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[Das Muster vom Kampf der Kulturen... ]

Started by Textaris(txt*bot), March 25, 2007, 08:19:49 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Weil sie gegen den Kopftuchzwang protestiert hat, ist eine Iranerin zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Das gab Teherans Staatsanwalt Abbas Dschafar Dolatabadi laut Nachrichtenagentur IRNA bekannt. Frauen sind im Iran gesetzlich zum Tragen von Kopftüchern verpflichtet. Polizei und Justiz würden jeglichen Verstoß konsequent ahnden, sagte der Staatsanwalt.

Seit Dezember des vergangenen Jahres protestieren immer mehr Frauen gegen den Kopftuchzwang, indem sie auf den Straßen ihre Kopftücher abnehmen und sie als Fahne an einen Stock hängen. Bis jetzt sollen mindestens 30 Frauen festgenommen und inhaftiert worden sein. Unklar ist, was mit den anderen Frauen passiert ist.

Den Namen der verurteilten Frau gab Dolatabadi nicht an; es handelt sich angeblich um die 32-jährige Nargess Husseini. Sie wurde vor mehr als einem Monat in Teheran festgenommen und in einem Gefängnis in Südteheran eingesperrt.

Auch vor Gericht wollte sie ihre Tat nicht bereuen. Sie soll sogar versucht haben, den erzkonservativen Richter davon zu überzeugen, dass der Kopftuchzwang nicht legitim sei. 




Aus: "Zwei Jahre Haft für Protest gegen Kopftuchzwang" (7. März 2018)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-03/iran-haft-protest-kopftuchzwang

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Angela Nagle: I became obsessed with online anti-feminist forums about eight years ago, particularly those that had new and distinct features that distinguished them from traditional anti-feminist movements – countercultural aesthetics of shock and transgression and a heretical troll-ish sensibility native to geeky online forums. It started me thinking about the relationship between countercultures, subcultures and the mainstream. This new online right culture of ultra-offensiveness grew while the opposite online culture of ultra-sensitivity grew and things got progressively uglier and battles became more and more embittered and entrenched throughout these years. In the end I wanted to try to carve out some other political space, which required me to take a step back and think in terms of big themes and ideas, about our cultural obsession with "edginess", counterculture and marginality, our cycles of tech-utopianism followed by crushing reality and so on. ...


From: "A Q&A with 'Kill All Normies' author Angela Nagle" (Tue, Aug 22, 2017)
Source: https://www.irishtimes.com/culture/books/a-q-a-with-kill-all-normies-author-angela-nagle-1.3194409

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Quote[...] Spätestens seit das Enthüllungsbuch "Fire and Fury" von Michael Wolff über die Zustände im Weißen Haus auch hierzulande hohe Wellen schlägt, wissen wir, wie chaotisch und planlos der derzeitige Präsident der Supermacht USA seine Regierung führt. Und wir wissen mehr über seinen ehemaligen Einflüsterer: Steven Bannon. Donald Trump hat zwar mit der Gallionsfigur der "Alt-Right"-Bewegung gebrochen, Bannons Einfluss auf das Erstarken rechts-populistischer und rassistischer Strömungen in der Vergangenheit ist jedoch nicht zu unterschätzen.

Hier trifft Angela Nagles Buch einen Nerv: "Kill all Normies - Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right" beschreibt die Methoden der Rechtspopulisten und ihre ungeheure Wirkungsmacht in der momentanen kulturellen Landschaft der USA.

Nagles Grundthese ist so kühn wie naheliegend: Die akademische "political correctness" – manifestiert in einer Person wie Barack Obama, der das Bild des "artikulierten, kosmopolitischen Amerikaners" inkarniert – findet seine Gegenbewegung in der "America First"-Politik seines Nachfolgers. Anders formuliert: Trumps Erfolg speist sich aus seinem offenen Kampf gegen eben jene Korrektheit, offen ausgetragen nicht nur in seinen Reden, sondern vor allem im Internet. Trump perfektioniert, was sich Jahre vorher angekündigt hat: die Kultur der bewussten Grenzüberschreitung, die eine ungeheure virale Dynamik entfaltet hat.

Die irische Kommunikationswissenschaftlerin Angela Nagle beschäftigt sich seit Jahren mit der Online-Präsenz der "Alt-Right"-Bewegung, die - das sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt - beileibe keine homogene Strömung ist und die durch die gewalttätigen Demonstrationen in Charlottesville im August 2017 nur sichtbar geworden ist.

Plausibel wird ihre Theorie am Beispiel der Online-Plattform "4chan", auf der vor allem Bilder gepostet werden in so genannten "Imageboards". Die Themen reichen von Natur, Autos, Waffen, Erotik bis zu Politik. Ein Spiegel-Online-Artikel beschreibt die Wirkung von 4chan treffend so: "Ein abgründiger Ort, an dem Scheußlichkeiten, rassistische und sexistische Tiraden und Bilder weit jenseits der Grenzen des guten Geschmacks veröffentlicht werden. [...] Die Welt von 4chan ist dunkel und seltsam, wie das Innenleben eines verwirrten Provinz-Teenagers um drei Uhr morgens."

4chan galt als Wiege der "Anonymous"-Bewegung, bis, wie Nagle beschreibt, rechte Ideen auf der Plattform überhand nahmen. Die permanente Grenzüberschreitung, eigentlich ein Phänomen einer links-anarchischen Kultur, wurde erfolgreich von der "Alt-Right"-Bewegung perfektioniert. Das Gleiches gilt übrigens nach Überzeugung von Nagle auch für Vorbilder, wie sich am Titel zeigt. Ähnlich wie linke Subkulturen opponieren auch die neuen Rechten gegen den Mainstream: "Kill all Normies!" Die Negierung dieser Erkenntnis, so Nagle, habe Hillary Clinton den Sieg gekostet.

Wer sich also auf den letzten Stand des viralen Kulturkampfes bringen will, ist bei Angela Nagle gut aufgehoben. Peinlich sind allerdings Fehler wie die falsche Schreibweise von Pat Buchanans Name, wohl aber einem eher schlampigen Lektorat geschuldet. Das Buch – mit seinen 136 Seiten fast ein Essay – stößt am Ende beiden Seiten des politischen Koordinatensystems vor den Kopf.

Wobei Nagle, die sich selbst im linken Spektrum verortet, prophezeit: "Will die Linke vorankommen, ist es an der Zeit, die ästhetischen Werte dieser Gegenkultur wegzulegen – und etwas Neues zu erfinden".


Aus: "Angela Nagle: "Kill All Normies"Amerika unter Trump: Die Kultur der bewussten Grenzüberschreitung" Nana Brink (13.01.2018)
Quelle: http://www.deutschlandfunkkultur.de/angela-nagle-kill-all-normies-amerika-unter-trump-die.1270.de.html?dram:article_id=408170

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Quote[...] Mein Buch stellt auf jeden Fall eine Art interner Kritik der Linken dar, und auch meines eigenen Standpunkts, den ich jahrelang einnahm. Bei der Beschäftigung mit der Alt-Right war es mir nicht mehr möglich, das Vorurteil zu reproduzieren, dass Gegenkultur etwas inhärent Emanzipatorisches habe. Wir sind so daran gewöhnt, die Massenkultur und die Massengesellschaft zu kritisieren, dass wir übersehen, dass einige der nihilistischsten, menschenfeindlichsten und gewalttätigsten Impulse in Wirklichkeit von den Rändern kommen. Die Annahme einer notwendigen Verwandtschaft von ästhetisch-politischer Marginalität und progressivem Inhalt ist ein hartnäckiges Fehlurteil.

... Linke halten oft die größten Scheußlichkeiten für links, wenn sie in einem gegenkulturellen Rahmen oder mit ­einer entsprechenden Ästhetik daherkommen. 4Chan ist dafür ein gutes Beispiel, auf das ich in meinem Buch besonders eingehe. Die Anthropologin Gabriella Coleman war zum Beispiel fähig, 4Chan in einem völlig positiven Licht darzustellen, so wie viele andere auch, die nicht zur politischen Rechten zählen. Wie konnten sie zum Beispiel die Frauenfeindlichkeit übersehen? Linke Intellektuelle schaffen es mühelos, Frauenfeindlichkeit zu übersehen, wenn sie in einer Gegenkultur stattfindet, wohingegen der Durchschnittsmensch gar nicht kritisch genug betrachtet werden kann. Man kann zur Zeit etwa viel über »toxische Maskuli­nität« lesen, womit eine Mainstream-Maskulinität gemeint ist. Aber die schlimmste Frauenfeindlichkeit findet sich in der Gegenkultur. Mein Buch soll auch als Anregung verstanden werden, über diese eingeschliffenen ästhetischen Urteile nachzudenken.

Es gibt eine ökonomische Dimension, und sie betrifft die Arbeitslosigkeit. Der Schlüsselbegriff der Alt-Right ist hier »NEETS« (Not in Education, Employment, or Training). Es gibt diese Vorstellung einer Expertenklasse im Wartestand.

... Wir haben es mit einer Schicht junger Männer zu tun, die viel Zeit haben, obskures Wissen anzuhäufen, im Wesentlichen handelt es sich dabei um Verschwörungstheorien. Sie betrachten sich quasi als eine neue Art von Intelligenzia, aber im Grunde sind sie nur ein Haufen arbeitsloser Typen. Es ist fast witzig, sie halten sich für eine Elite, und manche von ihnen sind tatsächlich recht belesen, auch wenn man ihre Quellen in Frage stellen kann. Ein interessantes Beispiel ist Sam Hyde, der »Alt-right-comedian«, ein sehr talentierter Mensch. Seine Show für den US-amerikanischen Fernsehsender Adult Swim kann man guten Gewissens als avantgardistisch bezeichnen. Er ist Absolvent einer Kunstakademie und sehr verbittert darüber, verschuldet zu sein (das Studium in den USA ist meist kreditfinanziert, Absolventen haben im Durchschnitt 37 000 Dollar Schulden, Anm. d. Red.), weswegen er den Hochschulen den Krieg erklärt hat. Seinen Fans predigt er, nicht zur Uni zu gehen. Millennial Woes, eine anderer Prominenter der Alt-Right, ist ebenfalls ein ehemaliger Kunststudent, und auch seine politische Haltung hat ihren Ursprung in dieser Bildungsbiographie. Ich halte das für signifikant. Es mag sich nicht um eine Klasse im ­traditionellen Sinne handeln, aber es gibt diese verbitterten, jungen, arbeitslosen, formal gebildeten Leute ohne Zukunft, welche die Trägerschicht der Alt-Right darstellen. Es ist dennoch nicht mein Ziel, Dinge sofort unter der Vorgabe einer linken Antwort zu ana­lysieren. Sollte der Aspekt »Klasse« sich als das beste Analysekriterium erweisen – gut. Aber in anderen Fällen bietet es sich eben nicht an. Meine Methode ist es nicht, eine dogmatische Klassenanalyse auf einen Gegenstand zu stülpen, wenn sie nicht richtig passt und keine Erkenntnis bietet.

... Teenager, die 4Chan-User, begründen ihre Anhängerschaft ähnlich. Sie werden von der Linken abgestoßen, und wenden sich der Rechten zu. Das bedeutet nicht, dass ich der Linken die Schuld daran gebe, letztlich sind die Rechten selbst verantwortlich. Doch wenn eine sehr große Zahl junger Leute, von denen viele intelligent und interessiert an Ideen sind, sich von der Linken abwendet – sollte uns das nicht zu denken geben und Anlass für Selbstkritik sein? Ich halte es nicht für hilfreich, so zu tun, als ob all das gar keine andere Ursache habe als schlicht eine moralisch verwerfliche Haltung. Man kennt diese Art der moralischen Erpressung: Wer die Linke kritisiert, betreibt victim blaming. Diese Denkart ist nichts weiter als der Versuch, wertvolle und produktive Selbstkritik zu unterbinden.

... »Das Unbehagen in der Kultur« war und ist enorm wichtig für mich, vor allem der Gedanke der Ambivalenz von Tabus. Einerseits führen Tabus zu Neurosen, andererseits erlauben sie es uns, einigermaßen friedlich zusammen­zuleben. Was quasi jeder will, ist, frei von Hemmungen zu leben – alle anderen sollen sich aber zurückhalten. Es gibt also diesen konstanten Konflikt. Ich schätze an Freud sehr, dass er diesen Konflikt so stehen lässt. Er vermeidet, etwas in der Art von » ... und deswegen sollten wir dies oder jenes machen« zu schreiben, wie politischere Menschen das tun würden. Er schreibt, dass dies ein Konflikt sei, mit dem wir es immer zu tun haben werden, mitsamt seiner negativen Erscheinungen, aber letztlich seien Tabus notwendig. Sieht man sich vor diesem Hintergrund den guten Ruf der Enthemmung in der Kunstwelt, bei Linken und bei zahlreichen Theoretikern an, ist das Phänomen der Alt-Right instruktiv. Hier sieht man, wozu es eben auch führen kann, wenn Tabus keine Rolle spielen. Wir sollten sehr kritisch mit dieser Sechziger-Jahre-Idee der unbedingten Fortschrittlichkeit von Tabubrüchen und Impulsivität umgehen.

... Es gibt diese Bewegung hin zu immer kleineren Organisationsformen. Soziale Bewegungen haben Klassenpolitik ersetzt. Ich denke viel über den Wert echter Massenpolitik nach, die Art von Politik also, die wirklich einen Effekt hat, aber auch über Dinge wie das soziale Umfeld, etwa seine Nachbarn gut zu kennen, also Bereiche, welche die permanente Kritik der Massenkultur nicht erreicht. Weit bin ich damit ­allerdings noch nicht. Ich mag etwa an Leuten wie Bernie Sanders, dass sie eine Sprache der Solidarität gefunden haben, mit der sie Alltagsprobleme ­artikulieren können. Ich fordere freilich nicht, dass dies die einzige Orga­nisationsform der Linken werden soll, dazu schätze ich selbst Avantgarden und ihre Geschichte viel zu sehr. Aber man muss sich schon eingestehen, die Prioritäten falsch gesetzt zu haben, wenn dieser Avantgardismus das alleinige Zentrum des Interesses ist. Wenn wir nicht in der Lage sind, Alltagsprobleme zu artikulieren, gibt es keine politische Hoffnung. Deswegen warne ich vor dem Glauben, dass die Rettung aus obskuren Sub- und Gegenkulturen kommen wird.

...


Aus: "Angela Nagle, Autorin, im Gespräch über Kulturkriege im Internet - »Die Rettung wird nicht aus obskuren Gegenkulturen kommen«" Bernhard Pirkl (15.03.2018)
Quelle: https://jungle.world/artikel/2018/11/die-rettung-wird-nicht-aus-obskuren-gegenkulturen-kommen

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wer sprachlich nicht diskriminiert wird, sollte mal einen Perspektivenwechsel wagen. Das neue Buch des Linguisten Anatol Stefanowitsch wird dabei helfen Es geht um nichts Geringeres als Moral. Anatol Stefanowitsch hat keine Angst davor, sein neues Buch mit genau jenen Begriffen zu betiteln, die dank rechtspopulistischer Parteien und des konservativen Feuilletons fast schon Schimpfwort-Charakter haben: "Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen" heißt das soeben erschienene Buch des deutschen Sprachwissenschafters. Darin seziert und erklärt er sowohl die Bestrebungen, eine halbwegs diskriminierungsfreie Sprache umzusetzen, als auch sämtliche Widerstände dagegen. Wobei sich die meisten einig zu sein scheinen, dass Sprache nicht verhetzen soll. Trotzdem gibt es seit vielen Jahren eine enorm aufgeregte Diskussion, wo diese sprachlichen Verhetzungen und Verletzungen beginnen und welche davon wie schwer wiegen. Während die meisten darin übereinstimmen, dass etwa die Rede von "völkisch" oder "Schuldkult" um den Holocaust ein klares Zeichen eines verrohten Sprachgebrauchs ist, gibt es gleichzeitig heftigen Widerstand gegen Vorschläge, doch bitte andere Begriffe für den "Mohrenkrapfen" in der Konditorei oder den "N~könig" in Kinderbüchern zu finden – und auch noch jegliche rassistische Bedeutungsgeschichte verleugnet wird. Wer hier Änderungen vorschlägt, betreibe "sprachliche Bildstürmerei", beschreibt Stefanowitsch die empörten Reaktionen, etwa auf Änderungsvorschläge in literarischen Werken. In ein Gesamtkunstwerk dürfe nicht eingegriffen werden, schließlich entsprächen die Formulierungen der damaligen Zeit und wären somit auch wichtige Zeitdokumente.

Doch die vielen anderen Eingriffe, etwa in Kinderbüchern, lassen an diesen Motiven zweifeln. Zum Beispiel als Enid Blytons 1941 erschienenes Kinderbuch "The Adventurous Four" im Jahr 1969 verändert wurde: In der Geschichte von 1941 tauchten noch deutsche Soldaten mit Hakenkreuz-Binde auf, die später zu unpolitischen Waffenschmugglern wurden. Oder als in Thomas Brezinas "Rätsel um das Schneemonster" aus einem "Walkman" später ein "MP3-Player" wurde, schlug das öffentliche Interesse keine hohen Wellen, während bei sprachlichen Neuerungen im Sinne diskriminierter Gruppen die Empörung stets groß ist. Auch den Einwand, politisch korrekte Sprache sei "hässlich", hält Stefanowitsch für verfehlt, denn "in der Sprache geht es – außerhalb der Poesie – nicht um Ästhetik, sondern um Kommunikation". Ebenso die überbordende Sorge um die Traditionen des christlichen Abendlandes, wenn aus einem "Weihnachtsmarkt" ein "Striezelmarkt" werden soll wie etwa in Dresden, der allerdings schon im 15. Jahrhundert Striezelmarkt hieß, weiß Stefanowitsch. So viel also zur Tradition. Es sind viele interessante Beispiele, die Pseudoargumente gegen politisch korrekte Sprache als solche entlarven. Ins Zentrum des Buches rückt Stefanowitsch aber eine einfache "goldene Regel", über die sich im Grunde alle einig sein müssten und die auch moralphilosophisch fest im Sattel sitzt: "Stelle andere sprachlich nicht so dar, wie du nicht wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstellt." Und das erfordert einen Perspektivenwechsel: Wie wäre es, zum Beispiel, für Männer, wenn sie in einem Großteil der gesprochenen und geschriebenen Sprache im Femininum angesprochen werden würden, also als Bürgerinnen, Mitarbeiterinnen, Patientinnen. Im Sinne der "goldenen Sprachregel" sollten also diejenigen, die den Vorschlag unerträglich finden, doch mal selbst nur "mitgemeint" zu werden, es anderen nicht zumuten, sich ständig "mitgemeint" fühlen zu müssen.

Denn beleidigende oder die eigene Existenz verschleiernde Sprache bemerken jene freilich nicht, die in der Sprache ständig präsent sind und für die es auch wenig diffamierende Ausdrücke gibt. Stefanowitsch schlägt etwa folgendes Gedankenexperiment vor: Wie viel abfällige und verletzende Ausdrücke fallen Ihnen für Frauen, schwarze Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, homosexuellen Menschen, Muslimas und Muslime, Menschen mit Behinderungen oder bildungsfernen Menschen ein? Und wie viele sind es für österreich- oder deutschstämmige weiße Männer, heterosexuell, mit Zugang zu Bildung und mit finanziellen Möglichkeiten? "Chauvi", "Bonze" oder die zuletzt öfter formulierte Beschreibung als "mächtige alte weiße Männer" klingt wohl im Vergleich zu der grausigen und langen Liste für die erstgenannten Gruppen eher nach Ponyhof denn nach tiefgreifender sprachlicher Diskriminierung. Wer sogenannten Minderheiten oder Frauen gegenüber Hass empfindet, kann also ganz nebenbei aus einer Fülle von Begriffen (für Frauen von der Rabenmutter bis zur Schlampe oder für Menschen mit Migrationshintergrund vom Kopftuchmädchen bis zum Kameltreiber) schöpfen. Die Ideen, dem etwas entgegenhalten zu wollen, sind weder Sprachverbote noch Zensur, wie das vorliegende Buch klarmacht. Sie sind aber Ausdruck einer moralischen Haltung. Denn, schreibt Stefanowitsch, es hat sich in der Geschichte gezeigt, dass abwertender Sprache schnell abwertende Handlungen folgen, eine "Geschichte, die dazu verpflichtet, abwertende Sprache zu bekämpfen, bevor es so weit kommt". Ein wirklich guter Grund für politisch korrekte Sprache. Und wem der noch immer nicht reicht, dem hilft dieses zurückgelehnt argumentierende und gleichzeitig engagierte Plädoyer für politisch korrekte Sprache sicher weiter. (Beate Hausbichler, 29.3.2018)

Quote
MaddestHatter,

Wir schaffen das Wort "Schlampe" ab
und schon geht allen Männern (!) die Fähigkeit abhanden, über das Konzept auch nur nachzudenken.
Frauenfeindlichkeit ade!
Oder so.


QuoteTakis,

Gerade für dieses Wort gilt: Wer das ernsthaft verwendet, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.


QuoteObjekt-Sinn,

Gerade bei jungen Mädchen sehr beliebt


Quote
warp.faktor

Die Moral der anderen. Spätestens seit George Orwell wissen wir, wie Sprachzwänge das Denken verändern. Wie auch soll man auch etwas be- oder erkämpfen können, was man nicht mehr benennen kann?

Wir leben doch in der Besten aller Welten. Wir sind die Guten, die anderen die Bösen.

Da nimmt also jemand in Anspruch im Namen der Moral bestimmte Begriffe aus unserer Sprache verschwinden zu lassen, die u.a. an unangenehme Etappen unserer Geschichte erinnern, ganz wie in Orwells "Wahrheitsministerium". ...


QuoteChimeli,

Ich nenns nicht politisch korrekt - Sondern anstand.


Quote
DoktorLecter,

wenn jemand dafür ist und es freiwillig machen will, spricht wenig dagegen. Aber was ist mit jenen, die den Regeln der PC nicht folgen wollen? Werden diese per staatlicher Verordnung willig gemacht?

Das ist üblicherweise der Punkt, an dem der Totalitarismus beginnt.


Quotethe odor,

.. So, wie sich PC praktisch darstellt, ist sie primär ein Instrument zur Diskurs-Unterdrückung und zur Diskreditierung des politischen Gegners. Die PC tabuisiert das Sprechen über bestimmte Themen. Themen, die eben nicht "pc" sind.
z.B.: muslimischer Antisemitismus, allgemein alle problematischen Aspekte des Islam; erhöhte Rate an Gewalt- oder Sexualstrafdelikten unter bestimmten Ethnien, allgemeine alle problematischen Aspekte an Migration, usw.
In bestimmten Bereichen - Kulturbereich, Geisteswissenschaften - ist die PC eine Art verinnerlichte Stasi, der man sich unterwerfen muss, will man seine berufliche Laufbahn nicht aufs Spiel setzen.


QuoteSmiyax,

Es ist ganz einfach: Wenn sich jemand verletzt fühlt und man das durch eine so einfache Handlung wie das Nicht-Verwenden eines bestimmten Begriffes verhindern kann, dann sollte man das auch.
Egal, ob man es persönlich nachvollziehen kann oder nicht. Egal, ob man es für zu empfindlich hält oder unnötig oder dumm. Es ist schlicht und einfach ein Zeichen von Respekt, dem Gegenüber zu glauben - und zu respektieren, dass das eigene Empfinden nicht das Maß aller Dinge ist.

Wer das nicht akzeptieren will und seine Gewohnheit über das Wohlbefinden seiner Mitmenschen stellt - der soll natürlich weder bestraft noch zensiert werden. Aber er muss es sich gefallen lassen, dass man ihn dafür kritisiert und dass zumindest ich ihn für ausgesprochen grob und egozentrisch halte.


Quote
Jiro Taniguchi,

Ach, geh. Heute ist doch jeder wegen irgendetwas gleich verletzt und empört. Das hat doch mit Respekt überhaupt nichts mehr zu tun. Abgesehen davon muss man sich den Respekt erst verdienen, den kann man nicht fordern.
Fordern kann man: Gleichheit vor dem Recht, Meinungsfreiheit und Redefreiheit. Und dummerweise sind gerade diese Grundrechte die Ursache dafür, dass manches in dieser Welt auch einmal recht schmerzhaft sein kann.
Da ist niemand da draußen, der uns ein Leben lang vor allem Leid und allen Sorgen schützt. Trotzdem muss man damit umgehen.
Das ist genau das Problem, mit dem der moderne Feminismus so zu kämpfen hat: Wer frei sein will, muss zuerst die verantwortung für das eigene Leben übernehmen.
Werdet endlich erwachsen!


Quoteanders and,

aus der Ferne wirkt das ja unsagbar komisch:
die Linke, die früher darauf aus war auch das allerletzte Tabu zu zertrümmern, macht es jetzt zu ihrem Anliegen, auch noch das absurdeste Tabu zu verteidigen.
echt ulkig!


QuoteOhRly?,

Also PC würde schon funktionieren ....
Man stelle sich vor man würde Weltweit das Wort "Krieg" verbieten!
Ab dann gäbe es auf der ganzen Welt keine Kriege mehr.
Wird z.B. schon forciert. Krieg verschwindet und wir ersetzt durch das schöne Wort "Konflikt".
Angriffskrieg war gestern.
Heute ist "Wahrung des Sicherheitsinteresses" im Nachbarland (© Angela Merkel).
Schöne neue politisch korrekte Welt. :=)


QuoteRekari,

PC-Vertreter erkennen vermeintliche Probleme in ihren Köpfen. Aber sie versuchen, sie zwanghaft aus den Köpfen anderer zu entfernen.


QuoteMeine Wortspende,

Linguisten und ihre Blase. Man könnte ein Buch darüber schreiben.


Quote
Generisches Maskulinum,

Sprachvorschriften sind Kennzeichen totalitärer Systeme. Sollte man eigentlich seit Orwell wissen. Und mit Moral hat das nichts zu tun. Vielmehr mit einer Scheinmoral derer, die sich da als die vermeintlich Guten gerieren, damit sie sich über die anderen stellen können.


Quotei woas net,

Ein weiteres Werk für die Euphemismustretmühle.
Großartig.


QuoteCendras,

Das Problem an der "politische Korrektheit" ist viele schon eine gegensätzliche Meinung als Hass sehen bzw sie das trigged und in ihrem Safe space angegriffen fühlen.
Wer soll beschließen ab wann etwas nicht mehr politische korrekt ist? Ist etwas sofort nicht PC wenn ich mich dadurch angegriffen fühle?
Ich glaube PC ist einfach ein leichtes Mittel um sich einer politischen Diskussion davon zu stehlen ohne sich damit auseinander zu setzen.


Quotecba,

ein chauvinistischer misanthrop bleibt ein chauvinistischer misanthrop, auch wenn er sich pc ausdrückt. die sprache ist die auswirkung, nicht die ursache - ändert sich die einstellung, dann ändert sich auch die sprache.


...


Aus: "Warum "Moral" und "politische Korrektheit" völlig in Ordnung sind" (29. März 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000076967169/Warum-Moral-und-politische-Korrektheit-voellig-in-Ordnung-ist

Textaris(txt*bot)

#283
Quote[...] Die 68er-Bewegung wirkte sich in Tübingen auch auf die Universitäten aus; vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Bezug auf neue, stärker gesellschaftsbezogene Forschungsthemen. Und durch sie entstand sogar ein neues Fach: die Empirische Kulturwissenschaft (EKW). Hervorgegangen sind sie aus dem Ludwig-Uhland-Institut für deutsche Altertumswissenschaft, Volkskunde und Mundartenforschung, das 1933 gegründet wurde und anfangs, im Dienste der damals neuen NS-Machthaber, eine rassistische Volkstumsideologie propagierte. Erst ab den 1950ern sorgt der spätere Institutsleiter Hermann Bausinger, "ein liberaler, soziologisch positivistischer Wissenschaftler, bei den Studenten sehr angesehen", für frischen Wind im Fach, forscht gegenwartsbezogen. "Das war die Gegenwarts- und Alltagswende der Volkskunde, die sich bis dahin auf alte Traditionen des Bauerntums kapriziert hatte", erzählt Warneken.

... Was ist für Warneken die Hauptwirkung der 68er? Da hält er es mit Habermas: "Die Fundamentalliberalisierung der Gesellschaft." Um noch etwas konkreter zu werden: "Die wichtigste Wirkung der 68er ist die riesige alternative Jugendszene, die ab Mitte der 1970er die Mehrheit der Jugend prägt." Das, was Jörg Meuthen von der AfD als 'links-grün versifftes 68er-Deutschland' bezeichne und ganz furchtbar finde. "Da muss ich sagen: Ich bin stolz auf diese Entwicklung! Und dass man zumindest für Tübingen sagen kann, dass diese Tendenz dort stark geblieben ist. In Deutschland in der Mehrheit ja leider nicht." Dass Versuche, die 68er zu verfemen, immer wieder kommen, nicht nur von der AfD oder von Unions-Rechtsauslegern wie Alexander Dobrindt (CSU), ficht Warneken nicht an, im Gegenteil. "Es ist ja auch eine Freude, wenn sie sich immer noch über uns ärgern, eine Bestätigung. Wir haben ihnen in der Tat etwas angetan."

...


Aus: "Tübinger Revoluzzer" Oliver Stenzel (04.04.2018)
Quelle: https://www.kontextwochenzeitung.de/zeitgeschehen/366/tuebinger-revoluzzer-5008.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Erst im Dezember hatte die saudische Regierung mitgeteilt, erstmals seit mehr als 35 Jahren wieder öffentliche Kinos erlauben zu wollen. Diese hatte die Führung des islamisch-konservativen Königreichs Anfang der 1980er Jahre im Zuge einer konservativeren Politik verboten. Bis heute sehen konservative Saudis in jeder Art von Vergnügung einen Frevel. ...


Aus: "US-Kette eröffnet erstes Kino seit 35 Jahren in Riad" (05.04.2018)
Quelle: http://www.kn-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/US-Kette-eroeffnet-erstes-Kino-seit-35-Jahren-in-Riad

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Aufgrund der historischen, sprachlichen und kulturellen Unterschiede zum übrigen Spanien sieht sich Katalonien als eine eigene Nation. Der Begriff Nation wird dabei im Sinne einer Kulturnation verstanden und nicht über eine ethnische Zugehörigkeit definiert. ...


Aus: "Katalonien - Nationalität und Unabhängigkeitsbestrebungen" (Stand: 2. April 2018)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Katalonien#Nationalit%C3%A4t_und_Unabh%C3%A4ngigkeitsbestrebungen

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Österreichs Regierung will verbieten, dass Mädchen in Kindergärten und Grundschulen Kopftücher tragen. "Eine Verschleierung von Kleinkindern ist definitiv nichts, was in unserem Land Platz haben sollte", sagte Kanzler Sebastian Kurz. Es gehe darum, allen Kindern die gleichen Chancen einzuräumen. "Dazu gehört auch, dass es zu keiner Diskriminierung in jungen Jahren kommt", sagte der ÖVP-Politiker.

Auch Kurz' Koalitionspartner FPÖ steht hinter dem Vorhaben. Parteichef Heinz-Christian Strache sagte, die FPÖ wolle damit "Fehlentwicklungen beim politischen Islam entgegentreten".

Um wie viele Kinder es geht, ist nicht klar. Zahlen liegen nicht vor. In vielen islamischen Kulturen sollen Mädchen erst ab der Geschlechtsreife ein Kopftuch tragen. "Es ist sicherlich eine symbolische Handlung", sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP). ...

... In Österreich gilt seit einem halben Jahr ein generelles Gesichtsverhüllungsverbot. Seitdem wurden rund 50 Menschen angezeigt. Das Gesetz richtet sich vor allem gegen Verschleierungen mit Burka oder Nikab. Kopftücher, die das Gesicht freilassen, sind weiterhin erlaubt. Laut Gesetz sind bis zu 150 Euro Strafe fällig, wenn das Gesicht zwischen Stirn und Kinn nicht sichtbar ist.

Quotenamevergeben2 #5

Rechtskonservative Meinungsvielfalt:

Dieselfahverbote für die Gesundheit = böse
Kopftuchverbote gegen Kleinkinder = gut



...


Aus: "Österreichs Regierung plant Kopftuchverbot für kleine Mädchen" (4. April 2018)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/sebastian-kurz-oevp-kopftuchverbot-regierung-oesterreich


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Alexander Dobrindt hat sich erneut zur Diskussion um den Islam geäußert. Der Islam sei für Deutschland "kulturell nicht prägend und er soll es auch nicht werden", sagte der CSU-Landesgruppenchef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Muslime, die sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen, sind Teil unseres Landes, aber der Islam gehört nicht zu Deutschland."

Dobrindt sagte, dem Islam fehle das, was für das Christentum die Aufklärung gewesen sei – mit all ihren positiven Rückwirkungen auf Glauben, Recht und gesellschaftlichen Zusammenhalt. "Kein islamisches Land auf der ganzen Welt hat eine vergleichbare demokratische Kultur entwickelt, wie wir dies in christlichen Ländern kennen." Unsere Vorstellungen von Toleranz und Nächstenliebe, von Freiheit, von Leistungs- und Chancengerechtigkeit fänden sich so in der islamischen Welt nicht wieder.

Islamforscher wie Bassam Tibi verweisen jedoch darauf, dass es den einen Islam nicht gebe, und betonen die Vielfalt dieser Religion, die in 57 Ländern praktiziert werde. Indonesien, das bevölkerungsreichste mehrheitlich muslimische Land der Welt, ist eine Demokratie.

In der Union gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Rolle des Islams und den Umgang mit Muslimen in Deutschland. So distanzierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich bereits von früheren Aussagen Dobrindts und von Innenminister Horst Seehofer (CSU), wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre.

QuoteRebell im Kopf #2

Entfernt. Wir wünschen uns eine Community mit Spaß und Freude an der Diskussion über Artikel von ZON. Wir bitten deshalb alle, respektvoll und konstruktiv zu diskutieren und Unterstellungen zu unterlassen. Danke, die Redaktion/dl



Quotekrni #14

Können wir bitte diese Debatte, ob "der Islam" zu Deutschland gehört, ein für alle mal beenden? Damit werden keine Integrationsprobleme gelöst, keine Terroranschläge verhindert, nichts. Stattdessen werden nur Menschen wegen ihres Glaubens stigmatisiert.

Ganz ehrlich, es ist auch nicht so, dass ich "christlichen" Ländern alles picobello läuft. In sehr vielen dieser Länder kann man von Demokratie und Grundrechten nur träumen. Manche Politiker geben vor, die christliche Nächstenliebe in Europa schützen zu wollen - tatsächlich lieben sie nur ausgewählte Nächste und hassen den Rest. Davon hat Jesus nicht gesprochen.


QuoteSk Pizzle #30

Ich dachte immer wir hätten dem Islam wenigstens die Aufklärung voraus, doch wenn man Dobrindt zuhört zweifelt man daran zusehends. Nein, wir selber sind immer noch im Mittelalter, solange der Aberglaube an die Andersartigkeit aller Menschen des nicht eigenen Kulturkreises anhält. ...


Quoteserp #37

Ich hab so meine Zweifel ob Bayern eine echte Demokratie ist .


QuoteFalubor #49

"Meine Vorstellungen von Toleranz und Nächstenliebe, von Freiheit, von Leistungs- und Chancengerechtigkeit finden sich so in der CSU nicht wieder."
Die CSU ist die deutsche Partei, die ideologisch Erdogan am nächsten kommt: Religiös-konservativ. Wenn es nach der CSU gehen würde, wäre die BRD bedeutend näher am ,,islamischen Kulturkreis" als sie ist. Ich ziehe Säkularismus, Liberalismus und den Geist der Aufklärung vor.


QuotePyntanell #58

Ich will ja nicht nörgeln. Aber dass es hier um den zweiten Weltkrieg herum und in Teilen Deutschlands undemokratisch war. Lag nicht am Islam. Und dass es in in anderen europäischen Ländern gerade immer undemokratischer wird(Ungarn) das liegt auch nicht vordergründig am Islam. Das schaffen wir gerade ganz alleine. Von anderen christlichen Ländern wie Russland und den USA fang ich jetzt mal gar nicht an. ...


...


Aus: ""Kein islamisches Land hat eine vergleichbare demokratische Kultur"" (11. April 2018)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-04/alexander-dobrindt-islamdebatte


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Kiel. ,,Mir ist die Hutschnur geplatzt", sagt Lass. Das liegt nun einige Wochen zurück, jetzt will sie reden. Die Mutter dreier Kinder betritt an jenem Morgen den Sophienhof, schiebt den Wagen durch die um diese Zeit noch verwaisten Gänge, als Thea hungrig aufschreit. Sie sucht einen Bäcker auf, wird abgewiesen. Claudia Lass zieht weiter zu einem Café, setzt sich, der Versuch des diskreten Stillens wird von einem Security-Mitarbeiter unterbunden. Das, so der Sicherheitsdienst-Mann, sei hier nicht gestattet.

Dann erbarmt sich die Verkäuferin einer Confiserie, lässt sie ihre Tochter endlich stillen. Das Ende eines kleinen Nervenkampfs. ,,Es geht mir darum, dass es das Normalste der Welt ist, sein Kind zu füttern", sagt sie. Das sehen andere nicht so. Lass erzählt von Diskriminierung und Pöbeleien, von abfälligen Gesten. ,,Passanten zeigen mir den Vogel, sagen, das ist abstoßend – vor allem Ältere und Frauen." Dabei gehe sie bewusst in stille, unbeobachtete Ecken. Doch das Verständnis bleibt gering – auch anderswo.

Im Februar 2016 startete eine Berlinerin eine Petition, nachdem sie beim Stillen in einem Café zum Gehen aufgefordert wurde. Ihr Wunsch nach einem Gesetz zum Schutz des Stillens ist bis heute verhallt – trotz der mehr als 23000 Unterschriften. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam in seinem Sachstand zur Zulässigkeit des Stillens in Cafés und Gaststätten zumindest zur Einschätzung, dies sei ,,unbedenklich". Der Weg zu einem Gesetz wie dem schottischen Breastfeeding Act, er ist holprig.

Beim Management des Sophienhofs reagiert man unterdessen betroffen bis verwundert auf die Schilderung von Claudia Lass – schließlich gebe im Erdgeschoss bei den Kundentoiletten einen Wickelraum samt Stillsessel. ,,Wir halten es für selbstverständlich, Müttern in dieser Situation zu helfen", sagt Center-Manager Karsten Bärschneider.

,,Wir tolerieren alles andere, lautes Telefonieren im Bus oder übelriechendes Essen in der Bahn", sagt Lass. Trotzdem will sie sich nicht als Vorkämpferin für das Stillen vor jedermanns Auge verstanden wissen. ,,Ich fordere von niemandem Toleranz", sagt sie. Aber etwas mehr Respekt dürfe es schon sein. Und bessere räumliche Angebote. ,,Ich will mich nicht abgeschoben fühlen."

Quote10.04.2018, 08:42      # 3
Mövenschiss

Prima. Jetzt weiß die ganze Welt, dass Thea Lass in der Öffentlichkeit gestillt wurde.
Das wird ihr später in der Schule und bei der Jobsuche sicher zum Vorteil gereichen.
Einmal im Internet immer im Internet.

Vielleicht sollte die Mutter mal in einer stillen Stunde nachdenken, was Sie mit dem Bericht ihrer Tochter antut, die ist erst 5 Monate alt, und schon wird Ihr Persönlichkeitsrecht verletzt.


