseweg von einem Typ belästigt fühlte. Genauer gesagt war sie überhaupt nur auf dem Heimweg, weil der Typ sich aus 20 freien Parkbänken ausgerechnet die Bank ausgesucht hatte, um in seinem Buch zu lesen, auf der schon meine Freundin saß. Tat so, als wäre sie gar nicht da. Als sie aufstand und ging, folgte er ihr.

Es hat eine Weile gedauert, bis der Groschen fiel bei mir. Es war ein Dienstagabend, noch nicht mal dunkel, ich moderierte ein Pub-Quiz. Warum ruft sie jetzt an, fragte ich mich. Wie es mir gehe? Ja, gut, du weißt doch, ich moderiere das Pub-Quiz. Muss gleich die Fragezettel wieder einsammeln. Was ist denn?

Und selbst als sie mir erzählte, was war, war da neben Besorgnis immer noch ziemlich laut im Hinterkopf eine Stimme, die sagte: Mann, das nervt jetzt aber, ich hab doch hier zu tun. Ich entschloss mich, dranzubleiben. Und fragte mich später, warum sie vorher noch nie meine Nummer gewählt hatte in einer solchen Situation. Sicher lag es nicht daran, dass sie sich vorher nie von einem Mann bedroht gefühlt hatte. Wie die meisten Frauen hat sie für solche Fälle gute Freundinnen. Mit wem telefoniert man denn früh um vier?

Natürlich würden Männer auch etwas gewinnen, wenn wir die Gründe für den systemischen Sexismus in unserer Gesellschaft beheben könnten. Auch sie könnten ohne ihren ganzen toxischen Maskulinitätsmist freier und glücklicher werden. Sie haben aber einfach nicht genug zu verlieren, um sich ändern zu wollen. Denn das ist es, was es erfordert: sich zu ändern. An sich zu arbeiten. Das Zuhören lernen zum Beispiel. Raum aufgeben, auf dem Zweisitzer im Bus wie im Gespräch. Andere Männer mit ihrem Fehlverhalten konfrontieren. Wir alle kennen Vergewaltiger. Und fast alle kommen sie einfach davon.

Und unser Herr Palomar? Wie sollte er reagieren, wenn er früh um vier die frische Morgenluft genießend durch die leeren Straßen der Stadt schlendert, und ihm begegnet eine telefonierende Frau? Mach dich klein, Herr Palomar, halte Abstand, mach deutlich, dass du gerade nicht an ihren Busen denkst oder ihren Arsch. Sondern an ihr Gefühl, sicher zu sein, und dein Privileg, darüber bestimmen zu können.


Aus: "Sexismus: Wir sollten uns schämen" Christian Gesellmann (22. März 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2021-03/femismus-sexismus-mordfall-sarah-everard-belaestigung-maenner/komplettansicht

QuoteBadum-tss #9

Danke für den Artikel und die ehrliche, persönliche Einsicht!


Quotejohnny wumpe #1.18

Der Autor schämt sich auch nicht für die Taten anderer, sondern seine eigenen. Ihm ist aufgefallen, dass er sich auch selbst sexistisch verhält.
Ach so, der Titel des Artikels Wir sollten uns schämen ist demnach als Pluralis Majestatis zu begreifen. Hatte mich schon aufgeregt, lasse mich nämlich nicht gern unter Generalverdacht stellen.


QuoteJoeeee #1.19

Was genau ist denn Ihr persönlicher Beitrag?


QuoteLaraMorgenstern #1.35

Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wir verhalten uns alle sexistisch.. und schaffen damit den Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt. bevor wir das nicht hinterfragen, passiert nichts. Aber klar, wir haben ja Frauenhäuser für die Opfer vewirrter Einzeltäter.


Quoteickvonhier #1.41

"Schon allein die Tatsache, dass man(n) nachts nur als Mann unbelästigt durch die Straßen gehen kann... oft trifft das auch bei Tage zu, und sich so gar nichts dabei denkt, zeigt das Problem."

Das zeigt, dass Sie das Problem gar nicht erkennen. AUCH Mann wird belästigt und wenn, dann wird deutlich häufiger als gegen Frauen Gewalt angewandt. Männer schlagen Männer deutlich häufiger als Frauen. Wie wäre es, wenn man als Gesellschaft gemeinsam etwas gegen diese aggressiven Gewalttäter täte und nicht 50% der Gesellschaft irgendeine Toxigkeit zuschreibt.


Quotewieweitwirgehn #1.42

Nein, natürlich nicht, jede Gewalt ist abzulehnen. In diesem Artikel aber geht es um Gewalt gegen Frauen....


QuoteM. Schäfer #1.48

Wegen mir gibt's Frauenhäuser jedenfalls nicht.


QuoteTzaduk #1.101

Meine Güte, hier sind aber echt viele, die einfach nicht verstehen WOLLEN. Kann ich wiederum verstehen - nicht nachvollziehen, dafür solidarisiere ich mich zu stark mit dem Autor, der sicherlich genau wusste, wie stark sein Beitrag genau die Richtigen stört. Diejenigen, die zu dem Punkt (für sich) gekommen sind, dass sie sagen: Ich brauche keinen Weltfrauentag, ich schlage keine Frauen. Diese zarten, schutzbedürftigen, hilflosen und grundsätzlich unterlegenen Wesen. Ich bin dafür intellektuell viel zu überlegen, ich kann meine Dominanz ganz anders zeigen. Zum Beispiel werde ich ja besser bezahlt, das MUSS Beweis genug sein. Und wenn nicht, dann beweise ich es eben darüber, dass ich genießen kann, wieviel Angst eine Frau unterwegs haben muss... und ich eben nicht. Aber diese Unterlegenheit muss ich halt nicht ständig raushängen lassen. Ich weiß ja dass mir in meinem Status nichts passiert...

Aber wehe, es geht dem Überlegenen an die Privilegien. ...


QuoteWarnieweg #1.125

"Mir nicht. Mich plagen keine Schuldgefühle für die Taten anderer. Fremdscham überkommt mich höchstens als unmittelbarer Zeuge."

Gerade woanders gelesen. Passt gut auf Ihr Statement: "Wenn jeder die Gelegenheit sucht, zu sagen, dass man damit nichts zu tun hat – dann wird sich für keinen etwas bewegen oder verbessern."


QuoteDonnacappuccina #1.126

Erwachsene Frauen in der Türkei, zum Beispiel? In Somalia? Syrien? China? Einfach überall auf der Welt und auch hier?
Wie entspannt kann ein Kind sein, das sieht, wenn seine Mutter oder große Schwester gedemütigt wird und sie aus Angst nichts macht, weil es einfach schon immer so war?


QuoteWarnieweg #1.153

"Die meisten Opfer von Gewalttaten sind Männer."

Die meisten Gewalttäter auch. Und Frauen werden meist Opfer von männlichen Gewalttätern.

"Den das Problem spielt sich auch in der Gefühlswelt ab, denn wenn man sich auf der Straße unwohl fühlt hat das oft nichts mit einer konkreten "Bedrohung" zu tun."

Muss es ja auch gar nicht. Einmal eine konkret gewalttätige Situation auf der Straße erlebt reicht völlig aus, um sich "unwohl" zu fühlen.


QuoteLaraMorgenstern #1.156

Also schauen Sie mal nach Homicides und Femides (denke Yearbook of Crime - vom Conseil de l'Europe schlüsselt die polzizeilich registrierten Delikte nach Geschlechtern auf). Natürlich begehen auch Frauen Verbrechen, aber tatsächlich viel seltener. Auch Männer können von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sein, sie sind das aber tatsächlich ungleich seltener.

Geschlechtsspezifische Gewalt betifft vor allem Frauen, das lässt sich in vielen Studien belegen. Schauen Sie sich mal Voträge von Prof. Sylvia Walby an. Das ist wirklich sehr erhellend.


QuoteWarnieweg #1.158

"Es sei denn von der Qualitätspresse nach der Kölner Sylvesternacht?"

Nun. Gestört hat daran die meisten doch nur, dass es keine weißen Hände waren, die da die Frauen angefasst haben. Andernfalls hört man nämlich nur, dass es sich um ein Missverständnis handele, man ja gar nicht mehr wissen, was man noch sagen dürfe etc. pp.


Quotejapanbash #1.187

"Nein. Wenn der Chef beim Meeting kritische Fragen mit " Hast du deine Tage?" kommentiert, würde ich von meinen Arbeitskollegen aber schon Protest erwarten."

Absolute Zustimmung, dümmer gehts nicht.


QuoteWanderertom #1.181

Dann gehen Sie als Mann doch mal in rosa Leggins durch die Stadt. Und berichten anschließend hier über Ihre Erfahrungen. Ich bin gespannt.


QuoteMr. Kritisch #3

Es fällt besonders Männern schwer eine gesunde Selbstkontrolle zu den eigenen Trieben zu erlangen. Das sage ich als Mann. Ich hoffe mehr Männer schaffen die Balance zu einer gesunden Selbstkontrolle. ...


QuoteWeitgedacht #3.21

Ich brauche dafür keine Lehrbücher. Ein gesundes Maß an Empathie reicht vollkommen. Nicht jeder Mann ist ein hormongesteuerter Neantertaler, der seine Triebe nur mit Mühe im Zaume hält.


Quotewieweitwirgehn #19

Ich finde das mit dem Herunterspielen und Nichtwahrhabenwollen durch die "guten" Männer, die wirklich selbst nichts Böses tun würden, besonders schlimm und würde auch diese nicht mehr ins Vertrauene ziehen. Das Arschlöcher Arschlöcher sind, ist das eine, aber wenigstens auf die anderen hätte ich gern gebaut.
Ist leider nicht...Habe vor Kurzem mal immer noch heulend meinem Freund und einem sehr guten Bekannten erzählt, dass der Doktor, der gerade bei mir einen Schilddrüsenultraschall durchgeführt hatte, seine Hände und Arme auf meinen Brüsten sehr gemütlich abgelegt hatte.
Beide haben mir bescheinigt, dass ich da wohl zu empfindlich wäre und irgendetwas herbeifantasieren würde und mich doch wieder einkriegen solle...und das sind wirklich zwei gute Männer....


QuoteOmegaPhi #19.1

Das Problem kenne ich leider auch. Mein (Ex-) Freund, der von sich behauptet, einer von den "netten" und "guten" zu sein, hat seinen betrunkenen Freund ich Schutz genommen, als der mich auf einer Feier angefasst hat. "Ist doch ok, wenn ich den jetzt trotzdem noch mag, oder?" - das war seine ganze emphatische Reaktion auf die für mich mehr als unangenehme Situation. Zum Glück ist das vorbei.


QuoteHighground #22

Ich bin überrascht, dass der der Autor denkt, wir alle würden Vergewaltiger kennen. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass einer meiner Freunde mir etwas verheimlicht. Aber schon rein statistisch wundert mich diese Aussage.


QuoteAnd_Meier #22.1

Und ich bin überrascht, dass dies Ihre einzige Sorge ist.


Quotepamina51 #24

Wahre Worte. Männer haben keine Ahnung, was allein die potentielle physische Unterlegenheit mit einer Frau macht, nur das reine Wissen darum,morgens um 4 in den Straßen und zuhause in der Familie.
Ich hatte einen teils schwer gewalttätigen Vater. Wenn ich das später Männern erzählt habe, war die Reaktion manchmal seltsam abwehrend. Als ich hätte ich doch irgendwie was damit zu tun gehabt und als rückten sie ein Stück ab von mir. Eine Frau, die als Mädchen geschlagen wurde, ist nicht mehr so ganz meine angebetete Holde, der Vater wird schon irgendeinen Grund gehabt haben, irgendwie so in die Richtung.
Dabei dachte ich immer, die müssen doch jetzt anspringen, empört sein.
Ich erzählte ihnen das irgendwann nicht mehr.


QuoteOmegaPhi #24.1

Seltsame Reaktion, die mir leider sehr bekannt vorkommt.


QuoteLeCarlin #26

"Warum fällt es Männern so schwer, ihre Rolle dabei zu reflektieren – und ihr Verhalten zu ändern? "

Was soll diese Verallgemeinerung ?
Es gibt nicht: Die Männer.
Jeder Mensch, also auch jeder Mann, ist anders.


QuoteAnd_Meier #26.5

Beispiel für ein fragiles Ego, Nummer Tausendundeins.


QuoteSchreibturm #26.1

Gönnen Sie dem Autor doch eine Atempause, beim Kapitel Sexismus gegen Männer ist er noch nicht angekommen.



QuotePiyo #27

Danke für diesen Artikel.

Wenn ich an mein eigenes Erwachsenwerden zurückdenke, dann war Sexualität immer geprägt von ,,Eroberung". Der Mann macht den ersten Schritt. Du musst zeigen, dass du sie wirklich willst. Etc.
Und dann gab es die Erfolgskontrolle: Kannst du mit dem Mädchen knutschen? Landet ihr zusammen im Bett?

Manchmal ertapp ich mich dabei mich zu fragen, wer denn all diese Frauen belästigt und nötigt, dass so viele so negative Erfahrungen gemacht haben. Und manchmal kommt mir gar der Zweifel, ob das nicht ich war. Als dummer unerfahrener Junge, der es schlicht nicht besser wusste. Als dummer Student, von Alkohol ziemlich enthemmt.

Aber Sexualkunde in der Schule war ja auch immer nur das rein Körperliche. Das alte Rein-Raus-Spielchen, Rasieren in der Bikinizone, der weibliche Körper als Gebährmaschine. Und Kondome. Aber das wirklich wichtige hat man als Mann halt nie gelernt.


QuoteWacholderin #27.1

Danke!


QuoteNautilain #30

Ich wurde schon hundertfach sexuell belästigt, gerne durch Sprüche von Männern in größerer Runde. Ich habe dabei noch nie erlebt, dass ein Mann in dieser Runde den Wortführer zurecht gewiesen hätte. Stattdessen ekelhaftes Gelächter der ganzen Gruppe. Mir kann keiner erzählen, dass sexistisches Verhalten nur einige wenige Männer betrifft. Und es fängt im Kleinen an: Mal überlegen, wer z. B. Geschirr abräumt und die Küche aufräumt, wenn mehrere heterosexuelle Pärchen ein gemeinsames Abendessen zuhause hatten (als das noch ging) und wer sitzenbleibt. Danke an den Autor, Selbstkritik ist ein wichtiger Anfang.


QuoteJ.P._Merz #30.2

Nur mal eine Frage, und ich hoffe diese ist nicht anstößig: Welcher Jahrgang sind Sie? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das beschriebene Verhalten bei jüngeren Generationen noch so stark vertreten ist.


QuoteKnosa #30.5

Gerade ist meine 15jährige Tochter von der Schule nach Hause gekommen, die sich darüber beschwerte, dass irgendwelche wildfremden Männer ihr hinterhergerufen hätten was für einen geilen A... sie hätte. Scheint auch die aktuelle Generation zu betreffen.


QuoteGert Lush #30.6

Ich (cis hetero Mann) wurde auch schon mehrfach von Männern sexuell belästigt und sogar von Frauen. War ein komisches Gefühl und reichte mir, meinen antrainierten "Jagdinstinkt" bei Frauen zu überdenken.

Also in der gemischten Sauna gelangweilt wegschauen oder beim Joggen, Einkaufen, etc. Platz machen und in jedem Fall Augenkontakt vermeiden bzw. auf Körperteile starren. Aber ganz ausschalten lässt er sich noch nicht, also bei Höflichkeitsritualen wie Tür aufhalten oder freundlich Lächeln an der Kasse.

Denke, viel wird Jungs durch Erziehung und Konditionierung antrainiert, also Frauen nach Optik auszuwählen, die Schönste/Attraktivste zu erobern, bei jeder Gelegenheit zu flirten, sie zu umgarnen, Tür aufhalten, etc. aber auch ein verklemmter Umgang mit Sexualität, also z.B. was Selbstbefriedigung und Pornographie betrifft ist homemade.

Soll jedoch keine Ausrede sein.

Grundsätzlich schaffen es ja auch viele, zu reflektieren und ihr Verhalten anzupassen.


Quotesonneleipzig #30.9

"Also in der gemischten Sauna gelangweilt wegschauen oder beim Joggen, Einkaufen, etc. Platz machen und in jedem Fall Augenkontakt vermeiden bzw. auf Körperteile starren. Aber ganz ausschalten lässt er sich noch nicht, also bei Höflichkeitsritualen wie Tür aufhalten oder freundlich Lächeln an der Kasse."

Bitte gern und oft in die Augen schauen. Darauf kommt es doch an. In die Augen schauen, freundlich lächeln und die Frau gegenüber als ganze Person mit Körper UND Geist wahrnehmen. Das gilt auch in der Sauna. Ich (Frau) habe in der Sauna auch schon ganz entspannt geflirtet und gescherzt. Gerade da ist in die Augen schauen und miteinander reden eine gute Sache.

Es macht mich eher total traurig wenn ich Menschen die mir auf der Straße entgegen kommen nicht in die Augen schauen kann. Genau da kann man doch erst erkennen ob das Gegenüber vertrauenswürdig ist oder ob man einen Bogen drum machen sollte.


QuoteBernd16 #32

Irgendwie hätte ich es der Frau gegönnt, den Artikel zu schreiben. Vielleicht wäre dann sogar etwas sinnvolles herausgekommen.

Nein ich schäme micht nicht fremd für einige wenige Idioten, die es leider gibt.
Nein ich bin nicht dafür verantwortlich, dass Frauen sich immer unsicher fühlen, obwohl es immer weniger Gewaltverbrechen gibt, auch wenn das immer noch zu viele sind.
Nein ich kenne keinen Vergewaltiger auch nicht im erweiterten Bekanntenkreis.
Nein bei uns macht im Haushalt immer der etwas, der es entweder am besten kann (z,B. kochen, Garten, etc.) oder der gerade Zeit dafür hat.
Nein in unseren Berufen muss keine Frau mehr leisten/arbeiten, um gleich bezahlt zu werden.
Nein die meisten Gewaltopfer sind Männer. Und ja, denen ist das Geschlecht des Täters völlig egal im Gegensatz zu Frauen, die anscheinend darauf fixiert sind.
Nein meine Frau wurde in noch keiner Bar sexuell belästigt - ich auch nicht. Und wir haben schon einige Jahre auf dem Buckel
Nein MeToo ist in meiner Welt irrelevant. Wir gehen hier in der Arbeit mit allen Menschen respektvoll und professionell um.
Nein ich hätte sicherlich nicht "scheiße" reagiert, wenn mir meine Frau erzählt hätte, dass Sie vergewaltigt wurde. Sie hätte bei mir aber auch nicht 5 Jahre gewartet.
Nein meine Frau und ich haben keine Angst vor Menschen, die Bücher lesen und die so tun, als wäre man gar nicht da. Und wir sind jetzt nicht besonders mutig.


Quoteviolettagetyourgun #32.14

Ihr Kommentar ist an Ignoranz und Empathielosigkeit nicht mehr zu überbieten. Würde man ihn ernst nehmen, könnte man meinen, Frauen bilden sich Sexismus, sexuelle Übergriffe und Gewalttaten bis zu Femiziden nur ein, weil es das alles ja gar nicht gibt.

Absurd.


Quote.schewietzek #32.11

Fragen Sie doch mal Ihre Frau, weibliche Verwandte und Bekannte, ob die noch nie sexuell belästigt wurden. Sie könnten ins Staunen geraten.


QuoteJohanna 62 #32.5

Nein, Sie sind sich bestimmt nicht bewusst, dass die weitaus meisten Vergewaltigungen nicht zur Anzeige gebracht werden.


QuoteAnd_Meier #32.6

"Nein die meisten Gewaltopfer sind Männer. Und ja, denen ist das Geschlecht des Täters völlig egal im Gegensatz zu Frauen, die anscheinend darauf fixiert sind."

Glückwunsch zur Täter-Opfer-Umkehr. Sie sind offenkundig Teil des Problems.


QuoteBernd16 #32.15

Also bei meiner Frau war hier Fehlanzeige. Da gibt es schon mal nix zu bestaunen.
Mein Sohn wurde schon "sexuell belästigt" - das fand er aber einigermaßen witzig, weil er sich nicht so schnell ins Boxhorn jagen lässt.

Ach ja - ich wurde auch schon sexuell belästigt. Fand ich natürlich auch weniger schön. Aber das war eben ein Einzelfall und ich käme im Traum nicht darauf, jetzt alle Menschen dieses Geschlechts zu verdächtigen.

Und jetzt?


QuoteDieMachtseinichtmitdir #36

Ich bin eine Frau und über 50 Jahre alt. Früher dachte ich, meine "Frauenprobleme", die ich durch Sexismus, Anmache, Bedrohungen etc. erdulden musste seien offensichtlich und für jeden bemerkbar/sichtbar. Inzwischen weiß ich, dass die meisten Männer (und unehrliche oder naive Frauen) sehr gut um das Problem herumdenken können und wollen. Sie empfinden es als irgendwie anstössig und unwichtig. Ich war auch total erstaunt darüber, wieviele Männer von #metoo überrascht sind und gar nicht glauben können, welchen Angriffen viele Frauen tagtäglich ausgesetzt sind. Die bekannten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs!

Inzwischen finde ich, dass viele Männer bzgl. Sexismus sehr unloyal sind, sogar ihren eigenen Freundinnen/Frauen gegenüber und auch gegenüber ihren Müttern, Schwestern, Töchtern!

Allerdings beobachte ich, dass Frauen dies häufiger als früher nicht mehr akzeptieren. Frauen müssen dieses Thema viel häufiger und offensiver artikulieren und anprangern, im Beruf, im Privatleben, in der Erziehung der Kinder, in der Presse,... Und Männer müssen ihr Verhalten ändern.


Quoteok #37

Dieser Kommentar vermischt partnerschaftliche Organisation, Gewalt gegen Frauen und Identitätspolitik so schlecht miteinander, dass man aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt...


QuoteKlaus aus DD #37.1

...mich erschüttern eher die Kommentare.


QuoteGregor T #39

Ihre Scham bezüglich der Arbeit macht bei mir auch etwas. Ich arbeite in einem Beruf, bei dem der Frauenanteil im Studium sehr sehr gering war. Wenn man dann mal mit einer Frau zusammenarbeitet verhält man sich tatsächlich etwas anders. Ich schaue genauer hin, setze weniger voraus, bin verblüfft und etwas irritiert, wenn sie ihre Arbeit gut macht. Zumindest bei den ersten 2 oder 3 Mal. Das war nicht böse gemeint, es war einfach das, wie es war und wenn man da nie drüber reflektiert, bleibt es vielleicht auch dabei. Jetzt hab ich das vermutlich überwunden, aber am Anfang war da auf jeden Fall eine sexistische Komponente, die beim Einordnen der Person und ihrer Arbeit gestört hat.
ich hatte aber auch schon mit Frauen zu tun, die wirklich vom Fach keinen Schimmer hatten. Wo ich mir dann blöd vorkam und nicht genau wusste, wie ich ihr Feedback geben soll, ohne ein sexistisches Arschloch zu sein. Gar nicht so einfach, wenn sie nicht viel kapiert, auf die Frage, ob sie es verstanden hat mit "Ja" antwortet und dann kein Wort von dem, was ich von ihr wollte, wiedergeben kann. Aber das war ein Einzelfall (Praktikantin). Da waren die Praktikanten, die sonst vorbeikamen einfach deutlich weiter.


QuoteCamelCase #39.1

Ich möchte als eine in einer sogenannten Männerdomäne arbeitende Frau ergänzen, dass man das durchaus spürt, wenn einem weniger zugetraut wird oder die Kollegen verblüfft sind, wenn man seinen Job trotz seines vermeintlichen, im Geschlecht begründeten, Handicaps ganz gut macht.
Es fällt auf und es fühlt sich ätzend an.


QuoteMartin aus Wien #45

Auch für Männer gilt, was einst Simone de Beauvoir über Frauen sagte:

,,Man kommt nicht als Mann auf die Welt, man wird es."


QuoteSonne397 #50

Danke für den Artikel. Er spricht von einem Verständnis, das mich sehr berührt hat.


Quotejan120 #56

Krass, bin genau das Gegenteil vom Autor ... beschäftige mich Sexismus und Feminismus seit dem ich 17 bin, verdiene weniger als meine Frau und mache den Haushalt inklusive Kinderbetreuung und wir sind alle happy. So unterschiedlich können Realitäten sein.


QuoteJohn French #62

Der Beitrag ist ein typisches Beispiel für die Probleme einer gutsituierten, akademischen linksliberalen Elite, die ihre eigenen Bauchnabel beschaut. Es wird das Hallali auf den jungen und alten weißen Mann geblasen. Nach meiner Beobachtung sind die meisten Männer in ihren Bemerkungen und Blicken Frauen gegenüber zurückhaltend mit einer ständigen Schere im Kopf- und damit langweilig. Die landläufigen Machos und Womanizer haben immer noch ein Stein im Brett bei der Damenwelt aller Couleur, da sind sexistischen Sprüche und die schlüpfrigen Bemerkungen kein Problem. Das läuft da unter Charme. Als verheirateter alter Mann tun mir die jungen weißen Männer leid, die sich unter diesen Bedingungen um eine Partnerin bemühen. Die stehen immer mit einem Bein im Gefängnis. Für den Autor gibt es einen Begriff, aber um der guten Sitten willen, lasse ich das besser. Am Ende steht immer noch die Frage was bringt unter diesen Aspekte eine Partnerschaft für den Mann....


QuoteAurora1234 #62.1

Was das bringt? Eine Beziehung auf Augenhöhe.


QuoteWacholderin #62.4

"Die landläufigen Machos und Womanizer haben immer noch ein Stein im Brett bei der Damenwelt aller Couleur, da sind sexistischen Sprüche und die schlüpfrigen Bemerkungen kein Problem. "

Schon alleine die "Damenwelt" geht für mich nicht und in meinem Umfeld gibt es keine einzige Frau, die sexistische Sprüche und schlüpfrige Bemerkungen von Männern schätzt. Weder öffentlich noch hinter vorgehaltener Hand. Die Frauen in meinem Umfeld benutzen Männer nicht und verhalten sich auch nicht wie "Damen" - das sind einfach Frauen. Und die Männer in meinem heutigen Umfeld sind offene Menschen und würden niemals von "Damenwelt" reden.

Und wer bei Beziehungen mit einem Bein im Gefängnis steht, weil er sich Frauen gegenüber so verhält, dass es als Straftat gelten kann, sollte sich vielleicht überlegen, ob er sein Selbstwertgefühl nicht anders stabilisieren kann, als über die Demütigung von Frauen und die Delegierung der Sündenbockfunktion für das schlechte eigene Verhalten an andere Menschen.


QuoteThomas Ldot #64

Es ist immer wieder bemerkenswert, dass es nur wenige Kommentare braucht um die grundlegende These solcher und ähnlicher Artikel zu bestätigen. Bei diesem war es einer.



