Das Verbot des Romans "Esra" von Maxim Biller ist durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt worden. Zwei Klägerinnen glauben, sich in dem Buch wiederzuerkennen und sehen sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Dieser Ansicht haben sich die Karlsruher Richter angeschlossen. Ihrer Meinung nach sind die Klägerinnen für einen großen Bekanntenkreis im Buch durch viele Details zu erkennen und nur unzureichend verfremdet. Biller habe in seinem Roman "keine Typen dargestellt, sondern Porträts". Dies sei von der Kunstfreiheit nicht gedeckt.
Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes stellt lakonisch fest: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." Dennoch ist, so Joachim Kersten, einer der renommiertesten Urheberrechts-Anwälte des Landes, "die Geschichte der Kunstfreiheit in Deutschland eine Geschichte ihrer fortwährenden Einschränkung". Das neue Urteil des Bundesgerichtshofs muß als weiterer Schritt auf diesem Weg betracht werden. Die Forderungen der Richter an die Schriftsteller, ihr Erfahrungsmaterial zu verfremden, bevor sie es in Literatur verwandeln und gefälligst Typen und keine Porträts zu zeichnen, lassen sich schwer mit den Forderungen moderner Ästhetik in Einklang bringen, der es oft genug eben um Authentizität und Porträtgenauigkeit geht. So fragwürdig Billers Buch in einzelnen Passagen sein mag - das Verbot des kompletten Buches ist eine Niederlage der Literatur und dokumentiert die Geringschätzung der Kunst durch unsere Gerichte.
von Uwe Wittstock (DIE WELT; 22. Juni 2005)
Aus: "Biller bleibt verboten"
http://www.welt.de/data/2005/06/22/735130.html[...] Gerda Müller, Vorsitzende des VI. Zivilsenats, sprach von einer «schwierigen Gratwanderung». Die Frage nach der Fiktionalität führe die Juristen an die Grenze ihres Fachs. Nach ihren Worten dürfte für diese Frage entscheidend sein, ob die reale Person innerhalb eines Kunstwerks «künstlerische Selbstständigkeit» erlangt habe. (NZ; 21. Jun 2005)
Quelle:
http://www.netzeitung.de/kultur/344818.html-.-
[...] Der stark autobiographisch gefärbte Roman "Esra“ des Schriftstellers Maxim Biller (47) bleibt verboten. Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das Bundesverfassungsgericht das Erscheinen des Romans aus dem Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch endgültig untersagt. Das 2003 erschienene Buch verletze das Persönlichkeitsrecht von Billers Ex-Freundin, weil sie eindeutig als "Esra“ erkennbar sei und der Roman intimste Details der Liebesbeziehung zwischen der Romanfigur und dem Ich-Erzähler Adam schildere, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss.
Damit wiesen die Karlsruher Richter eine Verfassungsbeschwerde von Kiepenheuer & Witsch im Wesentlichen ab und bestätigten ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni 2005. Drei der acht Karlsruher Richter stimmten allerdings gegen die Entscheidung und warnten vor einer Tabuisierung des Sexuellen. (Az: 1 BvR 1783/05 - Beschluss vom 13. Juni 2007) Biller, der in den 80er Jahren durch seine Kolumne "Hundert Zeilen Hass“ in dem Magazin Tempo bekannt wurde, gilt als provokanter und bisweilen aggressiver Kritiker des Kulturbetriebs.
"Esra“ ist sein zweiter Roman. Zu Billers bekanntesten Arbeiten gehören "Wenn ich einmal reich und tot bin“ (Erzählungen, 1990) und "Die Tochter“ (Roman, 2000). In dem Werk beschreibt er schonungslos und detailliert eine inzestuöse Vater- Tochter-Beziehung. In einem Punkt revidierten die Verfassungsrichter am Freitag das BGH-Urteil. Die Mutter von Billers Ex-Freundin - im Roman als herrschsüchtige, psychisch kranke Alkoholikerin Lale geschildert - hat keinen eigenen Unterlassungsanspruch.
Der Umstand, dass sie dort sehr negativ gezeichnet sei, reiche nicht für ein Verbot. Die realen Vorbilder waren vor allem deshalb leicht erkennbar, weil die Tochter den Bundesfilmpreis (im Buch: "Fritz-Lang-Preis“) und die Mutter den
alternativen Nobelpreis ("Karl-Gustav-Preis“) erhalten hatten. Nun muss der BGH noch einmal entscheiden - was aber am Verbot auf Antrag der Tochter nichts ändern wird. Die beiden Frauen haben außerdem noch vor dem Landgericht München eine Klage auf 100 000 Euro Schadensersatz laufen.