Quote10.04.2018, 09:16
Karlsson vom Dach

Als Mittvierziger und Vater von zwei Kindern, halte ich mich noch immer für so jung, daß ich mir einbilde, in aufgeklärten Zeiten zu leben. Es erscheint mir völlig unbegreiflich, daß das Stillen in der Öffentlichkeit ein Stein des Anstosses sein soll!
Ich dachte die Angst vor dem evt. Anblick einer weiblichen Brust existiert nur in der weitläufigen Prüderie der USA!? Weit gefehlt!
Meiner Meinung nach kann das Stillen an jedem denkbaren Ort stattfinden. Den Teil der Bevölkerung, den dieser Vorgang ängstigt, könnte man ja schützen, indem man an öffentlichen Orten direkt neben dem Feuerlöscher und dem Dephibrilator kostenlose Einmalbrillen mit Scheuklappen anbietet. Ist billiger als ein Stillsessel in einem Extraraum.


Quote10.04.2018, 09:19      # 7
Dnizl

Zitat von bobby: Selbstverständlich fordert sie Toleranz von jedem dessen Blick zufällig auf
die Situation fällt, das darf sie ja auch gerne fordern, aber wenn jemand
nicht bereit ist das zu tolerieren, dann hat auch Derjenige dieses Recht!


Es ist in unserer Gesellschaft nicht üblich, Körperfunktionen die vielfach "das Normalste der Welt sind" in aller Öffentlichkeit auszuführen.
Also wer mit dem Anblick von Stillen ein Problem hat, sollte mal in sich gehen und über die normalsten Dinge der Welt nachdenken.


Quote10.04.2018, 09:44      # 8
Suppengruen

Die Generation ,,Me first and then me" hat es wahrlich schwer. Da gibt es schon den Komfort eines Stillraumes und dennoch sucht man die große Bühne. Und ist das Publikum nicht willig, dann wird die noch größere Bühne gewählt, jetzt erst recht!
Hier wird wieder aus nichts ein Drama gemacht, es ist wohl symptomatisch für unsere Zeit.


Quote10.04.2018, 10:34      # 10
Trallala

Was haben wir doch für Probleme!?


Quote10.04.2018, 11:37      # 11
Bernado

Vielleicht sollte die Dame auch etwas Rücksicht auf die Gefühle unserer internationalen Gäste und Jugendschutz nehmen. Insoweit halte ich Brüste enthüllen in der Öffentlichkeit für unangemessen.


Quote10.04.2018, 11:51      # 13
Nubian

Liebe Dauerempörten,

was stört euch denn?

a) die blanke Brust, die zu 90% vom Babykopf verdeckt ist
b) das Baby
c) das trinkende Baby

zu a) Ich nehme an, ihr meldet dann auch jede Frau im Bikini-Oberteil der Sittenaufsicht
zu b) ne, so krank kann niemand sein
zu c) Da Muttermlich nicht einmal ein tierisches Errzeugnis ist, dürften selbst militante Veganer keinen Anstoß daran finden.

Überall im Fernsehen und in Zeitschriften werden wir mit nackter Haut konfrontiert und dürfen Sexualakte bereits im Abendprogramm bewundern, aber wenn eine Mutter ihr Kind in einer Ecke stillt, DAS GEHT JA MAL GAR NICHT !!! Merkt ihr noch was?

Damit dem Drang nach Empörung nachgegeben werden kann, habe ich eine Liste interessanter Optionen aufgeführt, die der Empörung wirklich wert sind:

- Fahrradfahrer ohne Licht
- Unfallgaffer
- Mülltonnen-Falschbefüller
- Spielplatzlärmbeschwerer

Gruß
Nubian


Quote11.04.2018, 20:55      # 32
Nubian

Interessanterweise hat bisher keiner der "Stillgegner" erklärt, warum der Anblick einer stillenden Mutter so furchtbar ist. Auf meine Argumente ist niemand eingegangen. ...


...


Aus: "Beim Stillen in die Ecke gedrängt" Marco Nehmer (10.04.2018)
Quelle: http://www.kn-online.de/Kiel/Das-Normalste-der-Welt-Beim-Stillen-in-die-Ecke-gedraengt

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Quote[...] Kiel. Am Mittwochnachmittag schaltet sich der Sophienhof in die Debatte um das Stillen ein. "Wir finden es gut, dass dieses gesellschaftliche Thema diskutiert wird und auf diese Weise die nötige Aufmerksamkeit erhält", heißt es in einem über Facebook verbreiteten Kommentar, der einer KN-Nachfrage folgt. "Falls sich ein Mitarbeiter unseres Sicherheitsdienstes in der Vergangenheit nicht korrekt verhalten haben sollte, möchten wir uns dafür entschuldigen."Die Stellungnahme war nötig geworden ob der rollenden Welle, losgetreten vom Fall um Claudia Lass. Sie wurde beim Versuch, ihrer Tochter die Brust zu geben, mehrfach abgewiesen, musste eine Bäckerei, später ein Café im Sophienhof verlassen.

Die Geschichte ruft ein großes Echo hervor – auch die Politik steigt mit ein. Die Kieler SPD bezieht noch am Dienstag Stellung. Annika Schütt, Anna-Lena Walczak, Jannick Schultz, Moritz Koitka und Benjamin Raschke, allesamt junge oder werdende Eltern, verbreiten eine Mitteilung: "Dass von Seiten einiger Café-Inhaber oder Sicherheitspersonal mit Unverständnis und Ablehnung reagiert wird, wenn eine Frau ihr Kind füttern muss, können wir nicht nachvollziehen. Hier geht es doch um das Grundbedürfnis eines kleinen Menschen und um seine Gesundheit."

Gesellschaftliches Leben müsse auch mit einem zu stillenden Kind möglich sein – eine Haltung, die Anklang findet. "Dass Stillen in der Öffentlichkeit überhaupt noch diskutiert wird, ist eigentlich unglaublich. Ein völlig natürlicher Vorgang, von dem doch niemand gestört wird", schreibt Grünen-Landeschefin Ann-Kathrin Tranziska auf der Facebookseite der Kieler Nachrichten. Ein Grundbedürfnis, völlig natürlich – das ist es für manche offenbar nicht. Viele Mütter berichten von ähnlichen Erfahrungen.

Das diskrete Entblößen der Brust zum Stillen, für das es keine rechtliche Regelung gibt, löst bisweilen Schamgefühle aus. Gleichzeitig ist die nackte Haut in Werbung und Popkultur eine conditio sine qua non – ohne geht nichts. "Was für eine Scheinheiligkeit", schreibt Jan Christoph Kersig bei Facebook. Der Geschäftsführer von Kersig Immobilien hat den KN-Artikel im sozialen Netzwerk geteilt. "Ich kann die jungen Mütter nur ermutigen, sich nicht in Ecken verschieben zu lassen."

Ecken, wie es sie vielerorts gibt. Abgelegene Räume, oft nur ein Stuhl. Das Stillen als Stigma? Im Sophienhof gibt es einen solchen Platz, einen Stillsessel im Wickelraum. Der erfährt bei den Facebook-Nutzern überwiegend Ablehnung: häufig kaputt, oft besetzt. Und: Wer will sein Kind schon neben einer Toilette stillen? Ortsbesuch, wir dürfen eintreten. Katrin Bolte sitzt im Sessel, füttert ihren vier Monate alten Sohn Jonas. "Ich finde es eigentlich okay", sagt sie. "Trotzdem ist es schade, dass es nichts anderes gibt."

Facebook-Nutzerin Sue Rose schreibt: "In anderen Ländern gibt es an jeder Ecke Stillräume, die auch gut genutzt werden." Die SPD-Kandidaten wollen nun reagieren. "Wir setzen uns für die Erstellung eines familienfreundlichen Stadtplans ein", erklären sie, die sich auch um Stillräume in öffentlichen Gebäuden bemühen wollen. Walczak rief am Mittwoch bereits dazu auf, stillfreundliche Cafés und Geschäfte zu nennen.

Die, die stillende Mütter abweisen, sind für CDU-Ratsfraktionschef Stefan Kruber indes keine Option mehr: "Ein Restaurant, das so vorgeht, wirbt darum, nicht von mir als Kunde heimgesucht zu werden." Melanie Boeck will sich und anderen das Stillen hingegen nicht verbieten lassen: "Liebe Kielerinnen, traut euch trotzdem in die Gastronomie."

Das tut auch Claudia Lass wieder. Sie, die den Stein ins Rollen brachte, staunt über die Reaktionen: "Da hätte ich im Leben nicht mit gerechnet." Beim Fototermin lernt sie Katrin Bolte kennen. Die beiden Mütter verstehen sich auf Anhieb – und gehen gemeinsam ins Café.


Aus: "Ein Fall schlägt hohe Wellen"  Marco Nehmer (12.04.2018)
Quelle: http://www.kn-online.de/Kiel/Debatte-ums-oeffentliche-Stillen-in-Kiel-Ein-Fall-schlaegt-hohe-Wellen

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Quote[...] Dominik Finkelde SJ, geb. 1970, ist ein deutscher Jesuitenpater und Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie München. 2016 erschien im Verlag Vorwerk 8 sein Buch «Phantaschismus. Von der totalitären Versuchung unserer Demokratie».

Sigmund Freud beschreibt in seinem berühmten Essay «Totem und Tabu» aus dem Jahr 1913 eine vorzivilisatorische Urhorde. Sie wird von einem Übervater beziehungsweise Urvater angeführt. Er ist dem «Silberrücken» bei Gorillahorden nicht unähnlich und folglich eine unangefochtene Macht in seiner Herde. Er ist aber auch die geniessende Ausnahme. Denn er kann sich zum Beispiel jedes Weibchen aus der Horde greifen, wie es ihm beliebt, ohne dass seine Begehrensansprüche durch andere Männchen begrenzt werden. Aus diesem Grund wird der Urvater gemäss Freuds spekulativem Mythos vom Ursprung der Kultur am Ende auch von den sogenannten Brüdern erschlagen. Freud schreibt: «Eines Tages taten sich die ausgetriebenen Brüder zusammen, erschlugen und verzehrten den Vater.»

In Zeiten von Donald Trump erleben wir nun ein Revival dieser Denkfigur des Übervaters, da Ersterer wie Letzterer ununterbrochen zu geniessen scheint. Trump zelebriert sich nahezu tagtäglich als die Ausnahme anerkannter Ordnungen und findet daran zum Verdruss seiner politischen Gegner Gefallen. Er hält sich nicht mit polemischen Angriffen gegen politische Kontrahenten zurück und bekennt sich offen zu einer patriarchalen Ordnung, in der die Begehren von Männern frei von Feminismus und politischer Korrektheit ungebrochen sein dürfen, was sie sind: natürliche Bedürfnisse. Für sexuelle Übergriffe, die er in der Vergangenheit begangen haben soll, muss er sich denn (bis jetzt) auch nicht verantworten.

Gerade durch Umstände wie diese aber verkörpert Trump für seine Anhänger eine utopische Figur, eine Form politischer Autarkie. In Zeiten, da zahlreiche politische Bewegungen auftreten, um etwa die Rechte von Belästigungsopfern (#MeToo), legalen und illegalen Einwanderern («Dreamers») oder Minderheiten («Black lives matter») einzuklagen, fühlen sich Trumps Sympathisanten offenbar immer mehr in ihren Grundrechten beschränkt. Sie sehnen sich infolgedessen nach Formen einer neuen Freiheit und wünschten, sie könnten im Bereich der Politik wie Trump alles sagen, was sie wirklich denken (auch wenn das vielleicht diskriminierend ist), und alles tun, was sie gerne täten: zum Beispiel wie Trump einmal bei einer prominenten Pornodarstellerin wie Stormy Daniels vorbeischauen, wenn ihnen, wie es in Georg Büchners «Woyzeck» heisst, «die Natur kommt».

In «Totem und Tabu» identifiziert Freud den Mord am Urvater als Ursprung der Sittlichkeit: Die Brüderhorde kommt darin überein, dass niemand mehr die Position des obersten Geniessers, des ungebändigten Übervaters, einnehmen darf. Die Autorität des Vaters wird aus Trauer über den Mord verinnerlicht, und als Heilmittel gegen die Gefahr eines obersten Geniessers wird die Utopie der gleichmässigen Verteilung von Lust propagiert. Man könnte diese Geschichte Freuds Gründungsmythos der Demokratie nennen. Denn wo einst eine ungebändigte Lust durch einen Übervater genossen wurde, darf jetzt nur noch das Geniessen als ein kollektiv verwalteter Akt toleriert werden.

Dieser Idee der Genusszähmung zugunsten einer politisch kanalisierten Verteilung steht Trump diametral entgegen. Als Übervater und Oberpatriarch, dem das Niedrige und das Obszöne nicht fremd sind, hebt er sich auch deutlich von anderen Politikerinnen und Politikern ab. Von Angela Merkel, die abschätzig «Mutti» genannt wird, ebenso wie von Theresa May, die sich offenbar nicht gegen Torys wie Boris Johnson durchsetzen kann. Und auch mit Emmanuel Macron ist Trump genusspolitisch unvergleichbar. Auch wenn man Letzteren dafür bewundert, eine ältere Frau geheiratet zu haben, scheint Trump doch auszuleben, was gemäss einem archaischen Empfinden mächtigen Männern gebührt – nämlich sich mit jüngeren Frauen zu umgeben.

Auch hinter diesem Gefühl verbirgt sich bei den Trump-Anhängern letztlich ein Freiheitsgedanke: Schön, dass es in einer von Verhaltensregeln für Gleiche unter Gleichen geprägten Ära wenigstens einen gibt, der einmal richtig auf seine Kosten kommen darf; einen, der sich alles nehmen kann, der kaufen und sagen darf, was und wie es seinem Begehren entspricht.

Doch warum sehnt sich eine bestimmte Brüderhorde im 21. Jahrhundert nach einer solchen Figur? Walter Benjamin beschreibt in seinem Text «Zur Kritik der Gewalt», wie ein Volk vor der «Gestalt des ‹grossen› Verbrechers» eine «heimliche Bewunderung» entwickelt, obwohl dieselbe eine Gefahr für das Gemeinwesen ist. Dem Verbrecher gelingt es nämlich, in das einschränkende Korsett der Rechtsstruktur eines Staates ein Loch der Singularität zu schlagen. Den grossen Verbrecher umgibt dann eine populäre Ehrfurcht, weil er den «Einspruch» gegenüber den Ordnungsformationen ausdrückt.

Trump ist kein Verbrecher, doch verkörpert er mit seiner Distanz gegenüber angestammten Formen politischer Sittlichkeit eine analoge Singularität. Sie kann heimliche Bewunderung hervorrufen; für seine Wähler kann Trump einem regelrechten Rächer ähneln. Er ist die Ausnahme, die die Grenzen der etablierten Ordnung überschreitet, oder vielmehr: Er ist derjenige, der das (traditionelle) Gesetz noch zu retten vermag. Wovor? Vor zu vielen partikularen Rechtsansprüchen, vor zu viel Humanität und Toleranz, vor zu viel Korrektheit.

Vielleicht hofft also die Brüderhorde im 21. Jahrhundert, dass die Normübertretungen des Übervaters helfen, ein altes, in ihren Augen angestammtes Recht zu retten. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek spricht in diesem Zusammenhang von einem «nightly law», einem Gesetz des Zwielichts. Es kommt dann zum Tragen, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen das liberale und aufgeklärt neutrale Gesetz dem Scheitern nahe sehen. Das «Recht des Zwielichts» tritt dann, so paradox es klingen mag, im Namen des Gesetzes auf: Es muss das angestammte Recht schützen und darf deshalb auch archaische und vorzivilisatorische Eigenschaften verkörpern. Žižek spricht hierbei von einem «obszönen Geniessen», das all diejenigen vereint, die die Überschreitung des Gesetzes im Namen des Gesetzes befürworten.

Trump lebt dieses Gefühl freudig wie kein anderer aus, aber auch im politischen Alltag der USA ist diese Art von Genusspolitik nicht unbekannt. Man denke etwa an paramilitärische Rangergruppen, die an der Grenze zu Mexiko mit dem Gewehr Jagd auf Einwanderer machen. Dazu fühlen sie sich berechtigt, da ihnen der Mangel an Grenzpolizisten den Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung suggeriert. Die selbstorganisierte Grenzkontrolle tritt im Namen der patriarchalen Unterseite des normativen, aber scheiternden Gesetzes auf und provoziert ein genussvolles Wir-Gefühl.

Auch auf der aussenpolitischen Weltbühne verschafft sich das patriarchale Gesetz des Übervaters sein Recht. Wenn Trump bekanntgibt, die US-Botschaft gegen den Widerstand zahlreicher Nationen von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, schafft er Fakten – wo alle anderen mit höflichen Plädoyers und unendlichen Dialogen zur Rücksichtnahme zwischen Palästinensern und Israeli auffordern. Den – wiederum Fakten schaffenden – Ausbau jüdischer Siedlungen konnten die Europäer mit solchen Aufforderungen nie verhindern; ihre Politik erscheint erschreckend machtlos. Wird auch sie eines Tages von ihrer «Nachtseite» überwältigt und ausgehebelt?

Trump verkörpert eine Form von neuen politischen Mitteln, einer Entscheidungskraft, die sich von Anweisungen und Erwartungen abnabelt. Seine Wähler sind ihm dankbar dafür, und ihre Bewunderung zumindest nachzuvollziehen, fällt nicht schwer. In Zeiten überkomplexer Verhältnisse scheint Trump als Übervaterfigur ein Desiderat in der Psyche eines politischen Gemeinwesens zu erfüllen: geniessen zu dürfen, wie man es gewohnt war, und Entscheidungen ungeachtet aller Komplexitäten zu treffen, schlicht und einfach, weil man etwas will und für richtig hält – egal, wie andere darüber urteilen.

In diesem Sinne ist Trump auch ein Symptom der westlichen Zivilisation, die an sich selbst verzweifelt. Als Ausnahmeerscheinung, die ihre Freiheit auslebt, verkörpert diese obszöne Gestalt zugleich den Frust und die Wut auf die Form, die die Zivilisation in der Freiheit angenommen hat. Das Phänomen Trump zeigt, wie fragil die Politik in der Kanalisierung von politischen Begehren ist und wie schnell die Gestalt des «grossen Verbrechers» auftaucht, wenn der Bereich des Politischen desintegriert. Eine Nation braucht notwendig die Illusion einer Einheit, auch wenn genau über diese Illusion keine konkrete Einheit gebildet werden kann.



Aus: "Donald Trump, der archaische Übervater" Dominik Finkelde (23.4.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/im-namen-des-uebervaters-donald-trump-freud-totem-und-tabu-ld.1378229

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Quote[...] Plötz­lich bekam alles eine Kultur: Unter­neh­mens­kultur, Streit­kultur, Subkultur, Wohn­kultur, Gesprächs­kultur, Spaß­kultur... Gepflegt schlecht­ge­launte Kommen­ta­toren wie etwa der öster­rei­chi­sche Philo­soph Konrad Paul Liess­mann bemän­geln eine regel­rechte Kultur-Infla­tion, beklagen verlot­tertes Denken und plädieren für eine Veren­gung bzw. inhalt­liche Bestim­mung des Kultur­be­griffs. Denn wenn alles Kultur ist, so Liess­mann, würden kultur­po­li­ti­sche Inter­ven­tionen und eine kultur­päd­ago­gi­sche Erzie­hung sinnlos, würden Shake­speare und Dschun­gel­camp nur noch als Spiel­arten einer alles eineb­nenden Gesamt­kultur gelten, die keine Bewer­tung mehr kennt.

Doch das Plädoyer für einen weiten Kultur­be­griff ist schon älteren Datums. Tatsäch­lich war es der große Sozio­loge Max Weber (1864–1920), der, intel­lek­tu­eller Tändelei ganz unver­dächtig, den Kultur­be­griff aus seinem ehemals engen wertenden Korsett befreite und damit der Gegen­über­stel­lung von Hoch­kultur und Popu­lär­kultur die Grund­lage entzog. Aber noch in einer anderen Gestalt ist das Zauber­wort Kultur zu einer univer­sellen Chiffre geworden und findet sich in Konzepten wie Leit­kultur, Multi­kul­tu­ra­lismus oder Kampf der Kulturen als Bezeich­nung für Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keiten wieder. Was also heißt Kultur?

Beim Versuch, genauer zu bestimmen, was gemeint ist, wenn von Kultur die Rede ist, muss man zwischen Alltags­sprache und wissen­schaft­li­chen Defi­ni­tionen, Konzepten und Theo­rien unter­scheiden, die aller­dings viel­fach aufein­ander bezogen sind, sich vermi­schen und gegen­seitig beein­flussen. Schließ­lich sollen Modelle wie ,,Multi­kul­tu­ra­lismus" und ,,Clash of Civi­li­za­tions" aktu­elle gesell­schaft­liche Phäno­mene erklären – sie sind Diagnosen des Zeit­ge­sche­hens, aus dessen Voka­bular sie sich notwen­di­ger­weise bedienen und das sie umge­kehrt auch wieder prägen. Werden theo­re­ti­sche Konzepte zu allge­meinen Schlag­worten, weil sie offenbar eine große Reso­nanz finden, können sich die ursprüng­li­chen Ansätze aller­dings erheb­lich verän­dern und auch wider­sprüch­liche Ideen unter einem einzigen Begriff vereinen. Ein Beispiel ist die erneute Beliebt­heit des Begriffs ,,Kultur­kreis", den heute wohl kaum noch jemand mit der rassis­tisch aufge­la­denen Wiener Kultur­kreis­lehre in Verbin­dung bringt, der aber nicht zuletzt mit der deut­schen Über­set­zung von Samuel Hunting­tons Clash of Civi­li­za­tions als Kampf der Kulturen eine gera­dezu atem­be­rau­bende Renais­sance erlebt hat.

Die dahin­ter­ste­hende Idee ist unab­hängig von jeder Kritik und der jeweils konkret benutzten Begriff­lich­keit – Kultur, Zivi­li­sa­tion, Kultur­raum, Kultur­kreis – wirkungs­mächtig. Mit der Vorstel­lung, es gäbe Kulturen, denen man ange­hört, die sich gegen­über­stehen und vermi­schen oder bekämpfen, werden extrem komplexe globale und gesell­schaft­liche Phäno­mene aller­dings auf ein einziges Erklä­rungs­muster und ein Dispo­sitiv längst über­holter ethno­gra­phi­scher Beschrei­bungen redu­ziert.

Mit der Aufsatz­samm­lung Dichte Beschrei­bung (1973) des ameri­ka­ni­schen Kultur­anthro­po­logen Clif­ford Geertz hielt Max Webers breiter Kultur­be­griff im Feld der Ethno­logie Einzug, die lange Zeit versucht hatte, ethni­sche Gruppen anhand typi­scher Sitten und Gebräuche sowie einer gemeinsam geteilten Sprache und spezi­fi­scher reli­giöser Prak­tiken abzu­grenzen. In der Praxis über­schnitten sich aller­dings die vermeint­lich ,,stam­mes­ty­pi­schen" Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keiten, Wirt­schafts­weisen und Kosmo­lo­gien, und zudem konnten interne histo­ri­sche Verän­de­rungen sowie die Auswir­kungen von externen Faktoren wie Skla­verei und Kolo­nia­lismus kaum mit der Vorstel­lung von allein im Rhythmus der Jahres­zeiten lebenden Völkern ohne Geschichte in Einklang gebracht werden. Geertz hingegen verstand Kultur als ,,Ensemble von Texten", vertrat einen ,,semio­ti­schen Kultur­be­griff" und schrieb dazu:

Ich meine mit Max Weber, daß der Mensch ein Wesen ist, das in selbst­ge­spon­nene Bedeu­tungs­ge­webe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe.

Weber wandte sich dagegen, kultu­relle Erschei­nungen von vorn herein mit einem Wert­ur­teil zu verknüpfen. So waren etwa Geld, Prosti­tu­tion und Reli­gion für ihn zunächst einmal alles Bestand­teile von Kultur:

... Voraus­set­zung jeder Kultur­wis­sen­schaft ist nicht etwa, daß wir eine bestimmte oder über­haupt irgend­eine ,,Kultur" wert­voll finden, sondern daß wir Kulturmenschen sind, begabt mit der Fähig­keit und dem Willen, bewußt zur Welt Stel­lung zu nehmen und ihr einen Sinn zu verleihen.

Mit diesem breiten Kultur­be­griff rücken also nicht typi­sche Aspekte unter­schied­li­cher ,,Kulturen" in den Blick, sondern die grund­sätz­liche Fähig­keit der Menschen, sich zur Welt zu verhalten und diese sinn­voll zu ordnen. Für Geertz ist denn auch die Entschlüs­se­lung des Bedeu­tungs­ge­webes, die Inter­pre­ta­tion von gesell­schaft­li­chen Phäno­menen, die ,,zunächst rätsel­haft erscheinen", eine der wesent­li­chen Opera­tion der Ethno­logie. Das Text­en­semble der Kultur/en kann in einem semio­ti­schen Drei­schritt – Beob­achten, Deuten, Inter­pre­tieren – ,,gelesen" werden.

Mit diesem neuen Kultur- und Text­be­griff ging eine produk­tive Selbst­be­fra­gung in der Ethno­logie und verwandten Fächern einher, die sich zuneh­mend mit der Kritik anti-kolo­nialer Bewe­gungen konfron­tiert sahen und deren Diskus­sionen in engem Austausch mit Soli­da­ri­täts­be­we­gungen standen: Wie lässt sich die (oft schrift­lose) Realität der Anderen in fernen Ländern in unseren Texten abbilden? Was geht bei diesen Über­set­zungs­pro­zessen verloren? Können und dürfen wir über­haupt im Namen ,,fremder Kulturen" schreiben, und welche Bedeu­tung hat unser eigener kultu­reller Hinter­grund bei der Forschung, ja letzt­lich auch inner­halb der Soli­da­ri­täts­be­we­gungen? Zwar wandten sich solche Fragen gegen die Exoti­sie­rung der Anderen, aber para­do­xer­weise verfes­tigten sie die Dicho­to­mien zwischen der eigenen und der fremden Kultur. Wenn nämlich z.B. Clif­ford Geertz den bali­ne­si­schen Hahnen­kampf (so der Titel seines wohl berühm­testen Essays) einer kunst­vollen semio­ti­schen Lektüre unter­zieht, um die dahin­ter­ste­hende Bedeu­tung zu ergründen, bleibt er doch der west­liche Ethnologe/Beobachter, der die fremde, die bali­ne­si­sche Kultur inter­pre­tiert, und vergleicht nicht etwa die Hahnen­kämpfe auf Bali mit Hunde­kämpfen in England.

Als unter dem Eindruck einer deko­lo­ni­sierten Welt und zuneh­mender wirt­schaft­li­cher Globa­li­sie­rung das Konzept des Multi­kul­tu­ra­lismus ab den 1980er Jahren auch in Deutsch­land populär wurde, war damit die Einsicht verbunden, dass man nicht in ferne Länder reisen musste, um mit fremden Gebräu­chen, Küchen, Spra­chen, Prak­tiken und Auffas­sungen konfron­tiert zu werden. Und mit der Aner­ken­nung einer multi­kul­tu­rellen Realität ging auch zugleich die Behaup­tung vom ,,Schei­tern von Multi­kulti" einher. Dabei verweist die Rede vom Schei­tern darauf, dass das Konzept Multi­kulti nicht einfach der Fest­stel­lung von Tatsa­chen dient – Deutsch­land ist eine Einwan­de­rungs­ge­sell­schaft, in der die soge­nannten Gast­ar­bei­ter­fa­mi­lien heute in dritter Gene­ra­tion leben – sondern sich mit einem norma­tiven Anspruch verbindet, der aber selten konkret formu­liert wird. Ab den 1980er Jahren verlor die Klage über die niedere Popkultur als Gegen­über einer wert­vollen Hoch­kultur an Glanz, nun ging es um Fragen der eigenen und der fremden Kultur. Wie aber lässt sich Kultur positiv defi­nieren? Was in der Ethno­logie geschei­tert war, schei­terte nun auch im Alltag der Groß­städte.

Was ist z.B. deut­sche Kultur? Gehören nur jene Autoren, Künst­le­rinnen, Musiker und Kompo­nis­tinnen dazu, die sich selbst als ,,deutsch" verstanden haben und verstehen? Ab wann sind einge­wan­derte Gebräuche einhei­misch? Formen die vielen regio­nalen Küchen eine einzige deut­sche Küche? Ist das ,,Dschun­gel­camp" Teil deut­scher Kultur, und auch der Nackt­ba­de­strand? Proble­ma­tisch ist es zudem, der jewei­ligen Kultur einen je eigenen ,,Werte­kanon" zuzu­ordnen, denn sind z.B. Respekt vor dem Alter, Fami­li­en­sinn, das Verbot zu töten oder Gemein­sinn etwas kultu­rell Spezi­fi­sches? Andere Errun­gen­schaften, wie die juris­ti­sche Gleich­stel­lung von Mann und Frau, das allge­meine Wahl­recht oder bürger­liche Frei­heiten werden kurzer­hand einer west­li­chen ,,Kultur" zuge­schlagen, ohne auf die langen eman­zi­pa­to­ri­schen Kämpfe inner­halb der anderen ,,Kulturen" einzu­gehen, etwa der Kampf um Bürger- und Frau­en­rechte sowie die Abschaf­fung von Unter­drü­ckung und Skla­verei in den anti­ko­lo­nialen Kämpfen: von der Haitia­ni­schen Revo­lu­tion bis zur ersten demo­kra­ti­schen Wahl in Südafrika.

Auch freund­liche Ideen, wie etwa der Multi­kul­tu­ra­lismus und verwandte Konzepte, unter­liegen der Gefahr, Menschen aufgrund ihrer ange­nommen oder tatsäch­li­chen Herkunft ,,über einen kultu­rellen Kamm zu scheren" (A. Nassehi) – ob sie wollen oder nicht. So lenkt das gut gemeinte Postulat, zwischen den ,,Kulturen" sollten Respekt und Tole­ranz herr­schen, davon ab, dass hier ein untaug­li­cher, weil kollek­ti­vie­render Kultur­be­griff mitge­schleppt wird, der nicht erklären kann, wer in welcher Hinsicht was und wen respek­tieren soll. Darf ich bestimmte kultu­relle Deutungen, Sinn­ge­bungen und Alltags­prak­tiken in meiner Nach­bar­schaft oder in fernen Ländern ablehnen oder befremd­lich finden, oder muss eine Kultur als Ganzes respek­tiert werden? Sowie man diese Frage auf die eigene Gesell­schaft anwendet, zeigt sich ihre ganze Proble­matik: Was ist denn unsere Kultur? Eine natio­nale, eine in Kunst und Lite­ratur wurzelnde, eine akade­misch-libe­rale? Und warum sollten wir nicht bestimmte Aspekte ,,unserer Kultur" kriti­sieren und andere bewahren oder weiter­ent­wi­ckeln? Und dies den ,,anderen Kulturen" ebenso zuge­stehen?

Um der Falle zu entkommen, entweder jeder Fremd­heit wertend und mit univer­sa­lis­ti­schem Anspruch entge­gen­zu­treten, d.h. die eigene Kultur als univer­sell gütig und normal zu setzen, oder aber jede Kritik z.B. an Diskri­mi­nie­rung und Unter­drü­ckung als Respekt­lo­sig­keit gegen­über ,,fremden Kulturen" zu geißeln, lohnt der Blick in einen weiteren Klas­siker.

Der 1908 in Ungarn gebo­rene Psycho­ana­ly­tiker und Anthro­po­loge Georges Devereux analy­sierte in Angst und Methode in den Verhal­tens­wis­sen­schaften aus dem Jahr 1967 die alltäg­liche affek­tive Verstri­ckung ,,des Menschen mit dem Phänomen, das er unter­sucht". Dabei wird die Beschäf­ti­gung mit eigenen Gefühlen keines­falls gegen eine ange­strebte ,,Objek­ti­vität" ausge­spielt, im Gegen­teil. Devereux kriti­siert gerade, dass ein mangelndes Bewusst­sein der eigenen Subjek­ti­vität objek­tiven Beob­ach­tungen und Inter­pre­ta­tionen im Wege steht. Er zeigt an zahl­rei­chen ethno­lo­gi­schen Beispielen, dass nicht nur die bewusste oder unbe­wusste Über­tra­gung eigener Gefühle und Werte auf andere Gesell­schaften proble­ma­tisch ist, sondern auch gerade der löbliche Versuch, dies nicht zu tun. Werden Reak­tionen wie Ekel, Abscheu, Ableh­nung, usw. als euro­zen­tri­sche Wertungen verdrängt, wird also der Versuch gemacht, eine völlig neutrale und kultur­re­la­ti­vis­ti­sche Posi­tion einzu­nehmen, kann dies gerade zu Miss­ver­ständ­nissen und Ausblen­dungen führen. Jede interne Kritik der angeb­lich ewig gültigen Sitte und Bräuche der ,,Anderen" wird dann geflis­sent­lich über­sehen, jeder Wandel von Rechts- und Moral­vor­stel­lungen auf scheinbar allein äußeren Zwang zurück­ge­führt. Anstatt also für oder gegen Multi­kul­tu­ra­lität Stel­lung zu bezieht oder deren Schei­tern zu fest­zu­stellen, gilt es genau zu erklären, was mit ,,Kultur" gemeint ist und wer im Namen der Kultur spricht. Zu oft spie­gelt das Bild von einer ,,fremden Kulturen" nämlich allein deren Herr­schafts­dis­kurse wider, und zeigt weder ihre Viel­falt noch die ihr eben­falls zuge­hö­rigen abwei­chenden, dissi­denten Stimmen.

Was also ist Kultur? Es handelt sich um einen Contai­ner­be­griff, dem es zu eigen ist, dass er zugleich sehr groß gedacht werden kann, etwa im globalen Maßstab und mit globaler Erklä­rungs­kraft wie im Fall von Hunting­tons welt­um­span­nenden ,,Kampf der Kulturen", oder auch sehr klein, bezogen auf einzelne Dinge oder Prak­tiken inner­halb sehr kleiner Gruppen. Oder er kann als Binde­strich­kultur alles und nichts meinen – Stich­wort ,,Humor-Kultur".

Vor allem aber: Jeder Versuch, Kultur inhalt­lich, als Kern oder Essenz zu defi­nieren, muss schei­tern, und wird gefähr­lich, wenn sie dazu herhalten muss, das Poli­ti­sche zu begründen. Denn wer defi­niert, was zur Kultur einer Nation – gar zu einer ,,Leit­kultur" gehört? Werden Konflikte des Zusam­men­le­bens immer schon als ,,kultu­relle" Konflikte bzw. Konflikte zwischen Kulturen wahr­ge­nommen, verhin­dert das die genaue Analyse der jewei­ligen Probleme, bei denen es oft weit mehr um Fragen von sozialer Diffe­renz, des Zugangs zu gesell­schaft­li­chen Ressourcen, um das Geschlecht und Alter der Betrof­fenen oder um ihre Ausbil­dung, geht als um ihre ,,Kultur".

Keine Frage: ,,Kultur" ist ein prak­ti­sches Wort, das man im Alltag schnell, ungenau, ja oft wider­sprüch­lich verwendet und verwenden darf. In poli­ti­schen Ausein­an­der­set­zungen jedoch muss die Zeit sein, jeweils genau zu erklären, was das Zauber­wort ,,Kultur" im konkreten Fall meinen soll. Und viel­leicht lohnt es, ab und an mit jenen Wissen­schaften das Gespräch zu suchen, die sich schon lange vergeb­lich darum bemühen, ,,Kultur" zu defi­nieren...



Aus: "Alles #Kultur?" Gesine Krüger (2018)
Quelle: http://geschichtedergegenwart.ch/alles-kultur/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zufällig hört man Musik, sie dringt in lauten, schweren Beats aus einem Radio oder gar aus dem Kinderzimmer. Es rappt einer auf Deutsch. Und kaum vernimmt man ein paar Wörter – «Bitch», «Schwanz», «Nutte», «Hurensohn» –, wird man konfus. Darf das wahr sein?, fragt man sich. Kaum zu glauben, dass so viel Misogynie und Brutalität, so viel Zynismus und blanker Hass erlaubt sein sollen in der Gegenwart des Pop. Wäre das nicht ein Fall für die Polizei? Müsste sie nicht zensurieren und verbieten, um wieder Ordnung zu schaffen in dieser prekären Welt?

... Westliche Gesellschaften werden seit Jahrzehnten durchgeschüttelt infolge der Anmassungen wechselnder Jugendkulturen. Die Lage hat sich verschärft, seit Rock, Punk und Hip-Hop die Provokation als poppige Allzweckwaffe der Agitation und Promotion entdeckt haben. Und wer sich tatsächlich provozieren lässt, wer auf die Barrikaden steigt und die Zensur einfordert, erfüllt quasi das ästhetische Programm der Provokateure.

... Mitte der achtziger Jahre etwa empörte sich Susan Baker, die Frau des damaligen amerikanischen Finanzministers James Baker, über sexuelle Anspielungen im Madonna-Song «Like a Virgin»; nichtsahnend hatte sie die Platte ihrer siebenjährigen Tochter geschenkt. Ähnliche Erfahrungen machte Tipper Gore, Al Gores Gattin, deren Tochter Prince zuhörte, wie er in «Darling Nikki» die Masturbation besang. Die aufgebrachten Mütter gründeten zum Schutz des amerikanischen Nachwuchses nun gemeinsam das Parents Music Resource Center. Die Organisation setzte im amerikanischen Senat 1985 die Kennzeichnung «jugendgefährdender» Musik durch. Fortan mussten einschlägige Alben einen «Parental Advisory»-Sticker tragen, der Eltern vor Obszönität warnte.

... Man mag den Initiantinnen zugutehalten, dass der Sticker die Auseinandersetzungen um Anstand, Moral und Werte in die Zonen von Elternhaus und Erziehung brachte, wo sie gewiss hingehören. Auch das Musik-Business konnte sich dank der Sticker-Pflicht nicht mehr seiner Verantwortung entziehen. Allerdings hat die Pop-Kultur den warnenden Aufkleber quasi umgedeutet zum Gütesiegel: Alben ohne «Parental Advisory»-Sticker wurden kaum noch ernst genommen.

... Mehr noch als obszönes Reden prägen den amerikanischen Rap die Erfahrungen in den Ghettos, in denen viele schwarze Rapper aufgewachsen sind. Die Wut über Zurücksetzung und Ausgrenzung entlädt sich immer wieder in Posen der Delinquenz und im Tonfall des Hasses. Der typische Gangsta-Rapper beschwört den Kampf gegen die Staatsmacht, die ihn drangsaliert. Und er zelebriert den Gesetzesbruch als Initiation einer Gegen-Souveränität. Deshalb handeln die Lyrics immer wieder von der Polizei. «Fuck Tha Police» (1988) von NWA sorgte für einen ersten Skandal. Das FBI meldete sich bei der Major-Plattenfirma Warner. Nachdem auch Senatoren Druck gemacht hatten bei der Plattenfirma, musste Doug Morris, der verantwortliche Manager, den Hut nehmen (er machte dann Karriere bei Universal).

Zur Staatsangelegenheit wurde 1992 auch «Cop Killer», ein Stück, in dem sich der Rapper Ice-T als Polizistenmörder inszenierte. Präsident George Bush kritisierte die Plattenfirma, die solchen Schund herausbringe. Ice-T selber machte geltend, es handle sich um ein Rollenspiel. Letztlich gab er aber klein bei und veröffentlichte sein Album «Body Count» neu ohne den inkriminierten Song.

