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[Spurensuche zur Demokratie... ]

Started by Textaris(txt*bot), July 01, 2008, 11:34:56 AM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Shibboleth #33
Ganz generell und ohne Wertung: wer die Rechten wählt hat i.d.R. Angst vor Veränderung. Er sieht, wie sich die Welt um ihn herum immer schneller verändert, und ist damit überfordert. Er wünscht sich, daß die Zeit innehält, damit er wieder durchatmen kann. Mit anderen Worten: Konservative. Dagegen ist übrigens nichts einzuwenden: eine Gesellschaft braucht Progressive UND Konservative, um zu einer gesunden Balance zu finden.
Die Frage ist vielmehr: wer wählt die Rechtsradikalen und Rechtsextremen? Da ist die Antwort schon viel schwerer und differenzierter. Wahrscheinlich ist es ein ganze Mix aus Protestwählern, Enttäuschte, Menschenhassern, Abgehängte, Ungebildet, Rassisten, (Religiöse) Fanatiker, Menschen mit Empathie-Defizit-Syndrom, Extremängstliche, Menschen mit Sexualneid (auf Neuankommende), Homophobe... und auch Freunde und Verwandten, die einfach wie so wählen wie ihre rechtsdrehenden Bekannten, ohne sich groß dabei was zu denken.
Die Soziologie des Wählerpotentials von AfD, NPD, SVP, FPÖ & Co. ist sicher nicht einfach. Holzschnittartig kann man daran nicht gehen... es ist kompliziert.

blin #33.2
Nein, ich habe ganz sicher keine Angst vor Verändern. Ich habe Angst vor !gewissen! Veränderungen.

Ferndenker #25
Rechte wählen die Rechten. Niemand sonst.

Hjalmar_Poelzig #5.5
[Ich wähle inzwischen auch rechts - Jahrzehnte lang habe ich links gewählt, aber irgendwann war Schluss. Zugeben muss ich natürlich auch das ich alt, weiß, und recht gut gebildet/ausgebildet bin.] Die politische Linke hatte für mich keine Antworten mehr, sie hat sich in Genderheckmeck, Allestoleriererei, Klimareligion, Minderheitenthemen, und einer Verharmlosung des Islams verloren.
Lästig wurden der Linken auch noch ihre ehemaligen Wähler/Klientel die mit den "mosaiklinken" Themen nicht mehr viel anzufangen wussten. [Die AfD ist für mich auch nur mit Vorsicht zu genießen - dennoch hat sie ein Alleinstellungsmerkmal: sie ist die einzige Opposition im Lande. Auch kann man aufgrund der Existenz der AfD wunderbar die Heuchelei der Altparteien erkennen. Wenn die AfD geschickt wäre würde sie in das "soziale Vakuum" im Land eindringen.
Die "Mitte" ist für mich der Inbegriff des "alternativlos".]

Ridikolaus #5.7
ich bin relativ linker sozialdemokrat, was für mich größtenteils bedeutet ich hätte gerne eine deutlich ,,bessere" Verteilung von Wohlstand. Für mich gibt es eigentlich keine Partei, wo meine Stimme 100% Sinn ergibt. Insbesondere die SPD ist seit Harz 4 aus ideologischen Gründen ziemlich unwählbar für mich geworden.
Was ich nicht verstehe: nur weil es keine ,,linke" oder sozialpolitische Partei (mehr) gibt, die 100% meine Ideologie teilt, fang ich ja nicht an cdu oder AfD zu wählen und meine politische Ideologie 100% umzukehren :D

elfotografo #5.9
"Genderheckmeck, Allestoleriererei, Klimareligion, Minderheitenthemen"
Mit der pauschalisierenden Phrasendrescherei sind Sie allerbestens aufgehoben bei der AfD. Gut gemacht.

Tranquility Base #5.21
"Die AfD ist für mich auch nur mit Vorsicht zu genießen"
Für jeden Bürger, der sich mal auch nur im entferntesten mit "linken" oder liberalen Werten auseinandergesetzt hat, wie Sie es ja angeblich getan haben, ist die AfD absolut ungenießbar.

Wellensittich #2
Immer noch keine Unterscheidung zwischen rechts und rechtsextremistisch. Rechts ist eine normale Strömung in der Politik wie links und Mitte! Unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie!

dingensda #2.8
Das ist richtig. Aber die AfD schafft es ja gerade nicht, sich gegenüber den Rechtsextremen abzugrenzen.

MrPlankton #2.10
"Nochmal: rechts ist nicht rechtsextrem!"
Die CDU ist rechts, die CSU ist ganz weit rechts und die AfD ist rechtsextrem. Ist doch ganz einfach.
Sie müssen den blaubraunen Freunden der alternativen Fakten nur genau zuhören, dann werden Sie es vielleicht merken.

Ressiw Resseb #2.17
"Sie haben es nicht verstanden. Nochmal: rechts ist nicht rechtsextrem!"
Ist aber auch schwer zu unterscheiden, denn sehr viele Rechtsextreme fressen Unmengen Kreide, um sogar als Bürgerliche durchzugehen.
Und wie bezeichnen Sie Leute, die haufenweise Rechtsextreme in ihren Reihen dulden?

Rudolf Rocker #2.29
Also ich kenne niemanden, der sich als rechts bezeichnet und dabei nicht ganz weit außen beheimatet ist. Rechts waren historisch gesehen die Konservativen und Reaktionären. Letzteres will heute niemand mehr sein, daher bezeichnen sich heute alle als konservativ. Das ist natürlich falsch, denn die wenigsten der AfD wollen unsere Gesellschaft wirklich vor Veränderung bewahren sondern ihre Vorstellungen von einer Gesellschaft wie es sie in den 50er Jahren gegeben hat (nicht zu vergessen, die eher die 30er Jahre anstreben) verwirklichen.

maxvau #1.52
Wer sich als konservativ bezeichnet, sollte sich im Klaren darüber sein, was er im Sinne des Wortes "bewahren" will. Das zieht aus meiner Sicht aber eine Bringschuld nach sich. Wer meint, die "deutsche Kultur" bewahren zu wollen und deswegen Angst vor "kulturfremden" Einwanderern, aber seit Jahrzehnten keine Bibliothek, kein Theater und keinen Konzertsaal mehr von innen gesehen hat, ist für mich kein glaubwürdiger Konservativer, sondern schlicht ein Fremdenfeind. Für den Begriff "Eliten" wünsche ich mir wie viele andere Foristen hier gerne mal eine schlüssige Definition, denn ich habe den Verdacht, dass das nichts weiter als ein verklausuliertes, aber genau so diffuses "die da oben" ist. Wo fangen Eliten an? Beim Herrn Bürgermeister? Beim nebenan wohnenden Chefarzt? Oder meint das Wort ein elitäres "sich für was Besseres halten"? Und vor allem: Was wünschen sich die Kritiker genau von diesen Eliten? Empathie? Chancengleichheit? Respekt? Also all das, was das ultrarechte politische Spektrum bestimmten Bevölkerungsgruppen in aller Regel verweigern will?

indubioprolibertate #1.69
Kritisch gegenüber irregulärer Migration zu sein ist sicher kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Das gesamte aktuelle Migrationsrecht, getragen von CDU, SPD, FDP und auch weiten Teilen der Grünen ist kritisch gegenüber irregulär und illegal eingereist Migranten, das bringt uns also nicht weiter.
Spannend wird es bei der Frage: wie weit sind wir bereit, Menschenrechte zu beschränken um irreguläre Migration als Gesamtphänomen einzudämmen? Also welchen Preis sind wir zu zahlen bereit, um unsere "migrationskritische" Haltung auch durchzusetzen? Daran macht sich der Unterschied des rechten Rands zur bürgerlichen Mitte fest. Auch Angela Merkel wollte ganz sicher keine Einreise so vieler Personen. Sie war aber nicht dazu bereit, dass die Bundespolizei die Menschen im Zweifel mit Schusswaffengewalt aufhält. Beatrix von Storch wäre dazu bereit gewesen.
Die Bundesregierung möchte Asylverfahren gerne noch stärker beschleunigen. Aber sind wir dafür bereit, rechtsstaatliche Garantien, also Widerspruchs- und Gerichtsverfahren, aufzugeben?
Das sind die entscheidenden Fragen und weniger, ob man irreguläre Migration als solche kritisch sieht oder nicht.

Zeiterleben #1.67
Natürlich ist die AfD elitenfreundlich, auch wenn sie ihren Wählern um an die Macht zu kommen anderes suggeriert (sich als Kümmerer für die Menschen inszeniert).
Hier nur zwei der zahlreichen Beispiele:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/alternativlos-neoliberal
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/personalien/alice-weidel-afd-frontfrau-a-1144588.html
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/afd-spenden-115.html

detlef richter #1.71
Seit wann sind Konservative kritisch gegenüber Eliten? Und es waren vor allem auch Konservative, die die EU gebaut haben, wie wir sie heute kennen, von Adenauer, DeGaulle und Giscard bis zu Kohl, Thatcher und Merkel. ...

Zahlen helfen #2.35
"Immer noch keine Unterscheidung zwischen rechts und rechtsextremistisch..."
Da stimme ich Ihnen zu. Die Frage ist halt nur, wo genau die Grenze zu ziehen ist. Wo ziehen Sie die?

John Jürgen Smith #2.39
Die blaue Partei von Petry ist rechts. Die AfD ist rechtsradikal bis rechtsextrem.

dingensda #2.41
Konservativ und Rechts sind zwei vollkommen unterschiedliche politische Aussagen.
Das ist Ihre private und keineswegs allgemeingültige Einteilung.
Traditionell teilt man das politische Schema in links und rechts, wobei links die Revolutionären und Progressiven sitzen, rechts die Konservativen und die Faschisten.

Simplicio #3
"Wer wählt die Rechten?"
Das Ressentiment.

Que Che #3.8  —  vor 2 Stunden
"Wer wählt die Rechten?"
Nein es ist das tiefe Bedürfnis nach Identität.

Der Holger #10
Viele Bürger möchten wahrgenommen werden und ihre Sorgen und Nöte sollten von den etablierten Parteien umsetzt werden,
vor jeder Bundestagswahl wird erzählt, Bildung, Bildung....
und wie sehen die Schulen aus, sie sind teilweise in einem jämmerlichen Zustand.
Umweltschutz, es gibt immer mehr Verkehr auf den Straßen und dadurch wird die Umwelt/Städte stark belastet, warum baut man nicht die Bahn vierspurig auf den Hauptstrecken aus? Ist die Autolobby ist zu stark? Deshalb sind viele Protestwähler, nicht weil die AfD so gut ist, nein die anderen Parteien haben keinen Mut mehr große Dinge anzufassen!!

marzipan_für_alle #10.1
und was plant die AfD KONKRET für z.b. die Umwelt, die Ihnen ja offensichtlich am Herzen liegt? Die wollen doch z.B. den Diesel retten. Mit der AfD wird die Autolobby noch viel stärker als jetzt.

Kulturpessimistin #21
*bekennende mit-Afd-Sympathisanten-Redende*
Bisher kam mir noch nicht unter, dass da wirklich Leute die AfD wählen, weil sie deren Programm so doll finden. Ganz im Gegenteil finden die Leute z.B. deren Sozialprogramm total mist. Zustimmen kann ich, wo (mindestens) anti-blue-eyed-Ressentiments festgestellt werden. Man kann sagen, das wird *mindestens* geduldet, von vielen aber aktiv vertreten. Hingegen ist gegen Kritik und Skeptizissmus ja nichts zu sagen (es gab auch mal eine EU-kritische PdL).
Ich muss sagen, bei den (in letzter Zeit zurückgegangenen) Gelegenheiten, mit AfD-Leuten zu sprechen, habe ich regelmäßig Ärger über die Ignoranz der Politik bemerkt - und eine große Bereitwilligkeit, "kleinere Übel" zu erdulden. Jeder der Ü30-Menschen, die ich traf, kannte Politikerverprechen ("Stärkung der Tarifpartnerschaft" der CDU z.B.), von denen nichts zu halten war. Darin haben die Leute Übung. Und deshalb werden, aus dieser Übung heraus, die berechtigten Warnungen vor der AfD oftmals abgetan. "Was, das steht in deren Wahlprogramm? Ach, das ziehen die eh nicht durch."
Ich denke, diese politische Unernsthaftigkeit, die nicht die AfD erfunden hat, trägt dazu bei, dass man sie nicht so ernst nimmt. Nicht als die Gefahr wahrnimmt, die man erkennen könnte, nähme man ihre Vertreter ernst.

Tom Orrow #22
Rechtsradikale wählt man entweder aus Dummheit heraus oder mit voller Absicht. Wer bis heute noch nicht mitbekommen hat, welche Klientel sich in dieser Sekte tummelt, zählt offensichtlich zu Ersteren. Es gibt ansonsten keine Ausreden mehr!

ZahlendreHerr #22.1
~1/4 der Bevölkerung vieler Länder als Sekte oder ähnliches zu bezeichnen, zeugt von herausragender Ignoranz.
Hach, aber zappeln und zetern sie nur noch ein bisschen, in 10-20 Jahren haben sie sich dann auch daran gewöhnt, wie die Schweiz und Österreich.

Theraphosis #23
Wenn man sich so anhört, was etliche dieser "Rechten" von sich geben, dann kann Keine Trennung zwischen "Rechts" und "Rechtsextrem" mehr erfolgen.
Dabei ist gleichgültig, ob AfD, Lega, FPÖ, Fidesz oder wie sie sich alle nennen mögen. Es steckt überall der Geist der NSDAP dahinter.
Mir fällt da immer ein Zitat ein: "Es gibt drei Dinge, die sich nicht vereinen lassen: Intelligenz, Anständigkeit und Nationalsozialismus. Man kann intelligent und Nazi sein. Dann ist man nicht anständig. Man kann anständig und Nazi sein. Dann ist man nicht intelligent. Und man kann anständig und intelligent sein. Dann ist man kein Nazi." - Gerhard Bronner, Rede anlässlich der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Gunskirchen, 7. Mai 2005

ernstel 1973 #24
"[...]männlich, unter 65, niedriger gebildet ... und ganzheitlich unattraktiv.[...]"
In unserem Ort hat sich dieses Klischee leider bewahrheitet.

blin #31
Ich: Master of Science in Informatik (Uni), 36, Teamleiter. Softwareentwicklung. Ich fahre in mindestens 25% der Neuzulassungen in Deutschland mit, ohne dass mich irgendeiner kennt. Hohes Einkommen. Überzeugter AFD Wähler.

vonDü #31.1
"Überzeugter AFD Wähler."
Was genau überzeugt Sie? ...

blin #31.3
Mich überzeugt die Argumentation der AFD Führung.
Themen bei denen ich deckungsgleich mit AFD bin:
-Migrationspolitik
-EU Politik
-Familienpolitik
-Wirtschaftspolitik
-Grenzschutz
-Klimathemen
Alle diese Punkte sind völlig anders als bei den anderen Parteien. Die CDU ist eine Ausnahme und hat argumentative Überschneidungen. Diese werden de facto aber nicht umgesetzt. Das ist mit Merkel für die CDU nicht machbar. Ausserdem nervt mich tierisch die kategorische Ablehnung der AFD seitens der CDU sowie das Theater mit Maaßen. Die CDU ist in ihrer Links/Grün/Konservativ Verwirrung gefangen. Ich sehe keine eindeutige Politik. Nur Beobachtung und Reaktion. Gerade das, was eben gehyped wird in den Medien. Damit disqualifiziert sich die CDU für mich.

vonDü #31.5
Danke für die ausführliche Antwort.
"Mich überzeugt die Argumentation der AFD Führung."
Finde ich schwer nachvollziehbar. Wenn es in Debatten mal nicht um den Stil, sondern um Inhalte der AfD geht, dann offenbaren sich große Lücken.
"-Klimathemen"
Als Naturwissenschaftler finde ich die Thesen der AfD zum Klima ähnlich überzeugend, wie der der Kreationisten zur Evolution.
"-Wirtschaftspolitik"
bei der AfD ähnelt stark den Ideen von Trump, kommt mit sozialem Mäntelchen daher, ist aber im Kern neoliberaler als die der FDP. Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft wird man damit kaum überwinden können.
"Familienpolitik"
Die Geburtenrate in den "gewünschten" Kreisen zu steigern, wird mit einer neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht gelingen. Das klassische Familienideal geht außerdem an der Realität des Jahres 2019 vorbei. Wenn es außerdem , wie propagiert um Kinder geht, dann sollten die gleichberechtigt da gefördert werden, wo sie sind.
Dass Europa Reformen braucht, die Migration einer Regelung bedarf würde ich unterschreiben. Aber im Rückzug auf das Nationale und Grenzen dicht sehe ich keine Lösung für die Zukunft. ...

KopfGeist #32
Die wenigstens Leute sind wirklich "links" oder "rechts". Das sind Kampfbegriffe aus dem letzten Jahrhundert. Sie wählen einfach was ihnen am wenigstens auf die Nerven geht, oder wahlweise eine Partei, die aus ihrer Sicht das für sie wichtigste Thema anspricht.
Bin selbst erstaunt, wie viele in meiner Umgebung immer "radikaler" werden in ihren Ansichten. Fast durch die Bank weg Akademiker übrigens. ...

Shibboleth #32.1
"Die wenigstens Leute sind wirklich "links" oder "rechts". Das sind Kampfbegriffe aus dem letzten Jahrhundert."
Genauer: diese Begriffe sind nicht differenziert genug. Beim Political Compass wird da nach zwei zueinander orthogonale Kategorien unterschieden: nach der wirtschaftlichen Ausrichtung zwischen links und rechts, und nach der sozialen Ausrichtung zwischen anarchisch und autoritär:
https://www.politicalcompass.org/analysis2
Eine solche Differenzierung hilft viel mehr die Neorechten zu lokalisieren: und zwar in den oberen Quadranten (autoritär), sowohl links als auch rechts.

Der0mmel #35
Warum ich die AfD wähle?
Sagen wir mal so: Ich sehe aktuell akute Probleme in Deutschland. Dazu gehören unter anderem die massiv aus dem Ruder gelaufene Migration, sowie die dadurch entstandenen und sich immer weiter entwickelnde gesellschaftliche Probleme, die aber von den Altparteien nur ungern bis gar nicht angesprochen und teilweise verharmlost werden.
Wenn ich diese Probleme als großes Risiko für unsere Zukunft sehe, wen soll ich denn dann wählen? Und nein "Hauptsache nicht AfD" ist nicht die Antwort.
CDU/SPD: Hat das Problem erzeugt und ist offensichtlich nicht willens oder intellektuell in der Lage es zu lösen.
Linke/Grüne: Braucht man nicht drüber reden, da wird es nur noch schimmer.
FDP: Redet und redet aber macht nachweislich nie was.
Da bleibt dann nur noch die AfD. Wenn es andere Möglichkeiten gibt bitte vorschlagen.

MrPlankton #35.1
Eine Alternative zur AfD wäre ihre Schwesterpartei, die NPD. Die demokratiefeindliche Gesinnung ist die gleiche.

Sarah Zustra #48
Komme grade vom Spiegel rüber ... ganz ähnlicher Artikel heute. Seit Jahren in rhythmischen Abständen hochtrabende Analysen über den "rechten Wähler" quer durch alle Medien. Dabei müssten sie eigentlich nur ein paar der 28% in Sachsen (oder wo auch immer) fragen und die Antworten genau so nehmen wie sie gegeben werden. Da braucht es keine psychologische Hintergrundanalyse; die Antworten sind direkt das Ergebnis.
[Ich erkläre mir das so, dass "die anderen", also die Erklär-Woller und Wähler-Analysten tatsächlich nicht den Sprung in das andere Denkschema machen können. Es erscheint ihnen so abwegig, dass sie krampfhaft nach "schlüssigen" Erklärungen suchen. Das geht offenbar beiden "Seiten" so. Man kann sich in die andere absolut nicht hineindenken. Der Trend hat sich in den letzten Jahren verschärft; die Unterschiede zwischen CDU und SPD in den 60ern, 70ern waren minimal gegen die Welten, die heute eine Grüne und eine AfD - Richtung unterscheiden. Das ist für eine Gesellschaft nicht ungefährlich.]

Mama Wombat #49.2
Sie irren. Ich kann mich in Rechtsextreme und deren Wünsche, Wollen und Absichten nur zu gut "hineindenken".
Das ist es ja gerade, was mir so große Angst bereitet und mich sowohl um die Demokratie als auch mein eigenes Wohlbefinden und Leben fürchten lässt.

AgainstBigotry #51
Bildung schütz vor Rassismus nicht. Die ersten judenfreien Räume in der 1930er Jahren waren die Universitäten. Es wurde ja gerade versucht, die Rassenlehre wissenschaftlich zu erforschen. Die Wählerschaft rassistischer Parteien sind rassistische Wähler oder Wähler, denen es egal ist, dass Sie Rassisten wählen.


Kommentare zu: https://www.zeit.de/2019/37/wahlverhalten-rechte-parteien-waehler-fpoe-svp/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Niklas Frank (* 9. März 1939 in München) ist ein deutscher Journalist und Buchautor.

... 1987 sorgte Niklas Frank mit dem Buch Der Vater. Eine Abrechnung für Aufsehen. Frank rekonstruierte das Leben seines Vaters aufgrund jahrelanger Recherchen, in deren Verlauf er erkennen musste, welch ungeheuren Ausmaßes dessen Verbrechen waren. Das Buch wurde zunächst als Serie mit dem Titel Mein Vater, der Nazimörder im Stern veröffentlicht und löste heftige Kontroversen aus, u. a. weil er darin behauptete, als Jugendlicher zu der Vorstellung, wie sein Vater gehängt worden sei, aus Hass auf ihn masturbiert zu haben.

Es ist ein außergewöhnliches Dokument schonungsloser Offenheit eines Sohnes der Person und den Verbrechen seines Vaters gegenüber. Niklas Frank schreibt dazu:

    ,,Es gibt Väter, die zeugen einen täglich neu. So, wie der meine mich. Ich schlug mich mit ihm herum, ein Leben lang. Erst innerlich. Dann exhibitionierte ich, schrieb einen wüsten Text, ungefiltert durch bürgerlichen Geschmack, genau so ekelhaft, wie deutsche und österreichische Bürger während des ,Dritten Reiches' ihren Verbrechen nachgingen, oder Hitler und seine Verbrecher schützten, stützten, verehrten, liebten – und die große Zeit bis heute nicht vergessen haben. (...) Wenn man seinen Vater verfolgt, wie ich, wenn man in sein Hirn hineinkriecht, wie ich, wenn man seine Feigheiten studiert, und sie wieder findet, wie ich bei mir, wenn man bei den Recherchen sieht, welch Gierzapfen meine Mutter war, wie sie das Generalgouvernement Polen als Supermarkt auffasste, in dem sie als ,Frau Generalgouverneur' die Preise selbst bestimmen konnte, wenn man, wie ich mit ihr, durch die Gettos fuhr und Pelze auflud aus den jüdischen Geschäften, deren Inhaber fälschlicherweise glaubten, durch Brigitte Frank ihr Leben retten zu können, dann kann aus all dem Leid und Hass zwischen den Leichenbergen nur eines entstehen: Die Groteske."

https://de.wikipedia.org/wiki/Niklas_Frank (12. September 2019)

Quote[...] Mein Vater war Hitlers Generalgouverneur in Polen. Die Alliierten haben ihn in Nürnberg gehenkt. Oft betrachte ich sein Totenfoto. Zurzeit lacht er mich frech an. Von Niklas Frank

Obwohl ich gegen die Todesstrafe bin, habe ich sie meinem Vater immer gegönnt. Es ist gut, dass er wohl wenigstens für ein paar Sekunden jene Todesangst spüren musste, die er selbst millionenfach über unschuldige Menschen gebracht hat. Er hieß Hans Frank, er war Hitlers Generalgouverneur im besetzten Polen. Die Alliierten haben ihn dann in Nürnberg gehenkt.

Jetzt aber tauchen wieder Väter von meines Vaters Art auf, die mein Hirn vergiften wollen. 80 Jahre bin ich alt. Mein Leben lang hörte ich dieses verdruckste Schweigen, dieses nicht wirklich anerkennen wollen unserer Verbrechen. Doch nur wenn wir sie anerkennen, können wir trotz des damit verbundenen Schmerzes und der Wut ein ehrliches Leben ohne Hass hinlegen.

Oft betrachte ich meines Vaters Totenfoto. Wie er nach seiner Hinrichtung da liegt mit kaputtem Genick. Zurzeit lacht er mich frech an, denn das Schweigen wurde beendet – von der AfD.

Mein Vater wurde 1946 auch für "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt. Nein, kein AfD-Mitglied ist per se ein Verbrecher, aber im Kampf gegen die Menschlichkeit kommen viele von ihnen gut voran. Seit Jahren verfolge ich ihren Auftritt und kann es nicht fassen: Da spricht ja mein Vater! Das ist ja genau seine verlogene, feige, tückische Argumentation!

Wie damals er wollen auch heute wohl viele AfD-Leute eine Diktatur. Das entnehme ich etwa den Drohungen der AfD gegen die unabhängige Presse und Justiz. Schon drei Jahre vor Hitlers "Machtergreifung" telegrafierte mein Vater dem frisch in die Thüringer Landesregierung eingetretenen Wilhelm Frick: "Ich schwelge in dem Gedanken, einige jüdische Redakteure wegen Beleidigung des nationalsozialistischen Innenministers hinter Schloss und Riegel gebracht zu sehen."

88 Jahre später folgt meinem Vater drohend die AfD-Fraktion Hochtaunuskreis: "Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Pressehäuser gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt. Darüber sollten Medienvertreter hierzulande einmal nachdenken."

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Heiko Heßenkemper scheint gleichfalls meines Vaters Meinung zu sein: "Wir müssen die Medien und den öffentlich-rechtlichen rot-grünen Propagandaapparat angreifen und schwächen."

Hitler baute eine furchtbare Diktatur auf. Das deutsche Volk wehrte sich nicht. Für mich ist klar, warum: Unter den 80 Millionen Deutschen damals und heute waren und sind allenfalls 20 Millionen echte Demokraten, von denen sich höchstens Hunderttausend aktiv für die Demokratie einsetzen. Die übrigen Demokraten grummeln abgeschlafft daheim vor sich hin. Folge: Die schweigende Mehrheit von rund 60 Millionen Deutschen würde sich gegen eine AfD-Diktatur nicht wehren.

Obwohl ich in Archiven nur wahllos herausgegriffene 5000 Entnazifizierungsakten der mehr als drei Millionen durchgearbeitet habe, weiß ich: Die beste Demokratie, die wir je erlebten – unsere jetzige also –, wurde auf Lug und Trug und Meineid aufgebaut. Warum das klappte? Erst gehorchten die Deutschen der Nazidiktatur. Als Hitler und seine Verbrecherclique ausgemordet hatten, wurde uns von unseren Befreiern diese Staatsform befohlen. Wieder gehorchten wir. Doch nie von Herzen: Vergiftet waren die nachfolgenden Generationen von ihren Eltern und Großeltern, die Hitlers Diktatur mit aufgebaut und bis zum Ende unterstützt hatten.

AfD-Vormann Björn Höcke nennt die Gedächtnisstelen in Berlin für die von uns ermordeten Juden ein "Denkmal der Schande". Seine Linie hat schon mein Vater 1946 in seinen letzten Worten vor dem Urteil vorgegeben: "Die riesigen Massenverbrechen entsetzlichster Art, die, wie ich jetzt erst erfahren habe, vor allem in Ostpreußen, Schlesien, Pommern und im Sudetenland von Russen, Polen und Tschechen an Deutschen verübt wurden und noch verübt werden, haben jede nur mögliche Schuld unseres Volkes schon heute restlos getilgt."

Mein Vater konnte glänzend Chopins Klaviersonaten spielen und soll – wie es der dabei anwesende italienische Autor Curzio Malaparte schilderte – mit denselben feinfühligen Fingern zum Gewehr gegriffen haben, um ein jüdisches Kind zu erschießen, das verzweifelt durch ein Loch in der Gettomauer gekrochen kam. Und wer machte sich unlängst fast schon auf den Weg, meinem Vater zu folgen? Beatrix von Storch! Sie postete bei Facebook ein potenziell todbringendes "Ja" auf die Frage: "Wollt Ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?"

Da hilft keine Entschuldigung. So etwas zeigt jene Empathielosigkeit, die vielen AfD-Mitgliedern eigen ist. Deswegen sitzt Storch auch weiterhin im Bundestag. Vielleicht spricht sie dereinst einen Satz wie jenen, den meine Mutter zehn Jahre nach meines Vaters Tod an eine Freundin schrieb: "Wenn ich an früher denke, wir waren gnadenlos."

Bei Brigitte Frank war es späte Einsicht. Bei Storch würde es vielleicht Stolz sein.

Auch der AfD-Humor folgt dem meines Vaters. In Lemberg packte er ihn 1942 vor ein paar Hundert deutschen Besatzern aus. Auf der Fahrt zu einem Veranstaltungsort waren ihm keine Juden mehr begegnet: "Was ist denn das? Es soll doch in dieser Stadt einmal Tausende und Abertausende von diesen Plattfußindianern gegeben haben – es war keiner mehr zu sehen. Ihr werdet doch am Ende mit denen nicht böse umgegangen sein?"

Und wie beschrieb das Protokoll die Reaktion des deutschen Publikums?

Große Heiterkeit.

Als sich AfD-Senior Alexander Gauland 2017 die damalige Migrationsbeauftragte Aydan Özoğuz vorknöpfte, waren Anklänge an Vaters Späße zu hören: "Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können."

Vater konnte seinen Witz direkter setzen, weil er schon die Macht hatte: "Hier haben wir mit dreieinhalb Millionen Juden begonnen, von ihnen sind nur noch wenige Arbeitskompanien vorhanden, alles andere ist, sagen wir einmal – ausgewandert."

Wir Deutschen wurden durch unsere Massenverbrechen während des "Dritten Reiches" zu einem auserwählten Volk: Wir wissen genau, dass mangelnde Zivilcourage, fehlendes Mitgefühl und verabscheute Toleranz zu Diktatur und Vernichtungslagern führen. Dennoch berauschen sich bestimmt so manche AfD-Sympathisanten – auch dank Gaulands Verkürzung der zwölfjährigen Massenmordorgie zum "Vogelschiss" – wieder an Tiraden, die mein Vater vorformulierte. Der schrieb ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs: "Ich glaube an den Deutschen Geist. Er wird uns emporheben aus diesem Elend, in das uns der verrohte, sinnlos aufgehetzte Pöbel stürzen wird. Bei Gott, dieser Mob wird einmal leicht zur Ordnung gebracht werden. Nur durch die Diktatur wird Deutschland gerettet werden."

Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier sprach 2015, als er noch AfD-Nachwuchschef war, wie einst Hans Frank: "Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz, ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk, und zwar nur für das Volk, gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde."

Ich sehe meinen toten Vater Tränen lachen, denn mit einer unabhängigen Justiz ließe sich nichts "ausmisten".

Mit ihr könnte auch AfD-Mann Uwe Junge, Fraktionschef in Rheinland-Pfalz, nicht halten, was er verspricht: "Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden!"

Frank Scherie aus der AfD-Ratsfraktion von Ennepetal in Nordrhein-Westfalen ist wie mein Vater gleichfalls ohne Mitleid: Man "sollte sich nicht wundern, wenn der Bürger in Ermangelung von Alternativen selber das Heft in die Hand nimmt und Bürgerwehren gegen solche Umtriebe formiert. Ob diese dann im Falle eines Falles noch die 110 wählen oder direkt die erwischten 'Import-Früchtchen' dem Vater Rhein zwecks Überprüfung der in NRW nur noch rudimentär vermittelten Schwimmfähigkeiten übergeben, bleibt der Fantasie des Lesers überlassen."

Als NSDAP-Mitglied wusste mein Vater genau, dass er gegen die Menschlichkeit handelt. So, wie es die AfD heute wissen muss. Wer trotzdem Mitglieder, die demokratiefeindliche Drohungen raushauen, nicht umgehend aus der Partei entfernt oder selbst entsetzt austritt, macht sich mitschuldig. Und wer mit dieser Partei politisch kungelt, wird selbst zum demokratieverachtenden AfD-Mitglied.

Nur Demokratie kann Menschlichkeit garantieren.

1934, ein Jahr nach der Machtübernahme, konnte mein Vater Vollzug melden: "Wir haben durch die Stärke unseres Vorgehens gegen den Verbrecher im weitesten Sinne, vor allem durch den rücksichtslosen Vollzug der Todesstrafe, durch die Einführung der Sondergerichte, die Einführung des Volksgerichtes zum Schutze von Volk und Staat eine Disziplinierung all der minderwertigen Strömungen erreicht, die die Sicherheit des anständigen Teils des deutschen Volkes im weitesten Maße gewährleistet."

Ich fürchte, dass die AfD irgendwann all jene Deutschen als "Verbrecher im weitesten Sinne" verfolgen könnte, die sich ihr nicht unterwerfen und somit nicht zum "anständigen Teil des deutschen Volkes" gehören.

Triumphierend nickt mir mein Vater zu.




Aus: "Sohn eines NS-Verbrechers über AfD-Rhetorik - Da spricht ja mein Vater!" Niklas Frank (06. September 2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/plus/sohn-eines-ns-verbrechers-ueber-afd-rhetorik-da-spricht-ja-mein-vater-a-00000000-0002-0001-0000-000165813287

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Sicherheitsbehörden in Deutschland haben nach Angaben des Chefs des Bundeskriminalamts, Holger Münch, seit dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 sieben Anschläge verhindert. Heute könne eine Tat wie die von Anis Amri so nicht mehr passieren, sagte er der ,,Rheinischen Post".

Drei wesentliche Schwachstellen habe es damals gegeben. ,,Erstens: Das ausländerrechtliche Verfahren gegen den Täter Anis Amri war nicht konsequent zum Ziel geführt worden. Das würde so heute nicht mehr passieren", sagte Münch. Zweitens seien die Strafverfahren gegen Amri in den verschiedenen Bundesländern nicht zusammengeführt worden.

Und drittens verfolge man heute konsequent einen personenorientierten Ansatz. Man schaue also sich nicht nur auf den konkreten Gefährdungssachverhalt, sondern auch auf die Person und deren Gefährlichkeit.

,,2016 gab es Hinweise auf einen möglichen Anschlag von Amri mit Schnellfeuergewehren. Dieser Verdacht erhärtete sich nicht. Heute würde nicht nur dieser Sachverhalt, sondern die Person Amri stärker in den Fokus genommen werden", sagte Münch.

Die Zahl islamistischer Gefährder habe sich seit 2013 mehr als verfünffacht - auf heute rund 680, sagte Münch.

Drohungen von rechts im Netz bezeichnete Münch als ,,demokratiegefährdend". Gleichzeitig kündigte er eine ,,Zentralstelle für Hasskriminalität im Netz" an.

,,Wir müssen stärker gegen Hasskriminalität im Netz vorgehen. Das Internet scheint manchmal wie die letzte Bastion des Wilden Westens zu sein", sagte er der Zeitung. ,,Wenn Drohungen von rechts außerdem dazu führen, dass Kommunalpolitiker nicht mehr zu Wahlen antreten und Ehrenamtliche sich aus ihrem Engagement zurückziehen, dann ist das auch demokratiegefährdend." (dpa)


Aus: "BKA-Chef Münch: Behörden verhinderten seit Breitscheidplatz-Attentat sieben Anschläge" (23.10.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/bka-chef-muench-behoerden-verhinderten-seit-breitscheidplatz-attentat-sieben-anschlaege/25144684.html

Textaris(txt*bot)

#73
Quote[...] Der frühere Innenminister Thomas de Maizière ist am Montagabend von linken Aktivisten und Aktivistinnen daran gehindert worden, beim "Göttinger Literaturherbst" aus seinem Buch "Regieren" zu lesen. Die Veranstaltung im Alten Rathaus der Stadt wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt, berichtet die "Hessisch Niedersächsische Allgemeine" (HNA). Zahlreiche Aktivisten hätten die Eingänge blockiert und seien auf Bäume geklettert, laut "HNA" nennen sie sich "InternationalistInnen in Solidarität mit Rojava".

Die Polizei teilte am Dienstag mit, knapp 100 Demonstranten hätten sich an der unangemeldeten Aktion beteiligt. Rund 300 Zuhörern sei der Zutritt zu der ausverkauften Veranstaltung verwehrt worden.

Der Protest sollte sich offenbar gegen die Invasion der Türkei in Nordsyrien richten. Laut "taz" stand auf einem Transparent der Aktivisten "Deutsche Panzer raus aus Kurdistan". Einige Demonstranten skandierten demnach Parolen wie "Deutsche Waffen, deutsches Geld / morden mit in aller Welt" und "Alle Besatzer raus aus Kurdistan".

Andere verteilten ein Flugblatt mit Informationen über das politische Wirken de Maizières. Die autonome Gruppe Antifaschistische Linke International begründete laut "taz" die Blockade unter anderem damit, dass de Maizière zu seiner Zeit als Innenminister "die Kriminalisierung linker und kurdischer Strukturen" vorangetrieben habe.

Der Geschäftsführer des "Göttinger Literaturherbstes" sagte der "HNA", er sei von den Blockierern "nicht nur aufgehalten, sondern tätlich angegriffen worden". Diese Form des Protestes sei für ihn vollkommen unerwartet gekommen, da es beim Literaturherbst bis jetzt noch nie solche Aktionen gegen Autoren oder Autorinnen gegeben habe. Die Lesung soll bald nachgeholt werden.

Scharfe Kritik an der Aktion kam aus der CDU. "Thomas De Maizière hat unserem Land und seiner freiheitlichen Verfassung viele Jahrzehnte lang gedient. Die Blockade seiner Vorlesung in Göttingen durch die Antifaschistische Linke ist eine unerhörte Missachtung von Recht und Person, die wir nicht hinnehmen dürfen!" twitterte Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak twitterte: "Nein, dieser Gewalt müssen und dürfen wir uns nicht beugen. Das sind keine Aktivisten, das sind Feinde unserer freiheitlichen Demokratie!"

Auch von den Grünen kam scharfe Kritik an der Aktion in Göttingen. Konstantin von Notz, Innenexperte der Grünen im Bundestag bezeichnete das Vorgehen der Aktivisten als "inakzeptabel". Er twitterte: "Toleranz ist nicht, wenn man es nur erträgt, wenn Leute das sagen, was man selbst findet: Das ist schlicht Intoleranz, undemokratisch und nicht akzeptabel!" Die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, Monika Lazar, äußerte sich ähnlich.

Am vergangenen Mittwoch war der AfD-Mitbegründer Bernd Lucke nach seiner Rückkehr an die Universität Hamburg bei seiner ersten Vorlesung massiv bedrängt und beschimpft worden. Lucke konnte daher nicht wie geplant über das Thema Makroökonomik sprechen.

Nach fast zwei Stunden verließ Lucke die Universität, ohne dass er sich Gehör verschaffen konnte. Er wurde von Polizeibeamten an einem Seiteneingang abgeholt und zur Straße gebracht. Die Universität hat ihm nun besseren Schutz für die folgenden Veranstaltungen zugesagt.


Aus: "Aktivisten verhindern Lesung de Maizières ,,Das sind Feinde unserer freiheitlichen Demokratie"" (22.10.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/aktivisten-verhindern-lesung-de-maizieres-das-sind-feinde-unserer-freiheitlichen-demokratie/25143036.html

QuoteGophi 09:42 Uhr

Solche Blockaden zeugen vor allem von der Dummheit der Akteure, die offenbar eine inhaltliche Auseinandersetzung scheuen.


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Quote[...] Zu keiner Zeit gab es Gewalt, es war eine friedliche Protestaktion. Linke Aktivist*innen hatten die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert, waren auf Bäume geklettert. Ziel der Aktion: Auf die Verantwortung von Thomas de Maizière, der dort eine Lesung halten wollte, und seiner Partei CDU für deutsche Waffenlieferungen, unter anderem an die Türkei, aufmerksam zu machen. Als Verteidigungsminister war de Maizière Befürworter deutscher Kriegseinsätze gewesen, als Innenminister hat er den Überwachungsapparat weiter ausgebaut.

Die Polizei sprach von etwa 100 Demonstranten vor Ort, körperliche Auseinandersetzungen oder Verletzte habe es keine gegeben. Dennoch behauptete Johannes-Peter Herberhold, Geschäftsführer des Literaturherbstes Göttingen: ,,Wir müssen uns der Gewalt beugen", und sagte die Veranstaltung ab.

In Göttingen konnte man am Montagabend sehen, was demokratisch organisierte Kräfte bewirken können. Dass die Bundesregierung mit ihrer rechtsgerichteten, neoliberalen Politik nicht weitermachen kann, ohne auf Protest zu stoßen. Dass es laute Stimmen gibt, die immer für Menschenrechte und gegen Krieg, Waffenlieferungen und Überwachungsstaat eintreten werden. Die Blockade von de Maizières Vorlesung in Göttingen war ein Akt des zivilgesellschaftlichen Protests.

Das ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier aber ein Dorn im Auge und ein Grund, mal wieder gegen links zu wettern: ,,Thomas De Maizière hat unserem Land und seiner freiheitlichen Verfassung viele Jahrzehnte lang gedient. Die Blockade seiner Vorlesung in Göttingen durch die Antifaschistische Linke ist eine unerhörte Missachtung von Recht und Person, die wir nicht hinnehmen dürfen", schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.

Wolfgang Kubicki legte auf Facebook nach: ,,Ist das die Antifaschistische Linke, die die Linken-Abgeordnete Martina Renner mit einem Antifa-Button im Deutschen Bundestag bewirbt? Wer sich rechtswidriger Aktionen bedient, um seine politischen und moralischen Vorstellungen umzusetzen, ist ein Antidemokrat. Ich erwarte von der Linken im Bundestag, dass sie sich von diesen Aktivisten distanziert.", schrieb der FDP-Mann, der sich anscheinend immer noch nicht davon erholt hat, dass das Tragen eines Antifa-Buttons ein normales und lobenswertes Statement gegen Faschismus ist.

Wo ist diese ,,harte" Haltung eigentlich, wenn es um tatsächlich demokratiefeindliche Aktionen, wie Pegida-Demonstrationen und Nazi-Aufmärsche, geht?

Beide Politiker verdrehen eine antifaschistische Protestaktion zu einem Rechtsbruch und bedienen so das Narrativ der ,,bösen" Linken. Dabei geht es ihnen doch eigentlich nur um Folgendes: In den Augen dieser beiden Herrn ist Linkssein eine Bedrohung, die man im Keim ersticken muss.

An der Kritik, die an populistische Hetze grenzt, erkennt man, wie weit nach rechtsaußen unsere Politiker gerutscht sind und wie nah dran sie an der Einschränkung vom Demonstrationsrecht sind. Denn für sie ist linksmotivierter Protest gegen herrschende Politik ein ,,rechtswidriger" Gewaltakt. Erdogan lässt grüßen.

Politiker wie Altmaier und Kubicki greifen nach jedem Strohhalm, um Antifaschismus und linke Politik als Bedrohung für den Rechtsstaat zu verunglimpfen. Zur Not eben mit populistischen Mitteln. Wenn das ihr Verständnis von einem Rechtsstaat ist, sind sie eine Gefahr für die Demokratie.


Aus: "Kritik an Antifa ist nichts als populistische Hetze" Sonja ThomaservonSonja Thomaser (23.10.2019)
Quelle: https://www.fr.de/meinung/gefaehrlich-erdogans-demokratieverstaendnis-13144156.html

QuoteJames Holly

Vom politischen Rand aus gesehen, sind immer die Demokratiefeinde auf der anderen Seite. ...


QuoteOmran Shilunte

ob es besonders sinnvoll ist als kleingruppe die eingänge zu einer veranstaltung mit CDU politikern zu blockieren, so dass diese ausfällt, und sich dabei zu vermummen, muss jeder selbst wissen.
auch die kritik an den meinungsäußerungen von altmaier und kubicki hier und anderswo halte ich nicht für der weisheit letzter schluss.
es ist sinnlos in abrede zu stellen, dass nötigung rechtswidrig ist. wenn üb erhaupt könnte man politisch begründen, warum es manchmal richtig sein kann recht zu brechen. das aber scheint sich die autorin nicht zu trauen.
auf jeden fall es ist schön zu sehen, dass es doch noch ein paar junge leute gibt, die sich gegen die kriegsvorbereitungen der NATO engagieren und die kurden - die im prinzip die einzige demokratische kraft(!) in der gesamten region um syrien sind - damit ein bischen unterstützen.


QuoteSinnsuche

Stinknormaler, legitimer Protest. Dass Bild & Co mal wieder von "linken Chaoten" und "Extremisten" sprechen ist typisch.


QuoteBenTurtlelove

Gute und richtige Reaktion seitens Altmayer und Kubicki. Meinungsbildende Veranstaltungen zu verhindern kann niemals akzeptabel sein in einem freiheitlichen Land.


QuoteNewBambus

Der Gewaltbegriff wird leider allzu oft und gern in der politischen Diskussion mißbraucht, Blockaden und Proteste müssen in gewissem Umfang hingenommen werden. Auch wenn das unbequem und unangenehm ist. ....


Quotesefopo

Ich habe selten einen solchen Unsinn gelesen. Natürlich ist das Blockieren von Zugängen Gewalt. In welchem geistigen Kindergarten bewegt sich diese Autorin? Hätten Nazis sich so verhalten wie diese 'Freunde der Demokratie', dann hätte Frau Thomaser dies mit Vehemenz verurteilt. Ein solches halbblindes Verhalten ist widerlich und wäre eines Journalisten nicht würdig.


QuoteUli

Ich schließe mich der Meinung von Frau Thomaser an. Ich selber habe die Aktionen und das Gerede von Herrn de Misere immer als unsäglich empfunden. Er gehört im Verein mit Gabriel und Altmaier zu den Leuten, die die Deutschen Waffenexporte an Despoten forciert und unterstützt haben. Auf dem Foto ist deutlich zu erkennen, dass es sich bei den Blockierern nicht nur um Antifa-Leute handelt sondern auch ganz offensichtlich um Kurden, die seit Jahren besonders von diesen Deutschen Waffenexporten betroffen sind. Auf Grundlage dieses Sachverhaltes wieder einmal eins solches Fass gegen Links aufzumachen, zeigt deutlich, dass zumindest die zitierten Politiker dem braunen Sumpf näher stehen als jeglicher Vernunft. ...


QuoteBelibaste

Ich respektiere die linke Meinung der Autorin. Den Artikel finde ich aber gefährlich. Man sollte nicht mit zweierlei Maß messen. Hätte die Autorin ebenso empfunden, wenn rechte Aktivisten eine Lesung von - sagen wir - Claudia Roth verhindert hätten? Ich finde, man darf in einer Demokratie nicht die gleiche Aktion nur deshalb für besser halten, weil sie der persönlichen politischen Überzeugung entspricht. Das ist auf Dauer gefährlich für einen Rechtsstaat.


...

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Quote[...] Die Studie / Die Initiative - More in Common ist eine gemeinnützige, spendenfinanzierte Organisation, die sich der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhangs verschrieben hat. In den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland will die Organisation die Gründe der gesellschaftlichen Polarisierung erforschen und Ansätze entwickeln, wie man ihr entgegenwirken kann. Gemeinsam präsentieren Die ZEIT und ZEIT ONLINE die für Deutschland vorliegenden Ergebnisse.


... Unsichtbarkeit wirkt auf eine Gesellschaft destabilisierend. Erst recht in einer Demokratie – sie lebt ja davon, dass jede Stimme zählt. Umso brisanter ist die Studie Die andere deutsche Teilung der Initiative More in Common, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland erforscht hat und der ZEIT exklusiv vorab vorlag. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent der Menschen in Deutschland "eine große Distanz zum politischen System und ihren Mitmenschen" empfinden. Sie seien deshalb "auf politisch-gesellschaftlicher Ebene kaum sichtbar". More in Common nennt diese Gruppe das "unsichtbare Drittel". Wer dazu zählt, fühle sich weder von der Politik der Parteien noch von zivilgesellschaftlichen Bewegungen angesprochen. "Sichtbar" sind demnach nur zwei Drittel der Gesellschaft.

Die Zweidrittelgesellschaft: Das ist ein altes politisches Schlagwort, es geistert seit den Achtzigerjahren durch die Soziologie. Geprägt hat es der SPD-Politiker Peter Glotz angesichts der damaligen Furcht, dass technische Entwicklungen die Arbeit eines Drittels der Bürger entbehrlich machen und kulturelle Entwicklungen dieses Drittel auch in anderen Bereichen des Lebens abhängen könnten. Doch laut der Studie von More in Common besteht das unsichtbare Drittel nicht nur aus Abgehängten. Auch ein großer Teil der jungen Menschen mit mittlerem sozialen Status und sicherem Job gehört dazu.