Eine Entscheidung wird im Dezember erwartet. Der Verlag zeigte sich "zutiefst enttäuscht“. Gaby Callenberg, eine Sprecherin, wertete es am Freitag in Köln aber als einen Teilerfolg, das ein Verbot von zweien aufgehoben worden und die
Mehrheit für das Verbot in Karlsruhe offenbar knapp gewesen sei. Der Verlag hatte, nachdem ihm 2003 per einstweiliger Verfügung der Verkauf untersagt worden war, eine entschärfte Fassung aufgelegt.
Doch auch diese Version blieb nach einer Gerichtsentscheidung verboten. Nach der Karlsruher Grundsatzentscheidung des Ersten Senats schützt die Kunstfreiheit die Verwendung von Vorbildern aus der Wirklichkeit. "Für ein literarisches Werk, das an die Wirklichkeit anknüpft, ist es gerade kennzeichnend, dass es tatsächliche und fiktive Schilderungen vermengt.“
Auch wenn hinter den Figuren reale Personen erkennbar seien, sei ein Roman "zunächst einmal als Fiktion anzusehen“. Bei Kollisionen mit Persönlichkeitsrechten sei eine solche "kunstspezifische Betrachtung“ notwendig. Deshalb rechtfertigt die bloße Erkennbarkeit noch kein Verbot.
Andererseits muss, so das Gericht, auch die Kunstfreiheit einem absolut unantastbaren "Kernbereich privater Lebensgestaltung“ weichen, "zu dem insbesondere auch Ausdrucksformen der Sexualität gehören“. Deshalb ist der Entscheidung zufolge ein gewisser Abstand zwischen "Abbild und Urbild“ nötig: "Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützte Dimension des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen.“
Zwei der überstimmten Richter, Christine Hohmann-Dennhardt und Reinhard Gaier, kritisierten die Mehrheitsmeinung als "widersprüchlich“. Die Formel "je mehr Intimbereich, desto mehr Verfremdung sei notwendig“ führe letztlich zu einer "Tabuisierung des Sexuellen“. Dies schränke die Kunstfreiheit in nicht hinnehmbarer Weise ein. In einem weiteren Sondervotum warnte Wolfgang Hoffmann-Riem vor einem Verlust der Vielfalt künstlerischen Schaffens.
(dpa)
Aus: "Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - Billers Roman "Esra" bleibt verboten" (12.10.2007)
Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/730/137454/-.-
[...] Das Bundesverfassungsgericht hat ein ebenso spektakuläres wie vermessenes Urteil gefällt. Es hat den Roman "Esra" von Maxim Biller endgültig verboten. Und in seiner Begründung des Verbots schreibt es Methoden vor, mit denen man künftig die Grenzen der Kunstfreiheit juristisch bestimmen soll. Mit diesen Formeln sei festzustellen, wie viel künstlerische Autonomie und wie viel zulässiger Realismus in einem Roman stecken.
Das Gericht hat diese Messmethoden selbst angewendet, um Billers Roman zu prüfen - und es konstatiert nach seinem juristisch-literarischen Test: Zu viel Wahrheit über die ehemalige Freundin von Maxim Biller, zu viel Wirklichkeit und zu wenig Fiktion, also: zu wenig Kunst.
Damit hat das Gericht ein Verfahren der juristischen Titration entwickelt. So nennt man das chemische Verfahren, mit dem man den Essigsäuregehalt von Essig und den Weinsäuregehalt von Wein bestimmen kann. Der Chemiker nimmt dazu ein Glasröhrchen und gibt daraus tropfenweise eine Probelösung in die Flüssigkeit, die es zu analysieren gilt. Schlägt die Farbe der zu bestimmenden Flüssigkeit von Rot in Blau um, weiß der Chemiker, jetzt ist es genug.
Auf ähnliche Weise soll künftig gemessen werden, wie viel Kunst in einem Roman steckt. So wird nun künftig festgestellt, ob ein Buch, in dem wiedererkennbare Personen auf ihnen unangenehme Weise vorkommen, verboten werden muss, oder ob es sich bei dem Roman um Kunst handelt, der den Schutz der Kunstfreiheit des Grundgesetzes genießt. Die Richter stellen das zu prüfende Buch auf den Tisch wie der Chemielehrer einen Weithals-Erlenmayerkolben, und warten auf den Umschlag von Rot in Blau.
Die Richter haben Billers Roman also höchstrichterlich bemessen. Das darf jeder Leser. Er darf ein Buch begeistert, gelangweilt, verdrossen, verärgert oder angeekelt weglegen, er darf es in den Müllschlucker werfen oder der Altpapiersammlung übergeben; er kann all seinen Freunden abraten, es zu lesen, er darf es als widerlichen Exhibitionismus bezeichnen; das mag man dem Biller-Roman auch vorwerfen.