Rappen erschöpft sich nicht im Sprechen über etwas. Es handelt sich um einen Sprechakt, der das Fluchen und Verfluchen kultiviert in einem Wettbewerb um Schlagfertigkeit und rhythmischen Drive. Im Streit stiften sich die Akteure zuweilen zu künstlerischen Höchstleistungen an. Doch entwickelt sich im Sport des Verhöhnens und Beleidigens manchmal eine gefährliche Dynamik, die zu Aggressionen führt. Ein Rapper-«Beef» kann in offene Gewalt ausarten (wie in den neunziger Jahren zwischen West- und East-Coast-Rappern).

Aber schon Hetze und Hassrede sind strafrechtlich relevant – hier darf der Staat keine Milde walten lassen. Beispielhaft dafür sind die jamaicanischen Rapper, die sogenannten Deejay des Dancehall, die in ritualisierten «Batty Boy»-Tunes die Erschiessung oder das Erschlagen von Homosexuellen fordern. Sobald nun aber zu Gewalt gegen Individuen oder Gruppen aufgerufen wird, bewegen sich die Musiker jenseits der Legalität und können sich nicht mehr hinter Kunst- oder Meinungsfreiheit verschanzen. Ihre Texte sind strafbar.

An den Battles des amerikanischen Gangsta-Rap orientieren sich auch die deutschen Gangsta-Rapper. In der von Immigranten dominierten Szene wird dabei ein Milieu-Chauvinismus zelebriert, der bei allen Jungs gut ankommt. Für Halbwüchsige erweist sich der Gangsta-Rap (ähnlich wohl wie Ego-Shooter-Games) als ein Medium und Ventil, das Frustrationen, Wut und Hass gleichzeitig zelebriert und abführt. Wer sich durch den Sündenpfuhl dieser Szene bewegt, trifft deshalb allenthalben auf faulige Stilblüten, Geschmacklosigkeit und die sprachlichen Aggressionen dauergestresster Typen. Es werden «Mütter gefickt» oder «Schwuchteln umgebracht». Auch religiöse oder ethnische Minderheiten sind vor Beleidigungen nicht sicher.

In der Sorge um den demokratischen Frieden könnte man deshalb leicht auf undemokratische Gedanken kommen. Doch Dummheit und Geschmacklosigkeit sind per se so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie. Und wer nach Polizei und Zensur ruft, ist vielleicht bloss träge oder zu feige, selber Stellung zu beziehen.

...


Aus: "Kommentar: Dummheit und Geschmacklosigkeit sind so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie" Ueli Bernays (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/gangsta-rap-verletzt-tabus-bricht-er-auch-gesetze-ld.1382383

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Quote[...] Die gegenwärtig vor allem in Deutschland geführte Auseinandersetzung um politische Korrektheit in der Sprache verleitet dazu, sich zügig als Kritiker oder Verteidiger, politisch am linken oder rechten Rand, einer wahlweise «Tugendterror-geleiteten» oder Gender-sensiblen Sprache zu bekennen. In diese Falle sollte man als Liberaler nicht treten, zumal, wenn man sich von ideengeschichtlichen und philosophischen Grundsätzen leiten lässt.

Auch wenn es mindestens seit 1932, als Kurt Tucholsky die Vereinnahmung von Friedrich Nietzsche durch die Nazis zurückwies, recht deutlich ist, dass sich Nietzsche für alle möglichen – auch politischen – Positionen heranziehen lässt, so hat uns dieser scharfsinnige Diagnostiker seiner Zeit doch einen Fundus von idiomatisch präzisierten Topoi hinterlassen, der manches besser fasst, als unsere zeitgenössische Sprache es mitunter kann. Warum also nicht bei dieser aktuell bedeutenden Debatte um die politische Korrektheit in der Sprache bei Nietzsche nachlesen?

Der Blick fällt auf ein Diktum, das Nietzsche im Zusammenhang mit seiner Abrechnung mit dem einst so verehrten Komponisten in «Der Fall Wagner» formuliert hat: «er setzt ein Princip an, wo ihm ein Vermögen fehlt [. . .].» Gemeint war der Vorwurf, dass Richard Wagner letztlich handwerkliches kompositorisches Unvermögen zum «Stil überhaupt statuier[t]», also als «Princip verkleidet» habe.

Der Vorwurf, wie falsch oder zutreffend er gegenüber Richard Wagner auch sein mag, enthält einen Gedanken, der für die Diskussion, inwieweit eine politisch korrekte Sprache zulässig und notwendig oder aber schädlich bzw. allenfalls lächerlich sei, instruktiv sein kann.

«Political Correctness» ist keine deutschsprachige Spezialität. Abgesehen davon, dass es schon immer auch einen moralisch inspirierten Anspruch an eine «richtige Sprache» über Politik und Gesellschaft gegeben hat, beginnt die Kritik an überkommenen Modi des Sprechens, vor allem über Frauen und gesellschaftliche Minderheiten, in den USA Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre. Wie später in Deutschland auch hat man sich zunächst über Neuerungen lustig gemacht – in der klassischen Rhetorik als «Aptums-Verletzung» nachgerade als Standardfall von unbeabsichtigter Komik identifiziert. Diese Ebene der Diskussion ist in vielerlei Hinsicht unerheblich. Der Streit um den «Negerkuss», den «Wintermarkt», den «Traditionshasen», ja selbst der Eingriff in literarische Texte, wie etwa bei Otfried Preusslers «Klaubholzweibern», dienen lediglich dazu, den Protagonisten von Verteidigern und Gegnern neuer Idiome dabei zu helfen, das jeweils eigene Lager seiner selbst zu vergewissern. Liberale sollten sich darauf nicht einlassen.

Denn jenseits dieser Debatte um mehr oder weniger geglückte Sprachsubstitute sind sowohl das Phänomen als auch der Begriff der politischen Korrektheit zur politischen Waffe geworden. Die Hoheit über Begriffe hat den Bereich der politischen Auffassungen und ihrer Legitimität erreicht. Es stellt sich die Frage, in welchem Ausmass politische Äusserungen im öffentlichen Raum sanktioniert werden dürfen. Die Reaktionen etwa auf die sogenannte «Gemeinsame Erklärung 2018» zeigen, dass eine persönliche Positionierung im öffentlichen Raum nicht nur Gleichgültigkeit, Widerspruch oder Unterstützung erzeugt, sondern auch schneller, als dies vor zwanzig oder dreissig Jahren in Deutschland der Fall war, mit dem Vorwurf der Illegitimität konfrontiert wird. Man kann auch sagen: Die politische Positionierung im öffentlichen Raum ist zu einer Frage des Prinzips oder Stils im Sinne Nietzsches geworden.

Wenn einerseits in Zeitungen zur Ächtung von «Rechtsextremen» aufgerufen wird (wobei es offenbleibt, jenseits welcher Grenze nach Auffassung der Redaktionen Rechtsextremismus besteht), andererseits Bürgermeister, die öffentlich Position für Flüchtlinge beziehen, Hasstiraden im Netz ertragen und um ihre persönliche Sicherheit auf der Strasse fürchten müssen, dann sollte das nicht nur Liberale beunruhigen. Es geht nicht mehr um den Diskurs, um die Fähigkeit zur argumentativen Auseinandersetzung, sondern es geht ums Prinzip.

Der freie politische Diskurs, der nur an seinen äussersten Rändern begrenzt werden darf, um funktionieren zu können, ist am Ende des Tages die wichtigste Verteidigungslinie der Demokratie. Fragen der Grenzziehung sind dabei so alt, wie die Meinungsfreiheit Bestandteil moderner Verfassungsstaaten ist.

Doch heute hat sich etwas fundamental verändert: Es gilt nicht mehr, was Kurt Tucholsky den Journalisten einmal zugesprochen hat, nämlich dass ihre stärkste Waffe das Totschweigen sei. Debatten, die geführt werden wollen, werden geführt, die digitale Medienwelt hat den organisierten öffentlichen Diskurs des professionellen Journalismus entgrenzt. Konnten sich Herrscher früherer Zeiten darauf verlassen, dass erstens Ideen und Gedanken, die keine Sprache haben, auch keine Chance auf politische Durchsetzung beanspruchen können und dass zweitens der Lackmustest für die Sprachlosigkeit der öffentliche Raum und seine Medien sind, so lässt sich heute zwischen öffentlich und privat nur mit Mühe unterscheiden. Klassische Medien haben ihre Konsolidierungsfunktion für den öffentlichen Diskurs, mancher mag auch sagen: ihre Deutungsmacht, bereits weitgehend verloren. Der Versuch, auf diesem Wege den Korridor des politischen Konsenses unter Kontrolle zu halten, ist im 21. Jahrhundert zum Scheitern verurteilt.

Kritiker wie Verteidiger politischer Korrektheit bedrohen gleichermassen die Demokratie. Die Verteidiger trauen dem öffentlichen Diskurs in Wahrheit nicht und versuchen über eine Steuerung von Sprache den Korridor politischer Haltungen mitzubestimmen. Das ist aus liberaler Sicht töricht, denn auch die gesellschaftlichen Freiheiten, um die es einer wohlverstandenen politischen Korrektheit fraglos geht, lassen sich durch sanktionierte Sprach-Übungen letzten Endes nicht verteidigen. Es bedarf immer des substanziellen gesellschaftlichen Konsenses, der auf Dauer nur mit den besseren Argumenten, einem funktionierenden Rechtsstaat und einer dafür sensiblen politischen Elite sichergestellt werden kann.

Die Kritiker der politischen Korrektheit sind aus liberaler Sicht ebenfalls bedrohlich, weil sie denjenigen einen Schutzschirm der Toleranz leihen, denen es genau darum nicht geht, denen es in Wahrheit um eine konservative Revolution zu tun ist, die am Ende zur Ausgrenzung von Menschen führt. Beide Positionen sind für Liberale ein Greuel.

Für den Liberalismus ist eine sensible Sprache über die Dinge der Welt keine Frage des Prinzips, sondern eine des humanistischen Vermögens, eine Frage des Respekts vor anderen Menschen, kurz: eine Selbstverständlichkeit, die nicht verordnet werden muss. Systematische, abstrakte und letztlich auf reine Ideen bezogene Übungen der Sprache und Idiome über die Welt lehnt man als Liberale ab.

Die Fähigkeit, einen offenen Diskurs zu führen, der eine weit gefasste Toleranz für politische Meinungsäusserung hat und dennoch in der Sache argumentativ entgegentreten kann, ist eben das: ein Vermögen des Individuums und kein Prinzip. In Analogie zu Friedrich Nietzsche kann man sagen: Hinter dem Rekurs auf Prinzipien steht mitunter nicht mehr als ein Unvermögen in der Sache. Eine Schwäche der 68er war es denn auch, dass sie mit zunehmendem gesellschaftspolitischem Erfolg Prinzipien an die Stelle ihres unzweifelhaft bestehenden vitalen Vermögens gesetzt haben.

Werner Bruns und Markus Müller sind Honorarprofessoren an der Rheinischen Hochschule Köln bzw. der Zeppelin-Universität Friedrichshafen und waren Mitglieder von FDP-Grundsatzkommissionen.


Aus: "Gastkommentar: Politische Korrektheit ist oft nicht mehr als zum Prinzip erhobenes Unvermögen"
Werner Bruns und Markus Müller (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/politische-korrektheit-ist-oft-nicht-mehr-als-zum-prinzip-erhobenes-unvermoegen-ld.1371721



Textaris(txt*bot)

Thea Dorn (* 23. Juli 1970 in Offenbach am Main, eigentlich Christiane Scherer) ist eine deutsche Schriftstellerin, Dramaturgin und Fernsehmoderatorin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Thea_Dorn

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Quote[...] Gegenüber der kulturellen Unbehaustheit der Berliner Hipster und der identitätslosen "kosmopolitischen Nomaden" möchte Dorn den Heimatbegriff verteidigen und die Bedeutung der "kulturellen Identität" betonen. In der Tugend des Patriotismus sieht Dorn den einzig vorstellbaren Gegenzauber zum übertriebenen Individualismus, der die Bürger zu Monaden verhexe, die nur noch rücksichtslos ihre singulären Interessen verfolgten. Schließlich plädiert die Autorin für mehr "deutsches Selbstbewusstsein", insbesondere in weltpolitischer und militärischer Hinsicht. Und sie wirbt für ein Geschichtsbild, welches zwar "das finsterste Kapitel" der deutschen Geschichte nicht ausblendet, aber eine angebliche Fixierung auf jenes überwinde.

Dorn setzt sich ein ambitioniertes Ziel. Sie will zeigen, dass eher als rechts konnotierte Begriffe, zuallererst derjenige des Patriotismus selbst, einer Interpretation zugänglich sind, in der sie kompatibel werden mit universalistischen Prinzipien der Aufklärung. Mit Emanzipation, Selbstbestimmung, Menschenrechten. In ähnlicher Weise soll auch die Idee der deutschen Kulturnation vor jeder Deutschtümelei gerettet werden, indem der "menschheitszugewandte Geist" gerade auch des deutschen Kulturerbes gegenüber seiner nationalen und nationalistischen Verstümmelung herausgestellt wird.

Zugleich möchte Dorn dezidiert ein "Plädoyer für ein deutsches Wir" leisten und zu einer Haltung ermutigen, die sich "zu Deutschland bekennt". Sie möchte, so lässt sich ihr Programm wohlwollend verstehen, eine Art Überleitungs- und Vermittlungsleistung erbringen: Einerseits, indem sie bestimmten, von rechts besetzten Begriffen einen liberalitätskompatiblen Gehalt unterschiebt. Andererseits, indem sie ein gewisses Recht der Kritik am liberalen Universalismus durchaus anerkennt. Insbesondere in der Hinsicht, dass auch aufgeklärte Liberalität ein "ethisch-kulturelles Fundament" benötige. 

Um es vorwegzunehmen: Das gelingt der Autorin nicht.

... Das Buch schwankt zwischen der Behauptung, liberale Verfassungsprinzipien müssten durch ein Bewusstsein kultureller Identität ergänzt werden, und der Intention, diese Prinzipien selbst zum Ausdruck eigener kultureller Identität zu erklären. Mit dieser zweiten Behauptung ist das Buch exemplarisch für einen gegenwärtigen Diskurs, der universalistische Prinzipien identitätspolitisch verzwecken möchte: Die Verteidigung der Menschenrechte soll zugleich als Verteidigung des Eigenen gegenüber dem Fremden verstanden werden können.

Beispielhaft hierfür ist Dorns mehrdeutige Behauptung, "dass der Glaube ans Individuum und seine unveräußerlichen Rechte eben kein universeller, sondern ein kulturell tief verankerter und damit spezieller Glaube ist". ...

Es gibt einige Stellen in dem Buch, die den Eindruck erwecken, dass Dorns Vorhaben, den rechten Diskursen ihre Begriffe wegzunehmen, in die Nachahmung dieser Diskurse umschlägt. Das beginnt damit, dass die Autorin gegen die Wellnessmentalität und eine selbstverloren um die eigene Befindlichkeit kreisende Subjektivität eine heroische Opfer- und Todesbereitschaft empfiehlt, die "Ferien vom Ich" ermöglichen soll. Das setzt sich fort, wenn Dorn gegen die "unerträgliche Leichtigkeit des kosmopolitischen Seins" auf die Unverzichtbarkeit von "angestammten kulturellen Ressourcen" verweist und behauptet, nur "kulturell Verwurzelte" seien zu wirklich kreativen Leistungen in der Lage. Dorn übernimmt ohne jede Distanzierung das Stereotyp vom angeblichen "linksliberalen bis linken Mainstream" in den deutschen Medien.  ...

... So sehr Dorn den individualistischen Selbstverwirklichungsdiskurs der "Bobo-Kultur" als aufgeblasene Selbstbezogenheit kritisiert, so sehr ist das Buch selbst weithin in einem gefühligen Betroffenheitsstil geschrieben, der Argumente aufgrund ihrer emotionalen Wirkungen auf die eigene Person ins Recht setzt: Kriterium ist nicht, ob eine Auffassung vernünftig oder nachvollziehbar ist, sondern ob sie "sympathisch" ist oder ob der Autorin "nicht wohl" mit ihr ist. An die Stelle einer diskursiven Auseinandersetzung tritt häufiger Dorns Bericht davon, was sie "wütend" macht und was sie "traurig" stimmt, was ihr "die Tränen in die Augen" treibt und wobei es ihr "kalt den Rücken herunter" läuft.

Die Tonlage im zweiten Teil des Buches erinnert dagegen über weite Strecken an den staatsethischen Sound der geistig-moralischen Wende.  Schneidig wird abgefertigt, wer es jemals gewagt hat, deutschlandpolitische Ansichten links von Helmut Kohl zu äußern. Das Buch verfällt in einen merkwürdigen Ton, wenn Dorn mehr deutsches Selbstbewusstsein auf weltpolitischer Bühne einfordert, mit Karl-Heinz Bohrer die Provinzialität einer politischen Kultur beklagt, die den Ernstfall ausblende, und schließlich im Überschwang des Lobs soldatischer Tugenden eine grundsätzlich pazifistische Haltung als Feigheit denunziert.

Dorn möchte einerseits Bildungsbürgertum und Hochkultur, andererseits das Bekenntnis zur Nation als das Band verteidigen, das die Gesellschaft zusammenhält: Opernhäuser und Fußballnationalmannschaft. Die Verbindung beider Ideen bleibt aber prekär. Das Bestreben, den Nationalismus zu humanisieren, indem ihm ein Begriff des Kulturpatriotismus untergeschoben wird, der "weltbürgerliche Horizonte" eröffnet, schlägt um in die Nationalisierung des Bildungshumanismus, wonach "der Traum vom Weltbürgertum ein sehr deutscher ist".

... Der Bildungshumanismus wird in der Logik dieser Darstellung von inneren Widersprüchen entlastet. Seine Verstrickungen in die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte werden so als Geschichte des bloß äußerlichen Missbrauchs erzählbar.

Dabei ist es nicht so, dass Dorn diese Ambivalenzen nicht kennt. Sie spricht sie stellenweise sogar an. Aber sie wirbt für einen Begriff kollektiver Identität, der sich mit einem Ambivalenzbewusstsein nicht richtig verträgt. Von den Diskursen der Achtziger- und Neunzigerjahre um "nationale Identität" und die "selbstbewusste Nation" lässt Dorn sich nicht nur die dort verbreitete schräge Vorstellung von Gesellschaft als Subjekt im Großformat vorgeben, über das in Begriffen der Individualpsychologie gesprochen werden kann ("Alles, was Freud über die individuelle Psyche sagt, lässt sich auf die Psyche einer Gesellschaft übertragen"). Die Autorin lässt sich aus diesem Kontext auch das Bedürfnis nach ungebrochener Identifikation, nach einem von Selbstzweifeln entlasteten Traditionsbezug soufflieren. Was ihr "Plädoyer für ein deutsches Wir" bedeutet und was es heißt, "sich zu Deutschland zu bekennen", wird so auf gefährliche Weise uneindeutig.

QuoteMaryPoppinsky #10

"[E]s werde einem damit 'nicht warm ums Herz'." - Was für ein kruder Gemütskitsch.


Quoteunbenannt #10.1

Mir wird auch nicht bei Spielen der Fußballnationalmannschaft oder Andreas Gryphius warm ums Herz. ...


QuoteGelber Molch #1.8

"Meines Erachtens ist unsere Nation eben nicht mit sich selbst im Reinen."

Wer kann schon ehrlich behaupten, mit sich selbst im Reinen zu sein. Mit sich selbst ins Reine zu kommen, ist m.E. immer work in progress für jedes Individuum und erst recht für ein Kollektiv.

Die Frage ist doch, was uns diesem Ziel näher bringt. Mehr Patriotismus und Nationalstolz? Und was soll Patriotismus eigentlich genau bedeuten, wie soll er sich äußern?
Durch ,,Hochschätzung von Forstwirtschaft, Ordnungsliebe und Fußballfieber"? Das ist doch Pipifax. Durch Fackelmärsche oder Führeransprachen? Bitte nicht noch einmal.
Am Ende bleibt, glaube ich, doch ,,nur" der Verfassungspatriotismus. Auch wenn einem davon nicht ,,warm ums Herz" wird. Warum sollte es auch?



Quoteben n #45

Fussball wird hier erwähnt, was hat der jetzt damit zu tun? Geht es hier um den literarischen Wert der Biographie von Lothar Mathäus. Ist das die Literatur die hier gemeint ist? Und dann dieser ganze Heimatquatsch. ...


QuoteDallniker #51

Heimatlose Rumstreuner haben weder Nation noch Kultur. ...


QuoteDr. Ole De These #1.15

Wie soll eine Nation mit sich im Reinen sein, wenn sie im Namen ihrer Kultur allein im letzten zwei Weltkriege angezettelt und dabei schlimmste Verbrechen verübt hat? ... Ein Berufen auf universelle Prinzipien, wie es Frau Dorn versucht, ist dabei ein richtiger Weg, er ist auch Teil deutscher Kulturgeschichte der Neuzeit (Kant, Hegel, Marx), wobei bei den Deutschen - vielleicht gerade deshalb - letztendlich immer nur das "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" dabei heraus kam. ... Ist es nicht der Austausch von Kultur/Kulturen, der die Menschen am meisten bereichern kann? Dafür muss selbst aber eine Kultur besessen und gelebt werden. ...


Quotecontradore #1.25

"Ich meine gar keinen Nationalstolz im Sinne von "Deutschland über alles", sondern einfach die Freude an Errungenschaften, die wir hier haben und genießen."

kann man diese errungenschaften denn nicht auch einfach als wert-an-sich genießen und sich daran erfreuen - muß man deshalb schwarz-rot-goldene fähnchen schwenken, voller inbrunst die nationalhymne mitsingen (und wenn schon, dann hoffentlich die richtige strophe) und seinen "patriotismus" vor sich hertragen wie eine monstranz? [Eine Monstranz (lat. monstrare ,,zeigen") ist ein kostbares, mit Gold und oft auch mit Edelsteinen gestaltetes liturgisches Schaugerät mit einem Fensterbereich, in dem eine konsekrierte Hostie zur Verehrung und Anbetung feierlich gezeigt wird. ]

muß man sich künstlich den gestelzten begriff einer "kulturnation" an die brust heften (ohne hier hinterfragen zu wollen, ob das überhaupt noch zutrifft) - wo dieser doch geradezu impliziert, dass andere nationen kulturell tieferstehen, und dadurch einem ungesunden überlegenheitsgefühl raum schafft?

deutschland hat über fünfzig jahre lang extrem davon profitiert, sich zurückzunehmen, diesen (nebenbei durchgängig vorhandenen) patriotismus in grenzen zu halten und ihn eben nicht übertrieben nach außen zu tragen.


Quote
WeitOffeneGesellschaft #1.26

Es geht dabei nicht um Ausgrenzung anderer, sondern um das Erkennen des Wertes, den unsere Gesellschaft und unser Land für uns hat.

Und als Individuum können Sie diesen Wert nicht anerkennen? Dazu müssen Sie sich erst mal mit anderen - jedoch nicht allen! - zu einer "kulturellen Identität" vermatschen lassen? Und von wegen, so ein Kollektiv grenze nicht aus.

Denken wir doch mal praktisch! Was ist so ein Kulturdeutscher eigentlich? Wie viel deutsche (Kultur-)Geschichte muss er z.B. kennen, und welche? Vorsicht! Hier sind sie ganz schnell einen großen Prozentsatz heutiger Deutscher los!

Und wie deutsch oder nicht-deutsch macht es jemanden, wenn er a) Kant, b) Hegel, c) Hitler oder d) amerikanischen Death Metal mag? Gibt es da ein Punktesystem? Und wer legt das fest? Und was ist mit dem japanischen Germanisten?

Das Gelaber von kollektiver Identität ist bestenfalls sinnlos, wie aller Kollektivismus - Identität ist nämlich etwas individuelles, persönliches. Und schlimmstenfalls rechts - wenn man dann doch anfängt, Identität über Herkunft zu definieren.

So, wie Höcke es letztens dann schließlich wieder getan hat...



QuoteAnne van Yates #2

Ich finde es gut, dass es immer auch vernünftige Stimmen gibt, die sich der deutschen Selbstaufgabe entgegen stellen.


QuoteGordagar #2.18

Das ist Quatsch. Mein Freundes- und Bekanntenkreis ist sehr individuell und alle sind unterschiedlich, haben verschiedene Vorstellungen vom Leben, trotzdem ist man für sich da und hilft dem andern. Wir müssen dabei nicht die selbe Tracht tragen und die gleichen Lieder singen!



QuoteBalkonfürst #3.19

Der "typisch deutsche" Patriotismus, also im Sinne von Stolz auf diese Land, stolz als Deutscher geboren zu sein, wird wohl auch eher vom ganz rechten Rand abgefeiert. Was ich als Problem sehe ist, dass Menschen, die vll einfach nur stolz auf die westliche Lebensweise sind (Bsp. Frauenrechte, Ächtung von Rassismus usw.) und Angst haben, dass diese geschwächt wird, schnell mit den anderen in einen Topf geworfen werden. Gleichzeitig nähern sich Viele dieser auch mehr oder weniger bewusst dem Rand an.



QuoteVincentPeter #12

Eine der Knackpunkt Fragen der Zeit ist ja ob diese hier angesprochenen "Universalistischen Prinzipien" tatsächlich universell sind oder ob man Kulturrelativistisch an die Sache ran muss...


QuoteSimplicio #12.1

Wer sich auf Kulturrelativismus einlässt, der ist verloren.


QuoteMcBudaTea #20

Die Grundlagen der westlichen Gesellschaft ist doch gerade, dass jeder Mensch in erster Linie als Individuum betracht wird und nicht Teil eines Kollektivs. Sowohl Rechts- als auch Linksextremisten verneinen diesen Ansatz und durch eben diesen wurden die größten Gräueltaten des 20.Jahrhunderts legitimiert.


QuoteEinfreierBuerger #30

"Es gibt einige Stellen in dem Buch, die den Eindruck erwecken, dass Dorns Vorhaben, den rechten Diskursen ihre Begriffe wegzunehmen, in die Nachahmung dieser Diskurse umschlägt."

Das scheint mir des Pudels Kern zu sein. Dorn will die elementaren kulturellen Kernbestände JEDER Gesellschaft namens Familie - Heimat - Glauben vor den sich kosmopolitisch tarnenden Bilderstürmern von linksgrün verteidigen und gleichzeitig den "Kampf-gegen-Rechts" führen. Bei einer genaueren Analyse kommt sie aber an der Tatsache nicht vorbei, daß diese "Rechten" nichts anderes wollen als sie selbst. Sie kann also gar nicht anders als diese Begriffe verwenden und DENSELBEN Diskurs führen, den man bei Letztgenannten als untrügliches Zeichen für üblichen -ismen interpretiert und deswegen besinnungslos auf Parteien und Bürgerbewegungen wie AfD oder Pegida einschlägt. Das wiederum stößt dem Verfasser des Artikels auf, der in Dorn erkennbar keinen der "Rechten" vor sich hat, aber erkennt, daß hier jemand der "Eigenen" beginnt, in den ideologisch verhaßten Kategorien zu denken und zu schreiben.


QuoteMaryPoppinsky #30.2

Sie haben schon richtig erkannt, dass die braune Soße von AfD & Co. in Dorns Buch letztlich nur anders gewandet daherkommt.


QuoteBunsen #34

Kulturnationalismus klingt frappierend nach einer ähnlich klingenden schrägen These von einer Diktatur der Kunst von Jonathan Meese. Der übernahm, ganz ohne Unschärfen, auch weite Teile der Symbolik von Nazis und Rechten.


QuoteJohn70 #36

jedes volk hat ein kultur. vollig normal.


QuoteFrido Lehar #36.1

Nicht in Deutschland.


QuoteGladiola #38

Die Lehre aus dem 2. WK und auch der Nachkriegszeit war, dass man Nation möglichst klein schreiben und besser in Kollektiven Systemen wie NATO und EU unterschlüpfen sollte. Das war jahrzehntelang vom Ausland so gewollt und wurde mit Frieden und der Möglichkeit frei Handel zu treiben und dadurch Wohlstand aufzubauen belohnt.

Das hat sich aber seit dem Ende des kalten Krieges zunehmend gewandelt. Zum einen agiert die Bundesregierung innerhalb der EU teilweise wie eine Hegemonialmacht und stülpt die deutschen Wertvorstellungen anderen Nationen über, sei es in der Finanzpolitik (Austerität), sei es in der Migrationspolitik (open borders). Es gehört leider inzwischen auch zum "guten Ton" in deutschen Diskussionen, die ausgabefreudigen Südländer und die nationalbewussten Ostländer öffentlich zu schurigeln.
Zu anderen wird der über Jahrzehnte gewährte Welpenschutz auch langsam aufgehoben, und NATO/USA verlangen, dass D seiner wirtschaftlichen Potenz entsprechend auch sicherheitspolitisch Verantwortung übernimmt.

Die linken Abwehrreflexe gegen alles, was mit den Begriffen Nation, Volk, Militär, Machtprojektion etc. zusammenhängt mögen 1968 zeitgemäß gewesen sein. Heute sind sie gestrig und erschweren eine den aktuellen Gegebenheiten der Welt angemessene Diskussion.


Quotelyriost #39

Der alte Adorno ist mir sympathischer als epigonale Dorn'sche Möchtegernerei.


QuoteNightrider #40

Ich kann mich ganz ausgezeichnet mit der deutschen Kultur identifizieren, aber Patriotismus ist für mich keine Kategorie. Habe ich nicht, brauche ich nicht, vermisse ich nicht. Ich fühle deshalb aber nicht "unbehaust". Die nötige Nestwärme sucht man besser woanders. Von mir aus in der Heimat, aber gewiss nicht in der Nation.

Die Verbindung von Kultur und Patriotismus hat sich überlebt. Außerdem war sie in der deutschen Geschichte nicht nur der "fruchtbartste Mythos", sondern auch ein sehr problematischer.


Quotelyriost #56

Das ist doch im Kern nichts weiter als der alte Gegensatz von Zivilisation und Kultur aus den "Betrachtungen eines Unpolitischen" von Thomas Mann Anfang des letzten Jahrhunderts, nur neumodisch aufgewärmt.


Quotecasinoservice #74

,,In essayistischen Abhandlungen schreibt sie über die Furcht vor einem kulturellen Identitätsverlust und die Sorge um die Kultiviertheit des Landes. "

Vielleicht mal die Chinesen fragen, was die von der Kulturnation Deutschland halten. Habe mich mal 3 Stunden mit dem ehemaligen Chefredakteur des Goethe Instituts Peking darüber unterhalten. Während des Gesprächs musste ich mehrfach wirklich staunen: Die Chinesen haben davon scheinbar mehr Ahnung als die Deutschen.


Quote
MaryPoppinsky #75

Was Reiß gut herausarbeitet, ist der Grundwiderspruch zwischen Individualismus, den Dorn angeblich proklamiert, und kollektivistischer Zwangsjacke, in den sie ihn zu stecken versucht. Die zweifelsohne neoliberale Autorin hat jedoch das Wesen des Individualismus nicht verstanden. Sein Kern besteht in voluntaristischer Assoziation. Da gibt's keine Zwangsloyalitäten gegenüber wie auch immer gearteten Kollektiven, auch nicht gegenüber einer herbeiphantasmagorierten Kulturnation. Denn jedes Individuum pickt sich schließlich ganz individuell heraus, was es für schätzenswert hält, und schätzt diejenigen wert, die es für schätzenswert hält. Die kulturnationalistische Zwangskollektivierung ist hingegen nichts weiter als eine Form autoritaristischer Willkür. Warum soll ich die Stücke und Sonette Shakespeares nicht höher schätzen als die von Goethe oder Gryphius? Warum soll ich die kruden Machwerke Brekers höher schätzen als ostafrikanische Skulpturen oder den sozialistischen DDR-Realismus mehr als südamerikanischen Surrealismus, nordamerikanischen abstrakten Expressionismus oder japanische Nihonga? Warum sollte ich den Kitsch eines Händel der Wuchtigkeit eines Schostakowitsch vorziehen? Oder deutschen Fußball US-amerikanischem Basketball oder indonesischem Badminton? Warum sollte ich dem Nazi von gegenüber mehr Respekt oder gar Zuneigung entgegenbringen als FreundInnen aus Tansania oder Indien? ...


...


Aus: "Patriotismus als Gegenzauber" Tim Reiß (22. Mai 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2018-05/thea-dorn-patriotismus-deutsche-kultur-rechte-buch/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ab 1. Juni muss im Eingangsbereich jeder bayerischen Behörde ein Kreuz hängen. AfD-Anhänger jubeln ... Es ist nun amtlich: Ab dem 1. Juni muss in allen bayerischen Behörden ein Kreuz hängen. Diese Woche wurde die entsprechende Regelung ("Kreuzerlass") im bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht. "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen", heißt es dort. Wie viele Hausmeister oder gar Hausherren persönlich am 1. Juni auf eine Leiter steigen, um das Kreuz an die Wand zu nageln, ist aber unklar. Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums gibt es 1.100 staatliche Hauptdienststellen. Bisher schrieb die Staatsregierung Kreuze nur für Klassenzimmer der bayerischen Schulen und Gerichtssäle vor. In Behörden konnten sie aufgehängt werden, es war

... in kleineren Gemeinden kommt das Kreuz in der Amtsstube viel besser an als in Städten.  ...  Generalsekretär Markus Blume [bezeichnet] die Kritiker des Kreuzerlasses als "unheilige Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern". Damit sind wohl auch jene Regensburger Studenten gemeint, die eine Onlinepetition gegen den Kreuzzwang gestartet haben und die strikte Trennung staatlicher und religiöser Anliegen fordern.  ...  Während der Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio keine Verfassungswidrigkeit sieht und auf fehlende Indoktrination verweist, erwartet der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier eine Verfassungsklage. Denn: "Das Neutralitätsgebot fordert vom Staat, sich gerade nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zu identifizieren." (Birgit Baumann aus Berlin, 24.5.2018)

Quote753

politisch verordnete rückkehr in die selbst verschuldete unmündigkeit. ...


QuoteFliegerbrille

Ich finde das gut. Gerade bei uns in den kleinen Landgemeinden ist das Pfarrleben vom Gemeindeleben de facto nicht zu unterscheiden. Die örtliche Pfarre nimmt in Kindergarten, Schule, aber zB auch bei der Musikkapelle und den Feuerwehren einen ganz großen Stellenwert ein. Daher ist es zu begrüßen dass die Bayern dies auch öffentlich zeigen. Grundsätzlich sind uns die Ober-und Niederbayern kulturell weit näher als die Menschen im Osten unseres Landes.


Quotegaliontariaho

"Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion."

Auffallend also, dass dieser Erlass mit einer Lüge eingeführt werden soll, die dann im selben Atemzug auch als solche entlarvt wird. Es geht ja auch in der Begründung der rechtsaußen-Politiker darum, dass es um das Kreuz als christliches Symbol geht, das die "kulturelle Identität christlich-abendländischer Prägung" darstellt...

Verlogenheit als Basis für einen Relgions-Erlass, der die christlichne Werte, die eigentlich "Lüge" als Sünde verdammt, hochleben lassen soll.

Ja irgendwie ist das schon mächtig schizophren.


Quotethe_rooster

Wie es Gunkl so schön formuliert hat:

"Und auf einmal steht da ein Behauptungskatalog aus dem Frühmittelalter im Raum, mit allem was das Mittelalter so unerfreulich macht - Handabhacken, Auspeitschung, Steinigung, Familienehre durch Jungfräulichkeit - und alles was uns einfällt ist, dass wir dem einen Behauptungskatalog aus der Bronzezeit gegenüberstellen, mit einem Anhang aus dem Altertum. [...] Das ist unsere Antwort. Peinlich. 200 Jahre Aufklärung werden über Bord geworfen und was wir einer Wüstenreligion gegenüberstellen ist eine andere Wüstenreligion und nicht das womit wir diese Wüstenreligion überwunden haben."

"GUNKL über Wüsten-Religionen, Wissen, Respekt und Kränkungen" (Am 29.08.2013 veröffentlicht)
Der Kabarettist Günther ,,Gunkl" Paal über Gott, Glauben, Aufklärung, Religionen des Friedens, Frauenrechte und Respekt. Ein komprimierter Angriff gegen Religionen und dem Umgang damit. Ausschnitt aus dem Programm "Die großen Kränkungen der Menschheit auch schon nicht leicht"
https://www.youtube.com/watch?v=EKQVsHwOGII&t=211s


...


Aus: "Kruzifixerlass sorgt in Bayern für Unruhe" Birgit Baumann aus Berlin (24. Mai 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000080263707/Kruzifixerlass-sorgt-in-Bayern-fuer-Unruhe

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Dänemark darf man sein Gesicht von August an in der Öffentlichkeit nicht mehr verhüllen. Das am Donnerstag vom Parlament beschlossene Verbot soll vor allem gegen Gesichtsschleier wie Burka und Nikab wirken, bezieht aber auch Hüte, Mützen, Schals, Masken, Helme und künstliche Bärte ein, die das Gesicht stark verdecken. Weiter erlaubt ist es allerdings, sich an kalten Tagen den Schal weit ins Gesicht zu ziehen oder zu Karneval Masken zu tragen.

Beim ersten Verstoß gegen das Verhüllungsverbot droht eine Strafe vom umgerechnet 135 Euro. Wird man zum vierten Mal erwischt, kostet es rund 1350 Euro. Niemand werde gezwungen, die Burka auf der Straße abzunehmen, sondern lediglich nach Zahlung der Strafe aufgefordert, nach Hause zu gehen, hatte Justizminister Søren Pape Poulsen zuvor erklärt.

Dänemark ist nicht das einzige europäische Land mit einem Verhüllungsverbot. Als erstes führte 2011 Frankreich eine entsprechende Regelung ein. Auch in Österreich darf das Gesicht seit dem vergangenen Herbst nicht mehr verhüllt werden.(dpa, AFP)

QuoteEtepetete 14:24 Uhr

Jetzt gibt es also auch in Dänemark eine Schleierfahndung.


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Aus: "Dänemark verbietet Burka und Nikab in der Öffentlichkeit" (31,05.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/verschleierung-daenemark-verbietet-burka-und-nikab-in-der-oeffentlichkeit/22629488.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Von der SPD-Nachwuchsorganisation stammte [] der Antrag auf staatliche Förderung von feministischen Pornos, der am Sonnabend auf dem SPD-Parteitag beschlossen wurde. Künftig sollen demnach solche pornografischen Inhalte auch über die Mediatheken von ARD und ZDF verfügbar sein.

,,Brauchen wir das?", fragt hingegen Katrin Vogel, Gleichstellungsbeauftragte der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Sie hält die Politisierung des Themas für unangebracht.

Grüne und Linke wollten sich auf Anfrage noch nicht zu dem Thema äußern.

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QuoteZimbo 07:46 Uhr

Unisextoiletten und Feministenpornos...da sage noch einer wir hätten keine Leitkultur!


Quotevigilate_bln 07:19 Uhr

    beschließt die SPD eine Filmförderung für feministische Pornofilme

Gehört dies zur Richtlinienkompetenz?