QuoteKalbshaxeFlorida #69

Was für eine Kommentarspalte:

Frau fühlt sich von Artikel verstanden –> Männer verteidigen sich
Mann befürwortet den Artikel –> Männer verteidigen sich

Es gibt noch viel zu tun. Junge, Junge.


QuoteBernd16 #69.3

Tja, wenn man als (kommentierender) Mann nur deswegen angegriffen wird, weil es Männer gibt, die Frauen schlecht behandeln, dann sollte man sich schon verteidigen dürfen.
Immerhin ist "der" Mann in diesem Fall das Opfer eines ungerechtfertigten Angriffs.

Oder was würde man zu einer Frau sagen, die man angreift, weil eine andere Frau einen gewalttätigen Mann nicht anzeigt? Sind damit alle Frauen feige und haben somit Schuld oder zumindest die Verantwortung für weitere Taten?


QuoteKalbshaxeFlorida #69.4

Bitte heulen Sie leise. Um Himmels Willen.


QuoteBenno Groß #85

Während es gefühlt für Frauen und Mädchen unangenehmer ist, allein über die Straße zu gehen, weitet ein Blick in die Zahlen die Perspektive: Außer bei Sexualstraftaten sind die Opfer männlicher Gewalt, meist, ... Männer. Das betrifft etwa Mord und Totschlag, Raub und auch gefährliche und schwerere Körperverletzung.

Unbestreitbar sind Männer meist die Täter bei Gewaltverbrechen, was durchaus ein Problem ist. Aber das Privileg, speziell als Mann Tag und Nacht sicher über die Straße zu gehen, existiert nüchtern betrachtet nicht.


Quoteviolettagetyourgun #85.1

Fühlen Männer sich unwohl im öffentlichen Raum, auf Feldwegen, im Wald beim Joggen, in der Tiefgarage, mit einem anderen Mann allein im Fahrstuhl, haben sie oft Angst vor sexuellen Übergriffen ?
Ist das ihr alltägliches Empfinden ?
Ich glaube, kaum.


QuoteUnpopularOpinion #85.2

Ja, denn als jugendliche Mann wurde ich (war leider stark auf dem Weg nach Hause) von einem von einem homosexuellen Mann in der Innenstadt gegen ein Schaufenster eines Geschäftes gedrückt und (jetzt keine Details) über gefühlt 20 Minuten sexuell übergriffig belästigt.

Hat aber weder Freunde (Gelächter, "Mund ist Mund"), noch Freundinnen ("kannst du dich nicht wehren?", "Schlappschwanz") interessiert.

Und? Generalisiere ich nach diesem Ereignis von einem homosexuellen Mann auf alle homosexuelle Männer?

Spoiler alert: Nein, tue ich nicht.



QuoteLynx links #93

Ich habe letztes Jahr in einem der größten multilateral finanzierten Programme zu Beeindigung der weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika mitgearbeitet. Wissen Sie was wir nicht getan haben? Väter oder Mütter angeklagt, pauschal über religiöse Führer beschuldigt oder die "Gesellschaft als solche" zum Problem erklärt. Stattdessen haben wir versucht Botschafter und Botschafterinnen aufzubauen, die eine positive Nachricht verbreiten.
Wissen Sie auch warum? Weil Anklagen immer genau zum Gegenteil von dem führen, was man eigentlich erreichen will. Kein Mann wird sich nach der Lektüre kritisch mit sich selbst auseinandersetzen, der es vorher nicht ohnehin schon getan hat. Außerdem zeigt sich positiv verhalten in den Taten nich in intellektueller Selbstgeißelung.
Kurzum, ich halte diesen Artikel, in seiner Pauschalisierung für komplett kontrproduktiv und eine intellektuelle Trockenübung. Aber wenigstens konnten wir uns mal wieder aufregen. Wenn Sie vorhatten, dass sich weniger Männer mit diesem Thema auseinandersetzen; herzlichen Glückwunsch, das haben Sie erreicht.


Quoteaadam #94

Ich hätte jetzt gerne einen Kommentar von Julian Reichelt gelesen.


QuoteMeisenbeobachterin #94.3

Julian Reichelt? Also der Julian, gegen den gerade bei BILD ein Compliance Verfahren wg Sexismus läuft? ;)


Quoteredshrink #96

Das ,,wir Männer" finde ich in etwa so hilfreich wie ,,die Männer" oder ,,die Frauen", nämlich gar nicht. Es ist vor allem eine Unterstellung, als Mann die gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht reflektiert zu haben, nicht mit ihnen mit zu fühlen, sich nicht zu kümmern. Und die pauschale Unterstellung halte ich für falsch.

Ich bin 57, Einzelkind und Sohn, mit einem arbeitenden Vater und einer Haufrau als Mutter aufgewachsen. Es war, kurz gesagt, zum Kotzen. Mein Vater wirkte wie der Bastard aus einem Aktenordner und einem Schreibtischset, emotional gehemmt und auf Abwehr gebürstet. Meine Mutter der Prototyp einer Diplomhysterikerin, gefangen zwischen Kleinmädchenträumen von Prince Charming und einer unerträglichen, sich unendlich wiederholenden Realtität aus Putzen, Kochen, Waschen und Einkaufen und Warten, dass jemand nach Hause kommt, dass etwas passiert, dass jemand anruft. Ich wusste, dass sie sterbensunglücklich war; sie meinte, es verneinen zu müssen. Jeden Morgen unerklärliche Tränen, dann Panikattacken, Tabletten, Selbstmordversuche, verrückte Affären. Sie war auch gewalttätig und zwar mir gegenüber und vollkommen unkontrolliert. Ich verbrachte meine Kindheit damit, zu versuchen, sie zu stabilisieren; es gelang mir nicht. Sie durfte nicht arbeiten. Mein Vater verstand nichts, Frauen halt.

Heute she ich meinen Vater und Männer auch mit anderen Augen, nicht nur also Opfer ihrer selbst, sondern auch als Opfer von Eltern, die ihre Traumen immer weiter vererben.


Quotenon falsum #104

Manchmal ist es kompliziert.

Eine Freundin wird in der Bar von einem Typen in ein Gespräch verwickelt, er legt den Arm um sie, sie hat einen Freund.

1. Ich sitze paar Tische weiter, bekomme es nur am Rande mit, bin aber mit ihr hin und sollte ja irgendwie bisschen "aufpassen". Rede ich nun mit ihr, dann "spiele ich mich auf, weil ich Mann bin". Unterlasse ich es, bin ich ignorant und der Blöde weil ichs nicht ernst genommen hab.

2. Ich sitze neben einer Frau in der Bar, sie stellt sich neben mich und bestellt einen Drink. Ich rufe "zwei", zahle und rede mit ihr. Bin ich Sexist weil ich ihr das Getränk so selbstverständlich zahle? Unterstelle ich damit, dass sie nicht genug verdient? Manche vertreten diese Ansicht mittlerweile.
Wir reden eine Weile, sie lacht öfters & ich lege meinen Arm um sie, weil ich ihr Verhalten so deute als fände sie mich sympathisch. Ist das übergriffig? Wollte sie nur höflich sein, weil ihr Bruder und ich im gleichen Verein Fußball spielen und hat deshalb gelacht? Fand sie mich sympathisch freut sie sich, war sie nur höflich, war ich übergriffig. Also fragen "darf ich meinen Arm um dich legen?" Da würden 90% der Frauen denken "der hat nen Schaden".

Ich schäme mich übrigens nicht für Männer die Frauen Zeug hinterherrufen, sie angrapschen oder Schlimmeres. Außer meinem Geschlecht habe ich nichts mit ihnen gemein, ich verabscheue die Taten. Härter ahnden sollte man es trotzdem, die Statistiken sind deutlich und nicht hinnehmbar.


QuoteFrau Funcke #104.1

Wenn Sie Körpersprache lesen können, dann erübrigen sich viele Fragen. Sowohl beim ersten Beispiel, als auch beim zweiten.


QuoteCandy133 #105

Ich kann die Männer nicht verstehen, die jetzt hier rumheulen und sich für ganz fein halten. Nicht über einen Kamm geschoren werden wollen. Als Mann sage ich: einmal Ruhe und innehalten, bitte. Wer sich hier rechtfertigt, ist getriggert. Und damit Teil des Ganzen wie jeder andere, jeder einzelne Mann. Dont protect your daughter, educate your son! Jeder von uns hat Hausaufgaben zu machen.


QuoteAtevi #120

Ich hatte nach der Lektüre dieses Artikels eine interessante Unterhaltung mit meinem Partner und mehrere Erkenntnisse:
1. spontan hätte ich gesagt, dass ich nie sexuelle Übergriffe erlebt habe . Nach 10 min drüber reden ist mir eingefallen, dass meine Mutter mich und meine Freundin in zarten Alter von 5 oder sechs hinter einer gartenhütte gefunden hat, und ein Mann aus der Nachbarschaft hatte mich zwischen den Knien und seine Hände unter meiner Jacke. Die Situation war mehr als eindeutig, zum Glück aber noch nicht Sehr weit fortgeschritten.
2. dem ersten pograpscher im Schwimmbad habe ich eine runtergehauen. Als ich das meiner durchaus feministischen Mutter erzählt habe, war sie entsetzt, weil das gefährlich sein könnte, wenn sich als Frau wehrt. Da war ich zwölf.
3. als Au- pair in Frankreich war ich mit zwei Freunden der Au-pair Familie auf einem Fischerboot. ( ich und ein alter und ein junger Mann. Plötzlich fing der ältere an mich zu bedrängen und anzufassen. Der Junge hat weggeschaut. Ich habe mich dann rausgewunden und er hat dann aufgehört, aber das war eine ziemlich bedrohliche Situation , in der ich total ausgeliefert war und die ich so nie erwartet hätte ( Freunde meiner Gastfamilie )
4. Ich saß in einem Übernachtbus ( ganz voll belegt) und mein Nebensitzer fing an mich zu bedrängen und zu begrapschen. Das haben einige bemerkt, aber niemand!!!! Hat eingegriffen.
5. Ich saß in einer leeren s- Bahn ( am Tag) und ein sichtlich bekiffter Typ setzen sich nebenMich und befriedigte sich selbst. Ich habe sich drei mal umgesetzt und er kam immer hinterher und machte weiter. Kein Nein und kein Stopp half.

Das wAren jetzt alles keine Vergewaltigungen aber es zeigt wie normal das alles war und dass nicht eingegriffen wurde. Ich glaube sogar dass der ,,Kindergrapscher" im Viertel bekannt war, aber nichts getan wurde- er hatte ja Familie . Zumindest meine Mutter hat diese Begründung geliefert.... ( und es war im konkreten Fall ja auch noch nichts anzeigbares geschehen) . anstatt der Kinder hat man den Übergriffigen Mann geschützt- und genau darin liegt das Problem. Das ist zwar schon 35 Jahre her, aber so lange ist dasnicht - viele Männer die heute Väter sind sind so sozialisiert.

B) Ich finde es nicht mehr hinnehmbar dass es für eine Frau normal ist, sich nachts draußen alleine unsicher zu fühlen- nur weil sie eine Frau ist. Für Männer ist die Situation grundsätzlich anders - klar kann man vermöbelt und beraubt werden, aber ein sexueller Übergriff auf einen Mann ist extrem unwahrscheinlich. Und alle Welt nimmt das hin und ermahnt die Töchter, vorsichtig zu sein!

...


Quoteponny23 #121

Ich bin jetzt schon einige Jahrzehnte Alt. Aber großartig geändert hat sich manches in meinem Leben bisher noch nicht.
Früher war es so, daß die größten Machos die tollsten Frauen hatten. Je schäbiger und aufdringlicher sie sich verhalten haben um so mehr Erfolg hatten sie bei Frauen.
Und heute wenn ich mich so umsehe hat sich nichts daran geändert.
Mein Chef ist ein absoluter Macho, trotzdem schleppt er immer wieder die hübschesten Frauen ab. Auch meine Kolleginnen umschwärmen ihn.
Wenn Frauen solche Männer nicht mögen und sogar verachten, dann frage ich mich warum werfen sich manche Frauen immer noch solchen Typen an den Hals.


QuoteMustergültig #121.3

Frauen mögen selbstständige, selbstbewusste Männer, gerne mit Macht und/oder Geld. Frauen haben i.d.R. auch nichts gegen gutes Aussehen, einen muskulösen Körperbau und wenn Männer grösser sind als sie selbst.
Was nicht bedeutet, dass man nicht auch eine Parnerin findet wenn man nicht jedes Atribut erfüllt. Der "aufgeklärte" Mann von heute, (früher nannte man die Turnbeutelvergesser) mag das doof finden, aber alles Identitätsideologische rumdiskutieren wird daran nichts ändern. Das ist als wenn sie versuchen einem Homosexuellen seine Preferenz für das gleiche Geschlecht abzuerziehen: Aussichtslos. Partnerwahl ist auch heute eher eine Frage von Trieben und Gefühlen.


Quotesonneundmond #121.4

Ach und ,,die tollsten Frauen" sind dann auch die hübschesten. Ich verrate jetzt mal was: Es gibt Frauen, die haben einen Kopf, der nicht nur dafür da ist Schminke aufzutragen. Die Charakter haben und Mut und denen es zu blöd ist nur das Schmuckstück für irgendeinen Angeber abzugeben. Vielleicht sollten sie sich einmal diese Frauen anschauen.

Aber anscheinend suchen sie auch nur etwas zum Schmücken?


QuoteDr. Wimmel #121.6

Tatsächlich eine Frage, der sich ZEIT irgendwie nicht annehmen möchte.


Quoteeinervonvieren #121.7

"Wenn Frauen solche Männer nicht mögen und sogar verachten, dann frage ich mich warum werfen sich manche Frauen immer noch solchen Typen an den Hals."

Es gibt halt nicht "die Frauen".
Genauso wenig wie es "die Männer" gibt.
Kommt in Kolumnen manchmal etwas kurz, sollte aber jedem klar sein.


Quoteponny23 #121.8

"Es gibt halt nicht "die Frauen"."

Bitte noch einmal ganz genau lesen, ich habe bewusst "MANCHE Frauen" geschrieben und nicht pauschal "DIE Frauen".


QuotePalak #121.9

Einmal wurde ich unbeabsichtigt Zeuge eines Gesprächs unter sechs Kolleginnen, die sich unter sich wähnten und meine Anwesenheit in der Kantine nicht bemerkt hatten. Zitat: "Gebt´s doch einfach zu, Mädels, im Grunde stehen wir Frauen auf Arschlöcher." Die Äußerung blieb unwidersprochen im Raum, dann wurde meine Anwesenheit bemerkt, und es war allen Beteiligten sehr unangenehm. Ich will das Zitat nicht überstrapazieren und den ausgebliebenen Widerspruch der Kolleginnen nicht als Zustimmung deuten. Aber es ist eben auch ein Aspekt, der nicht ganz ignoriert werden kann, und der einen gewissen Anteil des Männergehabes erklärt.


QuoteTommahawk #121.13

,, Wenn Frauen solche Männer nicht mögen und sogar verachten, dann frage ich mich warum werfen sich manche Frauen immer noch solchen Typen an den Hals"
Weil auch Frauen ihr Rollenverhalten nicht ablegen (können und in Zukunft werden!). ...


QuoteAurora1234 #121.12

Ich als Turnbeutelvergesserin habe einen Turnbeutelvergesser aus Liebe geheiratet und verdiene sogar mehr als er. Wieso? Weil ich selbstständig bin, nicht beschützt werden muss und mir die Fähigkeit auf Augenhöhe zu kommunizieren wichtiger ist als die Fähigkeit mancher Männer andere Männer klein zu schlagen - seit einigen Jahrhunderten ist diese Fähigkeit immer unwichtiger geworden. Und unseren Trieben geht es dabei immernoch hervorragend. Aber Sie dürfen gerne weiterhin an ihre Klischees glauben, auch wenn diese bestenfalls bedingt der Realität entsprechen.


QuoteFrau. Huber #121.16

Ich glaube, die Wahrnehmung, welche Frauen die tollsten sind, variiert sehr stark. In den Augen von Machos war ich zu.B. keine "tolle Frau", denn ich investierte denen zu wenig Zeit in mein Erscheinungsbild und war ganz schlecht im hilflos sein und Männer anhimmeln.


Quoterührfix #123

Und wieder wälzen wir Klischees, was auch sonst, worüber sollte man schreiben, in einer Welt, in der jeder Ort, jede Wohnung, jede Familie überhaupt jeder jedem anderen immer ähnlicher wird?...


QuoteHendess #133

Ein Nachbar, knapp 80, Gay, Jurist, Ex-Banker und nach eigener Aussage "sehr sensibel", hielt es nicht nur im Zusammenhang mit Weinstein für nötig, mir zu erklären, dass eine moderne, selbstständige, gestandene Frau wie ich doch zu wissen habe, wie sie sich zu wehren hat. ...


QuoteLululululu #141

Ganz ehrlich: Ich als Frau habe mir über Sexismus, #metoo & co. auch nie gross Gedanken gemacht. Meiner Meinung nach ist der Autor zu hart zu sich. Das Hauptproblem sind nicht diejenigen, die etwas ahnungs- und empathielos durch die Welt laufen. Sondern die, die vergewaltigen, zuschlagen, ihre Ex-Partnerin bedrohen und andere Menschen im öffentlichen Raum belästigen. Dieses "jeder Mann ist ein bisschen Schuld" ist genau so falsch und verharmlosend wie "jeder Weisse ist ein bisschen rassistisch". Wir sollten nicht verharmlosen, sondern uns auf die echten Täter konzentrieren.


QuoteAndidi #165

Es ist deprimierend, die vielen relativierenden Kommentare unter diesem ehrlichen und guten Artikel zu lesen. Sie zeigen zwei der Wurzeln des Problems: Mangelnde Empathie und ein oftmals von Selbstgerechtigkeit strotzender Verteidigungsreflex gegen einen vermeintlichen Angriff.

"Immerhin werden 75% der Frauen nicht belästigt" (aber dennoch diskriminiert und eingeschränkt)

"Ich kenne aber auch einen Mann, der Opfer wurde" (bei aller Empathie für das Opfer, ist das ein Ausnahmefall und negiert nicht die mehrheitlich gegen Frauen gerichtete Diskriminierung / Gewalt)

"Frauen können aber auch Sch*** sein" (ja. Offensichtlich. Sie können auch Gewalttäterinnen sein. Qualität und Quantität sind hier die Frage)

"Ich, also ich habe sowas nie getan, ich bin der Gute hier " (leise Zweifel, da Untätigkeit dazu beiträgt, das Problem zu betonieren)

Mehr Selbstreflexion von uns allen über die eigenen Privilegien und unbewussten toxischen Muster wäre wünschenswert.


QuoteFredericson #177  —  vor 3 Stunden

Bis in die 1960er Jahre hinein waren die Moralvorstellungen sehr rigide. Frauen hatten sich keusch zu kleiden, Liebesbekundungen in der Öffentlichkeit waren verpönt, zwischen unverheirateten Paaren sowieso. Zumindest in bürgerlichen Kreisen musste eine Frau erobert werden, sie hatte sich zu zieren und der Mann musste beweisen, dass er im Stande ist, ihr Herz zu gewinnen und für eine Familie zu sorgen.

Dann kamen Minirock, Antibabypille, die sexuelle Revolution der 1968er-Generation. Auf einmal schien alles möglich und nichts mehr tabu. Frauen wurden in Film und Werbung immer hüllenloser dargestellt. So manches Mal wurden sie damit auch zu Lustobjekten degradiert.

Gleichzeitig wurde der berechtigte Ruf nach Gleichberechtigung lauter und führte zu gesellschaftlichen Veränderungen. Frauen benötigten keinen Aufpasser und Beschützer mehr. Was früher Galanterie war, wurde nunmehr patriarchiales Gehabe.

Bei einigen Männern führte die Entwicklung dazu, dass sie dachten, Frauen seien nunmehr Freiwild, die jederzeit und überall angemacht werden könnten nach dem Motto: Minirock und tiefer Ausschnitt = Paarungsbereitschaft. Und sie hatten damit durchaus Erfolg.

Trotzdem liegt es einzig an den Männern, Frauen mit genauso viel Respekt und Würde zu behandeln, wie sie Männer behandeln und selbst behandelt werden möchten. Klar ist aber auch, dass sich niemals alle Männer daran halten werden. Ein Rest Unsicherheit wird in einer freiheitlichen Gesellschaft bleiben.


QuoteFuxx_1980 #181

Ich habe manchmal den Eindruck, das ist so ein generelles Frauending, dass sie Männer ändern möchten anstatt erst einmal bei sich selbst anzufangen.


QuotePolitik macht traurig #181.1

Also sind die Frauen selbst Schuld. Wie gut dass die Männer das wieder geklärt hätten.


...

Link

Quote[...] Neun Frauen. Die Zahl der weiblichen Opfer, die in diesem Jahr auf gewaltsame Art und Weise ihr Leben verloren hat, ist erneut angestiegen. Am Donnerstagabend gegen 20 Uhr, soll in Wien-Brigittenau eine 35-jährige Frau in ihrer Wohnung von ihrem Ex-Partner erschossen worden sein. Ein 42-jähriger Mann wurde von der Polizei in schwerem Rauschzustand im Hof des Gemeindebaus vorgefunden, er wurde – wie auch das 35-jährige Opfer – ins Krankenhaus gebracht. Die Frau erlag dort ihren Schussverletzungen in Kopf und Bein.

... Der Tatverdächtige, der am Donnerstagabend seine Ex-Freundin erschossen haben soll, war bereits am Freitagnachmittag ansprechbar, wie sein Rechtsanwalt erklärte. Er wurde zur polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter vorgeführt. Dabei machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Er war zu keinen Angaben zum Tatgeschehen bereit, hieß es von der Landespolizeidirektion. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt sich um den sogenannten "Bierwirt", der durch seinen Prozess gegen Maurer bekannt wurde. (balm, ook, 2.5.2021)

...


Aus: "Gewaltschutz: Grüne kündigen nach Femizid breite Kampagne gegen Männergewalt an" Matthias Balmetzhofer, Oona Kroisleitner (2. Mai 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126318668/gruene-kuendigen-nach-femizid-breite-kampagne-gegen-falsche-maennlichkeit-an

Quote
Alleshalbsowild

Endlich haben die Grünen ein Thema gefunden und seine Heiligkeit lässt den kleinen Koalitionspartner ein wenig spielen. Leider erreicht man die Gruppe der gewalttätigen Männer und auch die wenigen gewalttätigen Frauen mit einer gut gemeinten Aktion sicher nicht. Die Gründe für diese Gewalt gehören bekämpft und das ist Arbeitslosigkeit, Sorgen, finanzielle Probleme, Alkohol, Drogen und noch einiges mehr.


Quote
sofast

Religion....Ehrverständnis....


Quote
sofast

Wir haben Jahrzehnte, etliche Jahrzehnte gebraucht bis es in der Allgemeinbevölkerung verankert war, dass Frauen und Kinder nicht Eigentum des Familienherrschers sind.
Ich erinnere: Die Familienrechtsreform war in den 1970ern.
Jetzt, 50 Jahre danach, ist in den Köpfen der Leute, die danach geboren und aufgewachsen sind klar, dass es nicht rechtens ist, Frauen und Kinder (und auch andere Männer!!!!) zu schlagen. Ausnahmen bestätigen die Regel. ...


Quote
Fundoplicatio

Seit Jahrzehnten setzen sich die Grünen für Massenzuwanderung von genau solchen Kulturen ein, wo die Frau als Individuum nicht viel wert ist, und nun, man höre und staune, sind sie tatsächlich überrascht und empört, dass etwa 70% aller "Femizide" in ebendiesem Kulturkreis verübt werden. Es ist schon ziemlich skurril, wenn sich jetzt VdB, Maurer und Mückstein über die Situation in Österreich beschweren, die sie zum Gros selbst zu verantworten haben. Verkehrte Grüne Welt.


Quote
Bazinga !

... Aber was soll eigentlich diese Unterscheidung zwischen Inländer und Ausländer ? ...


Quote
Char Ming

Der Bierwirt ist ein Einheimischer.


Quote
Loring Miner

"falschen Männlichkeit"

Präventions-Kampagne ?
So einfach wie Frau/ Mann sich die Sache vorstellt wird es nicht werden.
Da werden Jahrzehnte ins Land ziehen, bis sich etwas ändert.
Meine Prognose: Es wird schlimmer, wegen der Arbeitslosigkeit, Delta Arm/Reich, Migration, Versäumnisse in der Bildungspolitik udgl.


Quote
_wtf_

Mehr Geld für Frauenhäuser und Einrichtungen, Entstigmatisierung und besserer Opferschutz. Eine medienwirksame Kampagne oder künstliche Empörung erreicht die Zielgruppe nicht und ist eine Feigenblattaktion.

2018 wurde von Schwarz/Blau das Budget gekürzt, zur Erinnerung:
"Frauenprojekten in Österreich wird massiv das Budget gekürzt"
Die Liste der betroffenen Vereine wird immer länger. Ein Überblick, um wie viel Geld und um welche Frauenvereine es sich handelt
Beate Hausbichler, 26. Juli 2018
https://www.derstandard.at/story/2000084071322/frauenprojekte-in-oesterreich-von-massiven-budgetkuerzungen-betroffen


Quote
Bhatura

Übrigens weil die Frauenhäuser angeblich Ehen zerstören würden.
Danke Schwarz(Türkis)/Blau!


Quote
sofromt

In welchen sprachen wird's denn die Kampagne denn geben?
Frage für einen Freund...


Quote
theWatcher14

Ja genau, weil der Bierwirt ja ein Migrant ist.


Quote
Jorge Salcedo

Der Bierwirt nicht, aber die meisten anderen Frauenmörder im Jahr 2021 haben Migrationshintergrund.
Trotz niedrigem Anteil an der männlichen Gesamtbevölkerung ist diese Gruppe also bei Frauenmorden (und auch bei Morden generell) stark überrepräsentiert. So sehen nun mal die Fakten aus - diese sind ziemlich eindeutig.
P.S.: Wäre der Mörder nicht der Bierwirt, sondern ein Afghane gewesen, hätte es die Pressekonferenz der Grünen heute wsl. nicht mal gegeben.


Quote
Surfer

Acht Morde schweigen und dann der Bierwirt....
Und jetzt bewegt sie sich....


Quote
john tender

Die augenscheinlichste Gemeinsamkeit ist: die Täter sind alles Männer.
Der Rest ist rassistischer Dreck.


...