Die Richter in Karlsruhe waren aber keine normalen Leser. Sie haben das Buch nicht nur gelesen und bewertet, sie haben es verboten und aus dem Verkehr gezogen - weil es unlauter umgehe mit einer wiedererkennbaren Person, weil er diese Person verletzte, weil es "Esra" nicht entrücke in den Himmel der Kunst.
Als Grundlage für die Bewertung haben die Richter also eine juristische Formel dafür gefunden, wie diese literarische Entrückung angeblich funktioniert. Die Formel heißt "Jedesto". Schriftsteller werden sie sich künftig auf den Schreibtisch kleben müssen, wenn sie nicht umsonst arbeiten wollen; und Verleger sollten sie sich eingerahmt über den Schreibtisch hängen, wenn sie ihr verlegerisches Risiko vermindern und vermeiden wollen, dass ihre Bücher von Gerichten vom Markt genommen werden.
Diese Karlsruher Jedesto-Formel steht im vierten Leitsatz des Esra-Urteils: "Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung besonders geschützte Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen."
Anders gesagt: Je mehr Verfremdung, desto mehr Kunst, und desto geringer die Gefahr, verboten zu werden; je mehr Erkennbarkeit, desto größer die Beeinträchtigung, und desto größer die Gefahr des Verbots; und je mehr es um Intimes geht, desto mehr Verfremdung ist notwendig. Das ist eine quantitative Messmethode, die qualitativ schon dann in größte Schwierigkeiten kommt, wenn die beschriebene Person gerade die Verfremdung anstößig findet.
Die Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt und der Verfassungsrichter Reinhard Gaier erklären in ihrem abweichenden Votum, in dem sie sich von der Mehrheitsmeinung distanzieren: "Mit solch quantitativem Messen, an denen ein Abgleich des Romans mit der Wirklichkeit vorgenommen werden soll, wird man der qualitativen Dimension der künstlerischen Verarbeitung von Wirklichkeit nicht gerecht."
Kunst, so sagen die beiden Richter, "erschöpft sich nicht in der subjektiven Sicht auf Realitäten, sondern formt aus diesen eigene Welten, mit denen Anliegen des Künstlers ihren Ausdruck finden". Damit beziehen sie sich auf die Ästhetische Theorie von Adorno, in der es heißt: "Selbst Kunstwerke, die als Abbilder der Realität auftreten, sind es nur peripher, sie werden zur zweiten Realität, indem sie auf die erste reagieren." Die Mehrheit der Richter kennt nur eine Realität.
Das Freitags-Verbot aus Karlsruhe gegen den Roman "Esra" ist das erste höchstrichterliche Verbot eines Buches seit dem Jahr 1971. Damals traf das Verdikt "Mephisto. Roman einer Karriere" von Klaus Mann, ein Buch, das von der zwielichtigen Karriere einer Figur namens Hendrik Höfgen und von deren Aufstieg im Dritten Reich handelt.
Klaus Mann erklärte seinerzeit dazu, es handele sich nicht um ein Porträt von Gustaf Gründgens, sondern "um einen symbolischen Typus". Aber das half nichts; der Adoptivsohn und Alleinerbe des verstorbenen Schauspielers und Intendanten Gründgens erwirkte ein gerichtliches Verbot, und dieses wurde 1971 in der "Mephisto"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt.
Damals machten sich die Richter zu Literaturkritikern wie folgt: Das "Abbild" Höfgen erscheine gegenüber dem "Urbild" Gründgens nicht ausreichend "verselbstständigt"; es fehle an der Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks, sodass Persönlich-Intimes nicht zu Gunsten des Allgemeingültige und Zeichenhaften objektiviert sei.
Die Verfassungsrichter Erwin Stein und Wiltraud Rupp-von Brünneck wiesen damals in ihrem Minderheitenvotum vergeblich darauf hin, dass eine einseitig an der Realität orientierte Betrachtungsweise wohl einer Biographie oder Dokumentation angemessen sei, aber nicht einem Roman. Es gehöre, schrieben sie, zur Kunst, Reales mit Fiktivem zu "vermischen". Die Mehrheit der Richter des 1. Senats sah das damals anders - so wie heute wieder, bei Billers Roman.
Diesmal gibt es zwei Sondervoten von drei Richtern - das erwähnte Votum von Hohmann-Dennhardt/Gaier zum einen, das von Wolfgang Hoffmann-Riem zum anderen. Sie alle erklären die "Jedesto"-Formel für falsch und unpraktikabel: "Es ist ein Zirkelschluss", heißt es im ersten Sondervotum, "mit steigender Anzahl erkennbarer einzelner Daten von Personen die Kunstfreiheit zurücktreten zu lassen und dabei nicht nur eine Beeinträchtigung entdecken zu wollen, sondern auch ihre Schwere daran zu bemessen".
