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[Deutung & Interpretation... ]

Started by Textaris(txt*bot), September 17, 2014, 09:10:42 AM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ein Problem sei, dass es keine grundlegende Definition dafür gebe, was Erklärbarkeit bedeute - weder vom Gesetzgeber noch in der Wissenschaft, sagt Palacio. ...


Aus: "Maschine, erkläre dich" (9. November 2020)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/wissen/ki-machinelles-lernen-neuronale-netze-informatik-erklaerbarkeit-1.5109715

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Quote[...]  ... Verstehen heißt interpretieren. Und interpretieren heißt das Phänomen neu formulieren, letztlich ein Äquivalent für das Phänomen finden. Daher ist Interpretation nicht (wie die meisten glauben) ein absoluter Wert, eine Geisteshaltung im zeitlosen Bereich der Fähigkeiten. Die Interpretation muß im Rahmen einer historischen Prüfung des menschlichen Bewußtseins selbst bewertet werden. In manchen kulturellen Umgebungen ist die Interpretation ein befreiender Akt. In anderen kulturellen Zusammenhängen ist sie reaktionär, trivial, erbärmlich, stickig. ... Statt einer Hermeneutik brauchen wir eine Erotik der Kunst. ...


Aus: Susan Sontag (1964) "Kunst und Antikunst" (24 literarische Analysen Deutsch von Mark W. Rien)
Quelle: http://www.khist.uzh.ch/chairs/bildende/lehre/Sontag_Interpretation.pdf


Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] Die Zusammenhänge, in die die Manifeste geraten, sind solche, in denen wir unsere Epoche wiedererkennen können: Eine Börsenmaklerin ist zugleich Futuristin, eine Lehrerin hält es mit Stan Brakhage und Werner Herzog (auch das Kino kennt Manifeste!), eine Choreografin setzt Fluxus, Merz und Choreografie in Szene, wobei im Text Kurt Schwitters auf Yvonne Rainer trifft. ... Julian Rosefeldt inszeniert mit Manifesto einen Rundgang durch die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, in dem er kleine Erzählungen mit eleganter Geste einstreut. Auf diese Weise bekommt der Wille der Kunst, die Verhältnisse zu überschreiten, hinterrücks immer wieder einen neuen "Sitz im Leben". Man mag das realistisch nennen, aber auch einen Abgesang auf die Avantgarde. Eine schöne Leich', würde man in Österreich sagen.  ...


Aus: ""Manifesto": Crossover zwischen Kunst und Kino" Bert Rebhandl (10.2.2016)
Quelle: https://derstandard.at/2000030782973/Manifesto-Crossover-zwischen-Kunst-und-Kino

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Quote[...] Die Kamera schwenkt über Hitler, Stalin, Churchill, über Mutter Teresa und Marilyn Monroe. Alle tragen Pappmaché-Köpfe, lehnen aneinandergeschmiegt in Reichweite des Arbeitstischs, an dem Cate Blanchett als Puppenmacherin gerade das eigene Ebenbild vollendet. Sie rezitiert André Bretons surrealistische Weltformel von 1924: "Ich glaube an die künftige Auflösung der beiden äußerlich so widersprüchlichen Zustände - Traum und Wirklichkeit." Die Frau hat sich selber ein Universum zwischen Traum und Wirklichkeit geschaffen, bevölkert von Puppen. ... Rosefeldts Episoden und Bilder erschöpfen sich nicht im Illustrativen. Sie kritisieren, kommentieren, affirmieren die Texte und tun das mit großer Gebärde. Nebenbei wird manch großmäuliger Guru demontiert. Nie aber die Kunst.


Aus: "Das Dutzendgesicht" Dorion Weickmann (10. Februar 2016,)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/ausstellung-das-dutzendgesicht-1.2857552

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Quote[...] Bevor aber die intellektuellen Höhenflüge beginnen, sei erst das Bodenpersonal, das einen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung darstellen soll, vorgestellt: Wir treffen etwa auf eine Obdachlose, eine Lehrerin, eine exzentrische Choreografin, eine Forscherin, eine Hausfrau, eine Punksängerin. Verblüffend ist, dass alle dasselbe Gesicht haben – nämlich jenes von Cate Blanchett. Souverän zieht sie alle Register ihres schauspielerischen Könnens. Wir werden einer wandlungsfähigen Frau gewahr, in deren Brust mehr als tausend Seelen wohnen.

... Indem Julian Rosefeldt Philosophie und Alltag, Phantasie und Realität permanent miteinander kollidieren lässt, verbannt er den Zuschauer aus einem Denken in Konventionen. Wir werden empfänglich für die teils wilden Ideen, die uns das Voice-over näher bringt. Darunter lassen sich zahlreiche Zitate aus Manifesten finden, etwa zu Dada oder zum Futurismus. In einer postmodernen Gegenwart, die dem utopischen Denken gegenüber skeptisch geworden ist, wirkt dieser Film wie ein erfrischender Regen. Aufgrund der pathetischen Texte will man als Zuschauer selbst wieder nach den Sternen greifen und neue Visionen entwickeln.

