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[An der Gefühlskasse (Phan­tas­te­rei)... ]

Started by lemonhorse, May 25, 2010, 03:56:51 PM

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lemonhorse

Category: Realitaets.Tunnel
Tag: chronisch gepeinigte Phantasten, Denkstörung, keine Liebesgeschichte, sonderliches Glück, Zeit



Da die große psychische Wunschmaschine immer weiter ihre Welt nach außen wirft. Da wir Vorstellungsbilder von einander haben. Da dort Vergessenes in uns liegt, bis es wieder nach oben schießt. Aber die verschütteten (gewesenen) Wahrheiten in den tieferen Gehirnschichten simulieren die Zeit nicht mit. Zeit kann sich neuronal verkapseln.

Und als ich Dich dann doch in einer Seitenstraße treffe, bin ich verwirrt, das ich ganz vergessen hatte, dass auch Du von der Zeit durchwühlt wirst. Nein es geht nicht um eine Liebesgeschichte. Es geht um Zeit. Was fangen wir mit diesen ganzen wahnsinnigen Informationen an? – Das dachte ich schon, als ich noch den Telefonhörer in der Hand hielt. Die Stimme in der Hörmuschel erzählt über real existierenden Abgründe im Liebesleben – ich habe die Welt am Draht – sitze dabei über einer Backstube in der 1-Zimmer Wohnung. Es oszilliert.

Was tun wir? – Jeder ist eine Mikrobühne. Die Hoffnung und das Verderben reizt alle aberwitzig. Im Orchestergraben wird gelacht. Nehmen wir diesen Moment in die Hände, um über Unglück zu reden, obwohl wir glücklich sind – oder schwärmen wir wie chronisch gepeinigte Phantasten vom sonderlichen Glück?

Ein Stück weiter des Weges stehen wir Schlange in der Zeitmaschine. An der Gefühlskasse müssen wir die Emotionen auf die Wage legen. Dort wiegen die seelischen Phänomene. Bezahlen muss jeder mit seiner eigenen Währung von persönlich-formalen Denkstörungen.


lemonhorse

Bei den Flugversuchen am 11. Juli 1934 konnte Engelbert Zaschka in Tempelhof ohne fremde Starthilfe [ ] nur Schwebeflüge von 20 Meter Länge erreichen. Das Flugzeug war zu schwer. ... Versuche die Konstruktion von Zaschka mit modernen Materialien nachzubauen, sind bislang nicht bekannt.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Zaschka_Muskelkraft-Flugzeug (21. März 2011)

-.-

Interludium

Zeitgleich träumt eine unbekannte Frau am 11. Juli 1934 um 2:23 an Bord eines unbekannten Schiffes, etwas aus dem Leben einer Garderobendame. Begeben wir uns nun in die Anfangsphase des Traumgeschehens.

Der alte schwere rote Vorhang ist noch verschlossen – doch hinter den Kulissen ist schon etwas zu hören: "Meine Damen und Herren! – Vielleicht gibt es etwas wie den Zusammenbruch einer Situation. Jede Situation kann ihr Gleichgewicht verlieren. Dann kippt die Situation..." Auf den hinteren Plätzen der Tribüne ruft jemand "Was soll den das für eine Vorstellung sein!". Vereinzeltes Gelächter. Sacht wird der Vorhang beiseite geschoben.

Nun betritt leicht ergraut ein Mann die vereinsamte Bühne. Mit übergroßen Clownsschuhen ruft er den feixenden entgegen: "Wie sollte es auch möglich sein sofort zum Zentrum der Dinge zu stoßen, nein ich muss eher der Wildkatze gleich auf einem alten knorrigen Baum darauf warten, das sich eine Situation ergibt, in der es möglich wird, sich auf eine Sache, die es wert ist (der Sprecher macht eine tiefe Atempause um die Bedeutung zu steigern, um dann die volle Wucht in die nun folgenden Worte zu legen) mit Lebenslust zu stürzen!" Ein energischer Zwischenruf aus der zweiten Reihe direkt vor dem Podium: "Manchmal möchten die Gedanken nicht wie der Denker will..." Dabei geht ein Raunen durch die Zuschauerbänke. "Nein" schnauft der Mann mit den Clownsschuhen "...dann hat sich der Denker eben über seinen Kopf getäuscht!" – Nun wendet sich ein Zarah Leander Double auf der Tribüne direkt an das Publikum: "Dein Kopf ist mir egal – der denkt doch was er will – mich aber zieht und zerrt es – ich gehe in die Stadt. Dort kann ich mich im Gedränge verlieren. Selbst die Schaufensterpuppen sehen mich an – und ihre unnachgiebigen Blicke erhöhen meine Temperatur!" Eine kurze allgemeine Erheiterung ergreift ein paar vereinzelte aus Verzweiflung. "Was soll denn das?" Fragt eine Frau den Mann neben sich. Der angesprochene starrt ins Nirgendwo. Zarah verneigt sich.

Eine Mutter wippt ein schlafendes Kind auf ihrem Schoß: "Wenn du groß bist, habe ich fast alles wieder vergessen – ich meine – wie es gerade jetzt genau ist, das ich weinen könnte vor Glück". Ein 6-kahlköpfiger Männerchor schlürft in offensichtlich verdreckter Unterwäsche von der Seite her auf die Holzbretter und schmettert mit einem tönenden Sprechgesang los: "Wenn wir zu lange (kurze Pause) – lange Laster über die Landstraße fahren, und den Kaffee literweise trinken, Holz hacken, Schrauben drehn, Rasen mähen – riechen wir unerträäääglich! – Nach Muff! – Nach alter Zeit! – Nach Verzweiflung und nach Schwah-ha-heiß!" – Ein Kritiker in der dritten Reihe kritzelt auf seinen Notizblock parallel Stakkato: "Das ist erbärmlich, Was-Für-Ein-Scha-Ha-heiß!".