Das Münchner Meinungsforschungsinstitut Kantar Public, das die Studie durchgeführt hat, erhob nicht nur harte Daten wie Einkommen, Alter, Bildungsgrad, sondern versuchte vor allem, die Werte der Menschen zu ergründen. Die Meinungsforscher haben 4001 repräsentativ ausgewählte Personen in Deutschland dazu befragt, wie sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewerten, ob sie sich sozial eingebunden fühlen, was sie von der Zukunft und der Politik erwarten.

Es kristallisierten sich sechs Gruppen heraus, die ähnlich groß sind: die Offenen (16 Prozent), denen Selbstentfaltung, Weltbürgertum und kritisches Denken wichtig sind; die Involvierten (17 Prozent), die über viel Bürgersinn verfügen; die Etablierten (17 Prozent), die zufrieden sind mit dem Erreichten; die Pragmatischen (16 Prozent), die sich auf ihr persönliches Vorankommen konzentrieren; die Enttäuschten (14 Prozent), die das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, und die Wütenden (19 Prozent), die ein fundamentales Misstrauen gegenüber dem System hegen.

Das unsichtbare Drittel setzt sich aus den Pragmatischen und den Enttäuschten zusammen. Verglichen mit den anderen Gruppen, fühlen sie sich mit weitem Abstand am häufigsten einsam; oft wissen sie nicht, wohin sie gehören. Zu den Pragmatischen zählen überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund. Beide Gruppen sind politisch desorientiert, sie tun sich schwer damit, sich in das gängige Rechts-links-Schema einzuordnen. Und es gehören viele junge Menschen dazu, von den 18- bis 39-Jährigen sind es 44 Prozent, das unsichtbare Drittel umfasst also einen wichtigen Teil der Zukunft Deutschlands.

Vielleicht wird das unsichtbare Drittel sogar einmal ausschlaggebend sein für fundamentale Richtungsentscheidungen, und zwar gerade weil es politisch desorientiert ist. Denn umso mehr Potenzial bietet es den Parteien für einen Stimmenzuwachs: Die Hälfte der Nichtwähler findet sich im unsichtbaren Drittel. Und auch die Affinität zur AfD ist unter den Enttäuschten und Pragmatischen hoch, höher ist sie nur unter den Wütenden.

Beides kann sich ändern – nur weist gerade nichts auf eine positive Entwicklung hin. Laut der More-in-Common-Studie sind 70 Prozent der Menschen in Deutschland der Meinung, dass sich das Land in die falsche Richtung bewege. Nur jeder Zweite ist zufrieden damit, wie die deutsche Demokratie funktioniert. Dass sich in den vergangenen fünf Jahren die gesellschaftliche Lage verschlechtert habe, glaubt mehr als die Hälfte. Und nur fünf Prozent rechnen mit Besserung in den kommenden Jahren.

Dieser düstere Blick nach vorn könnte darauf hindeuten, dass dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland schwere Zeiten bevorstehen. Zwar sind 70 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass es wichtig wäre, eine gemeinsame Grundlage zu finden. Aber eine Mehrheit glaubt nicht, dass dies gelingen könne angesichts der Unterschiede zwischen den Parteien, den Weltanschauungen und den Lebensweisen in diesem Land. Drohen also amerikanische Verhältnisse? Unüberbrückbare Spaltungen?

Die More-in-Common-Studie legt diesen Schluss nahe – belegen kann sie ihn nicht. Schon deshalb nicht, weil es sich bei der Befragung um eine Momentaufnahme handelt. Um eine Tendenz aus den Zahlen herauszulesen, bräuchte es Vergleichsdaten aus früheren Jahren, die aber gibt es nicht. Das sei ein generelles Problem vieler Befragungsstudien, sagt die Frankfurter Soziologin Nicole Deitelhoff: "Aus weichen Umfragekriterien werden relativ harte Schlussfolgerungen gezogen." Deitelhoff ist gerade dabei, mit anderen ein Institut aufzubauen, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt systematischer untersuchen soll, gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Es wird Soziologen, Politikwissenschaftler, Historikerinnen, Juristinnen, Medienwissenschaftler und Geografinnen aus Instituten, die quer über die Republik verteilt sind, zusammenbringen. Ein Schwerpunkt soll die Datenerhebung bilden, um gezielt Lücken bisheriger Studien schließen und diese besser vergleichen zu können. Startschuss ist Mitte 2020.

Bis dahin kann man sich ein Stück weit mit der Sozialphilosophie behelfen. Der Philosoph Axel Honneth, bis 2018 Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt, hat schon 1994 das gesellschaftliche Auseinanderdriften beschrieben und nach einer Lösung gesucht. Die Bürger pluraler Gesellschaften, schrieb er damals, bedürften "einer sozialen Wertschätzung, wie sie nur auf der Basis gemeinsam geteilter Zielsetzungen erfolgen kann". Im Innersten zusammen hält die Gesellschaft demnach also nicht Tradition, die als gemeinsamer Besitz definiert wäre, sondern das, was gemeinsam erreicht werden soll. Kurz gesagt: Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist Zukunft wichtiger als Herkunft.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf lassen sich zwei schockierende Zahlen aus der More-in-Common-Studie in Beziehung zueinander setzen, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben: Nur 24 Prozent der Befragten glauben, die Politik gehe "derzeit die wichtigen Themen in Deutschland entschieden" an – und 60 Prozent befürworten, einen Schlussstrich unter die Verbrechen der deutschen Vergangenheit zu ziehen, statt sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Offenbar müssen die Schulen und die Politiker noch besser vermitteln, wie wichtig gerade das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte für unser Selbstverständnis sein sollte. – Und vielleicht fällt gerade diese kritische Beschäftigung mit der Vergangenheit den Bürgern leichter, wenn sie das Gefühl haben, dass die Herausforderungen der Zukunft angepackt werden.

Vor allem beim Thema Gerechtigkeit sehen die Bürger laut der More-in-Common-Studie Handlungsbedarf. 72 Prozent beschäftigt das Thema häufig, das sind deutlich mehr als etwa bei der Migration (59 Prozent). Am stärksten wird das unsichtbare Drittel von Gerechtigkeitsfragen umgetrieben. Faire Löhne, bezahlbarer Wohnraum, eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern: Das wäre die Agenda des unsichtbaren Drittels, wenn es eine hätte.

Vielleicht entwickelt sich diese ja noch. Sobald etwa die Politik beginnt, das unsichtbare Drittel zur Kenntnis zu nehmen – aus eigenem Interesse, weil eine Demokratie es sich nicht leisten kann, 30 Prozent der Bürger außen vor zu lassen, schon gar nicht, wenn weitere 19 Prozent bereits wüten. Sollten die Unsichtbaren – Pflegekräfte, Supermarkt-Kassierer, Handyladenbesitzer – dann beginnen, aus dem Schatten zu treten, könnten sie die lange Geschichte der Emanzipationsbewegung fortschreiben, indem sie dafür sorgen, dass sich die Demokratie in Deutschland sozial vertieft.

Quellen

    Die aktuelle Studie von More in Common zum Download: www.dieandereteilung.de
    Peter Glotz (1984): Die Arbeit der Zuspitzung
    Axel Honneth (1994): Kampf um Anerkennung



Aus: "Soziale Gerechtigkeit: Das unsichtbare Drittel" Maximilian Probst (23. Oktober 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/2019/44/soziale-gerechtigkeit-more-in-common-studie-demokratie-emanzipation/komplettansicht

Quotequoth-the raven #26

Die Offenen und die Wütenden..... Wer da einen Gegensatz konstruiert trägt zur Spaltung der Gesellschaft bei. Und warum wird das kritische Denken einzig den Offenen zugeschrieben? Warum wird hier mit Begriffen wie "politisch desorientiert" für ganze Bevölkerungsgruppen operiert? Sorry, das hat alles weder Hand noch Fuß.


Quoterolfmueller #30

Die sechs gesellschaftlichen Typen in der Studie bilden die Gesellschaft nur unzureichend ab. Was soll ein Typ ,,Die Wütenden" aussagen, wenn ich schon aus eigener Erfahrung weiß, dass es wütende Menschen gibt, die für Mindestlöhne arbeiten müssen oder von geringen Renten leben, und die den drastischen Erhöhungen von Mieten, Energie- und Mobilitätskosten immer weniger entgegenzusetzen haben, gleichzeitig aber antirassistisch denken und fühlen, eine bunte, multiethnische und -kulturelle Gesellschaft bejahen. Und ihnen stehen ebenfalls wütende Menschen gegenüber, die sichere, durchschnittlich oder sogar besser bezahlte Jobs haben, wenig oder keine existenzielle Sorgen, aber ihre Vorstellung von Gesellschaft, Kultur, Lebensweise und Religion im Mainstream nicht mehr ausreichend wiederfinden und deshalb zu 20 Prozent AfD wählen. Ich denke zum Beispiel an Regionen im Speckgürtel um Stuttgart, in dem die meisten ein eigenes Haus besitzen, der Volkswagen von Mercedes kommt, der gutbezahlte Job sicher ist, denen aber die ganze Richtung nicht passt, weil sie nicht neben dunkelhäutigen Menschen leben und von Personal ohne Akzent bedient werden wollen.


QuoteLaberRhabarber2 #1

"Viele Deutsche fühlen sich laut einer aktuellen Studie übersehen. Das ist gefährlich. Besonders für Politiker gilt jetzt: Augen auf!"

Das gilt aber auch für die Medien. Vielleicht sogar noch mehr.


QuoteCymbeline #1.1

"Das gilt aber auch für die Medien. Vielleicht sogar noch mehr."

Weil ...?


QuoteLorenz_01 #1.3

... weil sich die Realität im Land in den Medien viel zu wenig widerspiegelt?

Ich brauche ganz sicher keine gleichgeschalteten Medien, die ausschließlich die eigene Filterblase bedienen. Es ist aber tendenziell erkennbar, dass die in der Studie genannte Gruppe der "Offenen" weitaus mehr zu Wort kommt, als es ihrem prozentualen Bevölkerungsanteil entspricht. Kommt dann noch dazu, dass sich in dieser Gruppe auch eine latente Neigung zur "Erziehung" der übrigen findet, kann das für eine Gesellschaft nicht gut sein. ...


QuoteLe Toast #1.10

Werden Medien vom Volk gewählt und haben die Aufgabe dessen Interessen zu vertreten?


QuoteMcBudaTea #3

Ich habe den Eindruck, dass sich die Gruppe, die tatsächlich übersehen wird, sich sehr stark von der Gruppe unterscheidet, die sich übersehen fühlt.


Quotezipit #3.7

Ich habe auch so meine Zweifel an der Aussagekraft der Studien von More in Common; zumindest an deren "Hidden Tribes" Studie aus dem Jahr 2018.

Abseits der generellen Erfolglosigkeit des Ansatzes der Verhaltensforschung, Menschen in Gruppen mit fest definierten Attributen einzuteilen ("die Etablierten", "die Erfolglosen", etc.) und aus diesem Modell zuverlässige Vorhersagen abzuleiten, fiel mir in jener Studie der extreme Bias gegen linke Positionen auf. Linke wurden dort u. a. als "angry, cautious, unhappy, insecure, distrustful, disillusioned" getagt, während rechte bis konservative Positionen als "religious, middle class, patriotic, moralistic, white, retired, highly engaged, uncompromising" (vollständige Liste) getagt wurden, also weitgehend jene kritisch bis pejorativen Tags fehlten ([1], S. 7 und entsprechende Abschnitte).

Folgt aktuelle Deutschland-Studie der Hidden Tribes Studie in Methodik und Modell, würde ich auch diese aufgrund von Beliebigkeit und Nicht-Nachvollziehbarkeit der gesetzten Merkmale für wenig beachtenswert halten. Das Interview ist einfach keine geeignetes Mittel, um gesellschaftliche Strukturen aufzudecken, besonders dann, wenn sich der Auftraggeber auf die Fahnen geschrieben hat, tatsächliche oder vermeintliche politische Extrempositionen aufzudecken.

[1] https://www.moreincommon.com/media/nhplchwt/hidden_tribes_report.pdf



Quoteyagi #16

Die Unsichtbaren sind die Verlierer in der Vermögensmehrungsbewegung und müssen müssen das so sehen. Und dann, unsere Politik- und Wirtschafts-Eliten verliessen den Boden der sozialen Marktwirtschaft - nach dem Verschwinden des sozialistischen Ostblocks entledigte man sich jeglicher Hemmnisse hin zum ungezügelten Finanzkapitalismus.
In unserer heutigen Welt, in der weniger als 0,1 % der Bevölkerung über 50% des gesamten Vermögens besitzen, der reichste Mann Deutschlands (Lidl Eigentümer) sein Vermögen letztes Jahr um 1 Milliarde vermehrt hat, seine Angestellten der Altersarmut entgegenwerkeln, ist das Empfinden der Unsichtbaren über soziale Ungerechtigkeit mehr als berechtigt, bald so noch stärker werdend, so wie andersherum die Anhänger der Altparteien immer weniger werden, denn die Altparteien haben nicht nur den Traum vom besseren Deutschland zerstört, es war einmal eine soziale Marktwirtschaft, das ist zur Realität geworden- die Spaltung der Gesellschaft.


QuoteSchlaupilz #21

Interessante Studie, die nachdenklich macht. Ihre Schlussfolgerung: "Faire Löhne, bezahlbarer Wohnraum und höhere Besteuerung von Spitzenverdienern". Das muss machbar sein!


Quotextina72 #21.1

Jo - wird ja auch erst seit 40 Jahre gefordert. Und war trotzdem noch nie machbar, da hatten die, die an miesen Löhnen, unbezahlbaren Wohnung usw. verdienen, nun mal etwas dagegen. Und die bestimmen das Spiel.


QuoteKölscheGöre #21.2

Jaja.

Die pöhsen Spitzenverdiener.

Warum verdienen die bloß nur mehr als andere?
Leistung und Fähigkeiten dürfen es ja nicht sein.
Wahrscheinlich Versklavung und Knechtung der Armen.
Das wird es sein...


QuoteEasy B. #22

Im Sinne der Aufklärung sind solche Befragungen nützlich. Aber ob die gutgemeinte Empfehlung "Besonders für Politiker gilt jetzt: Augen auf!" irgendetwas bewirken wird???

Die Politiker orientieren sich schon lange nicht mehr an den Stimmungen/Ansichten der Bevölkerung, weil sie wissen, dass die Wähler keine Alternativen haben. Die Mainstream-Parteien sind ja inzwischen kaum noch zu unterscheiden - und die Randparteien links und rechts werden von der Medien-Propaganda im Zaum gehalten.

Insofern können die Mainstream-Parteien tun und lassen, was sie wollen und das tun sie auch. Gerade in Deutschland orientieren sie sich nur noch am Wohlstand der oberen Zehntausend und lassen sich von deren Lobbyisten/Verbänden/Stiftungen diktieren, was gewünscht wird. Letztlich ein Selbstbedienungsladen für das Finanzbürgertum...


QuoteEasybaer #23

Ganz schockierend der Artikel und trotzdem, ist man nicht auch zum Teil für sich selbst verantwortlich? Es heißt nicht umsonst, jeder ist seines Glückes Schmied. Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber 30%?


QuoteKölscheGöre #23.2

Was?

Sie fordern hier Eigenverantwortung, Gestaltungswille und Leistung?
Ketzer!


Quoteroland_s #23.3

Jeder ist seines Glückes Schmied - kaum eine "Weisheit", die ideologischer ist.

"Ist jeder seines Glückes Schmied?" Gesine Palmer (2015)
Der Rollstuhlfahrer beispielsweise, der seit einem Unfall behindert ist, wird doch wohl etwas falsch gemacht, sein Glück eben nicht richtig geschmiedet haben.
Psychologisch nennt man so eine Ansicht Angstabwehr. Wer die Eigenverantwortung in dieser Weise missversteht, will nicht wissen, dass jeder auch ohne eigenes Zutun Pech haben kann. Damit drückt man sich um die Verantwortung, die wir in der Gesellschaft auch für einander haben. Wer selbst schuld ist an seinem Unglück, der soll auch die Folgen selbst in den Griff kriegen, sagt man dann. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/falsche-volksweisheit-ist-jeder-seines-glueckes-schmied.1005.de.html?dram:article_id=311364


Quotejgstefan #45


Zu diesem Thema gibt es eine Studie der Uni Osnarbrück die über 15 Jahre die Gesetzgeberische Tätigkeit diverser Bundesregierungen darauf hin untersuchte in wieweit normale Bürger ihre Anliegen berücksichtigt finden. Das Ergebnis war niederschmetternd, Anliegen von Normalbürgern und Geringverdienern werden gegen null berücksichtigt. Selbige Studie gab is auch in den USA mit dem selben Ergebnis.

Systematisch verzerrte Entscheidungen? Die Responsivität der deutschen Politik von 1998 bis 2015.
http://www.zedf.uni-osnabrueck.de/media/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.pdf



...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Demokratie braucht Demokraten, sonst stirbt sie von innen.


Aus: "Politikverdruss: Wir tragen alle Mitschuld" Juli Zeh (9. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2019-11/politikverdruss-juli-zeh-heinrich-boell-demokratie-intellektuelle/komplettansicht

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2019-11/politikverdruss-juli-zeh-heinrich-boell-demokratie-intellektuelle/komplettansicht#comments

QuoteKaffeebauer #4

Die sogenannte Mitte ist zur Beliebigkeit verkommen. Für eine sich immer mehr spaltende Gesellschaft ist kein Platz für eine beliebige Mitte. Der point of no return dieser Spaltung wurde mit der Glorifizierung der Globalisierung eingeleitet und nimmt seinen Lauf.


QuoteObjektivar #4.1

Jaja, die böse Globalisierung. Wahrscheinlich ist die auch Schuld, wenn Sie sich einen Fingernagel einreißen.


QuoteLaberRhabarber2 #4.2

Die Globalisierung ist erst mal eine Tatsache. Nur wurde sie vereinnahmt von einigen wenigen. Jetzt steht sie für Öl, Dollar, Finanzkapitalismus und Großkonzerne die sich an keinerlei Gesetze halten.


QuoteLe état ce est rien #4.5

Lassen Sie Ihm doch sein linkes kleinkariertes Denken. Man merkt, dass die Linken in Bezug auf Globalisierung genauso überfordert zu sein wie die extreme Rechte. Einfaches Feindbild... schlichtes Leben. [Nichts wird jedem nutzen, es wird immer Gewinner und Verlierer geben, alles andere ist populistisches Geschwätz.]


QuoteThink Tank #3.4

Frau Zeh ist Teil des Problems und merkt es nicht mal, denn sie argumentiert ebenso apolitisch, wie sie es ihren Kollegen vorwirft:

"Wir tragen alle Mitschuld"

ist selbst kein politischer Standpunkt, man kann Politik aber nur mit konkreten Inhalten gestalten.

Wofür steht Frau Zeh denn?

Wie hält sie es mit Niedriglöhnen, Privatisierung und Altersarmut?

Oder dem neuen alten Militarismus der Union?

Der neoliberalen Globalisierung mit all ihren Zumutungen?

Wo sind denn die Intellektuellen,die das zum Thema machen?

Faktisch hat sich doch vor allem der öffentliche politische Diskurs entpolitisiert, aus einem demokratischen Wettbewerb, in dem unterschiedliche politische Konzepte um Mehrheiten kämpfen, ist eine trübe und alternativlose Suppe gemacht geworden (auch asymetrische Demobilisierung genannt), deren Ziel letztlich die Diskursvermeidung ist.

Und warum?

Weil wir von neoliberalen Globalisierern regiert werden, die eben NICHT die großen Probleme unserer Zeit - Kapitalismus und Militarismus - lösen wollen, sondern vielmehr an deren radikaler Umsetzung und Unumkehrbarkeit arbeiten.

Das kann jeder sehen, aber im öffentlichen Diskurs kommt der marktradikale Umbau unseres Landes und letztlich der ganzen Welt einfach nicht vor.

Er wird totgeschwiegen und weggelächelt und das vergiftet das öffentliche Klima!

Und die Medien?

Die kritisieren mittlerweile lieber das Volk, als sich mit Staat und Macht und Geld anzulegen.

Da darf man sich über ein zorniges Volk nicht wundern.


QuoteRunkelstoss #9

Sehr geehrte Frau Zeh,
gute Rede, alles richtig beobachtet und zutreffend kritisiert. Danke dafür.
Leider gibt es ein dickes, fettes Loch.
Warum? Warum ist 'plötzlich' Politikverfachtung cool warum wenden sich Menschen ab und sind mindestens gelangweilt oder sogar genervt.

Könnte es möglicherweise doch irgendwie an dem kollektiven Verlust von Utopiefähigkeit liegen.
Wozu brauchen wir Utopiefähigkeit wenn es Wirtschaftsprognosen gibt, das muss reichen.


Quotenomadas #12

Die Mitte, die berühmt-berüchtigte Mitte, wo alles Politische sein sollen musste. Die Gaus`sche Glocke, aha! In dieser heiligen, politischen Mitte ging z.B. die SPD unter, geopfert, auf dem Altar der Alphatiere! Die Mitte hat am meinsten Angst, Verlustangst. Die Lunte brennt.


QuoteOhne Hintergedanken #13

... Und genau das fehlt in Deutschland: Begeisterung!


QuoteLondon_Eye #14

Danke für den Text, ich habe ihn mit viel Gewinn gelesen - auch wenn die dargestellte Entwicklung sehr bedenklich ist. Ich habe in einem anderen Kontext die Figur des 'ich bin so lässig, ich steh da drüber, über die Politik kann man sich ruhig lustig machen' erlebt, von Leuten, die das mit einer aufklärerischen Haltung verbinden - wobei ich es mir eher unreflektiert selbstherrlich erscheint. Ich hätte aber nicht gedacht, dass dies auch im Literaturbetrieb so weit verbreitet ist.


Quotek.g.meister #19

Nein, die Bedrohung der Demokratie geht eben nicht von der Mitte aus. Diese 'Mitte', der ich mich noch zurechnen würde wenn nach Abzug aller Zwangsabgaben noch etwas von meinem Lohn überbleiben würde was mich für eine 'Mitte' qualifizieren würde, hat einfach nur die Schnauze voll davon, sich von einer immer linker werdenden Politik das Leben in diesem Lande ruinieren zu lassen.
Die 'Mitte' macht in diesem Land Das, was sie immer getan hat: Arbeiten und Steuern zahlen.
Nur das dadurch in den letzten Jahren zunehmend lediglich die feuchten Träume von Multikulturalisten und Klimahysterikern befriedigt werden, und bei den Leuten die versuchen sich etwas aufzubauen Nichts mehr ankommt oder hängen bleibt.
Schauen Sie sich an wie viel von meinem Geld dieser Staat für Sozialleistungen aufbringen muß für Menschen, die ich nicht mal hier haben möchte, geschweige denn denen ich ein lebenslanges leistungsfreies Einkommen finanzieren darf.
Das ist das Problem, und nicht Bürger die alle 4 Jahre nach Meinung der Linken das Kreuz bei der falschen Partei machen.


QuoteOakman #19.1

Tut mir leid es Ihnen sagen zu müssen, aber wer von "Klimahysterikern" und "Mulikulturalisten" phantasiert, ist leider nicht Mitte, sondern Rechter Rand. Ist nicht verboten, man sollte nur dazu stehen, dass man sich vom moralischen Fundaments Deutschlands verabschiedet hat.


QuoteGen X #19.2

Naja, wenn man den Klimawandel als Ende der Welt darstellt, wie ich es letzthin im Radio gehört habe, dann ist das Klimahysterie. Es werden sicherlich Verwerfungen geben und Gebiete unbewohnbar oder absaufen, aber andere Gebiete werden profitieren. Möglicherweise ist es auch einfach das Fieber der Erde um den Parasiten Mensch in seiner Anzahl zu dezimieren. Insofern Ende unserer Zivilisation möglicherweise, das Ende der Welt bringt der Klimawandel definitiv nicht.
Und wer kein Bock hat dass sich alle Herren Länder unkontrolliert in diesem Land aufhalten, ist deswegen noch kein Rechter.
Lieber Oakman, ich frage mich, ob Sie Ihre Haus-/Wohnungstür 24/7/365 offen stehen lassen und jeden tolerieren, der es auf Ihrem Sofa bequem macht und Ihren Kühlschrank leer isst. Falls nicht, dann sollten Sie sich mal fragen, ob Sie noch auf dem moralischen Fundament Deutschlands stehen.


QuoteOakman #19.3

So, so "Die Asylanten essen also ihren Kühlschrank leer". Ich werde dieses geistige Kräftemessen an dieser Stelle beenden, die Ritterlichkeit verbietet schließlich den Kampf gegen Unbewaffnete.


QuoteJürgensch #23

Ich denke eher, die Bedrohung der Demokratie geht überwiegend von den Politikern aus, die der finanzkräftigen Lobby hörig ist.  ...



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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Für besondere Empörung sorgte im Jahr 2000, dass der hessische CDU-Funktionär Sayn-Wittgenstein behauptete, die illegalen Einnahmen stammten aus "Vermächtnissen jüdischer Emigranten". Der Versuch, das aus kriminellen Machenschaften stammende Geld ausgerechnet mit der Aura von Opfern des Nationalsozialismus zu verklären, war an moralischer Verkommenheit kaum noch zu überbieten. Er bildete den Höhepunkt der Skrupellosigkeit, die dieser Landesverband der Union gerne an den Tag legte - beispielsweise auch im Zuge der Kampagne gegen die von Rot-Grün geplante Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft während des Landtagswahlkampfs 1999 unter Roland Koch. Dessen Ankündigung einer "brutalstmöglichen Aufklärung" aller Schwarzgeld-Vorgänge, von denen er selbstverständlich keinerlei Ahnung gehabt habe, gehört seither zum ironischen Zitatenschatz der deutschen politischen Kultur. Und sie wurde selbstverständlich nie eingelöst.

... Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch von Karl-Heinz Ebert: "Die Beichte meines Vaters über die Herkunft des Bimbes. Die schwarzen Kassen der CDU", 160 Seiten, Westend Verlag. Karl-Heinz Ebert erzählt von der Beichte seines Vaters Karl-Anton Ebert, der als Buchhalter an entscheidender Stelle verwickelt war, und von den Ergebnissen seiner eigenen Recherchen. Die lassen tief in ein weit verzweigtes System schwarzer Kassen bei Deutschlands größter Volkspartei blicken und enthüllen einen atemberaubenden Coup aus der Frühphase der Bundesrepublik Ende der 1950er-Jahre.


Aus: "Geld ist Macht - die schwarzen Kassen der CDU" Karl-Heinz Ebert (02.12.2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Geld-ist-Macht-die-schwarzen-Kassen-der-CDU-4600185.html

Quotederauserwaehlte, 02.12.2019 13:47

Läuft heutzutage über "Sponsoring"

Kein Bargeld, keine Übergabe in der Schweiz, einfach über "Sponsoring". Besonders intensiv läuft diese Masche, na bei wem wohl, richtig: CSU. Von wem wohl? Richtig Quandt/BMW und Konsorten. Und das Beste: Steuerlich voll absetzbar!

https://lobbypedia.de/wiki/Parteisponsoring

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.12.2019 13:50).


QuoteHat se nicht alle, 02.12.2019 13:45

Soviel zur Inkompatibilität von Kapitalismus und Demokratie
Solange Geld der Götze unserer Gesellschaft ist hat die Macht des Geldes unendliche Möglichkeiten die demokratischen Prozesse zu unterwandern und zu korrumpieren.
In den USA ist man da schon einen Schritt weiter. Wer da nicht Zugriff auf hunderte von Millionen für den Wahlkampf hat, der kann am "demokratischen Prozess" gar nicht erst teilnehmen.


...

Textaris(txt*bot)

#77
Quote[...] Der Skandal um die Wahlbeeinflussung mithilfe der nunmehr berüchtigt gewordenen amerikanischen Analysefirma Cambridge Analytica, Tochter der mittlerweile insolventen britischen SLC Group, hat neue Dimensionen angenommen. Seit dem 2. Januar veröffentlicht der Twitter-Account @HindsightFiles (,,Hindsight" lässt sich mit ,,späte Einsicht" übersetzen) Dokumente, die Gesprächsprotokolle, E-Mails, Projektdokumentationen und Studien beinhalten und zeigen sollen, dass die Firma in gezielte Wahlmanipulationen in 68 Ländern verstrickt gewesen sein soll. Es soll sich um mehr als 100 000 Dateien handeln.

Unter dem Hashtag #Hindsightis2020 lautet der erste Tweet: ,,Die Datenanalysefirma SCL Group hat ihren Betrieb inmitten eines Skandals eingestellt, nachdem die umfangreiche Datenmanipulation ihrer Tochtergesellschaft Cambridge Analytica im Schatten weltweiter Wahlen infrage gestellte wurde. Um zu verhindern, dass Dokumente beschlagnahmt werden können, ging das Unternehmen bankrott. Es ist Zeit, die Dokumente zu veröffentlichen."

Bislang wurden Dossiers zu Brasilien, Kenia, Malaysia, Iran und dem ehemaligen nationalen Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, John Bolton, veröffentlicht. Die britischen Zeitung ,,The Guardian" berichtet, dass die Unterlagen von Brittany Kaiser stammten, einer ehemaligen Mitarbeiterin von Cambridge Analytica. Kaiser habe sich entschieden an die Öffentlichkeit zu gehen, nachdem Boris Johnson die Wahl zum Premierminister für sich entschieden hatte. Kaiser sagt, die Dokumente gingen weit über das hinaus, ,,was die Leute über den Cambridge-Analytica-Scandal zu wissen glauben".


Aus: "Cambridge Analytica : Manipulierte Wähler weltweit" Axel Weidemann (06.01.2020)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/cambridge-analytica-manipulierte-waehler-weltweit-16568193.html

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Quote[...] Die berüchtigte britische Firma Datenfirma Cambridge Analytica sorgt erneut für Schlagzeilen. Seit Neujahr tauchen auf dem Twitter-Account HindsightFiles Links zu Dokumenten über die Wahlen in Malaysia, Kenia, Brasilien und dem Iran auf. Diese Papiere erlauben einen Einblick, wie das Unternehmen versucht, Wähler und Wahlen weltweit zu manipulieren. Laut dem "Guardian" zeigen über 100.000 Dokumente die Tätigkeit von Cambridge Analytica in 68 Ländern. In den Unterlagen finden sich auch Hinweise, wie das Unternehmen auch in Österreich tätig war. So findet sich in den Unterlagen zu Brasilien etwa eine Powerpoint-Präsentation, die dies zeigt.

Auch hatte Philipp Maderthaner, der unter anderen für Sebastian Kurz tätig ist, Kontakt zu Cambridge Analytica. Aus dem Unternehmen heißt es dazu, dass es "keine geschäftliche Zusammenarbeit gab". Ein Twitter-Nutzer hat das entsprechende Dokument veröffentlicht und eine Stellungnahme von Herrn Maderthaner dokumentiert.

Zudem sollen sie die Schwarzgeldmaschinerie zeigen, mit deren Hilfe der die Herkunft von Großspenden an Donald Trump während des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 verschleiert wurde.

Laut Pressemeldungen sollen die Leaks von der Ex-Cambridge-Analytica-Mitarbeiterin Brittany Kaiser stammen. Das neue Material gehe "weit über das hinaus, was die Leute über den Cambridge-Analytica-Skandal zu wissen glauben", erklärt sie laut "Turi 2".

Cambridge Analytica wurde "berühmt", weil die Firma sie sich während des US-Wahlkampfs 2016 Zugang zu Daten von Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte und diese unerlaubt für Trumps Kampagne genutzt wurden. Insgesamt konnte das Unternehmen Daten von rund 87 Millionen Nutzern einkassieren. Im Zuge der Affäre wurde eine Rekordstrafe von fünf Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) gegen Facebook verhängt. (red, 6.1.2019)


Aus: "Cambridge-Analytica-Leak dokumentiert weltweite Manipulationen" (7. Jänner 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000112969988/cambridge-analytica-leak-dokumentiert-weltweite-manipulationen

https://twitter.com/hindsightfiles

Quote
Marquis de Sade - La maison royale de Charenton

Das sollte man entsprechend aufarbeiten und vor allem auch näher hinsehen WAS getan wurde um entsprechende Stimmen zu bekommen. Wenn das nachweislich koordinierte Falschinformationen sind, sollte man entsprechende Konsequenzen ziehen. Das ist dann irgendwas zwischen Wählertäuschung und Wahlbetrug.

Ich habe etwas dagegen, wenn mit der Demokratie herumgespielt wird.


Quote
LaVitaèBella

Also ich finde es nicht schlimm wenn unentschlossene Wähler mit "Material" versorgt werden. Nur muss das dann auch richtig sein, also keine Unwahrheiten. ...


Quote
roewoe

jaja, wenn Sie sagen, dass Sie das gerne hätten und nicht, dass aufgrund von Analysen der Daten herauskommt, dass man Sie als Person mit gezielten thematischen Infos manipulieren kann. Da geht es nicht um Versorgung mit Material sondern um Manipulation. Lesen bildet: Shoshana Zuboff; Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus.


Quote
Eifelgeist

Paar von den Leaks angesehen ... Toll ... einfach nur toll wie das Volk manipuliert und verarscht wird. Und ist auch noch stolz darauf.


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Quote[...] Seit Jahresanfang werden via Twitter Dokumente der ehemaligen Analysefirma Cambridge Analytica veröffentlicht, die von einer ehemaligen Mitarbeiterin des Unternehmens stammen sollen. Cambridge Analytica hatte im Zuge eines Skandals um Datenschutz und Wählermanipulation im Mai 2018 Konkurs angemeldet; verwandte Firmen mit personellen Überschneidungen zu Cambridge Analytica bestehen aber weiterhin. Die jetzt publizierten Dokumente, die bislang unveröffentlichte E-Mails, Projektpläne, Studien, Verhandlungsdokumentation und mehr beinhalten sollen, werden gruppiert nach geographischen Regionen und betroffenen Persönlichkeiten publik gemacht.

Insgesamt sollen die Dokumente mindestens 65 Länder betreffen. Bislang verfügbar sind Dossiers zu Brasilien, Kenya, Malaysia, dem Iran und John Bolton, dem ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Trumps.

Dem veröffentlichenden Twitter Account "Hindsight is 2020" bzw. @HindsightFiles zufolge stammen die Dokumente von Brittany Kaiser, einer zur Whistleblowerin gewordenen, ehemaligen Mitarbeiterin von Cambridge Analytica. Es sei Zeit, die Dokumente zu veröffentlichen, so @HindsightFiles, nachdem SCL, die Mutterfirma von Cambridge Analytica, in Konkurs gegangen sei, um eine Konfiszierung der Dokumente zu verhindern.

Dem britischen Guardian zufolge hat sich Brittany Kaiser im Nachgang der Wahl in Großbritannien im vergangenen Monat dazu entschlossen, die Dokumente zu veröffentlichen. Die Zeitung zitiert sie mit den Worten: "Es ist derartig offensichtlich, dass unsere Wahlsysteme sehr leicht missbraucht werden können. Ich habe große Befürchtungen davor, was bei der US-Wahl später in diesem Jahr passieren wird und ich glaube, einer der wenigen Wege, uns zu schützen, ist, so viele Informationen wie möglich verfügbar zu machen."

Die Dokumente stammen dem Guardian zufolge von den E-Mail-Accounts und Festplatten Kaisers. Teile des Materials habe sie bereits im April 2018 dem britischen Parlament übergeben, aber es gebe tausende und tausende weitere Seiten. Die darin dokumentierte Arbeit Cambridge Analyticas würde weit über das hinausgehen, was die Leute gemeinhin zu wissen glaubten. Der Skandal um die Daten von Facebook sei Teil einer weit größeren, globalen Operation zur Manipulation und Beeinflussung der Bevölkerung. Die Beteiligung von Regierungen, Geheimdiensten, Unternehmen und politischen Kampagnen habe riesige Auswirkungen auf die nationale Sicherheit.

Zum Beispiel befänden sich unter den Dokumenten E-Mails von größeren Spendern für Trump, in denen sie besprächen, wie sie die Quelle ihrer Spenden verschleiern könnten. Die Dokumente "legen die gesamte Schwarzgeld-Maschinerie hinter der amerikanischen Politik offen", zitiert der Guardian Kaiser. Diese Maschinerie sei auch in anderen Ländern – einschließlich Großbritanniens – zum Einsatz gekommen.

Emma Briant zufolge sei das bisher Bekannte nur die Spitze des Eisberges. Die vom Guardian befragte Spezialistin für Propaganda hatte Zugriff auf einen Teil der Dokumente, die ihr zufolge weit besser als bisher bekannt erklären, was bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 passiert sei. Das habe große Auswirkungen auf die Wahl 2020, weil die gleichen Leute weiter an den gleichen Techniken arbeiteten, so Briant. Es gäbe "Beweise für sehr verstörende Experimente an amerikanischen Wählern mit auf Angst aufbauenden Nachrichten", die scheinbar immer noch andauern. "Dies ist eine globale, außer Kontrolle geratene Industrie", sagte Briant gegenüber dem Guardian. (syt)


Aus: "Weit größere, globale Operation: Neue Dokumente im Cambridge-Analytica-Skandal" Sylvester Tremmel (05.01.2020)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Weit-groessere-globale-Operation-Neue-Dokumente-im-Cambridge-Analytica-Skandal-4628196.html

https://www.theguardian.com/uk-news/2020/jan/04/cambridge-analytica-data-leak-global-election-manipulation

Quotesx2008, 05.01.2020 16:51

Man muss an das Schlechte glauben um manche Menschen zu verstehen.


QuoteKnights of Middlefrithm, 07.01.2020 11:07

Erkläre das mal jemand den Followern der Neualten Rechten, dass sie der psychologisch informierten Propagandamaschinerie westlicher Oligarchen aufsitzen, während sie allen anderen vorwerfen, ,,die Wahrheit" nicht zu erkennen. National, rassistisch, ökologiefeindlich und zuweilen militant im Dienste von Milliardären unterwegs zu sein, scheint befriedigender, als einsehen zu müssen, von Großkopferten als politische Manövriermasse benutzt zu werden.

Schon die verschleierten Spenden für die AfD sprechen hier Bände, die Recherchen um CA erzählen, wie man dieses "Establishment" mit Anti-Establishment-Propaganda in die Lage versetzt, jeden politischen Gedanken, der die gegenwärtige obszöne Profitabschöpfung gefährden könnte, durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu desavouieren (Derivatehandel, Schattenbanken, fossile Energieträger, Arbeitnehmerrechte, Sozialleistungen, Privatisierung, Allgemeinbildung, Kriegsprofite usw.).

Die AfD hat für die Bundestagswahl 2016 dieselbe Werbeagentur angeheuert, die für Trumps Wahlkampf arbeitete, auch mit den Daten und daraus generierten Profilen und Strategien von CA, s. https://www.spiegel.de/spiegel/eine-trump-nahe-agentur-aus-den-usa-managt-den-wahlkampf-der-afd-a-1164613.html (Wie konnte sie sich das damals überhaupt leisten?)

Aber von Oligarchen verängstigte Wutbürger trauen ja lieber keiner Nachricht oder Statistik, die nicht von rechtsextremen Irren gefälscht wurde, als sich beispielsweise diesen Leaks zu stellen und die Mechanismen begreifen zu wollen, mithilfe derer man sie nach belieben nudgen kann, indem man ihre persönlichen, tief sitzenden Ängste analysiert und sie daraufhin punktgenau bei den Eiern packt, um dann die Lösung nachzureichen, sie auf Sündenböcke zu hetzen, damit der Schmerz in den Klöten nachlässt (was nicht geschieht).

Die Sündenböcke sind praktischerweise die, die mit der Ausbeutung Aller und Allem zugunsten der Wenigen nicht einverstanden sind und die, die man als ,,Fremde" sowieso erstmal instinktiv beäugt.

Wie praktisch, so eine in rechts und links, Freund und Feind, entweder/oder eingeteilte Welt. Sie findet nur außerhalb dieses Denkstils in der Realität nur selten eine Entsprechung, es sei denn, man erzwingt sie mit Gewalt.


QuoteKarstenS, 06.01.2020 00:35

Das Geschäft mit der Angst ...


QuoteKRobert, 05.01.2020 15:48

Der Tausendsassa Putin

hat es also sogar geschafft, US-Firmen so zu infiltrieren und die mit ihren eigenen Methoden zu schlagen. B-)

Hut ab....


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Quote[...] Dating-Apps, Zyklus-Tracker oder harmlos scheinende Tastatur-Apps: Norwegische Datenschützer:innen haben sich zehn beliebte Smartphone-Apps näher angesehen, darunter Tinder, My Days oder Wave Keyboard. Alle der untersuchten Apps gaben personenbezogene und in aller Regel intime Daten an Werbenetzwerke oder ähnliche Dritt-Anbieter weiter, die daraus individualisierte Profile der Nutzer:innen erstellen – eine Praxis, die in Europa in dieser Form illegal ist.

,,Diese Praktiken sind außer Kontrolle geraten und verstoßen gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)", sagt Finn Myrstad, der sich im norwegischen Verbraucherrat Forbrukerrådet um Digitalpolitik kümmert. Das Ausmaß dieses Trackings mache es für Nutzer:innen unmöglich, bewusst und frei zu entscheiden, wie persönliche Daten gesammelt, geteilt und eingesetzt werden, so Myrstad.

,,Out of Control" – Außer Kontrolle – lautet passend der Titel der heute veröffentlichten Untersuchung von Forbrukerrådet. Unterstützung erhielten die Norweger:innen von der Sicherheitsfirma Mnemonic, dem Tracking-Experten Wolfie Christl von Cracked Labs und dem Datenschützer Max Schrems und seiner NGO noyb. Gemeinsam konnten sie nachweisen, dass die Online-Werbeindustrie in großem Umfang personenbezogene Daten illegal sammelt und damit systematisch gegen das europäische Datenschutzrecht verstößt. Dadurch werden Verbraucher:innen besonders anfällig für Manipulation und Ausbeutung, warnen die Forscher:innen.

Bei der Perioden-App MyDays bemängelt der Bericht beispielsweise, dass die mit GPS ermittelten Ortsangaben der Nutzerinnen mit einer ganzen Reihe an Drittparteien geteilt werden, die mit verhaltensbasierter Werbung und Profiling ihr Geld verdienen. Die Dating-App OkCupid wiederum teilt hochpersönliche Daten über Sexualität, Drogenkonsum, politische Ansichten und mehr mit dem Analytikunternehmen Braze.

Viele Akteure in der Online-Werbebranche sammeln Informationen von einer Vielzahl an Quellen, unter anderem beim Surfen im Netz, von angeschlossenen Geräten und genutzten sozialen Medien. Wenn diese Daten kombiniert werden, können daraus viele Informationen über die Nutzenden abgeleitet werden. Allein daraus kann teilweise auf die sexuelle Neigung von Individuen geschlossen werden oder welche politische Meinung sie vertreten, wie bereits 2015 in einer Studie gezeigt wurde.

Diese massive kommerzielle Überwachung steht im Widerspruch zu Grundrechten und kann für eine Vielzahl schädlicher Anwendungen genutzt werden. Ebenfalls hat die weit verbreitete Überwachung das Potenzial, das Vertrauen der Verbraucher:innen in digitale Dienste nachhaltig zu beeinträchtigen, warnt Finn Myrstad.

Eine vergangenes Jahr veröffentlichte Studie von Amnesty International kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Die NGO warnte damals, dass datengesteuerte Geschäftsmodelle eine ernsthafte Bedrohung für Menschenrechte wie Meinungs- und Redefreiheit, Gedankenfreiheit sowie das Recht auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung darstellen.

Der Norwegische Verbraucherrat hat nun angekündigt, juristisch gegen die Datensammelwut der Industrie vorzugehen. Er will formelle Beschwerden unter anderem gegen Grindr, eine Dating-App für schwule, bi, trans und queere Menschen sowie Unternehmen, die über die App persönliche Daten erhalten haben, bei der norwegische Datenschutzbehörde wegen Verstößen gegen die DSGVO einreichen. Zu diesen Unternehmen zählen etwa Twitters MoPub, AT&Ts AppNexus, OpenX, AdColony und Smaato.

Die norwegischen Verbraucherschützer:innen fordern Unternehmen auf, Alternativen zum derzeit dominierenden Online-Werbesystem zu entwickeln. Sie schlagen dafür unter anderem Technologien vor, die nicht auf die Erhebung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten angewiesen sind.

Des Weiteren wenden sie sich an die Politik, da die Konsument:innen ihrer Ansicht nach nur sehr limitierte Möglichkeiten haben, um sich gegen die zügellose Nutzung ihrer Daten zu wehren. Es liege an den Behörden, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbraucher:innen vor der illegalen Nutzung personenbezogener Daten zu schützen.


Aus: "Neue Studie zeigt, wie populäre Apps systematisch intime Nutzerdaten weitergeben" Felix Richter (14.01.2020)
Quelle: https://netzpolitik.org/2020/neue-studie-zeigt-wie-populaere-apps-systematisch-persoenliche-daten-weitergeben/

Textaris(txt*bot)

#78
Quote[...] Er ist Bürgermeister einer Stadt in Nordrhein-Westfalen und er hat Angst. So viel, dass er einen Waffenschein beantragt hat. Um sich vor Neonazis schützen, von denen er sich seit dem Europawahlkampf im Mai 2019 massiv bedroht fühlt. Und um nicht wehrlos einem rechten Attentäter gegenüberzustehen wie der im Juni erschossene Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke. Seinen Namen will der Mann auf keinen Fall in der Presse genannt sehen.

Der Bürgermeister hatte dafür gesorgt, dass Wahlplakate der rechtsextremen Kleinpartei ,,Die Rechte" abgehängt werden. Darauf stand ,,Israel ist unser Unglück" und ,,Wir hängen nicht nur Plakate". Die Neonazis schäumten, im Internet nannten sie steckbriefartig die Dienstadresse des Bürgermeisters, die Telefonnummer, das Dienstzimmer. Rechtsextreme kündigten an, vorbeizukommen.

Der Fall des Bürgermeisters ist ein weiterer in einer immer länger werdenden Liste. Die Bedrohung von Kommunalpolitikern durch rechte und andere Extremisten wächst sich in Deutschland zu einem flächendeckenden Problem aus. ,,Seit 2015 hat sich die Bedrohung für Kommunalpolitiker enorm verschärft – besonders für die, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren", sagt Marc Elxnat, Referatsleiter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Das Ausmaß zeigte eine Umfrage für ,,Report München" aus dem vergangenen Jahr, an der sich mehr als 1000 Bürgermeister beteiligten. Demnach hatten mehr als 40 Prozent der kommunalen Verwaltungen Erfahrungen mit Hassmails, Einschüchterungsversuchen oder anderen Übergriffen gemacht.

In acht Prozent der Gemeinde- oder Stadtverwaltungen kam es zu körperlichen Attacken. ,,Sollte die Bedrohungslage so bleiben, könnte das langfristig dazu führen, dass sich immer weniger Menschen als Kommunalpolitiker engagieren wollen", sagt Elxnat.

Laut Elxnat ist neben rechtem Hass auch Unverständnis gegenüber politischen Entscheidungen Auslöser für die Attacken. ,,Es gibt Bürgermeister, die angegriffen werden, weil sie sich für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen."

In einem anderen aktuellen Fall trat Arnd Focke, der Bürgermeister im niedersächsischen Estorf, zurück. Hakenkreuze auf dem Auto, Drohungen und nächtlicher Telefonterror waren zu viel. Focke wollte sein Umfeld schützen. Einer der Auslöser für den Hass gegen ihn war offenbar eine Ratsentscheidung über die Erhöhung der Grundsteuer.

Der Städte- und Gemeindebund macht für den zunehmenden Hass und die Gewalt gegen Mandatsträger etwa den raueren Ton in der politischen Auseinandersetzung und die Polarisierung in der Gesellschaft verantwortlich. Die sozialen Medien als Echokammer seien ein weiterer Faktor. Hier finde sich ,,für jede noch so groteske Meinung ein Verbündeter". Die Suche nach Anerkennung durch Provokation stehe im Vordergrund und immer öfter auch das Brandmarken einzelner Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ,,als Projektionsfläche für die eigene Unzufriedenheit". Ein Großteil der Bürger sehe den Staat als reinen Dienstleister.

Auch wenn es mittlerweile Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt, die sich um das Problem kümmern, und zum Teil spezielle Ansprechpartner bei der Polizei: Viele Mandatsträger haben nicht das Gefühl, dass sie ausreichend Unterstützung bekommen.

So wie im beschriebenen Fall des Bürgermeisters aus NRW. Die Polizei fuhr zwar verstärkt Streife in seiner Nähe. Doch der Anwalt des Politikers sagt, sein Mandant fühle sich alleingelassen. Die Polizei lehnte den Antrag auf den Waffenschein ab. Der Bürgermeister klagte beim Verwaltungsgericht Düsseldorf. In zwei Wochen soll der Fall verhandelt werden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der ,,Rheinischen Post", er halte nichts davon, ,,wenn sich Privatpersonen und Mandatsträger bewaffnen".