Und Hoffmann-Riem schreibt in seinem Dissenting: "Bei Geltung einer solchen Jedesto-Formel ist es schwer, ein Geschehen mit Anklängen an reale Vorgänge durch die künstlerische Transformation auf 'eine zweite Ebene' zu heben, und dadurch in den Genuss der Kunstfreiheit zu kommen." Er schildert die Schwierigkeit des Schriftstellers am aktuellen Fall: "Ein Autor, der, wie vorliegend, die betroffene Person aus eigenem sexuellen Erleben kennt, hat nach den Maßgaben der Mehrheit (Anm.; des Gerichts) praktisch keine Möglichkeit, die Darstellung von Sexualität so zu fiktionalisieren, dass der verfassungsrechtliche Schutz greift."
[...] Was hätte Goethe machen müssen, um dem Verbot auszukommen, das ihm heute drohte? Das Verfassungsgericht rät: Die Schilderung von Intimbeziehungen bleibe "unbenommen ..., wenn dem Leser nicht nahegelegt wird, sie auf bestimmte Personen zu beziehen". Man kann sich den Spaß machen, den "Werther", ebenso wie "Dichtung und Wahrheit", Kellers "Der Grüne Heinrich" oder Fontanes "Jenny Treibel" mit der Jedesto-Formel zu prüfen. Es erschließt sich ein schier unerschöpflicher Born für germanistische Magisterarbeiten.
Das Verbots-Urteil ist in seinem ersten Teil eigentlich gar nicht so angelegt, dass es einen zu solchen Späßen triebe. Es stellt nämlich zunächst richtigerweise fest, dass die Kunstfreiheit "für ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, eine kunstspezifische Betrachtung verlangt". Das Gericht will also zu Recht an einen Roman mit anderen Maßstäben herangehen als an eine Biographie oder an ein Sachbuch. Und es erklärt, dass man grundsätzlich erst einmal von einer "Vermutung für die Fiktionalität eines literarischen Werks" ausgehen müsse, auch wenn Personen darin erkennbar seien.
Das ist ein Fortschritt gegenüber dem Mephisto-Urteil. Aber dann wendet das Gericht die von ihm selbst angemahnte "kunstspezifische" Betrachtungsweise im konkret zu entscheidenden Fall, bei Esra, nicht an - und fällt mit der "Jedesto"-Formel noch hinter die Mephisto-Entscheidung zurück.
Das grundsätzliche Problem hinter dem Fall Esra ist sicherlich, dass hier zwischen zwei Grundrechten vermittelt werden muss, die miteinander in Konflikt geraten können: dem Persönlichkeitsrecht und der Kunstfreiheit. Das Verfassungsgericht statuiert in diesem Fall, dass die Kunstfreiheit hinter das Persönlichkeitsrecht zurückzutreten hat. Das liegt in einem Trend, der auch zu Lasten der Presse- und der Filmfreiheit geht.
Heute hat der Künstler weniger, wie in alten Zeiten, den Staatsanwalt zu fürchten, der wegen angeblicher Gotteslästerung oder Pornographie mit dem Strafrecht droht. Heute muss er den Rechtsanwalt fürchten, der mit Schmerzensgeld- und Verbotsklagen geltend macht, das "Persönlichkeitsrecht" seines Mandanten sei verletzt. Früher war Kunstgeschichte Zensurgeschichte. Diese Art der Zensur ist tot. Sie ist in neuer Form wieder auferstanden.
Aus: "Verbot von Billers Roman "Esra" - Die Kunstrichter von Karlsruhe" Von Heribert Prantl (12.10.2007)
Quelle:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/857/137580/4/-.-
[...] „Esra“ schildert das Scheitern der Liebesbeziehung zwischen dem Ich-Erzähler, einem Schriftsteller, und seiner türkischen Freundin. In beiden Figuren sind unschwer Biller selbst und seine frühere türkische Lebensgefährtin zu erkennen, die ebenso gegen die Veröffentlichung des Romans klagte wie ihre im Buch ausführlich dargestellte Mutter. Das Buch wurde kurz nach seinem Erscheinen verboten, weil es nach Ansicht des Gerichts auf unannehmbare Weise Details auch intimster Natur aus dem Privatleben der Klägerinnen verbreite. Der Verlag berief sich auf die Freiheit der Kunst und ging in Berufung. Damit standen zwei von der Verfassung garantierte Grundrechte im Widerspruch zueinander, und der „Fall Esra“ wurde zur wichtigsten Gerichtsentscheidung in Fragen der Kunstfreiheit seit 1971, als die Veröffentlichung von Klaus Manns Schlüsselroman „Mephisto“ über Gustaf Gründgens auch hinter dem Persönlichkeitsschutz zurückstehen musste.