QuoteKorrekturfahne 04.06.2018, 21:05 Uhr

    Hier darf auch mal was schiefgehen, vor allem aber geht es gleichberechtigt zwischen den Geschlechtern zu, niemand wird herabwürdigend behandelt, ist in programmatischen Schriften zum feministischen Porno zu lesen...
    Künftig sollen demnach solche pornografischen Inhalte auch über die Mediatheken von ARD und ZDF verfügbar sein.


Endlich.
Staatliche Förderung für feministische Pornos. Längst überfällig und mal was anderes als immer nur das langweilige Gedöns von innerer Sicherheit, Wohnungsbau, Wirtschaft, Staatsfinanzen und Bildung.

... Am 14. Juni ist nächste Kultusministerkonferenz.
Eine gute Gelegenheit, dieses Anliegen von großer gesundheits- und gleichstellungspolitischer Relevanz für ganz Deutschland in die breite Bundespolitik zu tragen.

Schwierig vielleicht, weil der aktuelle Vorsitzende Holter zwar nominell Mitglied der Linkspartei ist, aber Ossi, alt, weiß und ein multiprivilegierter Mann.


QuoteXV71 04.06.2018, 20:31 Uhr

    Berliner SPD will feministische Pornos fördern

Endlich ist die Berliner SPD wieder wählbar. ...


Quotewpev 04.06.2018, 20:27 Uhr
Oh ja und unbedingt viele Pornos auf Steuerzahlerkosten herstellen. Nur nicht bedenken, und nicht davon ablenken lassen, das hier Schaden für Familien und junge Menschen entstehen kann. Dreck, Schund und Irrsinn müssen triumphieren ... danke SPD ...


Quoteschoeneberger 04.06.2018, 22:28 Uhr
Die meisten zugeknöpften Kommentator*innen hier werden es nicht glauben, aber feministische Pornos sind tatsächlich dazu da, wozu auch andere Pornos da sind: Sexueller Lustgewinn. Wenn man sich eben Sexualität nicht anders vorstellen kann als in einer Konstellation, in der nur die eine Seite Spaß oft auf Kosten der anderen hat und wenig im gegenseitigen Einverständnis geschieht, dann kann man sich auch nicht hineinfühlen in den Umstand, dass Sex auf Augenhöhe, egal ob Blümchensex oder BDSM, einfach viel besser und lustvoller ist, als alles andere. Es ist doch schon bemerkenswert, welches Bild von Sexualität man haben muss, wenn vorausgesetzt wird 'gleichrangig? Respektvoll? Kann ja nur lustlos und ungeil sein' - Sie müssen diese Filme nicht schauen, keiner muss es, aber ich es ist meiner Meinung nach voll OK, Steuergelder für die Förderung dieser Pornofilmsparte auszugeben. Denn Pornos gibt es so oder so, Jugendliche schauen sie in immer früheren Alter. Verhindern mit Verboten lässt sich das so gut wie gar nicht im heutigen digitalen Zeitalter, denn sie sind überall verfügbar. Aber dann ist es doch eine Überlegung und auch ein Handeln wert, ob wir mit unserer Knete das Angebot des Pornofilmmarktes so zu verändern versuchen, dass das Angebot ein besseres und respektvolleres Geschlechterbild vermittelt. Nehmen Sie die Situation zwölfjähige Jungs schauen sich auf dem Schulhof Pornos mit richtig frauenherabwürdigen Dialogen an. Mit welchem Bild von Sexualität wachsen diese Jungs auf? Wollen wir das? Nein. Ich glaube mit der Förderung feministischer Pornos wird ein guter Weg eingeschlagen.


Quotecoyote 04.06.2018, 20:24 Uhr

    Berliner SPD will feministische Pornos fördern

Das hätte ich eher von den Grünen erwartet. ...


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Aus: "Berliner SPD will feministische Pornos fördern" Milena Reinecke (04.06.201)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/landesparteitag-der-spd-berliner-spd-will-feministische-pornos-foerdern/22642192.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Oberste Gerichtshof der USA hat einem Bäcker Recht gegeben, der einem schwulen Paar aus religiösen Gründen keine Hochzeitstorte backen wollte.


Aus: "US-Bäcker darf Schwulen Hochzeitstorte verweigern" (04.06.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/oberster-gerichtshof-us-baecker-darf-schwulen-hochzeitstorte-verweigern/22642668.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] "Für die illegalen Einwanderer ist das schöne Leben vorbei", tönt Italiens neuer Innenminister. Matteo Salvini ist zugleich Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, seine Umfragewerte schnellen empor und gegen ihn gibt es fortan kein Regierungshandeln Italiens mehr. In Wahrheit führt Salvini die neue Regierung in Rom. Und er führt sie stramm in eine Abschiebepolitik. "Die Party ist vorbei", kündigt er an, Italien werde nicht länger "das Flüchtlingslager Europas" sein. Angela Merkels Politik habe versagt, sie habe Italien verraten und die EU sei morsch. Die Staaten Europas sollten endlich "ihren Job machen" und Europas Migrationspolitik radikal umkehren.

Seine Ansagen sind deutlich bis martialisch und eine Kampfansage insbesondere an die deutsche Bundeskanzlerin. Er werde dafür sorgen, dass sich das Geschäft der "Schlepper und Vize-Schlepper" nicht mehr lohnen werde. Mit den "Vize-Schleppern" meint Salvini die privaten Flüchtlingsretter im Mittelmeer. Mehr noch: Salvini will 500.000 Migranten, die sich illegal im Land aufhalten, "einen um den anderen zurückspedieren". Wer ihn nach seiner Radikalität fragt, bekommt zur Antwort, er verfolge keine "harte Linie" beim Thema Migration, sondern setze auf den "gesunden Menschenverstand".

Mit Matteo Salvini wird der Albtraum vieler Linker, Liberaler und auch Konservativer wahr. Er ist so kulturkämpferisch wie Ungarns Viktor Orbán, so radikalrhetorisch wie Frankreichs Marine Le Pen und so tabubrechend wie Alexander Gauland. Das Problem dabei: Salvini führt keine rechtsradikale Splitterbewegung, er führt die drittgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union.

Der neue starke Mann dürfte nun einen Alleingang Italiens in der Migrationspolitik starten. Über Twitter erklärt er bereits: "Entweder Europa hilft uns, unser Land zu sichern, oder wir wählen andere Methoden." Er hat schon im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Dublin-Abkommen ablehnt und neu verhandeln will. Der Vertrag sieht vor, dass Flüchtlinge in dem Land ihr Asylgesuch stellen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten - und das ist bei Bootsflüchtlingen meistens Italien. Salvini fordert statt des Dublin-Abkommens eine "obligatorische und automatische Umverteilung der Asylbewerber auf alle EU-Länder". Die Mittel für die Flüchtlingsbetreuung will er drastisch kürzen, die rund fünf Milliarden Euro, die Italien jährlich dafür ausgebe, seien "ein bisschen viel".

Er sieht illegalen Grenzübertritt grundsätzlich als kriminellen Akt an und spricht sich für die Wiedereinführung eines Straftatbestandes zur Bekämpfung illegaler Einwanderung aus. Im Juli 2013 kommentierte Salvini die Rede des Papstes auf Lampedusa damit, dass Franziskus nicht die "Globalisierung des Verbrecherischen" fördern solle. "Wer vor dem Krieg flüchtet, ist bei uns willkommen. Aber alle anderen sollten gar nicht losfahren - und wenn sie es trotzdem tun, dann müssen sie wissen, dass sie nicht in Italien bleiben können." Salvini will möglichst rasch in ganz Italien Abschiebezentren einrichten und Massenabschiebungen einleiten.

Auch wenn manches nach wüster Stimmungsmache klingt, warnen italienische Analysten davor, Salvini zu unterschätzen. Er sei kein rechtspopulistischer Sponti, er habe gewaltige parlamentarische Erfahrung und arbeite seit vielen Jahren als Berufspolitiker. Salvini war ein Studienabbrecher, der sich seit 1997 als Journalist versuchte, so als Redakteur beim Parteisender Radio Padania Libera, dem Sender der Lega Nord zur Propagierung eines "freien Padaniens", also einer Abspaltung des Nordens vom italienischen Süden. Hernach war er 20 Jahre Mitglied des Stadtrats von Mailand, 14 Jahre Abgeordneter im Europäischen Parlament, zwei Jahre Mitglied der italienischen Abgeordnetenkammer. Er hat sich die Führung der Lega Nord geschickt erkämpft und treibt nun den politischen Betrieb Roms vor sich her.

Salvini trat bereits als 17-Jähriger der Lega Nord bei und ließ sich als provinzieller Separatist beschimpfen und belächeln. Seine linken Lehrer provozierte er mit neo-konservativen Sprüchen, bis sie sich aufregten. Nach eigener Aussage empfinde er zeitlebens, "Lust dabei, von der etablierten Macht gefürchtet zu werden". Das motiviere ihn. Je mehr er kritisiert werde, desto stärker mache ihn das. Als man ihn als Populisten beschimpfte, ließ er sich ein T-Shirt drucken mit der Aufschrift: "Ich bin ein Populist".

Nicht nur in der Migrationsfrage dürfte Salvini Europa schockieren und neuer Held aller Rechtspopulisten werden. Er ist zugleich ein vehementer Gegner des Euro, den er als "kriminelle Währung" diffamiert. Außerdem will er eine Revision der Russland-Politik. Im vergangenen Jahr schloss er mit seiner Lega einen Kooperationspakt mit Wladimir Putins Partei "Einiges Russland". Nach einer Begegnung mit dem russischen Präsidenten schwärmte er: "Niemand hat mich je so beeindruckt. Seine Art, seine feste Stimme, sein Händedruck: All das zeigte mir, dass er ein echter Leader ist." Im Regierungsprogramm wird das Ende der Russlandsanktionen gefordert. Für Salvini ist die Abspaltung der Krim keine völkerrechtswidrige Invasion sondern die Folge eines "ganz normalen Referendums".

Eine einheitliche außenpolitische Linie der EU wird damit unmöglich. Salvini folgt klaren politischen Feindbildern - Islamisten, Wirtschaftsflüchtlinge, Banken, die EU und Deutschland stehen für alles Übel. Sein politisches Programm ist ebenso klar wie simpel wie brisant: rein mit Russland, raus mit den Flüchtlingen und raus aus dem Euro.

Quelle: n-tv.de


Aus: "Person der Woche: Matteo Salvini: Der neue Held der Rechtspopulisten" Wolfram Weimer (Dienstag, 05. Juni 2018)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Der-neue-Held-der-Rechtspopulisten-article20464583.html

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Quote[...] Rutte ... Niederländer ist Anführer einer Gruppe aus kleineren Staaten im Norden Europas, zu denen sich auch Irland gesellt hat und für die Kommentatoren schon viele Namen gefunden haben: "Rutte und die sieben Zwerge", die "hanseatische Liga", "Achter-Gang" oder die "Biertrinker" (im Gegensatz zu den "Weintrinkern" des Südens).

...


Aus: "Niederländischer Premier Rutte: Der ruhige Rebell aus dem Norden" Anna Giulia Fink (19. Juni 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000081809281/Niederlaendischer-Premier-Rutte-Der-ruhige-Rebell-aus-dem-Norden

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Quote[...] NZZ-Chefredaktor Eric Gujer hielt den folgenden Text als Rede an der Generalversammlung der AG für die Neue Zürcher Zeitung am 14. April 2018. Zur 150-jährigen Geschichte

Wir erleben eine extreme Polarisierung der Meinungen. Die Linke wittert überall Fremdenfeindlichkeit, die Rechte fühlt sich von Denkverboten umstellt. Wer das Falsche sagt, wird exkommuniziert. ...

Johannes R. Becher war ein Mann, der sich nicht beirren liess. Er war Kommunist, er lobhudelte Gedichte auf Stalin, verfasste den Text der DDR-Nationalhymne und wurde der erste Kulturminister des Arbeiter- und Bauernstaates. Ein dichtender Dogmatiker, selbstgewiss und unerschütterlich, wie gemacht für das 20. Jahrhundert mit seinen blutigen Ideologien, die umso «wahrer» wurden, je mehr Menschenleben sie forderten. Doch dann liess sich Becher beirren, wenigstens ein einziges Mal. Er schrieb das Gedicht «Der Turm von Babel», dessen letzte Strophe lautet:

«Das Wort wird zur Vokabel / Um sinnlos zu verhallen / Es wird der Turm zu Babel / Im Sturz zu nichts zerfallen».

Der biblische Turm stürzte bekanntlich nicht ein, er blieb nach der Sprachverwirrung einfach unvollendet. Bei Becher wurde der Turm jedoch zur Metapher des Zweifels an jeder Ideologie, die einen Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit erhebt.

Mir scheint, als lebten auch wir wieder in Zeiten einer Sprachverwirrung babylonischen Ausmasses. Die grossen Ideologien sind verhallt. Bechers Kommunismus ist untergegangen, der Kapitalismus wurde gezähmt durch den Wohlfahrtsstaat. Und doch herrscht eine Sprachverwirrung oder, um es präziser auszudrücken: eine extreme Polarisierung der Meinungen.

Die Linke wittert überall «rechtes» Gedankengut: Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, völkische Gesinnung. Die Rechte sieht Political Correctness mit Denk- und Sprechtabus am Werk; ferner «Gutmenschentum», das bedenkenlos die Grenzen öffnet und so eine Verdrängung oder mindestens Bedrängung der Einheimischen provoziert.

Schienen nach dem Fall der Berliner Mauer die Begriffe «rechts» und «links» an Bedeutung zu verlieren, bilden sich nun an den Rändern neue Lager. Sie haben mit dem traditionellen Rechts-links-Schema wenig zu tun, auch wenn wir sie der Einfachheit halber so nennen.

Wie alle Kulturkämpfe wird auch dieser besonders erbittert geführt. Beide Lager operieren mit autoritären Sprach-Codes und verlieren die Fähigkeit zur Differenzierung. Kritik ist nicht mehr Kritik, sondern «Bashing». Schreit die eine Seite «Lügenpresse», schallt es zurück: «Nazi». Wer das Falsche sagt, wird aus der Gemeinschaft der Demokraten exkommuniziert, und man verweigert jede Diskussion. So wird die pluralistische Gesellschaft nicht nur ein Stück weniger pluralistisch. In diesem Überbietungswettbewerb verkommt jedes Argument zur Beleidigung, Denunziation oder Stigmatisierung.

Man muss nicht den Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp zum Antidemokraten erklären, nur weil er über die Grenzen der Willkommenskultur nachdenkt. Aber man sollte auch nicht den Untergang des Abendlandes heraufziehen sehen, nur weil eine Doktorandin der Universität Basel fordert, sogenannten «Rechten» den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu verwehren.

Exkommunikation und Exorzismus überlassen wir besser der Kirche, beides hat im republikanischen Diskurs nichts verloren. Auf diese Weise degeneriert die demokratische Debatte nämlich zum Glaubenskrieg, in dem jeder den anderen durch Lautstärke zu übertrumpfen versucht. Das Wort wird zur Vokabel, um sinnlos zu verhallen.

Warum es so weit gekommen ist, möchte ich mit drei Stichworten beleuchten. Sie lauten Globalisierung, Identität und Individualismus. Die üblichen Hauptverdächtigen – die digitale Filterblase und den neuen Beelzebub Mark Zuckerberg – klammere ich aus, weil das Internet den Effekt zwar verstärkt, hierfür aber nicht ursächlich ist.

Zur Globalisierung: Von 1988 bis 2008 hat die Mittelklasse in den asiatischen Schwellenländern, besonders in China, am meisten Wohlstand hinzugewonnen. Gut ging es auch den Wohlhabenden in der westlichen Welt. Die Einkommen der unteren Mittelklasse im Westen stagnierten hingegen. Die Mittelklasse ist die Verliererin der Globalisierung, auch wenn sich dieser Trend in einigen Ländern wie der Schweiz nicht beobachten lässt. Trumps Wähler aus der Arbeiterschaft fühlen sich zu Recht als Endmoräne der Industrialisierung.

Die globalisierte Welt stellt zugleich den Nationalstaat infrage, weil Kompetenzen an supranationale Körperschaften delegiert werden. Diese Zusammenschlüsse können vieles besser steuern als nationale Behörden, weil es zu spät ist für eine vorausschauende Politik, wenn afrikanische Migranten bei Chiasso gestrandet sind. Die Regulierung der Zuwanderung findet besser an der Aussengrenze Europas statt. So weit die Theorie, doch in der Praxis erleben die Bürger auch, wie sich das System durch mangelnden Informationsaustausch und nationale Egoismen schachmatt setzt.

Kein Wunder also, dass nicht nur die untere Mittelklasse die Globalisierung als Bedrohung ansieht. Mit ihr werden die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, Billigkonkurrenz und eine Zunahme der Einwanderung in Verbindung gebracht – kurzum das Verschwinden des Schutzraums, wie ihn der souveräne Nationalstaat einstmals markiert hat.

Damit einher geht das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Land zu verlieren. Nicht umsonst lautete das Motto der Brexit-Kampagne: «Take back control.» Rechtspopulisten haben das einst linke Thema Globalisierungskritik gekapert und gewinnen damit Wahlen. Die Gegenseite fühlt sich vom konservativen Zeitgeist provoziert und reagiert darauf mit Abwehrreflexen. So schaukelt man sich gegenseitig hoch.

Die Globalisierungsgegner befürchten nicht nur ein Fremdwerden im eigenen Land, sondern ebenso materielle Konkurrenz. In Wohlfahrtsstaaten bedeutet die Zuwanderung von niedrigqualifizierten Personen ohne Sprachkenntnisse eine längere Unterstützung durch die öffentliche Hand.

Die Wohlhabenderen mögen davon nicht viel verspüren. Alle anderen, für die staatliche Transferleistungen einen Teil des Lebensunterhalts bilden, sind sich des Wettbewerbs sehr wohl bewusst. Kommen dann noch Identität und Religion hinzu, ergibt dies einen explosiven Cocktail.

Der Soziologe Didier Eribon hat das am Beispiel seines eigenen Elternhauses, einer Arbeiterfamilie, beschrieben. Erst beklagten die französischen Arbeiter die Konkurrenz durch nordafrikanische Einwanderer am Arbeitsplatz, danach verdrängten die muslimischen Migranten die Einheimischen aus ihren angestammten Wohnquartieren. Spätestens dann schimpften die Arbeiter über die Islamisierung Frankreichs und wählten den Front national.

Dass die Eliten in Politik und Medien solche Zusammenhänge zunächst zu leugnen pflegen, verursacht zusätzliche Erbitterung. Diese löst sich irgendwann von der Migrationsfrage und mündet in eine allgemeine Elitenkritik – und zwar nicht wie 1968 von links, sondern von rechts. Die Meinungseliten, und das ist die Ironie dabei, die früher selbst die Systemfrage stellten und mit Jürgen Habermas die «Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus» beschworen, sehen sich nun ihrerseits durch Systemkritik herausgefordert.

Die Zurückweisung des Fremden, die Ablehnung der Institutionen und die Rückbesinnung auf eine verklärte Vergangenheit formieren sich zu einem veritablen Gegenmodell zu «1968».

Diese Bewegung ist weniger sprachgewaltig, ihre Protagonisten sind eher angegraute Wutbürger als aufrührerische Studenten. Aber sie formuliert genauso eine Unzufriedenheit wie jene vor fünfzig Jahren. Die Achtundsechziger verstanden sich als Revolutionäre, und jede Revolution gebiert nun einmal ihre Gegenrevolution.

Daher die wütende Kritik an Political Correctness und Denkverboten: In der Gegenrevolution geht es stets darum, die kulturelle Hegemonie der Eliten mit ihren Sprechweisen und Gesten der Überlegenheit zu erschüttern. Jede Gegenkultur versteht sich als Guerilla der Worte und Begriffe: Was früher das «Establishment» war, ist heute die «Lügenpresse».

Viele Journalisten reagieren darauf in einer Weise, die ihre Glaubwürdigkeit unterminiert. Sie machen sich mit ihren Gegnern gemein, indem sie ebenfalls mit Wortkeulen zuschlagen. Wenn sie nur lang genug eine hysterische Stimmung anheizen, sind die Medien irgendwann tatsächlich keine Organe der Aufklärung mehr, sondern Vehikel der Verdummung und Vernebelung.

Kulturkampf kann nicht Sache einer liberalen Zeitung sein. Dem Mummenschanz der selbsternannten Revolutionäre und Gegenrevolutionäre begegnet man am besten mit einer gehörigen Portion Gelassenheit.  ...

Wie halten wir es mit der Identität? Das rechte Milieu hat Angst, seine Identität und den vertrauten gesellschaftlichen Zusammenhang, kurz: die Heimat, zu verlieren. Das linke Milieu erhebt den Anspruch auf eine Identität, mit der es sich selbst vom Rest der Gesellschaft abgrenzt. So wurde in den USA aus dem eingängigen Kürzel LGB für Lesben, Schwule und Bisexuelle der Zungenbrecher LGBTQQIAAP, um jeder geschlechtlichen Identität gerecht zu werden. Das Akronym bedeutet Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Questioning, Intersex, Asexual, Allies und Pansexual.

Lautete die Lieblingsvokabel der Linken früher Inklusion, also die Einbeziehung aller Benachteiligten in die Gesellschaft, so geht es heute um selbstbestimmte Exklusion: Man will in seiner Differenz anerkannt werden. Jeder will anders sein, und das ist das Gegenteil von Gesellschaft, denn diese lebt vom Gemeinsinn.

Die neue Lifestyle-Linke versteht sich nicht mehr als Anwalt der Unterprivilegierten, denn diese haben für die luxurierende Identitätspolitik des akademischen Überbaus wenig übrig. Lieber mokiert sich die Linke über die Rückständigkeit dieser Bevölkerungsschicht. Hillary Clinton nannte sie «deplorables», also Bemitleidenswerte.

Kein Wunder, dass in den USA, Italien, Deutschland oder Frankreich Mitte-links-Parteien Niederlagen kassierten. Sie haben keinen Bezug mehr zur Lebenswirklichkeit ihrer früheren Stammwähler, die in der Fabrik arbeiten und ihre Männlichkeitsrituale pflegen. Sie richten sich lieber an den Hipster, der für eine NGO arbeitet und zur knöchellangen Hose farbige Socken trägt. Der Niedergang der traditionellen staatstragenden Linken hat den Aufstieg der Populisten aller Couleur wesentlich erleichtert.

Die Identitätspolitik von rechts arbeitet ebenfalls mit Exklusion, schliesst aber nicht sich selbst aus, sondern andere: Migranten, Muslime, Mexikaner – und alle anderen von Donald Trump benutzten Stereotype. Betonten die Präsidenten vor ihm das Gemeinsame des Schmelztiegels USA, unterstreicht Trump das Trennende.

Die in Yale lehrende Professorin Amy Chua spricht von «tribalism»: Linke und Rechte bilden Stämme, die den anderen und seine Argumente nur deshalb ablehnen, weil er zu einem anderen Stamm gehört. Verständigung ist so nicht mehr möglich. Das Wort wird zur Vokabel, um sinnlos zu verhallen.

Ging es früher um Gleichheit, geht es heute um Ungleichheit. Das Trendwort in Unternehmen und an Universitäten lautet Diversität. Je mehr Vertreter unterschiedlicher Gruppen eine Institution umfasst, umso besser. Das klingt positiv, nach Toleranz und Vielfalt, hat aber einen Haken. Es kommt weniger darauf an, was wir können, als darauf, wer wir sind. Schwierig wird es dann, wenn man sich in der Mitte der Normalverteilungskurve befindet, also nichts Besonderes ist: etwa der sprichwörtliche weisse Mann aus der Babyboomer-Generation. Gehört er der Unterschicht in den USA an, muss er erleben, dass Förderprogramme die Position anderer Gruppen am Arbeitsmarkt verbesserten, sich an seiner Lage jedoch nichts ändert.

Auch die Ostdeutschen machten die Erfahrung, dass ihr DDR-Leben in den Augen vieler Westdeutscher überflüssig war, während der Westen definiert, was «richtiges» Leben ist. Wer keine ausgeprägte Identität besitzt, fürchtet umso stärker deren Verlust. Viele Ostdeutsche und weisse Amerikaner wählen deshalb die AfD und Trump.

Das Ideal der Aufklärung lautet, dass wir alle gleich sind und unsere Besonderheiten gerade nicht unseren Wert als Bürger bestimmen. Je weiter wir uns von diesem Ideal entfernen, umso tiefer werden die Gräben, umso mehr sitzt jeder in seiner Stammes-Ecke. Menschen sind immer versucht, andere Menschen einzuteilen in wir und sie, Freund und Feind. Das entspricht unserer Natur als Hordenwesen. Doch wir sollten der Natur nicht zu fest nachgeben. Eine pluralistische Gesellschaft ist keine steinzeitliche Horde.

Damit wären wir beim Individualismus. Er hat im 20. Jahrhundert einen Siegeszug erlebt, im Westen herrscht geradezu ein Kult der Selbstverwirklichung. Der Einzelne hat sich aus den Zwängen der Grossgruppen befreit. Weder Sippe und Grossfamilie noch deren moderne Surrogate hemmen die Entfaltung der Individuen, und diese machen von ihrer Freiheit weidlich Gebrauch: Gewerkschaften und Kirchen kämpfen mit Mitgliederschwund, während Fitness-Studios florieren.

Seine Selbstermächtigung bezahlt der Einzelne allerdings teuer. Im Reich der grenzenlosen Freiheit findet er keinen Halt und keine Stütze mehr. Die fraglose Zugehörigkeit zu einer Institution bot Entlastung. Jetzt sind wir für alles selbst verantwortlich.

Nicht einmal mehr die Makroideologien, denen sich Johannes Becher verschrieb, stiften noch Sinn. Rechtspopulisten polemisieren gegen die Marktwirtschaft, Linkspopulisten plädieren für eine restriktive Einwanderungspolitik. Alles verschwimmt, und es entsteht das Gefühl, dass alles immer schlimmer wird: Kriege und Handelskriege, Populismus und Polarisierung – nichts davon ist wirklich neu, dennoch glauben wir, wir befänden uns auf einer schiefen Ebene.

Stattdessen boomen die Mikroideologien rund um Gesundheit und Ernährung. Jeder wird zur Ich-AG der Selbstertüchtigung. ... Konnte man früher Karl Marx einen guten Mann sein lassen, Marxismus oder Kapitalismus über einem Feierabendbier vergessen, ist das mit den Mikroideologien schon schwerer. Zeigt das Armband eine zu geringe Schrittzahl an, meldet sich das schlechte Gewissen. Bei jeder Scheibe Brot droht die «Weizen-Wampe», wie der Titel eines Ernährungsratgebers lautet, der den Lesern erklärt, «warum Weizen krank und dick macht».

Mit den Ich-zentrierten Mikroideologien kreisen wir um uns selbst. Orientierung finden wir so nicht, es entsteht eher ein Klima der Gereiztheit. Nebenbei löst sich der Kitt der Gesellschaft auf. Sie atomisiert sich in Kleinstgruppen, weil «jetzt auch die bekennenden katholischen Nichtschwimmer mit einem Interesse an Hirschgeweihen ihre geschlossene Facebook-Gruppe gründen», wie der Medienforscher Bernhard Pörksen in einem Interview mit der NZZ spöttelte. Jedem sein Hirschgeweih, jedem seine weizenarme Diät.

Für Liberale ist Kritik am Individualismus ein heikles Geschäft, weil sich der Liberalismus die freie Entfaltung des Individuums zum Ziel gesetzt hat. Dennoch müssen wir uns fragen, ob wir mit der Selbstverwirklichung nicht übers Ziel hinausgeschossen sind und uns zu wenig dafür interessieren, was Gesellschaften zusammenhält.

Liberale als die vernünftige Mitte tun gut daran, die Gräben nicht noch zu vertiefen: etwa den zwischen Stadt und Land. Während in den Zentren die fortschrittliche Avantgarde regiert (oder das, was sich dafür hält), haben in der Peripherie die Volksversteher und echten Schweizer das Sagen (oder die, die sich dafür halten). Unser Land besteht aus sehr unterschiedlichen Biotopen, aber am Ende ist es immer eine Schweiz. Folglich muss man Politik für das ganze Land machen und nicht nur für Klientelgruppen, ob urbane Schickeria im Kreis 4 oder Bauern im Toggenburg.

In diesem Kontext muss eine liberale Zeitung wie die NZZ einen klaren Standpunkt vertreten, aber zugleich der Debatte eine Plattform bieten. Denn ohne den Meinungsstreit, in dem man dem Gegenüber mit Respekt begegnet, verkümmert die öffentliche Sache, die Res publica.

Wir lassen uns deshalb nicht einschüchtern von autoritären Sprach-Codes, dem «Rechtsrutsch»- oder «Lügenpresse»-Geschrei, das besonders laut wird, wenn wir einer pointierten Stimme aus einem der beiden Lager das Wort geben.

Für die Bibel ist der Turmbau zu Babel die Metapher für eine Gesellschaft, die Gott herausfordert. Man kann das Gleichnis aber auch ins Positive wenden. Jede moderne Gesellschaft ist ein Turm, der sich immer weiter gen Himmel schraubt; ein Bau, der nie stillsteht, und eine fragile Konstruktion, wie alles, was Menschenhand hervorbringt. Wo die Bauarbeiten aufhören, endet die Weiterentwicklung, und der Verfall beginnt.

«Es wird der Turm zu Babel / Im Sturz zu nichts zerfallen.»

Nimmt die Sprachverwirrung überhand, verhalten wir uns wie Horden, die glauben, jede andere Horde habe prinzipiell unrecht, dann werden die westlichen Demokratien zwar nicht einstürzen, aber ihre Dynamik und Attraktivität verlieren. Die liberale Demokratie hat viele Gegner. Doch der einzige Gegner, der ihr wirklich etwas anhaben kann, sind wir selbst, wenn wir ihre Grundlagen zerstören.

Deshalb müssen wir den Turm gemeinsam weiterbauen. Wir müssen zur Verständigung über Gräben hinweg fähig bleiben und die polarisierenden Kräfte mit ihren Feindbildern in die Schranken weisen.


Aus: "Kommentar: Der eine schreit «Lügenpresse», der andere «Nazi»" Eric Gujer (18.4.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/der-eine-schreit-luegenpresse-der-andere-nazi-ld.1377703

Textaris(txt*bot)

#300
Quote[...] Evangelikale Christen sind nicht nur Gläubige, sie sind auch eine der mächtigsten gesellschaftlichen Bewegungen der Nachkriegszeit. Keine andere religiöse Gemeinschaft in Amerika hat wie sie nach politischem Einfluss gestrebt. Als Reaktion auf die kulturellen Gewitter der Sixties begannen vor allem weiße, konservative Menschen aus den wachsenden Vororten Amerikas sich politisch zu organisieren. Sie begriffen ihr politisches Engagement als einen antiliberalen Feldzug zur Rettung der Seele Amerikas. 1979 gründeten Jerry Falwell und Tim LaHaye die Moral Majority-Bewegung, andere Gruppierungen folgten und rollten mit ihrem Kampf für "Familienwerte" die amerikanische Politik auf.

Evangelical wurde zunehmend gleichbedeutend mit christian right, mit rechter Politik. Abtreibung, Homosexualität, Feminismus, Pornografie, Verhütung, die sexuelle und soziale Revolution der Sechzigerjahre kam seit den späten Siebzigern auf die Agenda der Wahlkämpfe. Evangelikale Prediger wie Billy Graham hatten nicht nur stets Zugang zu den amerikanischen Präsidenten, als Fernsehprediger hatten sie auch Zugang zu jedem amerikanischen Wohnzimmer. Zumindest Ronald Reagan und George W. Bush gaben konservativen Christen das Gefühl, einer von ihnen stehe an der Spitze des Staates.

Die Hinwendung der Evangelikalen zu Trump ist weniger selbstverständlich. "Die moralischen Überzeugungen vieler evangelikaler Führer sind nur noch geprägt von politischem Lagerdenken. Das ist nicht einmal mehr Leichtgläubigkeit; es ist die reine Korruptheit", schrieb etwa der konservative Politiker Michael Gerson in einem wütenden Essay für den Atlantic. Gerson wuchs selbst in einer evangelikalen Familie auf und hat lange für republikanische Regierungen gearbeitet. An den derzeitigen republikanischen Präsidenten hätten die evangelikalen Christen ihre Seele verkauft. Die Anführer der evangelikalen Bewegung seien geblendet vom Hass auf ihre politischen Gegner und sähen gar nicht mehr, welchen Schaden sie den Zielen zufügten, denen sie ihr Leben gewidmet hätten.

... Der linke Philosoph und Theologe Adam Kotsko, der selbst aus einem evangelikalen Umfeld stammt, erklärt die Doppelmoral vieler amerikanischer Christen mit ihrem verzweifelten Drang nach kultureller und politischer Anerkennung. Trump gebe ihnen das Gefühl, respektiert zu werden, und dass ein reicher, mächtiger Mann von außerhalb der evangelikalen Kultur ihre Forderungen ernst nehme, mache die Bindung zu ihm fast noch enger, sagt Kotsko. So konnte Trump gegen alle Wahrscheinlichkeit zur Führungsfigur des weißen, christlichen Amerikas werden, zum völligen Unverständnis aller Liberalen, die in ihm nur den obszönen, ganz und gar unchristlichen Unhold sehen. Für die einen ist er eine Heilsgestalt, für die anderen der Antichrist. Auch das spiegelt wieder, wie zerbrochen die amerikanische Öffentlichkeit ist. Mehr noch als andere Konservative haben die Evangelikalen eine dichte Blase, ja eine Parallelgesellschaft, geschaffen. Sie heiraten unter sich, schicken ihre Kinder auf gesonderte Schulen und Universitäten und haben ihre eigenen Medien, welche von Trump gezielt hofiert werden. Das Christian Broadcasting Network des Predigers Pat Robertson unterstützte Trump etwa bereits im Wahlkampf und bekommt seitdem immer wieder exklusive Interviews mit dem Präsidenten und hohen Regierungsmitgliedern.

Tatsächlich hat vieles, was man heute mit dem Phänomen Trump in Verbindung bringt, eine Vorgeschichte in der evangelikalen Kultur. Nicht erst Trump brachte den evangelikalen Christen bei, dass man von Medien und Eliten verbreiteten Fakten auch ignorieren kann, wenn sie die eigene Identität bedrohen: Fast 70 Prozent aller Evangelikalen leugnen schließlich die wissenschaftliche Evolutionstheorie. Seit Jahrzehnten gehört es zur Grundstimmung der christlichen Rechten, sich vom gesellschaftlichen Mainstream entfremdet zu fühlen. Auch deshalb kämpfen Evangelikale so sehr um politische Macht und fühlen sich trotz ihres Einflusses gleichzeitig so unterlegen wie bedroht: Weil sie fürchten, den Kampf um die Seele Amerikas endgültig zu verlieren. Der Anteil der weißen Christen in der Bevölkerung liegt nur noch bei 43 Prozent. Dass in der amerikanischen Bevölkerung etwa Homosexualität zunehmend nicht mehr geächtet wird, erscheint vielen von ihnen als ein Zeichen definitiver Dekadenz. Mit diesem Untergangsgefühl, das leicht in eine Wagenburgmentalität und heftigen Aggressionen gegen den politischen Gegner mündet, trat der Trumpismus in Resonanz.

... Nicht alle folgen deshalb der Erzählung des konservativen Autors Michael Gerson, derzufolge die evangelikale Bewegung erst kürzlich und aus Opportunismus von ihrem reinen Weg abgekommen sei. Für viele ist Trump schlicht der authentische Ausdruck der antintellektuellen, nationalistischen und autoritären Kultur des evangelikalen Amerikas, die von der Angst durchsetzt ist, bald nicht mehr in einer christlich-weiß geprägten Nation zu leben. Das legt etwa die Forschung der Professorin Janelle Wong von der Universität von Maryland nahe. Nach der Wahl im November 2016 versuchte sie herauszufinden, warum Evangelikale für Trump gestimmt hatten. 50 Prozent der von ihr befragten weißen Evangelikalen seien der Ansicht, dass Einwanderer der Wirtschaft schadeten, schrieb sie in der Washington Post. Als konservative Christen fühlten sie sich angegriffen, als Weiße diskriminiert.

Der strukturelle Rassismus in der Geschichte der USA, die Vorstellung, das tiefe Amerika beruhe auf einer protestantisch-weißen Kultur und müsse gegen weitere Einwanderung oder gesellschaftliche Durchmischung mit anderen Kulturen, Religionen oder Hautfarben geschützt werden, war häufig religiös gefärbt. So rekrutierte der Ku-Klux-Klan, als er nach dem Ersten Weltkrieg im Zeichen des Kreuzes zu einer gewaltbereiten Millionenbewegung anwuchs, seine Mitglieder fast ausschließlich aus der protestantischen Mittelschicht. Die Agitation des Klans richtete sich gegen Migranten, Feminismus und alle Nichtweißen, aber auch gegen Katholiken und Juden. Er tat es auf eine Weise, die frappierend an die Anti-Islam-Agitation von heute erinnert.

"Evangelikalismus ist eine sehr weiße Bewegung", sagt auch Adam Kotsko. Was die Evangelikalen heute mit Trump eine, sei "das Gefühl, dass Amerika bedroht und umlagert ist. Dies sei die letzte Chance, um noch das, was sie für die authentischen amerikanischen Werte halten, zu bewahren."

Ob irgendetwas die Unterstützung der weißen Evangelikalen für Trump erschüttern könnte, ist von mehr als nur akademischem Interessen. Mit dieser Wählergruppe stehen und fallen Trumps Chancen, die nächsten landesweiten Wahlen zu gewinnen. Viele einflussreiche evangelikale Christen hatten klargemacht, dass sie die systematische Trennung von Eltern und Kindern nicht unterstützen können. Und Trump lenkte ein: Am 20. Juni setzte er dieser polizeilichen Praxis ein Ende. Stattdessen sollen die Gesetze so angepasst werden, dass auch Kinder unbegrenzt lange in Haft gehalten werden können. An der Grenze werden jetzt Zeltlager gebaut, in denen die Familien gemeinsam inhaftiert werden sollen. So hat die Symbiose zwischen Präsident Trump und den evangelikalen Christen wohl auch diese Prüfung überstanden.

Quote
AgeofAquarius #2.6

@atech #2.1 : "Die Naivität... auf den Seiten derer, die ... den Religiösen nachlaufen."

Das Problem ist die Flachheit all dieser Debatten. Kaum einer auch der modernen Aufgeklärten bemerkt, wie sehr gerade auch die sekularisierten westlichen Gesellschaften weiterhin in der Tradition des monotheisch-manichäischen Denkens stehen.
Wer nicht religös ist, vergöttert irgendeine andere Heilsbotschaft und verteufelt irgendeine andere Gruppe, Ideologie oder was auch immer in dem Irrglauben, alles werde gut, wenn die Bösen, seinen es nun Rechte, Muslime, Trumpisten, Putinisten einmal ausgerottet sein werden.
Auch die reinen, guten Demokraten und Weltretter rüsten bis zu abwinken und sanktionieren, verbieten auf Teufel komm raus im Glauben, sie könnten die anderen niederringen.
In diesem Prozess werden "wir" "denen" immer ähnlicher, rechtfertigen dieselben Mittel, für die wir die anderen verurteilen,weil der Zweck die Mittel heiligt.
In diesem Denken sind sich Evangelikale, Stalinisten, Gutmenschen, Islamisten, Gläubige und Ungläubige gleich.
Ob sie Ihren Glauben Religion nennen und ihr Ideal Gott oder eben nicht, spielt keine Rolle.