Die Angst um das eigene Leben ist nicht unbegründet: Im Oktober 2015 stach in Köln ein Rechtsextremist der späteren Oberbürgermeisterin Henriette Reker in den Hals. Im November 2017 wurde der Bürgermeister des sauerländischen Altena von einem rassistischen Messerstecher am Hals verletzt.

In beiden Fällen attackierten die Täter die Politiker wegen deren Engagements für Flüchtlinge. Und Reker wie auch Hollstein sind weiter im Visier rechter Fanatiker. Im Juni 2019 gingen bei ihnen per Mail Morddrohungen ein. Der Absender nannte sich ,,Staatsstreichorchester". Vermutlich handelt es sich um einen oder mehrere Rechtsextremisten, die auch mit Namen wie ,,NSU 2.0" und ,,Wehrmacht" wellenartig Drohungen verschicken.
Doch selbst wenn es nicht zu körperlicher Gewalt kommt, ist die psychische Belastung für die Bedrohten enorm. Letzten November beantragte Martina Angermann, Bürgermeisterin im sächsischen Arnsdorf, die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand – zuvor war sie monatelang bedroht und attackiert worden.

Der Städte- und Gemeindebund spricht sich laut Elxnat dafür aus, den Straftatbestand des ,,Politiker-Stalkings" einzuführen, um das ,,amt- und mandatsbezogene Nachstellen" zu verhindern. Es sei aber auch nötig, dass solche Straftaten dann konsequent verfolgt würden und man über Verurteilungen berichte.



Aus: "Bedrohung von Lokalpolitikern wird zum Flächenproblem"  Maria Fiedler Frank Jansen (08.01.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/buergermeister-in-angst-bedrohung-von-lokalpolitikern-wird-zum-flaechenproblem/25397666.html

QuoteLillybiene 11:33 Uhr

Das ist halt der geistigen Verwahrlosung der Menschheit geschuldet. Die asozialen Netzwerke haben einen großen Teil dazu beigetragen. ...


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Quote[...] BERLIN taz | Die rechtsextremen Drohschreiben gingen an Linken- und GrünenpolitikerInnen, an die Bundesjustizministerin, an JournalistInnen oder die Sängerin Helene Fischer. Und sie waren voller wüstem Hass. Man kämpfe gegen die Verunreinigung des ,,deutschen Volkstums", werde ,,Menschen auf offener Straße exekutieren" oder Kinder töten, hieß es dort. Unterzeichnet wurde mit: ,,Nationalsozialistische Offensive".

Es sind Drohungen, die so oder ähnlich seit Monaten Menschen in diesem Land erreichen – zumeist von anonymen Absendern. Diesmal aber ist es anders. Denn im Fall der ,,Nationalsozialistischen Offensive" bekommt der Hass am Dienstag ein Gesicht. Es gehört André M., einem 32-Jährigen aus Halstenbek bei Hamburg.

Die Polizei hatte den Arbeitslosen Anfang April 2019 verhaftet. Es war eine der ganz wenigen Festnahmen nach solchen Drohschreiben. Nun sitzt André M. im Landgericht Berlin, Saal 700. Er soll es sein, der hinter der ,,Nationalsozialistischen Offensive" (NSO) steckt.

Blass und schmächtig, mit blonder Zopffrisur, sitzt André M. dort hinter dem Sicherheitsglas, aufmerksam schaut er in den Saal. Als der Richter nach seinen Personalien fragt, antwortet André M. nur knapp. Schon zu seinem Beruf will er nichts mehr sagen. Auch zu den Vorwürfen schweigt er.

Dann aber wird die Verhandlung sowieso unterbrochen. Ein Fax hatte das Gericht erreicht, kurz vor Prozessbeginn, mit einer Bombendrohung, ausgerechnet. Nun wird das Schreiben dem Richter gereicht, der den Saal räumen lässt und den Prozess für eine Stunde unterbricht. André M. verfolgt das Ganze interessiert, aber ohne weitere Regung.

In dem Schreiben ist von mehreren deponierten Sprengsätzen im Gericht die Rede. Die anwesende ,,Lügenpresse" werde ,,im eigenen Blut vor dem Saal ersaufen", auch der Richter wird namentlich genannt. Unterschrieben wird mit: ,,NSU 2.0". Die Polizei gibt eine Stunde später Entwarnung: Es kann weiterverhandelt werden.

Die Staatsanwältin verliest daraufhin die Anklage – die André M. ebenso regungslos verfolgt. 103 Drohschreiben habe André M. in nur gut drei Monaten verschickt, seit Ende Dezember 2018, von anonymisierten E-Mail-Adressen aus. Gleichzeitig habe er auch im Darknet Gewaltaufrufe veröffentlicht. Die meisten Schreiben waren Bombendrohungen – an Gerichte, Rathäuser, Behörden, Bahnhöfe oder auch die Rote Flora in Hamburg. Fabuliert wurde über versteckten Sprengstoff, über Fernzündungen via Handy, ergänzt immer wieder mit expliziten Ausschmückungen, wie es zu Toten kommen werde. ,,Ihr werdet in Fetzen da liegen", hieß es zum Beispiel. Die Gebäude mussten teils geräumt werden – Sprengsätze wurden nie gefunden.

Dazwischen folgten Drohschreiben an Bundestagsabgeordnete, an Medienhäuser, auch die taz, oder immer wieder obsessionshaft an Helene Fischer, die als ,,slawisch" abgelehnt wurde. Auch hier versehen mit brachialen Gewaltandrohungen, teils auch Geldforderungen via Bitcoin oder Monero in absurden Höhen. Einige Schreiben waren mit einem Link zu einem Video versehen, in dem Kinder missbraucht und gefoltert werden.

Es sei André M. um das ,,Ausleben seines Menschenhasses" gegangen, einem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, sagt die Staatsanwältin. Und um Fantasien einer ,,nationalen sozialistischen Ordnung".

Es war André M. selbst, der die Ermittler auf seine Spur brachte. Denn über die Monate wurde er immer unvorsichtiger. Am Ende bedrohte er auch eine Bekannte aus Sachsen-Anhalt – und griff dies später in einem Schreiben an eine Politikerin auf. Über diese Bekannte konnte die Polizei André M. identifizieren. Er hatte sich selbst verraten.

Und die Ermittler trafen auf einen einschlägig Bekannten. Schon seit seiner Kindheit fiel André M. nach taz-Informationen mit Gewalttaten auf. Die Schule verließ er als 15-Jähriger mit einem Fünfte-Klasse-Abschluss. Schon ab dieser Zeit zerstach er Autoreifen, legte Brände, experimentierte mit Sprengstoff oder attackierte einen Nachbarn mit einem Messer, gleichzeitig plagten ihn Angstzustände. Schließlich sinnierte er mit einem Bekannten über einen Bombenanschlag auf ein Apfelfest in einer Nachbarstadt. Von dem Vorwurf wurde er freigesprochen, wegen anderer Delikte aber landete er für fünf Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Auch danach folgten weitere Straftaten und Inhaftierungen. Eine Ausbildung trat André M. nie an, Freunde hatte er keine mehr. Zuletzt wurde er im Oktober 2018 aus der Haft entlassen. Er zog wieder zurück zu seinen Eltern, wo er sich sein Zimmer mit Hakenkreuzfahnen ausstaffiert haben soll. Schon kurz darauf meldete er sich nach taz-Informationen wieder im Darknetforum ,,Deutschland im DeepWeb" an, in dem er schon 2017 unter dem Alias ,,Sturmsoldat" aktiv gewesen sein soll. Nun firmierte er dort als ,,Sturmwehr". Die später verbotene Plattform war ein riesiges Chatforum, aber auch ein Kriminalitätsumschlagplatz. So bezog etwa der Attentäter des Anschlags auf das Münchner Olympia-Einkaufszentrum 2016 von dieser Plattform seine Tatwaffe.

André M. widmete offenbar seine ganze Zeit dem Darknet, und das einschlägig. In Chats soll er wiederholt zu Terror gegen PolizistInnen, RichterInnen und PolitikerInnen aufgerufen haben. Dann habe André M. seine Drohschreibenserie als ,,Nationalsozialistische Offensive" gestartet. Die Ermittler fürchteten, dass es nicht dabei bleiben sollte: Denn der 32-Jährige lud auch Anleitungen zum Bomben- und Schusswaffenbau aus dem Internet herunter, posierte auf Fotos mit Sturmgewehren und beschäftigte sich mit dem Christchurch-Anschlag auf zwei neuseeländische Moscheen mit 51 Toten.

Die Ermittlungen machten aber auch klar, dass André M. nicht alleine handelte. Denn ausgehend von der Darknetplattform verschickt auch eine zweite Person bis heute ganz ähnliche, ebenso brutale Schreiben, mal unter dem Alias ,,Wehrmacht", mal als ,,Staatsstreichorchester". Und diese Person stand nach taz-Informationen ab Mitte Januar 2019 in engem Austausch mit André M. Beide diskutierten demnach über Adressaten für ihre Drohungen, in den verschickten Schrei­ben wurde sich aufeinander bezogen.

Als André M. im April 2019 schließlich verhaftet wurde, verschickte ,,Staatsstreichorchester" eine E-Mail an Politiker und Journalisten, in welcher er ,,Immunität" für den ,,Mitarbeiter" forderte. André M., der mit vollem Nachnamen genannt wird, habe ,,nicht die nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen". Man sei dennoch ,,in keiner Weise beeindruckt". Gedroht wurde mit neuem rechtem Terror. Und die Schreiben setzten sich fort.

Bis heute konnten die Ermittler nicht herausfinden, wer hinter diesem zweiten Alias steckt. Und auch André M. schweigt dazu. Der Prozess gegen ihn muss nun auch klären, wie schuldfähig M. überhaupt ist. Er selbst soll wiederholt Suizid- und Amokgedanken geäußert und Medikamente missbraucht haben. Sachverständige attestierten ihm in der Vergangenheit eine Persönlichkeitsstörung.

Im Gericht sitzt am Dienstag auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner. Auch sie erhielt Drohschreiben der ,,Nationalsozialistischen Offensive", nun ist sie Nebenklägerin im Prozess. Es sei eigenartig, André M. ins Gesicht zu schauen, sagt Renner. Für sie ist er kein Verrückter, sondern ein klarer Rechtsextremist. ,,Die Auswahl der Menschen, die er bedrohte und sein Vokabular sind da eindeutig."

Renner will in dem Prozess auch die ,,offenkundigen, bisher unbehelligten Mittäter" thematisieren. Hier seien ,,entschiedene Ermittlungen" nötig, um auch diese zu stellen. Und sie verweist auf die Waffenaffinität von André M.: ,,Es geht hier nicht nur um Dahingeschriebenes. Der Schritt zu realer Gewalt und Terror ist ganz klein."

Das zeigt sich auch an anderer Stelle. So erhielt zuletzt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle zahlreiche Drohschreiben, darunter auch vom ,,Staatsstreichorchester". Später wurden in seinem Bürgerbüro Einschusslöcher entdeckt. Und auch der des Mords an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke Tatverdächtige soll zuvor im Internet mit Gewalt gedroht haben. Inzwischen zogen sich bundesweit einzelne BürgermeisterInnen wegen solcher Bedrohungen zurück. BKA-Chef Holger Münch spricht von einer ,,demokratiegefährdenden" Entwicklung.

Der Polizei glückte zuletzt immerhin eine zweite Festnahme. Ende März fasste sie in Bayern eine 54-jährige Heilpraktikerin. Die Frau soll Kommunalpolitikern und an eine Moschee Drohbriefe geschickt haben, teils mit einer scharfen Patrone. Ermittelt wurde sie, weil zurückverfolgt werden konnte, wo sie die versandten Karten gekauft hatte. Laut Polizei besitzt die Frau seit Langem eine ,,rechtsgerichtete Gesinnung".

Die rechtsextremen Drohschreiben aber gehen weiter. So verschickten Unbekannte zuletzt unter dem Alias ,,Wolfszeit 2.0" E-Mails an PolitikerInnen der Linken und Grünen und drohten, man werde sie ,,abschlachten", weil sie sich ,,für dreckige Asylanten" einsetzten. Ungeklärt ist auch, wer als ,,NSU 2.0" Drohfaxe an die NSU-Opferanwältin Seda Basay-Yildiz aus Frankfurt am Main verschickte. André M. und sein Mitstreiter sollen in ihren Schrei­ben auch einen ,,NSU 2.0" als Teil ihres Netzwerks benannt haben. Die Ermittler glauben jedoch an andere Verfasser. Unklar ist auch, ob es hier einen Zusammenhang zu dem Drohfax an das Berliner Landgericht vom Dienstag gibt.

Und auch Martina Renner hat bis heute keine Ruhe. Erst Montag erhielt sie, ebenso wie andere, erneut ein Drohschreiben – wieder mal vom ,,Staatsstreichorchester". Ge­fordert wird darin ein ,,einwandfreier Freispruch" für André M. Andernfalls werde ,,die Bevölkerung die Konsequenzen zu spüren bekommen". Diesem dürfte aber eine längere Freiheitsstrafe bevorstehen, wenn die Richter seine Schuld als erwiesen ansehen.


Aus: "Der Radikalisierte" Konrad Litschko (21. 4. 2020)
Quelle: https://taz.de/Rechtsextreme-Terrorbriefe/!5680194/

QuoteLinksman gestern, 22:41

"...Geldforderungen via Bitcoin oder Monero..."

Tss, wie undeutsch.


QuoteMustardman
gestern, 20:54

Jämmerliche Verlierer träumen von Gewalt und Macht und nutzen die Medien als Wirkungsverstärker. ... Und wieder, wie immer: Wäre das ein Moslem, der mit Morden droht, aus welchen jämmerlichen und religiös/politisch verbrämten persönlichen Gründen auch immer, dann wäre das ein kurzer Prozess und er wäre zweifellos ein Terrorist.


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Quote[...] Jörg Rocholl ist Präsident der internationalen Wirtschaftshochschule ESMT Berlin [https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Rocholl]

... Der letzte amerikanische Präsidentschaftswahlkampf kostete 6,5 Milliarden Dollar – und übertraf damit die Ausgaben für den deutschen Bundestagswahlkampf 2017 um fast das Hundertfache. Es zeichnet sich ab, dass die bevorstehende US-Wahlschlacht noch teurer wird als vor vier Jahren.

Allein der Milliardär Michael Bloomberg gab für seine Kandidatur gut 500 Millionen Dollar aus. Immerhin zeigt Bloombergs Scheitern, dass in den USA nicht nur tatsächliche oder vermeintliche Milliardäre Präsident werden können.

Das Nettovermögen von Trumps Gegner Biden wird auf vergleichsweise bescheidene neun Millionen Dollar geschätzt. Dennoch ist bei den atemberaubenden Ausgaben in amerikanischen Wahlkämpfen und deren fulminanten Anstiegen kein Ende in Sicht.

Offenbar geht es dabei nicht um hehre politische Ideale, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen. Denn der Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat unmittelbare Auswirkungen auf die Aktienkurse von Unternehmen.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Unternehmen, die vor der Wahl einen ehemaligen Politiker in den Vorstand geholt haben, legen in ihrem Aktienwert zu, wenn die Partei des Ex-Politikers die Wahl gewinnt – und zwar unabhängig von der Branche. Selbst die Höhe der Spenden, die das Unternehmen vor der Wahl geleistet hat, ist zweitrangig.

Spenden werden offensichtlich als nichts Dauerhaftes wahrgenommen. Erst mit dem Vorstandsposten für einen früheren Politiker –  Demokrat oder Republikaner – legt sich das Unternehmen politisch fest.

Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass nach der Präsidentschaftswahl die Aktienkurse von Unternehmen sinken, die einen ehemaligen Politiker aufs Schild gehoben haben, dessen Partei bei der Wahl unterlegen war. Grundsätzlich aber begrüßen die US-Aktienmärkte Berufungen ehemaliger Politiker in Vorstände, besonders wenn der Ex-Politiker zum ersten Mal in der Wirtschaft anheuert.

Beim Eintritt in ein weiteres Unternehmen ist der Effekt immer noch positiv, aber deutlich schwächer – das Ganze gleicht gewissermaßen einem Teebeutel, der an Aroma verliert, je häufiger man ihn nutzt.

Die Bedeutung ehemaliger Politiker und ihrer Netzwerke für die US-Wirtschaft ist auch deshalb so groß, weil in den Vereinigten Staaten jedes Jahr lukrative Regierungsaufträge über mehrere Hundert Milliarden Dollar ausgeschrieben und an Unternehmen vergeben werden. Konzerne, gerade im Rüstungsbereich, die besonders von Regierungsaufträgen profitieren, haben sicherheitshalber oft ehemalige Politiker sowohl der Demokraten als auch der Republikaner in ihren Reihen.

Empirische Studien belegen, dass Unternehmen, bei denen frühere Politiker der jeweiligen Mehrheitspartei in Senat und Repräsentantenhaus Vorstandsposten bekleiden, deutlich mehr Regierungsaufträge bekommen als Unternehmen mit fehlenden oder ,,falschen" politischen Verbindungen.

Über die Regierungsaufträge hinaus engagieren sich Ex-Politiker für ihr Unternehmen aber auch allgemein bei der Pflege der politischen Landschaft – ob es um die Lockerung von Umweltschutzauflagen geht oder um steuerpolitische Initiativen.

Die Milliardengelder der Spendenkönige wiederum werden in US-Wahlkämpfen auf wenige Landstriche konzentriert, um Wählerinnen und Wähler vom jeweiligen Kandidaten zu überzeugen. Entscheidend für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen sind letztlich nur einige ,,Swing States".

Denn die siegreiche Partei in einem Bundesstaat erhält alle Wahlleute, unabhängig davon, wie hoch sie diesen Staat gewonnen hat. Mit der einfachen Mehrheit in einem Staat gilt: ,,The winner takes it all."

Da etwa  Kalifornien oder New York traditionell an die Demokraten und andere Staaten wie Nebraska oder Oklahoma an die Republikaner fallen, findet Wahlkampf dort kaum statt. Die Geldströme fließen massiv in Staaten wie Florida und Ohio, die am Ende den Ausschlag geben.

Die wachsende Bedeutung des Big Business und seiner Lobbyisten für den Ausgang von Präsidentschaftswahlen wurde durch ein Urteil des Supreme Court entscheidend gefördert. Im Jahr 2010 befasste der Oberste Gerichtshof der USA sich in dem Verfahren ,,Citizens United" vordergründig mit der Frage nach dem Recht auf freie Meinungsäußerung von Unternehmen. Doch faktisch ging es darum, ob Unternehmen unbegrenzt an Parteien und deren Kandidaten spenden können.

Die Richter entschieden, das müsse möglich sein. ....


Aus: "Die demokratische Legitimation der Regierung wird immer schwächer" Jörg Rocholl (22.04.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/bedrohlicher-einfluss-der-wirtschaft-auf-us-wahlen-die-demokratische-legitimation-der-regierung-wird-immer-schwaecher/25761844.html

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Quote[...] Trotz massiver Polizeigewalt haben den vierten Abend in Folge Menschen in vielen Städten in Belarus (Weißrussland) für einen Rücktritt von Präsident Alexander Lukaschenko demonstriert. In mehreren unabhängigen Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram war in der Nacht zum Donnerstag auf Videos zu sehen, wie Menschen in Minsk, Grodno und anderen Städten Lukaschenko dazu aufriefen, die Gewalt zu beenden und abzutreten.

Es gab erneut Dutzende Festnahmen und mehrere Verletzte. Zugleich wuchs die Solidarität mit den Demonstranten. In Minsk traten mehr als 100 Ärzte gegen Gewalt auf.

Die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch forderte erstmals den autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko direkt zum Rücktritt auf. ,,Verzieh Dich, bevor es zu spät ist!", sagte die 72-Jährige in einem am Mittwochabend vom belarussischen Dienst des Radiosenders Swoboda (Radio Free Europe) veröffentlichten Interview. ,,Aus meiner Sicht hat der Machtapparat dem Volk den Krieg erklärt." Niemand habe sich eine solche Gewalt vorstellen können.

Vielerorts bildeten sich Menschenketten gegen die Polizeigewalt und gegen Wahlfälschung. Bei der Präsidentenwahl am Sonntag hatte Lukaschenko, der seit mehr als 26 Jahren im Amt ist und als ,,letzter Diktator Europas" gilt, sich zum sechsten Mal als Sieger ausrufen lassen - mit 80,08 Prozent der Stimmen. Seine Gegner sehen dagegen die 37 Jahre alte Kandidatin Swetlana Tichanowskaja als Siegerin. Sie ist unter dem Druck der Behörden in das EU-Land Litauen geflohen.

Der nicht zur Wahl zugelassene Kandidat Waleri Zepkalo, ein prominenter IT-Unternehmer, appellierte aus seinem russischen Exil an die EU, Tichanowskaja als Präsidentin anzuerkennen. Hunderte IT-Unternehmer forderten Lukaschenko zum Einlenken auf und drohten in einem offenen Brief, mit ihren Firmen das Land zu verlassen.

Es kursierten mehrere Videos, auf denen Männer mit Kritik an der Gewalt gegen friedliche Bürger ihre Uniformen in den Müll warfen oder sogar verbrannten, ihre Dienstmarken mit Kündigungsschreiben abgaben. Sie erklärten, dass sie ihren Eid auf den Schutz des belarussischen Volkes und nicht dem Machterhalt eines Mannes geschworen hätten. Die Echtheit der Videos war nicht überprüfbar. Ein Uniformierter des Innenministeriums sagte, dass er im Dienst bleibe, aber Tichanowskaja als die neue Präsidentin anerkenne.

Die vierfache Biathlon-Olympiasiegerin Darja Domratschewa zeigte sich bestürzt über die Gewalt in ihrer Heimat. Sie appellierte an die Sonderpolizei Omon, die Gewalt zu beenden. ,,Lasst nicht weiter diesen ungerechten Horror auf den Straßen zu", schrieb sie bei Instagram. Jeder Konflikt lasse sich auf friedliche Weise lösen. Ein Moderator des Staatsfernsehens kündigte demonstrativ seinen gut bezahlten Posten. Auch andere Journalisten entschieden sich zur Kündigung.

In Minsk etwa schossen Männer in schwarzen Uniformen und Sturmmasken wahllos mit Gummigeschossen in Richtung von Bürgern, die von Balkonen aus die Beamten ausbuhten und ,,Schande" riefen. Bekannt wurde zudem ein zweiter Todesfall bei den seit Sonntag andauernden Protesten. Eine Mutter warf der Polizei vor, ihren Sohn am Wahlsonntag entführt und seinen Tod verursacht zu haben.

Die Behörden bestätigten, dass der 25-Jährige tot sei, die Todesumstände aber untersucht werden müssten. Ein anderer Mann war durch einen Sprengsatz gestorben. Es gab bisher Hunderte Verletzte und mehr als 6000 Festnahmen bei den größten Protesten in der Geschichte des Landes.

Auch im Ausland kam es zu Protesten gegen die Gewalt in Belarus - wie etwa an der Botschaft des Landes in Moskau. In Lettland demonstrierten mehrere hundert Menschen vor der belarussischen Botschaft. In der Hauptstadt Riga forderten sie die Freilassung inhaftierter Demonstranten. In der Ukraine forderte Ex-Präsident Petro Poroschenko per Video Lukaschenko zum Gewaltverzicht auf.

Derweil boten sich die Nachbarländer Litauen, Polen und Lettland als Vermittler an. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda präsentierte einen entsprechenden Plan, um die Gewalt beenden zu können, wie die Präsidialkanzlei des baltischen EU-Landes mitteilte. Polen und Lettland würden diesen Plan sowie die Einleitung eines internationalen Vermittlungsprozesses unterstützen, hieß es weiter. Lukaschenko lehnt einen Dialog bislang strikt ab.

Nauseda sagte der Mitteilung zufolge, erstens müssten die Behörden in Belarus die Lage unverzüglich deeskalieren und ,,die Anwendung brutaler Gewalt gegen das Volk beenden". Zweitens müssten alle inhaftierten Demonstranten freigelassen und ihre Verfolgung eingestellt werden. ,,Drittens erwarten wir, dass die belarussischen Behörden schließlich einen Dialog mit ihren Bürgern aufnehmen." Die Einrichtung eines ,,Nationalrats" mit Vertretern aus Regierung und Zivilgesellschaft könnte ein geeigneter Schritt sein.


Aus: "Die Solidarität mit den Demonstranten wächst" (13.08.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/vierte-protestnacht-in-belarus-die-solidaritaet-mit-den-demonstranten-waechst/26090680.html

Präsidentschaftswahl in Weißrussland 2010 ... Mehrere Tausend Menschen – nach offiziellen Angaben handelte es sich um 3000, nach Angaben unabhängiger Medien um 15.000 bis 25.000 – versammelten sich am 19. Dezember im Zentrum von Minsk, um gegen Wahlfälschungen zu demonstrieren. Es handelte sich damit um die größte Demonstration in Belarus seit der Präsidentschaftswahl 2006.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Wei%C3%9Frussland_2010

Die Präsidentschaftswahl in Weißrussland 2020 endete am 9. August 2020. Bereits ab dem 4. August konnten Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Die Wahl wurde von anhaltenden Protesten in Weißrussland begleitet und von der COVID-19-Pandemie überschattet. Sie gilt als Scheinwahl, weil relevante Gegenkandidaten festgenommen wurden und Wahlmanipulationen nachgewiesen werden konnten. ... Laut belarussischen Staatsmedien soll Amtsinhaber Lukaschenka gemäß Nachwahlbefragungen 79 Prozent der Stimmen, die aussichtsreichste Gegenkandidatin Zichanouskaja 6,9 Prozent der Stimmen erhalten haben. Diese Zahlen gelten für unabhängige Beobachter und die Opposition als gefälscht und damit nicht aussagekräftig. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Wei%C3%9Frussland_2020

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Quote[...] Am vergangenen Donnerstag haben das Free Assange Committee Germany und freeAssange.eu dem deutschen Bundestag eine Petition zum Schutz der Grund-und Menschenrechte von Julian Assange übergeben. Die Petition fordert den Bundestag auf, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um das Unrecht gegen Julian Assange zu beenden und seine Menschenrechte zu schützen. "Das Mindeste, das für Julian Assange passieren muss, ist die Verlegung in ein ziviles Krankenhaus", heißt es in der Petition fest. Obwohl er seine Strafe wegen Kautionsverstoß seit September abgesessen hat, wird Julian Assange nach wie vor im Belmarsh Prison in London in Isolationshaft gehalten. Ohne ausreichenden Kontakt zu seinen Verteidigern und ohne die Möglichkeit, sich angemessen auf das Verfahren vorzubereiten, in dem es um seine Auslieferung an die USA geht, wo er laut Anklage für 175 Jahre im Gefängnis verschwinden soll. Dass sowohl diese Anklage – die seit Juli 2019 drei Mal geändert wurde – wie auch der Umgang der britischen Justiz mit dem Wikileaks-Gründer rechtlich höchst fragwürdig ist, dass dies von namhaften Juristen festgestellt wurde und der Folterbeauftragte der Vereinten Nationen, Nils Melzer, nach einem Besuch Assanges festgestellt hat, dass es sich bei der Behandlung Assanges um massive psychische Folter handelt – all dies ist seitens der deutschen Regierung und des Bundestags bisher hartnäckig ignoriert worden. Als einige Abgeordnete der Partei ,,Die Linke" letztes Jahr dazu ein Experten-Hearing im Bundestag veranstalteten, lies sich aus den anderen Fraktionen kein Mensch blicken – und der UN-Beauftragte Melzer, der um einen Termin im Außenministerium gebeten hatte, wurde mit dem Hinweis abgefertigt, dass man keinerlei Grund sehe, das britische Rechtssystem in Zweifel zu ziehen.

... Diese Ignoranz gerade derjenigen, die in Reden und Leitartikeln ständig ,,Pressefreiheit" und ,,Demokratie" betonen – also Politiker, Parlamente, Großmedien und Institutionen wie ,,Amnesty" – ist unerträglich. Denn es geht hier längst nicht mehr um das Einzelschicksal eines Menschen, sondern darum, wie es der UN-Beauftragte Nils Melzer ausgedrückt hat, ,,einen Präzedenzfall zu verhindern, der das Schicksal der westlichen Demokratien besiegeln würde. Denn wenn es erst einmal zu einem Verbrechen geworden ist, die Wahrheit zu sagen, während die Mächtigen straffrei ausgehen, wird es zu spät sein, den Kurs zu korrigieren. Unsere Stimme wird dann vor Zensur und unser Schicksal vor uneingeschränkter Tyrannei kapituliert haben".

Edward Snowden hat das prägnant auf den Punkt gebracht: ,,Wenn das Aufdecken von Verbrechen wie ein Verbrechen behandelt wird, werden wir von Verbrechern regiert." Dass die oben genannten Instanzen und Institutionen zu dem schreienden Unrecht schweigen, das Julian Assange angetan wird, macht deutlich, dass sie schon mit mehr als einem Bein nicht auf Seiten des Rechtsstaats und der Demokratie stehen, sondern auf der Seite der Verbrecher.

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Aus: "Europäische Grundrechte für alle – außer für Julian Assange" Mathias Broeckers (Posted on 30/11/2020)
Quelle: https://www.broeckers.com/2020/11/30/europaische-grundrechte-fur-alle-auser-fur-julian-assange/


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Quote[...] Drei Viertel der jungen Menschen in Deutschland sehen sich regelmäßig mit Falschnachrichten konfrontiert. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap gaben 76 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an, dass sie mindestens einmal pro Woche im Internet oder in sozialen Medien auf Nachrichten oder Beiträge stoßen, bei denen sie das Gefühl haben, es handele sich um Falschinformationen. Jeder fünfte Befragte gab sogar an, dass dies mehrmals täglich vorkomme.

Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich demnach der Anteil derjenigen, die es regelmäßig mit Fake News zu tun bekommen, deutlich erhöht. 73 Prozent der Befragten sehen zudem seit Beginn der Corona-Pandemie eine Zunahme an Falschnachrichten. Und zwei Drittel gaben an, dass es bei Corona schwerer als bei anderen Themen sei, glaubwürdige von unglaubwürdigen Nachrichten zu unterscheiden.

Mit 85 Prozent der Befragten wünscht sich eine große Mehrheit der jungen Deutschen das Thema Desinformation als verpflichtenden Bestandteil des Lehrplans an Schulen. Bisher würden Falschnachrichten nur bei 30 Prozent der Befragten im Unterricht thematisiert. "Dabei ist unter jungen Menschen in Deutschland längst Konsens, dass Medieninformationskompetenz genauso auf die Lehrpläne gehört wie Deutsch oder Mathematik", erklärte die Stiftungsvorsitzende Inger Paus.

Insgesamt fühlt sich zwar eine deutliche Mehrheit von 66 Prozent der Befragten sicher im Umgang mit Falschnachrichten und ist der Ansicht, diese "sehr" oder "eher sicher" als solche zu erkennen. Dennoch zeigt sich insgesamt auch Verunsicherung. Der Aussage "Weil es so viele Falschnachrichten gibt, weiß ich nicht mehr, welchen Informationen ich noch vertrauen soll" stimmten immerhin 53 Prozent der jungen Leute zu, 47 Prozent nicht.

Die meisten Befragten sind der Ansicht, dass die Verbreitung von Falschnachrichten eine Gefahr für die Demokratie ist. Für die Erhebung im Auftrag der Vodafone-Stiftung befragte das Institut Infratest dimap mehr als 2000 junge Menschen in Privathaushalten, die das Internet nutzen. Die Umfrage fand vom 11. bis zum 28. September statt.

Quelle: ntv.de, jug/dpa/AFP


Aus: "Fake-News-Boom verunsichert die Jugend" (Mittwoch, 09. Dezember 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Fake-News-Boom-verunsichert-die-Jugend-article22223820.html

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Quote[...] Das notorisch klamme Haus Hohenzollern fordert trotz brauner Vergangenheit weiter Geld vom Staat. Jetzt gehen auch die letzten Gutachter von Bord. Mehrfach zitierte der Historiker Christopher Clark zuletzt zustimmend den Historiker Stephan Malinowski. Nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen. Historiker zitieren Historiker, so ist das halt. Doch vor Kurzem war Malinowski für Clark noch der ärgste Widersacher.

Malinowski ist der Autor des Buchs ,,Vom König zum Führer". Für das Land Brandenburg war er als Gutachter tätig, als es um Forderungen der heutigen Hohenzollern auf Entschädigung ging. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Hohenzollern in erheblichem Maße zum Fall der Weimarer Republik und Aufstieg der Nazis beitrugen.

Clark, seines Zeichens der berühmte Autor des Werks ,,Die Schlafwandler", schrieb im Auftrag der Hohenzollern ein entgegengesetztes Gutachten. Es entlastete die frühere Kaiserfamilie. Ein Gutachten mit weitreichenden Folgen. Denn die Repräsentanten des heutigen ,,Hauses Hohenzollern" streiten mit Bund und Ländern seit Jahren um Rückgabe und Ausgleichszahlungen für ihre im Osten Deutschlands nach 1945 eingezogenen Vermögen.

1994 war nämlich gesetzlich festgelegt worden, dass, wer dem Faschismus ,,erheblichen Vorschub" geleistet hatte, auch nach der Wiedervereinigung keine Restitutionen zu erwarten habe.

,,Auf dem Spektrum fürstlicher Kollaboration mit dem Dritten Reich kann man den Kronprinzen daher mit guten Gründen als eine der politisch zurückhaltendsten und am wenigsten kompromittierten Personen bezeichnen." So lautet der abschließende Satz von Clarks Gutachten 2011. Heute sagt Clark, er wäre sich der Tragweite der Auseinandersetzung nicht bewusst gewesen.

Lange blieben die Verhandlungen zwischen Staat und Hohenzollern geheim, auch Clarks Gutachten. Erst 2019 wurde es geleakt. Fast alle namhaften Historiker widersprachen in der Folge Clark. Etwa der britische Historiker Richard Evans. Er führte in einem Essay aus, wie die 1918 gestürzte Kaiserfamilie alles daransetzte, um mit der Nazibewegung 1933 zurück auf den Thron zu gelangen.

Als Vorbild diente Italien, wo der Faschist Mussolini in den 1920er Jahren ein Arrangement mit dem König getroffen hatte. Doch Hitler war nicht der Duce. Einmal an der Macht, wollte er sie mit niemandem teilen. Im Bündnis mit den Nazis hatten sich andere einzuordnen, auch die rechtsextremen monarchistischen Kräfte. Und viele taten das auch.

Historiker Clark leugnet in seinem Gutachten von 2011 nicht die rechtsextreme Gesinnung des Kronprinzen Wilhelm von Preußen, dem Sohn des 1918 gestürzten Kaisers Wilhelm II. Der Kronprinz plädierte vor 1933 für den Zusammenschluss der paramilitärischen Verbände von Stahlhelm und SA. Er agitierte 1932 gegen das kurzzeitig erlassene Verbot von SA und SS. Er gehörte selber der SA an. Und während sein Vater, der Ex-Kaiser, verbittert im holländischen Exil in Doorn antisemitischen Verschwörungstheorien nachhing, verstand sich sein Sohn der Kronprinz als ein Mann der Tat.

Seine Familie stiefelte mit Hakenkreuzbinden auf Schloss Cecilienhof in Potsdam herum und posierte für die Kameras. Die taz veröffentlichte Aufnahmen aus der dänischen Illustrierten Berlingske illustreret Tidende von 1934, die dies eindrücklich dokumentieren. Er prahlte damit, Hitler zwei Millionen Stimmen verschafft zu haben. Am berüchtigten Tag von Potsdam im März 1933 zelebrierte er symbolisch wirkmächtig den Schulterschluss mit Adolf Hitler, von ,,alter" und neuer Rechter.

Alles das beschreibt auch der Gutachter Clark 2011. Und kam dennoch zu dem überraschenden Schluss: Die damaligen Vertreter des ,,Hauses Hohenzollern" seien zwar braun eingefärbt, aber historisch zu unbedeutend gewesen, um eine größere Rolle gespielt zu haben. Eine interessante Interpretation für eine der mächtigsten Familien der deutschen Geschichte, die ihr ganzes Gewicht in die Zerstörung der Republik legte. Nur Vertreter des neurechten Historikerspektrums vertreten solch relativierende Thesen. Und Wolfram Pyta, der im Auftrag der Hohenzollern ein weiteres Gutachten schrieb.

Im Frühjahr ruderte Clark im Schriftwechsel mit David Motadel in der New York Review of Books zurück. Historiker Motadel hatte Clark in seinem Beitrag ,,What Do the Hohenzollerns Deserve" scharf kritisiert. Clark liefere den heutigen Hohenzollern nicht nur die Stichworte, um an zusätzliche – ihnen nicht zustehende – staatliche Vermögenswerte zu gelangen.

Er helfe auch ein glorifizierendes Preußenbild zu restaurieren, an das rechts-nationalistische Kräfte seit der Wiedervereinigung verstärkt suchten anzuknüpfen. Für dieses steht stellvertretend die AfD mit Alexander Gauland im Bundestag, der die zwölf Jahre Nazi-Terrorherrschaft als ,,Vogelschiss" bezeichnet und bagatellisiert. Clark erwiderte Motadel, ebenfalls in der New York Review, solch reaktionäre Motive lägen ihm fern. Er fühle sich instrumentalisiert. Er betrachte den Kronprinzen sehr wohl als einen ,,gewalttätigen, ultrarechten Charakter", der mit Hitler sympathisierte und zur ,,finalen Abrechnung mit der deutschen Linken drängte".

Doch hatte er den Kronprinzen schlicht für zu unintelligent und auch isoliert gehalten, als dass dieser eine größere politische Rolle hätte einnehmen können. Inzwischen, so Clark weiter, habe sich jedoch die Quellenlage verändert und er sähe es anders. Die in Princeton forschende Historikerin Karina Urbach hatte bereits letztes Jahr neues Material ausgewertet. Es zeigt, wie systematisch und skrupellos die kaiserliche Familie den Aufstieg der Nazis zum eigenen Nutzen beförderte (,,Nützliche Idioten, Die Hohenzollern und Hitler").

Von Stephan Malinowski erscheint bei Oxford University Press gerade das Buch ,,Nazis and Nobles". Es ist die überarbeitete englische Fassung seines früheren Buchs ,,Vom König zum Führer". Und er forscht weiter. Doch allein was bereits vorliegt, sollte die erhebliche verbrecherische Energie, den notorischen Antisemitismus und die absolute Demokratiefeindlichkeit der Hohenzollern bis 1945 ausreichend belegen. Die Nachfahren der Hohenzollern wären gut beraten, dies zur Kenntnis zu nehmen und mit der historischen Schuld angemessen umzugehen.

Dazu gehörte auch, ihre vielen gegen kritische Journalisten und Historiker wie Malinowski, Urbach oder Winfried Süß gerichteten juristischen Winkelzüge einzustellen. Wie sagt Clark, der ehemalige Kronzeuge der Hohenzollern, jetzt in einem FAZ-Interview deutlich: ,,Stephan Malinowski hat gezeigt, wie energisch der Kronprinz gearbeitet hat, auch nach der Machtergreifung, um die Berührungsängste der Konservativen gegenüber den Nationalsozialisten zu überwinden."

In seinem jetzt erschienenen Essayband ,,Gefangene der Zeit" (DVA) stimmt Clark demonstrativ Malinowski zu. Er zitiert ihn ausführlich, so es um die Braunfärbung von Kaiserfamilie und altem deutschen (Hoch-)Adel geht. Der Kronprinz, so Clark in der FAZ, war ,,kontinuierlich an den Versuchen beteiligt, die Demokratie zugrunde zu richten. Und die Zerstörung der Demokratie ist wiederum eine unverzichtbare Voraussetzung für die Machtergreifung der Nationalsozialisten."

Der Ururenkel von Kaiser Wilhelm II., Georg Friedrich Prinz von Preußen, der als heutiger Wortführer des ,,Hauses Hohenzollern" auftritt, hat sich in die Abgründe der Geschichte gestürzt. Er würde gerne mehr vom Tafelsilber seiner Ahnen abbekommen, ohne auf die fragwürdige Provenienz zu schauen. Sogar den holländischen Staat hat er versucht zu verklagen.

Dies berichtet Klaus Wiegrefe Ende November im Spiegel. Man sähe sich ,,leider gezwungen," so die Anwälte des heutigen Preußen-Wortführers 2014, ,,einen formellen Anspruch auf den Besitz von Haus Doorn, das dazugehörige Inventar und das umliegende Gut sowie zwei dazugehörende Bauernhöfe zu erheben".

Nach Doorn war der 1918 gestürzte Kaiser Wilhelm II. geflüchtet, samt seiner sagenumwobenen 59 Waggons mit Werten aller Art. Vom Exil aus wünschte er ,,Presse, Juden und Mücken" den Tod (,,,das Beste wäre Gas") und forderte seine Angehörigen auf, aktiv am Nationalsozialismus teilzuhaben. Hitler beglückwünschte er 1940 zu seinen Feldzügen. Nach der Befreiung von den Deutschen wurde Haus Doorn vom holländischen Staat konfisziert. Das kleine Schloss dient als Museum.

Nur das Mausoleum des 1941 hier beigesetzten letzten deutschen Kaisers befindet sich im Privatbesitz der Familie. Nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen. Die deutsche Politik könnte sich an den Holländern ein Beispiel nehmen.


Aus: "Kampf um das Tafelsilber" Andreas Fanizadeh (12. 12. 2020)
Quelle: https://taz.de/Preussen-Historiker-Clark-rudert-zurueck/!5734272/

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Sturm auf das Kapitol in Washington 2021
https://de.wikipedia.org/wiki/Sturm_auf_das_Kapitol_in_Washington_2021

Quote[...] Es stimmt, man kann die politischen Dynamiken der USA nicht einfach gleichsetzen mit denen Europas. Das gilt besonders auch für die rechte und rechtsradikale Bewegung, die in den USA völlig anders gelagerte Traditionen und Einflüsse als ihre europäischen Pendants hat. Religion, Sozialstaat, Homosexualität – zu all dem sind die Positionen teils konträr. Und eine Figur wie Donald Trump wäre in Europa wohl ähnlich unvermittelbar wie Viktor Orbán in den USA.

Doch der Sturm auf das Washingtoner Kapitol ist auch keine bloße spezifisch US-amerikanische Angelegenheit. Die politische Verwüstung in den USA hat derselbe Sturm ausgelöst, der auch über Europa tobt.

Der Angriff gewaltbereiter Trump-Anhänger auf das US-Parlament am Mittwoch war der vorläufig markanteste Auftritt einer globalen Bewegung, die trotz des Personenkults um den US-Präsidenten auch dann weiter wachsen würde, wenn Donald Trump selbst beschließen sollte, seine Zukunft fortan dem Klimaschutz zu widmen. Trump hat nur geerntet und kultiviert, was nicht nur in den USA gärt, sondern seit Langem auch in vielen anderen Gesellschaften des weißen Westens von Erfolg zu Erfolg eilt.

Dort wie hier ist eine extreme Rechte am Werk, die sich in den vergangenen Jahren radikalisierte und militarisierte und die sich zugleich in einem beängstigenden Maße für eigentlich gemäßigte Milieus anschlussfähig gemacht hat. Diese Rechte wird, dort wie hier, viel zu oft legitimiert von opportunistischen, meist konservativen oder liberalen Politikern aus dem demokratischen Spektrum.

Der Unterschied zwischen US-Senatoren, die Trumps Lügen von der Wahlfälschung bestätigen und deutschen Politikern, die behaupten, in Deutschland herrsche keine echte Meinungsfreiheit – wie groß ist er? Beide bestätigen jedenfalls eine rechtsradikale Behauptung, die die Existenz demokratischer Zustände bestreitet. Und wo keine Demokratie ist, das erschließen sich viele selbst, existiert natürlich das Recht, eine herbeizuführen. Mit welchen Mitteln auch immer, gegen jeden Widerstand.

Das Ergebnis dieser Kernerzählung ist dort wie hier etwas, das auf das genaue Gegenteil von Demokratie hinausläuft: Ein Teil der gesellschaftlichen Mitte, geplagt von Abstiegsängsten, verärgert über die Mitspracheforderungen Marginalisierter, akzeptiert sogar im Angesicht einer tödlichen Pandemie inzwischen nahezu jede Erklärung zur politischen Lage, solange sie nur nicht aus dem sogenannten Establishment stammt. Sei es die pauschale Ablehnung von Corona-Schutzmaßnahmen, sei es die Behauptung, eine Bande von Kinderschändern dominiere die Welt und werde nur noch von Donald Trump davon abgehalten.

Geliefert werden ihnen solche Erklärungen in den USA wie auch in Europa von einer gut geölten Aufmerksamkeitsmaschine voller politischer Marktschreier, Sektenführer, D-Promis und Rechtsradikaler, die hier als Immobilienmogule auftreten, dort als biedere Beamte und Ökonomen, als Kabarettisten oder als Intellektuelle, in deren Drehbuch aber immer etwa das gleiche steht: Ihr, die schweigende weiße Mehrheit, könnt nicht auf den guten Willen eurer Unterdrücker hoffen. Ihr müsst euch euer Land zurückholen. Und dieses Drehbuch bestimmt mittlerweile einen bedeutsamen Teil des politischen Geschehens in vielen westlichen Gesellschaften.

Auch wenn sich jetzt viele rechtsradikale Politiker distanzieren: Was im Kapitol passierte, gehört zu diesem Drehbuch und ist eng verwandt mit dem, was Rechtsextreme und die mit ihnen alliierten Milieus in Deutschland seit einiger Zeit versuchen: Es sind symbolische Landnahmen, Machtdemonstrationen gegen Institutionen der Demokratie. Sie sollen die Fantasie vom nahenden Umsturz bebildern, sie sollen Drastik und Dringlichkeit erzeugen, wenn sie mit kitschigen Melodien untermalt bei YouTube ihre Likes holen.

Wir haben das am Reichstag gesehen, wo Rechtsradikale die Treppen zum Parlament stürmten und knapp davon abgehalten wurden, ähnliche Bilder wie in Washington zu produzieren. Auch in Leipzig, wo der gewalttätige Kern der Corona-Leugner die Polizei überrannte und sich den ungehinderten Zugang zur Innenstadt erzwang. Es geschieht aber auch in viel kleineren Kontexten, zum Beispiel jüngst bei den Corona-Protesten in Pößneck in Thüringen, wo es wenigen Dutzend Demonstranten gelang, die Polizei in die Defensive zu treiben.

Dass sich nun in Washington Abgeordnete und Medienvertreterinnen unter Tischen verstecken mussten, dass ein bewaffneter Mob die Treppen hochstürmte und die Türen eintrat, während das Parlament im Begriff war, die Korrektheit einer demokratischen Wahl zu zertifizieren, das war ein weiterer Meilenstein für diese Bewegung und ihre Sympathisanten  – ganz gleich, ob die nun vor einem Wohnwagen in Utah oder der Uckermark sitzen. Die Botschaft an all diese Anhänger ist wieder: Der Endkampf zwischen uns und der angeblichen Diktatur steht bevor. Macht euch bereit, wir können siegen.

Ja, sie spüren, dass sie siegen können. Sie spüren, dass sie Dinge bewirken, die sie vor Kurzem noch für unmöglich gehalten hätten. Sie fühlen wohl so etwas wie den wind of change. Solch ein erhabenes Gefühl lässt sich niemand kaputtmachen. Deshalb wird sich diese Bewegung nicht durch Kompromiss und Versöhnung eindämmen lassen, wie es vielen offenbar noch immer vorschwebt. Vom Freiheitskämpfer zum CDU-Wähler, diesen Weg werden nicht viele gehen, so oft konservative Hardliner ihnen auch das Wort reden. Warum sollten sie?

Das Beunruhigende sind nicht nur die Rechtsradikalen, sondern auch die, die sie gewähren lassen, hier wie in den USA. Der Autoritarismus, das lehrt auch die Geschichte, braucht nicht unbedingt Mehrheiten, um die Macht zu erhalten oder auszubauen. Was er braucht, ist Angst unter seinen Gegnern. Hilfreich ist auch ein sich in der neutralen Mitte ausbreitendes Gefühl, dass seine Machtübernahme auf kurz oder lang unvermeidlich ist und dann von Dauer ist. Und er braucht Sicherheitsorgane, die bereit sind, im Ernstfall mit ihm die Verfassung zu beugen. Und da sind wir beim nächsten Problem.

Der Überfall auf das Kapitol war auch in dieser Hinsicht ein Fanal. Er hätte ja durchaus auch zu einer demoralisierenden Veranstaltung werden können. Dann nämlich, wenn der Staat auf eine Art und Weise durchgegriffen hätte, die die Gewalttäter eingeschüchtert oder gar gedemütigt hätte. Wenn Bilder von auf den Boden gefesselten oder flüchtenden Trump-Anhängern um die Welt gegangen wären. Wir erinnern uns an die Bilder vom Sommer, als der US-Präsident skandalöserweise friedliche Black-Lives-Matter-Demonstranten verprügeln und vertreiben ließ, um sich vor einer Kirche mit einer Bibel zeigen zu können.