Dass die Antwort aus Karlsruhe nicht einstimmig erging, zeigt, wie heikel und komplex die Abwägung verschiedener Grundrechte gegeneinander ist. Mit fünf zu drei Stimmen haben die Richter das Verbot des Romans bestätigt und die Klage des Verlags in allen wesentlichen Punkten abgewiesen: „Esra“ bleibt verboten.
[...] Dass nun eine Welle von Klagen über deutsche Autoren und ihre Verlage hereinbricht, ist aber nicht zu befürchten. Denn die Verfassungsrichter machen auch deutlich, dass die Abwägung zwischen den Verfassungsrechten der Kunstfreiheit und des Schutzes der Persönlichkeitsrechte keinen festen Regeln folgt. Sie kann nur von Fall zu Fall getroffen werden.
Schwierig?
Erni Bär (Kuwitter)
13.10.2007, 09:56
Was ist denn mit der Freiheit des Autors, seine Lebensdetails, hier sein Kunstmaterial, schonungslos zu offenbaren, wenn er das möchte? Pech für die ehemalige Lebensgefährtin und deren Mutter. Die so genannten "Details", wie süffisant oder saftig diese auch immer sein mögen, sind mit Sicherheit schon einem bestimmten Personenkreis bekannt. Was hätten wohl die Exfreundinnen von Charles Bukowski dazu gesagt?
Gibt es in dieser Gesellschafft keine Grenzen mehr??
Mete Can (Mete1)
12.10.2007, 22:22
Was ich in der deutschen Gesellschaft sooo Schade finde ist, dass es keine Grenzen mehr gibt, es soll immer alles im Sinne der Kunst erlaubt sein??
Auch Kunst muss seine Grenzen haben! Ich finde Kunst sollte dort aufhören, wo Religionen, Privatsphäre, etc. verletzt werden! Daher begrüsse ich die Entscheidung des Gerichts sehr!
Ein Trauerspiel
Martin Standfuß (wandfuessl)
12.10.2007, 21:59
In dieser Causa kann es nur Verlierer geben. Auf der einen Seite ein Autor, der Intimitäten ausplaudert und das nur notdürftig mit dem Deckmäntelchen "Roman" kaschiert. Auf der anderen Seite zwei Frauen, die den Vorgang ungewollt im kollektiven Bewusstsein einbrennen: in Zeitungsarchiven, in Rechtsbibliotheken, in den Giftschränken der Antiquare.
Billers und der beiden Damen zweifelhaftes Verdienst ist es, sich für eine moderne Transkription der antiken Tragödie zur Verfügung gestellt zu haben.
Aus: "Verbot des Romans „Esra“ - Kunst gegen Leben" (13. Oktober 2007 )
Quelle:
http://www.faz.net/s/RubA5D2D6FBDDF441DC904B6BAD9133F933/Doc~E3DB9F530022E4D42A1661172B889A01A~ATpl~Ecommon~Scontent.html-.-
[...] Wer dagegen unromantisch ist, den bestraft das Leben. Etwa Maxim Biller. Die Veröffentlichung seines Romans "Esra" wurde gerichtlich verboten. Zuletzt bestätigte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung, weil die Persönlichkeitsrechte von Billers Freundin und deren Mutter verletzt worden wären. Wie konnte es zu dieser Panne der Kunstfreiheit kommen? Biller wurde von der Justiz vorgeworfen, dass die recht offenen Darstellungen der beiden Frauen zu nahe am Objekt seien. Der Autor hatte also, wie wir jetzt wissen, vergessen, seine Geschichte zu romantisieren. Hätte er die (ihm sicher bekannte) Novalis´ Regel beherzigt, das Wunder zum Gewöhnlichen oder eben umgekehrt die saftig präsentierten "dramatis personae" zu Mythenwesen zu machen, hätte die Kunstfreiheit obsiegt. Stattdessen existiert jetzt eine gemischt juristisch-ästhetische Theorie: Die Kunst ist romantisch verfremdend - oder sie ist nicht. Jedenfalls nicht, wenn sie sich Freiheiten herausnimmt.
Vielleicht jedoch sind dann die Freiheiten keine mehr und vielleicht können auch hinter künstlerischen Bizarrerien Zeitgenossen effektiv diskreditiert werden, wofür die Literaturgeschichte übrigens zahllose Beispiele bereithält, aber die Botschaft ist unhintergehbar: Der Schein der Kunst muss so weit romantisiert werden, dass ein deutscher Richter nichts Böses mehr dabei denkt.