QuoteVerbaler Spaltpilz #2.10

Es ist leider so. Der religiöse Wahn, wie auch andere radikale Ideologien, gleichen sich im Prinzip bis auf das i Tüpfelchen. Nur bei dem Ding an das man glaubt unterscheidet man sich, die Mechanismen dahinter sind gleich. Darum ist der Hass ja auch austauschbar.


QuoteMcBudaTea #2.19

... Ich glaube z.b. nicht, dass die meisten Nazis und deren Sympathisanten böse Menschen waren. Sie haben abscheuliche Dinge getan, weil sie gedacht haben, sie tun das richtige. Und da liegt der Kern der Sache: Basierend auf Glaube kann jede Aktion gerechtfertigt werden.


QuoteJubhf #21

Religion hat für mich immer so etwas befremdliches. Sie wirkt gestrig und auch überholt, da Bibel und Co. gegen Wissenschaft stehen und ziemlich vieles was drin steht wissenschaftlich widerlegt oder sehr fragwürdig ist: Sintflut, Existenz Moses, Schaffung der Arten statt Evolution, Existenz König Davids, der Hase als Wiederkäuer etc. - deswegen sollte Religion auch keinen Einfluss haben, es liest ja auch keiner die Märchen der Brüder Grimm und nimmt diese zum Anlass daraus Vorschriften und Verhaltensweisen zu entwickeln.
Interessant ist dagegen, dass die Christen in den USA eher rechts sind, während hierzulande vor allem die evangelische Kirche eher im linken Lager zu finden ist.


QuoteMirona-Thetin
#22  —  vor 4 Stunden 10

Einen der zentralen Aussagen des Artikles finden wir hier:
sie fürchten, den Kampf um die Seele Amerikas endgültig zu verlieren. Der Anteil der weißen Christen an der Bevölkerung liegt nur noch bei 43 Prozent. Dass in der amerikanischen Bevölkerung etwa Homosexualität zunehmend nicht mehr geächtet wird, erscheint vielen von ihnen als ein Zeichen definitiver Dekadenz. Mit diesem Untergangsgefühl, das leicht in eine Wagenburgmentalität und heftigen Aggressionen gegen den politischen Gegner mündet, trat der Trumpismus in Resonanz.

Sie werden den Kampf um die Seele Amerikas verlieren. Das, was wir erleben, sind religiös retardierende Momente. Und wenn es heißt:

Er (der Ku-Klux-Klan) tat es auf eine Weise, die frappierend an die Anti-Islam-Agitation von heute erinnert.

so muss man schmunzeln. Ersetzen wir einmal die Ku-Kluxer durch die "Grauen Wölfe", dann sieht man wohl noch bessere Parallelen. Denn die intellektuellen Probleme der Evangelikalen gleichen doch sehr den intellektuellen Problemen der Mohammedaner.


QuoteDieZeitKommentieren #23

Die Doppelmoral der Kirche. Religionen sind waren schon immer gut für Krieg, Tod, Verfolgung und zum Geld verdienen. Jüngst kommt dann noch reichlich sexueller Missbrauch dazu...


QuoteSomething_is_rotten #25

Dieser Artikel hinterlässt bei mir eine große Gelassenheit.
Jesus sagt: ,,Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen Verfolgung erleiden, denn ihnen wird das Himmelreich zuteil! Selig seid ihr, wenn man euch um meinetwillen schmäht und verfolgt und euch lügnerisch alles Böse nachredet! Freuet euch darüber und jubelt, denn euer Lohn ist groß im Himmel! Ebenso hat man ja auch die Propheten vor euch verfolgt." (Jesus in Matthäus Kapitel 5, Verse 10-11)

... Im Übrigen: "DIE Evangelikalen" gibt es ebenso wenig wie "DIE Muslime".


Quote
vonDü #25.9

"Dieser Artikel hinterlässt bei mir eine große Gelassenheit."

Bei mir auch, denn, sollte es einen Himmel geben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dort keine dieser selbstgerechten Heuchler zu treffen, die den Namen ihres Gottes missbrauchen, um andere zu verfolgen, zu schmähen und ihnen lügnerisch alles Böse nachreden.


Quoteatech #34.1

Religiöser Glaube ist nicht erblich. Moderne, naturwissenschaftliche Schulbildung ist ein wirksames Gegengift.
Das wissen die Religiösen weltweit allerdings auch. Donald Trump setzte Betsy deVos als Bildungsministerin für evangelikale Privatschulförderung ein, Präsident Erdogan hat die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan gestrichen...


Quote
Heimweh04 #34.2

Auch in den USA versuchen Kreationisten schon lange, die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan zu streichen.


Quotemounia #34.3

Wissenschaft und Religiösität schließen sich nicht aus.Viele Naturwissenschaftler glauben an einen Gott.


QuoteJimmy III. #34.4

Das nennt man kognitive Dissonanz. Das schliesst sich auf die gleiche Art "nicht aus" wie sich auch der beste Mathematiker mal verzählen , oder ein Fahrlehrer einen Unfall verschulden kann. Es ist ein Widerspruch, der auftritt weil nicht jeder seine Profession 24/7 im Kopf hat, oder sie auf alles anwendet. Es gibt keinen rationalen/wissenschaftlich vertretbaren Weg auf die Existenz eines Gottes bzw. gar einen oder mehrere spezifische Götter zu schliessen, und wenn ein Naturwissenschaftler heute die Existenz eines Gottes annimmt kann das nur darauf zurückzuführen sein, dass er Rationalität und wissenschaftliche Methodik/Logik bei dieser Annahme nicht angewandt hat.


QuoteSeemannsfrau #35

Deus vult !

Gott will es. Das hat schon vor unserer Zeit ganze Landstriche ins Chaos gestürzt.
Schauen wir mal, was noch alles auf uns zukommt.


Quoteder_pfälzer #36

Mir als bekennender Christ wird schlecht wenn ich dies lese. Das was die amerikanischen Evangelisten predigen hat nichts, aber auch gar nichts mit dem christlichen Glauben zu tun. Wenn ich - was ich per se meines evangelischen Glaubens nicht tue - an die Hölle glauben würde, wäre ich sicher dass diese Leute alle in der Hölle landen würden.


QuoteJimmy III. #36.3

Aha...nach welcher Methodik entscheiden sie denn was "christlich" ist, und was nicht?
Meiner Erfahrung nach ist die Logik immer die Selbe:
Was mir persönlich nicht passt ist unchristlich, und jeder der meiner Meinung ist ist christlich...


Quote
tobias.x #37

> "Man kann Trumps Regierung sicherlich als eine der christlichsten der jüngeren Geschichte bezeichnen."

Bitte schreiben Sie lieber:
"... als eine der Regierungen mit dem größten Einfluss sich christlich nennender Gruppierungen".

So wie im Text verwendet wird das Wort "christlich" komplett entwertet.

Schreibe ich als überzeugter Atheist, der aber die grundlegenden christlichen Werte in weiten Bereichen schätzt. Wenn sich die als Christen bezeichnenden Menschen nur mehr daran halten würden..


QuoteMatze 83 #39

"Gott wolle es so, das ist ein Argument, mit dem man in den USA Politik begründen kann."

Ein "Argument" mit dem man im Mittelalter auch schon die Kreuzzüge "begründet" hat. "Deus Vult"
Wenn eine Gesellschaft soweit ist das man ihr"Gottes Wille" als ausreichende Begründung für politische Entscheidungen verkaufen kann, kann man als Politiker alles machen, jede Grenze überschreiten (sprichwörtliche und reale) und jedes Verbrechen rechtfertigen.


QuoteKohlenträgersohn #42

Klasse Zeitartikel, wann findet der erste analytische untersuchende gegen den Islam statt oder traut man sich nicht ?


Quote
atech #42.1

what about...


QuoteMatze 83 #42.3

Ich hatte mich schon gefragt wann hier der Erste mit "Aber der Islam..." um die Ecke kommt. :)


QuoteSchnellerDrehmoment #43

Wer glaubt, dass der "liebe Gott" in diesem, sich immer weiter ausdehnenden, unfassbar großen Universum, ganz intensiv um kleine Erde kümmert und jeden Einzelnen von uns genau beobachtet, aufpasst, dass wir auch immer ordentlich beten, ganz nebenbei noch so Sachen wie die unbefleckte Empfängnis erfindet, natürlich alle Geschicke dieses Planeten genau vorher geplant hat, der glaubt auch, dass Fruchtzwerge gesund sind oder mit anderen Worten, dem ist auch nicht mehr zu helfen.


QuoteSchnellerDrehmoment #43.3

... und wenn jemand was gegen Religionen sagt, werden seine Beiträge zensiert, weil man ja religiöse Gefühle verletzt.
Warum werden die anderen nicht davor geschützt, dass man ihren gesunden Menschenverstand beleidigt.


QuoteMatze 83 #43.4

"Warum werden die anderen nicht davor geschützt, dass man ihren gesunden Menschenverstand beleidigt."

Weil diejenigen, die dem gesunden Menschenverstand statt irgendwelchen überkommenen Aberglauben anhängen erwachsen genug sind mit derartigen "Beleidigungen" umzugehen ohne einen Tobsuchtsanfall zu bekommen.

;)


Quoteheined #47

Eines Tages platzte einer meiner Schüler mit muslimischer Herkunft in mein Büro und fragte: "Nicht wahr, Gott ist doch nur ein grosser Schwindel?"
Ich überlegte und antwortete: "Ich unterrichte Mathematik und nicht Religion. Schule ist neutral in solchen Fragen. Aber es ist doch so, dass wenn ich eine Wurst auf den Tisch lege und dem Hund verbiete sie zu essen, wird er gehorchen, so lange ich da bin. Was aber passiert, wenn ich hinausgehe?"
Schüler: Er schnappt sich die Wurst."
"Eben," fuhr ich fort," ein Mensch aber gehorcht auch dann, wenn ich weg bin. Denn man hat ihm beigebracht, dass Gott alles sieht."


QuotePandoraner #48

Das Credo der Evangelikalen lautet: "Manchmal braucht man das Böse um das noch viel Bösere zu besiegen".
Der Spruch steht zwar nicht in der Bibel sondern stammt aus einem Science-Fiction-Film, dennoch bekämpft nun ein Trump die liberale weltoffene Gesellschaft, wird zur personifizierten Abrissbirne an Obamas politischen Reformen.
Ohne den hohen Anteil an ungebildeten US Bürgern wäre die evangelikale Bewegung undenkbar. Ein privatisiertes Bildungssystem soll nun die evangelikalen Wahrheiten fest im Bildungssystem verankern , dafür wird die Bildungsministerin De Vos schon sorgen.
Nicht etwa der Stand der Wissenschaft ist dann Maßstab für den Lehrplan sondern die Bibel  ...


Quotewilsieb #56

Liebe Deutschen, wähnt euch nicht sicher vor evangelikalen, fundamentalistischen Christen in Deutschland.

Einer meiner besten Freunde, inklusive der ganzen Familie, ist Mitglied in einer evangelikalen Freikirche. Das ist Gehirnwäsche pur, meiner Meinung nach. Pfadfinder-Vereine sind auch oft von evangelikalen Freikirchen (z.B. die Royal Rangers).
Mein Freund erzählt z.B. gerne was von Anzeichen für die Apokalypse. Bis vor kurzem hat er noch Theologie und Musik studiert, inzwischen hat er Theologie abgebrochen und ist auf Englisch gewechselt (gutes Zeichen!).
Er studiert im Raum Stuttgart - da gibt es leider viele Evangelikalen...

... Ach ja, zum Bibelkreis geht er übrigens auch.



Quotefreidenker80 #67

Ich finde es immer krass, wenn Leute meinen, den Willen eines übermenschlichen Wesens zu kennen. Jeder, der statt von Gott von anderen Fabelwesen wie Außerirdischen oder Kobolden faselt, ist reif für die Klapse. Aber wenn man sich einen Gott halluziniert und sich mit seinen Taten auf ihn beruft, wird das als normal akzeptiert.


QuoteErstmal -zurücklehnen #83

Das sind die christlichen Kirchen wie sie immer waren und bleiben. Die Kooperation mit den Nazis war es bei uns. Aktive Gegenwehr gegen "das Böse" schlechthin kam nur von einzelnen und sehr wenigen.
Heute salbadern sie bei uns wieder von Menschlichkeit. Aber jetzt wieder die Nagelprobe: Wo ist die klare Kante gegen das Verhalten von Seehofer und Co gegenüber dem Leid der Geflüchtete?

Sie politisieren und taktieren wieder. Klar meine Herren Kardinäle. ...


QuoteSaltatio #83.2

Es gab katholische Priester und evangelische Pfarrer, die sind in den KG der Nazis gestorben. In Dachau gab es zum Beispiel einen "Pfarrerblock". Bitte werfen Sie nicht alles in einen Topf.


QuoteMaryPoppinsky #88

Bildungsverachtung ist ebenfalls Teil des Problems:
"Most Republican voters believe that higher education is bad for the country."
"Republicans: College Is Ruining America"
"Republicans increasingly say colleges have negative impact on U.S. Republicans and Democrats offer starkly different assessments of the impact of several of the nation's leading institutions – including the news media, colleges and universities and churches and religious organizations – and in some cases, the gap in these views is significantly wider today than it was just a year ago. While a majority of the public (55%) continues to say that colleges and universities have a positive effect on the way things are going in the country these days, Republicans express increasingly negative views. A majority of Republicans and Republican-leaning independents (58%) now say that colleges and universities have a negative effect on the country, up from 45% last year. By contrast, most Democrats and Democratic leaners (72%) say colleges and universities have a positive effect, which is little changed from recent years."
-> https://www.youtube.com/watch?v=N22d_kqtYpA



QuoteSteve45 #90

Wie kann man sich Christ nennen und gegen alles Verstoßen was Jesus zu seinen Lebzeiten getan hat?
Man darf unabhängig vom Glauben auch eine historische Sicht darauf haben und dann wird einem auch klar, dass 99% der Christen eine Schande für Jesus wären.


QuoteFlimnap #90.1

Das ist eine der zentralen Aussagen des Christentums seit zweitausend Jahren. ...


Quoterena85 #97

Als bekennende Agnostikerin würde ich allen hier gerne mal ein Buch empfehlen.
John Niven "Gott bewahre" (Second Coming). Als Link eine kleine Rezension aus der TAZ:
http://www.taz.de/!5113730/ Viel Spaß! Und, seid lieb. ;-)



QuoteHartmann Ulrich #104

Die Unterstützung vieler Evangelikaler für Trump beweist, daß das, was sie für sich in Anspruch nehmen und was ihnen auch in diesem Artikel zugeschrieben wird, nämlich daß sie die Bibel wörtlich nehmen, in Wirklichkeit nicht zutrifft. Wenn man nämlich die Bibel wörtlich nimmt, und da ist es fast egal, welchen Teil, steht Trump fast durchweg für das Gegenteil. Demut, Wahrhaftigkeit, Friedenswille, Feindesliebe, Verzicht, Bußfertigkeit, Mäßigung... Nicht einmal seine Anhänger können ernsthaft behaupten, daß diese Werte, die in der Bibel hochgehalten werden, von Trump verkörpert werden. Daß sie ihn dennoch unterstützen, zeigt, daß es sich bei ihnen nicht um (wörtlich gemeint) christliche Fundamentalisten handelt, sondern um Nationalreligiöse.


QuoteO Quijano #105

Text und Kommentare überbieten sich ja an Spott und Verachtung über christliche Amerikaner. Keine Ahnung ob es begründet ist oder nicht, dafür kenne ich diese Amerikaner zu wenig.

Eines weis ich aber: diejenigen, die sich so höhnisch über Glauben und Religion anderer erhaben fühlen, sollten sich fragen, ob sie selber nicht in grotesker Verblendung den Balken im eigenen Auge, die Allgegenwart von Glauben in ihrem eigen Leben übersehen.

Man mache einen Versuch und ersetzte ,,USA" durch ,,Deutschland" und ,,Gott/Religion/christlich" beispielsweise durch ,,Europa". Voilá, man erhält das Bild einer Gesellschaft, die in identischem Ausmaß vom Glauben bestimmt ist wie die Gemeinschaft der gerade noch unflätig als hinterwäldlerisch und irrational beschimpften Evangelikalen in den USA:

,,Die Anwendung des Gesetzes sei gut und moralisch, so habe Europa es gewollt. Europa wolle es so, das ist ein Argument, mit dem man in den Deutschland Politik begründen kann. Wie sehr Europa und Politik in Deutschland verquickt sind, ...... In seiner Rede stellte der Bundespräsident fest: Deutschland ist eine europäische Nation. Ohne Europa würde die deutsche Gesellschaft zugrunde gehen: Wenn unsere Nation sich von Europa abwendet, ... usw ...usw...usw"


QuoteKay-Ner #105.1

Das einzige Unterschied ist halt: mit "europäisch" gibt es wenigstens einen Bezug zur realen Welt, den man überprüfen kann. Da kann man Thesen prüfen und lernen.
Mit dem Deus vult - Gott will es, ist diese art der Reflexion schlicht ein No go, also eine Sackgasse.


QuoteInXR #108

Pauschaler geht es nicht - solch ein Essay ist der "Zeit", die sonst so auf differenzierte Darstellung Wert legt, nicht würdig.
In Amerika steht "evangelical" für "evangelisch" und ist eine überkonfessionelle Bewegung, der auch ein Jimmy Carter angehört (nachzulesen bei Wikipedia "Evangelikalismus"). Dazu werden nur negative Attribute miteinander wild verknüpft und unter dem Strich kommen Trump-Mittelalter-Monster rüber. Dass unter diesen "Evangelikalen" auch Friedensaktivisten (z.B. Mennoniten) oder Ärzte (z.B. Mercy Ships) sind, die sich weltweit ehrenamtlich für die Ärmsten der Armen engagieren, wird bewusst weggelassen.
Solch ein Essay über DIE Atheisten geschrieben, die im 20. Jahrhundert mit Mao, Stalin, Hitler und Pol Pot über 100 Millionen Menschen abgeschlachtet haben, weil sie den Menschen und sich selbst damit in den Mittelpunkt des Universums gesetzt haben - oh, oh, da gäbe es einen Aufschrei. Zu Recht, denn natürlich ist nicht jeder Atheist ein Mao, Stalin, Hitler oder Pol Pot.
Genauso wenig wie "Evangelikale Christen" Trump-Mittelalter-Monster sind.
Von daher nur eine kleine Bitte, die aber dringlich: Differenzierter und weniger auf Beifall heischend! Denn Evangelikale abzuwatschen, da kann man sich dem Beifall in den Kommentarzeilen sicher sein.


QuotePaul Benjamin #109

Erwachsene Menschen mit unsichtbaren Freunden sollten von politischer Verantwortung ferngehalten werden.


QuoteHaschim Ibn Hakim #110

Religion war schon immer ein probates Mittel zur Unterdrückung und Verdummung. Glauben muss man, was die Herrschaften vorgeben, waren sie doch 'Herrscher von Gottes Gnaden'. Seinerzeit hat der Papst den Kaiser gekrönt. Heutzutage läuft es halt ein wenig anders, aber überall wo sich Herrscher (oder Regierende) auf Gott berufen, ist etwas faul, Iran, Saudi-Arabien, und nun auch auch die USA.
Wer nichts weiss , muss eben glauben. Wissen, Erkenntnisse, kritisches Denken sind verpönt. ...


...


Aus einem  Essay von Paul Simon "Weil Gott es will" (7. Juli 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2018-07/evangelikale-donald-trump-religioeser-fundamentalismus-usa-migration/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Ulrich Ingenlath #1

... In Sachsen erlebe ich - im Rahmen der politischen Bildung - seit einem Vierteljahrhundert, wie Druck auf Pädagogen ausgeübt wird, wie Schüler exkludiert werden, die nicht ins PISA und MINT-Konzept des Freistaates Sachsen passen. Das DDR-Erbe ist nur ein Teil des Problems in Sachsen und dort vor allem im ländlichen Raum. Die CDU Landesregierung unter Kultusministern wie Rößler, Flath und Kurth hat ein ziemlich autoritäres Sächsisches Schulsystem etabliert, welches Geisteswissenschaften systematisch benachteiligt hat und einen ˋ Untertanengeist´ - nicht nur in Klassen- und Lehrerzimmern - etabliert hat, der seit vielen Jahren überall in der Sächsischen Gesellschaft etabliert ist. Die Fremdenfeindlichkeit und Weltabgewandheit im ländlichen Raum ist ein Ergebnis von autoritärer und antidemokratischer Landespolitik, wie sie hier seit seeligen Kurt Biedenkopf-Zeiten betrieben wird. Sachsen hat den Bildungsbegriff zu Gunsten einer industriekompatiblen Minimalbildung verkümmern lassen. 40 Jahre DDR & 28 Jahre Sächs. Union haben Spuren hinterlassen.



QuoteStan_Smith #1.3

"Die Fremdenfeindlichkeit und Weltabgewandheit im ländlichen Raum ist ein Ergebnis von autoritärer und antidemokratischer Landespolitik, wie sie hier seit seeligen Kurt Biedenkopf-Zeiten betrieben wird."

Tut mir leid, aber das sehe ich anders. Schon alleine die Begriffe autoritär und antidemokratisch passen in Ihrer Beurteilung nicht wirklich zum Thema.
Wir sind nicht in Syrien, China oder in einem von diversen afrikanischen Staaten, bei denen die Wahlergebnisse schon vorher feststehen und man in einem Loch verschwindet, wenn man das ändern will. Doch genau das impliziert autoritär und antidemokratisch!
Das Nazis (Neonazis, nennen Sie es wie Sie es wollen) antidemokratisch sind, dass sollte jedem klar sein, aber es auf den Freistaat zu schieben, ist absoluter quatsch!
Natürlich hat der Osten das Naziproblem immer kleingeschwiegen (nur ein paar wenige, wir haben alles unter Kontrolle, nein, dass wäre nicht so schlimm ... usw) aber der Staat Sachsen ist nicht schuld an der Entstehung des Problems.
Nazis werden nicht geboren, Sie werden gemacht! Das hat fast immer etwas mit dem persönlichen Umfeld und der eigenen Bildung zu tun! Im Klartext, dass Problem liegt in der eigenen Familie. Da fängt der Mist nämlich an!  ...


Quote
Ressiw Resseb #1.5

"Sachsen hat den Bildungsbegriff zu Gunsten einer industriekompatiblen Minimalbildung verkümmern lassen."

Wirtschaft, Wirtschaft über alles.., nicht nur in Sachsen, das fällt uns jetzt vor die Füße.


QuoteNoG #1.7

"Auch in Bayern und Baden Württemberg verkommt die Allgemeinbildung zum Nebenfach."

Warum sollte eine Schule dafür verantwortlich sein den Schülern "Allgemeinbildung" beizubringen? Das können Eltern besser, sie müssen es nur tun.


QuoteTituz #1.8

Habe vor einiger Zeit mein Studium an einer sächsischen Hochschule fortgesetzt. Komme aus dem tiefsten Westen, bin aber vorurteilsfrei hergekommen.
Ich kann ihren Post leider nur bestätigen. Die gesamte Hochschule ist extrem verschult, Studenten werden oft wie Untertänige behandelt. Auf mich wirkt es oft, als kämen die jungen Erwachsenen nie auf die Idee Widerworte zu geben. Sie wirken dabei sehr leistungsorientiert.
Die Fixierung des Artikels auf den Osten finde ich dennoch unangebracht. Wer regelmäßig im Internet unterwegs ist, bekommt mit, wie Jugendliche ticken.
Ich habe festgestellt, dass Jugendliche immer mehr verrohen und eine immer aggressivere Grundhaltung ausstrahlen.
Grund dafür sehe ich (als großer Hip Hop Fan) bei ihren aktuellen Vorbildern: Rapper, die den Fokus in ihren Songs fast ausschließlich auf Gewalt (und Geld) lenken, dabei Asozialität und aggressives Auftreten vorleben und so in gewisser Weise salonfähig machen.
Wie soll ein Jugendlicher ein Auftreten falsch finden oder diskriminierende Aussagen gegen bestimmte Gruppen hinterfragen, wenn seine Idole damit so erfolgreich sind und diese Idole auch noch von Medien gehyped werden?

Die Frage stellt sich nicht nur im Osten.

Von Jugendlichen aus Bayern, NRW u.a. Bundesländern lese ich regelmäßig offen zugänglich Rassismus im Internet. Und Jugendliche mit Migrationshintergrund versprühen haufenweise Antisemitismus in sozialen Netzwerken.

Quellen kann ich liefern.


QuoteEusebius123 #1.10  + #1.11

"Sachsen hat den Bildungsbegriff zu Gunsten einer industriekompatiblen Minimalbildung verkümmern lassen. 40 Jahre DDR & 28 Jahre Sächs. Union haben Spuren hinterlassen."

Das diese Behauptung einfach Unsinn ist, zeigt die PISA-Studie. Sachsen ist Spitzenreiter.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2315/umfrage/pisa-e-studie---bundeslaender-ranking-in-den-naturwissenschaften/



"Die CDU Landesregierung unter Kultusministern wie Rößler, Flath und Kurth hat ein ziemlich autoritäres Sächsisches Schulsystem etabliert, welches Geisteswissenschaften systematisch benachteiligt hat und einen ˋ Untertanengeist´ - nicht nur in Klassen- und Lehrerzimmern - etabliert hat, der seit vielen Jahren überall in der Sächsischen Gesellschaft etabliert ist."

Geisteswissenschaften benachteilligt? Vielleicht eher Naturwissenschaften gestärkt. Sie sind in deutschen Schulen massiv überprortioniert. Sehen Sie sich die Studienanfänger doch mal an. Die Uni, an der ich Philologie studiert habe (um jetzt als Produktionshelfer zu arbeiten, weil in der Wirtschaft niemand gebraucht wird, der Versmaße erklären kann), erzeugt jedes Jahr (!) 1.500 Geisteswissenschaftler, womit man wohl den Arbeitskräftebedarf in sämtlichen Verlagen, Museen und Redaktionen dieses Landes für ca. 35 Jahre stillen kann.


QuoteZONLiebhaber #5

"Doch wie erzieht man zur Demokratie? Wie macht man Schülern glaubhaft, dass demokratiefeindliche Gedanken schaden, wenn man ihnen doch zugleich beibringen will, dass abweichende Meinungen den Wesenskern der Demokratie ausmachen?" Genau auf diese Fragen hat der Autor keine Antworten.


QuoteKorsnack #5.4

Demokratiefeindlichkeit ist aber keine abweichende Meinung. Sie versuchen eine Linie zu verschmieren, die deutlich genug ist.


QuoteOssilant #5.7

Rassismus ist keine Meinung.


QuoteDr. Econ #5.11

... Menschenfeindlichkeit und Totalitarismus führen irgendwann immer zu unsäglichem Leid, Entzivilisierung und Krieg. ...


Quoteder Eine Ring #8

"Jeder Dritte glaubt, dass die NS-Verbrechen in der Geschichtsschreibung "übertrieben" seien."
Sehr betrüblich, dass kaum mehr als sieben Jahrzehnte nach Ende des Dritten Reiches solches Denken existieren kann.
An mangelnden Möglichkeiten der Weiterbildung kann dies kaum liegen..


Quotepolylux #8.1

An welchen Widerstand gegen Nazideutschland wird denn im neuen Deutschland an stärksten erinnert? An das Hitlerattentat hoher Offiziere vom 20. Juli 1944. Vor diesen Offizieren habe ich hohen Respekt, allerdings waren sie auch an den deutschen Kriegsverbrechen beteiligt und durch ihren hohen Rang in besonderer Weise mitverantwortlich. Die Kriegswende datiert auf die Schlacht bei Stalingrad im Winter 1942/43, der deutsche Rückzug währte zum Zeitpunkt des Attentats also schon anderthalb Jahre.
Der Bruder meiner Großmutter sagte während seines Heimaturlaubs im Frühjahr 1944: "Wenn die Russen hierher kommen, und uns auch nur einen Bruchteil dessen antun, was wir ihnen angetan haben, dann gnade uns Gott!"...


QuoteLeserin40 #9

Ich denke, dass man egal in welcher Region von Kindheit an, eine Kultur des toleranten friedlichen Miteinander pflegen sollte.
Diese Erfahrungen fehlen aber in einigen Gegenden gänzlich. Der berühmte Blick über den Tellerand ist wenig möglich. Man sieht Fremdes als Bedrohung, kann nicht auf Erlebnisse mit ausländischen Mitbürgern zurückgreifen. Es fehlt an Erfahrungen im Umgang mit anderen Nationen. Sowas wie gemeinsame Ausflüge, zusammen Feiern müsste von Anfang an zum Alltag gehören.
Wenn Du als Kind mit Kindern fremdländischer Einwanderer gespielt hast und positive Erfahrungen gesammelt hast, haust du als 14 jähriger da nicht drauf.
Wenn Du aber Beachtung durch deutsche Parolen bekommst, fühlst Du dich bestärkt in deiner Richtung.


QuotePapst Gregor #9.2

Damit haben Sie wirklich zu 100% recht. Gelingender Kontakt ist wohl das beste Mittel gegen Vorurteile und Hass, auf beiden Seiten.

Die Kehrseite stimmt aber leider ebenso: Man lernt durch Kontakt eben mitunter auch die Seiten des anderen kennen, die man nicht als anziehend empfindet. Extremes Beispiel wären deutsche Jugendliche, die an Schulen mit einer Mehrheit von Schülern mit Migrationshintergrund gemobbt werden (gut, das wird jetzt in Sachsen sicher nicht vorkommen, aber das gibt es in Deutschland). Der Kontakt-Hypothese nach müssten ja gerade solche Schulen das friedliche Miteinander fördern - tun sie aber nicht, eher im Gegenteil.

Kontakt und Kennenlernen sind unverzichtbar, da gebe ich Ihnen nochmals ausdrücklich recht. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass dies ein Allheilmittel wäre und nicht auch in die andere Richtung losgehen kann.


Quote
Nest #11

"Wie in anderen ostdeutschen Bundesländern läge das vor allem an der Indoktrinierungserfahrung unter dem SED-Regime. "
Ich finde es ziemlich wohlfeil, das Versagen der politischen Bildung, nach nunmehr 28 Jahren CDU, noch dem SED-Regime anzulasten.


QuoteOssilant #11.1

Aber diese Lehrer unterrichten eben immer noch. Die haben Staatsbürgerkunde alle gehasst, aber unterrichtet. Und jetzt wird ihnen gefühlt wieder so etwas "aufgezwungen".
Es wird erst vorbei sein, wenn der letzte Lehrer der zu DDR Zeiten unterrichtet hat in Pension geht.


QuoteThoraalf #13

Ich selbst bin in der Stadt Chemnitz aufgewachsen und zur Schule gegangen. Auch Anfang der 00er Jahre gab es Nazis in meinem Gymnasium, einer "Schule ohne Rassismus". Es waren nicht diejenigen mit den damals noch szenetypischen Springerstiefeln. Nein, man hat sich "zum Spaß" mit Sieg Heil begrüßt oder bewusst provozierend Judenwitze gemacht, vielleicht eine Reaktion auf ein panisches und ängstliches Umfeld seitens der Lehrer. Warum ich das erzähle? Im Artikel ist von einem Rechtsruck die Rede, aber ich glaube nicht daran. Die rechten Einstellungen waren schon immer da.

Zum Punkt des DDR-Erbes und dem Rechtsradikalismus: Nach meinem Wissensstand ist dieser Zusammenhang gar nicht so sicher. Die Gelehrten streiten und wundern sich noch, da es in Osten und Westen quer durch die Regionen unterschiedliche Ausprägungen von rechtsradikalen Einstellungen gibt. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, z.B. dass die NPD direkt nach der Wende sich als Kümmerer im Osten etabliert und Strukturen aufgebaut hätte. Dass Landespolitik und Staatsschutz auf dem rechten Auge blind seien und damit rechte Umtriebe gefördert hätten. Ein Erstarken der AfD im Ruhrgebiet oder den Wahlerfolg Trumps erklärt das keineswegs. Es ist alles wahnsinnig komplex und es spielen wohl mehrere Faktoren zusammen. Viele Autoren verbrennen sich immer wieder die Finger dran, aber keiner dringt zum Kern des Problems vor. Ich denke, wir alle müssen uns endlich eingestehen: Wir kennen die Ursachen (noch) nicht.


QuoteKlostermann Hornissengeist
#13.2  —  vor 3 Stunden 2

Hinweise fänden sich aber z.B. hier:

"Deutsche Zustände" von Heitmeyer
Entsolidarisierung - Die neue Heitmeyer-Studie über deutsche Zustände
24. März 2010 von Torsten Arndt
https://www.boell.de/demokratie/demokratie-entsolidarisierung-heitmeyer-deutsche-zustaende-8883.html

Oder hier:

http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/214192/gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit

"Ablehnende und abwertende Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen [...] dienen statushöheren Gruppen letztlich dazu, die eigenen Privilegien abzusichern, [...], und statusniedrigen Gruppen dazu, ihre Position in Relation und Abgrenzung zu denen, die noch weiter unten stehen, zu erhöhen. Solche sozialen Hierarchien finden sich tief verankert in fast allen Kulturen.

[...] Vorurteile bieten vermeintliches Wissen über soziale Gruppen, das angeblich erklärt, warum die Mitglieder einiger Gruppen auf der sozialen Leiter weiter oben, andere weiter unten stehen, z.B. im Schulsystem erfolgreicher oder weniger erfolgreich sind.

[...] Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bietet zudem Kontrolle, [...] . So setzt etwa der Vorwurf einer "mangelnden Integrationsbereitschaft" eingewanderte Menschen unter ständigen Druck: Sie müssen ihre Integrationsbereitschaft ständig unter Beweis stellen, ohne dass ihnen gesagt wird, wann ihre Integration denn hinreichend gelungen sei. Die Abgrenzung zu den ,Anderen' bietet zugleich eine Stärkung des ,Wir-Gefühls", aus dem sich ein größerer Zusammenhalt und Vertrauen in der eigenen Gruppe speist. [...]"


Quoteheined #14

Schüler kommen bekanntlich nicht aus der Retorte, sondern haben Eltern.
Es ist eine Illusion, anzunehmen, dass Demokratie automatisch zu Menschlichkeit führt. Auch Kollektive können verrohen.


QuoteGelassener Bürger #14.1

Kollektive sind immer am anfälligsten für eine Verohung.


QuoteThavStrsty #15

Der Sachsenmonitor, eine offizielle und repräsentative Meinungsbefragung, stellt alljährlich fest, dass ein Großteil der Sachsen ein geschlossenes, rechtsextremistisches Weltbild hat. Ich kann nur empfehlen, die Ergebnisse der Befragung von 2017 zu lesen.


QuoteAnna2081995 #21

Die Eltern sind schuld
Die Politik ist schuld
Die Vergangenheit ist schuld
Etc.

Bin ich als Mensch nicht
für mich selbst verantwortlich
in meinen Denken Handeln ... ?

Wir sollten aufhören ein ÜberVerständnis für Täter aufzubringen.


QuoteAllgemeineGehirnBefriedigung #21.5

Ein Mensch lernt sein Leben lang von anderen und durch eigene Erfahrungen. Es ist immer ein Zusammenspiel mit der Gesellschaft.


Kommentare zu: "Wie erzieht man Demokraten?" Ralf Pauli (DIE ZEIT Nr. 30/2018, 19. Juli 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/2018/30/schule-demokratie-politik-bildung-rechtsruck-lehrer-gegenmittel

Textaris(txt*bot)

#302
Quote[...] Arthur F. Thurnau Professor, Karl W. Deutsch Collegiate Professor of Comparative Politics and German Studies, Professor of Political Science, Professor of Germanic Languages and Literatures, Professor of Sociology The University of Michigan, Ann Arbor --- gehalten am 5. Juni 2018 in Stuttgart auf Einladung des Deutschen Literaturarchiv Marbach in der Stiftung Geißstraße7

... Das Jahr 1968 war in den Vereinigten Staaten schon wegen der schieren Größe der Ereignisse zumindest genauso bedeutsam wie in Frankreich oder Deutschland, wenn nicht sogar noch bedeutsamer: Präsident Johnsons Ankündigung, nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren zu wollen, die Ermordung Martin Luther Kings, die Studentenunruhen an der Columbia-Universiäet, alles nur im April des Jahres (obwohl Praesident Johnsons Erklärung am 31. März stattfand); die Ermordung Robert ,,Bobby" Kennedys, die Strassenschlachten zwischen der Polizei und linken Demonstranten beim Parteitag der Demokraten in Chicago im August. ...

... Es gibt keine Helden. Selbst die good guys der Geschichte begehen gravierende Irrtümer, in moralischer Hinsicht wie im täglichen Leben. Ich kenne da keine Ausnahmen. Ich habe nie irgendwelche Achtundsechziger in den Himmel gehoben und werde das niemals tun. Ihre Fehler waren häufig zu häßlich für mich, wofür sie oft nichts konnten – das Leben ist eben so, unschön, manchmal schmutzig.

... Die Nöte weißer Arbeiter, die Woody Guthrie, ein Verfechter fortschrittlicher Politik, in Songs wie ,,Pastures of Plenty" oder ,,Hard Travelin" fuer Oklahoma oder den ,,Dust Bowl" (der arme, weiße, ausgebeutete Arbeiter aus der Prairie Oklahomas als Träger progressiver Politik) so eindringlich beschrieben hat, war das zentrale Anliegen linker Politik in den Vereinigten Staaten bis 1968. In der Nach-68-Ära wurde aus genau diesen Leuten Merle Haggards ,,Okie from Muskogee" (und inzwischen ist der genau gleiche aus Oklahoma stammende weiße Arbeiter zum Träger und Repräsentant der Reaktion schlechthin und der Red Necks und des White Trash, also zum Kern der Trumpanhänger mutiert), der ungebildete, konservative, nationalistische, Country-Musik liebende, die linke Elite hassende weiße Mann des mittleren Westens, der unerschütterliche Parteigänger Trumps.

Machen wir uns nichts vor: Die wichtigste Kluft, die Amerika von 1968 bis zum heutigen Tag durchzieht, ist in erster Linie kultureller, nicht ökonomischer Natur. Die Spaltung des Landes, zu Recht als der große ,,Kultur-Krieg" bezeichnet, hat sich seit 1968 stetig vertieft.

... ,,1968" warf ernsthaft die Frage auf, ob der westliche Fortschritt tatsächlich wünschenswert ist. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Männern und Frauen. Unsere Auffassung von Sexualität änderte sich. Neulich sah ich zufällig eine Folge von ,,Wheel of Fortune", eine durch und durch konventionelle, ungemein biedere und immer am Mainstream orientierte Gameshow im amerikanischen Fernsehen. Bei den Kandidaten handelte es sich um schwule, lesbische und transsexuelle Paare. Unglaublich!

Das victorianisch inspirierte Bild der idealen amerikanischen Familie, wie es TV-Shows von der Sorte ,,Leave it to Beaver" über Jahrzehnte popularisiert haben – der arbeitende Mann, die Hausfrau und Mutter, zwei Kinder, ein Vorstadt-Häuschen –, diese spiessbürgerliche Vorstellung ist vollständig verschwunden. Stattdessen gibt es Sendungen wie ,,Shameless" und unzählige andere, in denen eine Vielzahl familiärer Beziehungen vorgeführt werden, die sich entsprechend der sexuellen Neigungen und Geschlechterrollen von Folge zu Folge ändern. Ich finde es ausgesprochen bemerkenswert, wie schnell die amerikanische Öffentlichkeit diesen massiven sozialen Wandel akzeptiert hat.