Dieses Mal, im Angesicht gewalttätiger rechter Möchtergernputschisten, war wenig von einer hochmilitarisierten und -motivierten Polizei zu sehen. Die Sicherheitskräfte waren nicht nur grotesk unvorbereitet. Sie gingen auch mit einer Milde vor, die auffiel. Die Bilder der Gewalttäter, die nicht in Handschellen abgeführt, sondern freundlich aus dem Gebäude heraus begleitet wurden oder Angreifern, die Selfies machten mit Polizisten, sind eine zweite Botschaft der Rechtsradikalen. Sie geht an ihre Gegner und lautet: Seid ihr sicher, dass euch die Polizei schützen wird, wenn es ernst wird?

Auch hier lässt sich eine Parallele zwischen den USA und Europa ziehen. Die Sicherheitsorgane, die Armeen, die Geheimdienste, die Polizeien sind, seien wir ehrlich, bisher höchst eingeschränkt hilfreich im Umgang mit der autoritären Welle. In Deutschland sind die vielen Geschichten von verschwundener Munition, geheimen Prepper-Netzwerken und rassistischen WhatsApp-Gruppen Anlass zu höchster Sorge. Und Washington hat auf beunruhigend deutliche Weise gezeigt, wie nahe die Rechtsradikalen ihren Umsturzfantasien kommen können, wenn die Polizei nur einfach nicht konsequent gegen sie vorgeht.

Natürlich gibt es auch Hoffnung. Sie zeigte sich genau an jenem schrecklichen Tag von Washington. Es war die Nachricht, dass der jahrzehntelang republikanisch regierte US-Bundesstaat Georgia nach der Wahl Joe Bidens im November zwei weitere Male demokratisch gewählt und so dem neuen Präsidenten eine Mehrheit im Senat verschafft hat.

Die tiefere Bedeutung dieser Nachricht geht weit über den Mehrheitswechsel im Senat hinaus. Der Sieg in Georgia war nämlich vor allem deswegen möglich, weil die schwarze Demokratin Stacey Abrams und ihre Anhänger dort mit ihrer Initiative seit Jahren unter den Schwarzen mobilisiert hatte, denen dort schon immer das Wählen besonders schwer gemacht wurde.

Man darf das nicht vergessen: So furchterregend und machtvoll die Nationalautoritären wirken mögen – sie sind eine Minderheit und sie kommen aus der Defensive. Sie fürchten Gesellschaften, in denen die bisher Marginalisierten gleichberechtigt mitreden dürfen. Sie wissen, dass sie vor allem dann eine Chance haben, wenn jene Menschen, die betroffen sind von ihrem Rassismus, nicht gehört werden, nicht wählen und sich nicht politisch beteiligen. Tun sie es doch, wendet sich das Blatt, in den USA wie in Europa.

Das ist die Möglichkeit, den rechtsradikalen Vormarsch zu beenden: eine offenere Gesellschaft, die nicht ständig auf das rechte Geschrei hört, sondern wirklich daran arbeitet, allen Teilhabe zu ermöglichen. Die Demokratie selbst, in ihrem eigentlichen Sinne, als Beschützerin aller Minderheiten, ist das beste Rezept gegen das, was jetzt in Washington geschehen ist. Dort wie hier.


Aus: "Rechtsextremismus: Es geht nicht um Donald Trump" Ein Kommentar von Christian Bangel (9. Januar 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-01/rechtsextremismus-globale-bewegung-angriff-us-kapitol-washington-faschismus/komplettansicht

Quoteroterdrachen #71

"Es geht nicht um Donald Trump."

Ja und nein. D.T. hat jetzt in den letzten ca.5 Jahren überall auf der Welt und mit viel Medienaufmerksamkeit als "negativ" Role-Model gezeigt, wie er und seine Truppe systematisch demokratische Normen zerlegt. ...


QuoteMagermilchbande #46

Es sind die Methoden, die bereits vor hundert Jahren Gesellschaften in Diktaturen getrieben hat. Genau darum müssen wir um eine freie Gesellschaft kämpfen, die alle Bürgern teilhaben lässt. Das Geschrei aus der rechten Ecke wird dann keine Opportunisten mehr anziehen. Ich bekomme den Vergleich nicht aus dem Kopf, dass der gewaltsame Marsch in den USA genauso zur Legendenbildung genutzt wird wie der Marsch auf die Feldherrenhalle oder schlimmer noch, die Dolchstoßlüge. Diese Dinge wirken über Generationen nach, noch heute höre ich in Gesprächen, dass das deutsche Militär 'im Feld ungeschlagen' gewesen sei.


QuoteAlexander Leister #34

Die Rattenfängerei vieler Parteien konnte ich noch nie nachvollziehen. Wer erst einmal so weit abgedriftet ist, dass er an QAnon und Co. glaubt und auf den Quarkdenker-Demos mitläuft, den kriegt man nicht mehr als "normalen" Wähler zurück. Es muss bei diesen Leuten, salopp gesagt, immer erst "einen Schlag tun", damit die (wieder) mit dem Nachdenken anfangen und evtl. wieder zurück finden. Sieht man ja auch an vielen Aussteigern im rechtsradikalen Milieu. Sicher, damit Leute so werden ist vorher schon einiges falsch gelaufen, da muss man ran. ...


QuoteDoubleUD #77

Ursachenbekämpfung und nicht nur an den ansetzen Symptomen anzusetzen, wäre mMn. mal eine interessante Gangart. Ungleichheit und mangelnde Bereitschaft sich den wahren eigenen Ängsten zu stellen, sorgen für das Chaos dessen Erscheinungsilder sich in Rassismus, Gewalt und den Ruf nach starken Männern an der Spitze äußern. Das Bedürfnis das Capitol zu erstürmen steht für einen kurzen Moment der Überwindung der eigenen Ohnmacht. Warum ist das Vertrauen dieser Leute in die gegebene Ordnung nicht existent? Arm wird gegen noch Ärmer ausgespielt.

Die Medien reagieren seit jahren reflexartig auf jeden neuen Nonsensschafelnden Demagogen und bieten ihm eine Bühne. Reichweitengenerierung und Wettbewerbsfähig bleiben wird größer geschrieben als neutrale und aufklärende Berichterstattung und Rückkopplungseffekte die sich aufgrund der immer schneller und unübersichtlicher werdenenden Informationsdichte verstärken. Die selben Medien die Trump verdammen haben ihn zuvor groß gemacht.

Es ist einfach auf Rednecks und Nazis als Störenfriede und Außenseiter zu blicken die sich böswillig nicht in die Gesellschaft integrieren möchten. Ich blicke auf arme, verängstige Menschen.
Die Digitalisierung in Verbindung mit Corona katylysiert und beschleunigt Prozesse die schon vorher statgefunden haben und legt deutlich offen und was für einer Welt wir uns eigentlich befinden.

Es bleibt der Wunsch für mehr Nachhaltigkeit, Vernunft und Emphatie im Sinne unserer Nachfolgegenerationen.


Quoteklaurot #26

Der Mob, der das Kapitol angriff, ist Teil einer globalen Bewegung, die ihn überleben wird, in den USA wie hier. * Man kennt das: Wenn das Establishment versagt, übernimmt der Mob. Vielleicht sollte sich das Establishment mal an die eigene Nase fassen. ...


QuoteParviflorum #31

Das ist die amerikanische Demokratie und dieser "Mob" ist ganz klar ein Teil des Volkes. Man wanderte in die USA aus, um seinen speziellen Glaubensvorlieben huldigen zu können. Dieser Mob ist nur eine andere Variante von Diversität. Man sollte sich nicht einen Teil der Diversität herauspicken (ihn auch noch passend verformen) und dann glauben, das wär's.

Trump hat allerdings einen wesentlichen Anteil an den Vorkommnissen im Kapitol. Hätte er seine Abwahl akzeptiert, wäre dort nichts gewesen. Doch dass so viele Menschen überhaupt bereit für den Glauben sind, die Wahl könne ein Betrug gewesen sein, hat nichts mit Trump zu tun und wird auch nicht mit ihm verschwinden. Das ist dies Misstrauen in die Herrschaft, in die "Eliten". Es hat nichts mit Bildung zu tun und es ist durchaus denkbar, dass dieses Misstrauen noch erheblich zunehmen wird. Die einzig sinnvolle Reaktion darauf ist meines Erachtens mehr Demokratie und mehr Transparenz.


QuoteMagMag #13

Es geht sehr wohl um Donald Trump. Er ist es, der die Menschen in Amerika 4 Jahre lang gegen das System aufgehetzt hat. Der Hass verbreitet hat, die die Menschen dazu aufgerufen hat, das Kapitol mit Gewalt zu stürmen.

Dass diese Menschen auch nach einer Verurteilung Trumps weiterhin extremisten bleiben, ist klar. Dass sie weiterhin versuchen werden, das System gewalttätig zu bekämpfen ebenfalls. Aber Einfach zu behaupten, dass es nicht um Trump ginge, es absolut falsch. Trump hat all diesen Hass und die Verachtung für die Demokratie gefördert, genährt und vorangetrieben. ...


QuoteLord Schelmchen #16

Das war ein Warnschuss, der weltweit gehört wurde. Man kann schon den Eindruck haben, dass über die Jahrzehnte Linke verteufelt und Rechte verharmlost wurden. Ich denke, mit der Verharmlosung der Rechten ist es vorerst einmal vorbei. Ein Effekt, der so von den Aufwieglern vermutlich nicht gedacht war.


Quotevincentvision #19

Es ist überall dasselbe: Die Abgehängten, oder noch schlimmer: die gefühlt Abgehängten rebellieren.

Sie sitzen nicht in den glitzernden Hotspots der Metropolen, deren Zerrbilder ihnen 24/7 in allen Breitband-Medien vorgeführt werden.
Sie sitzen in Mittelengland, im mittleren Westen der USA, in Anatolien oder in Chemnitz.
Sie sitzen in der Provinz ihrer Länder, voller Ungewissheit und voller Ängste, dem 21. Jahrhundert und seiner globalisierten Schnelligkeit nicht mehr genügen zu können.
Und dann kommen sie - die Johnsons, die Trumps, Erdogans, Meuthens und Salvinis.
Sie stoßen erbarmungslos in das Vakuum aus Sorgen, aus Überdosis an Informationen und Verunsicherung.
Und liefern - vereinfachte Lösungen, Fremdenfeindlichkeit, Abschottung, Land xy zuerst, Parolen und Sündenböcke.
Und hetzen - gegen Fremde, Bedürftige, alles Etablierte und deren Berichterstatter.
Und ihre Alternativen sind keine Alternativen, weil auch sie keine Zeitmaschine haben.
Aber sie haben polternde Parolen, zu simple Ideen für zu simple Geister, rhetorische Taschenspielertricks und die nötige Skrupellosigkeit, ihr Volk damit zu missbrauchen.
Es ist überall dasselbe: Sie verarschen ihr Land, seine Menschen und hinterlassen zerrüttete Demokratien und zerstörte Werte. ...


QuoteMarillengeist #39

"Das Beunruhigende sind nicht nur die Rechtsradikalen, sondern auch die, die sie gewähren lassen, hier wie in den USA."

Beunruhigend sind auch die, die im Hintergrund agieren und alles finanzieren, zB die Geldgeber einer Plattform wie Parler. Wie hieß sie doch gleich? Rebekah Mercer. Das sind keine Underdogs, die in Wohnwagen leben und keine Zuhause haben. Ganz im Gegenteil!


Quoteumbhaki #39.1

>Das sind keine Underdogs, die in Wohnwagen leben und kein Zuhause haben. Ganz im Gegenteil!

Richtig! Das ist tatsächlich etwas, das im Artikel unerwähnt bleibt.
Der Mob, das sind diejenigen, die sich bedroht und auf dem absteigenden Ast sitzend empfinden (oft durchaus zu Recht). Die veranstalten die offensichtlichen Schweinereien.
Sie werden aber unterstützt, im Sinne von benutzt, von Leuten, die im Hintergrund strategisch wirken. Sie erwähnen Rebekah Mercer, spontan fallen mir dazu noch die Koch-Brüder ein. Es wird weitere geben.
In Europa läuft das wohl kaum anders: Wir wissen von ,,dubiosen", also der Herkunft nach verschleierten, Spenden an die AfD und ahnen, dass der Sumpf wohl viel größer ist als uns bekannt, und dass er nicht nur die AfD betrifft. Jüngst wies Herr Röttgen, ein maßgeblicher Außenpolitiker der CDU, im Fernsehen darauf hin, dass seine Partei den US-Reps näher stehe als dem Dems. Jener Partei also, die in den USA über Wahlbetrug schreit, während sie ihn selbst extensiv begeht (,,Gerrymandering", Ignorieren von Wahlberechtigungsscheinen Farbiger, Abschaffung von Wahllokalen in demokratieverdächtigen Orten).


QuoteEinFriese #57

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den USA und Deutschland übersieht der Kommentar: Deutschland ist schon einmal und zwar schon vor der Machtergreifung der Nazis (Straßenschlachten, Ausschaltung der Legislative durch Notverordnungen, Preußenschlag) an einem viel schlimmeren Punkt als die USA angelangt und hat daraus die Lehren gezogen.
In den USA gibt es die Doktrin der "clear and present danger", die zwar Exekutive und Legislative weitreichende Vollmachten gibt, auf der anderen Seite nicht den Anfängen wehren kann.
Das Konzept der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und seine Bewehrung in Art. 9 Abs. 2, 18 und 21 Abs. 2-4 Grundgesetz ist da deutlich robuster ausgelegt und die Demokratie muss nicht untätig warten, bis eine echte Gefahr entstanden ist.
Die letzte wesentliche Verfassungsreform in den USA fand 1920 statt (Wahlrecht für Frauen), die letzte, die den Aufbau der Verfassungsorgane betraf, sogar schon 1913 (Direktwahl der Senatoren). ...


QuoteMoralaposteln #65

Das nennt man Faschismus und ist dem Kapitalismus immanent! Leider trauen sich das unsere bürgerlichen Journalisten nicht zu auszusprechen, oder sie checken es wirklich nicht. ...


QuoteLudwig van Wegen #70

Hier haben Bild und Co. jahrzehntelang die Grundlagen bereitet. Mit den neuen medialen Gegebenheiten hat sich lediglich verselbstständigt.


QuoteKopfGeist #78

Gefährlich wird es, wenn diese Leute irgendwann in der Zukunft von einem fähigen Menschen angeführt / angestachelt werden und nicht von einem instabilen Trump.

Genährt wird der Boden aber durch gut organisierten Leute im Hintergrund wie den Mercers (Cambridge Analytica und Parler), den Koch Brüdern und Murdoch. Bewegungen wie QAnon sind ein perfekten Vehikel für diese Menschen.

Diese Leute haben es geschafft Fakten als Fake News zu deklarieren und echte Quellen als Fake News. Wir brauchen dringend(!) ein Pflichtschulfach Medienkunde, damit unsere Kinder von klein auf lernen wie man mit Informationen umgeht.


...

Textaris(txt*bot)

Regierungskrise in Thüringen 2020
https://de.wikipedia.org/wiki/Regierungskrise_in_Th%C3%BCringen_2020

Quote[...] die Causa Kemmerich gezeigt: Dass das Politikverständnis zwischen Ost und West teils noch immer stark auseinanderklafft. Während viele in der West-FDP die Kemmerich-Wahl für unverzeihlich halten, sehen sie manche im Osten als ,,Dienst an der Demokratie".  ...


Aus: "Was bleibt von der Causa Kemmerich?" Paul Starzmann (05.02.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/ein-jahr-nach-dem-tabubruch-von-thueringen-was-bleibt-von-der-causa-kemmerich/26873772.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Immer wieder berichten Kommunal- und Bundespolitiker von Anfeindungen und Drohungen. Nun ist es die Ko-Parteichefin der Grünen Annalena Baerbock, die Attacken gegen sich öffentlich macht. Seit Baerbocks Ernennung zur Kanzlerkandidatin, so Parteisprecherin Nicola Kabel gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), sähen sich die 40-Jährige und ihre Partei vermehrt Hass-Attacken im Internet ausgesetzt.

"Sowohl Annalena Baerbock als auch Robert Habeck werden im Netz schon lange attackiert", sagte Kabel dem RND. "Aber seit der Nominierung von Annalena Baerbock haben gefälschte Zitate und gefakte Bilder noch mal einen Schub bekommen. Das begann gleich in den ersten Tagen."

Allein in den vergangenen zwei Wochen habe die Parteizentrale der Grünen 15 Meldungen im Rahmen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes gemacht. "Wenn Dinge strafrechtlich relevant erscheinen, bringen wir sie zur Anzeige", sagt Kabel. "Nicht alles hat automatisch eine frauenfeindliche Komponente; aber sie kommt in manchen Fällen noch dazu." Zuletzt sind nach Informationen des RND unter anderem vermeintliche Nacktbilder Baerbocks aufgetaucht, die aber in Wahrheit nicht sie zeigen, sondern ein russisches Modell.

Im April war es SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der unter anderem von Gewaltandrohungen gegen sich berichtete. Er bringe nur das Nötigste zur Anzeige, schrieb der Bundestagsabgeordnete damals bei Twitter. "Trotzdem habe ich gerade wieder 59 Anzeigen unterschrieben."

Ende April wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt wegen einer im Internet verbreiteten "Todesliste" ermittelt, auf der die Namen von Bundestagsabgeordneten stehen, die für das Gesetz zur Corona-Notbremse gestimmt hatten. Kursiert war die Liste im Messengerdienst Telegram. "Eine 'Todesliste deutscher Politiker' zu verbreiten, hat nichts mehr mit Protest zu tun, sondern nur noch mit dumpfem Hass auf die Demokratie und ihre gewählten Vertreter", sagte dazu Bundesjustizministerin Christine Lambrecht.

Seit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 werden Hass-Attacken gegen Politiker vermehrt öffentlich thematisiert. Der CDU-Politiker wurde vor seiner Ermordung durch den mittlerweile verurteilten Rechtsextremisten Stephan E. in sozialen Netzwerken beschimpft und mit Gewalt bedroht.

Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP


Aus: "Hass-Attacken auf Baerbock nehmen zu" (Freitag, 07. Mai 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Hass-Attacken-auf-Baerbock-nehmen-zu-article22539594.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Dass westliche Gesellschaften gefährlich "polarisiert" seien, gehört zu den beliebtesten Kassandrarufen unserer Zeit. Die Warnung lautet: Mit der gesellschaftlichen Spaltung drohe der Demokratie der Untergang. Die Politikwissenschaftler Armin Schäfer und Michael Zürn sehen das anders und fragen sich, wie zuallererst der Anschein entsteht, kontroverse Positionen zu Migration, Globalisierung oder der europäischen Integration gefährdeten zwangsläufig den Bestand der repräsentativen Demokratie – jener Staatsform also, die einst gerade dazu eingerichtet wurde, Konflikte innerhalb der Bürgerschaft politisch auszutragen und dadurch zu befrieden.

Für das Aufkommen populistischer Parteien gibt es viele Erklärungen: zum Beispiel ökonomische Statusverluste oder Entfremdungserfahrungen in einer diverseren Gesellschaft. Doch warum nimmt der Protest gegen diese Phänomene ausgerechnet autoritäre Formen an? An dieser Frage, so die beiden in Münster und Berlin lehrenden Professoren, beißen sich die Populismuserklärer die Zähne aus. Zürn und Schäfer ergänzen deshalb eine dritte Dimension: Wo sich politische Begehren immer schwerer in Mehrheitsprozeduren artikulieren können, dort kippt Unzufriedenheit in gefährliche Radikalität.

... Horche man in die Parlamente hinein, bemerke man, dass der "Chor" der demokratischen Repräsentanten "mit einem heftigen Oberklassenakzent" singe – und zwar lauter denn je. Schäfers und Zürns Forschungen zeigen, dass Bundestagsabgeordnete erstaunlich stark auf die Präferenzen von Unternehmern, Beamten und Gebildeten reagieren – und weniger auf Wünsche einkommensschwacher Gruppen.

...

[Zu: Armin Schäfer, Michael Zürn: Die demokratische Regression. Suhrkamp, Berlin 2021; 247 S.]


Aus: ""Die demokratische Regression": Mehr Technokraten als Demokraten" Eine Rezension von Oliver Weber (19. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/2021/21/die-demokratische-regression-armin-schaefer-michael-zuern-sachbuch-technokratie

Quoteoiseaudefeu #36

Viele Menschen sind demokratiemüde. Das liegt auch an der medialen Überflutung. Früher holte man seine politischen Erkenntnisse aus der Morgenzeitung und den Abendnachrichten. Heute wird man von früh bis spät mit ungefilterten oder manipulierten Informationen bombardiert. Prominente Politikerinnen und Politiker ähneln einander immer mehr. Ehrlichkeit ist keine Tugend mehr. Die Folge wird demokratische Regression und abnehmendes Engagement sein. Immer mehr Wählerinnen und Wählern empfinden keine Freude mehr, wenn sie zur Wahl gehen, sondern meinen, damit lediglich eine lästige bürgerliche Pflicht zu erfüllen.


QuoteReprobed Son #6

Vielleicht muss man einfach ein wenig relaxter sein.

Es gibt offenkundig in jeder Gesellschaft 10-15%, die sich der modernen, progressiven Gesellschaft total verweigern wollen. Diese Leute wird man mit Geld und guten Worten nicht mitnehmen können. Deshalb sollte man sich, statt ständig auf diese lauten Minderheiten zu schauen, eher wieder mit der Mehrheit beschäftigen. Und die steht glücklicherweise voll hinter demokratischen Werten - und zeigt das eindrucksvoll in demokratischen Wahlen. Ich jedenfalls freue mich schon auf den September.



Quoteah-jun #6.1

"Es gibt offenkundig in jeder Gesellschaft 10-15%, die sich der modernen, progressiven Gesellschaft total verweigern wollen. Diese Leute wird man mit Geld und guten Worten nicht mitnehmen können. Deshalb sollte man sich, statt ständig auf diese lauten Minderheiten zu schauen, eher wieder mit der Mehrheit beschäftigen."

Ich glaube Sie verwechseln was. Die gesellschaftliche Diskussion wird vor allem von 10-15% kommunikationsstraken gut vernetzten Minderheiten bestimmt, die sich für "modern und progressiv halten", währen die Mehrheit eben nicht über deren Möglichkeiten verfügt.


QuoteReprobed Son #6.2

Wir leben aber in einer Demokratie. Und wenn es wirklich eine Mehrheit gäbe gegen Globalisierung, Migration, Klimaschutz etc., dann könnten die Leute entsprechende Parteien auch an die Macht wählen. Tun sie aber nicht. Insofern muss man einfach mal festhalten, dass diese demokratischen Minderheiten auch Minderheiten in der Gesellschaft sind.

Und das liegt auch nicht an vermeintlichen Medienprofis, die die Meinung in die eine oder andere Richtung schubsen. Ich denke, die Mehrheit ist einfach viel cleverer, als manche Analysten das annehmen.

Nach klassischer Politikwissenschaft müssten z. B. die Grünen angesichts steigender Strompreise, steigender Spritpreise, höherer Bauauflagen etc. theoretisch Stimmen verlieren, weil man immer davon ausgeht, dass die Leute in ihrem unmittelbaren Interesse wählen. Das Gegenteil ist aber der Fall - die Zustimmung zu den Grünen steigt quasi parallel zur CO2 Steuer. Weil die Menschen realisiert haben, dass man etwas tun muss. Sie wählen also kurzfristig gegen die eigenen Interessen, um sie langfristig zu sichern. Glücklicherweise ist das auch der Grund, warum populistische Parteien in D praktisch keine Chance haben. Was natürlich nicht bedeutet, dass man nicht wachsam sein muss.


QuoteSchummelsoftware #7

Für meine Begriffe ist das viel zu kurz gesprungen:
Aktuell reagiert man auch nicht auf die "Präferenzen von Unternehmern, Beamten und Gebildeten", im Gegenteil, gerade die verprellt man, weil die wissen, dass Politik nie alternativlos ist, was aber lange von der Politik in der Causa Corona lange so praktiziert wurde; man droht also auch diese Gruppe für die Demokratie zu verlieren.

Erstaunlich übrigens, dass laut Meinungsumfragen übrigens mehr als ein Drittel der Deutschen weder Baerbock noch Laschet oder Scholz als Kanzler wollen - auch das Gefühl, keine wirkliche Wahl zu haben, vergrößert den Abstand zur Demokratie.


QuoteMMDH #30

Das Inhaltes des Buches klingen lt. Rezension zwar interessant, für den politisch interessierten Beobachter allerdings ebenso trivial.


QuoteRyzard #37

"Wo sich politische Begehren immer schwerer in Mehrheitsprozeduren artikulieren können, dort kippt Unzufriedenheit in gefährliche Radikalität."

Die USA sind ein gutes Beispiel dafür. Während für die Eliten die Obama-Regierungszeit eine großartige Ära war, haben die Rednicks und Hillbillys in den ehemaligen Industrie-Hochburgen einen sozialen Abstieg erlebt. Die Folge war Donald Trump.
Doch statt die Lehren daraus zu ziehen, versuchen die Eliten, das politische Begehren der Hälfte der US-Bürger zum Schweigen zu bringen.
Ähnlich ist es bei uns im Osten gelaufen. Ja, man hat zwei Billionen Euro in Ostdeutschland investiert, aber die Profiteure waren die Konzerne im Westen und nicht die Bürger vor Ort. Kein Wunder also, dass die Protestwähler zur AfD überliefen. Statt die nun politisch zu bekämpfen, soll der Verfassungsschutz sie zum Schweigen bringen. So lange sich die Verhältnisse nicht ändern, wird das nicht funktionieren.



...

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Die demokratische Regression. Die politischen Ursachen des autoritären Populismus ist ein Fachbuch der Politikwissenschaftler Armin Schäfer und Michael Zürn, das 2021 beim Suhrkamp Verlag in Berlin erschien.[1] Darin gehen die Autoren den Fragen nach, worin die Ursachen für den weltweit wachsenden autoritären Populismus liegen und welche Zukunft die Demokratie vor diesem Hintergrund hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_demokratische_Regression


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sie wird einmal viele Millionen erben. Das weiß Marlene Engelhorn seit zwei Jahren.

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Aus: "Marlene Engelhorn: Von einer, die ihr Millionenerbe teilen will" Lisa Nimmervoll (29. April 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126244498/marlene-engelhorn-die-ihr-millionenerbe-teilen-will

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Quote[...] Interview: Lisa Nimmervoll (23. Mai 2021)

STANDARD: Sie werden einmal sehr viel Geld erben – und sagen schon jetzt: Will ich nicht, so viel brauche ich nicht, ich will fast alles spenden. Warum?

Engelhorn: Das ist in meinen Augen keine Frage des Wollens, sondern eine Frage der Fairness. Ich habe nichts getan für dieses Erbe. Das ist pures Glück im Geburtslotto und reiner Zufall. Die Menschen, die das eigentlich erarbeitet haben, hatten in der Regel wohl nicht sehr viel davon. Es kommt somit eigentlich aus der Gesellschaft, und dorthin soll es zurück. Als die Ankündigung kam, habe ich gemerkt, ich kann mich nicht so recht freuen, und ich habe mir gedacht: Etwas stimmt nicht, es muss was passieren! Mir fällt da immer Bertolt Brecht ein: "Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich." Dann habe ich begonnen, mich ernsthaft damit zu beschäftigen. Das reichste Prozent der österreichischen Haushalte besitzt fast 40 Prozent des gesamten Vermögens. Individueller Reichtum ist in unseren Gesellschaften strukturell mit kollektiver Armut verknüpft. Da wollte ich nicht mitmachen.

STANDARD: Dieses Vermögen Ihrer Familie bildet ja doch auch in gewisser Weise zumindest ein Stück weit auch die Leistung Ihrer Vorfahren ab, die etwas gegründet und viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Können Sie das irgendwie auch anerkennen oder sagen Sie: Die Relationen stimmen einfach nicht. Es ist einfach zu viel, was den Eigentümern geblieben ist, und zu wenig, was die arbeitenden Menschen davon bekommen haben?

Engelhorn: Mein voraussichtliches Erbe spiegelt in keinster Weise wider, was eine Einzelperson geleistet haben mag oder nicht. Da kann ein Manager in seinem Büro die besten Entscheidungen treffen, auf ihn allein kommt's nicht an. Wenn es niemanden gibt, der die Produkte erfindet, erarbeitet, rumtüftelt, verkauft, dann gibt's keinen Gewinn. Wir arbeiten in unserer Gesellschaft arbeitsteilig, anders würde es gar nicht funktionieren, und dass einige so viel erwirtschaften können, wie andere durch Erwerbsarbeit niemals bekommen, spiegelt nur wider, dass wir manche Arbeiten als wertvoller erachten. In der Regel ist das die Arbeit von jenen, die ohnehin schon reich sind, und von sich behaupten, ihre Arbeit sei wichtiger. Dann liegt das Geld meist seit Jahren in Anlagen herum und wird von alleine mehr, da muss man nur warten, während andere Menschen jeden Tag arbeiten und besteuert werden.

Wer 11.000 Euro Nettoeinkommen pro Jahr hat, zahlt 20 Prozent Steuern – und dann bekomme ich wahrscheinlich ein Vermögen von mehreren Millionen und muss nichts dafür zahlen. Dabei habe ich nichts dafür getan. Und das soll richtig sein so? Ich bin wahnsinnig privilegiert, ich bin dafür dankbar, ich bekomme dadurch auch viel Freiheit. Auch die Freiheit, mir die Zeit zu nehmen, mich damit auseinanderzusetzen. Das ist ein Riesenluxus, aber auch eine Verantwortungsfrage, und meine Verantwortung ist, dass ich der Gesellschaft etwas zurückgebe. Wenn der Status quo ist, dass man mit Eigentum machen kann, was man will, fast alles, dann darf ich das auch – und ich will es teilen, weil ich mich als Teil der Gesellschaft sehe.

STANDARD: Was sagt eigentlich Ihre Großmutter dazu, dass Sie öffentlich verkünden, Ihr Erbe zu verschenken, noch bevor Sie es überhaupt bekommen haben?

Engelhorn: Meine Großmutter eröffnet mir damit einen riesigen Handlungsfreiraum, den ich jetzt nutzen möchte, um den einen öffentlichen Diskurs ein wenig aufzumachen: Ich habe für das Geld keinen Tag gearbeitet und zahle für den Erhalt keinen Cent Steuer. Das kann es doch nicht sein. Besteuert mich endlich! Salopp formuliert: Wenn's bis dahin keine Erbschafts- oder Vermögenssteuer gibt, mache ich mir halt selber eine. Und wenn das dabei hilft, viele Menschen für gerechtere Steuern zu begeistern, war es jeden Cent wert.

Mir wäre wichtig, dass man das Thema einmal an einem Beispiel ausdiskutieren kann, und mein Beispiel bietet sich an: Wenn Reiche immer im Verborgenen bleiben, dann bleibt eben auch die himmelschreiende Ungerechtigkeit abstrakt. Auch stellvertretend für viele andere in meiner Lage, die selber nicht in die Öffentlichkeit wollen, von denen ich aber viel Zuspruch erhalte.

STANDARD: Dieser Schritt in die Öffentlichkeit hat ja auch einen Preis. Nicht umsonst legen viele Reiche größten Wert auf Anonymität und Privatsphäre. Wie gehen Sie mit Neid oder sonstigen Angriffen, aber auch "Bettelbriefen", die Sie sicher bekommen, um?

Engelhorn: Ich lebe trotzdem sehr bequem. Wenn Vermögen gerecht verteilt wäre, hätten wir das Problem in der Form gar nicht, dann gäbe es keine "überreichen" Menschen, die systematisch einen Teil der eigenen Identität verbergen.

Ganz wichtig: Ich bekomme keine "Bettelbriefe". Mir schreiben Menschen in unglaublich schwierigen Lebenssituationen, die sich ein Herz fassen und sich an mich wenden. Diese Bitten um Unterstützung sind voller Respekt, und auch wenn es mir leid tut, dass ich ihnen Absagen schicke, es sind auch viel zu viele, so ist der Punkt doch der: Es sollte nicht meine Aufgabe sein. Menschen sollten sich nicht meinem Willen oder Wohlwollen ausliefern müssen. Irgendwer hat diese Menschen mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen. Ich würde sagen, die Gesellschaft, die Politik, die das nicht anders geregelt hat, wäre da in die Verantwortung zu nehmen. Wobei da auch die Frage ist: Wer macht die Politik und wer kann sich Einfluss auf sie kaufen? Das können Menschen wie ich.

STANDARD: Wie?

Engelhorn: Ich könnte ja auch nicht in die Öffentlichkeit gehen mit meinen Anliegen für mehr Steuergerechtigkeit, sondern in ein Hinterzimmer laden. Ich könnte es mir ganz leicht machen und mit großzügigen Spenden dafür sorgen, dass eine Partei tut, was mir wichtig ist. Da wäre ich bei weitem nicht die Erste, und solange wir diese Praxis nicht abstellen, ist klar: Meine Stimme ist mehr wert als ihre. Mit Demokratie hat das aber nichts mehr zu tun. Das ist neofeudalistisch. Wer das akzeptiert, sogar gut findet, jedenfalls aber an der extremen Vermögenskonzentration nichts ändern will, ist im Kern kein echter Demokrat. Für mich geht es aber genau um diese demokratische Verantwortung und gesellschaftliche Verbundenheit. Es ist banal: Wir müssen füreinander da sein in einer Gesellschaft, weil sonst sind wir keine Gesellschaft.

STANDARD: Sie sind beim internationalen Netzwerk "Millionaires for Humanity", das im Vorjahr in einem offenen Brief die Regierungen um höhere Steuern für ihresgleichen gebeten hat: "So please. Tax us. Tax us. Tax us. It is the right choice. It is the only choice. Humanity is more important than our money." Wie viel sollte man den Reichen über Vermögenssteuern wegnehmen?

Engelhorn: Mit Wegnehmen hat das nichts zu tun. Wieso fragen wir nicht, wo das Geld herkommt? Wer hat es erwirtschaftet? Ein Mensch ganz allein? Alexandria Ocasio-Ortez, demokratische US-Kongressabgeordnete, hat es wunderbar gesagt: "Every billionaire is a policy failure." Jeder Milliardär ist ein politisches Versagen. Es ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, herauszufinden, wie wir das regeln. Die Konzepte müssen wir als Gesellschaft diskutieren. Es gibt ja Expertinnen und Experten dafür. Thomas Piketty etwa, der französische Ökonom, meint, fünf Prozent des Staatshaushalts sollten aus Vermögens- und Erbschaftssteuern lukriert werden, und daraus sollte jede Person zum 25. Geburtstag 120.000 Euro als kollektives Erbe erhalten.

STANDARD: Pikettys Modell sähe eine extreme Steuerprogression vor. Für Vermögen oder Erbschaften in Höhe des 10.000-Fachen vom Durchschnittsvermögen wären 90 Prozent Steuern zu entrichten. Mit 200 Millionen von einem Zwei-Milliarden-Vermögen lasse sich immer noch gut leben, sagt er.

Engelhorn: Da hat Piketty verdammt recht. Sein Vorschlag hat im Blick, dass Geld eben mehr ist als die Möglichkeit, Dinge zu kaufen. Mit Geld kommt Handlungsfreiheit: Mit so einer Rücklage traut man sich eher, ein Unternehmen zu gründen oder Kunst zu machen. Oder aber man kann es sich locker leisten, eine Partei über Spenden zu finanzieren oder kauft sich die größte Zeitung eines Landes. Es geht immer um Lebenschancen, aber am Ende ist es eben auch eine Machtfrage.

Wieso ist es der Alleinerzieherin mit Teilzeitjob zumutbar, dass sie auf ihr geringes Einkommen mindestens 20 Prozent Steuern zahlt, und jemand wie ich bekommt ein Vermögen geschenkt? Einfach so. Null Prozent Steuern. Das ist unfair. Man kann auch teilen, und das tut gut. Es hat mit Verantwortung und Respekt zu tun, und, ein kitschiges Wort, das mir aber am Herzen liegt: Nächstenliebe. Ich wünsche mir, dass es auch meinem Nachbarn gut geht, einfach so, weil er ein Mensch ist.

STANDARD: Sie bereiten sich jetzt systematisch darauf vor, wie Sie Ihr angekündigtes Erbe am besten oder am "sinnvollsten" teilen können. Wie wollen Sie das machen und welche Kriterien sind für Sie dabei wichtig?

Engelhorn: Hier fängt das Problem an. Ich darf mir das ganz allein überlegen, was mit dem Geld passiert. Die Gesellschaft sollte sich aber nicht darauf verlassen müssen, dass einzelne Superreiche ihr gegenüber wohlwollend eingestellt sind, das ist Neofeudalismus: gönnerhaft von oben herab spenden. Ich tausche mich mit anderen aus, lerne, so viel ich kann, schaue mir an, was funktioniert und was nicht. Für mich ist der Einsatz für Steuergerechtigkeit sehr wichtig, denn die Frage, wie wir Reichtum und damit Macht verteilen, berührt das Herz der Demokratie.

STANDARD: Inwiefern?

Engelhorn: Jede Demokratie kann extrem konzentrierten Reichtum nur bis zu einem gewissen Punkt ertragen. Die Frage, wie wir damit umgehen, dass manche Menschen zu reich sind, wie etwa auch in meinem Fall, also nicht nur über Vermögen, sondern potenziell über extrem viel Macht verfügen, ist doch eine, die nicht verschwindet, nur weil wir sie nicht stellen.

Noch bin ich nicht reich, ich würde mir wünschen, dass es nicht meine Entscheidung ist, wie viel ich abgebe. Mein Wunsch wäre, dass wir das dann als demokratische Gesellschaft transparent ausverhandelt haben und dass wir uns das holen, was zu viel ist. Nicht im Sinne von Wegnehmen, sondern weil wir uns einig sind, wie viel zu viel ist in einer und für eine Demokratie. Und wie wir es teilen wollen, weil wir wissen, wo es gebraucht wird.

Wir können ja an dieser Demokratie weiterbasteln. Es gibt gute Ideen wie etwa die Bürgerräte in Irland zur Abtreibungsgesetzgebung oder zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder den Klimakonvent in Frankreich. Partizipativer wäre auch wichtig, weil unsere repräsentative Demokratie so designt ist, dass in der Regel mittelalte bis alte weiße Herren mit akademischem Abschluss im Parlament sitzen. Im Parlament sitzt ein einziger Arbeiter, obwohl jeder vierte Beschäftigte in Österreich Arbeiter oder Arbeiterin ist. Welches Volk wird da vertreten? Auch da sollten wir ansetzen, damit diese Macht breit zugänglich wird und alle mitentscheiden dürfen, wie die Gesetze gemacht werden, nach denen wir regiert werden. Dann hätten wir wahrscheinlich auch andere Gesetze und andere Verteilungsfragen.

STANDARD: Ein Weg für Menschen, die sich selbst als "zu reich" empfinden, ist Philanthropie, was "allgemeine Menschenliebe" bedeutet. Sind Menschen wie Bill und Melinda Gates, die mit 46,8 Milliarden Dollar die größte Privatstiftung der Welt verwalten und sich etwa der Bekämpfung von Malaria und Kinderlähmung widmen, oder MacKenzie Scott, Exfrau von Amazon-Gründer Jeff Bezos, die im Corona-Jahr 4,2 Milliarden Dollar an 384 Hilfsorganisationen gespendet hat, Vorbilder für Sie?

Engelhorn: Philanthropie als Übergangsphase, bis wir bei der Vermögenssteuer sind. (lacht) Nein, auf gar keinen Fall. Davon will ich mich ganz dringend distanzieren. Wenn Privatpersonen so viel geopolitische Macht bündeln, ist das hochproblematisch, undemokratisch und brandgefährlich. MacKenzie Scott hat in kürzester Zeit das, was sie so großzügig hergegeben hat, über ihre Kapitalerträge aus ihren Amazon-Anteilen wieder erwirtschaftet, und Amazon, wissen wir, beutet Menschen und Klima systematisch aus. Das ist total unehrlich.

Es kann nicht sein, dass man zuerst weltweit an allen Ecken und Enden Steuern spart und dann demonstrativ wohltätig wird und einen Bruchteil des Vermögens spendet. Ganz oft sind diese Stiftungen nichts anderes als eine Möglichkeit, Vermögen zu verschleiern. Da wird mit einem winzigen Teil des Kapitals ein bisschen wiedergutgemacht, was diese großen Anlagen an Mist verbocken. Das ist Philantrokapitalismus. Es ist einfach nicht in Ordnung, dass wir abhängig sind vom Wohlwollen der Superreichen.

STANDARD: Von Fjodor Dostojewski stammt der Satz: "Geld ist geprägte Freiheit." Was löst er bei Ihnen aus?

Engelhorn: Ja, mit Geld kann man sich Freiheiten erkaufen, man ist frei von Hunger oder Not, zumindest für eine kleine Weile. Aber Dostojewski hat das in den "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" geschrieben, er war selbst politischer Häftling in einem sibirischen Lager, wo er Zwangsarbeit verrichten musste. Was er gemeint hat, hat nichts mit dem zu tun, was meine finanzielle Lage darstellt. Der Satz, der besser zu mir passt, ist: "Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind."

STANDARD: Er stammt vom anarchistischen deutschen Schriftsteller Erich Mühsam, der 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde. Aber was bedeutet Geld an sich für Sie?

Engelhorn: Ich will nicht leugnen, dass Geld notwendig und hilfreich sein kann, sonst würde ich ja auch die Macht von Geld leugnen, wenn es in unvorstellbarer Größenordnung da ist. Sie wissen, eine Münze hat zwei Seiten. Welche ist die richtige: Kopf oder Zahl? Mir bedeuten Menschen einfach grundsätzlich mehr als Geld, darum will ich es teilen.

STANDARD: Wo ziehen Sie für sich persönlich die Grenze, wo Sie sagen, bis da erfüllt Geld auch für mich die Funktion, mir gewisse Freiheiten und ein gutes, materiell nicht prekäres Leben zu ermöglichen? Wie viel gestehen Sie sich selbst zu?

Engelhorn: Ich will mindestens 90 Prozent abgeben. Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Das sind wichtige Fragen, vor allem politische Aufgaben. Ich persönlich bin schon abgesichert, und ich bin mir auch nicht zu schade, zu arbeiten. Momentan stecke ich alles, was ich an Arbeitskraft habe, in die Auseinandersetzung mit diesem Thema und den Einsatz für Steuergerechtigkeit und hoffe, dass das irgendwann gegessen ist, weil die Politik auf ihren Souverän hört: Umfragen zeigen uns ja, die Mehrheit der Menschen findet die Idee, Superreiche zu besteuern, gar nicht schlecht. (lacht) Und wenn das geschafft ist, gehe ich arbeiten. Das wird vielleicht nicht superleicht sein, weil ich dann eine Lücke im Lebenslauf habe. Aber es ist mir wichtig, dass ich mir mein Geld erarbeite wie jeder andere auch.

STANDARD: Glauben Sie, dass Sie ohne Geld oder mit viel weniger Geld freier und/oder glücklicher wären? Oder ist das der romantisch-stilisierte Selbsttrost derer, die nicht reich sind?

Engelhorn: Geld allein macht weder meine Freiheit noch mein Glück aus. Ich brauche natürlich auch Geld, um abgesichert zu sein, um meine Ausgaben zu decken, um ein angenehmes Leben zu haben. Aber das Wichtigste ist: Geld kauft mir keine ehrlichen Beziehungen und keinen Respekt. Das muss ich mir als Mensch erarbeiten, und das will ich auch. Und ich will nicht, dass mir da Geld im Weg steht, quasi als Mauer zwischen mir und den anderen, und ich ihnen deshalb nicht nah sein kann in anderen Belangen.

STANDARD: Was, wenn Sie Ihren großen Erbverzicht in ein paar Jahren vielleicht bereuen und sagen: "Ach, hätte ich doch damals nicht ..."?

Engelhorn: Ich habe das für mich persönlich konsequent zu Ende gedacht. Ich setze mich dafür ein, dass ich als Teil der Gesellschaft einen Beitrag leisten darf. Ich will teilen. Punkt.

STANDARD: Zum Schluss noch Frage Nummer fünf aus Max Frischs Fragebogen zum Thema Geld: "Wie viel Geld möchten Sie besitzen?"

Engelhorn: Gerade so viel, dass ich meine Grundbedürfnisse gut abdecken kann und die eine oder andere Freude.

Marlene Engelhorn (29) studiert Germanistik an der Uni Wien, konzentriert sich derzeit aber vor allem darauf, sich inhaltlich und strukturell darauf vorzubereiten, ihr künftiges Erbe einmal fast zur Gänze möglichst sinnvoll umzuverteilen. Dazu vernetzt sie sich mit gleichgesinnten Vermögenden und jungen Erbinnen und Erben, die sich für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Macht einsetzen, etwa die Millionaires for Humanity. Aktuell arbeitet sie als Volontärin bei der Guerrilla Foundation mit Sitz in Berlin, die Initiativen unterstützt, die auf einen umfassenden systemischen Wandel in Europa hinarbeiten.


Aus: "Millionenerbin Marlene Engelhorn: "Besteuert mich endlich!"" Lisa Nimmervoll (23.5.2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126792517/millionenerbin-marlene-engelhorn-besteuert-mich-endlich

Quote
Gerhard_L

Sie nervt - Sie kann doch einfach anonym spenden. Warum muss sie uns mit ihrer offensichtlichen Geltungssucht nerven?


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XredrumX

Haben Sie das Gelesene nicht verstanden, oder habens das Interview erst garnicht gelesen?


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Fehlfarbe

solche postings wie ihres nerven. weil sie nicht kapieren worum es geht. es geht darum politische forderungen sichtbar zu machen. eine andere art von gesellschaft zur diskussion zu stellen. das tut man für gewöhnlich nicht im stillen kämmerlein.



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inDubeo
23. Mai 2021, 07:28:18

... Ich kann gar nicht glauben, dass ich das gerade gelesen habe. Die Einstellung im teilweise vermögenden Freundeskreis ist eher..."naja die sind ja selber Schuld dass nix ham..bin ja nicht die Caritas" Oder "Warum soll ich Steuern zahlen, da hat ja schon mal wer Steuern gezahlt"


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Atlantico1

Was ich nicht verstehe, sie redet über ein Vermögen, über das sie heute noch nicht verfügt.


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Isegrim1

So sind die Linken.


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senf & co

Zu dieser zukünftigen Erbin war doch erst kürzlich ein Artikel im Standard.
Solange die Frau M.E. noch gar nichts geerbt hat, weil die Erblasserin noch lebt und es sich ja auch noch anders überlegen könnte, ist alles nur Effekthascherei und leeres Gerede. Selbstinszenierung. Mal sehen, wenn es soweit ist, falls sie tatsächlich nennenswerte Werte erbt und was sie dann wirklich macht.
Sie könnte aber auch Verantwortung übernehmen und die Vermögenswerte positiv administrieren, anlegen, Projekte gestalten - was halt alles Arbeit bedeutet.


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die guten waren schon weg

Sie hat eine Debatte angestossen. Haben sie schon mehr zu dieser Thematik beigetragen?


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praetor vertigo

Seriously? Die hat keine Debatte angestoßen, die gab es schon lange vor ihrer eigenen Geburt.


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die guten waren schon weg

Und, haben sie vor einer Woche mit jemandem darüber diskutiert?


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praetor vertigo

Letzte Woche glaube ich nicht (könnte aber trotzdem sein), aber heuer schon mindestens 10-12 mal. Die Argumente wiederholen sich ohnehin.


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die guten waren schon weg

Wenn sie nichts neues beitragen können müssen sie sich ja nicht beteiligen. Aber werfen sie nicht jemand anderem vor, dass er sich für ein wichtiges Thema engagiert.


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praetor vertigo

Wenn für Sie eines der Argumente neu ist, dann haben Sie eben die letzten Jahre verschlafen oder sich schlichtweg nicht für das Thema interessiert. Aber werfen Sie nicht jemand anderem vor, das er die Leier schon hundert mal gehört hat und verkaufen Sie das Vorbringen selbiger Argumente zum tausendsten Mal nicht als relevante Leistung.


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die guten waren schon weg

Sie hatten nichts zu sagen ausser dass sie von der Debatte gelangweilt sind. Und das ist halt für alle anderen belanglos.


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Ehlogisch

Österreich funktioniert eben so - Das Land ist klein, die wirtschaftliche und politische Elite sind recht schnell auf Du und Du und wenn es auch noch eine Regierungspartei gibt, die alles für die Reichen tut, geht alles klar. Lukas Resetarits nennt ja die ÖVP zurecht Milliardärsgewerkschaft.