Quote[...] WIEN taz | Tatort: ein Gemeindebau in Wiens 20. Bezirk Brigittenau. Donnerstag gegen 20 Uhr überwältigten Beamte der Polizei-Sondereinheit WGA einen volltrunkenen Mann, der im Hof mit einer Pistole hantierte. In einer Wohnung des weitläufigen Baus rang eine 35-jährige Frau nach einem Kopfschuss mit dem Tod. Wenige Stunden später starb sie im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter: ein Mann, der als ,,Bierwirt" eine gewisse Bekanntheit erlangt hat.

Der 42-jährige Wiener, der ein Craftbeer-Lokal betreibt, focht jahrelang einen Rechtsstreit mit der Fraktionschefin der Grünen, Sigrid Maurer, aus. Sie war auf ihrem Weg zur Arbeit immer wieder von Männern, die vor dem Lokal ihre Bierkrüge stemmten, verbal belästigt worden. Eines Tages erhielt sie über Facebook Botschaften aus der Kneipe, die den Gewaltfantasien eines sexuell Frustrierten entsprungen sein mussten. Als sie diese öffentlich machte, wurde sie vom Bierwirt verklagt: üble Nachrede. Nach längerem Hin und Her vor dem Wiener Landesgericht zog er schließlich seine Klage zurück.

Der Mann, der der Öffentlichkeit seit dieser Affäre als ,,Bierwirt" bekannt ist, soll jetzt seine ehemalige Lebensgefährtin vor den Augen ihrer zwei Kinder und ihrer Mutter erschossen haben. Die Frau, die vor Gericht noch ein tadelloses Leumundszeugnis für ihn abgeben hatte, wollte ihn offenbar endgültig verlassen.

Sigrid Maurer reagierte betroffen: ,,Wir kennen die Mechanismen hinter der Gewalt: Frauenverachtung, Unfähigkeit, Konflikte zu lösen, die Wahrnehmung, Männer wären Frauen übergeordnet". Vor Gericht hatte der Mann das Reden seinem Anwalt überlassen. Reue war ihm nicht anzumerken.

In den bestürzten Analysen des jüngsten Frauenmordes ist viel von toxischer Männlichkeit die Rede. ,,Männer werden immer kränkbarer, dünnhäutiger, und sie können diese Gefühle nicht ansprechen. Damit kocht und wuchert die Aggression innerlich weiter", sagt der Psychologe Reinhard Haller im Kurier. Der Narzissmus sei früher eine Sünde gewesen: ,,Heute wird er zum Lebensideal. Trump hat es vorgelebt. Doch dazu gehört eben auch die Kränkbarkeit, die dann zur Achillesferse wird."

In der Tat kann man bei den bisher neun Femiziden in Österreich seit Jahresbeginn ein Muster verfolgen: gekränkter Mann will die Trennung seiner Frau/Freundin/Lebensgefährtin nicht hinnehmen und bringt sie um. Neun Frauen sind bisher nach diesem Muster ermordet worden. Die meisten Täter haben sich gestellt. Einer hat die Frau in ihrem Zeitungskiosk mit Benzin übergossen und angezündet. Dann verschloss er die Tür und warf den Schlüssel weg. Die Frau starb vier Wochen später an ihren schweren Verbrennungen.

Unter den bisherigen Tätern finden sich Zuwanderer genauso wie autochthone Österreicher. Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), die bisher wenig für den Schutz von Frauen geleistet hat, will jetzt einen Gipfel gegen Gewalt gegen Frauen einberufen.




Aus: "Femizide in Österreich: Erst pöbeln, dann morden" Ralf Leonhard Auslandskorrespondent Österreich (2.5.2021)
Quelle: https://taz.de/Femizide-in-Oesterreich/!5765065/

Link

Quote[...] Mit falschen Versprechen und manipulativen Methoden brachte die Plattform "Girls Do Porn" ab dem Jahr 2009 hunderte junge Frauen dazu, an pornografischen Filmen mitzuwirken. Zugesagte Zahlungen wurden kurzfristig gekürzt, Videos entgegen anderslautenden Zusicherungen breit zugänglich gemacht und beworben – und darüber hinaus Daten der Opfer veröffentlicht.

22 von ihnen zogen vor Gericht, 2020 wurden ihnen gerichtlich mehrere Millionen Dollar als Wiedergutmachung zugesprochen. Der Fall beschäftigt die US-Behörden aber heute noch. Zwei der Betreiber, Ruben Garcia und Teddy Gyi, bekannten sich erst im Dezember verschiedener Tatbestände schuldig, die Buchhalterin Valerie Moser im April. Ein Eigentümer, Matthew Wolfe, wartet noch auf sein Verfahren. Sein Geschäftspartner, Michael Pratt, ist flüchtig, dürfte das Land verlassen haben und steht auf der Most-Wanted-Liste des FBI.

Zudem erfolgten auch mehrfach Klagen gegen den kanadischen Konzern Mindgeek, der eine Reihe von Pornoplattformen im Netz – darunter Redtube, Youporn und Pornhub – betreibt, weil dort viele der widerrechtlich entstandenen Aufnahmen weiter abrufbar waren und auch auf Verlangen nicht entfernt wurden. Unter den Klägern sind auch 40 Girls "Do Porn"-Opfer, die seit April jeweils eine Million Dollar Schadenersatz einfordern und dem Unternehmen vorwerfen, aus Profitgier untätig geblieben zu sein, obwohl man über die Praktiken des Geschäftspartners im Bilde war.

Das löste auch eine Diskussion über die Existenz zahlreicher nonkonsensualer Aufnahmen und Missbrauchsvideos auf derlei Plattformen aus. Mindgeek reagierte schließlich auf die Klagen und den öffentlichen Druck, löschte zuerst Clips von "Girls Do Porn" und später zigtausende Videos, deren Entstehung in Zweifel steht. Zudem führte man neue Verifikationsmechanismen ein. Es laufen aber weiterhin Verfahren gegen die Firma.

Während die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und die Mühlen der Justiz arbeiten, kämpfen die Betroffenen noch heute. "Motherboard" schildert etwa ein Gespräch mit einer Frau, die 2015 in die Falle ging. https://www.vice.com/en/article/k78avm/girls-do-porn-still-fighting-harassment-youtube

Die Studentin ("Jane", Name geändert) im zweiten Jahr folgte der Einladung eines "Modeling-Scouts", der ihr eine schnell verdiente, hohe Geldsumme versprach. Sie wusste im Vorfeld, dass es um nicht jugendfreie Aufnahmen gehen würde, aber keine weiteren Details. Obwohl sie anfangs verunsichert war, ließ sie sich zur Teilnahme überzeugen, da sie mit dem Geld ihre Eltern unterstützen wollte. Statt in einem Filmset landete sie in einem Hotelzimmer mit einer Visagistin, die bald darauf verschwand, und zwei Männern. Sie erfuhr auch, dass sie Sex mit einem der beiden Männer haben solle. Nachdem sie sich vor der Kamera ausgezogen hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass ihr aufgrund von Narben und Zellulitis der in Aussicht gestellte Betrage um mehrere tausend Dollar gekürzt werde.

Jane entschuldigte sich kurz und ging ins Badezimmer, wo sie feststellte, dass ihre Regelblutung eingesetzt hatte. Also hoffte sie, dass dies eine Verschiebung des Drehs und ihr einen Ausweg aus der Situation bescheren könnte. Als sie wieder aus dem Bad kam, war ihr Gewand samt Geldbörse und Ausweis verschwunden. Nachdem sie auf ihre Menstruation hingewiesen hatte, führte ihr einer der Männer, ohne um Erlaubnis zu fragen, ein Schwämmchen ein.

Danach, so sagt sie, hatte sie Angst, abzusagen, da sie den zwei Männern weitere Gewalt zutraute. Der Vertrag wurde nur eilig durchgeblättert und sie zur Unterschrift gedrängt. Der als "kurz" angekündigte Dreh fand statt. Mehrere Bitten, aufgrund von Schmerzen abzubrechen, wurden ignoriert. Nach fünf Stunden verließ sie das Hotel.

Ihr war zugesichert worden, dass die Aufnahmen nur auf DVD an "Sammler" in einschlägigen Geschäften in Neuseeland und Australien verkauft werden würden. Stattdessen tauchte das Material im Netz auf, wo auch Freunde von ihr darauf stießen. Die Betreiber bewarben die Videos aktiv auf anderen Seiten. In ihrem Umfeld waren bald alle informiert.

Nicht nur das: Von Ende 2015 bis Mitte 2016 gehörte den Betreibern auch die Seite "PornWikileaks". Dort veröffentlichten sie Namen, Adressen, Telefonnummern, Mailadressen und Social-Media-Accounts von ihnen und ihren Familienmitgliedern – eine Praxis, die man auch als "Doxxing" kennt. Freunde und ihre Cheerleadergruppe stützten sie in dieser Zeit gegen Hassbotschaften.

Mittlerweile sei die Situation besser geworden, aber immer noch werde sie angegriffen. Nachdem Jane beruflich in der Finanzbranche erfolgreich aufgestiegen war, landete eine E-Mail bei ihrem Chef, die ihre Vergangenheit einmal mehr offenlegte. Wenngleich das Unternehmen sich hinter sie stellte, fürchtet sie sich davor, dass beruflicher Erfolg ihren Namen zu bekannt machen und eine neue Welle digitaler Belästigung und Doxxing auslösen könnte. Sie wechselte schließlich ihren Arbeitsplatz. Die traumatischen Erlebnisse beeinträchtigen auch ihr Beziehungsleben.

Sie hat zudem die Erfahrung gemacht, dass etwa Youtube und Twitter stumm bleiben, wenn sie inkriminierende Beiträge meldet. In einem Fall hatte sich jemand unter ihrem Namen auf Youtube angemeldet, Screenshots ihrer beruflichen Laufbahn von Linkedin zusammengeschnitten und dazu eine Anleitung verfasst, wie man per Suchmaschine die Aufnahme finden kann. Denn ihr Video aus dem Hotelzimmer ist nach langem Kampf zwar von den meisten Seiten entfernt worden, aber auf manchen immer noch gehostet. Es dauerte fünf Monate, ehe die Plattform erst auf Anfrage von "Motherboard" reagierte.

Kritik gibt es auch von Charles DeBarber, Privacy-Analyst bei einer Kanzlei, die sich auf die Entfernung nonkonsensualer Pornoaufnahmen spezialisiert hat. Youtube sei seiner Erfahrung nach jenes Portal, das am schwersten dazu zu bewegen sei, etwas zu tun. Auch auf ihn hatte man nicht reagiert, als er im Auftrag von Jane Kontakt aufgenommen hatte. Youtube anzuschreiben sei "wie ins Leere zu schreien". Die Plattform würde sich nicht an ihre eigenen Nutzungsbedingungen halten.

Janes Fall steht auch für viele andere Betroffenen, die bisher bei Prozessen ausgesagt haben. Auch sie berichten von vielen falschen Versprechungen und einer Situation, an der sie sich letztlich aus Angst vor Gewalt am Dreh beteiligt haben. Und längst nicht alle erfuhren nach Bekanntwerden der Aufnahmen Unterstützung durch Verwandte und Freunde.

"Niemand in dieser Situation hat jemals 'gewonnen', selbst wenn seine Gerichtsverfahren gut laufen", sagt DeBarber. "Es ist so einfach, Opfer zu beschuldigen, viel einfacher, als ihnen zu helfen. Bei vielen meiner Klienten frage ich mich, wie sie jemals wieder irgendwem vertrauen können." (gpi, 4.5.2021)


Aus: "Gefilmter Missbrauch: Opfer von "Girls Do Porn" werden auch Jahre später noch belästigt" (5. Mai 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126389264/gefilmter-missbrauch-opfer-von-girls-do-porn-werden-auch-jahre

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Quote[...] An einem späten Abend im Februar wird Lale Gül klar, dass sie das alles unterschätzt hat. Zwei Tage ist es erst her, dass ihr Buch ,,Ik ga leven" veröffentlicht wurde. Nun ist sie auf dem Heimweg von ihrer ersten Talkshow, und ihr Telefon steht nicht mehr still. 20-, 30-, 40-mal klingelt es. Die Anrufer, Verwandte oder Bekannte, empören sich, dass sie soeben forderte, in den Moscheen des Landes solle auf ­Niederländisch gepredigt werden. Und dann äußerte sie sich auch noch abschätzig über Koranschulen!

Was Gül nicht weiß: Dies war nur der Anfang. Als die 23-Jährige Studentin der niederländischen Literatur, geboren und aufgewachsen als Tochter anatolischer Gastarbeiter in Amsterdam, die Wohnung der Familie betritt, sitzt dort die halbe Nachbarschaft im Wohnzimmer. Alle zugleich fallen über sie her, die Vorwürfe fliegen ihr um die Ohren: ,,Wir Muslime haben es schon schwer genug!" – ,,Schämst du dich nicht? " – ,,Wie kannst du nur so ein Buch schreiben? Das sorgt für Hass und Rassismus!"

Das Erste, was auffällt, wenn Lale Gül über all das spricht, ist, wie abgeklärt sie dabei klingt. Dabei hat ,,Ich werde leben", so der Titel ihres Debüts auf Deutsch, ihr Leben gelinde gesagt auf den Kopf gestellt. Sie ist untergetaucht, wohnt an einem unbekannten Ort, Treffen mit Journalisten sind nur im Geheimen möglich. Eben stieg sie aus dem Taxi, auf das sie derzeit angewiesen ist, aus Sicherheitsgründen. Oft wird sie von jemandem aus ihrem Verlag begleitet. Wenn sie ihr Buch, das seit elf Wochen auf der Bestsellerliste steht, irgendwo signiert, geschieht das immer unangekündigt.

Lale Gül ist eine elegante Erscheinung. Das lange Haar trägt sie offen, dunkle Bluse und Hose, viel Schmuck. Sie hat einen langen Weg hinter sich, der in der Kolenkitbuurt begann. Dieses Viertel ganz im Westen Amsterdams, jenseits der Stadtautobahn, war vor Jahren als schlechtestes des Landes verrufen. Hier wurde sie als Kind täglich mit einem Euro zum Supermarkt geschickt, um diesen je zur Hälfte in Weißbrot und Frischkäse zu investieren, ihr Standardfrühstück und -mittagessen. In der Stadtteilbibliothek fand sie die Inspiration, weiter zu denken, über die graubraunen Wohnblocks mit beengten Behausungen hinaus. Die Bücher erschlossen ihr eine andere Welt.

Zu Beginn des Treffens ist sie sachlich und abwartend. Ihre Stimme klingt warm, sie wirkt ruhig und gefasst. Die eigene Situation beschreibt sie mit analytischer Schärfe: Sicherer fühlt sie sich, jetzt, da niemand sie zu finden weiß. ,,Ich habe mehr Ruhe in meinem Kopf." Andererseits: Sie vermisst ihren Bruder und die kleine, achtjährige Schwester, die sie über alles liebt und für die sie sich verantwortlich fühlt. Aber: ,,Ich musste weg von zu Hause. Ich konnte so nicht weiterleben." Die Stadt hilft ihren zwischenzeitlichen Unterschlupf zu bezahlen.

Es war irgendwann im März, als sie untertauchte, nach Dutzenden islamistischen Morddrohungen, die sie über Social-Media-Kanäle erhielt. Von jeder einzelnen hat sie Screenshots gemacht. ,,Schau hier", sagt sie und zeigt die Beweisstücke des Shitstorms an Militanz, der über sie hereinbrach, auf dem Bildschirm ihres Telefons. Ein Gruselkabinett erscheint, das sie präsentiert, ohne eine Miene zu verziehen: ,,Fotos von Waffen. Eine Pistole. Ein Maschinengewehr. Ein Video mit einem IS-Lied." Hat sie Anzeige erstattet? ,,Selbstverständlich. Jede Woche."

Was Lale Gül all diesen Hass eingebrockt hat, ist ihre mehr als 300-seitige Abrechnung mit dem stockkonservativen, türkisch-nationalistischen Milieu, in dem sie aufgewachsen ist. Sie empfindet es als ein Korsett aus erstickender Moral, in dem Musik und figurbetonte Kleidung verboten sind, doch das Kopftuch ab der ersten Periode obligatorisch ist. Ausgehen, flirten, Beziehungen gar werden ihr als junger Frau untersagt, selbst Freundschaften mit Jungs. Zwölf Jahre lang steht jedes Wochenende Indoktrinierung in der Millî-Görüş-Koranschule an, dazukommt die tägliche türkische Fernsehpropaganda aus der Satellitenschüssel.

Aus Sicht der Protagonistin Büsra geschrieben, ist ,,Ik ga leven" auch die Chronik einer jugendlichen Dissidenz bis hin zum Abfall vom Glauben. Schon früh lehnt sie sich gegen das strikte Regime der ultrareligiösen Mutter auf. Sie verschlingt Bücher in einem Haushalt, in dem außer dem Koran nichts gelesen wird. Drei Jahre lang hat sie eine geheime Beziehung zu einem Nichtmuslim in Den Haag, und die Beschreibung ihres sexuellen Erwachens ist so euphorisch, wie der Drang zum Ausbruch aus dem Tugenddiktat tief sitzt.

Die Essenz des Buchs, das die Niederlande seit Monaten in Atem hält, über das in allen Medien berichtet und in Freundeskreisen diskutiert wird, ist die eines individuellen Lebensentwurfs, der sich mit Verve gegen ein autoritäres Kollektiv richtet: ,,Kind Gottes, Dienstmädchen, konformistisches Mitglied des Gemeinwesens, keusche Ehefrau eines koranfesten Gatten. Ich bekomme Flecken im Gesicht, wenn ich daran denke." Mit diesen Worten verweigert die Protagonistin den ihr zugedachten Platz. Sie legt ihr Kopftuch ab und entzieht sich allen Versuchen einer arrangierten Hochzeit.

Gründlich seziert sie dabei immer wieder ihre Umgebung, erklärt die eigene Gedanken- und Gefühlswelt, die Frustrationen, die Wünsche, die Schlussfolgerungen. Vielfach springt sie zwischen autobiografischem Roman und Essay hin und her, und natürlich ist das Ganze auch ein Manifest im Namen von Aufklärung und individueller Freiheit. ,,Ich dachte", sagt Lale Gül, ,,dass man gar nicht anders könnte, als mich zu verstehen, wenn ich das alles so gründlich es geht erkläre. Aber da war ich wohl etwas naiv."

Rückblickend muss sie fast lachen darüber, wie unvorbereitet sie auf diesen Sturm war. Je mehr sie ins Plaudern gerät, desto mehr vermitteln kleine Details einen Eindruck vom Entstehungsprozess dieses Buchs. Etwa, dass sie den Eltern erst nichts davon erzählte, bis der Vater unvermittelt den Karton mit den Autorin-Exemplaren in Empfang nahm. ,,Hast du ein Buch geschrieben?", fragte er verdutzt, als er ihr Foto auf dem Umschlag sah. ,,Ach, nur eine Liebesgeschichte", so ihre lakonische Antwort. ,,Ich dachte, ein paar Interessierte würden es lesen, Freundinnen, Bekannte. Und dass sich einige in der gleichen Lage darin wiederfinden."

Womit sie nicht rechnete, war das Medieninteresse und die Dynamik, die daraus folgte. Ihr Alltag wird zum Spießrutenlauf: Empörte Nachbarn klingeln, es hagelt aggressive Anrufe von Verwandten aus der Türkei, auf der Straße wird sie beschimpft und bespuckt. Dazu kommen die Morddrohungen. Eine Zeit lang traut sich die Debütantin kaum noch aus dem Haus.

,,Mein Vater ist der Briefträger im Viertel. Jeder dort weiß, wo ich wohne." Auch aus den Medien zieht sie sich in dieser Zeit zurück. Sie erwägt, die gerade erst begonnene literarische Karriere gleich wieder zu beenden. Später beschließt sie, nicht mehr über den Islam zu schreiben, weil das Leben ihr zu lieb ist.

Auch das Verhältnis zu den Eltern ist nun zum Bersten gespannt. Sie sorgen sich um sie und sind zugleich wütend und verletzt. Der Vater wird überall auf seine vermeintlich ehrlose Tochter angesprochen, bis ihm permanent die Hände zittern. Die Mutter, schon länger depressiv, droht mit Selbstmord und sagt ihrer Tochter, sie hätte lieber einen Stein geboren. Wer sich wundert, wie die Frau mit 23 Jahren in dieser Situation so ruhig wirkt, findet hier einen Hinweis. ,,Irgendwann schaltest du deine Emotionen aus", sagt Lale Gül.

Anfang März gibt sie in der Tageszeitung Trouw ein bemerkenswertes Interview. ,,Die Niederlande sind ein individualistisches Land. Im Rest der Welt ist es ziemlich normal, dass du deine Familie behalten willst", sagt sie dort. Und dass es sie nicht glücklich machen würde, mit ihr zu brechen. Sie berichtet von Abenden auf dem Sofa, mit Tee und türkischen Seifenopern im Fernsehen. ,,Dann geht es nicht um ideologische Unterschiede, sondern wir sind eine gesellige Familie, und das finde ich auch wieder schön."

In einer Situation freilich, die derart unter Spannung steht, wird der Raum für solche Zwischentöne mehr als knapp. Im Nachhinein sieht sie die Sache so: ,,Deine Familie ist eigentlich dein safe house, wo du immer hinkannst, wenn es dir nicht gut geht. Eine Beziehung kann enden, Freundschaften können sich verlieren. Darum wollte ich den Kontakt nicht abbrechen. Meine Eltern sind keine schlechten Menschen, nur sehr konservativ. Aber ihre Liebe ist eben nicht bedingungslos. Irgendwann hätte ich mein Glück ihrem opfern müssen."

Dass niemand anderes als der rechtspopulistische Politiker Geert Wilders indirekt den endgültigen Bruch auslöste, ist bezeichnend dafür, wie tief Lale Gül zwischen die Fronten einer chronisch überhitzten Debatte geraten ist. Bei der letzten Fernsehdebatte vor den Parlamentswahlen Mitte März lobt Wilders ,,diese tapfere türkische Frau, die den Islam verlassen hat und nun bedroht wird. Das ist der Beweis, dass der türkische Islam sich in den Niederlanden nicht integriert". Lale Gül erklärt später in niederländischen Zeitungen: ,,Die Hölle brach los, als ich von Geert Wilders gepriesen wurde. Das war der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ."

Obwohl der Wahlkampf von der Coronakrise dominiert wird und das Thema Identität keine große Rolle spielt, bekommt die Debatte um ihr Buch in dieser Zeit zusätzliche Brisanz. Zeki Baran, Vorsitzender des ,,Mitbestimmungsorgans der Türken in den Niederlanden" und Mitglied der sozialdemokratischen Arbeitspartei, nennt es ,,Hetzerei" und wittert eine Verschwörung: Absichtlich sei es kurz vor den Wahlen veröffentlicht worden, um die politische Rechte zu stärken.

Die Partei DENK wiederum, besonders stark im Milieu der ,,Nederturken", plaziert eine Anzeige auf der Website einer türkischen Zeitung, wonach sie gegen ,,Feinde des Islams" vorgehen werde – just über einem Artikel, der Lale Gül als eben solche bezeichnet. Ein Parteisprecher macht dafür einen Algorithmus verantwortlich. Der DENK-Vorsitzende im Amsterdamer Stadtrat, Numan Yılmaz, kritisiert kurz darauf die Bedrohungen gegen die Schriftstellerin, wirft ihr aber zugleich vor, sie sei islamophob und verfolge eine PR-Kampagne.

Freilich hat sich Lale Gül in ihrem Buch auf eine Art exponiert, wie es innerhalb der türkischstämmigen Communitys selten geschieht: Als ihr der Vater durchaus aufdringlich dazu rät, den DENK-Gründer Tunahan Kuzu zu wählen – ,,der Einzige im Parlament, der an unsere Interessen denkt" –, lässt sie ihn abblitzen: ,,Er steht für identitäre Bubble-Interessen." Der Vater nennt sie daraufhin eine ,,Nestbeschmutzerin, die sich als Maskottchen der rassistischen Niederlande hergibt". Die Tochter sieht in dieser Rhetorik freilich einen Hinweis darauf, wie ähnlich sich die migrantische DENK und die Rechtspopulisten in ihrem Fokus an die vermeintlich eigene Bevölkerungsgruppe sind.

Eigentlich kann sie schon mit diesen Kategorien rein gar nichts anfangen, weil sie ihre Identität ganz anders definiert. Türkisch, niederländisch, amsterdamerisch: Sie ist all das – und vor allem Letzteres. Man hört ihr das an. Und es klingt auch im Buch durch, das sich nicht nur ab und zu in akademischen Diskursen über Gruppenidentität oder Integration ergeht, sondern auch den Straßenslang der Hauptstadt geradezu kultiviert. Es sind die beiden Welten der Grenzgängerin Lale Gül, die im Gespräch berichtet, dass just der raue Amsterdamer Einschlag von Lesern anderswo im Land oft als zu grob empfunden werde.

Offensiv ist das Werk auch in einem übertragenen, symbolischen Sinn: Von Beginn an kann man ihr dabei zusehen, wie sie ihr eigenes geistig-kulturelles Terrain absteckt, das weit über den Horizont eines Migrantenkinds aus der Kolenkitbuurt herausgeht. Einem Nietzsche-Zitat folgen gleich fünf von Eduard Douwes Dekker, der unter seinem Pseudonym Multatuli zum Klassiker der niederländischen Literatur wurde. Und kann es für eine Schriftstellerin wie sie eine deutlichere Standortbestimmung geben, als der Leserschaft gleich im ersten Absatz einen ,,Cruijff'schen Ratschlag" zu erteilen? Was Lale Gül mit Johan ­Cruijff, dem begnadeten Amsterdamer Fußballspieler der 1970er und 1980er Jahre, verbindet, ist dieser Lokalkolorit, der nach armem Viertel riecht.

Ähnlich selbstbewusst markiert Lale Gül ihre gesellschaftliche Position: ,,Ich identifiziere mich mit säkularen Türken, aber nicht mit religiösen, und genauso wenig habe ich was mit religiösen Niederländern am Hut", erklärt sie. Ihr Buch, das sich nicht selten wie sarkastische ethnografische Erkundungen liest und dabei durchaus Humor beweist, spiegelt dies wider: Da vergleicht sie die orthodoxen Muslime mit dem niederländischen Städtchen Staphorst im fundamentalistisch-calvinistischen bible belt und nennt ihr Umfeld in Amsterdam-West ,,eine Art orientalische SGP". Letztere ist die Partei der Hardcore-Calvinisten, die erst im Jahre 2013 Frauen auf ihren Wahllisten zuließ.

Was Lale Gül schwer gegen den Strich geht, ist der kulturelle Relativismus manch Progressiver im Land. ,,Sie denken, die islamische Kultur besteht aus schönen Kopftüchern und der Geselligkeit des Ramadans." Vergessen werde dabei, dass sich Schwule in solchen Communitys nicht outen können und man Frauen, die über ihr Leben selbst bestimmen wollen, als ,,Huren" bezeichnet. ,,Neulich wurden in einem Artikel Feministinnen zitiert, die mich mutig fanden, sich aber kein Urteil anmaßten, weil es sozusagen nicht ihre Kultur sei."