,,1968" veränderte ebenso die victorianische Auffassung von Alter. In der Vor-68er-Zeit waren Kinder und Jugendliche gekleidet wie Erwachsene. Wie weit diese Gepflogenheit zurückreicht, zeigen die wunderbaren Brueghel-Gemälde im Wiener Kunsthistorischen Museum. Da sehen wir Kinder die einfach kleinen Erwachsenen gleichsehen. Das genaue Gegenteil geschah nach 1968: Selbst ältere Professoren kleiden sich seither wie ihre Studenten. Sehen Sie sich Bilder von Horkheimer und Adorno an, den Koryphäen des Frankfurter Instituts. In ihren gepflegten dunklen Anzügen und mit sorgfältig gebundenen Krawatten sehen sie aus wie gediegene Erwachsene, eigentlich wie Rechtsanwälte oder Spitzenmanager, aber keineswegs wie gegenwärtige Professoren in den Geistes- und Sozialwissenschaften. (Und Jura und Betriebswirtschaft und Medizin mag das schon anders sein). Meine Generation von Professoren hingegen liefert der Welt in Sachen Kleidung das Bild ergrauter Teenager. ,,1968" sorgte dafür, dass wir partout an der Jugendlichkeit und ihrer Kultur festhalten wollen. ,,Forever young", wie Bob Dylan singt.

,,1968" warf die ziemlich genau hundert Jahre währenden Lehren über den Haufen, die bestimmten, was es heißt, politisch links zu sein. Sie kennen alle die verschiedenen Glaubenssätze, auf die sich die alte Linke gründete und die sie von der neuen Linken unterschieden. Ich will mich darüber nicht weiter auslassen, sondern zu dem mit ,,1968" wichtigsten Wort meines Vortragstitels begeben: dem ,,Mitgefühl".

Ende der 1960er-Jahre, vielleicht nicht ganz genau 1968, aber doch nah genug dran, entwickelte sich in der fortgeschrittenen Welt der liberalen Demokratien ein breites Narrativ ueber das Mitgefühl. Dieser Diskurs ist meines Erachtens absolut demokratisch, weil er einen Prozess in Gang setzt, der Demokratie letztlich ausmacht: die über das allgemeine und gleiche Wahlrecht weit hinausgehende gesellschaftliche Einbeziehung vormals Ausgegrenzter. Dieser Demokratisierungsprozess ist für mich eine umfassende Bewegung mit dem Ziel, bis dahin ausgegrenzten sozialen Gruppen Würde, Authentizitaet und Respekt einzuräumen, die sie unbedingt verdienen. Voraussetzung dafür ist es, alte Fehler einzuräumen und für Schandtaten wahre Busse zu begehen, die von einer Gemeinschaft gegenüber einer anderen begangen wurden. Den was ich in meinen Arbeiten den ,,Discourse of Compassion" also den Diskurs der Reue nenne, hat mein Freund, der israelische Historiker und Columbia-Professor Elazar Barkan, in seinem brillanten Buch ,,The Guilt of Nations" ausführlich behandelt.
Wir erinnern uns alle an Willy Brandts Kniefall am Ehrenmal für die ermordeten Juden des Warschauer Ghettos im Dezember 1970. Weitere, nicht ganz so bekannte Beispiele, zunächst aus Grossbritannien: Die Entschädigung von 5.228 Kenianern, die von den britischen Machthabern während der Mau-Mau-Aufstands in den 1950er-Jahren brutal gefoltert und misshandelt worden waren. Oder der auf das Britische Museum ausgeübte Druck, die aus aller Welt zusammengetragenen Artefakte zurückzugeben. Deutsche Museen tun dies auch. Oder die Debatten an der Universitaet Oxford über die Cecil Rhodes-Statue. Ich könnte noch zig Beispiele aus Grossbritannien, aber auch äquivalente aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien u.a. liberal demokratischen Ländern aufzählen, wo es in den letzten 20 Jahren zu emphatischen Ausdrücken der kollektiven Reue für frühere Missetaten gegenüber anderen, in diesem Fall oft Bevölkerungen ehemaliger Kolonien, kam.

In den Vereinigten Staaten gab es 1993 die lang ueberfällige Entschuldigung von Präsident Bill Clinton für die Internierung japanisch-stämmiger Amerikaner in Lagern an der Westküste nach dem Überfall auf Pearl Harbor. Es folgte die von Präsident Barack Obama in Gesetzesform gegossene Entschuldigung von 2009 bei den amerikanischen Ureinwohnern. Der Ruf des Amerika-Entdeckers Christopher Columbus ist inzwischen ziemlich ramponiert, da seine Landung immer mehr als Beginn einer Tragödie denn als Aufbruch zu einem grossartigen neuen Staatswesen und einer neuen Gesellschaft gesehen wird. Namen für Sportmannschaften, die auf amerikanische Ureinwohner Bezug nehmen, sind nach und nach verschwunden – mit Ausnahme der in der National Football League aktiven ,,Washington Redskins", eine ungemein erniedrigende Bezeichnung. Dass ein Team mit einem solchen Namen ausgerechnet in unserer Hauptstadt angesiedelt ist, ist beschämend und unentschuldbar. In den Südstaaten gibt es überall Initiativen, die sich dafür einsetzen, Denkmäler von politischen und militärischen Führern der Konföderation, die den ehemals versklavten Schwarzen und deren Nachkommen immenses Leid zugefügt haben, zu zerstören oder zumindest aus der Öffentlichkeit zu entfernen. Und da ist nicht zuletzt die landesweit geführte appropriations-Diskussion (die kulturelle Aneignungsdiskussion), eine absolut entscheidende Debatte um die kulturelle Entmündigung bis heute marginalisierter Gruppen und Möglichkeiten und angemessene Formen der Wiedergutmachung. (Kurz erklärt: Man darf sich Gegenstände und kulturelle Gewohnheiten und Habitus ehedem unterdrückter Gruppen ohne deren vollem und explizitem Zugeständnis nicht aneignen.  Es geht vor allem um den Respekt, den man unterdrückten Gruppen schuldet. Und deren Authentizität, die man hochhalten muss.

Solche Debatten werden auch in Australien und Neuseeland geführt... Frauen sind die zivilisierende Kraft dieser Welt, und wir Männer handeln häufig entgegengesetzt. Nehmen wir jenen Terroristen, der Ende April mitten in Toronto sein Auto als toöliche Waffe gegen Frauen einsetzte und zehn auch tötete. Leider war er erfolgreich in seinem Vorhaben als Verfechter der sogenannten INCEL Bewegung – involuntary celibacy – Frauen für sein vermeintlich unfreiwilliges Zölibat zu bestrafen. Und Männerwut auf Frauen und die vermeintliche Feminisierung der Öffentlichkeit ist jedem halbwegs mit dem Internet vertrauten Beobachter längst bekannt.

Auf hunderten oder tausenden Internetseiten treffen wir eine offenen Frauenfeindlichkeit an, die bäengstigend ist. Diese Frauenfeindlichkeit ist eine männliche Reaktion auf die wachsenden Strömungen der Emanzipation und des Mitgefühls seit 1968, bei der sich konventionelle Männer übergangen und eigentlich gefährdet fühlen.
,,Die Zukunft ist weiblich." Dieser inzwischen weltbekannte Slogan stand ursprünglich auf einem T-Shirt, das für Labyris Books entworfen worden war, den ersten Frauenbuchladen in New York City, den 1972 die beiden Achtundsechzigerinnen Jane Lurie und Marizel Rios eröffneten.

Ob die Zukunft wirklich weiblich sein wird, weiss ich nicht. Aber vieles spricht dafür, dass die Politik des Mitgefühls irreversibel ist. Sicher wird es Rückschlaege geben, wie das bei allen positiven Veränderungen der Fall ist. Nachlassen oder womöglich ganz verschwinden wird sie allerdings nicht. Was diese Politik auszeichnet ist die Tatsache, dass ihre Verfechter und Nutzniesser niemals zuvor die Macht hatten, sich Gehör zu verschaffen, oder – im Fall der Tiere – eben über keine Stimme im konventionellen Sinn verfügen. Sie waren stets auf externe Wohltäter mit Mitgefühl und Möglichkeiten angewiesen, die sich ihrer annahmen, sie zu ihrer Angelegenheit machten, was ihnen nichts einbrachte ausser der zufriedenstellenden Gewissheit, Notleidenden geholfen zu haben. Weder auf monetäre Belohnung noch auf sozialen Aufstieg durfte man hoffen. Der Einsatz für hilsbedürftige Lebewesen, die keine Stimme und null Macht haben, wirft keinen Gewinn ab.

Wenn ,,1968" zumindest ein kleines bisschen zu dieser selbstlosen Generosität und zu Ausbreitung und Vertiefung von Mitgefühl beigetragen hat, sollten wir es, denke ich, als Erfolg betrachten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld.



Aus: "1968 und der Diskurs des Mitgefühls: Der lange Marsch zur sozialen Inklusion"
Vortrag von Andrei S. Markovits (Veröffentlicht am 22. Juli 2018 von E&F)
Quelle: http://emafrie.de/1968-und-der-diskurs-des-mitgefuehls-der-lange-marsch-zur-sozialen-inklusion/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Seit seiner Jugend habe ihn die Auseinandersetzung mit den Schrecken der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts geprägt und die Frage umgetrieben, wie sich solche Katastrophen verhindern ließen. Diese Motivation ist wohl der Grund, warum er sich nur für bestimmte Anpassungsstrategien und Mythen interessiert, die aus seiner Sicht vor einer Wiederkehr der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts schützen, nämlich Hierarchie und Individualismus.

Da diese Vermischung von selektiver Wissenschaftsrezeption und moralischer Mission bislang kaum aufgeklärt wurde, kann sich Peterson in öffentlichen Debatten aus beiden Rechtfertigungsordnungen bedienen: Wenn es um biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen geht, bemerkt er, das sei kein Streitpunkt, sondern wissenschaftliche Tatsache.

Wenn es um Beziehungsprobleme zwischen Männern und Frauen geht, beklagt er mit der glaubwürdigen Ernsthaftigkeit des Therapeuten, niemand sorge sich um jene 50 Prozent der Männer, die im Leben scheiterten. Und wenn er die Gleichstellungspolitik kritisiert, verweist er auf die Gefahr durch einen angeblichen "neuen Totalitarismus".

... Gefahr sieht Peterson hier allein aufseiten der politischen Linken. Aufseiten der Rechten hingegen kann er – mindestens in Nordamerika – gegenwärtig keinerlei Bedrohung erkennen, weil die gemäßigte Rechte genau angeben könne, wann die Grenze zu totalitären Positionen überschritten sei, nämlich sobald ethnische Überlegenheit propagiert werde. 

Die gemäßigte Linke sei hingegen nicht in der Lage, sich von ihrem totalitären Lager abzugrenzen [...]. Peterson scheint hier seine Erfahrungen an der Universität zu verallgemeinern, wenn er die westliche Welt von einem "kulturellen Marxismus" bedroht sieht. Damit wird die verschwörungstheoretische Annahme bezeichnet, dass die Linken heute, nachdem ihnen klargeworden sei, dass sich der Marxismus politisch nicht durchsetzen lasse, versuchten, durch Identitätspolitik die Grundlagen der westlichen Welt zu unterminieren.

Als "kulturelle MarxistInnen" gilt Peterson nicht nur ein Großteil der geisteswissenschaftlichen ProfessorInnen und Angehörige der Universitätsadministrationen, sondern auch Studierende, die er "social justice warriors" nennt, ebenfalls ein Begriff aus dem Arsenal rechter Rhetorik, durch den zugleich insinuiert wird, es handle sich nicht um Studierende, die – wie sie es schon seit etlichen Jahrzehnten tun – an den Universitäten aus unterschiedlichsten Gründen gegen unterschiedlichste Missstände protestieren, sondern um KämpferInnen einer politischen Bewegung.

Damit gewinnt das Phänomen Peterson langsam an Kontur: Dass er als ein auf seinem Arbeitsgebiet anerkannter Universitätsprofessor spricht, verleiht ihm ebenso Glaubwürdigkeit wie die Tatsache, dass einige Universitätsadministrationen – wie auch seine KritikerInnen zugeben – in Fällen wie dem oben genannten Fall von Lindsay Shepherd tatsächlich über das Ziel des Minderheitenschutzes hinausgeschossen sind, also einige seiner Kritikpunkte eine gewisse Berechtigung haben. Petersons Rorschachtest-Formulierungen haben ebenso wie die polemischen Reaktionen seiner KritikerInnen dazu beigetragen, seine Inszenierung als Tabubrecher zu festigen und ihn zu einer zentralen Figur des sogenannten Intellectual Dark Web zu machen.

QuoteKaRamamba #3

"Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Kommentarbereich prüfen wir alle Beiträge, bevor sie veröffentlicht werden. Ihr Kommentar erscheint, sobald er gesichtet wurde."

Schon dieser Satz von ZON, rechtfertigt Petersons Gedanken.


QuoteKnödeldödel #3.4

Dass die Redefreiheit im Westen nicht mehr den Stellenwert genießt, der ihr zusteht. Das Verfahren, alles, was veröffentlicht wird, vorab zu überprüfen, hat einen Namen: Zensur. Und nein, es spielt keine Rolle, ob das der Staat oder in diesem Fall ZEIT online macht.


QuoteThoraalf #3.5

Also wollen Sie im Namen der Redefreiheit auch verhetzende, beleidigende oder völlig am Thema vorbeigehende Beiträge sehen?
Ohne Moderation würde sicher das Forum verrohen und rechtspopulitische bis rechtsextreme Ansichten, vor allem, wenn es um Flüchtlinge oder identitätspolitische Themen geht, wären häufig an oberster Stelle. Diejenigen, die den jeweiligen Artikel auch wirklich gelesen hätten oder längere, differenziertere Beiträge als "Es gibt nur zwei Geschlechter. Das ist eine biologische Tatsache" verfassen, kämen kaum noch zu Wort und ziehen sich zunehmend zurück. Das Niveau würde weiter und weiter sinken. Sie glauben mir nicht? Dann gehen Sie mal auf einige Youtube-Kanäle.


QuoteBrendanB #3.8

"Das Niveau würde weiter und weiter sinken. Sie glauben mir nicht? Dann gehen Sie mal auf einige Youtube-Kanäle."

Oder bei der Welt schauen. Grausam, was sich dort abspielt.


Quotewayneinsane #3.9

"Also wollen Sie im Namen der Redefreiheit auch verhetzende, beleidigende oder völlig am Thema vorbeigehende Beiträge sehen?"

Das ist mir ehrlich gesagt lieber, als die gefilterte Wohlfühlvariante. Diese Menschen geben ja nicht ihre Meinung auf, weil ihre Beiträge nicht gepostet werden.


QuoteMinimaxprinzip #3.10

"Dass die Redefreiheit im Westen nicht mehr den Stellenwert genießt.."

Also da haben Sie Jordan Peterson aber völlig falsch verstanden. Er ist nicht grundsätzlich für entgrenztes Reden. Ganz im Gegenteil.

Lesen Sie seine Regel Nr. 8 noch mal ganz genau. Und dann Regel 7, 9 und 10.


QuoteKnödeldödel
#3.20  —  vor 14 Stunden 6

,,Also da haben Sie Jordan Peterson aber völlig falsch verstanden. Er ist nicht grundsätzlich für entgrenztes Reden. Ganz im Gegenteil.

Lesen Sie seine Regel Nr. 8 noch mal ganz genau. Und dann Regel 7, 9 und 10."
Keine dieser Regeln steht im Widerspruch zur Redefreiheit, und Peterson hat sich sehr wohl und sehr explizit für Redefreiheit ausgesprochen.
https://www.youtube.com/watch?v=E9PxdJNIc6w


QuoteKnödeldödel #3.22

,,Die Glaubwürdigkeit einiger Medien, z.B. Zeit in Kombination mit Vielfalt sind ein wesentlich besserer Schutz von Redefreiheit als eine offene Kommentarfunktion bei der systematisch Verzerrung, Provokation und Eskalation manipulativ eingesetzt werden."
Das Problem ist: die ZEIT empfinde ich bestenfalls noch als bedingt glaubwürdig. Es gab hier schon Artikel, in denen schlichtweg unehrlich argumentiert wurde, und mein Versuch, das sachlich in den Kommentaren zu kritisieren, wurde dann von der Moderation zensiert. Ich bin gespannt, ob dieser Beitrag hier durchkommt.


QuoteModerationsteam #3.32

... Uns geht es im Kommentarbereich viel mehr um eine sachliche und differenzierte Diskussion, weshalb wir uns bei manchen besonders polarisierenden Themen zur Vormoderation des Artikels entscheiden, da von vielen Kommentaren, die an der Netiquette scheitern würden, auszugehen ist.

Sie können sich in diesem Text über die genauen Hintergründe und auch unsere Auseinandersetzung mit dem Begriff Zensur informieren: https://blog.zeit.de/glashaus/2018/03/02/wie-wir-leserkommentare-moderieren/

Der Ausgangspost trifft in sofern einen wahren Punkt, als dass Herrn Peterson die Moderation hier in diesem Forum vielleicht nicht besonders gefallen würde, allerdings würden ihm auch die vielen unüberlegten und unsachlichen Kommentare, die wir hier täglich zu solchen und anderen Themen löschen, sicher nicht gefallen, ist er doch jemand, dem sprachliche Präzision und Sachlichkeit sehr wichtig scheint.

Wenn jemand sich von der Moderation in diesem Forum politisch bedroht fühlt, empfehle ich schlicht eines der unzähligen anderen Foren auf deutschen und internationalen Websites. Jeder kann sich im Internet so austauschen wie er es möchte. Es gibt aber keinen Anspruch darauf, dies auf jeder Website tun zu können.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein wenig helfen.

Liebe Grüße, das Moderationsteam/ee


Quotewysiwyg in offenbach #4

Danke. Auch interessant:
https://www.theguardian.com/science/2018/feb/07/how-dangerous-is-jordan-b-peterson-the-rightwing-professor-who-hit-a-hornets-nest


QuoteRLloque #4.1

Das scheint die Leserschaft des Guardians aber etwas anders zu sehen.
Lesen sie mal die Kommentare. ;)


QuotePendel_Foucault #4.2

Kommentarspalten sind keineswegs repräsentativ. Was da zu lesen ist, stammt nicht von der Leserschaft des Guardians, sondern von Fans des Kanadiers.


Quote
Rage against the Washmachine #4.3

Man sieht das in praktisch allen angloamerikanischen Medien..
Öffentliche und veröffentlichte Meinung sind nur noch sehr sehr selten deckungsgleich.


QuoteJohannes Popannes #5

Peterson verdankt seinen Aufstieg zwei Faktoren (neben der Verwertungsmaschine YouTube):

1.) der kann gut reden, ist Professor und vertritt "trotzdem" konservative Thesen bzw. Gegenthesen im akademischen Linksliberalismus, wie er an vielen amerikanischen Unis vorherrscht. Da ist er ziemlich konkurrenzlos.

2.) einige Auswüchse beim Thema Gender an US Unis sind wirklich radikal und wirken auf "normale" Menschen wie der Versuch einer gesellschaftlichen Gehirnwäsche (SJW, Safespace, Triggerwarning, etc.). Hier gibt er sich als die konservative Stimme der Vernunft.

Im Endeffekt halte ich ihn für einen guten Selbstvermarkter, der aber, wie die Autorin auch schreibt, nichts wirklich bahnbrechendes zu bieten hat. Schaut man 10 Videos von ihn, dann sammelt sich schon einiges an kruden Aussagen und Thesen an.


QuoteHarmo-Nie
#5.9  —  vor 4 Stunden 2

Peterson fragt in folgendem Interview zum Beispiel, warum Frauen Make-Up am Arbeitsplatz tragen und bringt anschließend die Schlussfolgerung, dass Sie es aus sexuellen Gründen tragen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass dies wahr ist, dann können wir mit derselben logik uns auch fragen, warum Männer sich am Arbeitsplatz die Haare gelen,Krawatten tragen, etc... Darüber stellt er dann auch in Frage, ob Männer und Frauen überhaupt gemeinsam arbeiten können. Er stellt quasi eine Frage ("Können Männer und Frauen überhaupt gemeinsam arbeiten"), die unsere Gesellschaft eigentlich schon lange beantwortet hat (das "ob") und stellt damit die Rechte von hier z. Bsp. Frauen in Frage.

Ab Minute 5:50 https://www.youtube.com/watch?v=blTglME9rvQ

Der Beginn seiner youtube-karriee basiert auf dieser ganzen Transgender-Pronomen Geschichte, die (entweder absichtlich oder er hat es nicht verstanden) völlig aus dem Zusammenhang gerissen wird. Da befinden wir uns dann in einer Welt in der Transgender jeden dazu zwingen wollen korrekt pronomen zu verwenden und das Government jeden bestraft, der dies nicht tut. Dies entspricht aber nicht der Wahrheit. Vielleicht fänden Sie es zum Beispiel auch nicht so toll, wenn Sie in offiziellen Schreiben von Regierungsstellen fälschlicherweise als Herr oder Frau angesprochen werden. Was Sie in ihrem Privatleben tuen, stand nie zur Debatte in Kanada.


QuoteDD84 #5.17

Einen grossen Teil seines Erfolgs beruht auch darauf, der er unzähligen Menschen geholfen hat, wieder Sinn im Leben zu sehen, aus Depressionen rauszukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Ich bin einer derjenigen.
Aus meiner Sicht ein Thema, das im pffentlichen Diskurs sträflich vernachlässigt wird: die psychischen Karankheiten von Menschen und die überaus grosse Selbstmordrate von jungen Männern.


Quote
einfach_Eric #15

Peterson überzeugt viele junge Männer auch einfach dadurch, dass uns unser ganzes Leben lang überzeugende Argumente und Positionen von der *anderen*, nicht dezidiert linken/liberalen Seite, vom öffentlichen, medialen Diskurs vorenthalten wurden. Youtoube und das IDW ändern das. Ein Glück.


QuoteArktos #15.2

Das Intellectual Dark Web
Opinion - Meet the Renegades of the Intellectual Dark Web (Bari Weiss, May 8, 2018)
An alliance of heretics is making an end run around the mainstream conversation. Should we be listening?
Here are some things that you will hear when you sit down to dinner with the vanguard of the Intellectual Dark Web: There are fundamental biological differences between men and women. Free speech is under siege. Identity politics is a toxic ideology that is tearing American society apart. And we're in a dangerous place if these ideas are considered "dark."
I was meeting with Sam Harris, a neuroscientist; Eric Weinstein, a mathematician and managing director of Thiel Capital; the commentator and comedian Dave Rubin; and their spouses in a Los Angeles restaurant to talk about how they were turned into heretics. A decade ago, they argued, when Donald Trump was still hosting "The Apprentice," none of these observations would have been considered taboo.
Today, people like them who dare venture into this "There Be Dragons" territory on the intellectual map have met with outrage and derision — even, or perhaps especially, from people who pride themselves on openness. ...

https://www.nytimes.com/2018/05/08/opinion/intellectual-dark-web.html


QuoteAngestalt #23

Die Reaktionen zeigen zumindest mal, dass Peterson offenbar einen wunden Punkt getroffen hat und dass da einige der vermeintlich links-progressiven Akteure im Inneren äusserst Totalitär veranlagt sind.


QuoteBSantina #33

Ich will nicht bestreiten, dass man Peterson mit Interesse lesen, und sich seinen Ansichten anschliessen, sie diskutieren oder in Frage stellen kann. Ich persönlich halte seinen Versuch, individualpsychologische, psychopathologische und psychotherapeutische Konzepte als Erklärungen für politische Prozesse, oder gar als Grundlage für moralische Wertediskussionen in der Gesellschaft heranzuziehen, nicht für stichhaltig und überzeugend.

Ganz und gar entgeht mir allerdings, warum Peterson für den "wichtigsten Denker des Westens" gehalten werden soll. Das kann allenfalls für eine sehr kleine Gemeinde von Anhängern gelten.


QuoteHerr Mannelig #35

>>Trotzdem trägt er Mitverantwortung für diesen Beifall: Er ist anschlussfähig für rechte Gruppierungen, weil er ihre Kampfbegriffe übernimmt sowie zentrale Überzeugungen und ihre verschwörungstheoretischen Bedrohungsszenarien teilt. <<
Peterson distanziert sich klar von Rechts- und Linksextremismus. Ich denke, mehr kann man nicht erwarten. Er selber ist offensichtlich kein Rechtsextremer, welche er regelmässig "vile" (widerwärtig) oder "evil" (böse) nennt.

Dass man Peterson vorwirft, Rechts und/oder Rassist zu sein ist eher ein Spiegel für linke Denuntationen und Rufmordkampagnen, wie man sie in jeder politischen Debate überall in der westlichen Welt erleben kann.
Seine Vorträge, die im Artikel erwähnten Diskussionen und Interviews, kann man alle selber auf youtube anschauen, falls man sich selbst ein Bild machen will.


QuoteH_Dietz #35.2

Sehr geehrter Herr Mannelig,

doch, ich erwarte mehr. Ich erwarte, dass jemand, der die Rechte kritisiert und beansprucht, seine Worte sehr sorgfältig zu wählen, dann auch keine "Kampfbegriffe" der Rechten übernimmt (etwa cultural marxism und social justice warrior).

Peterson grenzt sich zwar an manchen Stellen klar gegen bestimmte Argumente der Rechten ab, da er jedoch im Moment in den USA keinerlei Bedrohung durch rechte Strömungen erkennen kann, auf der linken jedoch schon, muss er sich außerdem fragen lassen, wie ernst es ihm mit dieser Abgrenzung ist.

H. Dietz


Quote
BarkersPinhead #35.4

"Der Mann erscheint nur deshalb rechts, weil mittlerweile der Mainstream und die Medien so weit Links stehen, dass sogar aussagen wie "es gibt nur evolutionäre Unterschiede zwischen den Geschlechtern" einen zu einem Rechten machen."

Oder das Aufhängen von Din A 4-Zetteln mit der Aufschrift "It's okay to be white".


QuoteAlois Hingerl #43

Irgendwie betrachte ich die vergangenen 20 Minuten des Lesens og. Artikels schon ein wenig als Zeitverschwendung.

Peterson ist eigentlich nichts mehr oder weniger als die in D bekannten Fleischhauer und Mattusek (es gibt noch andere). Er hat halt den Vorteil des Anglos mit größerer Reichweite, akademischen Geruch und so was exotisch "in ein Bärenfell gehülltes" Holzfällerhemdkanadierimage.

Man muss im Grunde genommen nur die richtigen Schlagworte platzieren, dann hoppeln die Intellektuellen alle über´s Stöckchen, die (angeblich) linken Empörten und die rechten Claqueure, die bei Lob gerne das braun beschmierte Bällchen apportieren.

Und die Autorin nervt mal wieder mit diesem Gendergeschreibe "MenschInnen" oder so. Das ist nicht deutsche geschriebene Sprache, das nervt.

Ich war einmal ein Student, an meiner Uni gab es auch Studentinnen. Soweit keine Sensation, aber Student war ich 24 Stunden täglich, studierend machmal tagelang nicht, manchmal 36 Stunden am Stück.

Kein Wunder, wenn die rechten Ratten aus allen Ecken schnuppern, wenn die liberalen, aufgeklärten intelligenten Bürger, die eigentlich unsere KUltur verteidigen sollten, mit Binnen-I, Gendersternchen, Worterfindungen und der Frage ob Astrid Lindgren Rassistin war, Zeit verplempern.


...


Aus: "Mythos Tabubrecher" Hella Dietz (13. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2018-08/jordan-peterson-kanada-professor-politische-korrektheit-feminismus-geschlechteridentitaet/komplettansicht


Textaris(txt*bot)

Quote[....] Thompson hob aber zugleich hervor, dass VW seine Bedenken ernst nehme. "Es sind eine Reihe von positiven Prozessen angestoßen worden." Bis der Konzern alle Verpflichtungen gegenüber der US-Justiz hinsichtlich Integrität, Compliance und Kultur erfüllt habe, sei aber noch einiges zu tun. "Dort sind wir noch nicht angekommen."  ...

Thompson soll drei Jahre lang überwachen, ob Volkswagen die versprochenen Reformen umsetzt, damit sich Verfehlungen wie im Dieselskandal nicht wiederholen können. Das war eine Folge des Vergleichs zwischen VW und dem US-Justizministerium aus dem Jahr 2017.

... Die Manipulationen von Abgaswerten bei Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns waren Mitte September 2015 in den USA aufgeflogen, weltweit sind rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen. VW hat seither Strafen von mehr als 20 Milliarden Dollar in den USA gezahlt, in Deutschland ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften bei VW und den Töchtern Porsche und Audi.

VW-Vorstand Werner räumte ein: "Wir haben noch ganz schön viel Arbeit vor uns." Die angestoßene Veränderung der Unternehmenskultur werde den Konzern noch viele Jahre beschäftigen und habe beim Vorstand "oberste Priorität".  ...


Aus: "US-Aufseher kritisiert mangelnde Transparenz bei Volkswagen" (27. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2018-08/abgasskandal-volkswagen-larry-thompson-transparenz/komplettansicht

QuoteGünter J. #8

Kaum zu glauben, dennoch wahr.
Ein US-Kontrolleur überwacht Einhaltung der Abgasvorschriften von VW-Fahrzeugen.
Ein Konzern der dem "Made in Germany" Glanz verleihen könnte, sollte so etwas wie eine (seriöse und autarke) Qualitätskontrolle haben.
Ich halte VW für einen lernunwilligen, unfähigen und korrupten Verein.
Und was ich über das Management denke darf ich nicht schreiben.


Quotemarcaurel1957 #10

... Ansonsten kaufen die Menschen die Produkte wir geschnitten Brot, was bedeutet, dass sich außer ein paar Fanatikern, kein Mensch für die Abgasmanipulatioen interessiert. ... VW ist ein erstklassiges Unternehmen, das seine Mitarbeiter ausgezeichnet behandelt, dass ausgezeichnete Produkte zu angenessenen Preisen herstellt.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Obwohl also die Banane als kulturelle Metapher über allem schwebt, ist Crazy Rich Asians kein Problemfilm, in dem es um die qualvolle Identitätssuche einer unterdrückten Minderheit ginge. Es ist eine gut gelaunte, selbstironische romantische Komödie; schamlos in ihrem Kitsch und der Zurschaustellung von Reichtum (übrigens eine sehr chinesische Sache). Man kann sehr gut zwei Stunden in seinem kleinen Kino verbringen, lachen, ein paar Tränen wegdrücken und danach beschwingt in den Abend hinausgehen. Crazy Rich Asians ist Unterhaltung für die Massen. ... Wie man derzeit in allen großen amerikanischen Medien nachlesen kann, hat es in Hollywood seit 25 Jahren keinen Film dieser Art gegeben: Die zwei Hauptdarsteller sind asiatisch-stämmig (Constance Wu ist taiwanesische Amerikanerin, Henry Golding malaysischer Brite), die restliche Besetzung und der Regisseur sind es ebenso. Es ist ein Hollywood-Film, der ohne Weiße auskommt. Ein Film von Leuten mit gemischten Biografien, die mit dieser Geschichte auch ihre eigene Geschichte erzählen.

Wie revolutionär das ist, sieht man nicht nur an den glückseligen Tweets der Zuschauer, die sich endlich ernst genommen fühlen. "Es ist schön, in einem Kino mit lauter weißen Zuschauern zu sitzen und über die Insiderwitze zu lachen, während alle anderen schweigen", schreibt ein asiatisch-stämmiger Genetiker aus Salt Lake City auf Twitter. "Es ist schön, dass es einen Film für Leute wie mich gibt."

... Gerade für Menschen asiatischer Herkunft, denen so oft nachgesagt wird, dass sie "fleißig", "angepasst" und "unauffällig" seien, ist dieses Gesehen-Werden wichtig. Es bricht das Klischee, das dazu dient, sie kleinzuhalten.

... In einer Zeit, in der weltweit so viel über Identität und Einwanderer gestritten wird, scheint sich auch das Kinopublikum nach guten Geschichten aus dem Leben der anderen zu sehnen. Nach Erzählungen, in denen reiche Asiaten über arme Amerikaner lachen und über sich selbst. 

... Vor einem halben Jahr erschien ein Film, der eine andere Minderheit stolz ins Zentrum setzte und zum Riesenerfolg wurde: die Marvel-Verfilmung Black Panther. Auch er hatte ein vornehmlich nicht-weißes Ensemble, auch er bediente sich vertrauter Schablonen: Superkräfte, fremde Welten, mächtige Bösewichte. Obwohl er deutlich politischer war als Crazy Rich Asians, war auch dieser Film in erster Linie Unterhaltung. Und während sich die Zuschauerin oder der Zuschauer mit diesem Anführer oder jener Generalin identifizierte, bekamen er und sie eine Geschichte über schwarze Identität gleich miterzählt.

Das ist das Kluge an Blockbustern wie diesen: Ob hier eine schwarze, weiße oder gelbe Figur liebt, kämpft oder stirbt, ist eigentlich gar nicht so wichtig. Die Hautfarbe definiert nicht den Charakter. Die Nicht-Weißen sind genauso böse, gut, romantisch oder gemein wie die Weißen. Sie müssen nicht gerettet werden oder anderen als exotischer Sidekick dienen – sie sind selbst die Retter und Heldinnen und Täter.

Gerade in Deutschland, wo sich die Identitätsdebatte so oft zu Skandalen verhärtet (Özil, Seehofer, Bamf), sind Filme wie diese so erfrischend wie dringend notwendig. Man sieht an ihnen, dass der Migrant nicht nur in Gestalt des afrikanischen Bootsflüchtlings daherkommt, der das gelobte Europa erreichen will. Es gibt viele Typen und noch mehr Geschichten, die man über sie erfahren kann. Manche handeln von der Not, andere von Weltrevolutionen und wieder andere von der Liebe.


Aus: "Der wichtigste Film, von dem Sie noch nie gehört haben" Khuê Phạm (27. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/film/2018-08/crazy-rich-asians-kino-film-hollywood-besetzung/komplettansicht

QuoteGnurg #17

Also ich hab' den Film Freitag gesehen (war allein in der 17 Uhr-Vorstellung :).

Der Film war unterhaltsam, hatte zwischendrin mal einen Hänger und wirklich Neues gab es auch nicht. Aber gut, Comedy, passt schon.

Was mich wirklich genervt hat, war dieser Wealth-Porn, der hat irgendwie alles zerstört, was den Film hätte gut werden lassen können. Dieser Film ist, um mal ein Zitat über Trump zu verwenden, die Vorstellung eines armen Mannes davon, wie ein reicher Mann sein muss. Selbst die Superreichen in dem Film (es gibt mehrere Abstufungen von Reichtum hier) benehmen sich wie eine Gruppe Kinder auf einer Geburtstagsparty mit Gratispopcorn - oder so. Ständig werden noch exorbitantere Shows, Luxus und Schmuck gezeigt, was mir irgendwann ziemlich auf den Sack gegangen ist. Die meisten Mega-Props spielen auch für die Handlung gar keine Rolle und manche Szenen sind einfach nur da, um noch mehr Luxus zu zeigen, ohne dass sie irgendwelchen Einfluss auf Handlung oder Charaktere haben. Die beiden Hauptdarsteller sind eigentlich recht sympathisch, und die Chemie stimmt auch, wird aber durch immer heftigere Shopping-Queen-Tagträume zerstört.

Auf der positiven Seite sind die China-Insider-Witze (Es kommen eigentlich auch nur Chinesen vor, keine anderen Asiaten), ein bisschen Straßenatmo von Singapur und - natürlich - ein Happy End, wobei keiner der Konflikte wirklich gelöst wird. Sehr oberflächlich, mit witzigen Stellen, wenn man weiß wo man guggen muss.


Quote
MaryPoppinsky #34

Auch hier läuft der Film gerade mal in zwei Kinos. Mir ist allerdings noch nicht ganz klar, worin nun der Witz dieses anscheinend typischen Blockbuster-Films sein soll, so wichtig die Abkehr von weißer Dominanz im Hollywood-Kino auch ist. Klischees unterminiert haben andere Filme mit rein asiatischen 'Ensembles' auch, leider mit deutlich kleinerem Zuschauerandrang, man denke etwa an die großartigen Filme von Wong Kar-Wai.


...

Textaris(txt*bot)

#306
Quote[...] Punk stand nie im Verdacht staatstragend zu sein. Deshalb kann es die Punkband Feine Sahne Fischfilet vielleicht sogar als Auszeichnung verstehen, plötzlich im Mittelpunkt einer Debatte zu stehen, die mit einem Facebook-Posting des Bundespräsidenten begann. Frank-Walter Steinmeier hatte die Einladung zum ,,#wirsindmehr"-Konzert geteilt, mit dem neben den Toten Hosen, Marteria und Casper auch Feine Sahne Fischfilet am Montag in Chemnitz ein Zeichen gegen Rassismus setzen wollten.

Die ,,Bild"-Zeitung schlug Alarm: ,,Warum wirbt Steinmeier für linksradikale Rocker?". ...

Inzwischen folgen Feine Sahne Fischfilet dem Weg, den viele Punkbands vor ihnen gingen: Raus aus der Rebellion, rein in den Mainstream. ,,Ich kann immer noch nicht singen / Und spiel' jetzt bei Rock am Ring", wundert Gorkow sich im Hit ,,Alles auf Rausch". Sie traten auf Großfestivals auf, der Schauspieler Charly Hübner widmete ihnen den Dokumentarfilm ,,Wildes Herz", mit dem Album ,,Sturm & Dreck" gelang ihnen Anfang des Jahres der Sprung auf Platz 3 der deutschen Charts. Vor zwei Jahren war schon einmal über die Ausrichtung der Band gestritten worden, als der damalige Justizminister Heiko Maas sich per Facebook für ihren Einsatz gegen Neonazis bedankte.

Jetzt sagt Jan Gorkow: ,,Das ist eine verrückte Zeit, in der Menschen als Linksextremisten bezeichnet werden, die sich gegen Rechts engagieren."


Aus: "Punkband Feine Sahne Fischfilet: ,,Antifaschisten, die Mucke machen"" Christian Schröder (03.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/punkband-feine-sahne-fischfilet-antifaschisten-die-mucke-machen/22990752.html

Quotearmin_ulrich 08:56 Uhr

     ,,Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein." Das Stück stammt von 2009, auch wegen dieser
    Gewaltfantasie stand die Band bis 2016 im Verfassungsschutzbericht.
    Gegründet hatten die Gruppe 2007 fünf Schulfreunde in der
    mecklenburgischen Kleinstadt Demmin. Sie verstehen sich bis heute als
    ,,Antifaschisten, die Mucke machen".


Ich verstehe es als faschistisch, wenn man Bullenhelme fliegen sehen möchte und jemandem seinen Knüppel in die Fresse schlagen möchte. ...


...

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Quote[...] Dann wird es still. Einige Sekunden nur, aber es wirkt, weil es so selten geworden ist in Chemnitz. Einige Tausend stehen auf dem Parkplatz nahe der Johanniskirche vor der schwarzen Bühne. Sie schweigen für Daniel Hillig, jenen Tischlerlehrling, der in der Nacht zum 26. August am Rande eines Stadtfestes erstochen worden war. Mutmaßlich von einem Iraker und einem Syrer. Aber sie sind hier, um Lärm zu machen. Gegen die Neonazis, die seitdem in Chemnitz durch die Straßen marschieren.