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ETRO

Sie erklärt gut das Problem mit den Philantropen. Wird leider sehr oft nicht verstanden.


Quote
Retusche

Die Tragödie ist, dass man zwar ihr Geld besteuern kann,
Es wäre aber noch schöner wenn auch von ihren Gedanken etwas auf fruchtbaren Boden fallen würde.
Für mich ist das einer der "politisch reifsten" Menschen von denen ich je gelesen habe.


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Linker Träumer

Wieviel haben ihr die linken Träumer für das Interview gezahlt?


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DrHugo_Z_Hackenbush

Na, nicht kreativ genug Gutmensch zu
verwenden? Immerhin ist linker Träumer Ihr Profilname.


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DerPhilo

Meine Tochter sagt mir, dass ihr Sweatshirt auch nicht gerade von H+M stammt. Was kostet so ein Nobelshirt? 150 oder 200 Euro???? Sachdienliche hinweise.....


Quote
Retusche

Es scheint mir dass sich ihre Tochter ganz offensichtlich intellektuell nicht ganz mit Frau Engelhorn messen kann.


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Warumbloß

Wie kindisch kann man eigentlich noch sein? Wollen Sie nicht lieber ins Krone-Forum wechseln ...


Quote
weizard


Möglicherweise nur als Denkanstoss gemeint...

Die Kommentare mancher Poster wirken überheblich, neidisch, gehässig und werden auch persönlich angriffig . Als grundsätzliche Überlegung gelten die Aussagen von Frau Engelhorn allemal, wenn man bedenkt, wie rasch heutzutage Reichtum ohne *harte Arbeit* entstehen kann! Siehe z. B. Börsenspekulation, absurde Unternehmensbewertungen, fiktive Währungen etc.


Quote
DerGorg

Faszinierend- die Frau sollte Politikerin werden, da sie Intelligenz, Bildung und Integrität mitbringen dürfte und ein unglaublich gutes Vorbild darstellt, auch wenn es leider äusserst unwarscheinlich erscheint, dass unser oberstes Prozent sich ihrem Besispiel anschließen wird.


Quote
Gerd 5775

Mein Gott, wo sind die Politiker, die Frau Engelhorns Ansichten mit Herzblut vertreten?


Quoten--n

Dass ich sowas heutzutage in Österreich lesen darf, das berührt mich jetzt tatsächlich.


...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die 40. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) hat den Gesetzgeber dazu aufgerufen, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) in der nächsten Legislaturperiode zu reformieren und zu einem modernen Transparenzgesetz mit einem Transparenzregister weiterzuentwickeln. "Informationen sind die Basis einer Demokratie", begründen sie ihre Initiative. "Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen."

In dem überarbeiteten Normenwerk müssten das IFG und das Umweltinformationsgesetz (UIG) zusammengelegt werden, "um die Informationsansprüche übersichtlicher und bürgerfreundlicher zu gestalten", betonen die Beauftragten von Bund und Ländern in einer bei der Tagung am Mittwoch angenommenen Entschließung. Ein einheitliches, übergreifendes Transparenzgesetz würde die Bekanntheit, die Anwenderfreundlichkeit und die Durchsetzungskraft aller Informationszugangsgesetze erhöhen.

"Zu den Informationen, die im Transparenzregister veröffentlicht werden, sollten insbesondere Kabinettbeschlüsse und deren dazugehörige Kabinettvorlagen, Verträge von öffentlichem Interesse, Gutachten, Studien und wesentliche Unternehmensdaten staatlicher Beteiligungen gehören", ist der Resolution zu entnehmen. Die Publikation weiterer Daten sei ausdrücklich zuzulassen. Bisher haben Hamburg und Rheinland-Pfalz ein Transparenzgesetz, das über die reine Akteneinsicht hinausgeht. Das Berliner Abgeordnetenhaus berät einen einschlägigen Entwurf, der laut Kritikern aber nach hinten losgehen könnte https://netzpolitik.org/2021/informationsfreiheit-rot-rot-gruenes-transparenzgesetz-wuerde-die-transparenz-in-berlin-einschraenken/.

In das Gesetz soll dem Beschluss zufolge auch eine Klausel aufgenommen werden, nach der Informationen, die auf individuellen Antrag hin zugänglich gemacht wurden, zugleich im Register veröffentlicht werden können ("Access for one = access for all"). Voraussetzung sei, dass ein öffentliches Interesse an einer solchen Publikation bestehe. Zudem sollte das Prinzip "Informationsfreiheit by Design" eingeführt werden. Anforderungen zur Akteneinsicht müssten so von Anfang an bei der Gestaltung der IT-Systeme und organisatorischen Prozesse berücksichtigt werden. Der Bundesbeauftragte sollte Verstöße gegen das Informationsfreiheitsrecht ferner per Anordnung beseitigen können.

Die breiten Ausnahmen ganzer Verwaltungssektoren und Behörden im IFG gehören laut der Entschließung auf den Prüfstand, "da einige Ausschlussgründe überflüssig sind oder sich überschneiden". Sie sollten reduziert und harmonisiert werden. Eine allgemeine Güterabwägung zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse sei als zusätzliches Korrektiv nötig.

Die IFK appelliert parallel in einer weiteren Resolution an die Gesetzgeber von Bund und Ländern, die Bereichsausnahmen für den Verfassungsschutz abzuschaffen und die entsprechende Passage auf den Schutz konkreter Sicherheitsbelange im Einzelfall zu beschränken. "Mehr Transparenz stärkt das Vertrauen in die Verfassungsschutzbehörden und erhöht ihre Legitimation", unterstreichen sie. Auch wenn Maßnahmen der Informationsgewinnung meist der Geheimhaltung unterlägen, bedeute das nicht, "dass ihre gesamte Tätigkeit zwangsläufig intransparent sein muss".

Schon jetzt müssten die Inlandsgeheimdienste etwa "Themen und Teilnehmende von Hintergrundgesprächen auch gegen den Willen der Behörden" gegenüber der Presse bekannt geben, erklären die Beauftragten. Bürger hätten darüber hinaus nach den Umweltinformationsgesetzen prinzipiell Auskunftsansprüche. Es erschließe sich daher nicht, "warum sie auf entsprechende allgemeine Fragen nach dem Informationsfreiheitsrecht schweigen dürfen".

In einer dritten Entschließung heißt es, alle öffentlichen Stellen sollten Beauftragte für Informationsfreiheit benennen, "wie es bereits für den Datenschutz verpflichtend ist". In Rheinland-Pfalz und Thüringen sei dies bereits gesetzlich vorgeschrieben. Damit soll das Recht auf Informationszugang gefördert werden. Die Behördenbeauftragten könnten etwa helfen, wenn Fragen zur Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes oder zu proaktiven Veröffentlichungen auftauchen.

Sinnvoll wäre es der IFK zufolge auch, wenn die Experten intern verdeutlichten, dass ein Antrag auf Akteneinsicht nicht lediglich als "einfache Bitte" qualifiziert werden könne, sondern fristgerecht bearbeitet werden müsse. Ferner sei eine Koordination eingehender Auskunftsersuchen zielführend, was letztlich "zu einer Arbeitserleichterung" bei den Behörden beitrage.

(tiw)



Aus: "Informationsfreiheit: Verfassungsschutz soll transparenter werden" Stefan Krempl (06.06.2021)
Quelle: https://www.heise.de/news/Informationsfreiheit-Verfassungsschutz-soll-transparenter-werden-6063105.html

https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/IFG/IFGEntschlie%C3%9Fungssammlung/AGID_IFK/40Konferenz_Transparenz-Verfassungsschutz.html?nn=5571352

https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/IFG/IFGEntschlie%C3%9Fungssammlung/AGID_IFK/40Konferenz_Transparenz-beh%C3%B6rdliche-IF.html?nn=5571352

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Deutschland gibt es, der sozialistischer Agitation unverdächtigen Boston Consulting Group zufolge, derzeit 2900 Ultrareiche. Auch das ist kein Kampfbegriff, sondern die Übersetzung des Fachterminus Ultra-High-Net-Worth-Individuals. Dazu werden Leute gezählt, die ein »Finanzvermögen« von mehr als hundert Millionen Dollar besitzen.

Weltweit gibt es von dieser Sorte demnach etwa 60.000, die meisten leben in den USA, dann folgt auf der Rangliste China (ohne Hongkong), Deutschland liegt auf Platz drei.

Diese Ultrareichen sind, anders als sehr viele andere Menschen, hervorragend durch die Coronakrise gekommen: Sie wurden noch reicher. Der Trend ist ungebrochen. Gleichzeitig wächst ihr Anteil am weltweiten Vermögen immer weiter.

Die sozialistischer Umtriebe ebenfalls unverdächtige Bank Credit Suisse berichtete schon 2017, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile knapp mehr als die Hälfte allen weltweiten Haushaltsvermögens besaß.

Reiche werden also immer reicher, egal, was der Welt an Unbill widerfährt. Und sie werden immer mehr. In Deutschland ist das besonders krass: Hier besitzen die Ultrareichen 20 Prozent allen Vermögens. Weltweit sind es 13 Prozent. https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-wealth-report.html

Es wird von Leuten, die Fans einer möglichst unregulierten Marktwirtschaft sind, gern behauptet, dass reiche Leute eben reich sind, weil sie besonders hart arbeiten. Oder weil sie bereit sind, besondere Risiken einzugehen. Beides ist offensichtlich falsch: Viele deutsche Ultrareiche etwa haben ihr Vermögen geerbt. Und gegen Risiken wie eine globale Pandemie sind sie offenbar hervorragend abgesichert. Wenn es dumm läuft, dann leiden weltweit die Armen am meisten und die Reichen gar nicht.

Dabei ist denen durchaus klar, dass viele ihrer Geschäftsmodelle die Welt auf den Abgrund zutragen. Auch gegen dieses Risiko sichern sie sich gerade ab, etwa mit Festungen für die Zeit nach der Apokalypse. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/apokalypse-so-bereiten-sich-superreiche-auf-das-ende-der-welt-vor-a-1131490.html

In den USA hat die gemeinnützige Journalismusorganisation ProPublica gerade nachgewiesen, dass die vermögendsten Menschen dort – Leute wie Elon Musk, Jeff Bezos, Warren Buffett, Michael Bloomberg – in den letzten Jahren zwar um unfassbare Summen reicher geworden sind, aber gleichzeitig reale Einkommensteuersätze von teils unter einem Prozent genießen. https://www.propublica.org/article/the-secret-irs-files-trove-of-never-before-seen-records-reveal-how-the-wealthiest-avoid-income-tax

Wenn man hierzulande auf Derartiges hinweist, dann reagieren die Freunde der unregulierten Marktwirtschaft gern mit Kampfbegriffen. Insbesondere wird einem dann verlässlich unterstellt, man strebe den »Sozialismus« an, das wird zweifellos auch im Forum zu dieser Kolumne wieder passieren.

... Der enorme Erfolg der reichen Menschen der Welt, das System zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, hat natürlich wiederum viel mit Geld zu tun. Bekanntlich sind in den USA Wahlkämpfe extrem teure Angelegenheiten, maßgeblich finanziert von Megaspendern und Großkonzernen.

In Deutschland war das bislang nicht in der gleichen Form ausgeprägt. Zwar spenden Unternehmen und vermögende Menschen natürlich auch hierzulande Geld an Parteien, aber einen mit großen Mitteln finanzierten Schlammschlachtwahlkampf nach US-Vorbild gab es bei uns bislang nicht.

Das ändert sich gerade. Am Freitag dieser Woche schaltete die Lobbyorganisation »Initiative neue soziale Marktwirtschaft« (INSM), die maßgeblich von der deutschen Metall-, Elektro- und Automobilindustrie finanziert wird, in vielen großen deutschen Zeitungen (unter anderem »FAZ«, »Süddeutsche«, sowohl Print wie online, online auch noch die »Zeit«) großformatige Anzeigen.

Diese Anzeigen zeigen die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock als Moses ausstaffiert, mit zwei Steintafeln, auf denen neun Verbote stehen, die die Grünen sämtlich nicht anstreben, aber das ist ja egal. Daneben steht: »Warum wir keine Staatsreligion brauchen.« Das Anzeigenmotiv sollte offenbar das aus Sicht der deutschen Industrie wünschenswerte Fürchte-Framing vor dem am Wochenende stattfindenden grünen Parteitag setzen.

Allein die Werbeflächen, die der Lobbyverband da eingekauft hat, kosten viele Hunderttausend Euro. Das Motiv selbst bedient antisemitische Klischees, das findet zumindest der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume [https://twitter.com/beauftragtgg/status/1403252282582503424?s=20]. Das Motiv benutzt auch die in rechtsradikalen Kreisen beliebte Unsinnsthese, beim Wunsch nach einer Verhinderung der Klimakrise handele es sich um eine »Religion«. Die »Gesetzestafeln« enthalten neben Strohmann-Behauptungen zum Thema Klimapolitik auch noch andere übliche Talking Points der INSM zu Themen wie Arbeitsmarkt und Steuern.


Zu den offiziellen »Botschaftern« der INSM gehören übrigens auch mehrere Mitglieder der reichsten deutschen Familien. Arend Oetker etwa, Roland Berger, Randolf Rodenstock. Und natürlich stehen hinter den Verbänden, die die Lobbyorganisation finanzieren, weitere deutsche Ultrareiche, denen bedeutende Anteile großer Konzerne gehören.

Die INSM ist schon seit Jahren massiv dabei, mit Pseudo-Information und politischer Einflussnahme wirksamen Klimaschutz in Deutschland zu verhindern, in trauter Eintracht mit den Klimapolitik-Bremsern in der Union und anderen Parteien. Derzeit organisiert die Lobbyorganisation mit der Tageszeitung »Die Welt«, deren Herausgeber Stefan Aust »Zweifel« am menschengemachten Klimawandel hat, eine Reihe von Gesprächsveranstaltungen, die man nur als Wahlkampf-Events für die Union deuten kann. Zeitung, Lobbyorganisation, Partei, Seite an Seite.

Ich kann mich nicht erinnern, dass in der jüngeren deutschen Geschichte jemals eine Lobbyorganisation im Auftrag von Ultrareichen und Konzernen so offen und mit so viel Aufwand versucht hätte, Einfluss auf einen Bundestagswahlkampf zu nehmen.

Die Leute, denen die Krise rein gar nicht geschadet hat, die sogar von ihr profitiert haben, setzen sich jetzt höhere Ziele: Völlig unverhohlen wollen sie mit ihrem Geld darauf Einfluss nehmen, wer in Deutschland regiert. Mit Ad-hominem-Attacken, Diffamierung, Desinformation und sympathieheischendem Augenzwinkern in Richtung rechts außen.

...

Anmerkung: Die INSM hatte die erwähnte Anzeige auch bei SPIEGEL.de schalten wollen, das wurde jedoch abgelehnt. Die Organisation hat aber in der Vergangenheit auch bei SPIEGEL.de wiederholt Reklame geschaltet.


Aus: "Lobbyarbeit vor der Bundestagswahl: Komm, wir kaufen uns einen Kanzler" Aus einer Kolumne von Christian Stöcker (13.06.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/insm-kampagne-gegen-annalena-baerbock-die-hemmungslose-lobbyarbeit-der-reichen-im-wahlkampf-a-c6e17012-1117-47f7-af2f-d1cec5c2bbe5

QuoteAndreas

Nach diesem Artikel sei schon die Frage erlaubt, wo denn welche Erwartungshaltungen lagen? Superreiche und große Unternehmen, selbst der größere, kleiner Mittelstand, beschäftigten sich ständig mit Zukunftsstrategien und damit natürlich auch mit den Möglichkeiten um Entwicklungen im Sinne der Maximierung des Ertrags zu beeinflussen und setzen dann, die ihnen zur Verfügung stehenden notwendigen Mittel ein, die Ziele, möglichst im angestrebten Korridor, zu erreichen. Dazu wird jedes erlaubte Mittel, fokussiert auf die Zielerreichung, genutzt. Die Momentan an Fahrt aufnehmende Klimadebatte und die Debatte der sozialen Gerechtigkeit in den hoch entwickelten Volkswirtschaften, birgt die konkrete Gefahr, dass in vielen Wirtschaftsbereichen, die in den strategischen Ausrichtungen angenommene Übergangsphase nicht mehr vier, fünf Jahrzehnte beträgt, sondern eher zwei, drei. Dies gefährdet zahlreiche derzeit funktionierende Geschäftsmodelle verschiedener Branchen, was zwangsläufig zu Gegenreaktionen auf allen Ebenen führt und natürlich auch auf dem Feld der politischen Beeinflussungsschlachten. Erwähnen sollte man natürlich schon, dass auch probiert wird die Anpassung der Geschäftsmodelle zu beschleunigen.
Die grösste Gefahr, dass sich die Übergangsphase verkürzt, geht in Deutschland von den Grünen aus. Die geringste Gefahr von der Union. Also ist doch klar wer Feind und wer Freund ist und dass dabei nicht Samthandschuhe benutzt werden bzw. auch tief unter der Gürtellinie die Schläge gesetzt werden. Kommen wir zu den Erwartungshaltungen zurück - je höher die Gefahr, dass durch Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse die Klimapolitik auf schnelle Veränderung setzt, gepaart mit den Themen der sozialen Gerechtigkeit, umso heftiger und schmutziger werden die Reaktionen. Das Ganze zielt auf Fragmentierung der politischen Verhältnisse, denn je mehr Parteien gebraucht werden um eine Regierung zu bilden, umso größer sind die entsprechenden Möglichkeit der Beeinflussung.


QuoteSimon

Eigentlich geht auch andersherum mit der Neid­ De­bat­te. Hinter dieser Organisation stehen Vermögende Personen die den Menschen am anderen Ende nicht mal einen Mindestlohn zugestehen wollen, der ein Minimum an Lebensqualität ermöglichen soll !


QuoteMilan

Die Illusion einer demokratischen Entscheidung (Wahlen) und damit aktiver Gestaltungsmöglichkeit ist noch vorhanden. Mal schauen wie lange noch.
Die Richtung bestimmt längst das Schattenkabinett aus externen Beratern im Auftrag der Superreichen.
Die Gewählten und Volksvertreter sind nur noch Protagonisten für öffentliche Veranstaltungen und Verkündigungen.


QuoteAudiatur

,,Jetzt greifen Konzerne und Ultrareiche unverhohlen und mit viel Geld in den Wahlkampf ein."

Bis auf das ,,unverhohlen" gibt es doch seit es Wahlen gibt echt nichts Neues zu berichten ...
Lediglich das ,,Wie" ändert sich von Jahrhundert zu Jahrhundert, nicht jedoch die Tatsache.
Schön, dass dieser äußerst bereichernde Erkenntnis hier ein Artikel gewidmet wird.


...

Textaris(txt*bot)

#91
Kommentare wild durcheinander (Stimmungsbilder, Mentalitätsgeschichte) zu: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/linke-parteitag-susanne-hennig-wellsow-rede

QuoteErnst Blache #59

Inhaltlich betrachtet sind die Ziele der Linken aktueller und richtiger denn je. Die soziale Spaltung schreitet munter weiter voran, der Mietenwahnsinn in Großstädten geht weiter, prekäre Jobs blühen weiterhin etc.
Linke hatten aber schon immer das Problem, dass sie "zu intelligent" sind. Sie zerfasern sich an inhaltlichen Detailfragen, was zwar grundsätzlich richtig ist, aber für Außenstehende schwer vermittelbar.
Eine inhaltliche Vereinfachung wie in rechten Kreisen ist hier kaum denkbar.

Hinzu kommt, dass dieser Unsinn á la "SED - Nachfolgepartei" aus manchen Köpfen einfach nicht herauszubekommen ist.

Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Leute nicht mehr an Informationen auf einmal verarbeiten können, als auf ein Smartphonedisplay passt. Dafür sind linke Inhalte - so richtig sie auch sind - oft zu komplex und zu grundsätzlich.


QuoteAntipopulist #59.2

"Linke hatten aber schon immer das Problem, dass sie "zu intelligent" sind."

So intelligent, dass sie aus ca. 200 Jahren Wirtschaftsgeschichte einfach nichts lernen wollen und immer noch altertümlichen marxistischen Ideen hinterher rennen. Und Mietenwahnsinn lässt sich nur durch neue Wohnungen lösen, nicht in dem man private Vermieter noch aus dem Markt drängt und Wohnraum verknappt.

"Hinzu kommt, dass dieser Unsinn á la "SED - Nachfolgepartei"

Geschätzt gibt es immer noch ca. 15% Alt-SEDler in der Partei. Gab es übrigens mal eine echte Aufarbeitung der Mauertoten und anderen SED-Opfern, geschweige denn ehrliche Entschuldigungen oder Entschädigungsleistungen für die Opfer und deren Angehörige? Manche Köpfe haben eben kein kurzes Gedächtnis und vergessen das halt nicht.

"Inhaltlich betrachtet sind die Ziele der Linken aktueller und richtiger denn je."

Das mag sein, die Lösungen sind es aber nicht. Und die Leute sind nicht mehr so dumm, den ungeeigneten nostalgischen Lösungsansätzen der Linken hinterher zu rennen.


QuoteTestcenter-Millionär #119

Es würden mehr Leute Die Linke wählen, wenn Frau Wagenknecht wieder an der Spitze wäre. Solange Die Linke es nicht einsieht geht es bergab, aber das scheinen alle zu wissen.


QuoteObermotz 4711 #119.1

Nun, wenn die Leute, von denen sie sprechen, die Politik haben wollen, die Frau Wagenknecht aktuell vertritt, sollen sie AfD wählen. Vermutlich tun diese Leute das eh.


QuoteDickundfett #120

@ Alle
Das Problem der LINKEN ist, dass sie sich auch der Identitätspolitik verschrieben haben - ihre eigentliche Zielgruppe kann damit nichts anfangen.


QuoteAH-JA #125

Zur Zeit reißt es viele linke Parteien auseinander. Die Flügel fallen auseinander. Idealisten und Realisten finden immer schwieriger zusammen. Die Linke wird sich langfristig spalten. Dieser Prozess hat schon längst begonnen. Die Kritiker der Linken in den eigenen Reihen haben recht.


QuoteErnst Blache #59.9

Aktuell ist es aber der Kapitalismus, der versagt. Seit dem weitgehenden Wegfall des Korrektivs jenseits des "eisernen Vorhangs" haben wir fast weltweiten Kapitalismus. Ihnen persönlich mag es ja gut gehen, aber seitdem haben Krisen, Kriege und soziale Spaltung weltweit enorm zugenommen. So sehr, dass es uns irgendwann um die Ohren fliegt. Die enormen Migrationswellen sind ein Beispiel davor. Das haben schon Leute in den 80ern vorausgesehen, aber da wollte es niemand hören. Denn das waren ja nur "linke Spinner". Jetzt passiert es.


Quotedh82 #2.19

Das ist ein generelles Problem der Demokratie, dass grob die Hälfte der Wahlberechtigten unterdurchschnittlich intelligent sind, aber das Konstrukt auf der Annahme des "mündigen Bürgers" fußt. In der Praxis sind wir dann alle mehr oder weniger manipulierbar. Und so kann dann auch Populismus erfolgreich sein.

In den Medien wird dann in der Retrospektive bei der Analyse der Wahlergebnisse immer so getan, als wäre das zu 100% eine informierte Entscheidung der Wähler gewesen. Dabei gibt es gute Gegenbeispiele, wie z.B. die Kampagne der INSM gegen die Grünen, wo ganz nach BILD-Manier Aussagen und Positionen unterstellt werden, die so nie geäußert wurden oder grob irreführend sind, aber bei politischen Gegnern trotzdem auf viel Begeisterung stoßen.


QuoteNiemandBesonderes #2.23

Sie bieten grad das beste Beispiel für das, was schiefläuft. Wenn Leute falsch wählen, dann sind sie halt zu dumm, sonst hätten sie die Grünen, Linken etc. gewählt.
Linksliberale Arroganz, welche die Rechten stärken wird.


QuoteLelyveld #2.24

"Arbeiter und Angestellte der unteren Einkommensklasse finden sich mittlerweile eher bei der AfD oder den Nichtwählern wieder."

Es muss bei denen aber um etwas anderes gehen. Denn auch ein Arbeiter bekommt doch mit, die AFD wuerde nie etwas fuer Arbeiter tun.


Quoteψυχή #2.44

Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, dass viele "zu dumm" seien. Es beschäftigen sich nur viele nicht so sehr damit, was Parteien wirklich wollen und lassen sich dann in die eine oder andere Richtung beeinflussen (wovon ich mich selbst auch nicht 100% ausnehmen würde, das bilde ich mir trotz Bemühung um umfassende Informationen darüber, was Parteien wollen, nicht ein). Teilweise mangels Lust, in vielen Fällen sicher auch einfach dadurch, dass man mit Arbeit, Familie und Sorge darum, wie am Ende des Monats die Miete bezahlt wird (wenn man mal beim Niedriglohnsektor bleibt) so sehr ausgelastet ist, dass einfach kein Nerv mehr dafür da ist.

Worin die politische Situation der vergangenen Jahre finde ich sehr schön dargestellt wird, ist ein Buch, das der User Paul Ericsson (vielen Dank dafür!) unter einem anderen Artikel mal empfohlen hat: "Autoritäre Versuchungen" von Wilhelm Heitmeyer. Darin bezieht er sich auch auf Politologen und Soziologen, die schon Ende des 20. Jahrhunderts die Tendenzen Richtung aufstrebender autoritärer Parteien richtig gedeutet und geradezu "vorausgesehen" haben.


Quotecymex #2.45

Sie würden sich wundern, wieviele Menschen lieber Einbußen beim Einkommen/Sozialleistungen hinnehmen würden, als sich Genderism, Wokeism und Masseneinwanderung aufzwingen zu lassen. Das ist auch die Erklärung, warum soviele Menschen aus prekären Verhältnissen die AFD wählen. Frau Wagenknecht hat das erkannt.


QuoteHackersfriend #2.53

Naja anscheinend geht es denen die knapp Ihre Miete zahlen können auch gut, wenn Sie eher eine Partei wählen, die nur will dass es anderen schlechter geht.  ...


QuoteMüsli ungezuckert #2.57

Viele Leute begreifen nicht, dass die politischen Lager der BRD nicht mehr existieren. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums haben sich Querfronten gebildet. Im Kern geht es heute um globalistisch vs. nationalistisch. Also Fragen, wie will man viel oder wenig Zuwanderung, Leitkultur oder Multikulturalismus, gehören die Innenstädte einheimischen Radfahrern oder SUV-Fahrern aus dem Umland. Letztlich Moderne gegen Tradition. Mit klassisch links vs. rechts hat das nur noch bedingt zu tun.


QuoteFlorian Schwanitz #2.74

"Anscheinend geht es uns in Deutschland also finanziell zu gut."

Der Hälfte vielleicht.

Wir haben 10 Millionen Arbeitnehmer, die für unter 12 Euro Stundenlohn arbeiten, das sind etwa 1/4 aller Arbeitnehmer. Dazu noch die Arbeitslosen. Dazu besitzen die oberen 50% unserer Gesellschaft 98,6% des deutschen Vermögens, die unteren 50 % die restlichen 1,4%. Viele sind dazu verschuldet.

Ich glaube eher, dass derart Gebeutelte nicht mehr daran glauben, dass es mit irgendeiner linken Partei besser wird, sondern Frustration, Unmut und Hass empfinden. Und dieser Hass muss irgendwo hin. Und den fangen weltweit gerade Rechtspopulisten ind nicht Linke ab.

Schön zu sehenn im Buch "Rückkehr nach Reims" von Didier Eribon am Beispiel der Parti Socialiste in Frankreich.


QuoteGoaSkin #2.128

"Es muss bei denen aber um etwas anderes gehen. Denn auch ein Arbeiter bekommt doch mit, die AFD wuerde nie etwas fuer Arbeiter tun."

Ja. ja... die Arbeiter. Fällt denn eigentlich niemandem auf, dass wir in einem post-industriellen Zeitalter leben, in dem die Arbeiterschaft genauso dahin schwindet, wie der Stimmenanteil der SPD?

Natürlich hat die SPD und auch die Linke immernoch den klassischen Arbeiter sehr im Sinn - als jemanden, der mit einem mittleren oder unteren Bildungsabschluss gewöhnlich in einem Großunternehmen arbeitet, in dem Tarif bezahlt wird, ein Betriebsrat existiert und es neben der Gesetzlichen Rente auch einmal eine Betriebsrente geben wird.

Und es wird bis heute versucht, genau diesen einst typischen Karriereweg in Schutz zu nehmen und zu stärken, ohne dabei zu merken, dass das Leben bei all denjenigen, die heute kein Abitur mehr machen, eben nicht so aussieht. Und bei Leuten mit Abitur sowieso nicht.

Wer heute einen Job findet, der weniger Bildung erfordert, findet ihn meist in einem kleinen oder mittleren Unternehmen ohne Tariflohn und ohne Betriebsrat, bei dem eher stark untertariflich bezahlt wird, keine Betriebsrente angeboten wird und private Vorsorge kaum drin ist.

Und demgegenüber versucht die SPD die Rechte der kleinen Leute an der falschen Stelle zu stärken - bei den Arbeitern in Großbetrieben, von denen es kaum noch welche gibt.


Quoterollf_ilm #7

Ob eine Partei an Relevanz verliert, hängt von den Positionen ab, die Sie vertritt. Wenn die Linke, wie im Text gut beschrieben, die Stimmen der Arbeiterschaft an die AFD verliert, ist es ein Zeichen dafür, dass sie, wie die SPD unter Schröder, keine Antworten auf deren Sorgen und Nöte hat. Frau Wagenknecht hat die Entwicklung in Ihrem Buch ganz gut beschrieben.


QuoteIkarus95 #7.5

Welche Angebote macht denn die AfD an die Arbeiterschaft?
Hass und Wut?


QuoteDer böse Mensch von Sezuan #13

Deutschland hätte eine Partei der sozialen Gerechtigkeit bitter nötig, und das sage ich als FDP-Wähler.

Allerdings toben sich die heutigen Linken ja lieber bei Identitätsthemen und Migration aus, was halt praktisch keinen Wähler interessiert. Und wenn doch, dann eher noch negativ-abschreckend.
Sarah Wagenknecht hat dazu im Grunde doch alles gesagt. Jetzt wird es vehement abgestritten bis die 5% unterschritten sind. Ist in dieser Form allerdings auch keinerlei Verlust.


QuoteGarfield1 #13.2

Deutschland hätte eine Partei der sozialen Gerechtigkeit bitter nötig, und das sage ich als FDP-Wähler.

Jaja, die FDP-Wähler sind auch nicht mehr das, was sie mal waren ;-)
Ich als linke Socke stimme Ihrem gesamten Beitrag voll zu.


QuoteAdolfo1 #14

... Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich über Jahrzehnte die Klientel für linke Parteien
sehr verändert hat. Früher waren es z.Bsp. Die Malocher aus dem Ruhrpott, also Kohlekumpel,
Stahlkocher, die einfache Sekretärin, die damals die SPD wählten, unterstützt bei ihrem
Klassenkampf durch Gewerkschaften. Heute haben wir es mehr und mehr mit einer
Dienstleistungsgesellschaft zu tun. Beispiele dafür kennen wir zur Genüge aus den Medien,
wie schlecht bezahlte Pflegekräfte und Tausende Paketzusteller, die von Haus zu Haus eilen,
als wären sie auf der Flucht. Vermutlich fehlt es an einer Lobby für die Betroffenen. ...


QuoteGarfield1 #14.3

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass sich über Jahrzehnte die Klientel für linke Parteien sehr verändert hat. Früher waren es z.Bsp. Die Malocher aus dem Ruhrpott, also Kohlekumpel, Stahlkocher, die einfache Sekretärin ...Heute haben wir ... schlecht bezahlte Pflegekräfte und Tausende Paketzusteller, die von Haus zu Haus eilen, als wären sie auf der Flucht.

Und genau deswegen ist es eben KEINE andere Klientel. Der Klassenwiderspruch(!) zwischen Arbeit"gebern" und Arbeit"nehmern" ist nicht nur gleich geblieben, sondern hat sich sogar noch verschärft. WELCHEN Beruf die Lohnabhängigen nun ausüben, macht dabei keinen Unterschied.


QuoteQuakko #16

Super, wie Neid, Hass und Angst die Wahlentscheidungen der sozial Abgehängten beeinflussen. Wenn man sich das Wahlprogramm der AFD anschaut: Nur die dümmsten Kälber wählen den Metzger selber! Wir haben es nicht nur mit dem Problem der zunehmenden sozialen Ungleichheit zu tun, sondern auch ein Bildungsproblem.


QuoteSofaheld #16.2

Na zum Glück gibt es ja noch genug schlaue Leute wie Sie die als gottgleiche Besserwisserchen allen Ihre Weisheiten mitteilen...


QuoteDithyrambe #18

Ich denke ein Hauptproblem der Linken wird sein, dass diese zu wenig den nationalen Arbeiter im Blick hat. Gerade der "ganz kleine Mann" ist es, der mit dem kosmopolitischen Gerede wenig anfangen kann, er braucht kein Europa, er kann wenig Englisch, er verdient wenig, kann sich gerade noch das Steak und ein Auto leisten. Eine starke Position macht hier die Linke nicht, sie will zwar für alle dort etwas tun, aber wer auf dem Bau arbeitet, hat schon längst mitbekommen, dass dort wenige Deutsche unterwegs sind. Wie kann man diesen Menschen bitte erklären, dass ihre Berufe, oder bei Reinigungspersonal, nicht von Menschen, die von außen kommen, ergriffen werden und die Löhne gedumpt werden? Klar gehen die zur AfD. Ich denke, das ist ein Kernproblem der Linken, sie spricht mit ihrer Linie nur reiche Menschen so wirklich an, so wie die DDR einen Bertolt Brecht ansprach, so wie Marx mit Sicherheit auch nicht zu den Arbeitern gehörte. Es ist eine intellektuelle Partei, die keine echte Basis von Arbeitern mehr hat.


QuoteNelkenheini #33

Die Linke vereint in sich zwei politische Strömungen, die sich immer schwieriger in Einklang miteinander bringen lassen: die postmoderne Kulturlinke der Akademiker und die klassische Soziallinke der Arbeiterklasse. Erstere wandern tendenziell zu den Grünen, letztere (leider) verstärkt zur AfD ab. Es könnte gut sein dass Die Linke zwischen diesen beiden Polen zerrieben wird.


QuoteKapaster d.J. #34

Die Frage ist m.E. falsch herum gestellt.
Sie sollte lauten: Warum hat die Linke in den letzten 30 Jahren so viele Wähler angezogen?
Insbesondere in der Zeit, als sie noch ganz klar ein Sammelbecken für diejenigen war, die mit dem Zusammenbruch der DDR ihre ideologische Heimat und ihre Macht in dieser verloren hatten.

Dezidiert linke Politik, so wie die Partei sie versteht, findet ihre Anhänger eher im jungen akademischen Milieu. Obs der Sahra nun gefällt oder nicht.
Die sogenannten "kleinen Leute" sind ja in Wirklichkeit ja gar nicht links. Sie suchen, wenn sie etwas suchen, nur einen Makler für ihre partikularen Interessen. Viel mehr aber nicht.
Und mancher lebt eben auch seine autoritären Neigungen aus. Da gehts dann stracks zur afd. Weil wenn sie einem schon selber nichts bringt, so verspricht sie doch zumindest, dass es anderen noch viel schlechter gehen wird.


QuoteAnderl_ #36

Eigentlich müssten die Linken in Zeiten von Altersarmut, Rentnerarmut, MIetwahnsinn, zu niedrigem Mindestlohn und Turbokapitalismus locker 2 stellig werden.
Aber speziell durch Ihre ,,hirnrissige" Position zur Flüchtlingspolitik und mangelnde sinnvolle Vorschläge zur Umweltpolitik zerstören Sie sich jede Chance.
...


QuoteRedPandaRaidr #36.2

Die Position zur Flüchtlingsfrage ist doch wohl eine der schlicht besten Positionen der Linken. Sie will keine Menschen abweisen, die wir und unsere Verbündeten erst durch Bombardierung und Stiftung von Bürgerkriegen in die Flucht getrieben haben.

Egal wie sie zu Wirtschaftsflüchtlingen und sonstigen stehen, die aus Ländern, die wir destabilisiert haben, aufzunehmen ist das einzig ethische.


QuoteDirac77 #44.1

"Wie man als wähler der linkspartei zur AfD wechseln kann, das werde ich wohl nie begreifen"

Ich vermute die Arbeiter sind weniger rechts oder links, sondern haben Interessen.
Von SPD, Linken und anderen "Altparteien" wurden sie enttäuscht und versuchen es jetzt aben mal mit der neuen Partei, der AfD.
Vermutlich werden sie auch von der AfD enttäuscht sein und dann endgültig ins Lager der Nichtwähler wechseln, wodurch ihre Interessen dann auch endgültig hinten runter fallen.


QuoteMartin Köster #44.2

Ich vermute die Arbeiter sind weniger rechts oder links, sondern haben Interessen.

und dann wähle ich eine knallhart neoliberale partei, die mit gewerkschaften, mindestlohn und auskömmlichen sozialleistungen für arbeitslose nichts anfangen kann?
macht keinen sinn, oder?


Quote$ophokles #44.3

Macht keinen Sinn!

Und ich glaube sehr wohl, dass diejenigen, die immernoch, oder auch erst jetzt, die AfD wählen, sehr wohl rechts sind.


QuoteMartin Köster #44.4

das denke ich auch ...


QuoteStamoKap2019 #60

Jahrzehntelange antisoziale Propaganda trägt ihre Früchte.
Die Opfer wollen keine Opfer sein. Das ist verständlich. Ihre Lage erkennen sie auch eher nicht.
Das neoliberale Credo ist psychologisch wirkmächtig. ...


QuoteGerhart Rudenstein #63

Die Linken hätte sich nicht diesem identitätspolitischen Unsinn hingeben dürfen, sondern hätte einen eigenen marxistisch motivierten und orientierten Weg sowohl intellektuell als auch praktisch finden und gehen müssen. So ist die Partei vollkommen wertlos, das spüren natürlich die Menschen, für die linke Politik eigentlich einstehen sollte. Es gibt ganze Gesellschaftsschichten, die derzeit politisch heimatlos sind und leichtes Futter für die neurechten Verführer. Daran trägt vor allem das Versagen linker Theorie und Politik der letzten Jahrzehnte Schuld. Widmet euch wieder echten Problemen und den Sorgen der ökonomisch benachteiligten, dann könnt ihr auch wieder Menschen mobilisieren.


QuoteWarum auch immer #77

Die Linken haben es noch nicht kapiert. Nicht komplexe ideologische Konstruktion, sondern einfach ein Stückchen Zucker zur rechten Zeit wirkt Wunder. Was Dompteure schon lange wissen, wissen auch die Kapitalisten, ein Stückchen ,,Zucker" , eine Belohnung, zur rechten Zeit funktioniert schon seit Jahrhunderten . Bei Menschen ist der Zucker derzeit, die 14Tage Mallorca, ein Wellnesswochenende oder der Mittelklassewagen mit Metallic-Lackierung. Dafür werden Höchstleistungen das ganze Jahr über erbracht. Wozu braucht man da die Linken.


Quoteyagi #79

SPD im Westen und die Linke im Osten verlieren ihre Stammwählerschaft, die Arbeiter*innen aus dem industriellen Sektor. Beispiel Ingolstadt, die Stadt mit dem höchsten Durchschnittsverdienst Deutschlands (mit Wolfsburg), und doch wählt mindestens jeder 2. Arbeiter die AFD. Weil die Menschen sehen, dass es mit ihren Jobs bald Schluss sein wird.

So ist der Anteil der im industriellen Sektor Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland von 45 % im Jahr 1950 auf 24 % im Jahr 2017 zurückgegangen, fällt noch weiter und weiter.

Das weckt Urängste, die sich im Wahlverhalten widerspiegeln.



Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Klimakrise sorgt für eine gefährliche Verantwortungslücke: Die massiven Zukunftsfolgen der globalen Erhitzung betreffen allen voran die jungen Menschen, die aber noch nicht in den entscheidenden Positionen sitzen. Dabei ist der Klimawandel längst Realität. Doch diejenigen, die heute wesentliche politische und wirtschaftliche Entscheidungen treffen, werden von den massiven Folgen nicht mehr betroffen sein.

Ein Klimagenerationenvertrag könnte eine wichtige Lücke schließen. Er würde generationenübergreifende Interessenskonflikte in gegenseitigem Respekt und Einvernehmen in gemeinsam ausgeübte Verantwortung überführen.

Starke Emotionen gibt es auf beiden Seiten: Während bei vielen Angehörigen der älteren Generation, gerade in Ostdeutschland, die Narben der letzten Transformation der Neunzigerjahre für Freiheit und Demokratie noch nicht verheilt sind, trommelt die junge Generation bereits für die nächste große Wende – diesmal für Klimaschutz und Freiheit. Die Jüngeren haben die Wissenschaft auf ihrer Seite. Ohne beherztes und schnelles Handeln drohen in Deutschland und weltweit massive Freiheits- und Wohlstandsverluste.

Ein jüngst organisierter Walk for the Future der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, bei dem 30 junge Menschen einhundert Kilometer von Dessau nach Berlin zum Bundestag wanderten und in sechs Zwischenstopps mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Lokalpolitik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über Klimaschutz diskutierten, hat Folgendes gezeigt: Noch immer trifft eine junge, gut informierte Generation auf ältere Mitbürgerinnen und -bürger, die fest im Sattel der politischen Institutionen sitzen. Während die ältere Generation um ihre Lebensleistung fürchtet, will die junge selbstbestimmt Lebensentscheidungen treffen. Allerdings fällt es ihr schwer, mit Inhalten durchzudringen, noch immer sind die männlich dominierten Gremien auf lokaler Ebene schwer zu durchdringen. Und insbesondere bei den Verlierern und Verliererinnen der politischen Wende ist der Enthusiasmus für einen weiteren Umbau der Wirtschafts- und Arbeitswelt begrenzt.

Wir sind davon überzeugt, dass uns diese Bruchlinien der Generationen in der Klimapolitik der nächsten Jahre begleiten werden und einer Auflösung bedürfen, um die Klimakrise als Gemeinschaftsaufgabe erfolgreich zu stemmen.

Der Blick auf das bereits Erreichte in Sachen Energiewende zeigt: Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger können durch eigene Sonnen- und Windenergieanlagen finanziell von der Erzeugung von klimafreundlicher Energie profitieren. Sie bringen sich aktiv in die Gestaltung des vormals monopolistisch organisierten Energiesystems ein. Der deutsche Mittelstand ist nach wie vor ein wichtiger Lieferant für Erneuerbare-Energien-Technik. Klimaschutz in Deutschland hätte das Zeug zu einem neuen grünen Wirtschaftswunder. Eine kluge und gemeinsame Klima-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der künftigen Bundesregierung kann dazu beitragen, die damit einhergehenden sozialen und wirtschaftlichen Chancen für alle Regionen in Deutschland und Menschen unterschiedlicher Altersgruppen zur Entfaltung zu bringen.

Aber: Die großen Bühnen der Bundes- und Landespolitik haben sich bislang als wenig geeignet erwiesen, Interessenskonflikte zwischen den Generationen aufzulösen oder sogar an einer generationenübergreifenden Agenda für Klimaschutz und Wohlstand mitzuwirken. Anders sähe es in der Lokalpolitik aus: Hier werden täglich und unmittelbar Wohl und Ausgleich zwischen verschiedensten Gruppen und ortsansässigen Organisationen und Betrieben verhandelt. Grundsätzliche Positionen und Parteipolitik spielen mitunter eine deutlich geringere Rolle. Die Frage, wie Klimaschutz in Deutschland die Lebensqualität und den Wohlstand aller Generationen hervorbringt, kann vor Ort am besten beantwortet werden: Wie soll etwa ein klimaneutrales Potsdam oder Stuttgart im Jahr 2035 aussehen? Vielerorts werden aktuell lokale Klimaentscheide angeregt, um gemeinsam zu entscheiden, wie ambitionierter Klimaschutz im Sinne aller Menschen vor Ort gestaltet werden soll.

Dazu braucht es beides: das Wissen aus den Transformationserfahrungen der Älteren und die Visionen der Jüngeren – sowie Hartnäckigkeit. Auch die Wissenschaft, die selbst oft mit Kommunikationsproblemen zu kämpfen hat, sollte hier ihrer Verantwortung gerecht werden und die lokalen Aushandlungs- und Gestaltungsprozesse mit fachlicher Expertise begleiten.

Was politische Entscheidungen betrifft, stehen junge Menschen in Deutschland vor einem strukturellen Problem: Zwar sind Vertreterinnen ihrer Generation mit starken Persönlichkeiten und Überzeugungskraft als respektierte und mitunter gefürchtete Gesprächspartner in Talkshows wie Markus Lanz und im Kanzleramt willkommen. Wenn es um politische Vertretung der jungen Generation in den entscheidenden politischen Funktionen und Gremien geht, sieht es anders aus: Hier überwiegt die Trägheit des bestehenden Systems.

Da verwundert es nicht, dass es des Bundesverfassungsgerichts bedurfte, das mit einem wegweisenden Urteil die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz wachrüttelte – die Mitglieder des ersten Senats waren im Übrigen im Schnitt 55 Jahre alt. Auch bei lokalen Klimaentscheiden und nicht zuletzt der Bundestagswahl werden mehrheitlich ältere Menschen entscheiden. Von den rund 60 Millionen Wahlberechtigten sind 35 Millionen älter als 50 Jahre. Soll für die junge Generation mehr als nur die Rolle als starke außerparlamentarische Opposition bleiben, erscheint es dringend notwendig die strukturellen Defizite in der politischen Verantwortung der jungen Generation zu lösen.

Ein Generationenvertrag kann nur schwerlich rechtsgültig verabschiedet werden, dies ist allerdings auch nicht nötig. Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass unser Grundgesetz bereits den Geist der Generationengerechtigkeit in sich trägt. Wichtiger ist: Ein Klimagenerationenvertrag drückt sich in den Willensbekundungen und den Entscheidungen jeder Bürgerin, jedes Bürgers aus und nicht zuletzt unserer politischen Vertreterinnen. Wir erachten dafür die folgenden Entscheidungsfelder als wesentlich:

Deutschland braucht eine generationenverbindende Agenda für Klimaschutz und Wohlstand mit dem Blick auf soziale und wirtschaftliche Chancen. Als Teil des Klimagenerationenvertrags sollte die Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen an diesen Chancen einen zentralen Stellenwert einnehmen.

Als Teil des Klimagenerationenvertrags sollten sich alle mit Nachdruck für die Interessen der jungen Generation einsetzen, etwa in der Unterstützung lokaler Klimaentscheide. Die konkrete Umsetzung von Beschlüssen sollte als Gemeinschaftswerk über alle Altersgruppen hinweg gestaltet werden.

Eine Wahlrechtsreform sollte die Vertretung junger Stimmen strukturell stärken. Die ernsthafte Debatte über ein Wahlrecht ohne Altersbegrenzung halten wir für dringend geboten. Die informelle Übertragung von Wahlstimmen von Großeltern auf ihre Enkel oder Nachwuchsquoten in Beratungs- und Entscheidungsgremien könnten zudem zeitnah umgesetzt werden.


Aus: "Klimakrise: Warum wir einen Klimagenerationenvertrag brauchen" Ein Gastbeitrag von Sebastian Helgenberger (4. Juli 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-07/klimakrise-generationenvertrag-junge-menschen-interessen-energiewende/komplettansicht

Quotedigidirk #6

in einer Demokratie hat jede Stimme das gleiche Gewicht und das ist gut so. Werden bestimmte Stimmen nun stärker gewichtet, dann ist es keine Demokratie mehr und alle Versuche die Demokratie im eigenen Interesse umzudeuten, lehne ich mit aller Entschiedenheit ab, Herr Helgenberger! Morgen könnten dann die Rentner kommen und gleichermaßen argumentieren, dass also die jetztige Rentenpolitik die jungen Leuten ja gar nicht beträfe und junge Leute entsprechend weniger mitreden sollten. Derlei Beispiel könnte man nun beliebig fortführen. Ihr Ansinnen ist, bei allem Respekt, eine ziemliche Schnapsidee ...


Quotemarc236 #7

Was für ein schwarz-weiß Artikel. Es gibt genug junge Menschen, die das anders sehen. Genauso bei den Alten. Wenn ich sehe, dass auch die Aktivisten mehrfache Auslandsreisen im Jahr als Grundrecht ansehen, frag ich mich wie ernst meine Generation das Klimaproblem nimmt.


QuoteSisyphos2020 #8

Die heutige junge Generation hat natürlich die Gelegenheit die Weichen für eine bessere Welt zu stellen. Sie werden ja die zukünftigen Entscheidungsträger sein . Das Problem ist nur dass im Verlauf einer Karriere idealistische Vorstellungen oft ihre Bedeutung verlieren. Die vielgescholtenen Babyboomers haben früher die Grünen gegründet und an den ewigen Weltfrieden geglaubt.