...
Aus: "Virtueller Blüthenstaub - Teil 2" - Von der Romantik, dem deutschen Wesen und anderen unheimlichen Zuständen" Goedart Palm (TP, 26.01.2008)
Quelle:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27042/1.html-.-
[...] Kunstfreiheit ist ein Grundrecht und in Deutschland geschützt durch Art. 5 Abs. 3 GG.
Geschützt sind die künstlerische Betätigung und die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks; der sog. Werkbereich und der Wirkbereich. Die Kunstfreiheit enthält das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regelungen für diesen Schaffungsprozess vorzuschreiben.
Dabei wird heute von der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft ein "offener" Kunstbegriff vertreten. Kunst ist also nicht nur in den überkommenen Formen wie Literatur, Malerei, Musik etc. existent, sondern ist gekennzeichnet durch einen subjektiven schöpferischen Prozess, dessen Ergebnis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Verständlicher: Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet, wenn auch andere möglicherweise darüber streiten, ob es Kunst ist.
Insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Kunstfreiheit stark eingeschränkt, zum Beispiel durch die Bücherverbrennung 1933, Berufsverbote für Künstler oder durch die Ausstellungen "Entartete Kunst".
Da die Kunstfreiheit im Brennpunkt zwischen (politischer) Meinungsäußerung und den allgemeinen Persönlichkeitsrechten steht, ist sie auch heute noch von großer Bedeutung: so zum Beispiel bei der Entscheidung des BVerfG zum Tucholsky-Zitat "Soldaten sind Mörder" oder der Darstellung des Schauspielers Gustaf Gründgens in Klaus Manns Roman Mephisto. (sog. "Mephisto-Entscheidung"). Auch der Macher der "Körperwelten" Ausstellung Gunther von Hagens beruft sich bei seinem Tun neben der Wissenschaftsfreiheit auf die Kunstfreiheit.
Die Schwierigkeit der Kunstfreiheit in verfassungsrechtlicher Hinsicht besteht dabei darin, dass sie vorbehaltlos gewährleistet ist. Im Gegensatz zu anderen Grundrechten sieht das Grundgesetz für sie keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt vor. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, durch Gesetze einen Ausgleich mit anderen Grundrechten und Verfassungswerten herzustellen. Damit ist die Kunstfreiheit zwar nicht schrankenlos, es muss aber letztlich in jedem Einzelfall bestimmt werden, ob sie durch eine staatliche Maßnahme verletzt wird. Besondere Probleme ergeben sich hierbei bei Vorschriften zum Schutz der persönlichen Ehre (s.o.) und im Rahmen der politischen Straftaten. Das BVerfG vertritt hierbei die Theorie von der Wechselwirkung, d.h. Gesetze, die die Kunstfreiheit beschränken, sind wiederum ihrerseits im Lichte der Kunstfreiheit (kunstfreundlich) auszulegen.
Aus: "Kunstfreiheit" (10/2007)
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstfreiheit -.-
Maxim Biller:
http://de.wikipedia.org/wiki/Maxim_Biller-.-
[...] München - Die Ex-Freundin des Schriftstellers Maxim Biller bekommt 50.000 Euro Entschädigung wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte in dem Roman "Esra". Die 9. Zivilkammer des Landgerichts München I verurteilte den Autor und seinen Verlag Kiepenheuer & Witsch am Mittwoch zur Zahlung und gab damit der Schmerzensgeldklage der Schauspielerin statt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Über die Forderung ihrer Mutter in gleicher Höhe wurde überhaupt noch nicht entschieden. Deren grundsätzlichen Anspruch muss der Bundesgerichtshof noch einmal prüfen.
[...] Die Tochter und deren Kinder seien in Billers Roman eindeutig identifizierbar, urteilte die Zivilkammer. "Unabhängig von der Frage der Wahrheit der Schilderungen sind weder das Intimleben noch das Mutter-Kind-Verhältnis legitime Gegenstände öffentlicher Erörterung." Das Gericht beurteilte die Persönlichkeitsverletzung als so schwerwiegend, dass die Forderung der Schauspielerin angemessen sei. Der im Grundgesetz garantierte Schutz des Persönlichkeitsrechtes überwiege in diesem Fall gegenüber der Kunstfreiheit, er müsse mit zivilrechtlichen Sanktionen durchgesetzt werden können. (APA/dpa)
Aus: "Schuldspruch im Zivilprozess um Roman "Esra"" (13. Februar 2008)
Quelle:
http://derstandard.at/?url=/?id=3223169-.-
[...] Das Verfassungsgericht hat aber mehrere Signale gegeben, die die Freiheit der Literatur betonen. Schon im "Esra"-Beschluss war betont worden, dass es keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt, wenn sich jemand in einem Roman einfach nur zu negativ porträtiert fühlt. Deshalb hatte auch der Verbotswunsch der Mutter von Billers Exfreundin keinen Erfolg. Auch über ihren Schmerzensgeldanspruch wurde gestern noch nicht entschieden.
