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[Das Muster vom Kampf der Kulturen... ]

Started by Textaris(txt*bot), March 25, 2007, 08:19:49 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Böse ist immer und überall. Wo genau, darauf weiß die Schweizerische Volkspartei (SVP) stets eine Antwort: Es seien vor allem Muslime, Schwarzafrikaner und Einwanderer aus Balkanländern, die das Alpenparadies gefährden - und auch Deutsche. Gemeint sind Arbeitnehmer aus der Bundesrepublik, die den Einheimischen die Jobs wegnehmen sollen - vor allem die attraktiven und hochbezahlten Stellen in der Forschung und an Kliniken.

So zumindest verkündet es die Zürcher SVP derzeit in ihrer Kampagne im Vorfeld der Gemeinderatswahlen 2010. "Ausländische Ellbögler drängen an unsere Arbeitsplätze", erklärt die Partei im Schweizer Idiom in einer Anzeige, die am 15. Dezember in der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) erschien. Schuld seien "arrogante Ausländer" auch an den Mondmieten in Zürich. Und weiter: "Deutscher Filz macht sich breit. Denn Deutsche stellen vor allem Deutsche an - an der Uni und in den Spitälern." Eines der Inserate trägt die Überschrift "Immer mehr ausländische Arroganz!" und ist illustriert mit einem Foto des vormaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück.

Eingebettet ist die Anzeige in eine Kampagne mit Plakaten und Inseraten, in der die SVP offen fremdenfeindlich auftritt: Die Zürcher Rechtspopulisten beklagen "Mord und Totschlag" auf den Straßen der Stadt. Die meisten Täter seien "Ausländer", viele davon "gefühlslose Schlägerkinder". Es geht gegen Einwanderer, die es sich auf Steuerzahlers Kosten "in der sozialen Hängematte bequem machen" und auf Ämtern Angestellte "beleidigen und bedrohen". Schuld seien die "Linken und Naiven": "Sie holen immer mehr Ausländer in unsere Stadt", heißt es auf den Plakaten und Inseraten.

Die Radikal-Rhetorik folgt SVP-Kampagnen in früheren Wahlkämpfen - und ist den Deutschen in dieser Form nur von der NPD oder der DVU bekannt. Nun aber ist Zürcher Professoren der Kragen geplatzt. Am Mittwoch schalteten sie eine ganzseitige Anzeige, ebenfalls in der "NZZ", und finden darin scharfe Widerworte. "Die rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik, Ideologie und Politik der SVP torpediert die Ausbildung unserer Jugend, setzt unsere Zukunft aufs Spiel, vergiftet unsere Gesellschaft und gefährdet das, was unsere Stadt und unser Land lebenswert macht: die freundschaftliche Nachbarschaft unterschiedlicher Kulturen", heißt es darin, "wer sich abschottet, hat verloren".

200 Wissenschaftler an der Universität Zürich und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) haben unterschrieben. Sie geben sich stolz auf den internationalen Ruf ihrer Hochschulen und froh, dass "exzellente Studierende und herausragende Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und vielen anderen Ländern bei uns tätig sind". Forschung und Lehre seien international, gerade darauf gründe die Stärke der beiden Hochschulen.

Die "neue deutsche Welle" der Einwanderer ist in der Schweiz ein notorisch heikles Thema. Oft sind deutsche Zuwanderer gut ausgebildet und konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt direkt mit Einheimischen, an den Hochschulen zum Beispiel um Professoren- und Doktorandenstellen und an den Krankenhäusern um Ärzteposten.

...

Quotechelsea, 30.12.2009

"Self fulfilling prophecy"
So etwas nennt man wohl eine "self fulfilling prophecy": einer der Gründe, wenn nicht sogar der häufigste, warum Deutsche in der Schweiz oft unbeliebt sind, ist ihre wahnsinnige Arroganz. Warum das so ist, dafür braucht man gar keine SVP und nicht mit dem Finger auf Wahnvorstellungen bei beschränkten Bergbewohnern zu zeigen - eine Lektüre der Beiträge zu dieser Diskussion reicht schon völlig aus. Grosskotziger geht's kaum noch.