QuoteMarderhund #20

Ich verfolge hier mehrere Themen bei ZON und bin fasziniert, wie entkoppelt private Entscheidungen zum Klima von privaten Entscheidungen zur Altersvorsorge und den Finanzen gesehen werden.

Ein Grundproblem beim Klimawandel und anderer Umweltzerstörung ist, dass die Folgenhaftigkeit finanzieller Entscheidungen nicht richtig wahrgenommen wird. Was hilft es, wenn jemand Carsharing macht, aber zur Altersvorsorge in Fonds investiert, die ihre Gewinne aus Regenwaldabholzung und Ölsandabbau erzielen? Was bringt es, die Plastiktüte durch eine Papiertüte zu ersetzen, wenn man wissentlich oder unwissentlich (z.b. durch Herumliegenlassen auf dem Konto einer ganz normalen Bank) in Großkonzerne investiert?

Die Themen Altersvorsorge und Klimaschutz sind über die investierten Billionenbeträge eng verknüpft- es ist nur schön verschleiert und keiner will so genau wissen, wie die Wurst (=Vermögenserwaltung und -vermehrung) hergestellt wird. ...


QuoteM.Aurelius #24

Vielleicht ist aber ein "Klimagenerationenvertrag" ein weiteres Element genau der Politik, die kritisiert wird. Ein Vertrag ist ein formales Dokument, dass eine Wirkung entfalten kann, aber keineswegs muss, denn es werden häufig Alibiverträge geschlossen, nur um den Eindruck zu erwecken, dass der Willenserklärung Taten folgen. Außerdem würde die Aushandlung viel Zeit benötigen, in denen mit Verweis auf den Vertragsabschluss wenig oder nichts passieren wird. Das eigentliche Problem ist der Unwille und die Unfähigkeit der Politik und dieser Gesellschaft Veränderungen effektiv umzusetzen.


QuoteClimateJustice #27

Das größte Problem sind dysfunktionale Überzeugungen/Einstellungen. "In einem Überblicksaufsatz haben die Psychologen Stephan Lewandowsky und Klaus Oberauer den Forschungsstand zum Thema zusammengefasst":

"18.11.2016: Die große Verschwörung: Warum verweigern sich Menschen wissenschaftlichen Erkenntnissen?"
Wenn Fakten der eigenen Weltanschauung widersprechen, werden sie häufig abgelehnt - in Zeiten von Trump, Brexit und Migrationsdebatten ein Befund mit politischer Durchschlagskraft. In einem Überblicksaufsatz haben die Psychologen Stephan Lewandowsky und Klaus Oberauer den Forschungsstand zum Thema zusammengefasst ... Doch selbst wenn aktuell die Verweigerung rechts der politischen Mitte weiter verbreitet ist, betonen Lewandowsky und Oberauer: "Die kognitiven Mechanismen, die die Ablehnung von Wissenschaft antreiben, finden sich unabhängig von der politischen Orientierung." Mit anderen Worten: Auch die politische Grundüberzeugung schützt nicht vor psychologisch motivierten Kurzschlüssen. Diese werden offenbar von tief in der menschlichen Psyche verankerten Mechanismen ausgelöst.

Und interessanterweise führt ein höherer Bildungsgrad nicht dazu, dass Menschen generell zugänglicher sind für wissenschaftliche Erkenntnisse - im Gegenteil steigt der Grad der Polarisierung bei kontroversen Themen sogar. Der paradoxe Befund: Unter Linken nimmt die Zahl derer, die den Forscherkonsens zum Klimawandel akzeptieren, mit steigendem Bildungsgrad zu - unter Konservativen hingegen sinkt mit besserer Bildung die Akzeptanz klimawissenschaftlicher Erkenntnisse (Hamilton 2011, Kahan et al. 2012, Hamilton et al. 2015). Der Journalist Chris Mooney hat dies einmal den "smart idiot effect" genannt: Bessere Bildung führe lediglich zu "schlaueren Idioten" - also dazu, dass sich Menschen anspruchsvollere Begründungen (oder Verschwörungstheorien) dafür ausdenken, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht stimmen können.

Eine Studie eines Forscherteams um den Psychologen Dan Kahan von der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut machte den paradoxen Effekt von Bildung besonders deutlich. Dabei wurde Versuchspersonen eine raffiniert ausgedachte Zahlentabelle vorgelegt: Angeblich enthielt sie Daten zu Tests einer Hautcreme. Und auf den ersten Blick schienen die Daten die Wirksamkeit der Creme zu bestätigen; bei genauerer Betrachtung der Zahlenverhältnisse wurde aber klar, dass die Creme unwirksam ist. Solange es vermeintlich "bloß" um Hautcreme ging, war der Effekt erwartbar: Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad lasen aus den Zahlen die naheliegende (falsche) Deutung heraus. Probanden mit höherer Bildung hingegen durchschauten den anfänglichen Fehlschluss und gaben eher die gegensätzliche (korrekte) Antwort.

In einem zweiten Schritt änderte das Forscherteam die Beschriftung der Tabelle. Angeblich zeigte sie nun nicht mehr Daten zu einer Hautcreme - sondern zur Frage, ob die Kriminalität in solchen Städten niedriger liegt, in denen das Tragen von Waffen verboten ist. Bekanntlich ist das Thema Waffenbesitz in den USA hoch ideologisiert. Das Ergebnis war erstaunlich: Was die Testpersonen nun aus den Tabellen herauslasen, hing nicht mehr von ihrem Bildungsgrad ab - sondern vor allem von ihrer politischen Einstellung. Jetzt entdeckten selbst höhergebildete Probanden nur dann noch die komplexere Wahrheit bzw. gaben in der Befragung die entsprechende Antwort, wenn sie in ihr Weltbild passte (Kahan et al. 2013).

... Was aber passiert, wenn Menschen auf die Kluft zwischen Forschungsergebnissen und ihrer Meinung hingewiesen werden? Eine verbreitete Lösungsstrategie für den augenscheinlichen Widerspruch sei es, so Lewandowsky und Oberauer, dann eine Verschwörung innerhalb der Wissenschaft zu unterstellen. Dies tut zum Beispiel nicht nur der künftige US-Präsident Donald Trump, wenn er die Erderwärmung als Komplott hinstellt, bei dem unter chinesischer Führerschaft die Konkurrenzfähigkeit der US-Wirtschaft unterminiert werden solle. Nach demselben Muster werde etwa AIDS gelegentlich als Produkt eines verunglückten Forschungsprogramms der US-Regierung erklärt oder von Impfgegnern eine Verschwörung von Medizinern und Pharmabranche unterstellt (Kalichman 2009, Briones et al. 2011).

Für die ideologische Motivation des Wissenschaftsleugnens spricht laut Lewandowsky und Oberauer schließlich, dass sie vor allem bei bestimmten Themen auffällt: bei Befunden nämlich, die starke politische Implikationen haben. Hier verweisen die Autoren auf eine weitere Veröffentlichung des Yale-Professors Dan Kahan. Bei den erwähnten Themen Waffenbesitz und Klimawandel zeigt sich demnach eine starke Polarisierung, klaffen also bei höher gebildeten Rechten und Linken die Ansichten weit auseinander. Hingegen fehlte die Polarisierung bei relativ unpolitischen Themen. So waren sich Konservative und Progressive in Umfragen zu den Gesundheitsrisiken etwa von Röntgenuntersuchungen oder der Nanotechnologie verblüffend einig - und akzeptierten hier einhellig in hohem Maße, was die Wissenschaft sagt (Kahan 2015).

..."

https://www.klimafakten.de/meldung/die-grosse-verschwoerung-warum-verweigern-sich-menschen-wissenschaftlichen-erkenntnissen


QuoteBretterbote #28

So lange es eine Mehrheit gibt, die Phillip Amtor für einen Jugendvertreter hält, wird weiter Lobbypolitik betrieben. Da ändert sich gar nichts. Wichtige Entscheidungen kommen aus Konzernvorständen, die Politiker als Exekutive betrachten und amüsiert, allenfalls belästigt verärgert reagieren, wenn sie Macht abgeben sollen. Das halte ich allen Ernstes nicht für satirische Übertreibung, sondern für die herrschenden Verhältnisse in des Wortes hintertriebenem Sinn.


QuoteMeWantCookies #32

Um Politiker*innen wirklich dazu zu bringen, nachhaltige Politik für die ferne Zukunft und nicht nur für die nächste Legislaturperiode zu machen, muss das Wahlrecht tatsächlich grundlegend verändert werden. Wahlrecht ab 16 und Stimmen aller 16-30 Jährigen müssten dreifach zählen. Wer dagegenhält, dass junge Menschen leichter zu manipulieren und schlechter informiert wären, dem sei gesagt: Dieses Problem trifft jetzt schon auf den Großteil, wenn nicht sogar die Mehrheit, der Wählerschaft zu. Wer aber am längsten mit und unter den Entscheidungen der Politik zu leben hat, muss daher mehr gehört werden. Abgesehen davon sind Kinder, Jugendliche und sehr junge Erwachsene eine Gruppe, die von den meisten Parteien ignoriert wird.


QuoteMusstika #32.1

Das erinner an die "Farm.der Tiere"...

Alle Tiere sind gleich...aber einger sind gleicher als andere.....
Welche Tiere waen das denn noch...?


QuoteWohingehts #35

"Während die ältere Generation um ihre Lebensleistung fürchtet, will die junge selbstbestimmt Lebensentscheidungen treffen."

Welche Lebensleistung der älteren Generation bitte? Die Leistung, dass unbedacht konsumiert wurde ohne die Folgen zu überdenken? Dass nicht ein einziges Produkt zu Ende gedacht wurde?
(Ich gehöre übrigens selbst zu der älteren Generation Ü 50)

"Allerdings fällt es ihr schwer, mit Inhalten durchzudringen, noch immer sind die männlich dominierten Gremien auf lokaler Ebene schwer zu durchdringen."

Richtig, stattdessen wird mit Kanonen auf Baerbock geschossen, während sich Laschet und Co hinter den Mauern ducken, damit sie ihr hinterwäldlerisches Parteiprogramm ab September weiter verfolgen können.

Und wir sitzen alle mit im Boot!


QuoteDarth Nihilus #35.1

Die Mehrheit wird im Herbst auch wieder beweisen, dass all das exakt so gewünscht ist.

Und wenn die Jungen versuchen diese Mauern auch nur beim Namen zu nennen, bricht alle eklige und stumpfe Diffamierung über sie herein.

Kein ,,Vertrag" wird diesen primitiven Hass auf alle ,,Änderungswilligen" beenden.


QuotePhysicsglider #37

"Dabei ist der Klimawandel längst Realität. Doch diejenigen, die heute wesentliche politische und wirtschaftliche Entscheidungen treffen, werden von den massiven Folgen nicht mehr betroffen sein"

Vielen dank für diesen Kommentar, er spricht mir aus dem Herzen!


QuoteNyenhuis #52

,,Das Klima" ist die neue Religion.
Wie bei jeder Religion gibt es einige Vorbeter und sehr viele Gläubige. Und, wie bei der Religion, bestens geeignet, ein schlechtes Gewissen zu erzeugen. Erlösung wird auch versprochen.


QuotePappnase_009 #52.1

Hirn einschalten!


QuoteDirac77 #57

Aus dem Artikel und vielen Kommentaren könnte der Eindruck enstehen, dass junge Menschen überwiegend die Grünen wählen würden, Fridays for Future repräsentativ für große Teile der Jugend ist und Luisa Neubauer im Wesentlichen die Haltung ihrer Generation vertritt.

Dem widerspricht allerdings das Ergebnis U18 Wahl zur Bundestagswahl 2017 deutlich:

CDU 28,5 %
SPD 19,8 %
Grüne 16,6 %
Linke 8,1 %
AfD 6,8 %
FDP 5,7 %

Immerhin 83,4 % haben nicht "Die Grünen" gewählt!

https://de.wikipedia.org/wiki/Kinder-_und_Jugendwahl_U18


QuoteSoschongarnicht #58

Wir brauchen weniger einen Generationen -Klimaschutzvertrag als vielmehr generell mehr Vernunft sowie weniger Behäbigkeit und Bequemlichkeit, so dass jeder nur dann das Auto braucht wenn es eben wirklich notwendig ist, so dass wenn er es braucht es dann so sparsam und ökonomisch fährt wie es eben möglich ist. Solch rationales Verhalten angewandt auf
Mobilität, Wohnen &Heizung und Ernährung würde nicht nur dem Klima helfen sondern außerdem
die Lebenserwartung und Lebensqualität vieler Bundesbürger wesentlich erhöhen. In der Realität zeigt sich zudem (leider) oft dass gerade die Jugend selbst mit viel Elan, mit
quietschenden Reifen und hochgedrehten Motoren unterwegs ist als gäbe es kein morgen. Man will "Spaß" & "Alles aber bitte gratis" - koste es was es wolle.


...

Textaris(txt*bot)

Michael Koß (* 1976 in Alfeld (Leine)) ist ein deutscher Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Vergleichende Politikwissenschaft, Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland und Demokratieforschung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Ko%C3%9F

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Politikwissenschaftler

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH (kurz: INSM) ist eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete und von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation. Die INSM ist ein Tochterunternehmen des Instituts der deutschen Wirtschaft. Sie verfolgt das Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit ihre politischen Botschaften bei Entscheidern und in der Bevölkerung zu verankern. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Initiative_Neue_Soziale_Marktwirtschaft

...

Quote[...] Die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat mit einer Anzeigenkampagne für Kritik gesorgt, die die Grünenspitzenkandidatin Annalena Baerbock als Moses mit zehn Verboten darstellt. In diesem Gastbeitrag kritisiert der Politikwissenschaftler Michael Koß die Kampagne. Die Anzeige lief auch bei ZEIT ONLINE, wo Redaktion und Anzeigenabteilung, wie es üblich ist, getrennt voneinander arbeiten.

Als ich die Anzeige der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mit Annalena Baerbock als Moses zuerst am Donnerstagabend in der digitalen Ausgabe einer Tageszeitung gesehen habe, fand ich sie sofort bemerkenswert, ohne genau zu wissen, warum. Sie schien mir nicht nur polemisch, wie es im Wahlkampf üblich ist, sondern auch in einer bestimmten Hinsicht anstößig. Am Freitagmorgen brachte mich dann ein Kollege, der die Anzeige ebenfalls gesehen hatte, darauf, was mich störte: "INSM goes antisemitic." 

Das war es, das ist es. Die Macher nutzen, bewusst oder unbewusst, tief sitzende antisemitische Stereotype, um die Bundestagswahl in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zwar hatte der FDP-Politiker Jürgen Möllemann bereits vor der Bundestagswahl 2002 auf eigene Faust ein antisemitisches Faltblatt lanciert [https://www.zeit.de/2003/25/M_9allemann/komplettansicht "Eine Überdosis Politik: Der Fall Möllemann" (12. Juni 2003)], aber eine konzertierte Kampagne, die dieses für Deutschland so zentrale Tabu bricht – das ist dann doch etwas Neues in der Bundesrepublik. 

Warum ist es antisemitisch, Baerbock als Moses nebst Gebotstafeln darzustellen, dazu die Überschrift "Annalena und die zehn Verbote"? Was die Anzeige der INSM, die in mehreren überregionalen Zeitungen und auch bei ZEIT ONLINE lief, Baerbock vorwirft, ist die göttliche Mission – genauer: die Mission des jüdischen Gottes. Mehr noch: Das altertümlich wallende Gewand, Baerbocks ganze alttestamentarische Aufmachung, unterstreicht, dass sie keine von uns ist. "Wenn du denkst, du könntest hier höhere Weisheiten unter unser Volk bringen, dann hast du dich getäuscht" – das ist die Botschaft der Anzeige. Ihr vermeintlich jüdischer Messianismus ist es, der Annalena Baerbock zum Vorwurf gemacht wird. 

In seinem jüngst erschienenen Überblickswerk zum Antisemitismus in Deutschland definiert Peter Longerich Antisemitismus als Feindschaft gegen ein vorgestelltes Kollektiv ['Antisemitismus in DeutschlandHistoriker Peter Longerich beleuchtet Judenhass Schüsse auf die Synagoge in Bochum, der Anschlag auf die Synagoge in Halle: Antisemitismus und Judenhass sind in Deutschland nach wie vor präsent. Der Historiker Peter Longerich schreibt über die unterschiedlichen Formen der Judenfeindschaft in Deutschland von der Aufklärung bis heute' Otto Langels (03.05.2021) https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-in-deutschland-historiker-peter-longerich.1310.de.html?dram:article_id=496532]. Antisemitisch sei, "Personen, die als Juden wahrgenommen werden, aufgrund dieser Zurechnung zum jüdischen Kollektiv negative Eigenschaften [zu] unterstellen". Genau das passiert in der Moses-Anzeige der INSM, deren Subtext lautet: Die jüdisch-messianische Annalena Baerbock stellt unseren Lebensstil infrage.

Das Infame an diesem antisemitisch konnotierten Vorwurf ist, dass Baerbock und den Grünen damit die Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft bestritten wird. Man hat sich nämlich ausweislich der Logik der Anzeige nicht nur getäuscht, wenn man höhere Weisheiten unters Volk bringen zu können glaubt, man gehört eigentlich gar nicht zu diesem Volk. Hier wird ein klarer Gegensatz konstruiert zwischen denen, die messianisch erreichbar sind, und denen, für die dies nicht gilt: "Die" und "wir". Man kennt das aus Zeiten, die man längst vergangen wähnte.

Antisemitismus funktioniert, um einen sehr erhellenden Begriff der Historikerin Shulamit Volkov zu verwenden, als kultureller Code. Erstens appellieren Codes an tief eingesunkene Ressentiments, die gar nicht intellektuell verarbeitet werden müssen, um wirksam zu sein. Als ich die Anzeige des INSM zuerst sah, wirkte sie bereits auf mich, ohne dass ich die antisemitischen Implikationen schon genauer nachvollzogen hatte. Deshalb ist es auch müßig, die Anzeige damit zu entschuldigen, sie sei ganz anders gemeint gewesen oder offenbare sich erst nach länglichen Gedankenoperationen als antisemitisch. Der kulturelle Code des Antisemitismus ist in Deutschland tiefer eingesunken als in irgendeinem anderen Land der Welt.

Zweitens verdeutlicht der Begriff des Codes, dass die antisemitischen Ressentiments immer auch auf etwas anderes verweisen. So, wie sich beispielsweise Morse-Codes in Worte übersetzen lassen, lässt sich der Antisemitismus in eine antidemokratische Handlungsaufforderung übersetzen: Wenn nämlich nicht alle dazugehören, dann können "die anderen" auch anders behandelt werden.

An dieser Stelle wird die INSM-Kampagne auch politikwissenschaftlich interessant. Sie ist das Symptom einer Rückentwicklung des politischen Diskurses in alte, vordemokratische Freund-Feind-Kategorien. 

Was meine ich damit? Es war die große Errungenschaft des politischen Wettbewerbs in der Bundesrepublik, den Streit über die Zugehörigkeit zum politischen System nahezu vollständig beizulegen und sich nicht mehr in kaum lösbaren Konflikten aus der Kategorie "Wer darf mit am Tisch sitzen?" zu ergehen, die jederzeit eskalieren konnten. Stattdessen saßen die Männer (ich komme zu den Frauen) am Tisch und stritten über wirtschaftliche Fragen der Umverteilung. Nicht zuletzt der Kalte Krieg sorgte dafür, dass sich mit Westbindung und Antikommunismus zwei ideologische Leitplanken etablieren konnten, die den Streit über die Zugehörigkeit und überschießende ideologische Energien einhegten. Wer wollte schon gemeinsame Sache mit "Moskau" machen oder die Verankerung im "westlichen Bündnis" hinterfragen? Doch nur sehr überzeugte Ideologen, die durch antikommunistische Appelle ebenso effektiv in Schach gehalten werden konnten wie durch das Pochen auf die Westbindung. Mehr noch, Konversionen waren möglich, denn jeder konnte unter den Schutzschirm des Westens krabbeln und dem Kommunismus abschwören (looking at you, Jürgen Trittin).

Antisemitische Angriffe hingegen wirken stigmatisierend, eben weil sie die Menschen nicht nach ihren frei gewählten politischen Einstellungen sortieren, sondern nach nur gefühlter Zugehörigkeit. Das ist das eigentlich Perfide an der Baerbock-als-Moses-Anzeige: Sie sortiert Baerbock aus der politischen Gemeinschaft aus und legt nahe, dass man sich mit ihnen auch nicht mehr inhaltlich, also demokratisch, auseinandersetzen muss, sondern sie kategorisch als falschen Messias ablehnen und bekämpfen kann – und mit ihr die ganze grüne Partei. Die Grünen werden damit als das abgestempelt, was den Sozialdemokraten seit dem Kaiserreich zum Vorwurf gemacht wurde: dass sie "vaterlandslose Gesellen" seien. So sickert das alte Gift vermeintlich unüberbrückbarer Differenzen erneut in den politischen Diskurs ein.

Im Gegenzug Klimaforscher schon vorsorglich als neue Juden auszustellen und damit Kritik an ihnen im Vorhinein als antisemitisch zu stigmatisieren, wie es die Publizistin Carolin Emcke auf dem Grünenparteitag getan hat, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls wenig hilfreich, um es mit Angela Merkel zu sagen. Aber: Emcke hat damit niemanden persönlich angegriffen oder ausgegrenzt, ihre Äußerungen sind deshalb keinesfalls gleichzusetzen mit der herabsetzenden Kampagne der INSM.

Ist das also das Neue an der "neuen sozialen Marktwirtschaft", dass nicht mehr alle mitmachen dürfen? Man möchte es fast glauben, denn neben den antisemitischen Stereotypen nutzt die Kampagne, ebenso wie viele andere Angriffe auf Baerbock, auch den Antifeminismus für sich. Gegen Frauen und gegen Juden: Das ist seit dem Kaiserreich die deutsche Klammer aller rechten politischen Bewegungen.

Man übersieht ja oft, dass die Rechte eigentlich ähnlich zerstritten ist wie die Linke: Wie genau "dem Volk" nun zur Herrschaft zu verhelfen ist, darüber ringen national Bewegte mindestens so angestrengt wie Linke über die Frage nach dem richtigen Weg in die klassenlose Gesellschaft. Da trifft es sich gut, bei allen Streitigkeiten ein gemeinsames Feindbild zu haben, und das waren schon im Kaiserreich neben den Juden Frauen, die Gleichberechtigung für sich einforderten.

Dass diese vordemokratischen Kategorien politisch nun wieder sichtbar und wirksam werden, ist kein Zufall. Seit dem Ende des Kalten Kriegs tut man sich im politischen Betrieb zusehends schwer, Mehrheiten durch Appelle an die Notwendigkeit der Westbindung oder antikommunistische Vorwürfe hinter sich zu scharen. Klar, es gibt nach wie vor Versuche, die guten alten Vorwürfe zu aktivieren. Hans-Georg Maaßens Warnung vor dem "Ökosozialismus" https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-05/hans-georg-maassen-thueringen-wahlkreis-rechtsextremismus-querdenken wäre hier einschlägig als modernisierte Warnung vor dem Kommunismus. Aber Maaßen scheint der eigenen Drohkulisse selbst nicht mehr recht zu trauen und hat sie vorsorglich gleich antisemitisch grundiert, indem er von der "neuen Weltordnung" und den "Globalisten" als deren Nutznießern spricht. Und, auch klar: Ambitionierte Frauen wurden insbesondere in Westdeutschland politisch immer angefeindet. Angela Merkel machte zu Beginn ihrer Zeit als CDU-Vorsitzende ebenfalls reichlich Erfahrung mit misogyner Häme aus der Abteilung "Die kann es nicht". Aber Merkel hatte die Gnade der frühen Geburt und vor allem: keine Kinder. Und sie hat aus den misogynen Anwürfen den Schluss gezogen, sich um nahezu keinen Preis als Frau zu präsentieren. Das alles ist für die 41-jährige Annalena Baerbock mit zwei kleinen Kindern keine Option, und deshalb wird es jetzt immer schriller.

Vordergründig ist es für viele Konservative offensichtlich ein Fanal, dass Frauen jetzt nicht nur zufällig und gegen alle Wahrscheinlichkeit, sondern gleichsam geplant Karriere in der Politik machen. Dies erklärt, warum es so wichtig scheint, ob eine Kanzlerkandidatin des Jahres 2021 ihren Job als Büroleiterin 2005 oder 2006 angetreten hat. Vor allem aber haben die Grünen erstmals die Möglichkeit, bei einer Bundestagswahl die stärkste Partei zu werden. Früher hätten ihre politischen Gegner sie gescholten, nicht aus dem westlichen Bündnis auszuscheren oder gar gemeinsame Sache mit dem Klassenfeind zu machen. Heute müssen offensichtlich härtere, zersetzendere Vorwürfe erhoben werden. Das ist Gift für die Demokratie. 


Aus: "INSM-Kampagne gegen Annalena Baerbock: Die gehört nicht zu uns" Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Michael Koß (12. Juni 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-06/insm-annalena-baerbock-kampagne-antisemitismus-frauen/komplettansicht

QuoteZONFAN #2

Diese Anzeigen Kampagne ist absolut bescheuert, Antisemitismus kann ich allerdings nicht erkennen. Aber bei aller Kritik: die Anzeige wurde die letzten Tage massiv auf Zeit online geschaltet. Hat Zeit online überhaupt kein Einfluss welche Anzeigen auf der Seite geschaltet werden?


QuotePotz 1000 #2.19

"Antisemitismus kann ich allerdings nicht erkennen."

Ja nee, ist klar.


QuoteTobmal #2.53

Können Sie mir das bitte erklären. Ich verstehe es nicht. Ich habe mir bei der Anzeige alles gedacht. Antisemitismus war nicht ansatzweise dabei.


QuoteFriedlicher Kampfradler #2.57

Es wurde nun wirklich mehr als ausführlich belegt, warum die Anzeige Antisemitisch unterlegt ist.
Können Sie sich mit den Argumenten auseinandersetzen oder bleibt es beim übliche Widerspruch ohne Begründung?


Quotemit schal #2.25

,,Wie vermittelt man etwas, was der Adressat gar nicht erkennt ?"

Zum Einstieg, Google: Edward Bernays


QuoteTobmal #2.114

Tut mir leid. Ich habe im Wesentlichen den üblichen Vorwurf "Verbotspartei" gesehen.


QuoteMetalman #2.141

Politikwissenschaftler, wie der Autor oder Juden mögen sofort Antisemitismus erkennen. Der Großteil der Bevölkerung nicht, der weiß nicht mal wer Moses überhaupt ist.


QuoteTrustMe #2.77

Ich sehe ebenfalls keinen Antisemitismus. Ich halte das für eine Verirrung des Kommentators, da "der jüdische Gott" auch der Gott der Christen ist, und das alte Testament auch ein fester Bestandteil der Bibel ist. Die 10 Gebote spielen im Christentum genau so eine fundamentale Rolle, daher finde ich hier die Antisemitismus-Interpretation etwas zu billig.
Ich finde die Kampagne sogar ganz witzig. Und ich finde es hat sogar einen realistischen Hintergrund. Während die 10 Gebote das Zusammenleben der Menschen in unmittelbarer Nachbarschaft seit Jahrtausenden zufriedenstellend regeln, ist das Zusammenleben zwischen entfernteren Völkern oder auch das Verhalten gegenüber künftigen Generationen derzeit moralisch noch nicht geregelt. Da wäre es schon nett, wenn jemand die nächsten 10 Gebote anschleppt. Auch der Rest passt ganz gut, während die einen sich Gedanken machen, wie wir den Karren aus dem Dreck bekommen, tanzen andere um das goldene Kalb respektive den goldenen SUV/Billigsprit/Ferienflieger/etc. Wenn der INSM gewusst hätte, wie recht er doch hat, aber eben nicht so wie er denkt :-)


QuoteEinHistoriker #13

Ich finde es gut und wichtig, dass auf die antisemitischen Implikationen der Anzeige hingewiesen wird - ich frage mich allerdings, ob diese einzige Problem daran ist: denn auch wenn sich die INSM diesen Tabu-Bruch nicht geleistet hätte, wäre es skandalös. dass eine dubiose, allerdings finanzstarke Lobby-Organisationen wenige Monate vor einer Wahl eine Schmutzkampagne gegen eine Kandidaten führt. Wenn Geld Wahlen beeinflussen kann, wird das nicht erst dann zum Problem, wenn dabei antisemitische Topoi bespielt werden.


QuoteSinnsuche #33

Ich denke nicht, dass diese Kampagne bewusst antisemitsch war. Moses und die 10 Gebote sind fest im kulturellen Gedächtnis verankert und es gibt halt kein besseres Sinnbild, um eine "Verbotspartei" satirisch darzustellen. Allerdings ist die Satire nicht sehr gut gelungen, denn einige der Verbote deuten zu sehr auf Lobbypositionen der INSM hin.


QuoteMatze 83 #36

Ich bin ehrlich gesagt erstaunt wie viele Kommentatoren hier keinen Antisemitismus erkennen können (wollen). Dabei ist dieser ebenso offensichtlich wie einfach erklärt:
Baerbock wird hier als Moses dargestellt, in jüdischer Aufmachung und mit den 10 Geboten, die nun mal aus dem alten Testament, also dem jüdischen Anteil des Christentums, stammen.
Gleichzeitig wird Baerbock aber in der Anzeige als "böse" dargestellt, als jemand der angeblich mittels Verboten das arme "Volk" zu knechten gedenkt. Frage nun, warum muss man, wenn man jemanden als böse darstellen will, ihn als Figur des Judentums zeigen? Hier wird direkt "böse" mit "Judentum" verknüpft. Darin enthalten ist dann gleich auch noch das alte antisemitische Stereotyp des die Weltherrschaft antrebenden Judentums, der unterschwellig mitschwingt.

Selbst wenn man vor diesem Antisemitismus denn unbedingt die Augen verschliessen will, alleine der Umstand das eine reine Lobbyorganisation wie die INSM eine derartige, in jedem Falle geschmacklose, Hetzkampagne gegen eine Kanzlerkandidatin fahren kann und darf sollte mehr als Grund zur Sorge und Diskussion sein. Man könnte an der Stelle auch gleich mal recherchieren ob und wie diese oder ähnliche Organisationen eigentlich in das Pushen der in den letzten Wochen hochgekochten Diskussionen um Baerbock verwickelt sind, also diese Kindergartengeschichte mit dem Lebenslauf oder die ständig wiederholten Falschbehauptungen in der Kurzstreckenflüge-Diskussion.


QuotePlonit Almonit #36.1

In jüdischer Aufmachung? Ist mir neu, dass Juden so angezogen sind. Moses ist in Deutschland oder war bisher in erster Linie eine Figur des Christentums, auf vielen Kirchenmalereien zu finden, jedes Christenkind in meiner Generation kannte die Geschichten mit dem Baby im Körbchen und dem Auszug aus Ägypten, dem Dornbusch und dem goldenen Kalb. Antisemitische Verschwörungsideologien haben eine Fixierung auf den Talmud als jüdischem religiösem Symbol, nicht auf Moses.
Die verlogene sog. INSM fährt seit mindestens 30 Jahren üble Kampagnen und "mischt sich in den Wahlkampf ein", wenn es jetzt endlich einmal unangenehm auffällt und sie per Antisemitismusvorwurf diskreditiert werden, soll's mir recht sein.


QuoteOlga Tovyevsky #36.2

Aber Moses hat wen aus Ägypten geführt? Kleiner Tipp: Die Christen definitiv nicht. Und welche Religion basiert auf den sogenannten "fünf Büchern Mose" und wird deshalb als "mosaische Religion" bezeichnet?

Für Ihren letzten Absatz gebe ich Ihnen allerdings ein Sternchen.


...

Textaris(txt*bot)

#94
Quote[...] Der frühere US-Präsident Donald Trump übte laut jetzt veröffentlichten Gesprächsnotizen noch wenige Wochen vor seinem Ausscheiden aus dem Amt massiven Druck auf das Justizministerium aus, seine unbewiesenen Wahlbetrugsvorwürfe zu stützen.

Den am Freitag veröffentlichten Aufzeichnungen zufolge forderte er den damals amtierenden Justizminister Jeffrey Rosen Ende Dezember in einem Gespräch auf, dieser solle "einfach sagen, dass die Wahl korrupt war, und den Rest mir überlassen".

Rosen sagte Trump bei dem Treffen am 27. Dezember, das Justizministerium habe seine Behauptungen des Wahlbetrugs geprüft und keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gefunden.

Laut den Gesprächsnotizen des bei dem Treffen anwesenden stellvertretenden Justizministers Richard Donoghue sagte Rosen in dem Gespräch, der Präsident müsse "verstehen, dass das Justizministerium weder mit dem Finger schnipsen will noch kann, um den Ausgang der Wahl zu ändern, so läuft das nicht".

Trump habe darauf beharrt, seine Niederlage gegen Joe Biden rückgängig zu machen: "Wir haben eine Pflicht den Leuten zu sagen, dass dies eine illegale, korrupte Wahl war", sagte er demnach.

Die handschriftlichen Gesprächsnotizen wurden am Freitag vom Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses veröffentlicht, der Trumps Vorgehen nach seiner Wahlniederlage untersucht. Die Aufzeichnungen zeigten, dass Trump "in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft die oberste Justizbehörde unseres Landes direkt angewiesen hat, Schritte zum Kippen einer freien und fairen Wahl zu unternehmen", erklärte die Ausschussvorsitzende Carolyn Maloney. (AFP)


Aus: ",,Sagen Sie, die Wahl war korrupt – und überlassen Sie den Rest mir"" (31.07.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/trump-setzte-die-us-justiz-unter-druck-sagen-sie-die-wahl-war-korrupt-und-ueberlassen-sie-den-rest-mir/27471374.html

Die Gewaltenteilung (in Österreich auch Gewaltentrennung) ist ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip der Verfassung eines Rechtsstaats. Sie bedeutet, dass ein und dieselbe Institution grundsätzlich nicht verschiedene Gewaltenfunktionen ausüben darf, die unterschiedlichen Hoheitsbereichen staatlicher Gewalt zugeordnet sind.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltenteilung

... Angestrebt wird die gegenseitige Kontrolle von Verfassungsorganen und ein partielles Gleichgewicht der Macht zwischen ihnen. Es gilt als ein Wesensmerkmal des politischen Systems der Vereinigten Staaten. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Checks_and_Balances

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QuoteTorrente #7

Die semiregelmäßige Erinnerung, wie nahe dran die USA waren, ihre Demokratie zu verlieren (mit entsprechenden Konsequenzen für die meisten anderen Demokratien).


Quoteeichelhäher #7.4

Die Gewaltenteilung, insbesondere die Justiz, bestimmt, ob Wahlen korrekt ablaufen und was eine gültige Mehrheit ist. Daher sollten man den Fokus unbedingt auf die Gewaltenteilung geben. Ist die erst einmal dahin, kann man jede Wahl im eigenen Sinne manipulieren.
Die Gewaltenteilung ist das Fundament jeder Demokratie!


Quotethomanski #7.6

Sagen wir mal so, wenn die USA allmächtig von Trump regiert würden, und sich das so wünschten, dass hier die AfD nach vorne zieht, und zu diesem Zweck Facebook klar macht, dass man dem, was früher Cambridge Analytica hiess, freie Hand liesse, um Fake News hier in aggressivstem Stile zu verbreiten, dann würden wir uns wie genau dagegen verteidigen?


QuoteKultourist #10

Trump hat auch in Georgia angerufen und die Zuständigen dort aufgerufen, dass sie doch bitte ein paar Stimmen für ihn "finden" sollen.
Eigentlich sollte Trump deswegen schon vor Gericht stehen, denn der vollständige Telefonmitschnitt ist doch eindeutig. Die bildliche "smoking gun" sozusagen.


QuoteDreiblum #10.1

Da hat der Don gewisse mafiöse Qualitäten. Was er da in dem Telefonat gesagt hat, kann man so oder so auslegen.
Mich erinnert das ein wenig an den Paten: "Der Stefano, der gefällt mir nicht." in den Raum geworfen. Drei Tage später, Giorgio meldet - der Stefano, der wurde erschossen. Giorgio bekommt ein Bonbon in den Mund gedrückt und ein paar aufmunternde Klapse auf die Wange.


QuoteDr.Gott #16

Wir sitzen jetzt alle hier und schütteln mit dem Kopf. Zurecht.

Dann aber denke ich mir dass das halt nicht einfach nur ein amerikanisches Problem ist. ... Mein Punkt: Wir lachten jetzt wie lange über die Amerikaner und skandalierten wie viele Millionen irgendwelchen Heinis wie Trump hinterher rennen? Das alles scheinbar ohne zu begreifen dass vergleichbare Heinis auch vor der Haustüre rumlaufen.


Zu: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/us-wahl-donald-trump-justizministerium-korruption-ergebnis
...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Isolde Charim ist eine österreichische Philosophin, zuletzt erschien ihr Buch "Ich und die Anderen" (Zsolnay, 2018).

Unser demokratisches Universum hat in letzter Zeit zwei massive Erschütterungen erfahren. Die eine Erschütterung teilen wir mit dem Rest der Welt – nämlich die Pandemie samt den sogenannten "Querdenkern" in ihrem Schlepptau. Die zweite Erschütterung aber gehört uns ganz exklusiv: das harte Aufprallen des sogenannten "Systems Kurz" an der Öffentlichkeit. Diese demokratischen Notfälle, oder um mit Angela Merkel zu sprechen: diese demokratischen Zumutungen ereilen uns nahezu zeitgleich.

Es gibt da eine berühmte Geschichte über den Physiker Niels Bohr: Ein Kollege, der ihn in seinem Landhaus besuchte, stellte überrascht fest, dass ein Hufeisen an der Tür hing. Erstaunt fragte er den Physiker: Glauben Sie denn daran, dass so ein Hufeisen die bösen Geister vertreibt und Glück bringt? Der Naturwissenschaftler Bohr antwortete: "Natürlich glaube ich nicht daran. Aber es hängt da, weil man mir gesagt hat, dass es auch wirkt, wenn man nicht daran glaubt."

Einer, der diese Geschichte besonders liebt, ist Slavoj Žižek. Žižek zieht diese Anekdote heran, um darzustellen, wie Demokratie heute funktioniert: "Kein Mensch nimmt Demokratie oder Gerechtigkeit mehr ernst, wir alle wissen um deren Korruptheit, dennoch praktizieren wir sie, weil wir annehmen, dass sie auch wirken, wenn man nicht an sie glaubt." Das ist pointiert, aber hat Žižek da recht?

Demokratie ist zweierlei: eine Regierungsform und ein Mythos. Demokratie ist eine Regierungsform: mit ihren Verfahren, ihren Institutionen und ihren Regeln. Die Realität einer Regierungsform also. Demokratie aber braucht noch etwas anderes – nämlich einen Glauben. Den Glauben an Souveränität, an Legitimität, an eine Vorstellung von Gerechtigkeit und von gerechter Herrschaft. Dieser Glaube ist der Mythos der Demokratie. Damit ist kein falscher Mythos gemeint, den es aufzuklären gilt – sondern ein notwendiger Mythos. Ein Mythos, der sie stützt, der sie bestimmt. In diesem Sinne ist Demokratie also Realität und Mythos zugleich.

Was nun die Realität der Regierungsform anlangt, so haben wir hier in Österreich unmittelbar erlebt: Die demokratische Regierungsform kann auch bloß instrumentell gebraucht werden – als Fassade, als PR-Tool, als Machtinstrument. Demokratie wird dann zum Schattenspiel, bei dem wir verwandelt werden: Aus Bürgern werden wir zum Publikum. Ein Schattenspiel hinter dem Machtmissbrauch und Manipulation, die Realität der Demokratie korrumpieren kann.

Einerseits. Andererseits haben wir auch gesehen, dass die Justiz intervenieren kann. Dass solches Folgen haben kann, sogar zu Rück- oder Seitentritten führen kann. Dass also die Gewaltenteilung funktioniert. Auch wenn dann die Justiz ungewollt in die Situation kommt, politische Funktionen zu übernehmen. Wir haben auch gelernt: Wenn nichts mehr hilft, kann immer noch von irgendwo ein Video herkommen – und zum Wächter der Demokratie werden.

Wenn Demokratie also die Realität einer Regierungsform ist (mit all ihren Defiziten) – was aber hat es dann mit dem Glauben auf sich? Ist es so, wie Žižek sagt: Keiner glaubt mehr an sie, weil jeder sie ohnehin für korrupt hält? Genau da muss man Žižek widersprechen.

Demokratie ist einer unserer zentralen Mythen. Demokratie ist heute unantastbar. Unantastbar aber ist das, was einer Gesellschaft heilig ist. Demokratie ist der Horizont unserer Moral – sie bestimmt unsere Werteskala zwischen demokratisch und undemokratisch. Sie ist unser Maßstab. Vor allem aber ist sie unsere Formel für Recht, für Ordnung. Die Formel zur Abwehr undemokratischer Schatten. Die Formel zum Einspruch gegen das Nichtdemokratische. Kurzum: Demokratie ist unsere Beschwörungsformel für alles Gute. Man könnte auch sagen: Die Rede von der Demokratie ist unser Fetisch.

Gleichzeitig aber gibt es den ständigen, nicht verklingenden, drängenden Chor jener, die uns zurufen: Die Souveränität des Volkes ist entleert. Dieser Inbegriff unserer Gesellschaft wird immer blasser. Demokratie – das ist eine ausgehöhlte Form. Inhaltsleer. Vage. Eine leere Formel, ein leeres Zeichen. Also was nun – Fetisch oder leer? Ausgehöhlte Form oder Heiligtum? Oder gar: Ist sie heilig, weil sie leer ist? Ein Fetisch, weil sie ausgehöhlt ist? Dann wäre Demokratie nur eine tote Form. Dann würde sie nicht funktionieren – auch nicht in Žižeks Sinn.

Tatsächlich muss man sehen: Dass sie unbestimmt ist, bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Demokratie ausgehöhlt sei. Es bedeutet vielmehr, dass um ihre Bedeutung gerungen wird. Das heißt: Ihre Bedeutung ist veränderbar. Und genau das ist es, was wir derzeit feststellen können: Demokratie hat ihre Bedeutung verändert. Die Bedeutung des demokratischen Mythos hat sich verändert. Denn dieser meint heute: individuelle Freiheit. Der demokratische Mythos bedeutet heute individuelle Freiheit. Das ist weder eine völlige Entleerung noch eine völlige Absage – es ist vielmehr eine Verschiebung der Bedeutung: ein Ersatz-Mythos gewissermaßen. Demokratie als Mythos meint heute nicht mehr den Glauben an Gleichheit oder an Volkssouveränität. Es meint nur noch den Glauben an individuelle Freiheit. Individuelle Freiheit ohne das Versprechen einer Herrschaft des Volkes. Individuelle Freiheit ohne die Vorstellung einer Selbstgesetzgebung. In all diesen Konzepten einer kollektiven Macht findet man sich nicht wieder. Aber in der individuellen Freiheit schon. Darin besteht heute ihr Mythos: Demokratie wird zu einem Kurzschluss zwischen dem Ich und einem imaginären Demos.

Individuelle Freiheit – das ist unser Fetisch. Daran glauben wir. Es ist das, was heute für Demokratie steht. Wir mögen nicht an Demokratie im Sinne einer Regierungsform glauben. Wir mögen völlig abgeklärt darin nur Korruption sehen. Da hat Žižek recht. Aber dennoch glauben wir an den Mythos Demokratie. Dieser Mythos funktioniert nicht ohne Glauben. Wir glauben an unser demokratisches Hufeisen. Unabhängig von oder sogar gegen jede Realität.

Wir glauben an die Demokratie als Garant, als Gütesiegel unserer individuellen Freiheit. Sie ist es, die wir beschwören. Und genau das führt uns zur zweiten derzeitigen Erschütterung der Demokratie: der Pandemie.

Die Pandemie hat das Politische verändert. Sie hat eine verdeckte Schicht demokratischer Politik zutage gefördert: Das, was sonst von Debatten und Kompromissen überlagert war, das trat unverhüllt hervor – nämlich die Entscheidung. Die Pandemie hat eine sichtbare Rückkehr des Staates gebracht. So wie die Korruption die Demokratie von einer Seite angreift, greift die tatsächliche Entscheidung die Demokratie von einer anderen Seite an. So scheint es zumindest. Aber Entscheidung ist immer der Kern des Politischen. Auch in einer Demokratie. Sie ist nicht die Fratze der Demokratie, sondern deren Grundlage. Aber üblicherweise ist sie eine gezähmte Entscheidung. Eine gezähmte Entscheidungsgewalt. In der Pandemie aber trat diese blank in Erscheinung. Das war neu.

Lange Zeit galt etwa die Zivilgesellschaft als wichtiger politischer Player – als Hort und Garant der Demokratisierung. Aber ein Totalereignis wie eine Pandemie – also ein Ereignis, das alle Menschen, in allen Bereichen, das die ganze Gesellschaft in solch einer Wucht und in solchem Ausmaß und Gleichzeitigkeit betrifft –, solch ein Totalereignis lässt sich nicht mehr zivilgesellschaftlich regeln. Das erfordert einen Staat – dem somit neue Bedeutung zuwächst (nicht zuletzt weil das nächste Totalereignis schon da ist: der Klimawandel). Das ist eine heikle Veränderung.

Ein Credo der Neoliberalen besagt, dass es keiner 100 Prozent Konformität bedarf. Dass also die politischen Verhältnisse nicht von 100 Prozent der Bevölkerung getragen werden müssen. Aber dieses liberale Konzept versagt bei einem Totalereignis. Das erleben wir jetzt.

Genau da treten jene auf den Plan, die die politischen Verhältnisse nicht mittragen. Jene, die sich anfangs "Querdenker" nannten und nun als "Impfgegner" firmieren. Jene mit ihren Verschwörungstheorien. Hier soll es aber nicht um ihre Irrationalitäten gehen. (Obwohl das mit den Verschwörungstheorien verlockend ist – sind sie doch eine verzerrte Form, an das zu glauben, woran man kaum mehr glauben kann. In die Verschwörungstheorien hat sich der verlorene Glauben gerettet. Der Glaube an die Lenkbarkeit des Weltgeschehens, an die großen Subjekte, die wilde Pläne durchziehen können. Der Glaube an die eigene Kraft, solches zu "durchschauen". Ein verzerrter Glaube an die Aufklärung also.)

Darum soll es hier nicht gehen. Hier soll es darum gehen, dass diese "Querdenker" noch etwas anderes sind – nämlich ein Symptom. (Jedenfalls dort, wo sie über den Rechtsextremismus hinausgehen.)

Sie treten im Namen der Demokratie auf gegen das, was sie eine "Diktatur" nennen. Diktatur, eben weil der Staat als Entscheidungsgewalt derart sichtbar geworden ist. Weil sich dessen Entscheidungsgewalt in Vorschriften wie Masken und in Aufforderungen zum Impfen manifestiert. So werden Masken und Impfungen zum Inbegriff, zum verhassten Inbegriff dieser Gewalt, die – in ihren Augen – eben nicht demokratisch sein kann. Warum? Weil diese Entscheidungsgewalt eben den demokratischen Mythos attackiert. Weil sie den Mythos der individuellen Freiheit antastet.

Der organisatorische, der medizinische Umgang mit einem Naturereignis ist das eine. Der politische Umgang damit aber ist etwas anderes. Die sogenannten Corona-Maßnahmen mögen effizient sein – oder nicht. Vernünftig – oder nicht. Chaotisch – oder nicht. Das ist nicht der Punkt. Den "Querdenkern" geht es darum, ob diese Maßnahmen demokratisch sind – oder nicht.

Und damit zeigen diese Verweigerer unbeabsichtigt eines: Undemokratisch sind die sogenannten Maßnahmen nicht im politischen Sinn, sondern im mythologischen Sinn. Eben weil sie den Mythos der individuellen Freiheit verletzen. Sie, die "Querdenker", lehnen die Realität der demokratischen Praxis im Namen des demokratischen Mythos ab. Und genau da wird dieser Wahn zum gesellschaftlichen Symptom. Zum Symptom, in dem etwas, eine Wahrheit, in verzerrter Form zum Ausdruck kommt: dass nämlich demokratische Realität und demokratischer Mythos kollidieren. Dass sie nicht mehr zusammengehen. Die neue Realität einer staatlichen Entscheidungsgewalt und der Mythos von der individuellen Freiheit weisen auseinander.

Und diese Kollision weist in zwei Richtungen: Zum einen zeigt dieser Aufprall, dass die Regierungsform der Realität der Pandemie oft nicht angemessen ist. Zum anderen aber wirft diese Kollision auch die Frage auf: Taugt die individuelle Freiheit heute noch als zentrales Kriterium des demokratischen Mythos? Verwandelt sich in dieser Situation nicht die Bedeutung des Mythos, kippt nicht dessen Wert: aus einem ehemals demokratischen in einen nunmehr un-demokratischen? Verkehrt sich in solch einer Kollision nicht die Funktion des Mythos: aus einer Stütze der Demokratie in deren Hindernis?