Zwischenzeitlich hatte Karlsruhe in zwei weiteren Entscheidungen versucht, die Wogen weiter zu glätten. So lehnte es ein Verbot des Romans "Pestalozzis Erben" ab, in dem sich zwei Lehrer nachteilig dargestellt fühlten. Auch das Theaterstück "Ehrensache", in dem ein Mädchenmord verarbeitet wurde, blieb unbehelligt. Hier hatte die Mutter des getöteten Mädchens protestiert, weil ihr Kind als moralisch haltlos dargestellt wurde.
In beiden Fällen betonte das Verfassungsgericht, dass ein literarisches Werk "zunächst als Fiktion anzusehen ist, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt". Diese Vermutung gelte auch, wenn erkennbar reale Vorbilder verarbeitet wurden. Selbst die Darstellung der Sexualität des ermordeten Mädchens wurde nicht beanstandet, weil der Autor, der die Getötete nicht kannte, nicht den Anschein von Authentizität zu erwecken versuchte.
Insofern war wohl der Fehler von Biller, dass er faktisch wie ein Reporter über die reale Sexualität seiner Exfreundin zu berichten versuchte - oder zumindest diesen Eindruck erweckte.
14.02.2008 01:11 Uhr:
Von Präkarius:
Das Problem Billers ist, dass er keinen Roman geschrieben hat - ich glaube, dem talentierten Kurzschreiber liegt dieses Genre nicht -, sondern eine Rachepamphlet. Ich habe das Werk gelesen, ihm fehlt alles, was einen Roman ausmacht - und ist dazu noch grottenschlecht.
Aus: "Der Preis der Authentizität" VON CHRISTIAN RATH (14.02.2008)
Quelle:
http://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2008%2F02%2F14%2Fa0137&src=GI&cHash=d21da7d16b-.-
[...] Seit dem Verbot von Klaus Manns Mephisto von 1971 wurde in Deutschland nicht mehr so intensiv über die Freiheit von Literatur diskutiert.
Die Diskussion ging allerdings am Thema vorbei. Denn die Kunstfreiheit war im Fall Esra nie gefährdet. Natürlich darf ein Schriftsteller reale Personen in seinen Werken darstellen. Er darf sie porträtieren, er darf sie verfremden. Literatur lebt von der Vermischung von Fiktion und Realität und deren Abstraktion. Diese Freiheit ist wichtig und schützenswert. Aber sie ist kein absoluter Wert. Auch ihre Bedeutung muss abgewogen werden mit anderen Gütern, hier mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts.
Denn dem Porträtierten muss auch eine Freiheit zugestanden werden; er muss sagen können: Ich bin’s nicht! Heikel wird’s zumal, wenn, wie in Esra, intime, sexuelle Details der Person ausgebreitet werden. Es kann so keine vollkommene Autonomie der Kunst geben. Sonst könnte jeder fürderhin private Details anderer aufschreiben, persönliche Schmähschriften verfassen, und das ginge in Ordnung, solange Roman, also Kunst, draufstünde.
Die Ex-Geliebte Billers hatte keine Chance, sich in Esra nicht gemeint zu fühlen, weil es darin nicht um Erkennbarkeit ging, sondern um Identifikation. Ob aus Bosheit so geschehen, aus Gedankenlosigkeit oder enttäuschter Liebe spielt überhaupt keine Rolle. Daher ist das Verbot gerechtfertigt. Und auch der Anspruch auf Schadensersatz ist zunächst schlüssig: Wenn etwas verboten wird, kann man davon ausgehen, dass es Schaden verursacht hat. Alles legitim. Doch auch übertrieben.
Der Skandal und das anschließende Verbot haben sowohl dem Schriftsteller als auch seinem Verlag Kiepenheuer & Witsch genug geschadet. Jetzt wird Biller auch noch finanziell ruiniert. 50.000 Euro – diese Summe ist unerhört. Offenbar wissen das Gericht und die Klägerin nicht, wie wenig ein Schriftsteller verdient. Vielleicht verzerren prominente Ausnahmen wie J.K. Rowling oder Cornelia Funke schnell das Bild. Die meisten Autoren können froh sein, wenn ihr Verlag ihnen einen höheren vierstelligen Vorschuss für ein Buch bezahlt. Dazu kommen noch Tantiemen je nach Verkaufserlös. Und Billers Verdienst an Esra dürfte niedrig gewesen sein: Der Roman wurde kurz nach Erscheinen verboten.