Und das aus einem Land mit niedrigerem Lebensstandard, niedrigerem Entwicklungsstandard, niedrigerer Lebensqualität, schlechterer Infrastruktur, schlechterer Wirtschaftskraft, schlechterer Innovationskraft. Von wo aus es wohl doch sehr viele auswanderungswillige Gastarbeiter gibt, nämlich in Richtung Schweiz. Wer aus dem eigenen Land weg muss um woanders seine Chancen zu suchen und dann auf das Gastland herablassend hinabschaut, der muss man schon arg von sich selbst überzeugt sein. Aber daran mangelt es vielen Deutschen ja nicht.

Die Kritik am Volksentscheid zum Minarettverbot ist berechtigt - aber aus einem Land, das in diesem Bereich so viel Schaden angerichtet hat und immer noch tut, dessen moralischer Kontostand immer noch so tief ist dass es ausser ein paar Dimpfelmosern am Hindukusch sich zu keinem massgeblichen Beitrag zu UNO-Missionen traut und sich seit Jahrzehnten den Goodwill der restlichen Welt mit viel Geld erkaufen muss: das kann ja wohl nicht ernstgenommen werden.

Ja, die Schweiz braucht Gastarbeiter. Das ist nun einmal so in einer Wirtschaft mit Fast-Vollbeschäftigung (das kennt man in Deutschland nicht, daher erwartet man von dort aus auch kein Verständnis für diese Situation). Aber wer mit so viel überheblichkeit in die Schweiz kommt der darf doch gerne in seinem verwahrlosten Bautzen, tristen Hannover oder spiessigen Koblenz bleiben und sich für das Grösste in der Welt halten. Wie sehr Hochmut vor den Fall kommt, zeigen die höheren Selbstmordraten in Deutschland.



QuoteIngmar E., 31.12.2009

Machen wir uns nichts vor, diese breite Masse von fremdenfeindlichen Menschen gibts überall. Ist ja auch klar, das ist ja ein tiefer Instinkt die eigene Horde vor Fremden zu schützen. Selbst als Affen lebten wir schon in Horden und mussten uns gegen andere Horden zur Wehr setzen.

Diesen Instinkt kann man als feinfühliger Mensch auch an sich selbst beobachten, wenn man Fremden vorsichtiger begegnet, selbst wenn man es begrüsst. Je nachdem wie stark ein Mensch sich selbst und seine Instinkte reflektieren kann, wird er ihn entweder als veraltet erkennen, oder ihn auf hochintellektuellem Niveau in sein Denken einflechten, oder ihm auf sehr niedrigem Niveau völlig unreflektiert im gesamten Denken präsent haben.

Es geht bei Fremdenfeindlichkeit also mMn immer um selbstreflexion, kann man diesen uralten "meine Horde"-Instinkt, der ja vermutlich schon in tierischen Zeiten entstand, in seinem Kern erkennen.

Wenn man das nicht tut, wird keine Argumentation wirklich anschlagen. Man kann Fremdenfeinden auch in Deutschland jederzeit per Zahlen nachweisen dass Migranten dem Staat mehr Einkünfte bringen und brachten als sie kosten, aber das wird nie ankommen. Genauso könnte man einem Schläger, der also unreflektiert diesen alten Instinkt zur Aggression auslebt, erklären dass Worte effektiver sind. Er wird es sich anhören aber nicht verstehen können!

Die Schweiz hat mMn ein massives Problem in Selbstreflexion, ich hab das Land mittlerweile 3mal per Fahrrad bereist, und durchreist. Das Land ist toll, und sicher auch die gebildeteren Städter (habe sehr nette Menschen kennengelernt), aber bei vielen einfacheren Menschen kam ne sehr offen gelebte Fremdenfeindlichkeit rüber. Die Masse sagt dir's natürlich nicht ins Gesicht, wie kaum ein Deutscher nen Deutschen mit türkischen Vorfahren in der Öffentlichkeit beschimpft, aber im Verhalten wars eindeutig spürbar.
Meine Lehre daraus: in der Schweiz wird nur wildgecampt und die einheimische Wirtschaft so wenig wie möglich unterstützt, soviel Schweiz wie möglich und soviel Schweizer wie nötig ;).