An dieser Stelle muss man aufpassen: Der Ausgang aus der "Mythenhöhle", die Befreiung daraus, ist nicht dort, wo alle Schatten als Schatten entlarvt sind. Er ist nicht dort, wo alle Mythen enttarnt sind. Das ist nicht mit Aufklärung zu leisten. Denn Demokratie braucht einen Mythos. Die "Querdenker" zeigen uns in der verzerrten Form eines Symptoms deshalb etwas Entscheidendes. Sie zeigen uns: Demokratie braucht heute einen anderen Mythos. Nur von einem neuen Mythos aus lässt sich auch die neue Realität der Regierungsform beeinspruchen. Nur von einem neuen Mythos aus lässt sich die neue staatliche Entscheidungsgewalt befragen. Kritisieren. Kurzum: Demokratie braucht einen neuen Glauben, der sich nicht auf die individuelle Freiheit beschränkt. Einen Glauben, der dem harten Aufprall auf der unentrinnbaren gesellschaftlichen Realität jedes Einzelnen Rechnung trägt. Anders gesagt: Wir brauchen ein neues Hufeisen. (Isolde Charim, 13.11.2021)


Aus: "Isolde Charims Buch-Wien-Rede: Die Querdenker als Symptom" (14. November 2021)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000131104276/isolde-charims-buch-wien-rede-die-querdenker-als-symptom

Quote
Alfred J. Noll

Ich habe selten einen derart antiaufklärerischen Schrott gelesen: Was ist denn Charims Aufruf zum "Glauben" anderes als eine religiöse Sehnsucht? Der in diesem religiösen Text zum Ausdruck gebrachte "Hufeisen-Gedanke" ist nichts anderes als "der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist" (Marx' Kennzeichnung der Religion) - so als ob wir das geforderte Hufeisen nur nach oben offen ans Parlamentstor nageln müssten, auf dass es uns das demokratische Glück einfangen werde. ...


Quote
Fürchtet euch nicht!

Vielleicht ist aber auch die Aufklärung als absolut Anzustrebendes nichts weiter als ein Fetisch...

Glauben wir nicht alle an irgendwas? Was bleibt uns denn auch übrig, bei allem was wir nicht wissen?
Schweigen im wittgensteinschen Sinne können wir ja doch nicht. ...


Quote
Joseph Grand

Ich habe etwas mit Ihrem etwas scharf formulierten Kommentar gerungen und muss Ihnen in Anbetracht Ihrer weiter Ausführungen weiter unten zustimmen. Der Mythos ist ja etwas was die Sache, ein Ding, das Denken, die Wahrnehmung ect. von ihrem Ursprung erhellt und ein sinnstiftendes Element sein kann. Doch meist um etwas schwer fassbares fassbar zu machen.
In Kombination mit dem Konzept der Demokratie, geht die Verwendung des Mythos, wie Sie, im Sinne der Aufklärung, gedacht , fehl. In Zeiten wie diesen bedürfen wir dem rationalen Denken und eben nicht "dem wilden Denken". Der Mythos knüpft [ ... ] [an den] Glauben [an] - und zu wenig an das Wissen.



Quote
Alfred J. Noll

Der von Charim postulierte "Glauben an die Demokratie" ist genau das, was Kant in der "Kritik der reinen Vernunft" am Glauben zurecht denunziert hat: Es handelt sich dabei immer nur um "subjektive Gründe des Fürwahrhaltens", die "keinen Beifall verdienen, da sie sich frei von aller empirischen Beihülfe nicht halten, noch in gleichem Maße andern mitteilen lassen". Der geforderte Glauben ist beliebig. Wer heute in Demokratiefragen an den Glauben appelliert (wo es doch darum ginge, Wissen zu vermitteln und in Folge tatkräftig für mehr Demokratie sich einzusetzen), der zeigt nur, dass "sein Glaube selbst in seinem eigenen Urteile bloß zufällig (ist)". - Bei der Demokratiefrage geht es um Interessenskämpfe - nicht um Glaubensfragen.


Quote
critica diabolis

Das harte an der aktuellen Lage ist die völlige Abwesenheit von Ambivalenz und die Sucht nach Eindeutigkeit – darin treffen sich oft die Querdenker und ihr Gegenüber.


Quote
Charme_Offensive

"Der demokratische Mythos bedeutet heute individuelle Freiheit."

Unsere Freiheit ist die Unfreiheit vieler Menschen auf dieser Welt. Siehe Ausbeutung ganzer Kontinente. Bis heute. Vor allem im Aspekt des Green Deal tun sich da noch viele Aspekte auf.
Unsere Freiheit ist die Kontrolle der Nationalstaaten über die Bürger (Stichwort Gläserner Bürger; Staatstrojaner etc.).

Demokratie als Mythos zu bezeichnen deute ich als Mythos der politischen Elite, die sich im autoritären Denken heute wieder findet. ...


Quote
Karin Himmelbauer

Es ist einer der großen Irrtümer unserer Zeit
zu glauben, dass ein "weniger an Freiheit" für uns automatisch ein "mehr an Freiheit" für andere bedeutet. Oder dass das eine mit dem anderen überhaupt in einem zwingenden Kausalzusammenhang steht. Freiheit ist kein endliches Gut. Ich gehe sogar so weit, dass die Art und Weise, wie wir unsere individuelle Freiheit suchen und ausleben, der beste Motor und die beste Motivation für all jene ist, die diese Freiheit (noch) nicht leben können.


Quote
Charme_Offensive

Nudging. Nur ein Stichwort. In unserer überegulierten/übernormierten Welt sehe ich die individuelle Freiheit in der Freiheit der Elite. Unterhalb dieser Schicht wird es eng. Enger.

Sie dürfen Freiheit nicht mit Wohlstand verwechseln.


Quote
Non mee eemporte un katzo

Demokratie lebt von Einmischung in politische Diskurse, die nicht nur IHM vorbehalten sein sollte, sondern auch IHR.


Quote
Complexxx

Spannender Text. Insbesonders der Teil über Entscheidungen, weil es ja wirklich fast immer so ist, dass politische Entscheidungen durch Kompromiss "verwässert" und zivilgesellschaftlich abgeklopft werden, und nur mit langer Vorlaufzeit und sehr wenig direkt spürbar beim Individuum ankommen.

Beim "Totalereignis" geht das halt nicht. Und man sollte nicht vergessen: für unsere Demokratien in Mitteleuropa ist die Pandemie tatsächlich das erste Totalereignis. Damit haben wir keine historischen Erfahrungswerte, im Gegensatz zu zB GB, das den 2. WK ja als Demokratie durchgemacht hat.

Wir haben für so einen Fall eben noch keinen Plan, was möglich ist, unter welchen Bedingungen, etc. finden wir für unsere Gesellschaft derzeit gerade noch heraus.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Westliche Politik erhebt bekanntlich gerne den Anspruch, als Lehrmeister für andere Staaten in Sachen Demokratie und echter Volksvertretung auftreten zu können. Um so peinlicher, wenn diese Vorzeigedemokraten dann dabei ertappt werden, dass sie ziemlich verlogen agieren. 

Von Politikern kann und sollte man immer etwas lernen. Ja tatsächlich! Waren es in früheren Zeiten noch charismatisches Auftreten, eloquente Reden und herausragendes Wissen, die den Pöbel in Verzückung versetzten, so sind es heute die vorgelebten Machenschaften, die für das tägliche Leben durchaus inspirierend sein können.
Diese Theorie lässt sich anhand eines aktuellen Beispiels verfestigen.

Am vergangenen Wochenende wurde bekannt, dass es neben dem öffentlich zugänglichen Koalitionsabkommen zwischen der türkisen ÖVP und den Grünen auch noch einen sogenannten ,,Sideletter" gibt, von dem das Wahlvolk bisher nichts wissen durfte. In diesem waren Posten zwischen den Parteien aufgeteilt worden, unter anderem im Direktorium des Staatsfunks ORF, der Nationalbank wie auch dem Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof.
Schnell war eine Heerschar an pensionierten Politikern ausgeritten, um Notwendigkeit und auch Üblichkeit von schriftlich fixierten Nebenabsprachen zu bestätigen. Außerdem gab es einen beinahe identischen Sideletter schließlich auch bei der Vorgängerregierung ÖVP-FPÖ, wobei man damals nicht darum verlegen war, obendrein konkrete Namen neben die Posten zu schreiben.

Was nun auch noch an die Öffentlichkeit gekommen war, ist ein Zusatzzettel des Sideletters, quasi eine geheime Nebenabsprache zu einer geheimen Nebenabsprache. Darin wurde unter anderem die Abschaffung der sogenannten Hacklerregelung (abschlagsfreier Pensionsantritt nach 45 Versicherungsjahren im Alter von 62 Jahren) und das Kopftuchverbot für Lehrerinnen niedergeschrieben.

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Aus: "Praxistipp: Was wir vom Sideletter der türkis-grünen Regierung für das tägliche Leben lernen können!"  (03.02.2022)
Quelle: https://snanews.de/20220203/praxistipp-tuerkis-gruene-regierung-5227042.html

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Quote[...] WIEN taz | Hinterzimmerdeals sind in der Politik kein neues Phänomen. Aber selten werden sie in ihrer obszönen Dreistigkeit bekannt. Heute heißt so etwas elegant ,,Sideletter", enthält aber nicht weniger schamlose Vereinbarungen.

Da wurde – ungeachtet der gesetzlich vorgeschriebenen Mechanismen – die Präsidentschaft des Verfassungsgerichtshofs auf Jahre bereits mit konkreten Personen besetzt, die Versorgung von Parteileuten durch Aufsichtsratsmandate haarklein nach Parteizugehörigkeit festgeschrieben, der öffentlich-rechtliche ORF aufgeteilt. So nachzulesen in einem Sideletter zum Koalitionsvertrag von ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 2017.

Dass dieses Papier existierte, wusste man aus einer Bemerkung des längst in Ungnade gefallenen Ex-Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache. Ein FPÖ-Politiker hatte die geheime Abmachung jetzt auf Wunsch der Staatsanwaltschaft herausgerückt. Sie verwandelte sich damit in eine Beilage zum Gerichtsakt und wurde damit den Anwälten der Parteien zugänglich. So fand sie automatisch den Weg in die Medien.

Niemand wunderte sich, dass die machtbesessene ÖVP und die auf Platzierung von Parteileuten fixierte FPÖ die wichtigen Posten der Republik derart untereinander aufgeteilt hatten. ,,Überraschend war höchstens, wie detailliert manche Sachen aufgeschrieben sind", sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, Assistenzprofessor für Sozialpolitik an der Uni Wien. Er hat schon vor zehn Jahren eine quantitative Analyse publiziert, in der er Postenbesetzungen im staatsnahen Bereich untersuchte. Das wenig überraschende Ergebnis: Ein Großteil der begünstigten Personen ist politisch einer der jeweiligen Regierungsparteien zuzuordnen.

Dagegen sind die Grünen von jeher mit dem Ruf nach Transparenz angetreten. Peinlich für die kleinere Regierungspartei, dass – kaum war der ÖVP-FPÖ-Sideletter bekannt – ein ähnliches Geheimpapier aus den Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren auftauchte. Anders als bei den Traditionsparteien werden bei den Grünen die wichtigen Entscheidungen vom Bundeskongress basisdemokratisch beschlossen. Eine Geheimabsprache, die nicht einmal allen Mitgliedern des Koalitionsverhandlungsteams bekannt war, birgt also gewaltige Sprengkraft innerhalb der Ökopartei.

Die Grünen gingen nicht so weit, sich auf konkrete Personen festzulegen, ließen sich aber das Vorschlagsrecht für Verfassungsrichter oder auch Spitzenfunktionäre im ORF schriftlich zusichern. In einem politischen Abtausch akzeptierten sie dafür unter anderem den Wunsch der ÖVP, ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen zu erlassen.

Vizekanzler Kogler rechtfertigte sein Vorgehen nach dem Auffliegen des Deals damit, dass ohne diese Absprache die ÖVP alle Posten besetzt hätte. Und das Kopftuchverbot habe man hingenommen, weil es ohnehin vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten würde, es sei also ein ,,Nullum". Warum hatte man es dennoch unterschrieben? Kogler: ,,Zur Psychologie der ÖVP ist dieser Satz stehengeblieben."

Der erwartbare innerparteiliche Shitstorm setzte trotzdem ein. Wiens Ex-Vizebürgermeisterin Birgit Hebein von der Fundifraktion sah die geheimen Absprachen, von denen sie selbst als Mitverhandlerin keine Kenntnis gehabt habe, als ,,irritierend". Ex-Justizsprecher Albert Steinhauser sprach von einem ,,Kulturbruch".

Erstaunt über die Entrüstung zeigte sich allerdings Johannes Rauch, langjähriger Grünen-Chef in Vorarlberg: ,,Das ist Teil des politischen Geschäfts." Er will in der Veröffentlichung des Sideletters im Übrigen ein ,,Manöver" der ,,beleidigten" Gruppe um Ex-Bundeskanzler Kurz erkennen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der nach dem überstürzten Abgang von Kurz im vergangenen Dezember um ein konstruktives Verhältnis mit den Grünen bemüht ist, hat den Verdacht indirekt bestätigt.

Der Politologe Ennser-Jedenastik will den Grünen ,,mit einigem gutem Willen" bescheinigen, dass sie bei ihren Personalvorschlägen keine Günstlinge versorgen, sondern kompetente Personen nominieren. Sie hätten, anders als die FPÖ, ,,die Institutionen nicht fundamental untergraben". Was den Sideletter an sich betrifft, so sei es gar nicht so einfach, mit einer lange Jahre geübten Tradition zu brechen. Hätten sich die Grünen geweigert, wäre das so etwas ,,wie einseitige Abrüstung", die der ÖVP freie Hand für ihre Personalwünsche gegeben hätte.

Die jetzige Aufregung könnte aber Reformen für mehr Transparenz anstoßen. Bei der nächsten Regierungsbildung würde bei der ersten Pressekonferenz sicher sofort nach Sideletters gefragt werden. Auch andere demokratische Reformen hätten ihren Ursprung in einem Skandal gehabt.


Aus: "Posten statt Prinzipien" Ralf Leonhard (3. 2. 2022)
Quelle: https://taz.de/Regierung-in-Oesterreich/!5829683/

QuoteTerraformer

Was wäre wohl passiert, hätten die Grünen dieses Hinterzimmer-Geschacher publik gemacht, anstatt sich daran zu beteiligen?


QuoteMondschaf

,,Warum haben die Grünen da mitgemacht?"

Gelesen. Gelacht.
Macht, gemacht, mitgemacht.
(Wer hätte das gedacht?)


Textaris(txt*bot)


Der Demokratieindex (englisch Democracy Index) ist ein von der englischen Zeitschrift The Economist berechneter Index, der den Grad der Demokratie in 167 Ländern misst (siehe auch Demokratiemessung). Er wurde erstmals im Jahre 2006 und danach meist jährlich veröffentlicht. Der aktuelle Demokratieindex 2020 wurde im Februar 2021 veröffentlicht.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex

Quote[...] Die Demokratie ist einer Studie zufolge weltweit auf dem Rückgang. Wie die britische Economist-Gruppe in ihrem jährlichen Demokratieindex ermittelte, hätten 2021 45,7 Prozent der Weltbevölkerung in einer Demokratie gelebt. Das seien deutlich weniger als 2020 mit 49,4 Prozent gewesen. Damit werde ein "weiterer düsterer Rekord" erreicht. Der neue Index "wirft ein Licht auf die anhaltenden Herausforderungen für die Demokratie weltweit, unter dem Druck der Coronavirus-Pandemie und der zunehmenden Unterstützung für autoritäre Alternativen", teilte die Forschungseinheit der Economist-Gruppe EIU mit.

In einer "vollständigen Demokratie" lebten der Studie zufolge sogar nur 6,4 Prozent, ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (6,8 Prozent). Weit mehr als ein Drittel der Menschen habe in einer Diktatur gelebt – 37,1 Prozent bedeuteten ein leichtes Plus zu 2020. Der Anteil der autoritär regierten Staaten sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Spitzenreiter beim Demokratieindex bleibt Norwegen. Die Studie gab dem skandinavischen Land in drei der fünf Kategorien die Bestnote. Dahinter kletterte Neuseeland vom vierten auf den zweiten Platz, gefolgt von den übrigen nordischen Staaten Schweden, Finnland, Island und Dänemark. Deutschland liegt mit derselben Punktzahl wie im Vorjahr auf dem 15. Platz und gehört ebenfalls zur höchsten Kategorie der "vollwertigen Demokratien".

Kritik übten die Autoren an zwei größeren Ländern in Europa. So stuften sie Spanien zu einer "mangelhaften Demokratie" herab, Grund war eine schlechter ausgefallene Neubewertung der Unabhängigkeit der Justiz wegen des politischen Streits über die Ernennung von Richtern. Das Vereinigte Königreich bleibt hingegen zwar eine "vollständige Demokratie". Allerdings rutschte es in der Rangliste dennoch ab – mehrere Skandale hätten das Vertrauen in die Regierung untergraben, hieß es. Der britische Premierminister Boris Johnson steht etwa wegen der sogenannten Partygate-Affäre seit Wochen in der Kritik.

Vor allem China spiele eine unrühmliche Rolle, stellt der Bericht The China Challenge der EIU fest. "China ist nicht demokratischer geworden, während es reicher geworden ist. Im Gegenteil, das Land ist unfreier geworden", hieß es zur Begründung. Menschenrechtler klagen über zunehmende Überwachung sowie Repressionen gegen Regierungskritikerinnen und Minderheiten wie die muslimischen Uiguren.

Die letzten Plätze der Demokratierangliste belegen Nordkorea, Myanmar und Afghanistan. In Myanmar hatte sich vor einem Jahr das Militär an die Macht geputscht, in Afghanistan übernahmen die radikalislamischen Taliban die Macht.


Aus: "Nur noch 45 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie" (10. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-02/menschenrechte-demokratie-diktaturen-studie



QuoteJuniper_Hill #53

... ich persönlich wäre auch mit einem System wie Singapur zufrieden, solange der Lebensstandard hoch ist.


QuoteBellelibelle #4.8

Früher dachte ich, Bildung würde Menschen davon abhalten, die alten Fehler zu wiederholen. Aber anscheinend ist die Dummheit der Menschen nicht weniger geworden. Da stimmt was nicht mit der Evolution, wenn man sich aller paar Jahrzehnte massenweise gegenseitig herabwürdigt, entmenschlicht, totschlägt.
Um hinterher zu flöten: Nie wieder Krieg.


QuoteZeruya #4.19

Wer sich aber von der Politik wie ein kleines Kind behandelt fühlt, sucht sich vielleicht ,,seine" Wissenschaft woanders. ...


QuoteRizzoSpacerat #13

Wundert mich das Deustchland noch so hoch eingestuft ist. Maskenaffären, Geklüngel, Ex Kanzer in Aufsichtsräten von Staatsfirmen von Staaten die defintiv keine Demokratie sind. Jahrlanges verzögern von Antikorruptionsregeln der UN.
Vor allem die CXU parteien sind ein leuchtendes Beispiel für korruptes Verhalten. Nur das man es hier in Lobbyismus umbenannt hat.
Schon bemerkenswert das die Partein mit dem C im namen gerade genauso als moralisch Verwefelich betrachte wie die Truppe die das C angeblich vertritt auf Erden.
Dazu ein signifikanter Teil der Bevölkerung der lieber wieder in einer Dikatur leben würde (sie AFD wähler).


QuoteIn Gedanken Golo Mann #4.9

Leider können viele Menschen nicht mit der Freiheit und Verantwortung innerhalb einer Demokratie umgehen. Deshalb ist es auch nicht selbstverständlich, eine Demokratie zu erhalten.

Volle Zustimmung. Ich denke Wohlstandslangeweile ist sehr treffend ausgedrückt.


QuoteRima Hadley #4.11 

"Volle Zustimmung. Ich denke Wohlstandslangeweile ist sehr treffend ausgedrückt."

Es ist eher Wohlstandsverwahrlosung.

[ Malte Lehming (01.08.2019) ... Der typische AfD-Wähler ist ein Mann jüngeren oder mittleren Alters, er verdient gut und gehört zum eher gehobenen Bildungsdurchschnitt. Ihn treiben vorrangig nicht wirtschaftliche oder soziale Sorgen um, sondern die sogenannten SOS-Themen – Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit.
Er lehnt Zuwanderung ab, neue Familienformen, ist skeptisch gegenüber der Genderforschung und dem Klimawandel. Wirtschaftliche Faktoren spielen für seine Wahlentscheidung kaum eine Rolle. Er orientiert sich eher an immateriellen Begriffen wie Identität, Heimat, Abendland, Gemeinschaft.
Bei der vergangenen Bundestagswahl hat die AfD ausgerechnet in den Regionen stark zugelegt, wo die Arbeitslosigkeit besonders stark gesunken war. In Sachsen etwa, wo die Arbeitslosigkeit um 29,7 Prozent zurückging, verzeichnete die AfD mit 20,3 Prozentpunkten ihren größten Zuwachs. Ein Kommentator der ,,Welt" brachte es auf die allgemeine Formel: ,,Je stärker die Arbeitslosigkeit seit der vorigen Wahl in einem Bundesland gefallen ist, desto größer ist der Zuwachs des AfD-Zweitstimmenanteils." ... Warum wählen immer zufriedenere Menschen immer öfter rechtspopulistische Parteien? Das Magazin ,,Economist" bezeichnete das Phänomen vor wenigen Wochen als ,,satisfaction paradox". Offenkundig fühle die weit verbreitete Zufriedenheit der Menschen nicht zum Wunsch nach stabilen Verhältnissen, wie bislang angenommen worden war, sondern im Gegenteil: zum Protest, zur Revolte.
Das allerdings habe historische Vorläufer. Die Mitgliedschaft im Ku-Klux-Klan sei in den Goldenen Zwanzigern auf einem Rekordhoch, der McCarthyismus in den prosperierenden fünfziger Jahren am virulentesten gewesen.
Abschließend geklärt sind die Ursachen des ,,satisfaction paradox" nicht. Ein Faktor indes könnte sein, dass Menschen, denen es gut geht, genug Zeit und Energie haben, um sich über Schweinefleischverbote in Kindertagesstätten aufzuregen, über Unisex-Toiletten, die Einführung eines ,,dritten Geschlechts" oder das Kopftuch der Kassiererin im Supermarkt. ,,Denen geht es zu gut", hieß es früher über Kinder aus reichen Familien, die Drogen nahmen oder sich Autorennen lieferten, ohne einen Führerschein zu besitzen. Der Begriff dafür lautete ,,Wohlstandsverwahrlosung". ...]
https://www.tagesspiegel.de/politik/protest-trotz-wohlstand-sie-waehlen-die-afd-weil-es-ihnen-gut-geht/24861420.html

katushkin antwortet auf Wasicun AfD-Wähler sind von der Globalisierung abgehängte Professoren ;)


QuoteBayernmichl86 #4.12

Ganz krass formuliert: Das grösste Problem mit der Demoratie ist, dass ein erheblicher Teil der Menschen zu dumm dafür ist.


Quotesi-ar #5.1

Schon mal von den Gelbwesten gehört? Wahrscheinlich alles gelangweilte Mittelständler.


QuoteFrediboy #5.3

"Wer nämlich finanziell keine Sorgen hat geht auch nicht demonstrieren."

Das ist völlig haltlos. Ich kann mich noch gut erinnern, wie zur Anfangszeit von Pegida alle geschockt waren, dass da eben nicht Mittellose und Abgehängte mitlaufen, sondern im weitesten Sinne das Bürgertum.


QuoteWilmso #5.5

"Das ist völlig haltlos."

Das ist nicht völlig haltlos. Schauen Sie sich z.B. mal an, welche "Gruppe" den größten Anteil an Nichtwählern hat. Das sind in erster Linie Menschen in (finanziell) prekären Lebensverhältnissen.

[ In gutsituierten Vierteln wie Hamburg-Blankenese oder Köln-Marienburg wählen weiterhin mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten. Von Wahlmüdigkeit keine Spur. Dasselbe gilt für alle Großstädte: In gehobenen Vororten und wohlhabenden Stadtbezirken verharrt die Wahlbeteiligung auf hohem Niveau. Ganz anders in sozialen Brennpunkten, die durch Arbeitslosigkeit und Armut geprägt sind. Hier finden sich regelmäßig die Negativrekorde bei der Wahlbeteiligung. ... Die Muster der Nichtwahl werfen Fragen für die Demokratie auf. Wer repräsentiert die Menschen in Nichtwählerhochburgen, wenn zwei Drittel der Wahlurne fernbleiben? ...]
https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-politische-parallelwelten-wo-die-nichtwaehler-wohnen-10901.htm


Quotevincentvision #45

Um die Demokratie wertzuschätzen. muss man sie zunächst mal begreifen. ...


QuoteDropisius #20

Bildung ist das A und O! Ein ungebildetes Volk ist leicht zu manipulieren und zu beherrschen. Hauptsache alles vorschreiben und das Leben reglementieren. Wichtig ist die Rückendeckung vom Militär und Gehirnwäsche durch die Medien.


QuoteRyzard #31

Demokratien leiden unter einer viel zu kritischen Berichterstattung, während Diktaturen und Autokratien nur Jubelmeldungen kennen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Russia Today. Es braucht nur kritische Medien-Berichte aus den demokratischen Staaten zu übernehmen, um der eigenen Bevölkerung das Unheil von Demokratien vor Augen zu führen.


QuoteStromaufwärts #52

Auch in Deutschland gibt es immer mehr Führergeile und Heßlinge, die unsere Demokratie sowieso für ein US-Wirtschaftsunternehmen halten und sich gerne von einem Diktator wie Putin davon "befreien" lassen würden.

Traurig, aber wahr. Die diesbezüglichen Kommentare hier bei ZON sind nichts im Vergleich zu dem, was dazu in den asozialen Medien, zu BLÖD- und Heise-Artikeln abgesondert wird.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wie die SZ unter Berufung auf historische Dokumente berichtete, hatte Adenauer die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren lassen als bislang angenommen. Einer von ihnen soll direkt in der SPD-Spitze gearbeitet haben. Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Vorstand seien so in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt. Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, sei über den Spitzel des Bundesnachrichtendienstes (BND) oft noch am selben Tag über Vorgänge in der Oppositionspartei informiert worden.

All dies geht dem Bericht zufolge aus Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die der Historiker Klaus-Dietmar Henke ausgewertet hat und die die SZ einsehen konnte. Henke ist Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND. ...

Die beiden Hauptlieferanten von vertraulichen Informationen aus der SPD-Spitze waren demnach die beiden Sozialdemokraten Siegfried Ortloff und Siegfried Ziegler. Ortloff arbeitete für den SPD-Vorstand und war dort für die Abwehr kommunistischer Unterwanderung zuständig. Ziegler war Mitglied der Organisation Gehlen sowie SPD-Kreisvorsitzender in Starnberg. Beide lieferten demnach Informationen an Gehlen, die über Globke ihren Weg zu Adenauer fanden.

So habe Adenauer etwa erfahren, was im SPD-Vorstand über den damals erwogenen Wechsel zum Mehrheitswahlrecht besprochen wurde – oder wer als SPD-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl antreten würde. Auch die vertrauliche Mitteilung, dass der damalige Parteivorsitzende Erich Ollenhauer bei der Bundestagswahl 1961 nicht erneut als Kanzlerkandidat kandidieren wolle, erhielt Adenauer demnach zeitnah. (dpa, AFP)


Aus: "SPD fordert von CDU Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Adenauer" (10.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/skrupelloser-machtmissbrauch-spd-fordert-von-cdu-aufarbeitung-der-vorwuerfe-gegen-adenauer/28242718.html

Quotesigurdfaulde 11.04.2022, 05:41 Uhr
Wenn ich mir die letzten 20 Jahre SPD Politik ansehe und vor allen Dingen wie viele Genossen die Positionen und Interessen Moskaus vertreten haben,dann wünsche ich mir den alten Adenauer zurück - so falsch hat er wohl nicht gelegen!


Quotechangnoi 11.04.2022, 12:13 Uhr
Antwort auf den Beitrag von sigurdfaulde 11.04.2022, 05:41 Uhr

    dann wünsche ich mir den alten Adenauer zurück

Warum nicht gleich den "Führer"?


QuoteThalmayr 10.04.2022, 14:08 Uhr
So ganz neu sind die Erkenntnisse nicht, aber sie runden das Bild historisch ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.04.2013
Rainer Blasius kann kein Interesse aufbringen für den geheimen Nachrichtendienst, dessen sich die CDU und CSU nach dem Machtverlust 1969 bedienten. Er tut die Informationen, die Stefanie Waske in ihrem Buch versammelt, als "olle Kamellen" ab, da ja schon Spiegel und Konkret Anfang der achtziger Jahre über dieses Geheimdienstnetz der CSU berichtet hätten. Seiner unsachlichen Besprechung lässt sich immerhin entnehmen, dass hier alte Seilschaften des BND, der bayrischen Staatskanzlei und CDU-geführte Landesregierungen zusammengetan haben, um Munition gegen Willy Brandts Ostpolitik zu sammeln: Federführend war dabei Hans Christoph von Stauffenberg (ein entfernter Cousin), der CSU Politiker Karl Theodor von und zu Guttenberg (der Großvater) und der CDU-Abgeordnete Werner Marx (keine Verwandschaft).


Stefanie Waske
Nach Lektüre vernichten!
Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg
Cover: Nach Lektüre vernichten!
Carl Hanser Verlag, München 2013
ISBN 9783446241442
303 Seiten



Quotecrossoverhill 10.04.2022, 18:23 Uhr

    Dass Adenauer über seinen Staatssekretär Hans Globke und Reinhard Gehlen, den Leiter der nach ihm benannten Organisation Gehlen, innenpolitische Gegner überwachen ließ, war bereits bekannt.

Globke und Gehlen waren lupenreine Altnazis.
Das macht die Sache besonders eklig.


Quotenarrow 10.04.2022, 15:09 Uhr
ZU diesem Thema gab es ja auch neulich erst diese Veranstaltung in der ,,Topographie"

Staatsschutz im Kalten Krieg. Die Geschichte der Bundesanwalt­schaft zwischen NS-Vergangenheit, Spiegel-Affäre und RAF
https://www.orte-der-erinnerung.de/veranstaltung/staatsschutz-im-kalten-krieg-die-geschichte-der-bundesanwalt%c2%adschaft-zwischen-ns-vergangenheit-spiegel-affaere-und-raf/

- aber diese Einrichtung gehört ja hier seit vielen Jahren zu den points of no interest. Trotzdem - kleiner Rückblick gefällig?

Die seit 2010 freigegebenen BND-Akten über Adolf Eichmann enthüllen die Verstrickung des Geheimdienstes in einem der wichtigsten Kriegsverbrecher-Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/kriegsverbrecherprozess-adolf-eichmann-und-der-bnd/4134500.html


Quoteach 10.04.2022, 13:21 Uhr

Kaum 60 Jahre später findet man dann sowas. Ist ja ein faszinierendes Tempo. Beim BND selbst sind ja die entsprechenden Akten wahrscheinlich weiterhin unter Verschluß, wenn sie nicht geschreddert wurde.


...

Quote[...] Ob die Geschichte der Bundesrepublik anders verlaufen wäre, wäre die Bespitzelung der SPD durch Bundeskanzler Konrad Adenauer damals aufgeflogen, weiß niemand. Aber die detaillierten Enthüllungen über den massiven Gesetzesbruch, dessen sich der erste Kanzler der Bundesrepublik schuldig gemacht hat, sind erschütternd.

Haben selbst Gegner den konservativen katholischen Rheinländer wegen seines legendären taktischen Geschicks den ,,alten Fuchs" genannt – so ist diese nachsichtige, von widerwilliger Sympathie zeugende Bezeichnung nun nicht mehr erträglich: Gegen alle Gesetze der jungen Republik und der jungen Demokratie verstoßend, ließ der CDU-Politiker den Auslandsgeheimdienst durch zwei Top-Spitzel in den obersten SPD-Gremien den innenpolitischen Gegner über zehn Jahre lang ausspionieren.

,,Einen Abgrund an Machtmissbrauch" nennt der Historiker Klaus-Dietmar Henke diese Ergebnisse seiner Aufarbeitung der BND-Geschichte, die im Mai im Ch.Links-Verlag erscheint.

Konrad Adenauer hat als erster Kanzler, der dreimal wiedergewählt wurde, die Politik der Bundesrepublik maßgeblich geprägt. ,,Im Anfang war Adenauer – so lässt sich der Beginn der Bundesrepublik kurz kennzeichnen", lautet denn auch der prägnante erste Satz von Arnulf Barings klassischem Werk über die Entstehung der Kanzlerdemokratie.

Westbindung, Aussöhnung mit Frankreich und Israel lauten die Stichworte auf der Haben-Seite (Ketzerische Frage: Wieviel Wahl haben die Westalliierten den Deutschen gelassen?). Sicher, die dunkle Seite seiner Kanzlerschaften ist nicht neu: Autoritäres Politikverständnis – wollte er nicht ein mächtiges Informationsministerium schaffen, um die öffentliche Meinung zu lenken und zu leiten? Ausgewiesene Nazis im engsten Umfeld – so wie Hans Globke, Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze und langjähriger Chef des Bundeskanzleramtes.

Aber wie skrupellos Adenauer wirklich war, wie wenig der Kanzler mit demokratischen Prinzipien anfangen konnte – das ist in dieser Dimension doch noch einmal ernüchternd und wird zumindest die Geschichtsschreibung beeinflussen.

Aber auch die CDU und die Konrad-Adenauer-Stiftung werden sich über ihren identitätsstiftenden Ahnherren beugen müssen. Eine Glorifizierung ist nun selbst bei seinen Anhängern eigentlich nicht mehr denkbar. Das wird spannend. Noch eine Gewissheit, die keine mehr ist.

Über die Person Adenauers hinaus sind die neuen Erkenntnisse erhellend, weil sie zeigen, wie schwer es ist, nach einer Diktatur eine Demokratie aufzubauen – man braucht Expertise, aber auch die richtige Gesinnung. Daher ist vielleicht im Rückblick weniger ,,Adenauer ein Glücksfall für Deutschland" (Helmut Kohl) als die großzügigen Demokratisierungsvision der Westalliierten.

Sie haben entscheidende Weichen gestellt: freie Medienentwicklung; Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung; ,,re-education", die zu Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft führte: Damit bekam die junge bundesdeutsche Gesellschaft die Mittel, autoritäre Tendenzen ihrer eigenen Regierenden wie die Schaffung eines Informationsministeriums oder die strafrechtliche Verfolgung von Journalisten (,,Spiegel"-Affäre) abzuschmettern, die autoritären Staaten alle Ehre gemacht hätten.


Aus: "Erster Bundeskanzler brach Gesetz und Demokratieregeln" Andrea Nüsse (12.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/adenauer-liess-den-bnd-die-spd-bespitzeln-erster-bundeskanzler-brach-gesetz-und-demokratieregeln/28245332.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Präsidentschaftswahl in Frankreich 2022 (französisch Élection présidentielle française de 2022) war die zwölfte Wahl des Staatspräsidenten der Fünften Französischen Republik. Die Präsidentschaftswahl fand während der französischen EU-Ratspräsidentschaft 2022 statt, die in das erste Halbjahr 2022 fällt.

Der erste Wahlgang wurde nach Ablauf der laufenden fünfjährigen Amtszeit (Quinquennat) am 10. April 2022 abgehalten. Weil keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhielt, folgte am 24. April 2022 eine Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten, dem amtierenden, liberalen Präsidenten Emmanuel Macron und der rechtspopulistischen Marine Le Pen.

Macron konnte die Wahl trotz Verlusten im Vergleich zur Stichwahl 2017 deutlich gewinnen. Somit wurde erstmals seit 20 Jahren (damals Jacques Chirac) ein amtierender Präsident wiedergewählt. Die unterlegene Le Pen erzielte das beste Ergebnis eines Kandidaten der Rassemblement National (früher Front National) bei Präsidentschaftswahlen. ...


https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Frankreich_2022

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Quote[...] Je mehr die Menschen verdienen, desto eher gaben sie ihre Stimme dem Präsidenten. Die ärmsten Franzosen mit weniger als 1.250 Euro netto im Monat wählten mehrheitlich Marine Le Pen. Unter Arbeitern holte sie zwei Drittel der Stimmen, ebenfalls eine knappe Mehrheit unter den Angestellten. Bei Rentnern und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes lag dagegen Macron klar vorne.


Aus: "Stichwahl in Frankreich: Wo Macron auf Ablehnung stößt" (25. April 2022)
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-04/stichwahl-frankreich-emmanuel-macron-marine-le-pen-ergebnis-karte-interaktiv

Quoteullibulli #4

Mit über 40% rechtsextremen Stimmen gibt Frankreich einen Anlass zur Sorge, doch auch hierzulande wäre so eine Entwicklung nicht mehr ausgeschlossen. Die Mittelschicht bricht in Frankreich genauso nach unten weg wie in Deutschland. Die steigende soziale Ungerechtigkeit bringt die Demokratien weltweit an den Rand ihrer Existenz, Beispiele wie die USA, Frankreich und auch Deutschland zeigen deutlich das Problem. Doch niemand wagt die wirkliche Änderung.
Warnschüsse durch Protestwähler gibt es auch in Deutschland genug, nicht umsonst steigt die Zustimmung für die rechte AfD. Doch die Volksparteien wie die CDU sehen weiterhin weg und wählen ausgerechnet einen elitären Finanzmenschen wie Merz zum Vorsitzenden, übrigens ähnlich wie Macron in Frankreich. Das führt dazu, dass die politische Landschaft weiter zersplittert. Ich sehe leider für die Zukunft keine positiven Zeichen, weder in Frankreich noch in Deutschland. Die aktuelle Regierung hat mit der FDP einen Bremser in den Reihen, welcher wirklich dringende Reformen, wie beispielsweise die Bürgerversicherung, komplett ausbremst.


Quoteentscheidedich #4.1

"Warnschüsse durch Protestwähler gibt es auch in Deutschland genug, nicht umsonst steigt die Zustimmung für die rechte AfD."
Die Entschuldigung für den deutschen Deppen der die AfD wählt lautet "Protestwähler", anstatt einfach zuzugeben, dass er/sie einen Hang zu leichten, populistischen Parolen und Heilsversprechen hat.


QuoteHanayagi #4.38

Da ist wieder das alte und schon immer falsche Narrativ, dass unzufriedene Menschen aus Protest Nazis wählen.
Man kann aus Protest meinetwegen die Tierschutzpartei oder die Partei wählen oder einen leeren Zettel abgeben oder zu Hause bleiben.
Aber wer "aus Protest" die Nazis wählt, ist ein Nazi, nicht mehr und nicht weniger.
Und die demokratische Mehrheitsgesellschaft muss sich nicht nach diesen Nazis richten und sie auch nicht "verstehen".


QuoteTordenskjold #4.41

Ja, Ausländerhass und Panikmache vor erneuerbaren Energien sind primär rechte Themen.


QuoteSoléa #4.45

"Die steigende soziale Ungerechtigkeit bringt die Demokratien weltweit an den Rand ihrer Existenz..."

Und das nennt sich dann Demokratie. Macron ist und bleibet der Präsident der besser und viel Verdiener. Seine Zustimmung in den Großstädten und im Raum Bretagne ist schon auffallend, hier zum Beispiel in der Lorraine ist eine Hochburg von Le Pen. Vor Jahren wurden die Mienen hier dicht gemacht, nicht wenige mit 45 Jahren in den Sozialplan entlassen. Männer mit Familie vielleicht noch ein Haus an der Backe, brachen die Zukunftsperspektiven weg und die Politik bot durch Aufbau anderen Gewebe keine alternativen, die Arbeitslosenzahl immer noch hoch, die Armut und Frust auch, was sich bis heute nicht geändert hat. Viele die konnten und können sind Pendler geworden, in D gibt's dazu noch bessere bezahlte Arbeit aber der französischen Region hilft das im großen und ganzen nicht weiter. Le Pen war hier und gesagt was sie ändern will, vom Macron keine Spur, der ist und bleibt Paris Fan!


QuoteKnuckleball #4.47

Vorweg - ich habe bisher nie anders als links gewählt und werde das auch beibehalten.

Aber ich denke nicht, dass eine pauschale Dämonisierung rechtskonservativer Positionen (automatisch rassistisch, rechtsradikal, nazistisch) für den Diskurs irgend etwas bringt.
Ebenso die pauschale Diffamierung von linken Positionen (Besteuerung, -Rück-Verstaatlichung von systemrelevanten Unternehmen / Industrien, Vermenschlichung von Hartz IV etc.) als kommunistisch, autoritär.

Wenn wir immer nur soweit diskutieren können, jemanden auf Grund einer bestimmten Einzelposition sofort als nicht mehr satisfaktionsfähig zu betrachten - bspw. die Haltung zur Migration auf der einen, die Haltung zur Reichensteuer auf der anderen Seite - können wir das mit der Demokratie gleich sein lassen. Dann geht es nämlich nur noch um Ideologie - und die wird als persönliche Wohlfühlzone quasi-religiös mit Klauen und Zähnen verteidigt, wenn man sich einmal entschlossen hat, dieser oder jener "beizutreten".


QuoteTordenskjold #4.52

Es ist keine "pauschale Dämonisierung rechtskonservativer Positionen (automatisch rassistisch, rechtsradikal, nazistisch)", wenn man LePenn und AfD als rassistisch, demokratiefeindlich und autoritär bezeichnet.

Es entspricht schlicht der Realität.

Auch wenn man "immer links gewählt" hat, sollte man nicht auf Rechtspopulisten reinfallen, die im Wahlkampf Kreide fressen.

In den Paralamenten zeigen diese Parteien immer und immer wieder ihre faschistischen Grundhaltungen, ihren Antisemitismus, ihren Hang zu antidemokratischen Ideen und ihre Nähe zu autoritären Regimen.


QuoteReconquista Internet #4.57

++ Aber klar, aus Ihrer Sicht sind das natürlich alles rechte und populistische Ansichten. ++

Natürlich sind das populistische Ansichten, die "sichere Energieversorgung" die den rechten Protestwähler vorschwebt, führt unausweichlich dazu, dass wir in einigen Jahrzehnten keine Energieversorgung mehr haben werden, weil die Zivilisation infolge des Klimawandels zusammenbricht.
Und die "unqualifizierten Einwanderer" von heute sind jene, die morgen all die meist schlecht bezahlte Arbeit erledigen werden, auf die die "qualifizierten" Deutschen keinen Bock haben.
Dumpfe Ignoranz ist es, was dieses Protestmilieu ausmacht.



QuoteMama Wombat #4.64

Und als was würden Sie die Formulierung "unqualifizierte Einwanderung in die Sozialsysteme" , pauschal angewandt auf jeden, der es wagt, seinen Fuß hilfesuchend und auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Verzweiflung auf heiligen Deutschen (wahlweise Französischen) Boden zu setzen, denn wohl sonst bezeichnen?
Natürlich ist diese Parole rechts und populistisch!
Und wer sie wählt und ihr folgt, hängt dieser Weltsicht an. "Protestieren" tun diese Wähler gegen Gleichheit der Menschen, gegen Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz.
Ob aus Dummheit oder böser Überzeugung, das mag differieren.
In Frankreich wie in Deutschland.


QuoteResponsibleGambling #7

Die rechten Rattenfänger arbeiten sich in den Reihen der Armen hoch, weil die Behörden mit dem Ansturm nicht mehr zurechtkommen, was in der Folge zu politischen Fehleinschätzungen u. noch mehr Armut führt.

Wer es noch nicht gesehen hat, bzw. kennt, ein dramatisches Beispiel für Sozialversagen aus Marseille:

Marseille - Eine Stadt in Not
Marseille, Sommer 2019: In La Butte Bellevue droht ein Bauprojekt alles zu verändern. Die Einwohner sind besorgt und versuchen, trotz aller Spannungen und kulturellen Unterschiede gemeinsam Front zu machen. Die Geschichte eines armen, aber bunten Viertels, in dem Tag für Tag menschliches Miteinander gelebt wird – mit all seinen Konflikten und all seinem Zauber.
Filmemacher Philippe Pujol wuchs unweit von La Butte Bellevue auf, dem ärmsten Stadtviertel Frankreichs im Herzen von Marseille. Der Beamtensohn spielte mit den Kindern von Hafenarbeitern und Arbeitslosen. In Butte Bellevue wohnte auch sein Klassenkamerad Raphaël, ein Rom. Wenn sie mit ihrer Klasse zum Sportunterricht in das dortige Stadion gingen, nahm ihn Raphaël mit einer Mischung aus Stolz und Scham zu seinem Wohnhaus mit, wo man die Armut geradezu spüren konnte. Vor der Tür lungerte oft ein schmutziger Junge mit zu großer Gitarre herum, der ihnen mit erstauntem und zornigem Blick folgte. Er sah schön und gefährlich aus – Raphaëls kleiner Bruder. Letztes Jahr erfuhr Philippe, dass Raphaël bei einem Bandenstreit erstochen wurde. Der Tod des Schulkameraden brachte ihn zurück nach Marseille. La Butte Bellevue ist inzwischen noch mehr verarmt, während in 200 Meter Luftlinie das moderne, hässliche Marseille sich ausbreitet wie ein Krake. Eine schöne neue Welt, die die armselige Vergangenheit einfach wegschieben soll. Die Einwohner von La Butte sehen dort drüben alles, was sie selbst nicht haben: Arbeit, zum Beispiel im Büroturm des Schifffahrtsunternehmens CMA CGM; Zugang zu Universität und Studentenwerk in der Rue Danton; einigermaßen anständige Wohnungen in den großen tristen Häuserklötzen mit den winzigen Fenstern und vielen Stockwerken, die in Marseille wie Pilze aus dem Boden sprießen. In La Butte Bellevue aber haben die Leute, was dem neuen Marseille fehlt: eine unglaubliche kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt; verschiedene Akzente, Sprachen und Lebensweisen; Kreativität und Erfindungsgeist; Komorer im Businessanzug, scheinbar alterslose Italienerinnen und kumpelhafte Dealer; Jungs mit provokanten T-Shirts des Fußballclubs Paris Saint-Germain und den größten Fanclub des lokalen Vereins Olympique de Marseille; großartige Prügeleien und warmherzige Schwätzchen auf dem Gehsteig einer schmutzigen Straße, in einem ruhigen Garten oder Hinterhof; Ex-Häftlinge, Sänger, Migranten, Spieler, arme Schlucker, kleine Wunder, Aktivisten und ehemalige Aktivisten, Säufer, Kommunisten und Pfarrer. ,,Marseille – Eine Stadt in Not" erzählt nicht nur von den Spannungen und Schwierigkeiten, die die Armut hervorbringt, sondern auch der positiven Energie, mit der viele Bewohner der südfranzösischen Metropole tagtäglich ihr Leben meistern.

Regie: Philippe Pujol
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Herkunft: ARTE F

https://www.arte.tv/de/videos/090756-000-A/marseille-eine-stadt-in-not/


QuoteChampagne Socialist #10

Nun ernten wir die Folgen des jahrzehntelang ungezügelten Kapitalismus, der einige wenige immer reicher und den Rest immer ärmer macht. Marine Le Pen wurde vor allem von Menschen gewählt, die arm und unzufrieden sind. Wie überall auf der Welt wählen Menschen Rechtspopulisten, weil sie perspektivlos und abgehängt sind (Trump, Bolsonaro, Brexit...). Wenn das selbst in Frankreich passiert, wo der Neoliberalismus weniger verheerend war, muss man sich fragen, ob der Sozialabbau seit den 1980ern wirklich der beste Weg war. Außerdem, und auch das sieht man schön an Frankreich oder auch Österreich, sollten sich die etablierten Mitte-Links und Mitte-Rechts-Parteien fragen, ob ihre fehlende Unterscheidbarkeit nicht die extremen (v.a. rechten Ränder) nicht noch weiter gestärkt hat. Wer jahrzehntelang nur die Wahl zwischen etwas sozialeren Neoliberalismus und etwas wirtschaftsorientierterem Neoliberalismus hat, wird politikmüde. Vor allem, wenn diese Parteien dann auch noch koalieren.


QuoteDec Kimbal #13

Was in so gut wie allen Analysen viel zu kurz kommt, ist wieder mal das Sinken der Wahlbeteiligung (nicht nur bei dieser Wahl in Frankreich wird dem zu wenige Beachtung geschenkt).

Die Wahlbeteiligung in Frankreich ist noch mal deutlich gesunken.
Von 48 Mio Wahlberchtigten gingen 13,6 mio Menschen nicht wählen.