Es gibt einen Aspekt, der diese Frau aus den gängigen Mustern und Gesetzmäßigkeiten des niederländischen Diskurses hervorhebt. Mehrfach kam es vor, dass IslamkritikerInnen oder Abfällige wie durch magnetische Kräfte von rechten Parteien angezogen wurden. Lale Gül scheint für diese Dynamik nicht empfänglich. Was vielleicht damit zu tun hat, dass der Vater ihres Exgeliebten Geert Wilders' PVV nicht nur wählt, sondern auch mit Spenden unterstützt. Und ausgerechnet zu diesem Vater, der sie am Anfang wegen des Kopftuchs, das sie damals noch trug, kritisch beäugte, baute sie eine besonders herzliche Beziehung auf.

Der Rahmen dieser Beziehung spiegelt den asymmetrischen Frontverlauf der ganzen Debatte. Auf den Straßen Den Haags schlägt dem jungen Paar immer wieder unverhohlen Rassismus entgegen. Doch ausgerechnet der väterliche Wilders-Wähler bietet ihnen irgendwann an, sie zu verteidigen – körperlich, versteht sich. An seinen politischen Vorlieben indes ändert das nichts. Und während er die Freundin seines Sohns fest in sein Herz geschlossen hat, darf seine Tochter auf gar keinen Fall mit einem muslimischen Jungen nach Hause kommen. Eine Logik, die Lale Gül von ihrer eigenen Familie in Amsterdam seltsam bekannt vorkommt.

Nun, da sie diese, ihre eigene Familie hinter sich gelassen hat, liegt vor ihr ein neues Leben mit Freiheiten, die sie zuvor niemals besaß. Vorerst aber kann Lale Gül davon wenig genießen. Sie lebt weiter im Versteck, auch wenn die Bedrohungen nach zwei Festnahmen inzwischen abgenommen haben. Während die Niederlande langsam die ersten Coronabeschränkungen aufheben, dauert Lale Güls Lockdown an. Wenn in diesen Tagen an ihrer Universität die Vorlesungen wieder beginnen, ist ihr bei diesem Gedanken mulmig zumute. Sie fragt sich, wie sie dort überhaupt hinkommen soll.


Aus: "Bedrohte Autorin in den Niederlanden: Zwischen allen Fronten" Ein Artikel von Tobias Müller (5.5.2021)
Quelle: https://taz.de/Bedrohte-Autorin-in-den-Niederlanden/!5765575/

QuoteKatholischer Atheist
5. Mai, 17:53

Na, da bin ich ja mal gespannt auf die Kommentare ...


QuoteVolker Scheunert
6. Mai, 11:14

Was mich - selbst Vater einer Tochter - erschuettert, ist Folgendes:

"Aber ihre Liebe ist eben nicht bedingungslos. Irgendwann hatte ich mein Glueck ihrem opfern muessen." Was geht in den Koepfen solcher Eltern ab? Es gibt bestimmt auch heute noch "bio-"deutsche oder -niederländische Eltern, die ihren Toechtern sagen: "Mit einem Auslaender brauchst Du Dich bei uns nicht mehr blicken zu lassen." Dieser Wahn aber, als kleine, aber im Selbstverstaendnis einzige nach Gottes Willen lebende, Gemeinschaft in einer zutiefst gottlosen und rassistischen Umgebung, von jedem Mitglied, besonders den weiblichen, absolute Loyalitaet zu fordern, hat etwas zutiefst Paranoides. Das laesst sich auch bei manchen christlichen Gruppierungen, bei rechtsradikalen Sekten, und, zumindest frueher, durchaus auch bei lesbischen Separatistinnen beobachten. Abweichler:innen, Ketzer:innen, Individualist:innen, Aussteiger:innen und "Verraeter:innen" können da froh sein, wenn man sie ohne allzuviel Psychoterror oder gar Morddrohungen ziehen laesst. Ich wünsche Lale Guel weiterhin viel Kraft und jede Menge gute "Wahlverwandtschaft" (nicht Geert Wilders!), auf dass sie ihren eigenen Weg weitergehen kann. Wer weiss, vielleicht kommt auch ihre Familie irgendwann zur Besinnung, und sieht ein, dass ihre freiheitsliebende Tochter ihre Liebe und Loyalitaet verdient, und nicht ihre konformistische Gemeinschaft.


QuoteSonntagssegler
Montag, 14:07

@Volker Scheunert Unsereins muss sich natürlich mit schlecht fundierten Analysen über einem ferne Communities zurückhalten.

Mir ist allerdings in dem Artikel die extrem konservative Mutter aufgefallen. Ich erinnere mich, das dieses Verhalten bei Frauen in Migrantengruppen oft darauf zurückzuführen ist, dass Frauen bei der Integration in die "neue" Welt" extrem benachteiligt sind und sich außerhalb der Familie keine respektvolle Position erarbeiten können.

Daher reduzieren sie ihre Position auf Kompetenzen, die sie aus ihrer alten Heimat mitnehmen konnten, also Familie und Tradition.

Mit zunehmender Bildung der Mädchen/Frauen zerfällt das Muster.

Im Übrigen scheinen ja auch diese Leute in dem Viertel ziemlich krass zu sein. Unsere türkischen Nachbarn wären entsetzt.


QuoteWaldo Montag, 13:59

Starke Frau ....


QuoteSonntagssegler Montag, 13:58

Selten wird ein Mensch bei der taz so uneingeschränkt angehimmelt. Hat es etwa den Autor beim Schreiben erwischt - und womöglich mich beim Lesen mitgerissen?


QuoteJohnBowie
gestern, 20:52

@Sonntagssegler Sehr frustrierend finde ich, dass sich wohl in den letzten 40 Jahren sehr wenig getan hat.

Ich hatte mit zarten 14 Jahren eine türkische Freundin und wurde freundlich von jungen Türken, die irgendwie von unserer realtiv heimlichen Beziehung erfahren hatten, mit gut gemeinten, freundlichen Worten bedroht.

Uns blieb keine Wahl.

Wenige Jahre später reagierte eine junge Frau mit Kopftuch beim Einkauf im Supermarkt auf mich. Ihr Mann, der ihr vorausging, bemerkte etwas und wurde argwöhnisch. Wir gingen schnell und unauffällig weiter.

Niemand sonst nahm Notiz.


QuoteinsLot
6. Mai, 10:06

Zitat: Neulich wurden in einem Artikel Feministinnen zitiert, die mich mutig fanden, sich aber kein Urteil anmaßten, weil es sozusagen nicht ihre Kultur sei.

Ich finde, dieser Satz ist Beispielhaft für das Kernproblem der Identitätspolitik! Ansonsten sehr interessanter Artikel.


QuoteMarco Moreno
6. Mai, 07:33

Danke Tobias Müller für diesen Artikel. Er macht mir einmal mehr deutlich, wie sehr es darum geht den anderes Denkenden auszuhalten, einmal in den multiethischen Gegenden. Rassistische Pöbeleien durfte ich von Biodeutschen und Niederländern ebenso erfahren, wie religiös motivierte Verurteilungen, vollkommen unabhängig davon, welchem Gott gehuldigt wird. Hier wie dort darf, in erster Linie Mann, ein Nazi, oder irgendein Fundamentalist sein, der permanent damit beschäftigt ist, mich, oder mein Liebsten, in unserer/ meiner Freiheit und Würde herabzusetzen. Ich bin so müde dieser Anfeindungen, dieser geistigen Enge, Kleinherzigkeit und Ignoranz, dass ich mich frage wie lange ich noch bereit bin, die anderen zu ertragen. Nochmals danke für den Artikel und ja, auf das auf die Lale gut aufgepasst wird.


Quotehessebub
5. Mai, 22:38

Aufklärung all over again. Man sollte Frau Gül mit Lessing-Preisen und Schiller-Medaillen überhäufen.


QuoteDr. McSchreck
5. Mai, 21:57

Klasse Artikel, der gerade gegen Ende die typischen Gut-Böse-Schemata komplett hinter sich lässt. Ein bisschen wie ein alter Bruce-Springsteen-Song....


QuoteKarl Kraus
5. Mai, 21:20

Warum sind eigentlich so viele Leute so wahnsinnig bescheuert?


QuoteLowandorder
6. Mai, 08:44

@Karl Kraus Eine gute eine Frage. Erschütternd das Ganze.



Link

Quote[...] In den USA ist ein weiteres verschärftes Abtreibungsgesetz in Kraft getreten. Der texanische Gouverneur Greg Abbott unterzeichnete eine Bestimmung, die Abtreibungen verbietet, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Das kann bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein – also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind. Dies soll selbst nach Vergewaltigungen oder Inzest gelten. Bislang waren in Texas Abtreibungen nach 20 Schwangerschaftswochen verboten, außer die werdende Mutter befand sich in Lebensgefahr oder der Fötus hatte schwere Fehlbildungen.

So genannte Herzschlag-Gesetze gelten bereits in etwa zehn weiteren republikanisch regierten US-Staaten. Das Besondere in Texas ist, dass es nicht von staatlichen Stellen durchgesetzt werden darf. Vielmehr hat jeder und jede das Recht, diejenigen zu verklagen, die eine verbotene Abtreibung vornehmen oder unterstützt haben, wobei jede einzelne Person mit bis zu 10.000 Dollar Strafe belegt werden kann.

Kritiker warnen, damit bekämen Abtreibungsgegner selbst außerhalb von Texas die Möglichkeit, Gerichte mit Klagen zu überhäufen und Beteiligte zu drangsalieren – etwa Ärzte, Patienten, Krankenschwestern, Berater für häusliche Gewalt, einen Freund, der eine Frau in eine Klinik gefahren hat, oder sogar ein Elternteil, das für einen Eingriff bezahlt hat.

Alle bisherigen restriktiven Abtreibungsgesetze dieser Art wurden jedoch von Gerichten abgelehnt, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichts der USA stehen. Mit dem Fall Roe v. Wade wurden 1973 Schwangerschaftsabbrüche in den USA bis zum sechsten Monat legalisiert. Das Abtreibungsrecht gehört seit Jahrzehnten zu den strittigsten innenpolitischen Themen in den USA. Viele Konservative hoffen, dass der Supreme Court sein Urteil von 1973 revidiert.

Erst vor einigen Tagen beschloss der Supreme Court, sich erneut mit dem Abtreibungsrecht zu befassen. Anlass ist ein Gesetz des Bundesstaats Mississippi. Es verbietet – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche.


Aus: "Texas verschärft Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen" (20. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-05/usa-texas-schwangerschaftsabbrueche-gesetz-sechs-wochen

QuoteGuero #4

Bestimmen mal wieder alte Männer was Frauen machen dürfen und was nicht?


QuoteThantalon #4.1

Ich wüsste ja ganz genre mal was raus käme, wenn es einmal genau anders herum liefe. Junge Frauen bestimmen was alte Männer machen dürfen.


QuoteProvo-Kant #4.3

Bestimmen mal wieder alte Männer was Frauen machen dürfen und was nicht?

Eine "hippe" Äußerung- die sachlich (wie leider oft) völlig daneben geht.
Wenn Sie sich das "konservative" Klientel in den USA ansehen werden sie feststellen das sich das quer durchzieht- durch Alte und Junge, Männlein und Weiblein.
Das was wirklich zutrifft (es sind sehr überwiegend > "Weisse") lassen Sie dagegen außen vor- genau so wie die Tatsache das es wohl auch 50% der "alten Männer" gibt die das zum kotzen finden.
Pauschalisierungen, auch wenn Sie zwanghaft "woke" erscheinen wollen, sind nicht besonders schlau (freundlich ausgedrückt!)


QuoteHapsch #4.4

Laut Exit Polls haben bei der Wahl zum Governor in Texas 2018 auch 50% Abbott gewählt. Der hätte auch gewonnen, wenn nur Frauen gewählt hätten. und seine Pläne was Abtreibung angeht hat er nie verheimlicht. Das sollte man auch bedenken.


QuoteNemo Nolan #8

Woher kommt dieser Drang, Frauen bis in den Uterus hinein vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben?


QuoteRoyce from Scharbeuce #8.4

Panik vor der eigenen Bedeutungslosigkeit. Man macht sich wichtig, indem man über das Leben und die Freiheit anderer bestimmt. ...


QuotePetrucciation #8.5

"Woher kommt dieser Drang, Frauen bis in den Uterus hinein vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben?"

Naja, prinzipiell steht ja erstmal Leben gegen Entscheidung über den eigenen Körper, also Grundrecht vs. Grundrecht. Aber selbst im Vergewaltigungsfalle das so zu fordern und schon so früh in der Kindesentwicklung (wo es noch keine wirklich höhere Hirnaktivität mit Bewusstseinsstufen und Schmerzempfinden geben kann) zeigt schon arg, wie rein ideologisch verbohrt das Ganze ist ohne eben Rücksicht auf andere Grundrechte und Aspekte des Ganzen.


QuoteAlsoechtjetzt #8.7

Eigentlich nicht anders als in streng islamischen Ländern. Religiöser Fanatismus. Nur weil die Leute aussehen wie wir, sind sie nicht wie wir. Sieht man auch in Teilen Polens. Wir haben uns nur daran gewöhnt, dass so etwas immer aus dem arabischen Raum kommt. Aber religiöse Verblendung gibt es überall.


QuoteFranz1971 #11

Der Einfluss der evangelikaler Radikalchristen ist überdeutlich . Überzeugt das Leben im Namen eines imaginären Freundes zu schützen treten das Selbstbestimmungsrecht der Frauen mit Füßen und schwingen sich zu Richtern auf . Meine persönliche Meinung zur Abtreibung ist sehr ambivalent . Aber auch völlig egal , nur die einzelne Frau hat das Recht darüber zu entscheiden ob sie ein Kind möchte oder eben nicht .


Quoteartefaktum #14

Und demnächst wird dann wieder gepriesen, der Staat solle sich aus dem Leben der Bürger raushalten! In das Privateste aber soll sich einmischen. Besonders rational ist dieses urkonservative Denken nicht.

Völlig absurd wird es dann, wenn man dann auch noch gleichzeitig für die Todesstrafe ist - die es in Texas selbstredend noch gibt.


QuoteSebastian G. #21

Ich finde es ja immer wieder faszinierend, wie vehement sich die Abtreibungsgegner für die ungeborenen Föten einsetzen und wie vollkommen egal ihnen dann die geborenen Kinder sind. Ganz speziell die Republikaner tun sich ja immer wieder mit massiven Kürzungen im sozialen Bereich oder bei der Bildung hervor.


QuoteAlanFord #23

Ich gratuliere Texas auf seinen Weg zum Gottesstaat (Jesus wollte es so!)
ungeborene Föten gehören beschützt......und Menschen gehören auf den elektrischen Stuhl (sind ja keine Föten mehr)
Waffen für alle !...


QuoteNemo99 #24

Das Traurige ist nur, dass es den Abtreibungsgegnern in den USA häufig nur um ungeborenen Leben geht. Mehr Unterstützung für z.B. Alleinerziehende wäre ja sozialistisch, Kinderkrippe und sehr gute Ausstattung von Kinderheimen würde Geld kosten, das man nicht ausgeben will  ...


QuoteRon Siderius #25

Die republikanisch geführen Staaten werden die Abtreibungsgesetze verschärfen, auch wenn diese von den Gerichten wieder gekippt werden. Eines Tages wird sich der Supreme Court mit dieser Thematik beschäftigen und womöglich Roe vs. Wade revidieren. Die Revision wird dann die nächsten Dekaden gelten. Donald Trump hat mit der Wahl der Supreme Court Richter die Gelegenheit gehabt das konservative Amerika über seine vierjährige Amtszeit zu stärken.


QuoteSamsonit #26

"Der US-Bundesstaat verbietet Schwangerschaftsabbrüche künftig ab dem ersten Herzschlag des Kindes, auch nach einer Vergewaltigung. Jeder soll Beteiligte verklagen dürfen. "

Die perfideste, mit enormer Energie fabrizierte Machtdemonstration gegenüber Frauen die man sich vorstellen kann.


Quotehelmutleitz #33

Abtreibungsverbot nach Vergewaltigungen kannte ich eigentlich nur aus finster-katholischen Ostblockstaaten.

Seltsamer Weg auf dem die USA da gerade sind...


...

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Quote[...] Zu den Fakten: Während des etwa vierwöchigen Zyklus einer Frau bereitet sich die Gebärmutter auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Kommt es zu keiner, setzt die Menstruation ein. Neben der Gebärmutterschleimhaut werden Blut, Wasser und Vaginalsekret ausgeschieden. Rund fünf Tage im Monat und sieben Jahre ihres Lebens verbringt eine Frau im Schnitt menstruierend. Währenddessen haben mehr als zehn Prozent aller Frauen so starke Beschwerden, dass sie ihrer Ausbildung oder ihrem Beruf nicht nachgehen können.


Hat eine Frau Blutfluss und ist solches Blut an ihrem Körper, soll sie sieben Tage lang in der Unreinheit ihrer Regel verbleiben. Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend. Alles, worauf sie sich in diesem Zustand legt, ist unrein; alles, worauf sie sich setzt, ist unrein." So steht es in der Bibel, Levitikus 15, Vers 19.

Der unreine Blutfluss, um den es geht, ist die weibliche Menstruation. Im Judentum war die menstruierende Frau lange von allen rituellen Handlungen ausgeschlossen, im Christentum galt die Menstruation Mönchen als Strafe für Evas Sündenfall. Ausgenommen davon war nur die Mutter Gottes: Die nämlich, so Theologen, habe unbefleckt empfangen und ohnehin nie menstruiert.

Mit den magischen Kräften und Unreinheiten der Menstruation beschäftigten sich jahrtausendelang vor allem Männer. Aristoteles sah in ihr einen Beweis für die weibliche Minderwertigkeit: Frauen seien nicht wie Männer imstande, Blut in Sperma zu verwandeln und müssten es deshalb monatlich ausscheiden. Plinius der Ältere beschrieb, dass in der Nähe menstruierender Frauen der Wein verderbe, Bienen stürben und Saatgut unfruchtbar würde. Und Paracelsus stilisierte die Blutung gar zur Bedrohung der Menschheit: ,,Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum."

Um Gift ging es überhaupt lange: 1520 beschrieb Paracelsus die Existenz des ,,Menotoxin". Die Auffassung, dieses finde sich in Blut und Schweiß menstruierender Frauen und lasse etwa Blumen welken, wurde noch bis weit ins 20. Jahrhundert diskutiert.

Um die Bedürfnisse von Frauen allerdings geht es noch nicht allzu lange. Zwar kennen schon nahezu alle alten Kulturen Hilfsmittel, um das Blut aufzusaugen, darunter Binden aus Bast, Gras oder Leinen. In Deutschland kam 1894 die erste kommerzielle Wegwerfbinde auf den Markt, 1947 wurde der erste Tampon für den hiesigen Markt patentiert: der o.b. (,,ohne Binde"). Doch etwa in der Werbung war die Flüssigkeit, die die Saugfähigkeit von Tampons und Binden beweisen soll, lange unverfänglich blau. ,,Sauber und diskret" sollte die Menstruation vor allem sein.

Global ranken sich noch immer viele Mythen um sie https://taz.de/Autorin-Heike-Kleen-ueber-Menstruation/!5474499/. Zwar feiern einige Kulturen das erstmalige Auftreten der Menstruation, die sogenannte Menarche https://taz.de/Spirituelles-Ritual/!5471880/, als Fest, das auch mit einem positiven Zugang zum weiblichen Körper zu tun haben kann. Weit häufiger jedoch haben Frauen damit zu tun, zu informieren und das Stigma abzubauen, das für potentiell die Hälfte der Menschheit mit ihrer Blutung verknüpft ist.

Zum Teil wird das Problem dadurch verstärkt, dass es keine geeigneten Produkte gibt, um die Blutung aufzufangen, oder diese nicht bezahlbar sind, weshalb Mädchen und Frauen auch weiterhin nicht zur Schule gehen oder an anderen Bereichen des sozialen Lebens teilnehmen können. Auch der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser, etwa in schulischen Einrichtungen, ist längst nicht überall gewährleistet. Und schließlich haben viele Familien im vergangenen Jahr ihr Einkommen durch die Pandemie verloren, so dass sie sich Hygieneprodukte kaum noch leisten können.

Zum Weltmenstruationstag, der 2014 von Frauenrechtsinitiativen ins Leben gerufen wurde, warnt die Hilfsorganisation Care davor, dass die Zahl der aktuell etwa 500 Millionen Mädchen und Frauen, die während ihrer Menstruation ohne Hygieneprodukte auskommen müssen, weiter zu steigen droht. In Äthiopien, Uganda, Niger und Kenia etwa seien bis zu 70 Prozent der Frauen und Mädchen gezwungen, ohne ausreichend sauberes Wasser, Hygieneprodukte oder medizinische Versorgung zurechtzukommen. https://taz.de/Trinkwassermangel-in-Kenia/!5713749/

Care fordert die internationale Gemeinschaft auf, Menstruationshygiene in alle humanitären Hilfspläne aufzunehmen, genügend finanzielle Mittel dafür bereitzustellen und die politische Teilhabe von Frauen an diesen Entscheidungen zu gewährleisten.

... Ausgerechnet die Debatte um die Monatsblutung brachte Stella Nyanzi, Ugandas führende Feministin, ins Gefängnis. Es war kurz nach den Wahlen 2016. Präsident Yoweri Museveni hatte im Wahlkampf kostenlose Binden an Schulen versprochen und damit bei Frauen viele Stimmen geholt. Denn ein Großteil der Mädchen in Uganda bleibt während ihrer Monatsperiode regelmäßig der Schule fern. Viele Familien können sich die Binden nicht leisten, und in den meisten Schultoiletten gibt es kein fließendes Wasser, um sich zu waschen. Indem sie auf sich aufpassen, vermasseln sich viele Mädchen den Abschluss.

Nach der gewonnenen Wahl fiel die kostenlose Binde still und heimlich vom Tisch. Zwar hatte der Präsident seine Frau Janet zur Bildungsministerin ernannt und damit Hoffnungen geweckt, dass er sein Wahlkampfversprechen ernst gemeint haben könnte. Doch als Ministerin musste ,,Mama Janet", wie sie landauf, landab genannt wird, feststellen: Es mangelt an Geld im Staatshaushalt, um Binden anschaffen zu können.

Dies brachte Stella Nyanzi, promovierte Akademikerin für Genderstudien und Sexualwissenschaft an Ostafrikas renommiertester Universität Makerere in Ugandas Hauptstadt Kampala, auf die Palme. ,,Wir haben jetzt jede Menge Vaginas im Parlament sitzen, aber sie müssen auch beweisen, dass sie ein Gehirn haben", schimpfte sie damals gegenüber der taz. Janet Museveni sei nur Bildungsministerin geworden, ,,weil sie mit dem Präsidenten ins Bett geht." Auf Facebook bezeichnete sie das Präsidentenehepaar als ,,ein Paar Arschbacken".

Das wurde ihr zum Verhängnis. Denn für den 76-jährigen Präsidenten, seit 1986 an der Macht, war dies eine klare Majestätsbeleidigung. Von Unbekannten wurde sie aus ihrem Haus entführt und später wegen ,,Cyber-Belästigung" und Unruhestiftung angeklagt. Sie habe gegen das Gesetz über Computermissbrauch verstoßen, so die Vorwürfe des Staatsanwalts.

Monatelang saß Nyanzi im Jahr 2017 im Gefängnis, litt dort unter anderem an Malaria. Aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung wurde sie schließlich auf Kaution freigelassen. https://taz.de/Menstruations-Tabu-in-Uganda/!5396508/

Vier Jahre später verhandelt jetzt Ugandas Verfassungsgericht über den Fall Stella Nyanzi. Kurz nach den Wahlen im Januar dieses Jahres war sie mit ihrer Familie ins Nachbarland Kenia geflohen. Doch seit Mai ist sie zurück und wirft nun den Verfassungsrichtern vor, das Regime würde ein aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz über Geisteskrankheiten nutzen, um Oppositionelle wie sie mundtot zu machen. Kampfeslustig sitzt die Mutter von drei Kindern im Gerichtssaal. Und auch für Präsident Museveni hat sie eine neue Provokation parat. ,,Komm nicht in meinem Mund", heißt ihre gedruckte Gedichtsammlung, die Mitte Juni erscheinen soll. https://taz.de/Nach-den-Wahlen-in-Uganda/!5746587/

Derweil sind Binden in Uganda ein Politikum geblieben. In einer Crowdfunding-Kampagne über soziale Netzwerke hatte Stella Nyanzi, bevor sie inhaftiert wurde, umgerechnet fast 2.000 Euro eingesammelt. Das Geld spendete sie Nichtregierungsorganisationen, die Schülerinnen beibringen, sich selbst wiederverwendbare Stoffbinden zu nähen. Gereicht hat das nur für eine Handvoll Schulen. Aber seitdem führen immer mehr Schulen in Uganda auf Eigeninitiative Nähkurse für Mädchen ein, um Binden herzustellen. Nyanzis Idee hat sich verselbstständigt.

Carolina Ramírez und ihre Kolleginnen vom Projekt ,,Princesas Menstruantes" haben eine Mission: ,,Für uns ist das Wichtigste, uns komplett von der traditionellen Lesart der Menstruation zu lösen, die rein auf Reproduktion beruht", sagt Carolina Ramírez. ,,Wir sind überzeugt, dass dies die vielfache Unterdrückung von Mädchen und Frauen begünstigt hat."

Carolina Ramírez (39) ist Psychologin und Menstruationserzieherin. Zwölf Jahre lang hatte sie im Umland von Medellín in Kolumbien mit Frauen gearbeitet, von denen viele sexuelle Gewalt erlebt hatten. Immer wieder ging es um Menstruation – und wie man darüber mit den Töchtern spricht.

In der 9. Klasse, wenn in Kolumbiens Schulen Sexualkunde auf dem Lehrplan steht, wird Menstruation im besten Fall unter Fortpflanzungsaspekten behandelt. ,,Menstruieren ist aber nicht nur dazu da, um schwanger zu werden", sagt Ramírez. ,,Die Hormone sind gut für das Wohlbefinden der Frau, die Menstruation reinigt die Gebärmutter von Krankheitserregern."

So entstand die Idee, das Thema Menstruation liebevoller und lustiger für Mädchen aufzubereiten – und im Jahr 2016 das Buch ,,El vestido de Blancanieves se ha teñido de rojo" (Das Kleid von Schneewittchen hat sich rot gefärbt). Darin merkt Schneewittchen durch eine Blumenpracht, die plötzlich in ihr wächst und als roter Honig aus ihr heraus läuft, was für sie wichtig ist im Leben. Ein Prinz kommt nicht vor.