In Südfrankreich hab ich mit Kriegsveteranen und Resistance-Kämpfern, also ziemlich alten, aber sehr fidelen Männern, Boule gespielt und Wein getrunken.


Quotecomfon, 30.12.2009

... In Polen und in den Niederlanden sind wir aus ähnlichen Gründen genau so unbeliebt, weil wir auch da mit unserem großen Mundwerk und oberlehrerhaften Ansichten herum laufen, wir sollten uns besser Gedanken machen wie wir mit unseren Nachbarländern umgehen. An Diktaturen verkaufen wir modernes Kriegsgerät, den Türken helfen wir beim Völkermord leugnen, aber den Schweizern drohen wir wegen jedem kleinen Fitzelchen, sei es Steuerpolitik oder Bauvorschriften. Der Deutsche Bierzelt-Trampel hat immer was zu schimpfen und zu mälkeln, außer an sich selbst:

http://www.youtube.com/watch?v=GR17Y6AV_qQ&feature=related

Und bevor jemand fragt, ja ich habe auch so einen gehässigen Nachbarn. Gerüchte verbreiten und die Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken...


QuoteMarc Schaut, 31.12.2009

Streik

Hallo,

die Einwanderer und "Fremd"arbeiter in der Schweiz sollten sich mal solidarisieren und für 2-3 Tage geschlossen die Arbeit niederlegen. Ob nun Muslime, Deutsche - es kann ja jeden treffen. Dann wäre ganz schnell klar, dass es ohne nicht geht.


Quotelemming51, 31.12.2009

Langsam !

Als gelernter Bundesrepublikaner (Jg.1951) habe ich Zeit meines Lebens Anfeindungen wegen meiner Herkunft und wegen 33-45 gelegentlich erleben müssen, überall.
Gleichzeitig beobachte ich diese unglaublich dumpfe Fremdenfeindlichkeit in meinem eigenen Land Minderheiten und Migranten gegenüber, für die ich mich in dem Maße schäme, wie ich mich für die gelegentliche Deutschfeindlichkeit des Auslandes schäme.
Und trotzdem: wenn mich ein Ausländer "anpinkelt" ist es für mich erst recht ein Ansporn, denen zu zeigen, dass ich dem sog. "Deutschenbild", was sich so unausrottbar in den Hirnen festgesetzt hat, NICHT zu entsprechen gewillt bin.

Wie ??

Mit Höflichkeit, Freundlichkeit,Geduld und der Überzeugung, dass auch hier der stete Tropfen den Stein höhlt.
Um mich als Bundesbürger zu treffen, muss man sich was anderes einfallen lassen als dumpfe Vorurteile.
So einfach ist das.

Den Schweizern, die jetzt diese Dumpfheit lostreten, stehen in der Schweiz genug Eidgenossen gegenüber, die das eben NICHT tun.


Quotepoupoun, 31.12.2009

Und ich bin Bayer...

... Die "Preißn", wie man hier die Teutonen nennt, unterschätzen in gleicher Weise die Unterschiede zwischen ihrer Heimat und Bayern was Umgangsformen und Verhaltensweisen angeht. Nur dass Bayern nicht auf den Mund gefallen sind und selbstbewusst genug sind dass es ihnen sonstwo vorbei geht, es nervt höchstens wenn mal wieder ein Teutone in die Bäckerei stürmt und im Kasernenton "Tach, ich krich zwei Brötchen!" schmettert, kein Grußwort, kein "Bitte" und dazu dieses klingonisch-fauchend klingende "Tach". Da ist gleich die Stimmung in der Backstube im Keller. Das sind Dinge die werden aber meist humoristisch aufgegriffen und dann geht das schon irgendwie. Dass die Schweizer daraus einen Deutschenhass entwickeln zeugt nur von deren mangelnden Selbstwertgefühl, wie das immer im Leben ist wenn jemand so reagiert.