Oben im Büro zählt mit Nickelbrille der Künstlerische Leiter hektisch die schwindenden Einnahmen. Die Kleiderdame vom Empfang ist schnell mal heimlich eine rauchen gegangen. Sie steht an eine Mauer gelehnt. Sie sieht die neue hübsche Putzfrau, die ein Fenster vom Damen WC von innen trocken wischt. Die Kleiderdame denkt mit der Zigarette in der Linken: Wie haben mich die letzten Jahre doch geprägt – ich fühl' mich so verändert. Ich fühle alles so zerklüftet. Ich komme nicht mehr hinterher – wenn etwas passiert, will ich es kaum noch deuten. Aber in der Nacht rast es dann durch meinen Kopf – und ich werde wütend wenn es plötzlich wieder hell wird und ich immer noch über die Dinge nachdenken muss – ohne das ich es überhaupt will.

Der Bühnenkritiker hat es drinnen im Theater auch auch nicht mehr ausgehalten. Hat sich heran geschlichen an die Kleiderdame vom Empfang und fragt recht nebensächlich:

"Darf ich ihre Gedanken lesen Fräulein? – Entschuldigen Sie – aber ihre Melancholie rührt meinen inneren Parzival." Bei dem Wort Parzival zieht er etwas larmoyant die Augenbrauen hoch. Etwas schelmisch lächelt er – tritt fast tastend noch einen nächsten Schritt heran.

Sie: "Geben Sie's zu – Sie wollen doch nur mit mir ins Bett."

Er: "Nein, da haben Sie mich falsch verstanden."

Sie: "Wenn Männer von Melancholie reden dann..."

Er: "Bitte reden Sie nicht weiter, erhalten Sie doch bitte meine Illusionen."

Sie: "Pardon, aber mir geht es gut."

Er: "Ich wollte nur, das Sie kurz mal so tun, als ob sie traurig wären – nur so nebenbei für mich."

Sie: "Wollen Sie mich erniedrigen – oder lieber liebestrunken in höchste Himmel erheben? – Bis ich mich schließlich jeweils aus Verzweiflung – oder vor lauter langer Weile aus dem Fenster stürze?"

Er: "Moment, so schnell bin ich nicht. Ich überlege noch..."

Sie: "Dann ist es zu spät, die Vorstellung ist gleich zu ende und ich wollte mit dem Rauchen aufhören."

Er: "Ich würde gern, das sie dieses Gespräch gänzlich vergessen – es stand unter keinem guten Stern."

Sie: "Das kann ich nicht."

Er: "Sie haben recht, ich auch nicht."

Sie: "Aber ich werde mit niemanden darüber reden."

Er: "Wissen Sie, was Sie da eben gesagt haben, das fühlt sich für mich an als hätten Sie mein Leben gerettet"

Sie: (lacht)

Er: "Verzeihen sie, ich bin lächerlich, aber ich habe dennoch meinen Stolz."

Sie: "Na gut, kommen Sie, küssen sie mich..."

Er: "Seltsam, das ich Sie erst recht nicht vergessen könnte, wenn wir uns jetzt nicht küssen würden."

Sie: "Jetzt habe ich Sie ertappt. Sie sind ein elender Gedankenverdreher und Gefühlsverbieger. Sie machen mich künstlich frieren – und das macht mich so melancholisch."

Er: "Unglaublich. Ich danke Ihnen. Sie haben alle meine kühnsten Hoffnungen übertroffen."

Sie: "Ich glaube ihnen kein Wort."


Textaris(txt*bot)

#2
Category: Gedanken.Memo, Wortbrocken.Cafe, Tag: Das letzte Häufchen des eigenen Verstandes

Ich höre sie noch: die fliegenden Musikanten mit ihren Instrumenten. Die himmlische Juxtruppe war eben noch da. Sie findet immer ein Fenster auf Kipp, oder einen offenen Spalt einer angelehnten Tür, durch den sie feixend herein flattern können. Im Verbund haben sie mir, Tomatenketchupflecken, Klebepopel oder offene Hosenverschlüsse angehängt. Sie haben die unheimliche Wucht der kleinen Zeichen. Die purzelnd lachenden Paradieswächter haben mich entlarvt. Mein erst noch auf hohem Ross daherkommende Stolz, der sich auf dem letzte Häufchen des eigenen Verstandes die Stiefel abputzte, musste durch die Eingriffe der fliegenden Spötter in die Knie gehen.

Textaris(txt*bot)

Category: Realitaets.Tunnel, Wortbrocken.Cafe / Tag: Museum für Situationen

Wenn das Wasser in die Schuhe läuft. Wenn die rostigen Spritzwassertropfen das Fahrradkettenfett umspielen. Die Wolken über mir im Dunkeln brechen. Wenn ich hungrig an Julias Pflaumenkuchen denke, so erscheint mir der allein gelassene Fahrradweg – und die kaum beleuchteten Objekte – wie ein Museum für unbeobachtete Situationen.
An der Gitarre bin ich am Ende fast im stehen eingeschlafen, die Handgelenke und Finger wurden lahm. Doch ich war froh und enthoben von den Klängen, die wir erschufen – und so rauchten wir zuletzt dann eine Zigarette noch.