Das Buch gilt als erstes Kinderbuch in Lateinamerika zum Thema überhaupt. Seitdem hat Carolina Ramírez vier weitere Menstruationsmärchen geschrieben. Sie will mit alten Denkmustern aufräumen, welche die Menstruation nutzen, um Frauen von Orten oder Ämtern fernzuhalten.

Ihr Team hat in den Randgebieten von Medellín Mädchen befragt. Dabei stellte sich heraus: Der häufigste Grund, weshalb sie in der Schule fehlen, waren nicht fehlende Hygieneprodukte – sondern die Angst vor Flecken. ,,Und diese Angst lässt sich nur mit Bildung nehmen", sagt Carolina Ramírez. Eine weitere Erkenntnis: ,,Die Schule ist kein sicherer Ort zum Menstruieren. Es gibt keine Fürsorge, keine Begleitung, keine Binden, oft nicht einmal Wasser, Klopapier oder Türen, die richtig schließen." Viel zu oft lassen Leh­re­r*in­nen die Mädchen nicht auf die Toilette gehen und sagen: ,,Kontrolliere deinen Körper."

Das 2015 gegründete Projekt ,,Princesas Menstruantes" bietet Lehrmaterialien, Workshops für Mädchen und Erwachsene sowie eine Weiterbildung zur Menstruationserzieherin. Die ,,Escuela de Niñas poderosas" (Schule der mächtigen Mädchen) soll Mädchen im Alter von acht bis zwölf Jahren helfen, ihre Pubertät zu einer positiven Erfahrung zu machen und ihre Autonomie fördern. Das reicht von Menstruations- und Sexualkunde über Selbstfürsorge bis hin zu weiblichen Vorbildern und einer politischen Geschichte der Frauen. ,,Wir reden darüber, wie sie sich um sich selbst kümmern und ein Unterstützungsnetz aufbauen und eine Vertrauensperson finden, mit der sie reden können, wenn ihnen etwas passiert", sagt Ramírez.

Bis 2020 haben Carolina Ramírez und ihre Kolleginnen mehr als 12.000 Mädchen, Jugendliche und Frauen in Lateinamerika geschult. ,,Menstruationsbildung darf kein Privileg sein", sagt Carolina Ramírez. ,,Die Mädchen, die völlig vom Staat alleingelassen leben, brauchen uns am dringendsten. Wenn uns eine Schule anruft und sagt: Wir haben da 50 Mädchen, aber kein Geld – dann versuchen wir, es irgendwie aufzutreiben, und nehmen uns drei Tage frei."

Line Tabet Masri ist 35 Jahre und hat zwei kleine Töchter. Doch erst als sie mit 30 ihre Tochter bekam und sich ihre Menstruation dadurch verändert hat, hat sie angefangen, mit Freundinnen darüber zu sprechen. Nun sitzt sie in ihrer großzügigen Wohnung in Beirut im 16. Stock mit Blick auf die Berge und spricht passioniert über die Periode. ,,Die Würde einer Frau darf nicht abhängig sein vom Einkommen oder ihrer Herkunft", sagt sie bestimmt.

Der Schein des großen Wohnzimmers trügt. Masri hat ihre Ersparnisse verloren, weil Libanons Währung aufgrund der Finanzkrise 80 Prozent ihres Wertes verloren hat. Zehn von den günstigsten Binden kosten heute umgerechnet 4 Euro, eine kleine Packung Tampons fast 25 Euro.

Mit dem Währungsverfall begann Masri, Hilfspakete zu packen. ,,Dabei ist mir aufgefallen, dass wir Zahnpasta oder Desinfektionsmittel spenden, aber keine Binden." Eine sehr männliche Sicht. Deshalb initiierte die 35-Jährige gemeinsam mit ihrer Freundin Rana Haddad im Mai 2020 das Projekt ,,Dawrati" (,,Meine Periode"). Sie arbeitet mit einem Bindenhersteller zusammen, hat Spendenboxen in Apotheken aufgestellt und nimmt auch Einzelspenden an der Haustür an. Alles ehrenamtlich.

Durch diese Arbeit hat sie gemerkt, wie privilegiert ihr Umgang mit der Menstruation bisher war. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter mit ihr in den Supermarkt ging und sie sich verschiedene Binden aussuchte. ,,Dass ich verschiedene Modelle kaufen und ausprobieren konnte – das ist ein Privileg."

In der Schule hatten sie bereits über das reproduktive System gesprochen. Doch in konservativen Haushalten und bei der älteren Generation sei Menstruation ein Tabuthema. ,,Der Verkäufer in kleineren Läden packt dir die Binden in eine schwarze Tüte, damit niemand sieht, was darin ist."

Entsprechend schwer sei das Gespräch. Selbstgenähte Binden funktionieren nicht, wenn sie zum Trocknen auf eine Leine gehängt werden müssen und die Nachbarschaft sie sieht. Und: ,,Ich kann nicht einfach Freiwillige schicken, die dann mit Frauen über ihre Periode sprechen. Für so etwas braucht es einen Safe Space, Freun­d*in­nen und Komfort." Dafür hätten die Frauen im Libanon gerade keinen Kopf. Sie kämpfen mit Kinderbetreuung, Haushalt, Job und der Frage, wie sie im nächsten Monat das Essen bezahlen sollen.

...

[...]



Aus dem Artikel "Internationaler Tag der Menstruation: Das Blut der Unterdrückung"
Julia Neumann, Natalie Mayroth, Ilona Eveleens, Katharina Wojczenko, Simone Schlindwein, Patricia Hecht (28.5.2021)
Quelle: https://taz.de/Internationaler-Tag-der-Menstruation/!5775167/

Link

Quote[...] Wer in den letzten Wochen an Berliner Erholungsorten unterwegs war, dürfte einen Trend wahrgenommen haben: Immer mehr junge Frauen tragen zum Sonnen und Schwimmen kein Oberteil. Das führt zu nahtloser Bräune und einem Gefühl von luftiger Freiheit. Und ist, ob beabsichtigt oder nicht, ein feministischer Akt. Denn offenbar haben selbst in Berlin Frauenbrüste nicht die gleichen Rechte wie die von Männern.

Dass dem so ist, zeigt der Fall der in Berlin lebenden Französin Gabrielle Lebreton, über den der Tagesspiegel am Mittwoch berichtete [https://plus.tagesspiegel.de/berlin/nein-doch-ohh-berlinerin-loest-mit-nackten-bruesten-auf-dem-spielplatz-polizeieinsatz-aus-172569.html]. An einem heißen Tag besucht sie mit ihrem sechsjährigen Sohn die Plansche, einen Wasserspielplatz im Plänterwald. Dort wird sie von zwei Parkaufsehern aufgefordert, sich einen BH anzuziehen oder das Gelände zu verlassen. Dieses sei kein FKK-Bereich.

Lebreton entgegnet, sie sei nicht nackt, sondern nur oberkörperfrei – genau wie viele Männer. Sie fühle sich diskriminiert. Die Parkaufseher verweisen auf das Hausrecht und rufen schließlich die Polizei. Lebreton und ihr Sohn gehen.

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick bestätigte den Fall. Demnach habe das Sicherheitspersonal auf Grundlage des Paragrafen 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes gehandelt. Dieser bezeichnet eine ,,grob ungehörige Handlung", die geeignet sei, ,,die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen".

Eine Sprecherin sagte der dpa, ein am Eingang der Anlage angebrachtes Schild weise keine FKK-Freigabe aus – jedoch auch keinen Hinweis auf ein FKK-Verbot. Man berate nun über mögliche Reaktionen auf den Vorfall – zum Beispiel, ob man einen FKK-Bereich einführen sollte. Oder deutlicher darauf hinweisen, dass FKK an der Plansche nicht erwünscht ist.

Ob man eine entblößte Brust in einem Park als ,,grob ungehörige Handlung" bezeichnen kann, ist natürlich Auslegungssache. Nacktheit an sich ist per Gesetz nicht verboten, so lange sie keine Belästigung darstellt (wie zum Beispiel bei Exhibitionisten).

Und natürlich kann man sich in einem Kulturkreis, in dem es allein des Wetters wegen normal ist, in der Öffentlichkeit bekleidet zu sein, in gewissen Situationen von nackten Menschen irritiert fühlen – im Restaurant zum Beispiel, oder im Supermarkt, wo man einander ungewollt nah kommt.

Doch die Reaktion des Bezirksamtes zeigt, wo das eigentliche Problem liegt: Warum gelten für Frauen andere Regeln als für Männer? Warum dulden auch soziale Netzwerke wie Instagram keine weiblichen Nippel, während Männer ihre ungehindert in jede Kamera halten können?

Das Problem ist die Sexualisierung und Tabuisierung des weiblichen Körpers. Mädchen wird früh beigebracht, dass ihr Körper etwas Verbotenes ist: die Brüste müssen bedeckt werden, der Rock darf nicht zu kurz sein, die Periode sollte man lieber verstecken. Das ist das Gegenteil von Selbstbestimmung. Während der männliche Körper Privatsache ist, ist der weibliche politisch, immer Thema gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.

Dass die Parkaufseher Gabrielle Lebreton sagten, sie solle sich anziehen, weil Kinder im Park sind, verdeutlicht die Absurdität der Debatte: Kinder nehmen Brüste nicht instinktiv als etwas Sexuelles oder Anstößiges wahr. Diese Sichtweise wird ihnen beigebracht ...


Aus: "Polizeieinsatz wegen nackter Brüste in Berlin: Es geht hier nicht um FKK – sondern um fehlende Gleichberechtigung" Aus einem Kommentar von Jana Weiss (01.07.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizeieinsatz-wegen-nackter-brueste-in-berlin-es-geht-hier-nicht-um-fkk-sondern-um-fehlende-gleichberechtigung/27384380.html

Link

Quote[...] Wegen einer tödlichen Attacke in einem Massagesalon nahe der US-Stadt Atlanta ist ein 22-Jähriger zu vier Mal lebenslanger Haft plus 35 Jahre verurteilt worden. Aussicht auf Bewährung hat er nicht. Der Angeklagte gab am Dienstag vor Gericht in Cherokee County zu, im März vier Menschen in einem Massagesalon im südlichen Bundesstaat Georgia getötet zu haben. Dem Mann steht allerdings noch ein weiteres Verfahren bevor. Ihm wird vorgeworfen, in zwei anderen Salons vier weitere Menschen getötet zu haben.

"Heute wurde der Gerechtigkeit Genüge getan und der Angeklagte bekannte sich in allen Anklagepunkten schuldig und wurde zu vier aufeinanderfolgenden lebenslangen Haftstrafen ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verurteilt", sagte Staatsanwältin Shannon Wallace nach der Anhörung in einer Pressekonferenz. In dem zweiten Verfahren im benachbarten Bezirk Fulton droht ihm die Todesstrafe. Hier will die zuständige Staatsanwältin die Tat als Hassverbrechen einstufen lassen.

Die Opfer bei den drei Angriffen, die der junge Mann alle am selben Tag kurz nacheinander durchführte, waren überwiegend asiatischstämmig. Ein Mann überlebte mit schweren Verletzungen. Der Schütze hatte angegeben, nicht aus rassistischen, sondern sexuellen Motiven gehandelt zu haben. Er sei sexsüchtig und habe "Versuchungen" beseitigen wollen. Die Tat hatte in den USA die heftige Debatte über zunehmenden Hass und Gewalt gegenüber asiatischstämmigen Amerikanern angeheizt.

Der 22-Jährige schilderte bei der Anhörung, dass er zunächst eine Waffe gekauft habe, um sich selbst zu töten. Schließlich habe er sich betrunken und sei zum ersten Massagesalon gefahren, um dort auch sexuelle Dienste in Anspruch zu nehmen. Noch im Auto habe er beschlossen, die Menschen dort zu töten. Er gab an, er habe sie "bestrafen" wollen. "Es war im Wesentlichen eine Abwälzung der Schuld für mein Handeln auf sie", sagt er. Der Angeklagte erklärte, nach seinem Verständnis sei Sex nur in der Ehe in Ordnung.

Quelle: ntv.de, ino/dpa


Aus: "Morde in Massagesalons: 22-Jähriger kommt nie wieder frei" (Mittwoch, 28. Juli 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/22-Jaehriger-kommt-nie-wieder-frei-article22708337.html


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Quote[...] Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland stark verbreitet: Etwa 115.000 Frauen wurden im Jahr 2019 Opfer häuslicher Gewalt. Im Schnitt versucht jeden Tag ein Mann, seine Partnerin oder Expartnerin zu töten. An jedem dritten Tag wird es traurige Realität. Obwohl Gewalt gegen Frauen alltäglich ist, beschränken sich Medien in der Berichterstattung oft nur auf den Einzelfall. Strukturellen Hintergründen wird wenig Raum gegeben. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung.

Mit mehr als 69.000 Fällen war vorsätzliche Körperverletzung die häufigste Form der Gewalt. Laut Bundesfamilienministerium, kommt es dazu besonders häufig im Zusammenhang mit Trennungen und Scheidungen. So verwundert es nicht, dass in mehr als der Hälfte der Fälle (Ex-)Partner oder Männer aus dem persönlichen Umfeld der Betroffenen zu Tätern werden.

Diese alltägliche Gewalt kommt in der Berichterstattung aber kaum vor, was die Untersuchung "Tragische Einzelfälle - Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten" zeigt.

https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/user_data/stiftung/02_Wissenschaftsportal/03_Publikationen/AP47_Tragische_Einzelfaelle.pdf

Lediglich 18 Prozent der Berichte haben Körperverletzungen zum Gegenstand und weniger als jeder vierte Bericht thematisiert Gewalt in der Partnerschaft. "Offensichtlich ist Gewalt gegen Frauen und vor allem Gewalt in intimen Beziehungen immer noch ein großes Tabu - in der Gesellschaft wie auch bei den Medienschaffenden", konstatiert Studienautorin Christine Meltzer. Gewalt gegen Frauen werde nur dann in den Medien aufgegriffen, so Meltzer weiter, wenn sie eine besonders brutale Form annimmt und etwa mit dem Tod des Opfers ende - was in der Realität aber nur einen Bruchteil - weniger als ein Prozent - der verübten Gewalt ausmache.

Für die Studie hat die Forscherin von der Universität Mainz rund 3.500 Beiträge ausgewertet, die in überregionalen und regionalen Tageszeitungen sowie Boulevardzeitungen abgedruckt wurden. Im Fokus lag die Berichterstattung von 17 deutschen Medien zwischen den Jahren 2015 und 2019. Ein Ergebnis der Untersuchung ist, dass bestimmte Gewalttaten überbetont werden, während andere viel zu wenig beleuchtet werden. Es klafften große Lücken zwischen den Zahlen der Kriminalstatistik und deren medialen Bedeutung.

Ein anderer Befund war, dass mit rund 70 Prozent die überwiegende Mehrheit der Artikel die Taten wie Einzelfälle beschreiben. Eine sachliche Einordnung - inklusive des Aufzeigens von Gründen, Lösungswegen und präventiven Maßnahmen bei Gewalt gegen Frauen - finde kaum statt.

"Es ist klar, dass nicht jeder einzelne Fall im Kontext struktureller Entwicklungen dargestellt werden kann", so Meltzer. "Es kann jedoch mit wenigen Mitteln, beispielsweise dem Verweis auf Statistiken und dem Einbezug von Sachverständigen, zum schrittweisen Verständnis für die Dimensionen des gesellschaftlichen Problems beigetragen werden." Medien könnten so das Problem sichtbar machen, die Gesellschaft sensibilisieren und auch zum Gewaltschutz beitragen.

Zugleich stellt die Studienautorin fest, dass sei den Ereignissen der Kölner Silvesternacht 2015/16 die Herkunft der Täter immer öfter genannt werde. Auch wenn sich im Vergleich zur polizeilichen Kriminalstatistik nicht zeigen lasse, dass die Herkunft nichtdeutscher Tatverdächtiger über Gebühr veröffentlicht werde, so werde ein anderes Problem sichtbar: Werden die Taten Nichtdeutschen zugeschrieben, werde die Gewalt zum Politikum gemacht und kulturalisiert. (Bernd Müller)


Aus: "Wenn aus Femiziden tragische Einzelfälle werden" Bernd Müller (10. Juli 2021)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Wenn-aus-Femiziden-tragische-Einzelfaelle-werden-6134047.html

Link

Quote[...] In Berlin sollen zwei Brüder aus Afghanistan einen sogenannten Ehrenmord an ihrer älteren Schwester verübt haben. Weil die beide Afghanen sich offenbar in ihrer Ehre von ihrer Schwester gekränkt fühlten, sollen sie die Frau umgebracht haben.

Die Ermittler gehen offiziell von einem sogenannten ,,Ehrenmord" an der 34-Jährigen aus, die in Berlin lebte. Der Lebensstil der zweifachen Mutter, die geschieden lebte, habe nicht den Moralvorstellungen der Brüder entsprochen, stellte ein Richter im Haftbefehl gegen die Männer fest.

Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Berlin ermitteln gegen die beiden 22 und 25 Jahre alten Männer, sie stehen unter dringendem Tatverdacht, ihre Schwester am 13. Juli 2021 ,,aus gekränktem Ehrgefühl gemeinschaftlich getötet" zu haben. Den Angaben zufolge sitzen beide seit Mittwoch in Untersuchungshaft. "Wir ermitteln wegen des Verdachts auf einen sogenannten Ehrenmord", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Laut Staatsanwaltschaft sollen die Männer ihre Schwester gemeinsam getötet und noch am Tattag die Leiche in einem Koffer mit der Deutschen Bahn zum Wohnort des 25-Jährigen nach Bayern gebracht haben. In Neuburg an der Donau sei die Leiche - wohl von beiden zusammen - vergraben worden.

Die Frau war zunächst als vermisst gemeldet worden, die Hinweise darauf, dass sie getötet worden sein könnte, verdichteten sich jedoch. Zehn Tage nach dem Verschwinden der Frau, am 23. Juli, rückten Mordermittler und Kriminaltechniker an und durchsuchten eine Wohnung in Hellersdorf. Ob dort das Opfer oder einer ihrer Brüder lebte, dazu wollte die Staatsanwaltschaft nichts sagen. Laut Anwohner sollen dort auch Kinder gelebt haben.

Aufgrund der Auswertung von Videoaufnahmen von Überwachungskameras eines Fernbahnhofs in Berlin, Funkzellenauswertungen und Zeugenaussagen erhärtete sich der Mordverdacht gegen die Brüder. Die Staatsanwaltschaft erwirkte daraufhin Haftbefehl gegen beide.

Nach Ermittlungen in Bayern gemeinsam mit den dortigen Behörden konnte am Donnerstag die Leiche einer Frau in der Nähe des Wohnortes des 25-Jährigen in Neuburg an der Donau gefunden werden. Die Obduktion ergab am Freitag, dass es sich um die Schwester handelt – und dass sie getötet wurde.

Weitere Ergebnisse der Obduktion etwa zum Tathergang wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen. Die Geschwister haben den Angaben zufolge die afghanische Staatsangehörigkeit und leben seit einigen Jahren in Deutschland.

Der Fall erinnert den Tod Hatun Sürücüs. Am 7. Februar 2005 war die damals 23-Jährige in einer Bushaltestelle in Tempelhof von ihrem jüngsten Bruder mit drei Kopfschüssen ermordet worden. Sie hatte sich aus der Ehe mit ihrem Cousin befreit und war mit ihrem Sohn Can von Istanbul zurück nach Berlin gezogen.

In Berlin holte sie ihren Hauptschulabschluss nach und stand kurz vor ihrer Gesellenprüfung als Elektroinstallateurin. Doch ihre Verwandten sahen durch den westlichen Lebensstil der Frau die Ehre der Familie verletzt.


Aus: "Ermittlungen wegen ,,Ehrenmordes" an 34-jähriger Afghanin aus Berlin"  Tilman Schröter, Alexander Fröhlich (06.08.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/offenbar-von-den-eigenen-bruedern-getoetet-ermittlungen-wegen-ehrenmordes-an-34-jaehriger-afghanin-aus-berlin/27490090.html

"Ehrenmorde unter Berücksichtigung rechtlicher, soziologischer, kultureller und religiöser Aspekte"
von Prof. Christine Schirrmacher [Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) – Deutsche Sektion e. V. ist eine der ältesten Menschenrechtsorganisationen in Deutschland. Sie wurde 1972 in Frankfurt am Main von ehemaligen politisch Verfolgten und engagierten Menschen gegründet. Wir setzen uns für die weltweite Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein, darunter die Presse- und Meinungsfreiheit, Gewissens- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Das schließt den Einsatz für die Religionsfreiheit aller Religionen und ihrer friedlichen Anhänger ein. Die IGFM verurteilt Menschenrechtsverletzungen im Namen der Religion.]
https://www.igfm.de/ehrenmorde-zwischen-migration-und-tradition/


https://www.tagesspiegel.de/wissen/forschung-zu-ehrenmorden-auch-deutsche-toeten-ihre-frauen/25519340.html

https://www.tagesspiegel.de/berlin/ehrenmord-jaehrt-sich-zum-15-mal-hatun-sueruecues-vermaechtnis/25520314.html

Quotemorgensum5 06.08.2021, 18:53 Uhr

Beim Lesen des Artikels wurde mir schlecht. Wie kann man nur seine eigene Schwester ermorden!? ...


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QuoteJournalisten, die allen Ernstes in ihrer Berichterstattung von einem Verbrechen das Wort ,,Ehrenmord" benutzen, tragen die Selbstrechtfertigung des Mörders weiter, geben ihr damit Gewicht und treten mit ihrem Tintengekleckse noch einmal kräftig auf ein schon totes Opfer ein. Sie sind genau so psychopathisch-asozial wie ein für jedes zivilisierte menschliches Miteinander ungeeigneter Mörder, der im Wahnrausch in einer erlittenen narzisstischen Kränkung bereits genügend Grund sieht, einen anderen Menschen totzumachen.

Die hin und wieder um das Wort gesetzten Anführungszeichen sind ein klarer Beleg dafür, dass die so schreibenden Journalisten genau wissen, wie widerlich sie beim Schreiben sind, aber trotzdem nicht auf ihre psychopathische Würze verzichten mögen.


Aus: "Ehre" Filed under: Alarmrufe by Nachtwaechter (7. August 2021)
Quelle: https://tamagothi.wordpress.com/2021/08/07/ehre/

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Quote[...] Berlins Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) sieht in der Tötung der 34-jährigen Afghanin Maryam H., die in Berlin mutmaßlich von ihren Brüdern umgebracht wurde, weil sie die westliche Lebensweise ihrer Schwester nicht gebilligt haben sollen, keinen Ehrenmord.

,,In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid", sagte sie dem Tagesspiegel. ,,Und ich habe leider keine Idee, wie man Männer besser integrieren kann. Es geht nicht um die Herkunft und die Nationalität der Täter, es geht um die Frage des Geschlechts."

Die Staatsanwaltschaft Berlin geht davon aus, dass die beiden Brüder in Alter von 22 und 25 Jahren die Mutter von zwei Kindern ermordet haben. Die Männer sollen sie ,,aus gekränktem Ehrgefühl" getötet haben, es soll nicht den Moralvorstellungen der Verdächtigen entsprochen haben, wie die Frau lebte: Sie war geschieden, soll einen neuen Partner gehabt haben, sich geschminkt, westlich gekleidet haben – und ohne Kopftuch. Die Leiche sollen sie in einem Koffer per Bahn nach Bayern geschafft und dort vergraben haben.

Breitenbachs Einschätzung stößt beim CDU-Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhaus-Wahl, Kai Wegner, auf scharfe Kritik: "Solche Antworten sind ein Teil des Problems. Frau Breitenbach leugnet die Realität, um ihr brüchiges Weltbild zu stabilisieren. Wer die religiös-kulturellen Hintergründe von sogenannten Ehrenmorden abstreitet, schützt die Täter und lässt die Opfer im Stich. Wir brauchen aber eine Kultur des Hinsehens. Bei der Unterdrückung von Frauen im Namen einer vermeintlichen Ehre brauchen wir null Toleranz."

Wer aus Ländern mit archaischen Ehrvorstellungen in Deutschland um Schutz ersuche, solle in verbindlichen Integrationskursen die Grundlagen des Zusammenlebens vermittelt bekommen. "Jeder, der zu uns kommt, muss wissen: Die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Religionsfreiheit, die sexuelle Selbstbestimmung und das Eintreten für den Schutz jüdischen Lebens sind unverhandelbar. Die Kurse müssen mit einer verbindlichen Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden."

Wer sich der Integration verweigere und die Rechtsordnung missachte, müsse mit Konsequenzen  rechnen, die bis zum Verlust der Aufenthaltsberechtigung reichen können. Ein konsequentes Vorgehen gegen Ehrenmorde, Zwangsheiraten, Unterdrückung und familiäre Zwangsstrukturen sei man besonders auch Frauen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland in Freiheit und Selbstbestimmung leben wollten, schuldig.

Der deutsch-israelische Psychologen Ahmad Mansour sieht die Gefahr, dass man Ehrenmorde klein rede. Der arabisch stämmige Autor, der seit vielen Jahren mit Flüchtlingen arbeitet und sich mit Projekten gegen Unterdrückung im Namen der Ehre befasst, erklärte in einem Interview mit dem Tagesspiegel: ,,In der Gesellschaft herrscht kaum ein Wahrnehmungsbewusstsein für die Probleme, die es bei der Integration von Migranten gibt. Sehr viele verdrängen oder relativieren diese Probleme. Bei Ehrenmord wird von Femizid gesprochen, vom allgemeinen Phänomen von Gewalt gegenüber Frauen."

Natürlich gebe es es diese allgemeine Gewalt gegen Frauen, ,,aber wenn wir dabei die kulturellen und religiösen Hintergründe von bestimmten Phänomenen ausblenden, hilft das nicht weiter." Er habe den Eindruck, dass teilweise die allgemeine Diskussion über die Abwertung von Frauen und die Ablehnung von Emanzipation und Gleichberechtigung dazu führt, ,,dass wir im Speziellen nicht weiterkommen."

Benedikt Lux, der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, sagte dem Tagesspiegel: ,,Wir haben sogenannte Ehrenmorde sehr früh in den Fokus genommen. Frauenhass müssen wir bekämpfen und patriarchale Strukturen aufbrechen, egal wo sie uns begegnen. Mit dem Hatun-Sürücü-Preis engagieren wir uns schon lange, um mehr Sichtbarkeit für die Thematik zu erzeugen und um klar zu sagen, dass Frauen ein selbstbestimmtes Leben führen können müssen. Berlin hat in den letzten Jahren diverse Instrumente im Bereich Integration, Prävention und Schutz von Frauen ausgebaut."