Zwei Stunden zuvor sitzt Campino am Montagnachmittag auf einem Podium in der Stadthalle von Chemnitz. Für den Sänger der Toten Hosen ist die Sache klar: ,,Das, was hier stattfindet, ist kein Kampf rechts gegen links." Was derzeit in Chemnitz stattfinde, sei vielmehr ,,ein Kampf von allen Menschen mit Anstand gegen einen übergriffigen, rassistischen Mob". Deswegen ist er an diesem Tag nach Chemnitz gekommen, deswegen tritt er am Abend vor bis zu 50.000 Zuschauern beim Benefizkonzert unter dem Motto ,,Wir sind mehr" auf. Gemeinsam mit Musikern wie Kraftklub, Feine Sahne Fischfilet und Marteria.

Es ist der vorläufige Höhepunkt in einem seit Tagen andauernden Kampf um die Deutungshoheit in Chemnitz. Seit Bilder von Neonazis um die Welt gingen, die auf der Straße den Hitlergruß zeigen. Bilder von Gegendemonstranten. Bilder von Chemnitzern, die zu all dem lieber nichts sagen. Seitdem wird in der Republik wieder diskutiert, wer hier eigentlich wirklich die Meinung des Volkes vertritt.

Robin Rottloff hat diesen Kampf von Anfang an aufgenommen. Der Sprecher des Bündnisses ,,Chemnitz nazifrei" hat in den vergangenen Tagen kaum geschlafen, hektisch an der Organisation des Konzerts mitgearbeitet. Er sagt, er könne nicht einschätzen, wie sich die Situation in Chemnitz entwickle, wenn Montagabend nach dem Konzert die meisten Gegenprotestler nach Hause führen. Wie dann das Kräfteverhältnis in der Stadt sei. Die Frage, die viele in Chemnitz an diesem Tag umtreibt: Gilt das Motto ,,Wir sind mehr" am Dienstag auch noch?

Man muss sich vom Konzertareal nur ein paar Querstraßen weit entfernen, um Stimmen zu hören, die ahnen lassen, dass das letzte Wort darüber nicht gesprochen ist. Wo man Chemnitzer trifft, die alle von sich behaupten, nicht rechts zu sein, aber Sätze sagen wie: ,,Zum Glück sind die nachher wieder weg" oder ,,Die haben angekündigt, heute die Gedenkstätte vom Daniel zu schänden." Einer verlangt, den Mitgliedern der Chemnitzer Band Kraftklub, die jetzt auftritt, das Wohnrecht zu entziehen. Zumindest dem Sänger, der sei besonders frech.

Der, Felix Brummer, gibt sich keinen Illusionen hin: ,,Wir sind nicht naiv, wir wissen, dass wir mit dem Konzert nicht alles verändern können", sagt er. Er und seine Bandkollegen wohnen immer noch in ihrer Heimatstadt. Brummer hatte die Idee zu dem Konzert am vergangenen Dienstag. Innerhalb weniger Stunden trommelte er befreundete Künstler zusammen. ,,Manchmal ist es wichtig zu zeigen, dass man nicht alleine ist", sagt er.

Das Gefühl, alleine gelassen zu werden, hatten zuletzt viele Menschen in Chemnitz. Nach dem Mord an Daniel Hillig demonstrierten an zwei Tagen in Folge große Gruppen von Rechtsradikalen in der Stadt, die sächsische Polizei hatte die Lage nicht unter Kontrolle. Menschen wurden durch die Straßen gejagt. Bei Zusammenstößen mit Gegendemonstranten gab es mindestens 18 Verletzte.

Am Rande pöbelt ein Mann mit Cowboyhut gegen die Konzertbesucher: Die seien doch alle scheinheilig und interessierten sich nicht für den getöteten Daniel Hillig. Die meisten gehen vorbei, ein paar versuchen, ins Gespräch zu kommen. Bringt aber nichts. ,,Ihr Schweine gehört alle zusammengeschlagen."

Eine große Zahl von Menschen in Chemnitz selbst hat das Konzert abgelehnt, manche wollten es sogar komplett verhindern. Auf Facebook-Seiten von AfD-Politikern wurde diskutiert, ob man die Veranstaltung nicht durch eine anonyme Bombendrohung stoppen könnte. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner beschimpfte den Auftritt als ,,widerliches Linksextremistenkonzert". Neonazigruppen riefen dazu auf, sich unter die Feiernden zu mischen und dann zu attackieren. Der Besitzer einer Pension in Bahnhofsnähe wollte ab dem Nachmittag sein Haus abschließen. ,,Wenn die Toten Hosen spielen, kommen viele Chaoten", sagt er. Die wollten sicher klauen, im schlimmsten Fall randalieren.

,,Gegenwind sind wir gewohnt", sagt Robin Rottloff vom Bündnis ,,Chemnitz nazifrei". ,,Viele schauen weg, viele verharmlosen, da ist es doch klar, dass wir für diese Leute unerwünscht sind."

Im Stich gelassen fühlt Rottloff sich deshalb auch von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der das Problem rechter Gewalt kleinrede. Immerhin: ,,Die Chemnitzer CDU hat mit zu den Gegenprotesten am Samstag aufgerufen – das gab es noch nie!"

Eigentlich sollte das Konzert vor dem Marx-Monument stattfinden. Dort hatten in den vergangenen Tagen immer wieder Rechte demonstriert. Die Feier sollte dem andere Bilder entgegensetzen. Doch wegen der vielen Zuschauer haben die Veranstalter ihre Bühne einige hundert Meter entfernt aufgebaut. Am Fuße des Monuments ist stattdessen ein DJ-Pult. Andere Bilder gibt es trotzdem: tanzende Menschen, lachende Gesichter. Keine Wut.

Es gibt also gleich zwei Orte, an denen die Menschen feiern. Genau dazwischen liegt die Stelle, an der Daniel Hillig starb. In dem Meer aus Kerzen und Blumen steht nun ein größeres Holzkreuz.

Vielleicht zeigt sich nirgendwo deutlicher als hier, wo die Gräben verlaufen. 150 Leute haben sich dort versammelt. In der einen Ecke des Platzes stehen Menschen mit ,,Refugees Welcome"-Bannern. Ihnen gegenüber eine Gruppe Männer, dazwischen ein Schild: ,,An euren Händen klebt das Blut von Daniel Hillig." Irgendwann geht die Polizei dazwischen, bildet einen Kreis um den Tatort. Auf Nachfrage, ob hier Linke von Rechten getrennt werden, sagt ein Beamter: ,,Ich würde sagen, drinnen stehen die, die trauern und außen die, die was dagegen haben."

...


Aus: "Konzert gegen Rassismus: Wem gehört Chemnitz?"  Sebastian Leber Ann-Kathrin Hipp  (03.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/konzert-gegen-rassismus-wem-gehoert-chemnitz/22991420.html

QuoteGophi 09:10 Uhr
Besser, als in Chemnitz kann man die Spaltung der Gesellschaft nicht beobachten. Natürlich fühlen sich Nazis provoziert, durch die Konzerte:

    Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner beschimpfte den Auftritt als ,,widerliches Linksextremistenkonzert".

Und so, als Provokation, sollte das Ganze ja auch rüberkommen. Als Antwort auf den Angriff auf unseren Rechtsstaat durch einen menschenhetzenden Mob. Auch das war Provokation und natürlich Teil des Spiels. Wir hier - ihr dort.

,,Wenn die Toten Hosen spielen, kommen viele Chaoten", sagt er. Die wollten sicher klauen, im schlimmsten Fall randalieren.

Was natürlich gelogen ist. Aber selbst wenn es wahr wäre, wäre es immer noch besser, als unschuldige Menschen in Todesangst zu versetzen.

Auf Nachfrage, ob hier Linke von Rechten getrennt werden, sagt ein Beamter: ,,Ich würde sagen, drinnen stehen die, die trauern und außen die, die was dagegen haben."

Das mag aus seiner Sicht stimmen, so einfach ist es aber nicht. Die Rechten instrumentalisieren eine inszenierte Trauer, um sich volksnah zu geben. Die, die wirklich trauern, um das Opfer und um unseren Staat, befinden sich derzeit außerhalb von Chemnitz und schauen ratlos zu. Wie kann man diesen Graben, diese Spaltung überwinden? Er wird noch viele weitere Opfer fordern, wenn das so weitergeht.


Quotematze0106 07:53 Uhr
Nee, ändern kann man mit einem Konzert nichts. Der 35 jährige wird nicht wieder leben und der rechte Mob wird immer noch Andersdenkende  und Ausländer jagen, wenn sie sich dafür stark genug fühlen. Wenn aber wenigstens einige wenige Menschen anfangen wieder zu denken und festzustellen, dass die Straße nicht dem rechten Pöbel gehört und auch nicht dem linken. Das gesellschaftliche Auseinandersetzung anders als gewalttätig angegangen werden muß, wenn man endlich begreift, dass ein Leben ein Leben ist und es da keine unterschiedlichen Wertungen geben darf, dann war das Konzert ein Erfolg. 65000 Menschen sind schon eine Hausnummer. Die hat weder die AFD mit den von ihr unterstützten Bewegungen Pegida, Thügida, Identäre usw.. auf die Beine gestellt, noch die Linken Gegendemos. Auch wenn ein Teil der Konzertbesucher sicherlich da gewesen ist um die Bands einmal ohne horrende Ticketkosten zu hören, haben sie sich doch in die Reihen der Toleranz und der bunten Gesellschaft eingereiht. Das ist genauso ein Statement wie in einer rechter Demo hinter Leuten die den Hitlergruß zeigen herzuwackeln.


QuoteBerlinPilot 07:17 Uhr
Rechte und Linke, was habt ihr in Chemnitz zu suchen? Warum macht ihr das Städtchen zu eurem Austragungs- und Darstellungsort. Ich kann gut verstehen, dass die Chemnitzer auch keine Konzerte von links gegen Rechts haben wollen. Jedenfalls nicht von Leuten, wie Campino. Ein Erzlinker und Unrealist, der seinen unqualifizierten Senf überall hinzuzugeben versucht.


QuoteHen-Riette 08:30 Uhr
Antwort auf den Beitrag von BerlinPilot 07:17 Uhr

    Rechte und Linke, was habt ihr in Chemnitz zu suchen?

Manche wollen das eben nicht verstehen. Die Linken sind da, weil die Rechten dort aufmarschieren und die Tat instrumentalisieren. Eigentlich sind das dann auch nicht unbedingt "die LInken", sondern einfach aufrechte Demokraten, die sich den widerlichen Rechten in den Weg stellen.

Warum macht ihr das Städtchen zu eurem Austragungs- und Darstellungsort.

Fragen Sie doch mal die Rechten, warum die diese Tat für ihre ideologische Zwecke mißbrauchen und instrumentalisieren.

Ich kann gut verstehen, dass die Chemnitzer auch keine Konzerte von links gegen Rechts haben wollen.

Dann sollten sie halt auch gegen rechts auf die Straße gehen, wenn ihnen das so wichtig ist. Nur zuhause sitzen und Klappe halte (oder evtl. sogar noch zustimmen) hilft halt nichts.

Jedenfalls nicht von Leuten, wie Campino. Ein Erzlinker und Unrealist, der seinen unqualifizierten Senf überall hinzuzugeben versucht.

Ja, danke an Campino und die anderen Künstler, für ihre richtigen und notwendigen Worte!


....

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Elitenforscher und Soziologe Michael Hartmann problematisiert in seinem Buch "Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden" die gesellschaftlichen Folgen von sozialer Exklusivität der Mächtigen im Lande. Was zunächst wie ein Diskursbeitrag zum Populismus klingt, kann sich auf fundierte sozialwissenschaftliche Studien stützen – und geht einher mit beachtenswerten politischen Warnungen. ...

Sein neues Buch bilanziert deren Ergebnisse im Lichte der erwähnten Problematik. Bereits in der Einleitung formuliert Hartmann als zentrale These: "Die Eliten sind in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Probleme zu erkennen und die Folgen ihrer Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen" (S. 9). Zur Elite gehören für Hartmann nicht Prominente und Reiche, sondern nur die Personen, die etwa in Politik und Wirtschaft reale Macht ausüben können. Der Autor blickt zunächst auf die soziale Herkunft und stellt fest, dass sie dadurch in Einstellung und Habitus geprägt sind und entsprechend denken und handeln. Daraus folgt: "Die Eliten in den großen westlichen Industriestaaten sind überwiegend sozial exklusiv und homogen." Deren Haltung "zu sozialer Ungleichheit und neoliberaler Politik wird entscheidend durch ihre soziale Herkunft geprägt" (S. 29).

Der Blick nach Großbritannien und den USA zeige, dass dort Politiker aus der Upperclass Politik für die Upperclass machen würden. Als deren gesellschaftliche Folge stiegen die sozialen Unterschiede an. Dabei handele es sich um ein internationales Phänomen, das eben auch für Deutschland konstatiert werden könne. Einher gehe damit eine besondere Deutung, welche der eigenen Interessenlage entspreche: kriminelle Finanztricks werden legitimiert, Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachtet, Steuerforderungen als staatlicher Raubzug diffamiert. Damit lebe die Elite mental und sozial in ihrem eigenen Kosmos. Hartmann erklärt sich dadurch auch den Rechtspopulismus, der damit eingehenden Unmut aufgreife. Als Alternative fordert er eine Politik jenseits des Neoliberalismus und eine Orientierung am Schlüsselwort der "sozialen Gerechtigkeit". Dazu heißt es bezogen auf Konsequenzen: "Die Veränderung der Labour Party unter Jeremy Corbyn zeigt, wie eine solche Wende inhaltlich und personell aussehen müsste" (S. 249).

... Mit der Berufung auf eine Fülle von eigenen und anderen sozialwissenschaftlichen Studien macht der Autor deutlich, dass nicht wenige gesellschaftlichen Probleme mit der sozialen Exklusivität der mächtigen Eliten zusammenhängen. Gerade deren Abgeschlossenheit wird als Problem ausgemacht, ist doch auch Deutschland mehr eine Eliten- und weniger eine Leistungsgesellschaft. Mitunter neigt Hartmann aber auch zu Vereinfachungen. So hat der Aufstieg des Rechtspopulismus zwar auch etwas mit der Abgehobenheit von mächtigen Eliten und der Anstieg von sozialer Ungleichheit zu tun, lässt sich aber angesichts von noch anderen Bedingungsfaktoren allein oder primär nicht darauf zurückführen. Auch stellt sich die Frage nach den politischen Alternativen noch genauer, wenngleich Antworten darauf nicht die Aufgabe eines Soziologen sein müssen. Insgesamt handelt es sich gleichwohl um eine beachtenswerte Studie.

Michael Hartmann, Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden, Frankfurt/M. 2018 (Campus-Verlag), 276 S., ...


Aus: "Die Abgehobenheit der Eliten – aus soziologischer Sicht" Armin Pfahl-Traughber (31. Aug 2018)
Quelle: https://hpd.de/artikel/abgehobenheit-eliten-soziologischer-sicht-15899


Quote

rainerB. am 31. August 2018 - 22:31

Glückwunsch Herr Rezensent! Sind Sie doch nach ca. 2 Jahren und zahlreichen Rezensionen zum Thema des sog. "Rechtpopulismus" nun doch bei den eigentlichen Ursachen angelangt. Mit einem kritischeren Blick hätten Sie schon viel früher bei Ihren vielen dbzgl. Buchbesprechungen die Spreu vom Weizen trennen und die Leser besser orientieren können.

Sie fanden es aber stets interessanter, propagandistische Populismus-Definitionen auf dem hpd nachzuplappern, wie z.B. 'Populisten würden einen Gegensatz zw. Volk und einer Elite konstruieren' - als ob es diesen gar nicht gäbe...

Und auch jetzt wollen Sie die Hauptursache immer noch bestreiten: "Mitunter neigt Hartmann aber auch zu Vereinfachungen. So hat der Aufstieg des Rechtspopulismus zwar auch etwas mit der Abgehobenheit von mächtigen Eliten und der Anstieg von sozialer Ungleichheit zu tun, lässt sich aber angesichts von noch anderen Bedingungsfaktoren allein oder primär nicht darauf zurückführen." Nicht primär??

Da frage ich mich, welche "anderen Bedingungsfaktoren" es stattdessen sein sollen?? Der "Aufstieg des Rechtspopulismus" hat sehr wohl primär mit wachsender soz. Ungleichheit zu tun, denn diese verschafft ihm überhaupt erst die massenwirksame Klientel, ohne die Rechtsautoritäre über einen begrenzten Einfluss nicht hinauskommen würden!

Es ist ein Armutszeugnis für den hpd, bzgl. "Populismus"-Diskussionen über zwei Jahre hinweg nicht aus einem parteienbezogenen Links-Rechts-Schema und polit. Korrektheit herausgefunden zu haben!

Und auch mit dieser Rezension sind Sie leider sehr spät am Thema "Wie die Eliten die Demokratie gefährden", denn schon im April hat Paul Schreyer fast gleichlautend getitelt: "Die Angst der Eliten - Wer fürchtet die Demokratie?" und aus demokratischer Sicht tiefgründig beantwortet.

Bleibt nur zu hoffen, dass nun auch der hpd wegkommt vom nicht zielführenden 'Populisten wollen die Demokratie abschaffen' und endlich erkennt, dass große Teile der etablierten Eliten in DE wie auch der EU schon seit Jahren mit nichts Geringerem beschäftigt sind!


Quote

malte am 1. September 2018 - 12:00

Das Problem mit dem Eliten-Begriff der Rechtspopulisten ist doch, dass hier gar nicht real existierende Eliten angegriffen werden, sondern der politische Gegner einfach willkürlich als Elite definiert wird. Insofern kann man hier sehr wohl von einer Konstruktion sprechen. [Wenn Rechtspopulisten von "Eliten" sprechen, sind damit nicht real existierende Eliten - also Menschen, die reale Macht ausüben - gemeint, sondern ein bestimmtes kulturelles Millieu. In diesem Weltbild, auf das der Begriff "verquer" tatsächlich passt, gehört ein Mensch, der in einer Großstadt lebt, in einem prekären Job in der Medienbranche arbeitet, morgens Soja-Latte trinkt und schon mal gehört hat, was das Wort "Gender" bedeutet, angeblich zu den Eliten, während der Kleinunternehmer aus dem Vorort, der zwei Autos in der Garage stehen hat und jeden Samstag im Schützenverein vorbeischaut, angeblich "den kleinen Mann auf der Straße" darstellt. Siehe auch den Text "Wer Elite ist, bestimmen wir" von Bernhard Torsch in konkret 1/17.]


...

Textaris(txt*bot)

#308
Vorlauf & Kontexte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Chemnitz_2018

https://de.wikipedia.org/wiki/Rock_gegen_Rechts#Chemnitz_2018

Quote... Gegenüber der Rheinischen Post wiederholte Seehofer am Donnerstag seine Wortwahl: "Die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land. Das sage ich seit drei Jahren."

Es ist verständlich, wenn Menschen in Chemnitz nach einem tragischen Tötungsdelikt wütend, fassungslos und empört sind. Es ist nicht verständlich, wenn sie an Aufmärschen rechtsextremer Gruppierungen teilnehmen, bei denen Ausländer gejagt und Hitlergrüße gezeigt werden. Und die Grenze verläuft auch nicht erst da, wo Straftatbestände wie versuchte Körperverletzung oder Volksverhetzung anfangen. Es reicht, dass Demonstranten "Ausländer raus", "Deutschland den Deutschen" oder "Frei, sozial, national" skandieren. Denn damit schüren sie Ängste, spalten eine Gesellschaft und schaden der Demokratie, die sie zu verteidigen meinen.

Von einem Innenminister könnte man erwarten, dass er in solchen Momenten mahnend an Ereignisse aus Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen erinnert. Anfang der 1990er-Jahre hatten Neonazis Ausländer schon einmal für vogelfrei erklärt. Stattdessen aber sieht Seehofer Migration pauschal als Übel und Quelle aller Missstände. Das ist ungefähr so, als würde man hinter jedem Bayern einen Serienmörder vermuten, weil Horst David, der berüchtigte "Würger von Regensburg", in den 1970er-Jahren zahlreiche Frauen tötete. Und es ist geschichtsvergessen: Ohne Migration wäre Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in diesem Maße zu Wohlstand gekommen, auf das es stolz sein kann.

Man mag über das Wort "Hetzjagd" streiten. Dass aber Ausländer bei den Demonstrationen nach dem Tod von Daniel H. um Leib und Leben fürchten mussten, steht außer Frage. Das ist auf einzelnen Twittervideos zu sehen. Das war bei den Demonstration merklich zu spüren. Das haben Watchblogs wie Der Rechte Rand rekonstruiert – und last, but not least: Das erzählten VICE gegenüber auch diejenigen, die davon betroffen waren, nämlich Migranten selbst.

Es ist ein Irrglaube, man könne Rechtspopulisten schwächen, indem man ihre Positionen kopiert. Genau das tut Horst Seehofer aber seit Monaten.


Aus: "Seehofers Äußerungen zu Chemnitz zeigen, dass er rein gar nichts verstanden hat" Jan Karon (Sep. 6 2018)
Quelle: https://www.vice.com/de/article/mb4mkn/seehofers-ausserungen-zu-chemnitz-zeigen-dass-er-rein-gar-nichts-verstanden-hat

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/chemnitz-verfassungsschutzpraesident-hans-georg-maassen-thomas-oppermann-spd

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/verfassungsschutz-hans-georg-maassen-chemnitz-hetzjagd

http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/maasen-video-chemnitz-101.html


Zeitgleich zu den Ausschreitungen in Chemnitz am 27. August sollen Neonazis ein jüdisches Restaurant in Chemnitz angegriffen haben. Gegen 21.40 Uhr hätten etwa zwölf schwarz gekleidete Angreifer das Lokal Schalom mit Steinen, Flaschen und einem abgesägten Stahlrohr beworfen und "Hau ab aus Deutschland, du Judensau" gerufen, berichtet die Welt.  ...
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/antisemitismus-juedisches-restaurant-chemnitz-angriff-neonazis


QuoteDie Oben-Partei #16

Ich bin sicher, unser Verfassungsschutzpräsitdent kann uns beruhigen, dass das in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden hat.


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Quote[....]  Tausende Chemnitzer sind wieder gegen andere Chemnitzer auf die Straße gegangen. Der Graben zwischen Links und Rechts ist auch einer zwischen Jung und Alt.

... Dass unter Pro Chemnitz am vergangenen Samstag rechtsextreme Parolen gerufen und Hitlergrüße gezeigt wurden, möchte sie nicht glauben. Ihre Freundin sei hier, weil sie den Glauben an den Rechtsstaat verloren habe und an Angela Merkel. Das eint sie mit dem Rest. "Merkel muss weg" wird der lauteste Schlachtruf dieses Protests sein.

Bevor sich der Zug in Bewegung setzt, mahnt der Sprecher von Pro Chemnitz die Demonstranten, Journalisten nicht anzugreifen. Außerdem seien Faschisten und "Rechten-Arm-Heber" hier nicht geduldet. "Wenn ihr bei 1945 stehen geblieben seid, ist das okay, aber dann seid ihr hier nicht richtig. Wir wollen die Probleme 2018 angehen. Wir sind Demokraten", ruft er. Auch SPD-Wähler und Grüne seien willkommen. Es ist ein Versuch, sich in die Mitte der Gesellschaft zu drängen. Er wird noch absurder, als die Menge anfängt, "Wir sind mehr" zu schreien, als sie sich die Botschaft der Gegenseite aneignet.

... Kinder demonstrieren gegen ihre Eltern. Eltern demonstrieren gegen ihre Kinder. Der Abstand zwischen ihnen ist groß, so groß, dass es an diesem Abend auch real kaum eine Chance gibt, dass die beiden Seiten aufeinander treffen. Zwischen den Demonstrationsrouten liegen zu jeder Zeit mehrere Straßenzüge und der Theaterplatz, auf dem das bürgerliche Chemnitz auf Bänken sitzt und Beethovens 9. Sinfonie lauscht, organisiert von den Kulturbetrieben der Stadt. Das ist ihr Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Gewalt.

...


Aus: "Jung gegen Alt, Alt gegen Jung" Eine Reportage von Carolin Würfel, Chemnitz (8. September 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/chemnitz-proteste-pro-chemnitz-jung-alt/komplettansicht

Quoter.schewietzek #2

Daß der Riß durch Familien gehen kann, bezweifle ich nicht - aber die politische Positionierung aufs Alter zurück zu führen, ist m.E. der Sache nicht dienlich. Auch bei den Neonazis und Rechtsextremen waren junge Leute dabei - leider. ...


Quotenabendallerseits #2.13

... "Vielleicht ist es eher eine Frage der Bildung - sowohl beruflicher Bildung als auch allgemeiner Bildung."

Faengt das jetzt wieder von vorne an? Wie bei Pergida (oder wie auch immer der Verein hiess): Erst sind's nur die Dummen, dann sind's die Abgehangenen (Wiedervereinigungsverieter), dann die Ewiggestrigen, dann die Schon-Immer-Nazis ...

Dann stellt sich raus: Alles auch nur Schubladendenken, so einfach isses nun mal nicht.

Jetzt wird hier unbeholfen mit der alt-jung Messlatte herumhantiert. Was fuer ein Stuss.

... Vielleicht sollte man diese postuliert eindimensionale Sichtweise einfach mal bleiben lassen. Und wer das einfach nicht schafft und meint jedes Phaenomen habe nur monokausale Ursachen, na der sollte - egal ob Forist oder Journalist - sich vielleicht mal die Frage seiner Bildung - sowohl beruflicher Bildung als auch allgemeiner Bildung - selber stellen, bevorzugt bevor er sich zu irgendeiner demonstrierenden Meute dazugesellt.


Quote
r.schewietzek #2.18

Also ich bin ja auch in sozialen Netzwerken unterwegs - und da fällt schon auf, daß da bei etlichen Foristen in extrem rechten Kreisen selbst die einfachste orthographische Bildung fehlt. Von stringenter Argumentation ist da auch kaum was vorhanden. (Auch hier bei ZON kommen und gehen die Foristen aus diesem Milieu, wenn nach Argumentationssträngen gefragt wird bzw. diese gefordert werden. Das scheint ein immanentes Problem zu sein.) Außer platten Thesen kommt da oft so gut wie garnichts. Eine Diskussion ist da überhaupt nicht möglich - dazu müsste man nämlich inhaltliche Argumente haben und diese verteidigen.
Sie selber argumentieren ja auch eher weniger in Ihrem Beitrag. Warum gehen Sie inhaltlich auf den Artikel nicht ein?


QuoteHerr Mannelig #4

>>Jung gegen Alt, Alt gegen Jung<<
In der politischen Entwicklung ist es normal, dass junge Leute zu utopistischen Ideen neigen und linke Ideen haben. Dies ändert sich im Laufe des Lebens und Menschen werden aufgrund von Erfahrungen konservativer. Daher gibt es bei politischen Konflikten normalerweise immer einen Unterschied zwischen Jung und Alt.
Die Aussage hat also wenig Aussagekraft.


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"Helene Fischer spricht sich gegen Rassismus aus und erntet Shitstorm" (6. September 2018)
In der Schlagerwelt gilt Helene Fischer als einer der größten Stars – nun hat sich die deutsche Sängerin auch politisch zu den aktuellen Ereignissen in Chemnitz geäußert. Auf Facebook schrieb sie: "Wir können und dürfen nicht ausblenden, was zurzeit in unserem Land passiert, doch wir können zum Glück auch sehen, wie groß der Zusammenhalt gleichzeitig ist – das sollte uns stolz machen." Musik sei ein Zeichen der Verbundenheit. Dazu teilte sie den Hashtag #wirsindmehr, der für ein Konzert gegen Ausländerfeindlichkeit und rechtsextreme Gewalt in Chemnitz genutzt wurde. Das gefiel vielen Nutzern nicht. Fischers Posting zog viel positives Feedback an, sorgte aber auch für eine Welle an Hasspostings auf Facebook und Twitter. So schreibt ein Nutzer: "Ab sofort sind Sie für mich gestorben, ich werde alles von ihnen entsorgen, dem größten Teil Ihrer Fans sind Sie in den Rücken gefallen." Ein weiterer fordert sie auf, "einfach mal die Fresse zu halten", noch einer findet es "schade", dass Fischer "den Lemmingen" folge, ein anderer sieht sie als "Untertan des Systems". Ein User fordert Fischer auf, "eine Woche lang in einem Asylantenheim zu arbeiten", und fügt hinzu: "Mal sehen, wie lange es dauert, bis sie von ihren Goldstücken gefi... wird." Einige Nutzer wünschen der Sängerin den Tod, zahlreiche weitere kündigen an, ihre CDs zu entsorgen.
In Chemnitz hatten zahlreiche Bands wie die Toten Hosen, Kraftklub und der Rapper Marteria ein Konzert gegeben, um gegen Rassismus zu protestieren. 65.000 Personen sollen dieses besucht haben. Zuvor war es tagelang zu Demonstrationen von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung sowie zu Gegenprotesten gekommen. Anlass für die Proteste war die Tötung eines 35-jährigen Deutschen am Rande des Stadtfestes in Chemnitz. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Verdächtige befinden sich in Untersuchungshaft, nach einem weiteren wird derzeit gefahndet. Danach war es zu Demonstrationen und rassistischen Ausschreitungen gekommen, derzeit laufen 51 Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Hitlergrüßen und Körperverletzungsdelikten. (red, 5.9.2018)
https://derstandard.at/2000086775505/Helene-Fischer-spricht-sich-gegen-Rassismus-aus-erntet-Shitstorm

Quote
Cor Anglais

Wenn schon Schlagersängerinnen an die Front abkommandiert werden, um die Truppenmoral zu stärken, dann befindet sich das Regime erfahrungsgemäß im Endstadium.


Quote
Vanille Bourbon

da haben sie vollkommen recht. erfahrungsgemäß haben USA im 2. Weltkrieg Schlagersängerinnen an die Front geschickt, und das Regime war im Endstadium (natürlich das nazi-regime).


Quote
Novae

Wer sich an einem Shitstorm gegen einen Menschen beteiligt, der sich gegen Rassismus und für den Zusammenhalt der Gesellschaft äußert... sprechen wir es offen und glasklar aus... ist ein rassistisches, rechtes Würstchen PUNKT.


Quote
Gib Komplexen keine Chance!

Gerade die Linken führen doch täglich vor, dass sie andere Meinungen nicht aushalten können und daher die Nazikeule schwingen, sobald sich einer kritisch zur Asylpolitik äußert.


Quote
balkon102

Ah ja, von den sogennanten Linken gibt es regelmäßig Morddrohungen gegen Menschen mit anderen Meinungen und Vergewaltigungsankundigungen? Wo denn bitte?


Quote
Deadmouth

Zusammenfassung:
Man ist ein Sklave des Systems wenn man:
- kein "besorgter Bürger" ist
- Menschenrechte respektiert
- gegen Gewalt gegen Leute auf der Straße ist

...


Quote
Objekt-Sinn

Unseren täglichen shitstorm gib uns heute...


Quote
EUphoriker

>Einige Nutzer wünschen der Sängerin den Tod<

So sind sie halt, die Menschenfeinde...


Quotecoldturkey

,,... dem größten Teil Ihrer Fans sind Sie in den Rücken gefallen.,,

Das ist der große Irrtum, dem die rechten Hetzer unterliegen, bzw. das, was sie sich selbst und andere glauben machen wollen: dass sie die Mehrheit oder gar ,,das Volk" seien. Tatsächlich kann davon keine Rede sein. Dass der Eindruck bei oberflächlicher Betrachtung ihre Anmaßung zu bestätigen scheint, liegt einzig und allein daran, dass sie besonders aktiv und fleißig beim Versprühen ihres Gifts sind (möglicherweise weil sie sonst nicht viel zu tun haben?) und die Mehrheit jener Menschen, die ganz und gar nicht ihre Ansichten teilen, zu kultiviert, zu besonnen, zu sehr um Ausgleich und Frieden bemüht sind, um mit ihnen in den Ring zu steigen.




QuoteBeat Reader

in österreich wollten leute ambros-cds wegwerfen, in deutschland jetzt wollen leute fischer-cds entsorgen. die sind ja so lieb und anständig die westeuropäischen rassisten. in den usa wurden cds der dixie chicks, die sich in london öffentlich öffentlich gegen george w. bush ausprachen vor ungefähr 15 jahren, noch "standesgemäß" verbrannt. was ist los mit dem mob in der alten welt? die haben wohl kein feuer!


Quote
Joplaya31

Am widerlichsten sind jedesmal die Vergewaltigungswünsche. Das zeigt nur allzudeutlich das Frauenbild dieser selbsternannten neuen Werte und Frauenverteidiger. Wenn die Frau nämlich nicht das tut, was sie gerne hätten und es wagt eine eigene Meinung zu haben, wird gern mal mit Vergewaltigung und Mord gedroht.



Quotebloody-nine

helene fischer gibt ein statement gegen rassismus ab, und "fans" drohen, ihre cds zu verbrennen nike wirbt mit kaepernick, und "fans" verbrennen ihre sneakers und schneiden den swoosh aus ihren socken ambros nennt die fpö das, was sie ist, und "fans" drohen, ihre cds wegzuwerfen... und jahrzehntelang haben wir uns aufgepudelt über die massen in irgendwelchen städten im nahen osten, wenn sie US-fahnen verbrannt haben...


Quote
Humanismus ist heilbar

Ich glaub sie entsorgen nur, nicht verbrennen. Aber ja, seltsam genug. Enttäuschte Zuneigung halt, die Helene war doch immer so ... deutsch ...


Quote
krendl

Sie soll den Shitstorm als Auszeichnung sehen.
Und ihren Enkerln kann sie mal stolz davon berichten.


Quote
gensfleischs_erbe

Im Gegensatz zu Campino hat Helene Fischer hier etwas zu verlieren. Davor ziehe ich meinen Hut.


Quote
derechteBockerer

Feuer, das archaische Reinigungsmittel.
Was haben wir uns über die Iraner gewundert, die die amerikanische Flagge verbrannt haben.

Heute verbrennen die Amis Nike-Schuhe, die Deutschen Fischer-Platten und die Österreicher Ambros-Platten.

Wo ist da der Unterschied ? Alles die gleichen Narren ...


Quote
correcthorsebatterystaple

Ich denke, die Spaltung der Gesellschaft ist bereits vollzogen. Aber das kann natürlich auch noch schlimmer werden. Links-rechts ist aber nur ein Teil des Problems, dazu kommen noch die oben-unten und die innen-außen Linien. Wenn Seehofer meint, Migration sei die Mutter aller Probleme, dann kann ich nur sagen: nein, es ist die Trennung der Menschen in jene, die drin sind, und jene, die draußen sind oder in der Gefahr schweben. Links/rechts ist nur unterschiedlicher Meinung, wie man mit denen "unten" und "draußen" umgehen sollte - vergessen nur leider, wie schnell man selbst dort landet. Außer natürlich man ist hochbezahlter Politiker oder gehört zu den oberen 3%, dann kann man getrost schwarz oder blau wählen. ...


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Quote[...] Die Einschätzung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), es habe in Chemnitz "keinen Mob, keine Hetzjagd" gegeben, lässt sich auch nach einem internen Lagefilm der Polizei kaum halten. Laut dem ZDF-Magazin "Frontal 21" geht aus dem Lagefilm der Polizei hervor, dass es die Polizei Chemnitz am 27. August mit einer intensiven Bedrohungslage zu tun hatte. Nach dem gewaltsamen Tod des 35-jährigen Daniel H. in Chemnitz hatte es an dem Wochenende Demonstrationen und Proteste gegeben, an denen sich Rechtsextremisten beteiligten. Weiter gehe aus dem Polizeibericht hervor, berichtet "Frontal", dass es am 27. August zwischen 21 Uhr und 22 Uhr mehrfach Versuche rechtsgerichteter Gewalttäter gab, linke Demonstranten oder Ausländer zu attackieren. Um 21.42 Uhr heißt es in dem Bericht: "100 vermummte Personen (rechts) suchen Ausländer."

Für 21.47 Uhr vermeldet laut "Frontal 21" der Bericht: "20 bis 30 vermummte Personen mit Steinen bewaffnet in Richtung Brühl, Gaststätte "Schalom"". Die angezeigte Attacke auf das jüdische Restaurant in Chemnitz hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Außerdem berichtete "Frontal", dass ein Mann, der in Chemnitz aus einer spontanen Demonstration heraus ausländisch aussehende Menschen attackiert haben soll, angeblich Mitarbeiter einer bundesweit tätigen Sicherheitsfirma gewesen sei. Demnach bestätigte ein Sprecher des Unternehmens Securitas, dass der Vorfall und Mitarbeiter dort bekannt seien. Schon Ende August habe man sich "mit sofortiger Wirkung von dem Mitarbeiter getrennt, weniger als zwölf Stunden, nachdem uns das Video bekannt wurde", wird der Sprecher zitiert.

...


Aus: "Chemnitz und Köthen "100 vermummte Personen (rechts) suchen Ausländer"" (12.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/chemnitz-und-koethen-100-vermummte-personen-rechts-suchen-auslaender/23056202.html
...

Textaris(txt*bot)

#309
"Weniger Moral, mehr Politik!" Bernd Ulrich (5. September 2018, 17:00 Uhr Editiert am 9. September 2018, 11:49 Uhr DIE ZEIT Nr. 37/2018)
Die einen regen sich über undankbare Flüchtlinge auf, die anderen über SUV-Fahrer. Empörung von allen Seiten. Aber es gibt einen Ausweg aus dieser Übermoral.
Kommentar zu: https://www.zeit.de/2018/37/moral-hypermoral-ideologiekritik-arnold-gehlen

Quote
Christian W. #11

Herrje Zeit-Online, kommt mal aus eurer akademischen Filterblase!
Die meisten Menschen da draußen interessiert es einen Scheiß, was sich irgendwelche Dozenten mit zu viel Tagesfreizeit an der Uni ausgedacht haben.
Meine Erfahrung ist, dass es genau andersherum ist, die Menschen werden immer unmoralischer, sie werden immer egoistischer, wollen alles haben, aber das darf nichts kosten, immer rücksichtsloser und der Grundrespekt ist auch weg.
Aber ich hänge ja auch privat nur mit normalen Arbeitern und Angestellten aus der unteren Mittelschicht rum und verkaufe Lebensmittel, vielleicht kommt ich daher auch zu anderen Ergebnissen.



QuoteZivilisationswächter #11.1

Meine Erfahrung ist, dass es genau andersherum ist, die Menschen werden immer unmoralischer, sie werden immer egoistischer, wollen alles haben, aber das darf nichts kosten, immer rücksichtsloser und der Grundrespekt ist auch weg.

Sie meinen also, die grundlegende Arschlochisierung der Gesellschaft ist bereits weit fortgeschritten? Dem würde ich aus meiner Erfahrung heraus zustimmen.
Aber gerade das sollte doch die Notwendigkeit eines moralischen Handelns klar verdeutliochen, oder nicht?


QuoteStehaufmann #11.2

Die Menschen sind nicht mehr "Arschloch", sondern es gibt immer weniger Gemeinsamkeit. Wenn es aber keine allgemeinverbindlichen Regeln mehr gibt, dann steigt die Anzahl der Interaktionen, die als "feindlich" wahrgenommen werden.