Dazu kommen noch 3 mio ungültige Stimmzettel.

Sprich 1/3 der potentiellen WählerInnen hat nicht an der Wahl teilgenommen oder ungültig gewählt.

Ähnliches konnte man zuletzt auch in Österreich, Deutschland, Italien oder Großbritannien beobachten.

Für eine funktionierende demokratische Gesellschaft sind all diese Tatsachen mehr als besorgniserregend.
Die Zahl derer, die glauben, dass man durch Wählen das politische Geschehen nicht mehr beeinflussen kann, nimmt offensichtlich in allen Schichten zu, speziell aber in den sozial schwachen Schichten.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist eine seltsame Parallelität: Seit Wochen wird unentwegt betont, dass im blutigen Krieg in der Ukraine die Demokratie, und zwar auch die hiesige, verteidigt werde, dass dort gleichsam ein Urkampf stattfinde, und Deutschland sich deshalb manifest engagieren müsse – und dann findet im größten deutschen Bundesland eine Wahl statt, und es wird die niedrigste Wahlbeteiligung verzeichnet, die es dort je gab.

In der Ukraine also so viele Menschen, die für eine demokratische Staatsform Leib und Leben zu opfern bereit sind – und hier so viele Menschen, die ihr völlig risikofreies Recht darauf verschwenden.

Die niedrige Wahlbeteiligung – sie lag bei 55,5 Prozent – müsse alle demokratischen Parteien besorgen, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Montag. In der Tat. Umso mehr, als die Zahl eine starke soziale Komponente hat. Sie ist grob auf die Formel zu bringen, dass das Desinteresse an der Demokratiebeteiligung steigt, je niedriger die sozioökonomischen Faktoren der Wahlkreise sind.

So stimmten im bürgerlich-altstudentisch geprägten Wahlkreis Köln II 68,8 Prozent ab, im eher durch prekäre Lebensverhältnisse charakterisierten Kreis Duisburg III nur 38,1 Prozent. Die Status-Wahlbeteiligung-Korrelation ist kein neues Phänomen, aber wie bei allen schleichenden Entwicklungen besteht auch hier das Risiko, dass der Punkt übersehen wird, an dem es kritisch wird.

Generell besteht natürlich Einmütigkeit, dass Bildung und Status als Wahlfaktoren nicht hinnehmbar sind, weil das Demokratie von unten erodieren ließe. Sie würde zu einer Elitenveranstaltung und im Gefahrenfall könnten sich nicht genug Menschen finden, die sie verteidigen wollen.

Was genau die Menschen am vergangenen Sonntag vom Gang in die NRW-Wahllokale abgehalten hat, ist noch nicht ausgeforscht. Maue Themen, schönes Wetter, kein Bock? Der Politologe Klaus Schubert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sieht eher ein Mobilisierungsdefizit und keine allgemeine Wahlmüdigkeit. Das würde den deutlichen Beteiligungsabfall gegenüber der Landtagswahl von 2017 erklären, bei der sich noch 65,2 Prozent der Wahlberechtigten die Mühe gemacht hatten, ihr Stimmrecht auch auszuüben.

Die Parteien könnten sich so gesehen aufgefordert fühlen, künftig mehr Mühe in die Auswahl ihrer Kandidaten und der Themenpräsentation zu stecken – ohne darum gleich auf Krawall zu setzen, was erfahrungsgemäß auch nur abschreckt.

Aber auch die Bürgerinnen und Bürger können sich aufgefordert fühlen, Demokratie nicht ausschließlich als Recht zu sehen, das sie eben haben, sondern auch als Verpflichtung. Denn aus der vertrauensvollen Einstellung ,,Das wird schon auch ohne mit gutgehen" kann auch eine fatale Trägheit der Massen werden.


Aus: "55,5 Prozent sind eine Mahnung für Politik – und Bürger" Ariane Bemmer (17.05.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/historisch-niedrige-wahlbeteiligung-in-nrw-55-5-prozent-sind-eine-mahnung-fuer-politik-und-buerger/28345748.html

QuoteBouillon01 16.05.2022, 20:55 Uhr

Ein Teil derer, die nicht zur Wahl gegangen sind, wird sich andere Ausdrucksmöglichkeiten verschaffen, wenn die Lebenshaltungskosten weiter steigen.


Quoteschnuffi 16.05.2022, 20:40 Uhr

   
... Die Partei der Nichtwähler ist hier wohl Wahlsieger geworden.


QuotePaul_Kalbautzke 16.05.2022, 20:01 Uhr
Es gibt sicher viele unterschiedliche Gründe warum Personen nicht wählen. Einer lässt sich durch den alten (linken) Spruch ausdrücken,: "Wenn Wahlen etwas ändern könnten wären sie verboten".

Andere sind vielleicht einfach zu faul.

Der Grund warum ich selber inzwischen nicht mehr wählen gehen ist aber einfach der, dass es in diesem Land keine Partei gibt, die ich wählbar finde. Ich kann einfach beim allerbesten Willen keine dieser Parteien in diesem Land wählen. Das hat absolut nicht mit Ablehnung der Demokratie zu tun. Ich bin selbstverständlich überzeugter Demokrat und es ist gerade der Respekt vor der Staatsform der Demokratie, das für mich das Prinzip des Wählens des kleinsten Übels eine Untergrenze hat. Zum Glück gibt es das Wahlrecht und nicht eine Wahlpflicht.

Die Wahlbeteiligung interessiert spätestens in zwei Tagen übrigens niemanden mehr. Selbst heute am Tag nach der Wahl halten ja viele den Hinweis auf die Wahlbeteiligung für irrelevant bis irgendwie doof oder verstehen nicht mal was die Wahlbeteiligung überhaupt ist.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] 38,1 Prozent: So viele Wahlberechtigte haben im Duisburger Norden ihre Stimme zur Landtagswahl abgegeben, nirgends waren es weniger. Aber auch in Gelsenkirchen, Wuppertal, Oberhausen und Essen haben in einigen Wahlkreisen mehr als die Hälfte gar nicht mitgestimmt. Dort war der wichtigste und zugleich einfachste demokratische Akt, das Wählen, nur noch die Sache einer Minderheit.

Am Wahlabend ist diese Erkenntnis, die im Bundesland auf den historischen Tiefstwert von 55 Prozent abgesackte Wahlbeteiligung, noch untergegangen. Die Parteien waren so sehr damit beschäftigt, ihre eigenen Prozentwerte zu interpretieren, dass sie die viel größere Herausforderung noch gar nicht in den Blick genommen haben: Die Demokratie hat ein dramatisches Beteiligungsproblem.

Denn wenn die Hälfte gar nicht mehr mitmacht, vertreten die Volksvertreterinnen und -vertreter dann überhaupt noch das ganze Volk? Die Macht, die Parlamente und Regierungen über Bürgerinnen und Bürger haben, wird von diesen nur dann als berechtigt empfunden, wenn sie selbst darüber mitbestimmt haben, wer diese Macht ausübt. Auf Dauer höhlt eine Wahlbeteiligung auf NRW-Niveau die Legitimität der Demokratie aus. In einigen ostdeutschen Ländern sind solche oder sogar noch niedrigere Werte schon seit Jahren normal.

Doch ist die Lage wirklich so dramatisch, wie sie scheint? Und was lässt sich gegen die niedrige Wahlbeteiligung tun?

Zuerst: Wenn man den Blick etwas weitet, scheinen die Zahlen gar nicht mehr so niedrig. Ja, es gab eine Zeit in Deutschland, in der 90 Prozent der Menschen wählen gegangen sind. Als bei der Bundestagswahl 1972 über die Ostpolitik von Willy Brandt abgestimmt wurde oder als 1983 Helmut Kohl gegen Helmut Schmidt antrat. Aber die meisten Politikwissenschaftler und Historikerinnen sind sich mittlerweile einig: Diese Zeit der maximalen Mobilisierung, der klaren Alternativen und der starken Bindungskraft der Volksparteien – sie war eine historische Ausnahme, eine einmalige Sonderkonstellation. Sie wird nicht zurückkommen und es wäre naiv, sich noch daran zu orientieren. In anderen Ländern und zu anderen Zeiten war die Wahlbeteiligung immer niedriger, bei Präsidentschaftswahlen in den USA lag sie beispielsweise selten über 60 Prozent. 

Studien zeigen seit Jahren, dass es in Deutschland vor allem Menschen aus dem sogenannten prekären Milieu sind, die selten wählen gehen. Der Zusammenhang ist eindeutig: je höher die Arbeitslosigkeit in einer Region, je geringer Einkommen oder Bildungsgrad, desto geringer die Wahlbeteiligung. Das führt zu einer sozialen Schieflage, die Experten vor einer "Elitendemokratie" warnen lässt. Die AfD hat diesen Trend zuletzt (seit 2013) umgekehrt und wieder viele Menschen an die Urnen gebracht, die sich eigentlich schon vom Wählen verabschiedet hatten. Aber auch das scheint nun vorbei, in NRW hat anteilig keine andere Partei mehr Stimmen an das Nichtwähler-Lager verloren als die AfD. Eine Umfrage der Wahlforscher Rainer und Jana Faus von der Agentur Pollytix unter den Nichtwählerinnen und Nichtwählern bei der Bundestagswahl 2021 zeigt denn auch: 28 Prozent fühlen sich von keiner Partei vertreten, 25 Prozent fanden die Spitzenkandidaten zu schwach.

Das Gute: Parteiangebote und Kandidatinnen können sich ändern, viele wären also auch wieder an die Urne zu bringen. Noch aufschlussreicher ist ein anderes Ergebnis der Pollytix-Umfrage. 20 Prozent der Nichtwähler sagen: "Ich wollte wählen, habe es aber zeitlich nicht geschafft." Weil, wie am Wahlsonntag in NRW, die Sonne so schön schien und sie lieber im Biergarten sitzen blieben, bis es plötzlich schon 18 Uhr war. Weil sie arbeiten mussten, im Stau standen, auf Familienfeiern oder im Urlaub waren.

Diese 20 Prozent ließen sich also fürs Wählen gewinnen, sie würden sich an der Demokratie beteiligen, wenn man es ihnen ein wenig leichter machen würde. Indem man die Wahllokale länger öffnet, vielleicht schon am Samstag. Oder die Wahlkabinen nicht nur in leeren Grundschulen und Turnhallen aufstellt, sondern auch, warum nicht, in Fußgängerzonen, an Bahnhöfen und auf Marktplätzen. Warum sollen die Wahlen nicht dorthin gehen, wo die Menschen sind? In der Schweiz, wo die Bürgerinnen und Bürger viel häufiger abstimmen, kann man seinen Wahlschein beispielsweise selbstverständlich einfach am Hauptbahnhof in die Urne werfen. Wenn man ihn nicht sowieso schon per Brief abgeschickt hat. Denn dort bekommen alle die Briefwahlunterlagen automatisch nach Hause geschickt und müssen sie nicht erst beantragen, wie es in Deutschland meist noch üblich ist. 

All das sind einfache, aber wirkungsvolle Mittel, um die Hürden zur Stimmabgabe zu senken und die Wahlbeteiligung zu erhöhen. In Deutschland werden sie leider bis jetzt nicht ernsthaft diskutiert, weil hier immer noch die Vorstellung vorherrscht, dass man es den Bürgerinnen und Bürgern bitte auch nicht zu einfach machen solle. Dass die Hürden dem Wahlakt gewissermaßen erst seine Würde verleihen. Dass Familien sonntags gemeinsam ins Wahllokal pilgern sollen, wie früher in die Kirche, ergriffen vom eigenen Dienst an der Demokratie. Ein schönes, bildungsbürgerliches Ideal ist das, die rituelle Einübung des Hochamts der Demokratie.

Das Naserümpfen über jene, die sonntags lieber im Biergarten sitzen bleiben, übersieht, dass manche der Bequemlichkeitsnichtwähler möglicherweise gute Gründe haben, auf ihre eigene Stimme nicht so viel zu geben. Dass der Wahlakt eben nichts Erhebendes hat für jene, deren Interessen politisch weniger zu Geltung kommen (womit wir wieder bei den prekären Milieus wären). Nein, Wahlen sollen und dürfen gerade nichts Elitäres, Ausschließendes haben. Sie müssen für so viele Menschen wie möglich so leicht wie möglich zugänglich sein, daran bemisst sich ihr demokratischer Wert. Wer die Wahlbeteiligung steigern will, muss den Akt des Wählens demokratisieren.


Aus: "Stellt Wahlurnen in die Fußgängerzonen" Eine Analyse von Lenz Jacobsen (17. Mai 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-05/wahlbeteiligung-nordrhein-westfalen-landtagswahl-demokratie-legitimitaet

QuoteSchamanensirup #1

Es ist höchste Zeit dass Politiker endlich Konsequenzen für ihr Handeln erleben und an ihren versprechen gemessen werden.

So.



Quotefrimoe #1.6

Aha. In welcher Form sollen sie denn Konsequenzen erleben? Das ist leider eine in Zucker eingelegte Worthülse!


QuoteHouse MD #1.9

"Wie soll das praktisch aussehen?"

Ganz einfach: bei 60% Wahlbeteiligung werden auch nur 60% der Mandate verteilt. Die restlichen Sitze bleiben leer. Das würde einen guten Anreiz abgeben, die Nichtwähler wiederzugewinnen.


QuoteSchamanensirup #1.11

Wer sitzt denn für die Maskendeals hinter Gittern ... ?


QuotebesserStill #1.20


... Wirklich transparente, demokratische Kräfte schaden doch nur der Wirtschaft™, den Arbeitsplätzen®, der ©Wettbewerbsfähigkeit. ...


QuoteHalfLife3 #1.25

Der Wert der Demokratie zeigt sich vermutlich erst wenn sie weg ist. Aber auch die demokratischen Parteien müssen sich an die Nase fassen. Vielleicht sollte man mehr Demokratie wagen, ähnlich dem Schweizer Modell und die Bürger mehr entscheiden lassen. Wenn man mit den Menschen spricht kommt oft, "völlig egal wen ich wähle, die machen doch eh was sie wollen". Das muss sich ändern, selbst wenn die repräsentative Demokratie dann bei der ein oder anderen Sachentscheidung gegen die eigenen Bürger verliert. Meiner Meinung kann nur so das Demokratieverständnis gestärkt werden.


QuoteMünchenRadler #1.30

Andi Scheuer, und da wird es höchste Zeit, dass mal aufzuarbeiten. Selbst hier in Bayern zeigen nicht aufgearbeiteten Skandale, Skandälchen und offensichtliches Fehlverhalten schön langsam Wirkung auf die Zustimmungswerte beim Wahlvolk.


QuoteWTHKT #1.44

vielleicht sollten Sie sich mal mit Menschen unterhalten, welche quasi gegen Windmühlen versuchen sich einzubringen und an Politikern scheitern, welche ihre eigenen Interessen durchbringen und sich hinter Regularien (und einem Stab an Mitarbeitern) verstecken.

Ich kann, aus eigener Erfahrung, verstehen - das Menschen resignieren und/oder die sachliche Kritik gegen Polemik eintauschen ...


QuoteLast but not least #2

Lass sie Bürger digital wählen!


QuoteWilliW #2.12

Ja, geschwind am Handy, zwischen der Pizza-Bestellung am Handy und dem Liken von Chantals Selfie noch digital wählen.


QuoteCharriu #2.13

Nein, bloss nicht. Digitale Wahlen lassen sich viel zu einfach manipulieren. Grundsätzlich ein guter Gedanke, aber leider sind analoge Wahlen wesentlich sicherer.


QuoteWilliW #4

Ja, es ist ein Problem, dass viele Demokratie, Frieden, Freiheit und Wohlstand für so selbstverständlich halten, dass sie noch zu faul sind zur Wahl zu gehen.
Ich halte den organisatorischen Vorgang zur Wahl zu gehen oder auch für die Briefwahl für einfach genug. Sie sind jedenfalls meiner Meinung nicht der Grund für die Wahlmüdigkeit.


QuoteDer Hackfleischhassende Zerhacker #5

Ich habe ein Problem mit dem Artikel und mit dem Menschenbild, das dahinter steht.

Man muss und sollte mündigen Bürgern nicht das ganze Leben vorkauen. Es ist wirklich keine Raketenwissenschaft in unserem Land sein Leben halbwegs auf die Reihe zu bekommen und beispielsweise alle paar Jahre mal zu einer benachbarten Schule zu laufen und ein Kreuzchen zu machen.

Auf Stimmen von Leuten denen das schon ein zu hoher Preis für Mitbestimmung ist verzichte ich gerne. Wer nicht will, der hat schon.


QuoteWissenIstMacht888 #6

man koennte wahlurnen bei mc donalds hoechstpersoenlich aufstellen und die menschen waeren immer noch politikverdrossen. :)


QuoteDer Hackfleischhassende Zerhacker #6.1

Man könnte die Stimme einfach aus der Bestellung ableiten. Wer den Veggieburger bestellt, hat damit die Grünen gewählt. BigMac ist dann eher so CDU oder FDP. Einfacherer Hamburger für einen Euro die Linke.


Quoteweiterwursteln #6.2

Und ein blutiger Hamburger mit brauner Sauce ein AfD-Wähler.


QuoteBunny Lebowski #6.3

Uff, der war gar nicht mal so gut...


QuoteDarkness251 #6.4  —  vor 2 Stunden

Hamburger für einen Euro? Wo gibt es den noch?


...

Textaris(txt*bot)

67 Minuten dauerte das Telefonat, und Trump klingt in Teilen so wirr, dass im Saal immer wieder mal gelacht wird – trotz der Monstrosität der geschilderten Vorgänge. Aber es ist eben auch bizarr, wie der Ausschuss einmal mehr darlegt, dass eigentlich jeder um Trump herum und auch er selber wusste, dass die ,,big lie" vom Wahlbetrug Quatsch ist.

Quote[...] Diese Anhörung endet zutiefst menschlich. Anders als an den bisherigen drei Tagen nehmen die neun Ausschussmitglieder nicht den Ausgang rechts hinter dem Podium, auf dem sie stets wie auf einer Richterbank nebeneinandersitzen und der Öffentlichkeit ihre gesammelten Beweise präsentieren.

Am Dienstag erheben sie sich von ihren Plätzen und laufen zu der Tischreihe, an der jeweils die Zeugen sitzen. Der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson, seine republikanische Stellvertreterin Liz Cheney, ihr Parteikollege Adam Kinzinger, Adam Schiff, der an diesem Tag durch die Anhörung geführt hat: Einer nach dem anderen bedanken sie sich mit innigen Umarmungen bei den beiden Frauen, die gerade ausgesagt haben, bei der Wahlhelferin aus Georgia, Shaye Moss, und ihrer Mutter Ruby Freeman.

Was die beiden Afroamerikanerinnen in der Sitzung des Untersuchungsausschusses berichtet haben, zeigt, mit welchem wahnhaften Eifer Donald Trump versucht hat, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen – und welche Konsequenzen das auch heute noch für diejenigen hat, die sich dem entgegenstellten.

Im Fall der beiden Frauen geschah dies einfach nur, weil Shaye Moss ihren Job machte. Sie erzählt, wie Trump auf einmal behauptete, dass sie eine professionelle Wahlfälscherin sei und wie sie daraufhin von dessen Anhängern rassistisch beschimpft und mit Gefängnis und Tod bedroht wurde. So sehr, dass sie wie alle anderen Wahlhelfer, mit denen sie damals in Wahlbezirk Fulton zusammengearbeitet habe, diesen Job nicht mehr wahrnehmen will.

Auch ihre Mutter, Inhaberin eines Modegeschäfts, die sich selbst ,,Lady Ruby" nennt, wurde mit hineingezogen. ,,Ich habe meinen guten Namen verloren, mein Sicherheitsgefühl."

Wenn sie essen bestelle, habe sie Angst ihren Namen anzugeben, schildert sie ihr Trauma. ,,Es gibt keinen Ort mehr, an dem ich mich sicher fühle. Wissen Sie, wie es sich anfühlt, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten Sie ins Visier nimmt?"

Der vierte Tag der Anhörung des Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses ist ganz der Kampagne gewidmet, wie Trump, Rudy Giuliani und andere Helfershelfer Verantwortliche in jenen Bundesstaaten unter Druck setzten, die für den Wahlausgang entscheidend waren – und das, obwohl ihm Anwälte und Berater immer wieder versichert hatten, dass seine Wahlbetrugsvorwürfe haltlos seien. Dies wurde in den zurückliegenden Ausschusssitzungen deutlich.

Besonders für Georgia habe Trump eine ,,besondere Obsession" gehabt, sagt der Vorsitzende Thompson am Dienstag. Hier hat er es so weit getrieben, dass der Wahlleiter Gabriel Sterling, ein Republikaner, damals vor laufender Kamera einen Wutanfall hatte.

Das müsse sofort aufhören, rief Sterling erregt bei einer Pressekonferenz am 1. Januar 2021 in Atlanta, nachdem Trump schon wochenlang auf mit der Wahl befasste Personen Druck ausübte. Es werde Verletzte, möglicherweise Tote geben, wenn der Präsident dies nicht einstelle.

Wie recht er mit seinen düsteren Warnungen hatte, zeigte sich fünf Tage später, als ein Mob das Kapitol in Washington stürmte, um den Kongress davon abzuhalten, den Wahlsieg von Joe Biden offiziell zu zertifizieren. Heute sagt Sterling: ,,Ja, ich habe die Fassung verloren. Aber es erschien mir damals notwendig, weil es immer schlimmer wurde."

Auch sein ebenfalls republikanischer Chef, der für die Wahlorganisation in Georgia zuständige Innenminister Brad Raffensperger, ist nach Washington gekommen, um öffentlich auszusagen. Ihn hatte Trump damals in einem Telefonat unverhohlen aufgefordert, genügend Stimmen für seinen Wahlerfolg in Georgia zusammenzubringen.

Eine Aufnahme des Gesprächs wurde damals an Medien weitergegeben, Teile davon werden nun vorgespielt. Da kann man zum Beispiel hören, wie Trump sagt: ,,Ich will nur 11.780 Stimmen finden" – genau eine Stimme mehr, wie er gebraucht hätte, um anstelle von Biden in Georgia zum Sieger gekürt zu werden.

Raffensperger, der Trump in dem Telefonat mehrfach widerspricht, betont am Dienstag, es gebe keinerlei Zweifel, dass Biden die Wahl in Georgia mit einem Abstand von rund 12.000 Stimmen gewonnen habe. Das hätten auch mehrere Neuauszählungen bestätigt. ,,Die Zahlen sind die Zahlen, und die Zahlen lügen nicht", sagt er.
67 Minuten dauerte das Telefonat, und Trump klingt in Teilen so wirr, dass im Saal immer wieder mal gelacht wird – trotz der Monstrosität der geschilderten Vorgänge. Aber es ist eben auch bizarr, wie der Ausschuss einmal mehr darlegt, dass eigentlich jeder um Trump herum und auch er selber wusste, dass die ,,big lie" vom Wahlbetrug Quatsch ist.

Auch sein Ex-Justizminister William Barr ist am Dienstag wieder auf der Leinwand über den Ausschussmitgliedern zu sehen, in dem gezeigten Video sagt er über Georgia: Trumps Vorwürfe hatten keine Grundlage, ,,wir haben niemals irgendeinen Beweis für Betrug gesehen". Gestoppt hat das Trump bekanntlich nicht.
Besonders eindrücklich ist auch die Live-Aussage des (republikanischen) Sprechers des Repräsentantenhauses von Arizona, Rusty Bowers, der ebenfalls enorm viel Druck aushalten musste, weil er den Behauptungen entgegentrat, in seinem Bundesstaat sei bei der Wahl am 3. November geschummelt worden. ,,Niemand hat mir je Beweise für Wahlbetrug vorgelegt."

Als er Trump und Giuliani um solche gebeten habe, habe Trump das Giuliani aufgetragen. Aber der habe nicht geliefert. Giuliani habe dann später erklärt: ,,Wir haben viele Theorien, aber wir haben keinen Beweis." Er habe nicht Trumps Bauernopfer sein, sagt Bowers.

Das Trump-Team sei auf ihn auch mit der Theorie zugekommen, dass die Wahlmänner Bidens einfach ausgetauscht werden könnten und dass er dazu die Macht habe. ,,Ich hatte das noch nie gehört", beschreibt Bowers seine damalige Reaktion. Man habe ihn nach etwas gefragt, was ,,komplett gegen seinen Eid" verstoße.

Aber der Druck hörte nicht auf, im Gegenteil: 20.000 Emails, Zehntausende SMS und Anrufe hätten sein Büro arbeitsunfähig gemacht, erzählt Bowers. Und: Es wurde persönlich.

Wochenlang seien Protestierende vor seinem Wohnhaus aufmarschiert, berichtet Bowers, der selbst mal Trump-Fan war. Diese hätten ihn als pädophil, pervers und korrupt beschimpft, ihn bedroht und seine Nachbarschaft tyrannisiert. Besonders bitter: Seine Tochter war damals schwer krank und starb wenige Wochen später.
Die Zeugen des Untersuchungsausschusses haben wohl selbst nicht gedacht, dass ihr Widerstand gegen Trump sie mal zu einer Art moderner Helden machen würde. Ähnlich ergeht es Liz Cheney, die wegen ihrer Kritik an dem ehemaligen Präsidenten inzwischen in ihrer Partei ziemlich isoliert dasteht.

Ihre Schlussworte an diesem Tag sind eine Mahnung, auch, weil die Gefahr für die amerikanische Demokratie alles andere als vorbei ist. ,,Institutionen verteidigen sich nicht selbst. Das tun einzelne Menschen."


Aus: "Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol Im Visier von Trump – weil sie ihren Job machten" Juliane Schäuble (22.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/untersuchungsausschuss-zum-sturm-auf-das-kapitol-im-visier-von-trump-weil-sie-ihren-job-machten/28443942.html

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Quote[...] Gegen Trumps falsche Anschuldigungen vorzugehen sei wie der Versuch gewesen, mit einer Schaufel den Ozean zu leeren, sagte Sterling. Trump verteidigte das Telefonat mit Raffensperger in sozialen Medien und beschrieb es als "perfekt".

... Bowers beschrieb, wie der Wahlverlierer Trump ihn nach einem Kirchenbesuch am Sonntag anrief und vorschlug, die Wahlleute des US-Staats durch Gefolgsleute Trumps zu ersetzen. "Ich sagte: Schau mal, du verlangst von mir, etwas zu tun, was meinem Eid widerspricht", sagte Bowers dazu. Er habe darauf gepocht, Belege für den von Trump unterstellten Wahlbetrug zu sehen. Diese habe das Team des Ex-Präsidenten jedoch niemals erbracht. Einmal habe Trumps Anwalt Rudy Giuliani zu ihm gesagt: "Wir haben viele Theorien, uns fehlen nur die Beweise."

... Die Demokraten sehen in Trumps Verhalten bis hin zu seiner Rede am 6. Januar 2021, mit der er seine Anhänger mutmaßlich zum Sturm aufs Kapitol aufstachelte, einen versuchten Putsch. Viele, die sich gegen ihn stellten, sind bis heute Drohungen ausgesetzt.


Aus: ""Wir haben viele Theorien, uns fehlen nur die Beweise"" (22. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/2022-06/usa-donald-trump-wahl-untersuchungsausschus-kapitol?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

QuoteK. W. #3

"Trump behauptet bis heute ohne Belege, er sei durch Wahlbetrug um den Sieg bei der Präsidentenwahl 2020 gebracht worden."

Donald Trump sollte 2024 eine zweite Chance bekommen.
Dann kann der Wähler entscheiden.


QuotekleinerDrache #3.1

Das ist alles was ihnen zu diesem Staatsstreich einfällt. ...


Quoteweiterwursteln #3.6

/// Donald Trump sollte 2024 eine zweite Chance bekommen. Dann kann der Wähler entscheiden. ///

Kann man fordern wenn man mit Demokratie nicht so wirklich was am Hut hat.


QuoteDogwalker #8

Das Problem ist nicht Trump.
Das Problem sind Menschen mit einem unterentwickelten politischen Verstand.
Ohne die wäre er lediglich ein politischer Clown.


Quotedelekhan #8.1

Ich glaube nicht dass es ein unterentwickelter politischer Verstand ist.

Ich würde es in drei Sorten Menschen einteilen:

-diejenigen, die bereits macht und geld haben, sich aber davon noch mehr versprechen wenn Trump an die Macht kommt und das ausbeuten erleichtert.

-diejenigen die immer an jeder blöden situation (arbeitslos, inflation, etc. ) anderen die schuld geben und auf den ersten anspringen der sagt "die sind daran schuld, und das mit absicht" (nazideutschland lässt grüßen)

-und erst als letzte gruppe die leute die tatsächlich einfach nicht den geistigen horizont haben das zu überschauen und halt zu demjenigen gehen der die leichteste "lösung" verspricht

...


QuoteCurze #8.3

Ich würde noch eine weitere Gruppe hinzufügen, wobei die irgendwo in Punkt 3 überschneidet:
Diejenigen, wo der "Fußballfan"-Effekt eintritt - also eben solche, die immer für ihre Partei sind, unabhängig der Politik, wie man eben auch seine Lieblingsmannschaft anfeuert, selbst wenn sie schlecht spielt.

Ich würde dieses Phänomen noch erweitert sehen - dies führt eben in seinen extremeren Zügen auch dazu, dass die Wahrheit oder Verfehlungen über den eigenen Kandidaten nicht akzeptiert werden können/heruntergeredet werden müssen, anstatt seine eigene Meinung zu ändern.

Siehe z. B. Trumps Unterstützung unter strengläubigen Christen trotz seinem extrem unchristlichen Lebenswandel.

In zu großen Kreisen ist das dann effektiv die Mehrheitsdiktatur, zumindest innerparteilich: Was nicht seien darf, ist nicht. Der populärste Kandidat darf alles, Kritik an ihm darf nicht sein, denn das ist wahltaktisch unklug. Selbst wenn er absolut schuldig ist, muss man ihn schützen. Erneut, normal, wenn Parteigrößen so denken, problematisch, wenn das auch die Wähler sind.


QuoteBlackout291 #11

Zynische und grausame Menschen sind sehr beliebt beim einfachen Volk. Die Menschen wollen ein Feind und Sicherheit. Die Zeit der Demokratie und Toleranz geht zu Ende.


Quoter.schewietzek #11.1

Nein.


QuoteZeitloch #20

...leider wurden zu viele Republikaner während der Präsidentschaft unter Trump von den von ihm verteilten Giftpillen drogenabhängig und manipuliert. Da sehe ich eine Entziehungskur eher aussichtslos.

...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der vor 100 Jahren ermordete Außenminister Walther Rathenau war Visionär, Ökologe und Konsumkritiker. Er sah die Probleme, vor denen wir heute stehen.

... ,,An der Arbeit, die in unsichtbarer Verkettung alle leisten, sind alle berechtigt. Jeder bedarf des gemeinsamen Schutzes, der gemeinsamen Einrichtungen, die er nicht geschaffen hat. Das Dach, unter dem er schläft, die Straße, die er betritt, das Werkzeug, das er hebt, dies alles ist von der Gesamtheit geschaffen. Eigentum, Verbrauch und Anspruch sind nicht Privatsache." Individueller Reichtum ruht auf der Vorarbeit von Generationen, und darum gehören die Früchte der Produktivität allen.

Daraus folgt für den AEG-Erben, dass die ,,verdienstlosen Massenerben" enteignet, die ,,Erblichkeit der Kapitalmacht" gebrochen werden müsse, zugunsten des öffentlichen Wohlstands: durch Kultureinrichtungen, kommunale Dienste, sozialen Ausgleich, vor allem aber durch Volksbildung. Nur mit gebildeten Bürgern und ,,nur auf der Grundlage ähnlicher Lebensumstände" könne Demokratie existieren.

Wie sich zeigte, waren solche Gedanken tödlich.

...

Mathias Greffrath lebt als freier Autor für Print und Radio in Berlin. Er ist Herausgeber von ,,RE: Das Kapital. Politische Ökonomie im 21. Jahrhundert" (Kunstmann, 2017)


Aus: "100 Jahre nach Mord an Außenminister: Was uns Rathenau heute sagt" Kommentar von Mathias Greffrath (29. 6. 2022)
Quelle: https://taz.de/100-Jahre-nach-Mord-an-Aussenminister/!5861072/


Walther Rathenau (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 ebenda) war ein deutscher Industrieller, Schriftsteller und liberaler Politiker (DDP). Während des Ersten Weltkrieges beteiligte er sich an der Organisation der Kriegswirtschaft und setzte sich für einen ,,Siegfrieden" ein. Nach dem Krieg kam er schließlich zur linksliberalen DDP und wurde im Februar 1922 Reichsaußenminister. Zahlreiche publizistische Angriffe gegen ihn warfen ihm vor, dass er sich an der ,,Erfüllungspolitik" beteilige: Die Zusammenarbeit mit den Siegermächten liefere Deutschland an diese aus. Rathenau wurde im Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordet, was für die Regierung der Anlass war, ein Gesetz zum Schutz der Republik auf den Weg zu bringen.
Rathenau war ein deutscher Jude, der national dachte und zahlreiche größere und kleinere Schriften zum Nationalstaat, zur gelenkten Wirtschaft, zum Krieg und zur Revolution veröffentlichte. Ein nach ihm benanntes Institut, das der FDP nahesteht, verwaltet sein geistiges Erbe. ... Schon 1916 schrieb Rathenau über die Anfeindungen gegen ihn an Wilhelm Schwaner:  ,,[Den] Menschen, die einen Teil ihres Lebens auf Haß gestellt haben, denen ist dieser Haß ein Bedürfnis und eine Existenzbedingung, die kann man ihnen nicht nehmen. Warum sucht denn jemand sein Glück in der Verfolgung seines Nächsten? Weil es ihn tröstet und erhebt, sich über andere zu stellen. Glückliche Menschen sind das nicht." ... In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Andenken an Rathenau demonstrativ getilgt. Die Gedenktafel am Ort seiner Ermordung wurde entfernt. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Rathenau


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#104
 Ihrem Image, dass nach intransparenten Gremiensitzungen von Oben herab fragwürdige Entscheidungen getroffen werden, müssen die ÖRR durch eine radikale Demokratisierungs- und Transparenzoffensive begegnen.

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Quote[...] Die Affäre um Vetternwirtschaft und Verschwendung der zurückgetretenen RBB-Intendantin Patrica Schlesinger hat womöglich auch ein strafrechtliches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das sagte ein Sprecher am Montag dem Tagesspiegel.

Ermittelt wird gegen Schlesinger, ihren Mann, Ex-,,Spiegel"-Journalist Gerhard Spörl, sowie gegen den bisherigen RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf – wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsannahme. Demnach sehen die Ermittler jetzt doch einen Anfangsverdacht. Nach den ersten Enthüllungen zur Schlesinger-Affäre im Juni hatte die Staatsanwaltschaft zunächst keinen Verdacht erkennen können.

In der RBB-Affäre geht es um Vorwürfe der Vetternwirtschaft, Compliance-Verstöße und Gebührenverschwendung, aber auch um Luxus-Ausstattung für Schlesinger, einen teuren Dienstwagen und vom Sender übernommene Steuerkosten der Intendantin.

Schlesinger bewirtete daheim auch gern illustre Gästerunden – aber auf Kosten des Senders und damit der Gebührenzahler. Bewirtet wurden ihr Ehemann Gerhard Spörl, Ex-Charité-Chef Max Einhäupl mit Frau, Münchens Filmhochschul-Präsidentin Bettina Reitz mit Gatte, der Ex-Chef des Bundespräsidialamts Stephan Steinlein mit Frau, Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger, Ex-Senatskanzlei-Chef André Schmitz (SPD), aber auch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit Mann.

Ein Brandenburger Landespolitiker sagt, Schlesingers habe offenbar einen privaten Salon betrieben, finanziert vom Sender. So war es etwa am 12. Februar 2022. An diesem Abend waren neun Personen geladen, neben Schlesingers Mann auch Polizeipräsidentin Slowik nebst Mann, aber auch Charité-Chef Heyo Klaus Kroemer und seine Frau. 1154,87 Euro kostet das üppige Mahl, 127 Euro pro Person.

Auf dem Programm stand einen Vier-Gänge-Menü, sechs Flaschen französischer Rotwein für 28,45 Euro pro Flasche, sechs Flaschen französischen Weißwein für 24,65 Euro je Flasche, aber auch zwei Flaschen Champagner der Marke Veuve Clicquot für insgesamt 83 Euro. Hinzu kommen noch Kosten für Tischwäsche, Service und Küche und Lieferung für 227,50 Euro.

Die ,,Bild"-Zeitung berichtete am Wochenende über die Einrichtung von Schlesingers Büro und die angrenzenden Räumlichkeiten im 13. Stock des Berliner Fernsehzentrums, in dem die Intendanz sitzt. Seit Schlesingers Amtsantritt 2016 sollen dort Umbauten in Höhe von über 650.000 Euro vorgenommen worden sein. Allein für das neue Parkett in Schlesingers Büro sind fast 17.000 Euro in Rechnung gestellt worden.

Das Edel-Parkett eines italienischen Herstellers musste anstelle des alten Teppichs ganz schnell und kurzfristig eingebaut werden – während Schlesingers Urlaub im Oktober 2016. Denn sonst hätte sie noch länger warten müssen.

Für Schlesingers speziellen Wunsch wurden sogar Vergaberichtlinien umgangen, wie aus Unterlagen hervorgeht, die dem Tagesspiegel vorliegen. Eine Abteilungsleiterin des RBB schrieb damals, nach der Beschaffungsordnung des Senders müsste sie ,,mindestens noch zwei Vergleichsangebote einholen". Aber ,,um den Wunschtermin für Frau Schlesinger zu halten", bat sie um eine Ausnahme.

Weiter schreib die leitende Mitarbeiterin zum Auftrag an den Hersteller: ,,Diesen Termin können wir nun dann zusagen, wenn wir das Angebot bis Mittwoch beauftragt haben. Das Parkett wird speziell für den Kunden hergestellt. Dafür hat die Herstellerfirma (...) in Italien feste Abläufe. Das Holz wird immer am Ende eines Monats in einem besonderen Verfahren geölt."

Später bemängelte die Innenrevision des Senders, ,,dass bei diesem Beschaffungsvorgang (...) RBB-Compliance-Richtlinien nicht eingehalten" wurden. ,,Zumindest hätten noch zwei weitere Firmen angefragt werden müssen", heißt es in dem Schreiben eines Mitarbeiters.

Die Ex-Intendantin bekam neben ihrem um 16 Prozent auf 303.000 Euro erhöhten Gehalt im Jahr 2021 noch einen fünfstelligen Bonus als ,,variablen Gehaltsanteil". Da der RBB ihr die private Nutzung von Dienstwagen – einen Luxus-Audi-A8 und den beiden Chauffeuren – zugebilligt hat, muss sie den geldwerten Vorteil versteuern. Doch der Sender übernahm die Kosten der Versteuerung über ,,Bestandteile der Vergütung".

Daneben soll Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl den Dienstwagen auch für eigene Geschäftsfahrten – unter anderem zur Messe Berlin – genutzt hat. Spörl hatte auf Vermittlung von RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf einen hoch dotierten Beraterauftrag für ein Mediencoaching von Messechef Martin Ecknig erhalten, zumal Wolf auch Aufsichtsratschef der Messe ist.

Ferner standen auf der Liste der Vorwürfe gegen Schlesinger auch ein Geheimvertrag für den Dienstwagen und erheblich höhere Kosten für den Medienhaus-Bau.


Aus: "Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schlesinger, ihren Mann und RBB-Chefkontrolleur" (08.08.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/verdacht-der-untreue-und-vorteilsannahme-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-schlesinger-ihren-mann-und-rbb-chefkontrolleur/28583226.html

QuoteFabian_K. 08.08.2022, 19:11 Uhr

Für mich offenbart das Verhalten Schlesingers weniger eine Krise der ÖRR, als der Gesellschaft. Die Ursache ihrer Abgehobenheit ist ihre Gehaltsklasse. Wie in anderen Unternehmen auch ist der Unterschie zwischen den Gehältern auf der oberen Führungsebene und denen der normalen Angestellten einfach zu krass. Wie soll man nicht feudale Allüren bekommen, wenn man das 6fache schon einer Abteulungsleiterin verdient, geschweige von einerm freien Mitarbeiter, auch der Filmemacher, die ja den eigentlich Content liefern.


QuoteKernwerk 08.08.2022, 20:38 Uhr

Antwort auf den Beitrag von Fabian_K. 08.08.2022, 19:11 Uhr

Ganz grundsätzlich gebe ich Ihnen recht. Allerdings ist es noch ein Unterschied zwischen der Wirtschaft, wo letztendlich der Kunde soviel Geld freiwillig abliefern muss, dass der Chef sich was gönnen kann oder öffentlichen Institutionen, von denen beim Bürger zwangsweise einkassiert wird. Insofern ist es eine Krise der gesamten von Steuern und Abgaben finanzierten politiknahen Blase.


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QuoteKabeljau #11

Diese Vorgänge sind doch eine tolle Vorlage für den nächsten Tatort.


Quotevincentvision #16

Niemand kann so dumm sein, das mutmaßliche Fehlverhalten einzelner Personen mit dem ganzen System ÖRR gleichzusetzen, wenn - das nicht genau in seine politische Agenda passt!

Die unabhängigen ÖRRs sind nach dem Krieg von den Alliierten als Antwort auf die Schreckenspropaganda eines Goebbels in Deutschland installiert worden, völlig berechtigt natürlich. Und die Empfänglichkeit eines Teils der Bevölkerung für simplifizierenden Populismus auch heute und hier macht klar, wie wichtig sie immer noch sind.

Die Verfehlungen einer Intendantin, nötige Reformen und Schutzmaßnahmen einzuleiten, sind eine Sache - den ganzen ÖRR abzuschaffen (und stattdessen privater medialer Propaganda das einzige Spielfeld zu überlassen), sind eine andere.

Genau diese Forderungen wabern aber ,,dezent" und mehr oder weniger intelligent vorgetragen immer wieder aus dem rechten Winkel - es ist klar, warum:

Die ÖRRs sind trotz aller Kritik ein mächtiges Bollwerk gegen Rechtspopulismus und gegen pauschale Hetze, sie sorgen mit maximal gut und seriös recherchierten Fakten, mit Faktenchecks und redaktionell hervorragenden Aufarbeitungen für einen wichtigen Teil der aktuellen Medienlandschaft. Ein Blick auf die ,,Nachrichten" der privaten Sender sollte klar den Unterschied erkennen lassen.

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QuoteHON #24

Frau Schlesinger, die ehemalige Speerspitze des Polit-Magazins ,,Panorama", immer auf der Suche nach Verfehlungen der sogenannten bürgerlichen Parteien - geht steil in ihrer Karriere beim RBB und entpuppt sich nun als maßgebliches Puzzleteil in einer Korruptionsaffäre beim einer Anstalt der ÖR. Kannst du dir nicht ausdenken!


QuoteZeitsiert #24.2

Richtig, richtig übel, dass der Programm Direktor zugegeben hat, dass sie die Boni für erreichte Einsparziele noch auf die 300K bekam.
Solche Leute sind überhaupt nicht mehr zu erreichen. ...


QuoteKritisch-ernst #52

So ein 8.5 Milliarden, durch quasi Zwangs-Steuer finanziertes Gebilde scheint bestens geeignet, um Geld abzugreifen. ...


Zu: https://www.zeit.de/kultur/2022-08/rbb-affaere-ruecktritt-verena-formen-mohr-wolf-dieter-wolf (9. August 2022)

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Quote[...] Der Doppelrücktritt von Patricia Schlesinger, als ARD-Vorsitzende und Intendantin des RBB, deutet auf eine Malaise, die größer ist als dieser spezielle Fall: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) steckt in multiplen Krisen. Viele, die darin arbeiten, wollen es nicht wahrhaben, aber der Sturm, den das Verhalten ihrer Vertreter auslöst, wird heftiger. Es wäre falsch, dahinter lediglich Missgunst oder Kampagnen zu wittern. Was ist geschehen?
Es begann mit einer zweifachen Relevanzkrise. Zunächst wurde das TV-Monopol der Öffentlich-Rechtlichen geknackt. Das war in den achtziger Jahren, als ihnen der private, kommerzielle Rundfunk Konkurrenz zu machen begann. Dann kam das Internet mit Dutzenden von Plattformen wie Twitter, WhatsApp, Facebook und Instagram. Welche Macht Politikern zuwachsen kann, die sich in sozialen Netzwerken offen gegen traditionelle Medien positionieren, zeigte der Wahlkampf von Donald Trump.

Auf die Relevanz- folgte die Repräsentationskrise. Spätestens seit dem Flüchtlingsherbst 2015 und verstärkt durch die Corona-Pandemie – zwei Ereignisse, die die Gesellschaft spalteten und den Diskurs polarisierten – fiel es den Öffentlich-Rechtlichen immer schwerer, die Gesamtheit der Stimmungen adäquat abzubilden. Die AfD ist zwar im Bundestag vertreten, aber in den Redaktionen von ARD und ZDF lässt sich kaum ein Sympathisant finden. Politisch ist das Land in den vergangenen Jahren schneller nach rechts gerückt als medial. Inzwischen verursacht fast jede Gästeauswahl für Talkshows massiven Streit. Wer darf reden? Sind genügend Frauen, Migranten, Ostdeutsche vertreten?

Auf die Repräsentations- folgte die Akzeptanzkrise. Ein mit Zwangsgebühren, im Volksmund Mediensteuer genannt, üppig finanziertes System, bezahlt seine Stars mit horrenden Summen, um sie möglichst quotenträchtige Gerechtigkeitsdebatten führen zu lassen. Über ,,Emmely" etwa, die Kassiererin, die wegen geklauter Pfandbons entlassen worden war. Solche Diskrepanzen rufen Wut empor, gefolgt vom Vorwurf der Abgehobenheit. Längst ist das ÖRR-Bashing kein Kennzeichen rechter Ideologen mehr, sondern reicht bis weit in die Mitte.
Dabei ist der Grundimpuls, aus dem der staatsferne Staatsfunk entstand, auch heute so nachvollziehbar wie berechtigt. Er soll unabhängig und überparteilich sein, die gesellschaftlichen Strömungen in ihrer Vielfalt abbilden, Informationen liefern, Orientierung geben, Zusammenhänge aufzeigen. Wer je in einem Land ohne funktionierendes Fernseh- und Rundfunksystem dieser Art gelebt und die Manipulationsmöglichkeiten privat operierender Medienmogule erfahren hat, schätzt die möglichst neutrale Grundversorgung der deutschen Öffentlich-Rechtlichen stets aufs Neue.

Mit der Relevanz- und Repräsentationskrise müssen sie zu leben lernen. Ihre Akzeptanz freilich können die ÖRR erhöhen. Politiker werden gewählt und müssen sich gegenüber dem Steuerzahler verantworten. Jede Briefmarke wird abgerechnet. In Sachen Transparenz und Demokratie hinken die Öffentlich-Rechtlichen indes hinterher. Gehälter, Honorare und Altersbezüge sollten detailliert einsehbar sein. Und was spräche gegen eine Mitsprache des Bürgers bei Personal und Programm? Warum stellen sich Intendanten und Programmverantwortliche nicht dem Votum der Nutzer? Das könnte einen Ideenwettkampf entfalten, in dem regelmäßig die Wünsche und Bedürfnisse der Zuschauer reflektiert werden.
Mehr Musikantenstadl, längere Tagesschau, früherer Talkshow-Sendungsbeginn? Über alles darf ergebnisoffen diskutiert werden. Ihrem Image, dass nach intransparenten Gremiensitzungen von Oben herab fragwürdige Entscheidungen getroffen werden, müssen die ÖRR durch eine radikale Demokratisierungs- und Transparenzoffensive begegnen. Das schulden sie sich selbst. Das schulden sie aber vor allem den Zwangsgebührenzahlern, auch Zuschauer genannt.


Aus: "Die Krisen bei ARD und ZDF Intendanten müssen endlich auch gewählt werden" Ein Kommentar von Malte Lehming (08.08.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/die-krisen-bei-ard-und-zdf-intendanten-muessen-endlich-auch-gewaehlt-werden/28583430.html

Patricia Schlesinger (* 14. Juli 1961 in Hannover) ist eine deutsche Journalistin und Fernsehmoderatorin. Vom 1. Juli 2016 bis zum 7. August 2022 war sie Intendantin des RBB, vom 1. Januar 2022 bis zum am 4. August 2022 zudem Vorsitzende der ARD. Sie trat Anfang August 2022 von diesen Ämtern zurück, nachdem Medienberichterstattung Vorwürfe öffentlich gemacht hatte, sie habe mehrfach Spesen zu Unrecht abgerechnet sowie Vergünstigungen angenommen, und sie dadurch auch politisch unter Druck geraten war. Kurz nach ihrem Rücktritt wurde die Aufnahme eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen sie bekannt. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Patricia_Schlesinger