Ob und wie es im vorliegenden Fall konkrete Maßnahmen gegeben habe, könne man noch nicht beurteilen. ,,Das muss ausgewertet werden, dann kann man konkrete Ableitungen treffen. Auf jeden Fall muss der Rechtsstaat solche abscheulichen Verbrechen konsequent verfolgen und Schutz- und Präventionsangebote besser bekannt machen."

Die Ermordete und ihre Brüder kamen als Flüchtlinge nach Deutschland. Nach Angaben der ,,BZ" sollen die Brüder immer wieder Druck auf ihre Schwester ausgeübt haben. Sie hätten versucht, den Kontakt zu allen anderen Menschen zu unterbinden. Die Mutter, die in einer Flüchtlingsunterkunft in Lichtenberg gelebt hatte, bevor sie nach Hellersdorf gezogen ist, habe in ständiger Todesangst gelebt.

Der Fall erinnert den Tod Hatun Sürücüs. Am 7. Februar 2005 war die damals 23-Jährige in einer Bushaltestelle in Tempelhof von ihrem jüngsten Bruder mit drei Kopfschüssen ermordet worden. Sie hatte sich aus der Ehe mit ihrem Cousin befreit und war mit ihrem Sohn Can von Istanbul zurück nach Berlin gezogen.


Aus: "Berlins Integrationssenatorin sieht in Tötung durch Brüder keinen ,,Ehrenmord"" Frank Bachner (08.08.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/habe-keine-idee-wie-man-maenner-besser-integrieren-kann-berlins-integrationssenatorin-sieht-in-toetung-durch-brueder-keinen-ehrenmord/27494510.html

Quotej.quidde 18:25 Uhr

Jeder, der hier nur von Ehrenmord fabuliert, hat die Beziehungsmorde und Gewalttaten deutscher Männer gegen deutsche Frauen nicht vor Augen.

Der Fall hier, dass westlicher Lebensstil (Schminken, kein Kopftuch) ausreichte, um einen Mord zu begehen, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass ein männlicher Afghane mit dem Pflegen von westlichem Lebensstil, Alkohol, Rauchen, Drogen, westliche Kleidung in Jeans etc. -  wie auch immer geartet  - religiös ruchlos, genauso einen Mord hätte fürchten müssen, wie eine Frau und hier Schwester der Mörder.

Es ist auch kein rein muslimisches Einwanderer-Phänomen nur in Deutschland. Femizide sind in Italien an der Tagesordnung, durch Einheimische an Einheimischen. Das christliche (katholische) Weltbild schützt Frauen dort keineswegs vor Vergewaltigung und Mord.

Insofern hat Elke Breitenbach Recht. Der Hass und die Verachtung gegenüber Frauen sind ursächlich, weder Religion noch Nationalität kann diese Art von männlicher Verfügbarkeit über den Tod hinaus kaschieren.


QuoteDuck_Soup 17:29 Uhr

    ,,Und ich habe leider keine Idee, wie man Männer besser integrieren kann. Es geht nicht um die Herkunft und die Nationalität der Täter, es geht um die Frage des Geschlechts."

Unglaublich, was die Frau von sich gibt. Mit derartigen Aussagen und der damit verbundenen Vernebelung von Ursachen kulturell bedingter Gewalt und des gleichzeitigen Generalverdachts gegen Männer disqualifiert sich diese linke Funktionsträgerin. ...


QuoteZweites_Ich 17:26 Uhr

    "Es geht nicht um die Herkunft und die Nationalität der Täter, es geht um die Frage des Geschlechts."

Doch Frau Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke), bei diesem speziellen Fall, geht es darum, genau darum!


QuoteLeoBerlin 18:20 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Zweites_Ich 17:26 Uhr
"An jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet."

"In Deutschland beispielsweise hat der Bundesgerichtshof noch 2019 entschieden, dass der Umstand, dass das Tatopfer sich vor der Tat vom Mann getrennt hat, so beurteilt werden darf, dass er gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes spricht. Das heißt, wenn ein Mann seine Ex-Partnerin tötet, weil sie sich von ihm getrennt hat, so gilt das als strafmildernd – ein Widerspruch zur Istanbul-Konvention, die seit 2018 auch in Deutschland völkerrechtlich bindend ist."

Diese Zitate stammen aus "Getötet, weil sie Frauen sind", einem Interview mit der Sozailwissenschaftlerin Monika Schröttle.


Es ist unerheblich, welche Nationalität die Täter haben. Sich darauf zu fokussieren, hieße, alle anderen Gewaltdelikte gegen Frauen auszublenden. Das Muster ist immer das Gleiche: die Frau müsse tun, was dem Mann gefällt. Nur seine Regeln gelten.


...

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Quote[...] Elke Breitenbach von der Linkspartei, die Berliner Senatorin für Soziales, Arbeit und Integration, hat die Kurve noch bekommen. Sie hat ihre hoch umstrittene Aussage im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen ,,Ehrenmord" an einer afghanischen Mutter durch ihre Brüder relativiert. Ursprünglich hatte sie erklärt, es handele sich nicht um einen Ehrenmord, obwohl die Staatsanwaltschaft genügend Hinweise hatte.

Für Breitenbach war die Tat ein Femizid, wie er jeden dritten Tag in Deutschland vorkomme. Es gehe bei den Tätern nicht um die Herkunft und die Nationalität der Männer. Am Montag dann die Kehrtwende: Femizid verwende sie, sagte die Senatorin, weil es bei Mord keine Ehre gebe. Breitenbach hatte fast zwei Tage lang an ihrer ursprünglichen Aussage festgehalten. Erst auf den öffentlichen Aufschrei hat sie dann schließlich reagiert.

Das Grundproblem aber bleibt. Der sogenannte Ehrenmord ist eine spezielle Form des Femizids, und man kann ihn nicht einfach unter diesem Oberbegriff verschwinden lassen. Natürlich: Auch deutsche Männer ermorden ihre Frauen, aus Eifersucht, aus einer Kränkung heraus, so gesehen spielt Nationalität tatsächlich keine Rolle. Es sind alles furchtbare Fälle.

Aber einen Unterschied zu den Ehrenmorden gibt es dann doch: Deren Täter stammen aus Ländern, in denen patriarchalische Strukturen in der Gesellschaft noch verankert sind. In Ländern wie Afghanistan oder Syrien ist es oft noch Tradition, dass Frauen kontrolliert und von männlichen Familienmitgliedern massiv unterdrückt werden. Die regionalen Sitten kennen keine sexuelle Selbstbestimmung, und oftmals wird den Frauen verboten, mit familienfremden Männern auch nur zu sprechen.

Wenn nun Männer, die so sozialisiert wurden, diese anerzogenen Gewissheiten hierzulande ausleben, spielt die Herkunft für die Problemanalyse sehr wohl eine Rolle. Und auch dafür, wie man dagegen vorgehen will und kann. Das ist umso wichtiger, als die archaischen Wertvorstellungen auch hierzulande noch weitergegeben werden. Es gibt genügend Lehrkräfte, die auf hiesigen Schulhöfen beobachten, wie Mädchen von ihren Brüdern eingeschüchtert oder drangsaliert werden.

Doch diese Strukturen kann man nicht aufbrechen, wenn man aus einem verengten Weltbild heraus dazu neigt, in Menschen aus anderen Kulturkreisen grundsätzlich nur vor Benachteiligung zu schützende Menschen zu sehen. Und dass sie so denkt, ist ein Eindruck, den man bei Berlins Senatorin haben kann. Es gibt genug ehemalige Flüchtlinge, die gut integriert sind, aber wer die Problemfälle ausblendet, der verliert nicht bloß die unterdrückten Frauen und Mädchen aus dem Blick, der schwächt die Akzeptanz der Bevölkerung für Integrationspolitik.


Aus: "Wer Probleme nicht benennt, wird sie nicht lösen" Frank Bachner (09.08.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-senatorin-zieht-ehrenmord-aussage-zurueck-wer-probleme-nicht-benennt-wird-sie-nicht-loesen/27497314.html

QuoteOffenbach-am-Meer 09.08.2021, 18:24 Uhr

Danke für diesen differenzierten Kommentar, in eine ähnliche Richtung entwickeln sich meine Gedanken gerade ebenfalls.

Mit dem Begriff 'Ehrenmord' gehe ich zwar nach wie vor überhaupt nicht konform, weil bei der bloßen Wortübersetzung die verschiedene Begrifflichkeit auf der Strecke bleibt, aber allmählich rücke ich davon ab, stattdessen solche Verbrechen pauschal als 'Femizid' zu bezeichnen.

Femizid halte ich als Oberbegriff zwar immer noch für geeignet, aber es sollte genauer auf die jeweiligen Rechtfertigungsversuche von Tätern geschaut werden, zum einen wegen des Opferschutzes in Bedrohungslagen, zum anderen, weil die Präventionsarbeit mit möglichen Tätern davon maßgeblich abhängt.
Und deshalb komme ich allmählich zur Überzeugung, dass die alleinige Bezeichnung als Femizid beides erschwert und zu einer unscharfen Pauschalisierung führt, die weder den Opfern hilft, noch dazu beiträgt, dass Männer ihr Selbst- und Frauenbild ändern.


...

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Quote[...] Weil zwei Brüder sich dafür zuständig fühlten, über den Lebensstil ihrer Schwester zu wachen, die sich ihren Moralvorstellungen einfach nicht fügen wollte, ist sie jetzt tot. Maryam H. war 34 Jahre alt, geschieden und lebte in einer neuen Beziehung. Nach Erkenntnissen der Berliner Staatsanwaltschaft haben ihre Brüder sie am 13. Juli getötet und dann in einem Rollkoffer über einen Berliner Fernbahnhof nach Bayern transportiert, um sie in einem Waldstück zu vergraben. Maryam H. war Mutter von zwei Kindern. Ihre Familie stammte aus Afghanistan - und nicht zuletzt deshalb ist eine Debatte darüber entbrannt, ob die Vorstellungen ihrer Brüder von "Familienehre" im Zusammenhang mit dem Mord öffentlich benannt werden sollen.

Denn darum geht es eigentlich, wenn Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) für folgende Aussage gegenüber dem Tagesspiegel kritisiert wird:

    In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid.

    (Elke Breitenbach)


[...] wer Präventionsarbeit leisten will, muss dafür einen Ansatzpunkt finden, die Denkweisen der Täter analysieren und herausfinden, in welchen Milieus diese Denkweisen verbreitet sind. In einer Hippie-Kommune oder auf einem Techno-Festival Flyer zu verteilen, die darüber aufklären, dass arrangierte Ehen keine gute Idee sind, wäre sinnlos. Auch wenn das nicht heißt, dass Frauen und Mädchen dort hundertprozentig sicher vor Übergriffen sind und in der Technoszene nicht über andere Dinge - wie zum Beispiel die Wirkung synthetischer Drogen oder das "Nein heißt nein"-Prinzip - aufgeklärt werden müsste.

Es heißt auch nicht, dass keiner der lässigen westlichen Jungmänner dort je seine Partnerin oder Expartnerin töten wird. Aber sehr wahrscheinlich wird er sich weniger in das Beziehungsleben seiner Schwester einmischen, als es ein junger islamischer Fundamentalist für nötig hält. Somit ist es auch sehr viel unwahrscheinlicher, dass daraus ein Mordmotiv erwächst.

Elke Breitenbach hat ihre Aussagen an diesem Montag damit zu erklären versucht, dass es bei Mord keine Ehre gebe. Auch das ist richtig. Aber eben kein Grund, den Ehrbegriff der Täter zu ignorieren.


Aus: "Morde im Namen der Ehre oder "Das sind keine Äpfel, das ist Obst"" Claudia Wangerin (10. August 2021)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Morde-im-Namen-der-Ehre-oder-Das-sind-keine-Aepfel-das-ist-Obst-6159770.html

Link

Quote[...] Mitte Juli wurde eine zweifache 34-jährige Mutter aus Berlin getötet. Dringend tatverdächtig sind ihre zwei Brüder, 22 und 25 Jahre alt, die mittlerweile beide in Untersuchungshaft sitzen. Am Freitag teilte die Polizei Berlin mit, dass die beiden Tatverdächtigen sich ,,gekränkt gefühlt haben, weil das Leben ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen hatte." Das Opfer und die zwei mutmaßlichen Täter besitzen die afghanische Staatsbürgerschaft. Die Polizei und Generalstaatsanwaltschaft sprechen von einem ,,dringenden Verdacht eines sogenannten ,Ehrenmordes'".

Dass Po­li­ti­ke­r:in­nen sich zu einzelnen Tötungsdelikten von Frauen äußern, kommt in der Regel nicht vor. Femizide nehmen, obwohl sie in Deutschland Alltag sind, in der politischen Debatte und auch in der deutschsprachigen Berichterstattung kaum Raum ein [https://taz.de/Gewalt-gegen-Frauen-in-den-Medien/!5784125/]. Geht es allerdings um einen sogenannten Ehrenmord, sind Forderungen von Po­li­ti­ke­r:in­nen meist nicht weit.

Dabei sind ,,Ehrenmorde" nur ein kleiner Teil der Gesamtzahl der Femizide. Laut einer Untersuchung des BKA von 1996 bis 2005 sind es durchschnittlich 12 pro Jahr, die Anzahl von Femiziden in Deutschland bewegt sich dabei jährlich im dreistelligen Bereich. Die Täter stammen dabei im Regelfall aus dem Nahbereich des Opfers, sind meistens die (Ex-)Partner.

Dieser Vergleich soll keine der Taten verharmlosen: Gewalt und Tötung von Frauen sind immer zu verurteilen. Doch der Vergleich legt ein Ungleichgewicht in der politischen Betrachtung und Berichterstattung offen. Und auch dieses Ungleichgewicht ist es, das schließlich das Leben von Frauen gefährdet – weil das Problem nicht in seiner kompletten Ausformung begriffen wird.

Nach der Tötung der 34-Jährigen ist die Debatte im vollen Gange. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte die Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach: ,,In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid."

Eine Aussage, die sofort auf Widerstand traf. Der CDU-Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September, Kai Wegner, warf ihr vor, die Tat zu verharmlosen. Er sagte: ,,Frau Breitenbach leugnet die Realität, um ihr brüchiges Weltbild zu stabilisieren. Wer die religiös-kulturellen Hintergründe von sogenannten Ehrenmorden abstreitet, schützt die Täter und lässt die Opfer im Stich." Und auch die Berliner SPD-Spitzenkandidatin und jetzige Frauenministerin, Franziska Giffey, schrieb bei Twitter: ,,Es muss klar benannt werden, dass das nichts anderes ist als ein schrecklicher #Ehrenmord".

Doch schon der Begriff an sich folgt einem falschen Narrativ, denn er übernimmt die Weltanschauung der Täter. Nämlich, dass es tatsächlich eine ,,Ehre" gebe, die das Opfer verletzt habe. Ähnlich wie die Begriffe ,,Beziehungstat" oder ,,Eifersuchtsdrama" verharmlosen sie Tötungsdelikte an Frauen. Sogenannte Ehrenmorde sind die Folge einer patriarchalen Weltvorstellung, nämlich dass Frauen Männern unterstehen, ihnen zu gehorchen haben, und wenn sie das nicht tun, die ,,Ehre" der Familie verletzen würden. Strukturelle Frauenverachtung ist also die Grundlage für solch eine Tat und die Bezeichnung ,,Femizid", wie sie beispielsweise auch die WHO nutzt, angemessen.

Nicht nur die Verwendung des Begriffs ist problematisch. Wenn Morde im Namen der vermeintlichen Ehre verübt werden, folgt darauf meist eine rassistisch konnotierte Debatte. Anstatt über die nötigen Schutzmaßnahmen für Frauen, wie den Ausbau von Frauenhäusern, bessere Gewaltschutzverfahren oder die Stärkung von präventiven Maßnahmen für gewalttätige Männer zu diskutieren, dreht die Debatte sich weg von den Betroffenen hin zu Fragen von Integration und Asylrecht. Natürlich ist es wichtig, dass Po­li­ti­ke­r:in­nen das Töten zum Beispiel der 34-Jährigen verurteilen. Doch zahlreiche Studien belegen, dass immer wieder versucht wird, Femizide als ein Problem, das von ,,außen" in unsere Gesellschaft getragen wird, darzustellen.

Das zeigt sich einerseits in der Berichterstattung, die deutlich häufiger stattfindet, wenn die (mutmaßlichen) Täter Ausländer sind oder Migrationsgeschichte haben. Und auch in der Justiz: Verschiedene Studien der letzten Jahre zeigen, dass ,,Ehrenmorde" in Deutschland härter bestraft werden als andere Femizide. Denn während Ersteres berechtigterweise als strukturelles Problem wahrgenommen wird, werden Femizide, die durch (Ex-)Partner verübt werden, noch immer als Einzelfall behandelt.

Ob Täter nach einer Trennung Femizide verüben oder durch eine vermeintlich verletzte Ehre – die Ursachenbekämpfung muss in jedem Fall früher beginnen. Denn auch die Gewalt setzt deutlich früher ein. Diese Unterdrückungsmechanismen ausfindig zu machen und von Beginn an in Schulen, Gemeinden und an anderen gemeinschaftlichen Orten zu bekämpfen, sollte Priorität haben. Mit der Unterzeichnung der ,,Istanbul-Konvention" hat Deutschland sich auch zur Prävention von Gewalt gegen Frauen, Kindern und Queers verpflichtet. Diese nun 10 Jahre nach der Unterzeichnung endlich umzusetzen, sollte jetzt auf der politischen Agenda stehen.


Aus: "Femizid an 34-jähriger Afghanin: Im Namen des Patriarchats" Carolina Schwarz (9. 8. 2021)
Quelle: https://taz.de/Femizid-an-34-jaehriger-Afghanin/!5788157/

QuoteEmsch

Ich wundere mich immer wieder, wie angeblich emanzipierte Frauen, angebliche Feministinnen eine Gesellschaftsform verteidigen, die jeglicher Emanzipation widerspricht. Diese Männer haben offensichtlich innerfamiliär einen Mord geplant, weil ihnen die Lebensart ihrer Schwester nicht gefiel. Bestimmte Gesellschaften bezeichnen dies als verletzte Ehre. Damit ist dies ein Ehrenmord, genauso wie es Mord aus Eifersucht, Geldgier o.ä. gibt. Es gibt viele, viel zu viele Morde an Frauen aus verschiedenen Motiven. Ein Ehrenmord von einem Deutschen ohne Migrationshintergrund ist aber sicher eine absolute Rarität: kennt jemand ein Beispiel?


QuoteSchusters Bernd

@Emsch Und genau das von Ihnen geschriebene Verhalten ist im Artikel beschrieben...

Danke, dass Sie direkt die Beweisführung unterstützen...
Bei Ihnen geht es schon nicht mehr um den Mord an der Frau, sondern darum, wie die "böse fremdländische Kultur" der Grund unsere gute deutsche Kultur unterwandert und hier Dinge passieren, die ein guter Deutscher nie machen würde... Das ist (Entschuldigung) Blödsinn!

Es gibt eben viele "Gründe", warum Menschen ermordet werden, weil sie Frauen sind.

In der Regel von Männern, welche "gute Gründe" haben... Mal ist es "Ehre", mal "Eifersucht", "mal die schwierige Beziehung"... Alles "gute" Gründe, gegen die man halt als Mann nix tun kann, und man deshalb ja quasi schon halb unschuldig ist...

Das passiert leider viel zu oft in allen Gesellschaften. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (fremden) Kultur hält dabei nur bestimmte (fremde) Erklärungen parat... Beinhaltet aber eigentlich nur das Gleiche... Mann steht über Frau

In Dtl. Leider noch oft genug, genauso wie in anderen Kulturen...


Quotefibe
gestern, 20:06

Ehrenmord bedeutet übrigens nicht automatisch Femizid.

Wikipedie: "Im Jahr 2011 führte das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (MPICC) in Freiburg im Breisgau im Auftrag des Bundesministerium des Innern eine Studie zu Ehrenmorden in Deutschland durch. Das Ziel dieser Studie bestand in der Dokumentation aller Fälle von Ehrenmorden in Deutschland im Zeitraum von 1996 bis 2005 auf der Basis von Prozessakten sowie Medienberichten. Es wurden 78 Taten untersucht, darunter zahlreiche Grenzfälle zur Blutrache und zur Partnertötung. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass von 122 Tätern 113 (93 %) männlich und neun (7 %) weiblich waren. Von den 109 Opfern waren 47 (43 %) männlich sowie 62 (57 %) weiblich. Der Anteil der männlichen Opfer war damit den Autoren der Studie zufolge erheblich größer, als es in der Öffentlichkeit und teils auch in der Fachdiskussion wahrgenommen wird. Der größte Teil der getöteten Personen war zwischen 18 und 34 Jahre alt, die Täter hingegen überwiegend 40 bis 49 Jahre.[22][23][24]

Die Auswertung des ethnischen und Migrationshintergrunds ergab den eindeutigen Befund, dass fast alle Täter außerhalb Deutschlands geboren wurden (91 %) und keine deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (92 %). 9,2 Prozent der Täter waren Migranten der zweiten Generation, d. h. sie wurden in Deutschland geboren. Die Täter waren zu 63 % in der Türkei geboren,[25] es folgten arabische Länder (14 %), Albanien und Länder des ehemaligen Jugoslawien (8 %) sowie Pakistan und Afghanistan mit 6 %. Ein einziger Täter war ethnischer Deutscher: ein Auftragsmörder, der von einem jesidischen Kurden bezahlt wurde."

Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ehrenmord&oldid=214672616 (11. August 2021 um 11:00)


QuoteRudolf Fissner

Passende Begriffe, die man gerne passender hätte, sollten nicht durch nichtssagende Oberbegriffe ersetzt werden
"Femizid" ist ein alles verdeckender Oberbegriff für eine breite Palette von Mordursachen. Jeder politische Mord an eine Frau, jeder Foltermord, jeder bestialische Sexualmord ist als Femizid. nichtssagend.
Der Begriff "Ehrenmord" verharmlost nicht. Er weist konkret auf patriarchale antifeministische unfreiheitliche Traditionen eines Mordes hin.
Und selbst wenn man den Begriff ablehnt sagt er immer noch mehr aus als der Begriff Femizid.


QuoteSchusters Bernd

@Rudolf Fissner Ich glaube nicht, dass der Begriff Femizid verharmlost.

Er weißt nur darauf hin, dass das wesentliche Kriterium, warum jemand ermordet wurde, das ist, dass das Opfer eine Frau ist.
Und der Grund für den Mord wesentlich mit dem Geschlecht zu tun hat.
DAS ist auch wichtig zu benennen, genauso wie es bei politischen, religiösen, etc. Taten gemacht wird.
Warum Morde an Frauen oft durch den Zusatz von eher positiv besetzten Worten (Ehre), oder mit Erklärungen (Eifersucht) immer wieder verharmlost und relativiert werden, wird dagegen im Artikel benannt...

Ihrer Argumentation kann ich dagegen nicht folgen. Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, sollten auch als solche benannt werden.


QuoteJulianM

Danke für den sehr guten & richtigen Beitrag. Ein Blick in die Kommentarspalte macht eher skeptisch, ob er durchdringen kann.


QuoteJim Hawkins

Ist mir rätselhaft, warum sich die ganzen Jungs wieder mit Händen und Füßen gegen diesen Begriff wehren.
Dass Frauen von ihren Brüdern oder anderen Familienmitgliedern ermordet werden, weil ihnen deren Lebensweg nicht passt, das ist ja bedauerlicherweise schon öfter vorgekommen.
Kennt jemand einen Fall, in dem es andersherum war? Dass also die Schwestern oder andere Familienmitglieder einen Mann ermordet hätten, weil ihnen dessen Lebenswandel nicht passte?


QuoteNormalo

@Jim Hawkins Wie von Vielen der "Jungs" beschrieben: Ehrenmorde sind ein an sich geschlechtsunabhängiger Vorgang, der vor allem den Besitzanspruch von Clan und Kulturkreis am Individuum umsetzen soll. Dass die Kulturen in denen Ehrenmorde begangen werden, meist patriarchal geprägt sind, ist sicher kein Zufall, denn das Konzept, sich die beschmutze Ehre mit dem Blut des vermeindlich Schuldigen quasi reinzuwaschen, ist sicher auch ein eher archaisch-männliches. Das gleiche gilt für die ehrverletzenden Tatbestände, die den Anlass bieten: Auch hier haben wir es vielfach mit heteronormativ-patriarchalen Strukturen zu tun, die durch entsprechend abschreckende Sanktionierung des Ausbruchs vor dem Zerfall "geschützt" werden sollen. Aber es ist auch klar dass diese Kulturkreise und die sie erhaltenden Kräfte bei aller patriarchaler Prägung nicht nur männliche "Sittenwächter" haben.

Das Problem ist nun, das Alles mit Femiziden unter einen Hut zu bringen, die NICHT so umfassend in ihren kulturellen Hintergrund eingebunden sind. In Mitteleuropa gilt speziell die monogame heterosexuelle Beziehung schon lange nicht mehr als das Heiligtum, das eine Verteidigung bis aufs Blut rechtfertigt. Wer z. B. seine Frau umbringt, weil sie fremdgeht, ist aus unserer Sicht selbst bei positivst möglicher Wertung immer noch bedauernswerter (und schlechter) Verlierer - und eben ein Totschläger oder Mörder. Dass sich Leute trotz dieser Wertung zu Taten hinreißen lassen, die eine frauenfeindliche Einstellung verraten, kann man nicht so leicht über den selben kriminologischen/ soziologischen Kamm scheren wie die Ehrenmorde und auch gesellschaftspolitisch ist es schwer, das ganze unter dem guten alten feministischen Ansatz "Ihr Männer...!" in Angriff zu nehmen, wenn es nur einen kleinen Teil eines kulturell abgrenzbaren Teils der Gesellschaft betrifft und noch nicht mal klar ist, in wie weit auch die in diesen Kulturkreisen vorhandenen Frauen von den vorhandenen Strukturen profitieren und ein Wörtchen mitreden.


QuoteJim Hawkins

@Normalo Und wie wäre es damit:

Ein Bio-deutscher Mann, eine Kartoffel also, wird von seiner Frau verlassen, weil sie sich in einen anderen verliebt hat.
Das geht dem natürlich mächtig gegen den Strich, vielleicht könnte man sogar sagen, er fühlt sich in seiner Ehre als Mann gekränkt oder verletzt.
Und wie geht ein richtiger Mann mit Kränkungen um? Er wird gewalttätig. In diesem Fall bringt er etwa seine Ex-Frau. Um seine Ehre wieder herzustellen.
Ist das dann ein Ehrenmord? Oder begehen Bio-deutsche keine Verbrechen dieses Zuschnitts.
Gibt es das nur in ganz "fremden" Kulturen?
"Ehrenmord", das ist die ethnifizierende Beschreibung eines Femizids.
Und genau deshalb hat dieser Begriff seine Berechtigung.
De mon avis, auf jeden Fall.