Augenmaß hatten die Münchener Richter nicht. Denn der Gerechtigkeit war mit dem Verbot genug, egal wie laut die Klägerin nach mehr geschrien hat. Es wurde Maxim Biller vorgeworfen, er habe das Ansehen und die Existenz einer Person zerstören wollen. Nach dem Urteilsspruch in München könnte man das seiner Ex-Freundin auch unterstellen.
[...]
AliceMeinbauch, 14.02.2008 um 08:06
Todesurteil
Wie war das mit Martin Walsers "Tod eines Kritikers"?
Aus: "Kein Augenmaß" Von David Hugendick (13.2.2008)
Quelle:
http://www.zeit.de/online/2008/07/esra-urteil-.-
[...] Dabei befinden wir uns längst nicht mehr bei der edlen Frage, ob die Freiheit der Kunst durch die neue Klagelust gefährdet wird; sie wird es ohnehin. Der Paradigmenwechsel von der Sittenwidrigkeit - man denke etwa an den Hamburger Prozess gegen Jean Genets "Notre Dame des Fleurs", 1962 - hin zum Persönlichkeitsrecht hat längst stattgefunden. Die Freiheit der Kunst bleibt ein Grundrecht, das sich inzwischen behaupten muss gegen das Persönlichkeitsrecht. Insofern haben wir nüchtern zu konstatieren, dass in der Tat bedeutende Werke wie Goethes "Die Leiden des jungen Werthers", Thomas Manns "Buddenbrooks" oder Max Frischs "Montauk" heute mit Schwierigkeiten zu rechnen hätten, mit denen sie zu ihrer Zeit nicht zu rechnen hatten, so wie anders herum wegen Sittenwidrigkeit heute so leicht kein Kunstwerk mehr die Mühlen der Justiz gerät. Man kann sich über diese Veränderung empören, aber es ändert nichts daran, dass sie stattgefunden hat.
[...] Wie aber viel kostet der Schmerz? Der Verlag hat gestern in einer Presseerklärung die Entschädigung von 50 000 Euro "grotesk unangemessen" genannt. Die Summe ist in der Tat sehr hoch. Sie könnte geeignet sein, eine Schrifstellerexistenz zu vernichten, es sei denn, der Verlag übernähme den Bärenanteil. In Deutschland wurde bislang, etwa im Vergleich mit den Vereinigten Staaten, wenig, ja zu wenig Schmerzensgeld gezahlt. Ein geprelltes Bein, das eine zweiwöchige Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, bringt kaum 600 Euro.
Hier geht es nun um eine geprellte Seele, also um eine länger wirkende, vielleicht lebenslange Verletzung. Daniel Kehlmann warnte einmal weise: "Autoren sind keine netten Leute, es ist nicht empfehlenswert, einem von ihnen Einlass in sein Leben zu gewähren. Es ist dies eine menschliche Grundtatsache, älter als die Schrift, so alt wie das Erzählen selbst." Soeben verschieben sich vor unseren Augen die Maßstäbe, und es wäre in der Tat beängstigend, wenn die durch Kunstwerke persönlich Geschädigten in Zukunft auf allzu hohe Summen spekulieren dürften. Die Versuchung, sich als seelisch verletzt darzustellen und Geld zu wittern, wird einfach zu groß.
Bleibt dennoch zu fragen: Ist eine Klage der früheren Freundin Billers berechtigt oder nicht? Der psychische und sexuelle Exhibitionismus des Romans "Esra" ist evident und grenzwertig, und auch wenn der Autor sich selbst nicht schont, so tut er das dennoch auf Kosten seiner früheren Geliebten, die in München bekannt ist und an der die desaströsen Liebeswünsche Billers, an der das zelebrierte Verhängnis förmlich kleben. Die Wiedererkennbarkeit der Figuren steht nicht in Frage, jedenfalls nicht für die, die sich gemeint fühlt. Dass die Klägerin gemeint war, hat der Autor sogar expressis verbis in das ihr gewidmete Exemplar geschrieben. Biller hat mehrfach gesagt, er wolle brutal schreiben. Seine - ästhetisch gemeinte - Brutalität hat sich letztlich an ihm selbst gerächt.
Aus: "Verbotener Roman: Esra, das Geld und der Schmerz" VON INA HARTWIG (Feuilleton, 13.02.2008)
Quelle:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=95ea6f38a5149589521257d85eb8cdb4&em_cnt=1287740