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Aus: "Cate Blanchetts tausend Seelen" Björn Hayer (8.9.2017)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/filmexperiment-manifesto-cate-blanchetts-tausend-seelen-ld.1315224

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Quote[...] Vielleicht hält man bis zu der Szene durch, in der die Fluxus-Choreografin ihrem Assi die Asche ihrer Zigarette über seine Notizen streut, während sie fordert, ,,die Welt von bourgeoiser Krankheit, intellektueller, professioneller und kommerzialisierter Kultur" zu reinigen, und wenn sie schon dabei ist, auch ,,von toter Kunst, Imitation, artifizieller Kunst, abstrakter Kunst, illusionistischer Kunst und mathematischer Kunst".

Vielleicht steigt es schon in einem hoch, wenn die Börsentrulla sagt, das Leiden eines Menschen sei für sie genauso interessant wie das Leiden einer Glühbirne. Vielleicht wird man erst unruhig, als die Spießermutti zum Tischgebet ruft und dann, während der Truthahn immer kälter wird, vorträgt, sie sei für Kunst, an der ein Kind leckt, während es sie auspackt.

Aber es kommt der Moment, in dem man nur noch eines will: Cate Blanchett, die all diese Frauen und dazu noch acht andere sowie einen Penner spielt, das Maul zu stopfen. Weil man nicht ertragen kann, was aus ihm kommt.

Noch ein weiteres, von sich selbst berauschtes wichtigtuerisches Manifest, in dem ein Künstler verkündet, man müsse jetzt sofort alle bisherige Kunst in einen Schredder stopfen, um an ihre Stelle eine ganz neue gloriose und alles verändernde Kunst zu setzen – die überraschenderweise seine eigene Kunst ist. Nicht noch so ein Ding.

Nicht noch so ein Beitrag zum Schwanzlängenvergleich, der exakt zwei Zwecke hat. Erstens: sagen, dass man den Längsten hat. Zweitens: durchgeben, dass alle anderen einen sehr viel Kürzeren haben.

60 solcher Manifeste, lauter Beiträge von Titanennaturen, die längst in den Kanon der großen abendländischen Moderne aufgenommen worden sind, hat der deutsche Künstler Julian Rosefeldt eingesammelt und montiert, um sie zuerst in einer Installation zu präsentieren und sie einem jetzt als Text eines Langfilms um die Ohren zu hauen, der ,,Manifesto" heißt.

Anderthalb Stunden, in denen man sich vollschwallen lassen muss von Angeberhaftigkeit, logischen Löchern, Hochmut, durchgeknalltem Irrsinn, mit dem verglichen Chemtrail-Gläubige wie militante Aufklärer wirken. Eine selbst berauschte Wutrede, die nicht einmal ein Psychiater ertrüge, so narzisstisch und gedankenflüchtig ist sie.

Doch eine Sekunde, nachdem man das alles unerträglich findet, denkt man wieder: wie großartig! Was für ein schöner, schlauer Film! Denn schließlich ist die Verwurstung von 60 Manifesten deren Erledigung.

Jedes Manifest hat es ja an sich, dass es kein anderes neben sich dulden kann, man kann nicht gleichzeitig Minimalist, Surrealist und Dogma-Regisseur sein, sondern muss einander an die Gurgel gehen. Der ungebremste Irrsinn der Rosefeldt-Manifestmontage macht einem endlich einmal klar: Kunst ist auch keine Lösung für die Menschen, die sich nach Lösungen sehnen.

Da ist kein Frieden, keine Freundlichkeit, keine Erlösung, da ist bloß gemeingefährlicher Totalitarismus, Besserwissertum, eine ungesunde Neigung zu Adjektiven und eine unangenehme Pedanterie (Warum bitte schön soll man nur mit Handkamera filmen oder ist Schwarz-Weiß verboten?). Kunst trägt nichts zur Verbesserung der Welt bei, sondern ist nur ein weiterer ihrer Extremismen.

Einer steht vorne rum und sagt den anderen, wie die Sache wirklich läuft. Braucht man das? Nein, braucht man nicht, eher sollte man davor in Deckung gehen – genau das bringt einem auf sehr virtuose Weise ,,Manifesto" bei.

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Aus: "Cate Blanchett macht alle Kolleginnen überflüssig" Peter Praschl (23.11.2017)
Quelle: https://www.welt.de/kultur/kino/article170858975/Cate-Blanchett-macht-alle-Kolleginnen-ueberfluessig.html