QuoteDr. McSchreck

@Jim Hawkins In die Nähe eines Ehremordes würde es rücken, wenn der Familienkreis - vielleicht sogar einschließlich der Familie der "untreuen" Frau gemeinsam tagen und beschließen würde, dass deren Verhalten nur durch ihren Tod wiedergutgemacht werden kann.

Während es weder bei einem Türken noch einem Albaner noch einem Afghanen und eben auch nicht einem Deutschen ein "Ehrenmord" ist, wenn er die Frau bestrafen will und niederschießt oder -sticht.


QuoteJim Hawkins

@Normalo "gewisse Lobbyvertreter*_:Innen durch brachiale Begriffsvereinheitlichung versuchen, alle Unterschiede in der Wahrnehmung einzuebnen und das ganze zu einem pauschalen "Alle Männer vs. Alle Frauen"-Thema zu machen."

Welche Lobbyvertreterinnen meinen Sie denn?


QuoteArthur Helwich

@Jim Hawkins Ich persönlich habe absolut kein Problem damit, den Fall um den es hier geht, unter den Begriff des Femizids zu subsumieren. Das war es.

Das war aber eine besondere Form des Femizids, der als Ehrenmord bezeichnet werden kann.
Ich denke, abhängig davon, worüber genau gesprochen wird, kann von diesem Fall entweder als Femizid, oder von Ehrenmord gesprochen werden.
Wenn es aber darum geht, solche Taten in Zukunft zu verhindern, dann sollten schon die genauen Ursachen der Tat in den Blick genommen werden.
Und ich denke, bei einem Mann, der seine Frau aus Eifersucht ermordet hat, hätte in der Erziehung was anderes anders gemacht werden müssen, als bei einem Mann, der seine Schwerster tötet weil sie angeblich die Ehre der Familie beschmutzt hat.


QuoteKarl Kraus

@Arthur Helwich Gemeinsam haben diese Verbrechen, dass das Opfer eine Frau ist, die sich dem männlichen bzw. patriarchalischen Diktat widersetzt hat. Deshalb halte ich es für wichtig, Femizid als gezielt gegen Frauen als Frauen gerichtetes Verbrechen klar zu benennen. Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe, aber nicht jeder Mord an einer Frau ist automatisch als ein solcher Femizid zu werten. Das wäre in der Tat Quatsch. Z. B. bei Mord aus Geldgier oder so.

Die Idee scheint mir, dass der Begriff die mörderische Dimension männlicher Dominanz zählbar macht. Übrigens könnte man im Weiteren und davon sauberst unterschieden mal gucken, wann bei extremer Gewalt auch sonst diese Männlichkeitsscheiße eine Rolle spielt (andere "Ehren"morde z. B.). Vielleicht kann man dann auch mal sehen, wie krank das alles wirklich ist; wie viel Kaputtheit eigentlich auf das Konto dummbatziger männlicher Identitätsidiotie geht. Um es mal subtil zu formulieren. Schöne Woche euch allen! :)


QuoteOldFrank
heute, 08:42

@Karl Kraus "Gemeinsam haben diese Verbrechen, dass das Opfer eine Frau ist, die sich dem männlichen bzw. patriarchalischen Diktat widersetzt hat."

Gewagte Aussage wenn 30 bis 43% der Opfer Männer sind.


QuoteJim Hawkins

@Arthur Helwich "Und ich denke, bei einem Mann, der seine Frau aus Eifersucht ermordet hat, hätte in der Erziehung was anderes anders gemacht werden müssen, als bei einem Mann, der seine Schwerster tötet weil sie angeblich die Ehre der Familie beschmutzt hat."

Ich bin ja der Meinung, dass das alles Dreckschweine sind. Und dass sie alles Mögliche verdient haben, außer Verständnis.


QuoteNormalo

@Jim Hawkins "Verständnis" sollte man an der Stelle nicht sympathisierend verstehen. Zu verstehen, warum jemand etwas macht, heißt nicht, es gutzuheißen. Es geht mehr darum, was man - AUSSER, den Täter zu verurteilen und zu bestrafen - noch machen kann, um andere, heute noch quicklebendige Menschen vor solchen Taten zu schützen.

Dafür sucht man nach allgemeinen Schlüssen aus der Tat in Bezug auf ihre Ursachen und nach Hebeln, um diese Ursachen zukünftig zu beseitigen oder zumindest zu schwächen. Das geht nicht, ohne ein gewisses Verständnis dafür aufzubauen, was im jeweiligen Täter genau vorgeht bzw. bei der Tat vorging.

Einfach nur die Tat sehen und mit kalter, nicht näher hinschauender Verachtung aburteilen macht niemanden lebendig und birgt die Gefahr, sich selbst weiter über den Täter zu erheben als die eigene moralische Kompetenz reicht. Erst in im genaueren Hinsehen merkt man, wie nah oder fern deren Motivationsstruktur wirklich von der eigenen ist, und hält auch sich selbst dadurch geerdet. Gerade bei Femiziden werden Sie haufenweise Täter finden, die es vorher WEIT von sich gewiesen hätten, zu so etwas imstande zu sein. Hätten die besser gewusst, dass sie es eben doch sind, hätten sie sich vielleicht beherrschen können.


QuoteAnachronist87

@Jim Hawkins Hier findet man eine Menge zu dem Thema:

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bka-studie-ein-drittel-aller-ehrenmord-opfer-sind-maennlich-a-778249.html

Es werden auch Männer getötet. Nicht nur, weil sie jemandem "die Frau wegnehmen", sondern auch weil deren Sexualität der Familie nicht passen kann.

Dass Frauen dabei so selten Täter sind, wird indirekt ebenfalls thematisiert:

Die Familie ernennt jemanden, der den Mord ausführen soll. Männer scheinen da ganz klar "bevorzugt" zu werden. Und wenn sie sich weigern, landen sie ganz schnell ebenfalls auf der Abschuss-Liste.


QuoteKhaled Chaabouté

Egal mit welcher Wortneuschöpfung dieser Mord bezeichnet wird: Hauptsache es werden ganz besonders niedrige Beweggründe bei der Urteilsfindung geltend gemacht.

Den Begriff "Ehre" haben ja insbesondere die Nazis (SS-Leitspruch: Unsere EHRE heißt Treue) oder die Ehrenwerte Gesellschaft (Mafia) hinreichend beschmutzt; somit dürfte auch ein sogenannter Ehrenmord ein ganz besonders abscheuliches Verbrechen ohne mildernde Umstände sein. Femizid scheint mir hier nur eine Nebelgranate zu sein, um Kritik an bestimmten kulturellen Sozialisationen auszublenden.


QuoteMeister Petz

Ich halte das Argument - um den Begriff des Whataboutism nicht über Gebühr zu strapazieren - für eine gutgemeinte antirassistische Nebelkerze, die versucht, wie in der Bruchrechnung den kulturellen Hintergrund rauszukürzen.

Das fand ich schon bei der Gleichsetzung "Silvesternacht-Oktoberfest" mit diesem #ausnahmslos recht fragwürdig. Ich bin überzeugt, die Anhänger würden zutiefst protestieren, wenn die Konservativen nach einem Brand eines Asylbewerberheims eine Debatte über das Thema "Brandstiftung im Allgemeinen" fordern, um die nationalistischen Motive zu verschleiern.


QuoteAnachronist87

Die Frage ist halt, ob man die Motivation des Täters oder das Geschlecht des Opfers hervorheben möchte, je nachdem wovon man sich die spezifischeren Informationen verspricht bzw. welche zugrunde liegenden Komplexe man dahinter sieht.

Wenn man dem Narrativ des Artikels folgt, dann sagt ,,Femizid" bereits alles, weil mit dem Geschlecht des Opfers die Ursache des Mordes bereits als gegeben betrachtet wird. Die verschiedenen sozialen Strukturen, psychologischen Mechanismen und kulturellen Hintergründe sind dann irrelevant, weil letztlich ja das Patriarchat dahinter steht.

Andererseits kann man auch die konkreten Motive der Täter als Beurteilungskriterium wählen. Das bedeutet nicht, diese zu legitimieren oder zu verharmlosen, sondern beschreibt lediglich, was diese als Personen zu ihrer Tat bewegt hat (Erbschaftsmord, Eifersuchtsmord, Mord aus Notwehr, Ehrenmord etc.)

Ehrenmorde (auch wenn für vernünftige Leute nichts Ehrbares dahinter steckt) zum Beispiel sind auch oft Femizide, haben aber bestimmte Eigenheiten, welche sie von anderen Femiziden unterscheiden. Zum Beispiel steht das konkrete Verhältnis des Täters zu einer sozialen Einheit, nämlich der Familie, dahinter. Dadurch werden diese auch an Männern begangen. Und wie der differenziertere taz-Artikel ,,Ehrenloser Mord" darlegt, werden solche Ehrenmorde in Deutschland hauptsächlich von Migranten der ersten Einwanderer-Generation verübt.

Daran sieht man bereits, dass hier noch ganz andere Faktoren reinspielen als nur das Patriarchat. Und für die Kategorisierung und Auswertung solcher Morde sind mehr Informationen wichtig als nur das Geschlecht der Opfer.

Das bedeutet nicht, man sollte solche leider verbreiteten Faktoren wie strukturellen Frauenhass stillschweigend übersehen. Aber ich glaube auch, dass der ständige Verweis auf das Patriarchat keinen Lösungsansatz darstellt, sondern eher dazu führt, sich in abstrakten Begriffszuordnungen zu verlieren, anstatt sich Probleme konkret anzuschauen.


Quoterero

@Anachronist87 Sorry, es gibt keinen "Mord aus Notwehr".

Da eine schließt das andere aus.


QuoteNormalo

@rero Das ist EINE Meinung. Wir sind aber hier genug Juristen für mindestens fünf andere... ;-)


Quoterero

@Normalo Sie haben recht, Asche auf mein Haupt, ich ziehe meinen Kommetar zurück. :-)

Und Anachronist87 hat ja in der Sache recht.


QuoteCeridwen

Doch ich finde schon das der Begriff mehr als konkret ist, denn in erster Linie war es ein Femizid und nur in zweiter Linie ein Ehren-Mord. Ebenso wie ein Mord an dem homosexuellen Sohn oder auch der Tochter in erster Linie homophob, und daraus schlussfolgernd in gewissen ethnischen Kreisen als Ehrenmord angesehen werden kann. Mich würde interessieren worauf die Wort-Klauberei hinausführen soll.

Nur bedingt muss ein von afghanischen Brüdern geplanter Mord an der Schwester anders betrachtet werden, als die herangezogene ,,Beziehungstat" oder das ,,Eifersuchtsdrama" – wobei so ohne Details ich mal weiterspinne:

Selbst wenn der deutsche Mann seine Ex-Freundin im Affekt ermordet läuft es für mich im Grunde auf dasselbe hinaus: Mord ist Mord und eine Frau ist tot, weil sie den patriarchalischen Vorstellungen Ihres Umfeldes nicht entsprach. Denn in den meisten Fällen haben die Beziehungsdramen eben durchaus auch ähnliche Hintergründe: ein Mann der sich abgelehnt oder herabgesetzt – quasi in seiner Ehre gekränkt fühlt.

Gewalt gegen Frauen ist nichts Neues und beginnt bei Mobbing wenn die Kollegin nicht auf Avancen eingeht, setzt sich fort in Hass-Foren im Internet – in denen zurückgewiesene Männer ein ,,freiwilliges Zölibat" propagieren und zu Gewalttaten gegen Frauen aufrufen – über die Säureattacke gegen eine Frau welche sich nicht verabreden wollte bis hin zur Prügelei in der Partnerschaft und Vergewaltigung in der Ehe.

ME macht die Redakteurin völlig zurecht darauf aufmerksam, dass Femizide viel zu selten thematisiert und im Rechtssystem noch nicht korrekt verankert sind. Ein Rechtssystem das sich auch bei uns schwer tut mit der Frage, wie erzwungener Sex in der Ehe zu behandeln sei... nur mal so als Beispiel. Vielleicht läßt man mal grundlegend die Unterteilung und archaischen Vorstellungen von Ehre oder Ehrenmord, Beziehungsdrama und sonstigen fragwürdigen Labeln weg und betrachtet es als das was es ist: gelebte Gewalt durch körperliche Überlegenheit des Mannes (gerechtfertigt meinethalben durch abstruse Wertvorstellungen) gegenüber der Frau und das gehört weltweit bestraft.

Zugrunde liegen meiner Ansicht nach misogyne Dynamiken oder Tendenzen unabhängig von Herkunft, Bildung etc. weltweit haben wir Jahrhunderte mit Geschlechter-Asymmetrien gelebt – männliche Dominanz und Besitzansprüche sind vielseitig historisch belegt und keine Erfindung einer einzelnen Kultur. Und für alle die sich jetzt gern in Nebenschlachtfeldern ergehen und Gewalt gegen Männer anprangern gern Folgendes:

,,Laut BKA-Statistik wurden im Jahr 2019 insgesamt 114.903 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern bedroht, ihrer Freiheit beraubt, gestalkt, verletzt, sexuell genötigt, zur Prostitution gezwungen, vergewaltigt oder gar ermordet. Im gleichen Zeitraum waren auch 26.889 Männer von strafrechtlich relevanter Partnerschaftsgewalt betroffen. Das heißt, von den 141.792 statistisch erfassten Opfern von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2017 waren insgesamt etwa 81 Prozent weiblich."

Keine Ahnung woher aber es ist was dran: Männer fürchten von Frauen ausgelacht zu werden und Frauen befürchten von Männern getötet zu werden.


Quoteshantivanille

Artikelzitat: "Sogenannte Ehrenmorde sind die Folge einer patriarchalen Weltvorstellung, nämlich dass Frauen Männern unterstehen, ihnen zu gehorchen haben, und wenn sie das nicht tun, die ,,Ehre" der Familie verletzen würden. Strukturelle Frauenverachtung ist also die Grundlage für solch eine Tat."

Gut formuliert. Damit ist die taz erheblich weiter als der SPIEGEL.

Noch besser gefällt mir die Definition von Terre des Femmes aus einer Studie zu "Ehrenmord" (gekürzt):

• Während ,,Gewalt im Namen der Leidenschaft" in der Regel von dem derzeitigen oder ehemaligen Partner der Frau ausgeht, wird ,,Gewalt im Namen der Ehre" in vielen Fällen von der ganzen Familie ausgeübt. Als Täter kommen demnach mehrere Personen in Frage: Der Vater, der Bruder, der Onkel, Cousin etc. Auch der Kreis der potentiellen Opfer ist dementsprechend größer (Schwester, Tochter, Cousine etc.).

• Die Gründe für Gewalt im Namen der Leidenschaft und Gewalt im Namen der Ehre sind unterschiedlich, können aber in einigen Fällen ineinander übergehen, da es in erster Linie um die Kontrolle der weiblichen Sexualität geht. Ein ,,klassischer Ehrenmord" wird z. B. von dem Bruder begangen, wenn seine Schwester voreheliche Kontakte zu einem Mann hat.

• Einem Ehrenmord geht häufig eine gemeinschaftliche Planung des Familien -voraus.

• Eine ,,verletzte Familienehre" ist erst dann bereinigt, wenn die Beschuldigte umgebracht ist. Die Frauen müssen sich demnach ihr ganzes Leben lang verstecken.

• Für die potentiellen Opfer eines Ehrverbrechens ist es daher sehr viel schwieriger, der Gewalt zu entkommen, da sie sich in der Regel an niemanden aus der Familie oder Gesellschaft wenden können.

070416_TDF_Studie_Ehrenmord.pdf (humanrights.ch)


QuoteBer.lin.er

Natürlich verharmlost der Begriff ,,Ehrenmord". Als wenn dieser Mord begangen wurde, weil eine Ehre auf dem Spiel gestanden hätte. Da haben zwei ehrlose Typen mit mittelalterlichen Lebensvorstellungen eine Frau ermordet, weil Sie eine Frau war, die gewisse Dinge gefälligst nicht darf. Dinge, die Männer dürfen.

Wer den Begriff ,,Ehrenmord" für richtig hält, sollte darüber nachdenken, ob es ihm dabei um die Stigmatisierung einer Religion und/oder einer Region geht.


QuoteSuryo

@Ber.lin.er Nun halte man mal die Menschen nicht dümmer, als sie sind. Jeder kapiert das Wort in seinem Kontext schon völlig richtig. Die Ehre, um die es beim Wort Ehrenmord geht, ist die kulturspezifische, nicht die, die der normale Westeuropäer meint, wenn er von seiner spricht. Beim Wort Lustmord denkt doch auch keiner, dass der Mord Lust macht.

Im übrigen: natürlich ist das Ganze kulturspezifisch. Im muslimischen Indonesien gibt es keine Ehrenmorde, sehr wohl aber bei Jesiden und auch Christen im Nahen Osten. Sorry, da müssen dann diese Kulturen eben durch, dass man mal den Augenmerk auf ihre negativen Aspekte lenkt. Anders lässt sich diese spezifische Form von Femizid nun mal nicht bekämpfen.


QuoteAmandas

Na, wie man sieht, gehen die Meinungen in Punkto "Verharmlosung" diametral auseinander. Ich bin aus einem ganz anderem Grund dafür den Begriff "Ehrenmord" beizuhalten: Er bezeichnet, im Gegensatz zum klassischen Femizid mitteleuropäischer Prägung, nicht die Tat eines in seinem Narzissmus aufs äußersten gekränkten Einzeltäters, sondern in vielen Fällen einen Mord, den ein einzelner (in diesem Fall zwei) im Auftrag einer Familie durchführt. Das ist schon ein Unterschied.


QuoteLife is Life

@Amandas Ach, es muss ja nicht immer Mord sein zugunsten der Familienehre.

Dieselben Mechanismen, "unangenehme" Dinge innerhalb der Familie zu deckeln, führt auch "bei uns" dazu, dass Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt (weit überwiegend Mädchen und Frauen) innerhalb einer Familie mehr oder weniger subtil dazu gedrängt werden, dies nicht öffentlich zu machen.

Man nennt es nur nicht "Ehre"......


QuoteAmandas

@Life is Life Es sind nicht exakt die selben Mechanismen. Differenzierung ist wichtig. Nur so kann man den Dingen an der Wurzel begegnen.


QuoteMarkus Michaelis

Ich glaube das ist nicht ganz so klar. Natürlich ist es sehr berechtigt alle Morde an Frauen, die durch Partner oder Familie begangen werden, zusammen zu sehen. Da gibt es Gemeinsamkeiten, gemeinsame Denkweisen, und die sollte man auch benennen. Das kann z.B. sein, dass eine Gesellschaft einem Partner-Mörder irgendwie etwas mildernde Umstände zugesteht, wenn er etwa verlassen wurde (oder andere Szenarien).

Nur gibt es viele Zusammenhänge, in die man solche Taten einsortieren kann. Es gibt wohl auch das Phänomen, dass Frauen von ihrer Familie wegen soetwas wie der Familienehre umgebracht und in viel mehr Fällen wohl gewaltätig angegangen werden. Hinter der Familienehre stehen auch gesellschaftliche Wertvorstellungen, die von vielen Menschen geteilt werden, und die haben eben an dieser Stelle auch ihre negativen Auswirkungen.

Das hat dann auch Komponenten, die von außen nach D getragen wurden, und das kann und soll man doch auch benennen. Damit wird nicht verneint, dass man dazu auch andere Zusammenhänge sehen kann, die dieser Artikel mehr betont.


...

Link

Quote[...] Zwei Männer werden festgenommen, der dringende Verdacht: Sie sollen in Berlin ihre ältere Schwester getötet haben. Mutmaßliches Motiv: "gekränktes Ehrgefühl", sagt die Polizei. Die beiden Tatverdächtigen aus Afghanistan sollen "sich gekränkt gefühlt haben, weil das Leben ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen hatte". Die 34-Jährige hinterlässt zwei Kinder.

Vieles, was man nach so einer unfassbaren Tat sagt, kann unangemessen klingen. Auch die Sätze der linken Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach nach der Festnahme wirkten befremdlich relativierend: "In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid." Die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey widersprach: "Es muss klar benannt werden, dass das nichts anderes ist als ein schrecklicher Ehrenmord." Die Linguistin und Rapperin Reyhan Şahin schrieb, die Bezeichnung "Ehrenmord" sei rassistisch, da sie nur für Taten muslimischer, kurdischer oder jesidischer Männer benutzt werde, hingegen man bei weißen Männern von Trennungsmorden, Beziehungsdramen oder Verzweiflungstaten spreche.

Die Sache ist: Alle drei haben recht. Und sie widersprechen sich gar nicht so sehr, wie es zunächst scheint.

Tatsächlich wird in Deutschland jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau von ihrem aktuellen oder früheren Partner getötet, hat eine Studie des Bundesfamilienministeriums ergeben. 147 waren es im Jahr 2017. Feministinnen haben lange dafür gekämpft, dass dies nur noch selten "Familiendrama" genannt wird, sondern immer öfter Femizid. Das bedeutet: Die Frau wurde getötet, weil sie eine Frau ist. Und nicht selten sah sie der jeweilige Mann als sein Eigentum an, wenn er sie nicht haben kann, soll sie keiner haben. Das ist auch 2021 noch oft die patriarchale Motivlage bei Partnerschaftsgewalt.

Trotzdem hat auch Giffey recht, wenn sie sagt, dass die Tat "klar benannt" werden muss. Ein sogenannter Ehrenmord ist eine seltene Tat mit einem speziellen Motiv. Wenn die ohne Unterscheidungen unter alle anderen Femizide subsumiert würde, schwände damit auch die Möglichkeit, mehr über die Strukturen von Tätern und Betroffenen zu erfahren und damit auch für eine bessere Prävention.

Ein Anruf bei Julia Kasselt, die als Juristin und Kriminologin sogenannte Ehrenmorde wissenschaftlich untersucht hat. In den zehn Jahren des Untersuchungszeitraums zwischen 1996 und 2005 hat das Forschungsteam um Kasselt 20 Fälle von "Ehrenmorden im engeren Sinne" gefunden, das heißt: Eine Frau wird von ihrer Herkunftsfamilie, also Brüdern, Vater, oder Onkel, getötet, um eine vermeintliche Familienehre wieder herzustellen, die sie durch Fehlverhalten verletzt haben soll. Hier sind es also anders als bei Trennungstötungen laut Kasselt in der Regel nicht die (Ex-)Partner, die die Frauen aus Eifersucht oder Kränkung töten, sondern die eigene Familie. Die Taten sind übrigens nicht mit dem Islam begründet, sondern durch eine viel ältere Ehrkultur motiviert. "Es geht um die Familienehre, ein kollektives Gut, das aus Sicht der Täter über allem steht", sagt Kasselt. Zwei Drittel der Täter, deren Fälle sie untersucht hat, waren in der Türkei geboren und erst seit Kurzem in Deutschland oder schon lange da, aber schlecht integriert. 14 Prozent kamen aus "arabischen Ländern" und weitere aus Exjugoslawien, Deutschland, Afghanistan und Pakistan. Unter den Tätern gab es laut Kasselt auch Christen.

Und es gibt noch einen Grund, diese Taten genauer zu betrachten, bevor man sie den Femiziden zuordnen will. In einer weiter gefassten Definition von "Ehrenmord" sind mehr als ein Drittel der Opfer Männer, sagt Kasselt: Wenn die Familie auch den unerwünschten Partner der Tochter oder nur diesen tötet. 78 Fälle haben Kasselt und ihre Kolleginnen und Kollegen nach dieser engeren und weiteren Definition in zehn Jahren insgesamt in Deutschland gefunden.

Partnerinnentötung ist nach Kasselts Definition in den meisten Fällen also kein Ehrenmord, weil hier zwar auch oft ein patriarchales Besitzdenken eine Rolle spielt, aber der Täter sich selbst gekränkt fühlt und die Tat nicht wegen der "Familienehre" begeht. Ausnahme seien Fälle, in denen das Umfeld des Täters ihn zur Tat gedrängt habe. Sozialsenatorin Breitenbach präzisierte ihre Kritik später: Ihr liege es fern, Taten zu ignorieren oder kleinzureden "Aber so zu tun, als sei der Mord an Frauen importiert, ist auch nicht richtig."

Es ist also sinnvoll, diese Taten weiterhin gesondert zu benennen. Trotzdem ist der Begriff "Ehrenmord" dafür ungeeignet. Erstens impliziert er, dass es tatsächlich eine Ehre einer Familie gäbe, die durch eine selbstbestimmte Frau verletzt werden kann und durch ihre Ermordung wieder herzustellen sei, oder dass gar die Tat selbst etwas Ehrenhaftes sein könnte. Zweitens wird er allzu oft voreilig und teils mit rassistischen Motiven als Schlagwort verwendet, um eine Tat von Migranten als abscheulich anzuprangern, von der noch gar nicht genug bekannt ist.

Es ist auch sicher nicht hilfreich, wenn die Berliner Polizei ihre Meldung zu der Festnahme der beiden Brüder selbst mit "sogenannten 'Ehrenmord'" überschreibt, während das Motiv noch Gegenstand der Ermittlungen ist und die Staatsanwaltschaft natürlich wegen Mordes ermittelt, weil "Ehrenmord" nicht im Strafgesetzbuch auftaucht.

Vielleicht brauchen diese Taten einen neuen Namen. Wenn Sie eine Idee haben, schreiben Sie mir gern. Doch das Schädliche ist nicht, einen sogenannten Ehrenmord zu thematisieren. Schädlich für ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben ist aber, dass es eben in der Regel diese als "Ehrenmord" klassifizierten Morde an Frauen sind, die in der Öffentlichkeit Empörung und Abscheu hervorrufen und über die sehr viel berichtet wird – weniger aber über die zu alltäglichen Morde, die Männer an (Ex-)Frau und Kindern begehen. Dadurch entsteht auch in der öffentlichen Wahrnehmung eine Verzerrung.

Es muss doch zu schaffen sein, über beides zu sprechen – ohne eins davon relativieren zu wollen: über Morde zur Reparatur einer vermeintlichen Familienehre und Morde aus Kränkung und Besitzdenken – und ihre gemeinsame Wurzel in einer patriarchalen Kultur, die eben keineswegs auf die Türkei oder Afghanistan beschränkt ist, sondern sich auch in deutschen Familien findet.


Aus: "Keine Ehre, nur Leere" Eine Kolumne von Frida Thurm (12. August 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-08/ehrenmord-femizid-berlin-mord-debatte-begriff-moralvorstellungen

Quoteatlantik #12

Eine Frau war in ihrem Frausein nicht so, wie sich das andere Menschen vorstellten.
Dafür wurde sie ermordet. Das ist ganz klar ein Femizid.