Eines der Gründe, warum ich immer wieder und wieder gegen "Neuaushandeln" von Zusammenleben eindringlichst warne ! Das ist nämlich nichts als Code für (heißen oder kalten) Bürgerkrieg .... verstehen die Meisten aber nicht !


QuoteArnd-Matthias Langner #12

"Früher war weniger Moral. Nicht in dem Sinne, dass die Menschen zu anderen Zeiten unmoralischer gehandelt hätten, gemeint ist etwas anderes: Der Geltungsbereich des Moralischen, ...scheint sich zuletzt rasant ausgedehnt zu haben."

Richtig. Und "früher" hat man vielleicht auch etwas trennschärfer unterschieden zwischen Moral einerseits und Phärisäertum bzw. Heuchelei andererseits.

Moral ist meine sehr individuelle Konsequenz aus meinen ethischen Prinzipien. Es ist meine genuine Entscheidung und ich(!) trage die kosten und Folgen meiner Überzeugung, statt sie anderen aufzuerlegen.

Heuchelei und an der ist der Zeitgeist überreich, ist das billige(!) Erheben moralischer Ansprüche an Andere. Andere sollen das tun was ich will - und was mir deswegen nicht weh tun würde wenn es gesetzlich geboten würde, und das lassen was mir ohnehin keinen Spaß macht und worauf ich deswegen auch nicht verzichten müsste, wenn ich VERBOT (für alle) schreie.

Ich will meinen Empathiekick und die Rechnung dafür möchte ich eigentlich gern vergesellschaften. Ich möchte in einem hömogenen Bullerbü leben und deswegen sollen gefälligst alle nach meiner Facon selig werden.

Gerade die Christen, die gern mit christlicher Moral argumentieren sind selten in der Rolle des armen Witwe, die ohne viel Aufhebens ihre Scherflein ihrer Überzeugung opfert, sie sind oft genug in der Rolle des Pharisäers mit dem erigierten moralischen Zeigefinger, der auf die Person (und in den Geldbeutel) des Nächsten zielt.


Quote
Tordenskjold #21

Ein gut formulierter Artikel, der am Ende aber lediglich nur den Begriff der Moral abwertet.

Quasi die akademische Variante des rechten Lamentos über die "Gutmenschen". Ja, die Moral der bösen "Teddybärschwenker" und "Veggie Day"-Befürworter ist oft widersprüchlich, anstrengend, intolerant.

Aber das Gegenteil ist der komplett moralbefreite völkisch/nationale Rassismus, der seine inhumanen Ansichten inzwischen komplett hemmungslos hinausposaunt.

Aber wo keine Moral mehr ist, da kann man sie natürlich auch nicht kritisieren.


Textaris(txt*bot)

#310
Quote[...] die treten intellektuell und höflich auf. Zehn junge Männer sammeln an einem Infostand von Realität Islam in Frankfurt Unterschriften gegen ein Kopftuchverbot. "Die Jungs sind sehr lieb. Ich finde es gut, dass man mal eine andere Seite vom Islam sieht", sagt eine junge Passantin am Stand.

Die Kampagne "Erhebe deine Stimme gegen das Kopftuchverbot" kommt bei vielen gut an. On- und offline haben Realität Islam (vor allem im Rhein-Main-Gebiet und in Nordrhein-Westfalen aktiv) und die Gruppierung Generation Islam aus Hamburg nach eigenen Angaben bereits rund 140.000 Unterschriften gesammelt. Sie reagierten damit auf die Überlegung der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Kopftuch für Mädchen unter 14 Jahren in Schulen zu verbieten. Die CDU-FDP-Landesregierung prüft, ob noch nicht religionsmündige Kinder so vor familiärem Zwang geschützt werden können.

"Die Unterschriftenkampagne soll den Eindruck erwecken, als stünde in Deutschland ein generelles Kopftuchverbot bevor", sagt Maik Fielitz vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Die Botschaft der Kampagne an junge Muslime sei, die eigene muslimische Identität im Kampf gegen das angeblich drohende Kopftuchverbot zu stärken.

Dahinter stecken jedoch laut Verfassungsschutzbehörden von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Hamburg weit größere Ziele. Die Organisationen wollten die parlamentarische Demokratie durch ein Kalifat mit den Regeln der Scharia ersetzen. Man schließe ein "hohes islamistisches Radikalisierungspotential der Gruppierung Realität Islam nicht aus", zitiert hr-iNFO das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz. 

Zu dieser Bewertung kommen die Behörden, weil die Gruppierungen in "gedanklicher Nähe" zur Hizb ut-Tahrir stünden. Die internationale Organisation ist in Deutschland verboten. Denn Hizb ut-Tahrir bestreite nicht nur das Existenzrecht des Staates Israel, sondern rufe sogar zur Vernichtung Israels und zur Tötung von Juden auf. So begründete im Jahr 2003 das Bundesinnenministerium das Verbot.

Auslöser des Verbotes war eine Hizb ut-Tahrir-Großveranstaltung im Jahr zuvor in Berlin. Dort traten auch der damalige NPD-Vorsitzende Udo Voigt, und der NPD-Prozessbevollmächtigte und Ex-RAF-Terrorist Horst Mahler auf. Islamisten und Rechtsextremisten fanden über den Antisemitismus zusammen.

Aktuell bekommen nun Gruppierungen wie Realität Islam und Generation Islam Zulauf, die gedanklich der Hizb ut-Tahir nahe stehen. Bislang gaben die Salafisten im islamistischen Spektrum den Ton an. "Doch durch die Auseinandersetzungen um ihr Verhältnis zur Terrormiliz IS ist die Szene zerstritten", sagt Islamismusexpertin Claudia Dantschke von der Gesellschaft Demokratische Kultur in Berlin. Außerdem habe das Verbot des Predigernetzwerks Die Wahre Religion den Salafisten schwer zugesetzt. "So ist eine Leerstelle vor allem im missionarischen Bereich entstanden", sagt Dantschke.

Diese Lücke füllen die Hizbis. Mit Unterschriftensammlungen in Moscheen und Aufrufen an Hijab-Shops rekrutierten sie Nachwuchs und strebten die Meinungsführerschaft an. Dantschke hält sie für "hochgradig gefährlich", weil sie mit ihrer Opferideologie Sympathisanten finden. "Ihre Argumentation gegen das angebliche Kopftuchverbot zielt bei jungen Muslimen auf das Gefühl ab, sie sollten nicht dazu gehören."

Dantschke hatte schon damals im Jahr 2002 die Annäherung zwischen Hizb ut-Tahrir und Rechtsextremen öffentlich gemacht. Auch heute sieht sie in beiden Bewegungen einen "ethnopluralistischen Ansatz". Die Hizbi-Ideologie verspreche nämlich: Wenn wir ein Kalifat haben, ziehen wir dorthin und ihr Deutschen könnt unter euch bleiben.

Forschungen vom Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft zeigen ebenfalls Parallelen. "Islamisten und Rechtsextreme agieren gleichzeitig aus einer Stärke- und Schwächeposition: Auf der einen Seite fühlen sie sich gegenüber anderen überlegen, auf der anderen Seite fühlen sie sich permanent zu Unrecht diskriminiert und bedroht", heißt es in einer Studie.

Sowohl Rechtsextreme als auch Islamisten zeichnen ein apokalyptisches Weltbild. "Sie propagieren den Untergang der traditionellen Lebensform und gehen gleichzeitig von der Auslöschung der eigenen Gruppe aus", sagt der an der Studie beteiligte Rechtsextremismusforscher Fielitz.

Eine Anfrage zu der Kopftuchkampagne hat Realität Islam bislang nicht beantwortet. In einem Video kommentiert ein Aktivist jedoch die Berichterstattung. Sie entspräche einer wiederkehrenden Methode, "um muslimische Stimmen aus den Diskursräumen fernzuhalten und die Deutungshoheit über das, was gesagt und gedacht werden darf, in die Hände staatlicher Behörden und ihrer Lakaien zu legen".


Aus: "Islamismus: Jung, muslimisch und identitär" Eine Analyse von Volker Siefert (9. September 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/islamismus-aktivismus-kopftuchverbot-identitaer/komplettansicht

QuoteLavendelzweig #1

Wenn das so weitergeht, bilden sich bald nur noch Blöcke in Deutschland, die sich gegenüber stehen.
Wo ist die Gemeinschaft?


QuoteKunsthaus #4

Langsam wird es langweilig. Hinz und Kunz gründen einen neuen Bauchladen. Der eine ideologisch, der andere religiös. Haben wir denn wirklich keine anderen Probleme?


QuoteKönigX #18

"Zehn junge Männer sammeln an einem Infostand von Realität Islam in Frankfurt Unterschriften gegen ein Kopftuchverbot. "

Ja die Tatsache das es nur Männer sind, fühlt sich irgendwie gar nicht richtig an ...

QuoteDerStandard #45

Das Kopftuch unterscheidet im Glauben des Islam "reine" von "unreinen" Menschen.

Was für einen Sinn hat es bereits kleinen Kindern diese menschenverachtende Denke einzutrichtern?


QuoteINGEN79 #43

Ob eine Frau ein Kopftuch trägt oder ohne Oberteil barbusig am Bagersee liegt sollte jeder Frau selbst entscheiden. Wichtig ist das man das respektiert.


Quote
Sendepause #25

Wo Identität brüchig geworden ist, hat die identitäre Ersatz-Utopie leichtes Spiel. Ein kulturübergreifendes Phänomen.


...

Textaris(txt*bot)

#311
Quote[...] Am 9. September 2016 leistete sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton einen Lapsus, den sie wahrscheinlich noch heute bereut. Auch wenn sich das vielleicht grob verallgemeinernd anhöre, sagte sie vor Spendern in New York, könne man die Anhänger Donald Trumps zur Hälfte in das sortieren, "was ich einen Korb der Bedauernswerten nenne". Es dauerte nicht lange, da trugen die Fans des Immobilienunternehmers T-Shirts mit einer Zeile, aus der sowohl trotziger Rebellengeist als auch Verachtung für die politische Elite, zu der Clinton gehörte, sprachen: "I am a deplorable – and damn proud of it" – "Ich bin ein Bedauernswerter – und verdammt stolz darauf". Genau hier versucht Steve Bannon anzuknüpfen – mit einem Film, der auf den Tag genau zwei Jahre nach Clintons Fauxpas Premiere feiert. Mit "Trump @ War" (Trump im Krieg), so der Titel des Streifens, will Bannon die Basis der Republikaner mobilisieren, auf dass sie am 6. November, dem Tag des Kongressvotums, den sogenannten Midterms, zahlreich an den Urnen erscheinen. Um sie aufzustacheln, lässt er den Kulturkonflikt des Jahres 2016 wiederaufleben, so simpel und karikaturistisch es nur geht. Auf der einen Seite der Barrikade verortet er das vermeintlich arrogante Establishment, verteidigt von CNN-Moderatoren und angeführt von Nancy Pelosi, der Nummer eins der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hassfigur der Rechten.

Auf der anderen stehen die "deplorables", die in Trump ihren Erlöser gefunden haben. Bannon will Emotionen aufwühlen – eine Strategie, die er neulich im Gespräch mit dem Onlineportal "Axios" auf den Punkt brachte. "Wenn du ein Beklagenswerter bist, wirst du buchstäblich mit der Mistgabel in der Hand auf deinem Stuhl stehen und dir sagen: Ich muss die Leute dazu bringen, wählen zu gehen." Die Mistgabel: In der Mythologie der USA ist sie ein Symbol des Sich-Auflehnens gegen die Elitären.

Bannon, der Wahlstratege: Neuerdings fällt seine Bilanz eher mager aus, geprägt durch eine Serie blamabler Niederlagen. Im August, als die Republikaner in Arizona zu entscheiden hatten, wen sie anstelle des ausscheidenden Trump-Kritikers Jeff Flake ins Rennen um einen Sitz im US-Senat schicken, unterstützte er mit Kelli Ward eine dezidiert in der Tradition der Tea Party stehende Politikerin. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten, und dieser Sturm ist Kelli Ward", dröhnte Bannon. Am Ende zog seine Favoritin klar den Kürzeren. Im Dezember hatte er die Trommel für Roy Moore gerührt, einen erzkonservativen Richter, der Senator Alabamas werden wollte, dann aber einem Demokraten den Vortritt lassen musste – was in Alabama im Duell zwischen den beiden großen Parteien höchst selten passiert. Moore, der den bibelfesten Moralapostel gab, hatte in den 1970er-Jahren Mädchen im Teenageralter sexuell belästigt. Und wie Bannon an seiner Seite auftrat, in zerbeulten Hosen, mit strähnigem Haar, als habe er kein Zuhause, lieferte er den Late-Night-Satirikern Steilvorlagen für beißenden Spott. Damals schien es, als habe er den Zenit seiner Macht bereits überschritten. Es schien, als bewahrheite sich, was Donald Trump prophezeite, nachdem er sich mit dem Architekten seiner America-first-Kampagne überworfen hatte. Der "schlampige Steve" werde untergehen, er vertrete seine, Trumps, Basis nicht: "Er macht das nur für sich selbst."

Bannon, im Sommer 2017 auf Drängen von Trumps Stabschef John Kelly entlassen, hatte dem Journalisten Michael Wolff Brisantes aus dem Innenleben des Weißen Hauses erzählt. Wolff schöpfte aus der Quelle, um sein Buch "Fire and Fury" zu schreiben. Zwischen Trump und seinem Chefideologen schien das Tischtuch zerschnitten, was dazu geführt haben soll, dass die Milliardärstochter Rebekah Mercer ihrem einstigen Protegé Bannon den Geldhahn zudrehte. Der wiederum versuchte sein Glück in Europa.

Erst solidarisierte er sich mit Marine Le Pen und dem Front National, dann mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán und mit dem italienischen Rechtspopulisten Matteo Salvini. Im Juli verkündete er den Plan, ein Sammelbecken für europäische Rechtspopulisten gründen zu wollen: The Movement (Die Bewegung). "Ich versuche, die Infrastruktur für eine globale populistische Bewegung zu sein", erläuterte er der "New York Times" seine Philosophie. Im eigenen Land rief er vor kurzem die Gruppe "Bürger der amerikanischen Republik" ins Leben. Sie soll, so hat es der frühere Investmentbanker formuliert, für Trumps Agenda kämpfen und den Präsidenten vor einem Amtsenthebungsverfahren bewahren. "Trump @ War" ist die cineastische Untermalung dazu. (Frank Herrmann aus Washington, 10.9.2018)



Aus: "Bannon mit neuem Film "Trump @ War" wieder auf Kriegspfad" Frank Herrmann aus Washington (10. September 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000087008493/Bannon-mit-neuem-Film-Trump-War-wieder-auf-Kriegspfad

Quote
Nornje

Man sieht, dass die Ultrakonservativen damit Punkten, dass sie sich als Vertreter der Loser aufspielen um dann mit einer industriehörigen Politik gegen ihre Wähler zu arbeiten. ...


Quote
ralfiii

Inhalte sind mit Trump und Türkischblau abgewählt worden. Man wählt scheinbar Emotionen. Und wenn man zornig ist, dann wählt man eine zornige Partei, auch wenn einem selbst das nur schadet. Es bleibt (bei uns) die "Hoffnung". dass die "bösen Ausländer" noch schlechter abschneiden.
Ja, das ist dumm. Aber das scheint die "neue Demokratie" zu sein.


Quote
Hasan_Vural

Wann sehen es die Ami-Linken endlich ein dass sie verloren haben. Diese ganzen Bücher und Film, die letzter Zeit veröffentlicht werden gehen mir gehörig auf den Zeiger.


Quote
derechteBockerer

Verstehe, dass ihnen Bücher auf die Nerven gehen.
Lesen ist ja auch mehr was für Linke. ...


Quote
galiontariaho

Wirklich traurig ist, dass so banale Propaganda sogar funktioniert. Hier wird ja nicht subtil mit Sprache und Symbolik gespielt, da wird nicht etwas abgeholt, das tief in einem schlummern mag, nein das ist Banalismus auf niedrigstem Level bei dem man knapp davor steht es als Satire zu bezeichnen und doch hat genau diese Lächrelichkeit 2016 fast 50% der Wähler abgeholt.
Das spricht nicht gerade für die Wähler, dezent ausgedrückt. Amüsant dabei auch, dass heute noch das Feindbild Clinton bemüht werden muss und kann. 2 Jahre nach der Wahl wird noch immer "lock her up" gerufen. ...


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Quote[...] "Ich bin hier, um eine simple Botschaft zu überbringen: Ihr müsst wählen, weil unsere Demokratie davon abhängt." ...

"Die Politik der Spaltung, des Ressentiments und der Paranoia haben leider in der Republikanischen Partei ein Zuhause gefunden. (...) Das ist nicht konservativ. Es ist sicher nicht normal. Es ist radikal." ...

... "Die Behauptung, dass alles gut wird, weil es Leute im Inneren des Weißen Hauses gibt, die heimlich den Anweisungen des Präsidenten nicht folgen – das ist keine Kontrolle. Das ist nicht, wie unsere Demokratie funktionieren soll. Diese Menschen sind nicht gewählt. Sie können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sie erweisen uns keinen Dienst, indem sie 90 Prozent des verrückten Zeugs vorantreiben, das aus diesem Weißen Haus kommt, und dann sagen: 'Keine Sorge, wir verhindern die anderen zehn Prozent.' So sollten die Dinge nicht funktionieren. Das ist nicht normal. Das sind außergewöhnliche Zeiten. Und es sind gefährliche Zeiten.

"Letztendlich kommt die Bedrohung für unsere Demokratie nicht nur von Donald Trump oder der aktuellen Besetzung der Republikaner im Kongress oder den Koch-Brüdern und ihren Lobbyisten oder zu vielen Kompromissen von Demokraten oder russischem Hacking. Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist Gleichgültigkeit." "Solltet ihr gedacht haben, dass Wahlen keine Rolle spielen, dann hoffe ich, dass die beiden vergangenen Jahre diesen Eindruck korrigiert haben." "Wenn euch also nicht gefällt, was gerade passiert – und das sollte es nicht -, beschwert euch nicht. Nutzt keinen Hashtag. Werdet nicht ängstlich. Zieht euch nicht zurück. Steigert euch nicht in Extreme hinein. Verliert euch nicht in ironischer Distanz. Steckt euren Kopf nicht in den Sand. Jammert nicht. Wählt." (Barack Obama, 9.9.2018)


Aus: "Barack Obama: "Jammert nicht. Wählt"" Barack Obama (9. September 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000087006139-377/Barack-Obama-Jammert-nicht-Waehlt

Quote
Resilein

Spach der friedensnobelpreisträger der massenhaft tote zu verantworten hat.


Quote
good vibration

Der Friedensnobelpreisgeschminkte ist in Wirklichkeit Warlord und Drohnenkönig - der Gescholtene Trump in Wirklichkeit weit besser für den Weltfrieden und das Medien-Establishment kann diese Fakten noch immer nicht transportieren, sind halt sehr träge.


Quote
Teutonix76

Objektive Diskussion oder Affenzirkus - Verstehe nicht daß jeder Kommentar "pro-Obama" mit überschwänglichem Lob bedacht wird und jeder der einen eher kritische Kommentar schreibt gleich mit negativen Bewertungen überhäuft wird.
Warum betrachtet man die Amtszeiten von Herrn Obama nicht mal objektiv ohne gleich als "Trump Lover" diffamiert zu werden.

Positiv
- Krankenversicherung
- exzellenter Redner
- kann dynamisch über Treppen schweben

Negativ
- Guantanamo NICHT geschlossen
- Kriege im Irak und Afghanistan ausgeweitet ohne konkreten Lösungsansatz
- arabischer Frühling mit angeschoben und was das in der Region angerichtet hat ist ja allen bekannt
- schlecht finanzierte Krankenversicherung (s. o.)
- Ukraine / Krim Konflikt eskalieren lassen
- NSA Skandal NICHT aufgeklärt


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carcharodon carcharias

Was ich nicht leiden kann sind Halbwahrheiten
Obama wollte Guantanamo 2x schließen, es scheiterte jedesmal an den Gegenstimmen der Reps.
Und der Rest Ihrer Negativpositionen ist einfach falsch.

Diskussion? Wie wollen Sie bei Ihrer Propaganda eine Diskussion führen? Was bitte ist an Ihrem Kommentar objektiv?


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HookMind

"Verliert euch nicht in ironischer Distanz"
Trifft es doch wirklich gut...


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Krallenspine

Obamas Präsidentschaft war jetzt auch nicht das gelbe vom Ei. Aber zumindest ist der Typ ein guter Redner, sympathisch und ein wahrer Staatsmann. Vermisse ihn in dieser Hinsicht schon, wenn man sich ansieht, wer jetzt in den USA das Sagen hat...


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fotoreporter.vienna

Barack Obama, interessant ist seine Biographie (vor der Präsidentschaftswahl 2008 geschrieben) zu lesen, wie er von Tür zu Tür gegangen ist und sich langsam hochgearbeitet hat - sich die Sorgen von einfachen Bürgern angehört hat. Trump weiß nicht einmal was ein einfacher Bürger ist. ...


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Politischer Insider

Alles, was Obama jemals konnte, war große Reden schwingen. Da reicht ihm keiner das Wasser und das reicht leider um die Mehrheit zu beeindrucken. Think about it!


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Julian Rüther

So ist es also. Politische Inhalte egal, Hauptsache gegen das demokratische Establishment.


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_sC_

Was für eine Rede, was für ein Staatsmann. Beim aktiven US Präsident kann man nur die Hände überm Kopf zusammenschlagen.


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ScottHastings1

Die Botschaft, daß die Leute wählen gehen sollen anstatt nur ein Like bei Facebook zu vergeben oder eine Twitter-Nachricht weiterzuverbreiten kann man nur unterstreichen. Eine Stimme ist keine Garantie, daß es so kommt wie man es sich wünscht aber wer nicht wählt, der braucht sich wirklich nicht beschweren, wenn ihm das Ergebnis nicht gefällt. Das scheint mir besonders bei solchen Wahlen geboten, bei denen es eine starke Polarisierung zwischen jüngeren und älteren Wählern gibt und letztere deutlich disziplinierter zur Urne schreiten (Stichwort Brexit).


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Immanuel Krank

Ich hab mir die Rede fast ganz angesehen, da wird
wieder deutlich was für Unterschied zwischen Obama und Trump herrscht. Der direkte Vergleich ist so unglaublich. Das ist wie wenn man ein Formel 1 Auto gegen einen VW Polo antreten lässt. Oder einen Schwergewichsweltmeister gegen einen Volksschüler nach einem Jahr Judo.


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ready.player.one.

1:0 beim Telepromter-Ablesen für Obama!


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Optimist+Pessimist=Realist

Wenigstens ergeben diese sätze zumindest irgendeinen sinn als der tägliche twitterdurchfall des derzeitigen POTUS.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Alle Kinder haben eine frühe Phase, in der sie Da-und-weg-Spiele lieben. Hände vor die Augen: ,,Ich bin weg!" Hände herunter: ,,Ich bin wieder da!" Donald Woods Winnicott, der Vater aller Kinderpsychologie, sah darin einen wichtigen Schritt der Entwicklung. Das Kind drückt sein Bedürfnis aus entdeckt und gesehen zu werden und zugleich seinen Wunsch, intim für sich zu sein. Es agiert im Möglichkeitsraum, in einem potential space. So, im Spiel mit Ich und Nicht-Ich, arbeitet es an seiner Selbstwerdung. Weder ,,da" noch ,,weg" sind dabei absolut, zwischen beidem gibt es andauernde Bewegung.

Kindliche Versteckspiele gehören zum magischen Denken, worin Wunsch und Wirklichkeit noch ineinander verwoben sind und sein müssen. Wo heute auf den Straßen des Landes ,,Merkel muss weg!" skandiert wird, rutschen die Rufenden in eine solche magische Phase, allerdings ohne Bewusstsein dessen, dass und wie ihr Weg-Ruf einen Möglichkeitsraum zertrümmern statt schaffen will. ,,Mutti Merkel" steht hier, wie im infantilen Diktum des Innenministers von der ,,Migration als Mutter aller Probleme" für eben diese, die Migration. Im Subtext heißt es ,,Migranten müssen weg!", und die Quintessenz der Fantasie lautet: Ist Merkel erst ,,weg", sind auch die Migranten ,,weg".

Es handelt sich mithin um eine magisch-aggressive Säuberungsfantasie, begleitet von verbalen bis handfesten Akten der Feindseligkeit. So eint der Weg-Spruch ein breites, rechtes Spektrum. Chöre von Neonazis grölen ihn ebenso wie AfD-Demonstranten oder einzelne Verteidiger des christlichen Abendlands. Den komischen Aspekt des Wegwünschens betonte die Kinokomödie ,,Frau Müller muss weg!" von 2015, in der Dresdner Eltern gegen eine Lehrerin revoltieren, die ihren Kindern keine guten Noten erteilt.

Strukturell ähnlich verfährt die inzwischen gängige Rede, wonach für jemanden oder etwas ,,kein Platz" im Land sei. Michael Kretschmer erklärte unlängst: ,,Für Extremismus ist in Sachsen kein Platz". Wahlweise heißt es auch, für Rassismus, Islamismus, Neonazis und so fort sei ,,kein Platz" im Land. Bayerns AfD wirbt neuerdings auf Wahlplakaten für ,,islamfreie Schulen" – und würde gewiss das Mitgemeinte leugnen, nämlich dass für muslimische Kinder kein Platz an deutschen Schulen sei, beziehungsweise sein sollte.

Wer ,,muss weg" oder ,,kein Platz" sagt beschreibt weder Sachverhalt nach Position, sucht nicht nach Analysen und Strategien, liefert keine politischen Argumente, sondern spricht von einem irrationalen Begehren, möchte jemanden oder etwas, einen Umstand, fortschaffen, verklappen, weghaben, nicht wahrhaben. Das ist erlaubt, Wünschen ist nicht verboten. Sogar Beamte, die sich ,,durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen" sollen, dürften wohl ,,Merkel muss weg!" rufen, wie der Leiter des Beamtenbunds, Kai Rosenberger, vor ein paar Tagen der Stuttgarter Zeitung sagte. Ihre Loyalitätspflicht zum Staat endet erst da, wo etwa ,,Merkel-Galgen" oder andere ,,persönlichkeitsverletzende Darstellungen" zum Einsatz kämen – wo das ,,weg" also drastischer illustriert wird. Dann müssten Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden, da es sich um ,,Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuchs" handelt.

Den Kernanliegen der unreflektierten bis manipulativen Weg-Rufer und Kein-Platz-Ansager hilft das alles nicht, denn phantasmatisch bleiben ihre Erwartungen allemal. Auch wenn Angela Merkel ,,weg" wäre, die Migranten, die, meist längst als deutsche Staatsbürger und oft schon seit Generationen im Land leben, wären mit Sicherheit noch da. Und auch wenn der Wunsch nachvollziehbar ist, dass es in der Demokratie ,,keinen Platz für Extremisten" geben soll – antidemokratische Extremisten existieren, leider, in Deutschland, Österreich, Italien, Ungarn, Schweden und anderen Staaten. ...


Aus: "Merkel muss wecken" Caroline Fetscher (10.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/gegen-rechts-merkel-muss-wecken/23024282.html

Textaris(txt*bot)

#313
Quote[...] Am 07. September hat die Steinberger Silberstein GmbH, in der ich Gesellschafter und Head Autor bin, eine Parodie auf den Wahnsinn in Chemnitz gedreht. Der Clip war eine Auseinandersetzung mit allen, die vom Tod eines jungen Mannes profitieren wollten: Betont empörte Medien, asoziale Kampftrinker, Rechtsextreme, die AfD, die mit großem Fangnetz mitten drin stand, aber auch die ganzen Quartals-Antifaschisten und Party-Demonstranten, denen Coca Cola unter dem Wir-sind-mehr-Label Produktproben hinterhergeworfen hat. Das war auch das letzte Mal, dass ich einen Gag erkläre, aber hier ist es wichtig, um den Wahnsinn zu illustrieren, der über uns hereingebrochen ist.

Beim Dreh in Berlin-Lichtenberg versammelten sich schnell Anwohner, die den Verdacht schöpften, wir wollten eine gefakte Nazi-Demo in Berlin inszenieren. Geduldig erklärten wir das Set und die Story, bemerkenswert vielen Menschen mussten wir auch die Kunstfreiheit erklären.

Wenig später veröffentlichte die Bundes-AfD einen Clip, der Szenen des Drehs präsentierte und in aller Einseitigkeit das Narrativ nährte, wir hätten eine Fake-Nazidemo gedreht, um sie als echte Veranstaltung auszustrahlen. Am Anfang lacht man über die Ironie, so war ja das AfD-Video eine bewusste Falschmeldung. Mulmig wurde uns, als Bilder von Team-Mitgliedern im Netz auftauchten und dazu aufgerufen wurde, die Namen und Adressen herauszufinden.

Schließlich stand der AfD-Abgeordnete Frank-Christian Hansel mit einem Kameramann vor der Haustür meines Firmen-Partners und filmte das Klingelschild ab. Der Krawatte nach zu urteilen ist Hansel ein Mensch, der erst handelt und dann nachdenkt, aber ein Abgeordneter muss wissen, dass diese Unsitte, Privatadressen ins Netz stellen, nicht nur illegal ist, sondern auch gefährlich. Das Video mit den Adressdetails wurde über den Facebook- und Youtube-Kanal der AfD-Berlin geteilt, wo viele Kommentatoren sehr erregt über den jüdischen Namen meines Partners waren.

... Natürlich wusste jeder bei der Partei, dass wir eine Satire drehen. Wir haben das komplette Set mit entsprechenden Hinweise zugekleistert. Hansel "besuchte" uns, als wir uns schon längst als Auftraggeber des Satire-Drehs zu Erkennen gegeben hatten. Und dennoch stellte er sich taktisch blöd. Man kann auch sagen: Er hielt an der perfiden Lüge fest. Denn in den Kommentaren zu den Videos erkennen wir, dass es die Story schon längst in den Alternative-Fakten-Kanon der rechten Filterblase geschafft hat. Schon immer wollte man beweisen, dass Videos wie Hetzjagden in Chemnitz von Linken und Systemmedien inszeniert werden. Wenn der Chef des Verfassungsschutzes genau dieses Narrativ in genau dieser Woche stützt, dann geht der Plan perfekt auf. Danke, Maaßen.

Viele tun immer so überrascht, wenn sie von diesen Methoden hören. Dabei gehören gerade Attacken auf Künstler und Journalisten zum kleinen Einmaleins der Autokratie. Die eigenen Anhänger sollen das Vertrauen in das wichtige Korrektiv namens Medien verlieren. Nicht umsonst ist überall auf der Welt und überall in der Geschichte Schritt eins nach der Machtübernahme die Einschränkung der Kunst- und Pressefreiheit. Zuvor wird diesem Eingriff der Weg geebnet, in dem systematisch an der Glaubwürdigkeit der Medien gesägt wird.

... Ich verstehe jeden, der es satt ist, von Tourette-Linken niedergeschrien zu werden. Ich verstehe jeden, der in der Migration ein gigantisches Problem sieht. Ich verstehe sogar alle, die sich eine Partei wünschen, die so erzkonservativ ist, dass sie uns am liebsten zurück in die 50er-Jahre bringen will. Aber weiter zurück sollten wir nicht fallen. Wer Künstler und Journalisten bedroht und in den eigenen Kommentarspalten toleriert, dass Medienschaffende und ihre Familien dem Mob präsentiert werden, der kann keine Alternative sein. Sagt das gern auch Euren Eltern.

Und jetzt viel Spaß mit unserem Clip, solange man in Deutschland solche Clips noch produzieren darf:

"Volksfest in Sachsen"
Nazis, Politik, Medien und Musikfreunde: Chemnitz war für alle ein voller Erfolg.
https://youtu.be/MAIuMnMdh1Y

...


Aus: "Ein Hauch von '33 – Und plötzlich stehen sie vor deiner Tür" Schlecky Silberstein (Published on September 17, 2018)
Quelle: http://www.schleckysilberstein.com/2018/09/ein-hauch-von-33-und-plotzlich-stehen-sie-vor-deiner-tur/

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Quote[...] Der SWR will die antisemitischen Drohungen gegen den Berliner Satire-Produzenten Schlecky Silberstein ,,sorgfältig und sachlich prüfen" und gegebenenfalls ,,notwendige Maßnahmen einleiten". Der Sender werde nicht hinnehmen, dass vom SWR beauftragte Produzenten diskreditiert oder bedroht werden, heißt es in einer Stellungnahme.

Silberstein produziert das Format ,,Bohemian Browser Ballett". Die Dreharbeiten zu einem Satire-Video ,,Volksfest in Sachsen", eine Parodie auf die Vorfälle in Chemnitz, hatte die AfD Berlin zu einem Hausbesuch veranlasst, Silberstein hat antisemitische Morddrohungen erhalten.

Der Berliner AfD-Vorsitzende Pazderski verteidigte das Vorgehen. Für die AfD seien antisemitische Kommentare kein Thema, ihr gehe es um die Aufdeckung unlauterer Propaganda mit Geldern des öffentlich-rechtlichen SWR.

Bei Satire können man immer darüber streiten, ob man sie gelungen finde oder nicht. ,,Aber wenn Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Künstler, Produzenten oder andere Medienschaffende erfolgen, zeigen sich gesellschaftliche Zustände, die Anlass zu Besorgnis geben", sagte Gerold Hug, Programmdirektor Kultur des SWR, der das ,,Bohemian Browser Ballett" produzieren lässt. Wie nun notwendige Maßnahmen zum Schutz der Journalisten aussehen könnten, teilte der SWR nicht mit. meh


Aus: "Der SWR will sich wehren" (19.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/medien/satire-video-von-schlecky-silberstein-der-swr-will-sich-wehren/23087108.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Was eint die Deutschen? Diese Frage treibt sie seit jeher um, lässt sie erbittert streiten, und vielfältig fallen die Antworten aus: Sprache, Kultur, Tradition, Geschichte, Lebensweise, Blut, Abstammung, Verfassung, der Pass. Dabei ist das verbindende Element vielleicht etwas ganz anderes, das Gefühl nämlich, sich in diesem Land fremd zu fühlen.

,,Fremd im eigenen Land", das ist zum Topos geworden, so heißen Lieder, Bücher und Filme. ,,Nicht anerkannt, fremd im eigenen Land, kein Ausländer und doch ein Fremder", singen die Hiphopper von ,,Advanced Chemistry". In einem Sammelband aus dem Jahr 1979 drücken es in Deutschland lebende Juden ähnlich aus. Angela Merkel wiederum reagierte auf Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik mit dem legendären Satz: ,,Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

In der Fremde ist die Fremdheitserfahrung gewissermaßen eingespeist. Sie wird erwartet und verstanden. Aber im eigenen Land? Da rebelliert etwas. Dabei ist das Gefühl der Nichtzugehörigkeit, des Ausgeschlossenseins, durchaus normal und konstitutiver Teil einer deutschen Identität. Denn das Land besteht ja quasi aus Parallelwelten. Der friesische Fischer beim Kölner Karneval, der nüchterne Hannoveraner beim Thalheimer Schuplattlerfest, der Hartz-IV-Empfänger aus Anklam, der Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote, zu Besuch in Kronberg im Taunus – man muss kein Fremder sein, um sich fremd zu fühlen. Es soll sogar Menschen geben, die sich in einem Deutschland, in dem sich niemand mehr fremd fühlen würde, gerade deshalb sehr fremd fühlen würden.

Das Land ändert sich, laufend. Wo früher der Konditor war, ist jetzt Starbucks, im Supermarkt bezahlt der Kunde bargeldlos mit dem Handy, Telefonzellen gibt's keine, eine Kundenberatung findet oft nur online statt. ,,Das ist nicht mein Land", seufzt der Senior. Kaum einer geht sonntags noch in die Kirche, auch Schwule dürfen heiraten, das Patriarchat ist am Ende. ,,Das ist nicht mein Land", seufzt der Konservative. Immer mehr Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika kommen ins Land, viele sind Muslime, viele traumatisiert. ,,Das ist nicht mein Land", seufzt der besorgte Bürger. Wer einen ausländisch klingenden Namen hat, wird diskriminiert, hat Probleme bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche. ,,Das ist nicht mein Land", seufzt der Deutsche mit Migrationshintergrund. ,,Ich bin ein Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Migrant, wenn wir verlieren", hat Mesut Özil gesagt.

Deutsche mögen einander nicht besonders. Das hat mit ihrer Geschichte zu tun. Ob Wessis gegen Ossis, Ossis gegen Wessis, Frauen gegen Männer, Männer gegen Frauen, Grüne gegen Liberale, AfDler gegen Linke, Deutsche ohne gegen Deutsche mit Migrationshintergrund: Da ballt sich die Faust schon in der Tasche, bevor das erste Wort gewechselt wurde. Das lässt sich bedauern, aber es spendet auch ein wenig Trost. Wenn keiner keinen mag, muss keiner das Nichtgemochtwerden persönlich nehmen. Einiges spricht dafür, dass Mitläufer der Pegida einen Aktivisten der Antifa noch stärker hassen als den Schutzsuchenden aus Eritrea.

Fremd im eigenen Land, das ist ein deutsches Alltagsgefühl. Vielleicht ist es der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Möglichkeit einer Verständigung über ideologische, ethnische und geographische Grenzen hinaus bringen lässt. Wenn es den Deutschen gelingt, sich in gegenseitiger Abneigung herzlich verbunden zu fühlen, hätten sie viel erreicht.


Aus: "Fremd im eigenen Land? Das verbindet!" Malte Lehming (17.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutsche-identitaet-fremd-im-eigenen-land-das-verbindet/23077534.html

Quoteprovinzler 10:25 Uhr
Diese Deutschen, die so mit Deutschlandfahnen wedeln und Migranten + Linke + Liberale, Grüne, Christen + wer weiß nicht alles nicht mögen, sind mir tatsächlich sehr fremd. Und wenn ich mir von denen dann noch anhören muss, Gutmensch zu sein + Deutschenhasser + Kommunist.. zu sein, dann sehe ich wirklich nichts, was mich mit solchen verbindet. Wenn man irgendwo fremd ist, nützt es ja immer, sich mit der anderen Sprache und Kultur auseinanderzusetzen und dann entsteht eine Annäherung. Aber sorry, bei afdpegidanpd... finde ich so etwas nicht einmal im Ansatz.


QuoteNils74 09:09 Uhr
Hass ist nicht das richtige Wort, es geht auch nicht um mögen oder nicht mögen.

Es ist das Unverständnis darüber, was dem Gegenüber vor allem anderen wichtig ist, was ihn in seinem Denken und Tun antreibt. In dieser Hinsicht haben wir uns inzwischen zu einer sehr pluralistischen Gesellschaft entwickelt - zu dem Preis, dass wir einander oft nicht mehr verstehen. Das ist dann gerne der Punkt, an dem die blanke Denkfaulheit oder die Ideologie einsetzt und an dieser Stelle schließlich kommt dann auch der Hass ins Spiel.

Was uns Deutsche eint, ist das, was wir aneinander noch verstehen. Und das wird immer weniger.


QuotePat7 17.09.2018, 20:57 Uhr
Sich in herzlicher Abneigung fremd zu sein konnten die Menschen auf heute deutschem Boden doch schon seit Menschengedenken.  ...