QuoteJoergli #12.1

Ein Drittel bei Ehrenmorden sind Männer. Also ist der Oberbegriff Ehrenmord zutreffend, weil es dabei nicht um Frau oder Mann, sondern rein um den Begriff "Ehre" geht. Alles andere ist aus meiner Sicht eher Ursachennegierung.


QuoteIsmene7 #13

Den vielleicht berühmtesten ,,Ehrenmord" in der Literatur beschreibt Gabriel Garcia Marquez in der ,,Chronik eines angekündigten Todes". Die Novelle spielt in Kolumbien und das Opfer ist ein (mutmaßlicher) ehemaliger Liebhaber der Braut, die vom Bräutigam in der Hochzeitsnacht zurückgewiesen wird, weil sie keine Jungfrau mehr ist. Die Täter sind die Brüder der Braut, die die Tat eigentlich gar nicht begehen wollen und deswegen dem ganzen Dorf sehr ausführlich von ihren Plänen erzählen, in der Hoffnung, dass Opfer würde gewarnt, was leider nicht geschieht. Der Roman enthält meines Erachtens viele Aspekte, die für die Thematik relevant sind: Zum Beispiel, dass das Opfer durchaus ein Mann sein kann, und dass solche Taten auch in völlig anderen Kulturkreisen möglich sind beziehungsweise waren, sowie dass die Täter unter dem Druck einer Gesellschaft stehen, die die Taten insgeheim billigt beziehungsweise sogar erwartet. Ich bin nicht dafür, dies strafmildernd zu werten, aber wir brauchen ganz dringend intensive und bessere Aufklärungskampagnen in den entsprechenden Parallelgesellschaften, damit jedem, der hier bei uns aufwächst, klar ist, worum es sich handelt: um Mord aus niederen Beweggründen.


Quotevincentvision #14

Jeden dritten (!) Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex)Partner ermordet!

In Deutschland.

Von Deutschen.

Die Gründe für diesen Femizid sind maskuline Aggressionen, gekränkte (männliche) Eitelkeit, eine Neuorientierung der Frau, Aufkündigung der Beziehung, etc. - sprich: überall dort, wo das männliche Ego nicht erträgt, dass die (Ex)Partnerin sich neu orientiert oder ihr Leben leben will, dann kann und wird es zu diesen Taten kommen.

Und wenn sich die versammelte Rechte und die Konservativen, allen voran natürlich wieder die BILD-,,Zeitung" empören, wenn alle paar Jahre ein sogenannter ,,Ehrenmord" passiert, wie aktuell, wo zwei Afghanen ihre Schwester töteten, dann ist das heuchlerisch und bigott, mehr nicht.

Denn bei aller völlig berechtigten und Empörung und Verurteilung solcher Taten - aus den niederen Beweggründen eines ,,Ehrenmordes" das übliche fremdenfeindliche Narrativ zu formulieren, wie es die BILD so erbärmlich offensichtlich gerade wieder versucht, dabei aber die fast alltäglichen Morde an Frauen hierzulande zu ignorieren - ist ein intellektueller, rassistischer Offenbarungseid.


QuoteMagdeburger Jung #14.1

Für das Jahr 2020 gibt es 64 dokumentierte Ehrenmorde in Deutschland.

Damit würde mehr als die Hälfte der Femizide in Deutschland in diese Kategorie fallen.


Quoteerdbeeertoast #15

Worum genau geht es hier eigentlich?

Ich persönlich habe mit dem Wort "Ehrenmord" noch nie etwas Harmloses oder Ehrenhaftes verbunden, kann mir kaum vorstellen, dass das jemand anders empfindet.
Was ist mit dem Lustmord? Dürfen wir den Begriff auch nicht mehr verwenden? Es wird kaum möglich sein, einen Begriff zu finden, der die Abscheulichkeit der Tat adäquat wiedergibt.
(An der Stelle möge noch erwähnt sein, dass "Ehre" etwas ist, was der Mensch für sich selbst definiert. Insofern sehe ich hier überhaupt keinen Widerspruch. Offenbar hat der Täter einen anderen Ehrbegriff als ich. Seine Tat geschah -aus seiner Sicht- zum Schutze seiner für sich definierten Ehre. Dass das für mich nichts mit Ehre zu tun hat, steht dem doch nicht entgegen?)

So wie ich das verstehe, geht es darum, dass bei Tätern mit bestimmtem kulturellen Hintergrund zuweilen voreilig eine bestimmte Motivlage angenommen wird. Das ist allerdings kein Problem der Begrifflichkeit, sondern der Berichterstattung (genauer: der Vorurteile des Berichterstatters). Und rührt wohl auch daher, was die Leute in den Zeitungen gerne lesen wollen.

...


Quotebuikster #19

Dazu passend gibt es übrigens auch ein Interview mit Ahmed Mansour anlässlich der Ermordung der Afghanin in welcher er das wegsehen, relativieren und umdefinieren dieser Taten kritisiert und die leider in bestimmten Migrantengruppen verbreitete Ehrkultur und die gern verdrängte Unterdrückung der Frauen beschreibt: https://www.tagesspiegel.de/berlin/psychologe-ahmad-mansour-im-interview-unterdrueckung-im-namen-der-ehre/27492952.html



QuoteUser xy #23

Was soll das wieder werden ?
Ehrenmord, Beziehungsdrama etc völlig egal.

Wer Hand an Kinder und Frauen legt ,der besitzt keine Ehre und noch viel weniger Charakter.

Wichtig wäre es , egal aus welcher Richtung und egal in welche Richtung .
Die richtigen Zeichen zu setzen und nicht aus falsch verstandener tolleranz und Rücksicht auf Befindlichkeiten.

Spart euch die Debatte wie man es nun nennen soll, lasst es nicht so weit kommen .
Und das beginnt schon im kleinen!


Quoteflashmarginal #24

Ich finde es sehr kritisch, diesen Mord ohne Gerichtsverhandlung sofort zu klassifizieren. Wenn jemand aus finanziellen Motiven mordet, dann steht auch nicht in der Berichterstattung "Armutsmord", was in seiner Bezeichnung gleich die Besitzenden mit beschuldigt.
Es regt mich schon lange auf, dass bei Morden innerhalb der Familie immer die Bezeichnung "Familiendrama" verwendet wird und nicht einfach die Bezeichnung "Mord". Mord ist eines der schwersten Verbrechen in unserer Gesellschaft und bei der Berichterstattung sollte man sehr genau darauf achten, ob man mit der Bezeichnung dieser Tat nicht unterschwellig dem gesamten Umfeld eine Mitschuld und Mitverantwortung unterstellt oder die Tat sofort relativiert.


QuoteIntegra-kini #29

Ich schreibe mal aus der Kenntnis von "so einer Kultur" heraus: im türkischen Sprach- und Kukturraum werden Morde, die das Ansehen der Familie wieder herstellen sollen, tatsächlich "Ehrenfall" genannt. Da wird nicht der Mord benannt, sondern der Umstand/der Kontext, in dem eine Frau geopfert wird. Es gibt zig Aufstände, Aufsätze und viel Aufmerksamkeit zu dieser Sache. Es gibt auch den Satz: "Die Ehre sucht man nicht zwischen den Beinen." In den türkischen Medien wurde auch darüber diskutiert, den Ehrenfall in die Überkategorie Femizide einzuordnen. Noch dazu möchte ich festhalten, was die Autorin schreibt, nämlich, dass es um eine uralte, stark verwurzelte Gefühlssache geht. Deshalb findet man solche Taten in der Türkei mehr im Südosten, in Gebieten in denen noch so Dinge wie Stammesrecht gelten etc. Dort herrscht auch nicht das Staatsrecht.


QuoteAtan #30

Vielleicht sollte man überhaupt auf medial oder aktivistisch erfundene Schlagworte verzichten, denn das Gesetz kennt bereits genügend Merkmale, um einen Mord zu erfassen. Und eine der großen Errungenschaften ist dabei die Gleichheit vor dem Gesetz, d.h. dass ein Mörder auch als solcher bestraft wird, ohne Ansehen der Person.
Diese Ideal sollte verteidigt werden, nicht die unsinnige Differenzierung nach fragwürdigen Vorstellungen ohne Rechtskraft.

Kriminologen, Staatsanwälte und Richter können Tatmotive auch ohne solche Schlagzeilen erforschen, da bin ich mir sicher. Und Politiker sollten sich davor hüten, solche Taten für ihre politische Agenda zu missbrauchen.


QuoteTordenskjold #34

Franziska Giffey spricht eine klare Sprache. Sie benutzt das Wort "Ehrenmord" so wie sie auch den Begriff "Clankriminalität" verwendet. Beides schwierige Begriffe, die aber beschreiben was ist.

Man sollte die Dinge beim Namen nennen, ansonsten erschwert man die Suche nach Möglichkeiten der Prävention. In diesem Falle verstehe ich nicht, warum man nicht von Femizid UND Ehrenmord spricht. Gegen den Begriff Ehrenmord spricht höchstens, dass er eventuell einer Vorverurteilung gleichkommt, die Ermittlungen laufen ja noch. Aber man kann ja das Wort "vermutlich" verwenden...

Natürlich ist der Begriff "Ehrenmord" schwierig, er kann als Relativierung verstanden werden, eventuell sogar als Entschuldigung. Allerdings beschreibt dieser Begriff eben auch einen kulturellen Hintergrund, den es nun mal gibt. Das man eine pauschale Affinität und Akzeptanz für Ehrenmorde pauschal bei allen Einwanderern aus entsprechenden Kulturkreisen vermutet, wäre rassistisch.

Aber es gibt Ehrenmorde und der Begriff beschreibt eine ganz besondere Motivation von Tätern. Diese Täter wurden vor der Tat entsprechend sozialisiert und wenn man hier Nebelkerzen wirft und den Begriff des Femizid als Ersatz einführt, dann blendet man Zusammenhänge aus. Jene Zusammenhänge und Muster, die man erkennen muss, wenn man Prävention betreiben will.


QuotePetersbacher #35

Man sollte die Bedeutung nicht allein dem WORT auferlegen.

Das ist ein Fehler, der allzu sehr sich eingeschlichen hat. Oder der von Fehlgeleiteten leider künstlich forciert wird. Sehr leider.

Die Betrachtungsweise ist einfach falsch und erweist allzuoft der Sache einen Bärendienst.

Sprache ist keine Mathematik und neben dem reinen Wortstamm ist die viele entscheidendere Frage, was die Leute drunter verstehen. Und das ist bei "Ehrenmord" eben ziemlich flächendeckend das gleiche: Mord wegen falsch verstandenem Ehrbegriff. Oder so. Und hat mit Ehre nix zu tun.

Das Wort "Ehre" ist ja sowieso nicht ohne Anführungszeichen denkbar - was ist "Ehre"? Man kann stolz/zufrieden/whatever dafür sein, dass man es schafft, persönlich ehrlich und aufrichtig durchs Leben zu gehen - aber schon eine Stufe höher ist das - die Ehre der Familie, der Firma, aufm Schlachtfeld - alles lächerlich. Oder ewiggestrig. Oder verrückt.

Also beinhaltet das Wort Ehrenmord schon die Beurteilung an sich. Und die ist nicht verkehrt.


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Link

QuoteLuise Strothmann @lus_berlin
Mit @afro268 @seberb & @patrihecht konnte ich interne Dokumente einer der wichtigsten antifeministischen Organisationen Europas auswerten, die #Wikileaks jetzt veröffentlicht. Die Daten zeigen wie sich Abtreibungsgegner*innen vernetzen & professionalisieren.


https://twitter.com/lus_berlin/status/1423346220995592197

"Angriff der christlichen Fundis" Ein Artikel von Anne Fromm, Luise Strothmann, Patricia Hecht, Sebastian Erb (5.8.2021)
Die rechtskonservative Plattform CitizenGo kämpft europaweit gegen Abtreibung und mehr LGBTIQ-Rechte. Ein Datenleak zeigt, mit wessen Geld. ... Der Brief, den der russische Oligarch Konstantin Malofejew im Jahr 2013 bekommt, beginnt förmlich. ,,Ich danke Ihnen sehr für die Möglichkeit, Ihnen persönlich unsere Idee von CitizenGo zu präsentieren", steht dort. Geschrieben hat ihn der spanische Antiabtreibungsaktivist Ignacio Arsuaga. Er braucht Geld. Und der Oligarch Malofejew hat Geld. ...
https://taz.de/Online-Petitionen-gegen-Abtreibung/!5786746/

QuoteRasmuss, 6. Aug, 10:54

Es ist so herrlich einfach sich in solch schlichte Weltbilder zu verrennen.. Ein lieber Gott, Freunde, Feinde und Satan. Singen, beten und die Realität außen vor lassen. IGg machen es sich solche sog. Christen es sich sehr, sehr einfach.. Ich habe immer so das Gefühl, dass manchen Menschen die Realität zu kompliziert wird..


QuoteRainer Konietzka
6. Aug, 09:39

Das nenne ich guten Journalismus!

Der für mich wichtigste Satz: "Eine rechte Politik ist ohne die Kontrolle des weiblichen Körpers nicht denkbar." Und das nicht nur wegen einer Bevölkerungspolitik, sondern auch um mit einer männlichen Hegemonie vorgestrige Politik zu betreiben. Das sich hierfür immer wieder auch Frauen hergeben, ist mir einigermaßen unverständlich.


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https://wikileaks.org/intolerancenetwork/press-release

https://wikileaks.org/intolerancenetwork/

Link

"Interview: 'We always see sex from the man's view': Cammie Toloui, the peep show performer who peeped back" Diane Smyth (2021)
"As a rebellious preteen, I sat down and made a list of my life goals," writes Cammie Toloui in her photobook 5 Dollars for 3 Minutes. "It was pretty simple: 1. Sex. 2. Drugs. 3. Rock'n'roll."
Born in the San Francisco Bay Area in the Summer of Love, Toloui was in the right place to hit these targets, and by 1990 was a member of a feminist punk band, Yeastie Girlz, and working at the Lusty Lady strip club. Stripping was part-rebellion and part-necessity because Toloui was studying photojournalism at San Francisco State University and the Lusty Lady paid well, but when she was given an assignment to shoot her own life, it also became a project. Deciding not to photograph herself or her colleagues, because female nudes have been seen so many times before, she trained her camera on the customers. ...
https://www.theguardian.com/culture/2021/aug/16/cammie-toloui-camera-sex-worker-photojournalist

Cammie Toloui - She continues to document her life and uncover taboos through her photography,  her jewellery and her band the Yeastie Girlz. 
https://www.cammiet.com/

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Quote[...] "Und natürlich danke ich meinen Ex-Freunden: Ihr habt mir Stoff für Jahre im Voraus geliefert." So lautet Mary Millers Danksagung auf der letzten Seite ihres Kurzgeschichtenbandes "Always Happy Hour". Damit schlägt sie schon außerhalb der Geschichten den Ton an, der ihre Literatur ausmacht: gutgelaunter Fatalismus.

... "Erste Klasse" heißt sie und erzählt von zwei Freundinnen, die - wie eigentlich alle Figuren dieses Bandes - spüren, dass sie an den falschen Dingen, Menschen, Routinen festhalten. Miller schreibt von dieser Einsicht und lässt uns gleichzeitig an den Momenten teilhaben, die ein Festhalten verständlich machen: Denn natürlich ist im falschen Leben nicht alles falsch. Auch in verkorksten Konstellationen stellen sich Momente der Schönheit, Sinnlichkeit und Fröhlichkeit ein. Nur können solche Momente Millers vielleicht allzu gern lamentierende, aber doch kluge Figuren nicht täuschen:

Das hier ist nicht mein Leben oder zumindest nicht das Leben, das ich führen sollte, deshalb kann ich so tun, als wäre es meins. Was ich dabei ignoriere, ist die Tatsache, dass dieses Leben mit jedem Tag mehr und mehr zu meinem wird, zu meinem echten Leben, während das, das ich eigentlich führen sollte, in immer weitere Ferne rückt und eines Tages unerreichbar sein wird.

... In diesem Clash zwischen Wunsch und Wirklichkeit findet Mary Miller [ ] ihren Ausgangspunkt, um so vieles zu erkunden, was das Leben ausmacht: Selbsterkenntnis und Selbstironie, die faule Hoffnung, irgendwann werde sich schon von allein alles ändern, aber eben auch die Nähe, die sich - ganz plötzlich und ohne guten Grund - zwischen zwei Menschen einstellen und sich ziemlich famos anfühlen kann.

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Aus: ""Always Happy Hour": Gutgelaunter Fatalismus von Mary Miller" Marie Schoeß (07.06.2021)
Quelle: https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Always-Happy-Hour-Gutgelaunter-Fatalismus-von-Mary-Miller,miller220.html

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Quote[...] Mary Miller: ,,Always Happy Hour"
Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs
Hanser Berlin, Berlin 2021
192 Seiten


Die Autorin Mary Miller erzählt in ihrem zweiten Kurzgeschichtenband ,,Always Happy Hour" von weißen Mittelstandsfrauen Anfang dreißig in den USA. Ihr Leben besteht aus Sex, Bier, flapsigen Kommentaren und jeder Menge Selbstzweifel.

Was tun, wenn man keine existenziellen Probleme hat, zugleich aber auch die nicht sehr glamouröse Aussicht, dass alles immer so weiter geht? Die jungen Frauen in Mary Millers zweitem Erzählband ,,Always Happy Hour" beantworten diese Frage mit Biertrinken, Rauchen, Kiffen und Pillen schlucken. Dazu kommen Affären, Kontakte mit Menschen, die ihnen gleichgültig sind – und Minderwertigkeitsgefühle.

So lebt die namenlose Schriftstellerin in der Erzählung ,,Eins nach dem Anderen" als Writer-in-Residence eine Zeit lang in einem Herrenhaus der Universität, an der sie auch unterrichtet. Ihre Tage und Nächte verbringt sie damit zu zählen, wie viele Monate sie noch ein festes Gehalt bekommt. Nachts steigt sie betrunken aufs Dach oder schleppt Männer ab.

... Für viele wäre das Dasein dieser Protagonistin wohl ein erfolgreiches: eine Autorin Anfang 30, die von ihrem Schreiben leben kann und sich nimmt, was ihr gefällt. Nun ist ökonomischer Erfolg keine Garantie für Zufriedenheit. Aber woraus ihre existenzielle Leere besteht, bleibt unklar.

In den elf Kurzgeschichten, die ,,Always Happy Hour" vereint, erzählt die Autorin Mary Miller von Frauen aus der Mittelschicht, die um sich selbst kreisen und kaum Interesse haben an Veränderungen. Themen wie Emanzipation oder Feminismus liegen nah, aber darum geht es in diesen Geschichten nicht. Die Probleme der Frauen und auch ihre Ursachen sind allerdings schwer greifbar.

Über ein paar selbstreflexive Kommentare zu ihrem Leben kommen die Protagonistinnen nicht hinaus: ,,Ich denke an all das, was es bei mir zu Hause sonst noch gibt – große Flachbildschirme (...) und drei verschiedene Sorten Blue-Bell-Eiscreme – und dass mir das alles nichts bedeutet", heißt es in ,,Big Bad Love".

Die Erzählerin arbeitet in einem Heim für misshandelte Kinder und langweilt sich in ihrer Ehe. In der Einrichtung hat sie Zugang zu dem stimulierenden Medikament Adderall, das zur Behandlung von ADHS eingesetzt wird. Sie nimmt es regelmäßig. Warum? Um die Zeit totzuschlagen.

Es sind die Konventionen des vermeintlich richtigen Lebens, an dem sich die Figuren unhinterfragt orientieren: in einer Beziehung sein, einen Seelenverwandten finden oder mit der guten Freundin einen Kurztrip nach Miami machen. Dass der Mann sie nicht mehr liebt oder sie ihn nicht mehr, die Seelenverwandtschaft eine online angebahnte Sex-Sache ist und sie die Freundin eigentlich nicht ausstehen können, nehmen sie dafür in Kauf.

... Mary Miller schreibt amüsant und in einem so flapsigen Ton über diese desinteressierten Frauen, dass eine einzelne Erzählung durchaus ein Lesevergnügen sein kann – auch wegen des einen oder anderen zynischen Kommentars. Als Sammlung erscheinen die Texte hingegen zum Teil oberflächlich und redundant.

Weder unterscheiden sich die Erzählstimmen noch die Themen und Horizonte der Protagonistinnen. Am Ende des Buches bedankt sich die Autorin bei all ihren Ex-Freunden, die ihr Stoff für Jahre im Voraus geliefert hätten. Und mehr steckt dann wohl auch nicht dahinter.


Aus: "Mary Miller: ,,Always Happy Hour: "Gepflegte Langeweile" (19.08.2021)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/mary-miller-always-happy-hour-gepflegte-langeweile.950.de.html?dram:article_id=501832

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Quote[...] These: Vielleicht ist Mary Miller, Texanerin, Anfang 40, so etwas wie die frühere Judith Hermann der USA. Sie hat ein feines Gespür für die diskursiven Schwingungen, die sie im banalen Alltag einfacher Amerikanerinnen (und Amerikaner) ausmachen kann; sie hat es mit einem Roman probiert, ist aber merklich auf der Kurzstrecke zu Hause und dort nahezu unschlagbar; sie ist die Repräsentantin einer Generation, die – hier beginnen die feinen Unterschiede – unterhalb der Mitte steht, also eher ,,White Trash" ist als akademisches Prekariat, und von der alten New Yorker Intelligenzija ist Miller so weit entfernt wie, sagen wir, Judith Hermann vom Nobelpreis für Literatur.

Obwohl, man weiß ja nie. ,,Always Happy Hour" heißt etwas platt Millers neues Buch. Es heißt allerdings schon im Original so (die Übersetzung von Stefanie Jacobs ist wie gewohnt nahezu fehlerfrei) und ist bereits 2017 erschienen.

Die Geschichten ähneln in der Grundstruktur denen, die Miller schon in ihrem ersten Band ,,Big World" gesammelt hatte: Geschichten aus dem einfachen Leben junger Frauen aus der amerikanischen Provinz – und ihrer Probleme mit sich selbst samt den dazugehörigen Männern. ,,Always Happy Hour" verfolgt dabei ein Konzept: Es sind Beziehungsgeschichten, Geschichten über Freunde und Ex-Freunde, und als solches ist das Buch auch explizit den Ex-Freunden der Autorin gewidmet.

Wobei man annehmen darf, dass die enthaltenen elf Geschichten eher Fallbeispiele sind als eins zu eins aus dem Leben der Autorin gegriffen. Einzig ,,Eins nach dem Anderen" ist eine autofiktionale Geschichte und vielleicht auch deswegen die stärkste. Hier erzählt Miller von ihrer Stipendiatinnenstelle an irgendeiner südstaatlichen Provinz­uni; sie erzählt, wie sie in Gedanken ihre Studenten verführt, während ihr ,,Freund" weit weg ist, und sie erzählt, wie sie mit der Langstrecke, also dem Roman hadert.

,,Das Haus liegt hinter einem großen Tor, auf vierzig hügeligen Hektar Land. Meine Freundin Leslie sagt, das Grundstück sei früher mal ein Cherokee-Friedhof gewesen; ein Mann, der mit mir ins Bett will, behauptet, hier im Wald würde der Geist von Geeshie Wiley herumspuken."

In anderen Geschichten geht es oft um Kinder, um die Kinder der anderen, meist der Männer, mit denen die Erzählerinnen zusammen sind. Und immer geht es um Frauen, die nicht unbedingt zur Mittelschicht gehören, und Miller beweist bis in die popkulturellen Zeichen und Produkte hinein durchgehend Klassenbewusstsein. Ohne allerdings in die Analyse zu gehen – oder irgendwelche Exit-Optionen zu fantasieren.

Insofern ist ,,Always Happy Hour" sehr amerikanisch: Es ist gut erzählt. Es hält sich dicht an die Rea­li­tät. Es hat ein Sensorium für Gefühle. Es ist kurz gehalten und verzichtet auf Überbau, Ausblick, Experiment. Manchmal ist das schade.

Auch dass Miller bei aller Entwicklung hier und da zu Wiederholungen neigt – oder dass man, wenn man ,,Big World" gelesen hat, erst einmal aufstöhnt, wenn wieder von Männern aus kleinkriminellen Milieus erzählt wird oder noch einmal ein Trailer in einem Trailerpark der Ausgangspunkt einer Geschichte ist.

,,Ich habe ihr erzählt, dass meine Brüder früher immer Waschbären gejagt, aber nicht gegessen, sondern an Schwarze verschenkt haben. Sie meinte, das wäre rassistisch, dabei ist es doch bloß die Wahrheit, das haben sie wirklich gemacht, und ich weiß echt nicht, was daran rassistisch sein soll. Vielleicht hätte ich einfach den Mund halten und nichts davon erzählen sollen."

Auch die weibliche Enttäuschung, die in den Protagonistinnen lauert, durch sie durchscheint, wird hier und da fragwürdig: Ja, glauben sie denn wirklich alle noch an die große Liebe? Scheint hinter der großen Illusion gar nichts auf, zum Beispiel eine Alternative zu bisherigen Liebeskonzepten? Auch die Kinder der anderen lassen sich auf die Kinderlosigkeit der Erzählerinnen beziehen: Ja und?, ist man manchmal geneigt zu fragen.

Das sind die Probleme, die auf so tolle Autorinnen wie Nicole Flattery, Elizabeth Ellen oder eben Mary Miller warten (Sally Rooney ist ein etwas anderer Fall): Sie müssen raus aus ihren Zonen, um neues Material zu gewinnen. Sie müssen nach oben. Oder noch tiefer. Aber tiefer geht kaum, das gilt zumindest für Mary Miller.


Aus: "Erzählungen von Mary Miller: Das Gefühlsding" René Hamann (14. 8. 2021)
Quelle: https://taz.de/Erzaehlungen-von-Mary-Miller/!5790992/

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Quote[...]  Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.08.2021

Rezensentin Marie-Luise Goldmann sieht in Mary Millers Erzählband eine aktualisierte Version von Flauberts Madame Bovary. Wie diese seien auch die Frauen in Millers Geschichten in einer alltäglichen Verzweiflung gefangen: Eine kranke Frau lässt sich auf einer Yacht von ihrem Mann "ficken", zwei Freundinnen fahren jedes Jahr zusammen in den Urlaub, ohne sich überhaupt zu mögen, eine Hundeliebhaberin traut sich nicht, einen eigenen Hund zu kaufen. Dennoch kommen die Erzählungen, wie Goldmann betont, weniger tragisch und düster als "grell" daher, mit pinken Luftmatratzen und einer "gelassenen Abgeklärtheit", auch in sprachlicher Hinsicht - und drängen gerade darin "wundersam zur Wahrheit", staunt die Kritikerin. ...


Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/mary-miller/always-happy-hour.html