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http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=10393


Aus: "Zürcher Professoren kontern Anti-Deutschen-Kampagne" Von Jochen Leffers (30.12.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,669635,00.html


Textaris(txt*bot)

#71
Quote[...] Kermani studierte Orientalistik, Philosophie und Theaterwissenschaft in Köln, Kairo und Bonn. Unterstützt von der Studienstiftung des deutschen Volkes verfasste er eine Dissertation mit dem Titel ,,Gott ist schön".[1] Damit wurde er 1998 im Fach Islamwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn promoviert; 2006 habilitierte er sich im Fach Orientalistik. Von 2000 bis 2003 war er Long Term Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit 2006 ist Kermani Mitglied der deutschen Islamkonferenz. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Regisseur in Köln. Wichtige Themen seiner Arbeit sind das Verhältnis zwischen Westen und Orient, der Kampf bzw. Dialog der Religionen sowie die menschliche Ursuche nach dem Gottesbild und dem Sinn des Leids. Seit Oktober 2007 ist Kermani Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, seit 2008 wissenschaftlicher Beirat im Einstein Forum und seit Oktober 2009 Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI).

[...] Kermani kritisiert die Verzerrung religiöser Texte. So werde etwa im schulischen Religionsunterricht aus der Bibel ein ,,Wohlfühlgott" abgeleitet und ein Gott behauptet, ,,der alle lieb hat". Tatsächlich jedoch sei bei einer Betrachtung von Bergpredigt und weiteren Teilen der Bibel deren Gewalttätigkeit zu erkennen. Eine ähnliche Verzerrung erkennt Kermani im Islam und den gewaltorientierten Passagen des Koran.

Kermani setzt sich für die Trennung von Religionen und Staat ein. Religion dürfe nie zu einem Gesetz werden, das Unbeteiligte leiten darf.

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Aus: Navid Kermani
# Datum der letzten Bearbeitung: 12. Januar 2010, 11:53 UTC
# Versions-ID der Seite: 69199475
# Permanentlink: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Navid_Kermani&oldid=69199475
# Datum des Abrufs: 13. Januar 2010, 08:43 UTC
http://de.wikipedia.org/wiki/Navid_Kermani

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Quote[...] Kermani sagt, dass er zwar Muslim sei, aber eben auch Ehemann, Deutscher, Schriftsteller oder einfach nur: Mensch. Er verwehrt sich gegen jedes Schubladendenken und jegliche Bewertung allein aufgrund von religiösen Überzeugungen. Daher ist für ihn ,,Wer ist wir?" eigentlich eine falsche Frage. Denn Menschen sind nicht nur dies oder jenes; sondern komplexe Wesen in einer komplexen Umwelt. Und daher nicht aufgrund einer alleinigen Zuschreibung zu definieren.

Andererseits stellt der Autor die Frage danach, weshalb selbst Migranten der dritten oder gar vierten Generation sich immer mehr von der Gesellschaft abgrenzen. Kermani stellt dazu fest: ,,Es ist der Eindruck, niemals dazugehören zu können - niemals gemeint zu sein, wenn ein Staatsführer oder Fernsehkommentator ,wir' sagt." (S. 88) und schlussfolgert daraus, dass, wenn die Gesellschaft die Integration der muslimischen (aber auch aller anderen) Migranten erreichen möchte, sie dies auch ermöglichen muss. Deshalb ist das Buch vor allem ein Plädoyer dafür, sich gegenseitig erst einmal kennenzulernen; zu verstehen, wie der ,,Andere" denkt, fühlt und leben möchte.

Und anders als Arikan und Ham stellt sich Navid Kermani auch den Fragen, die sich im öffentlichen Diskurs des Westens immer wieder stellen: wie verhält sich der Islam zum ihm zugeschriebenen Terror? Wie kompatibel ist er mit den universellen Menschenrechten? Und weshalb erstarkt innerhalb des Islam der Fundamentalismus zu einer Zeit, da die technische Entwicklung weltweit in immer stärkerem Maße von der Menschheit verlangt, global zu denken und zu handeln. Hier bestätigt er auch meine eigenen Überlegungen; dass nämlich durch die Globalisierung der Mensch sich immer kleiner, immer ungeschützter und verlorener vorkommt. Wir Menschen sind – meiner Meinung nach – evolutionär noch immer nur in der Lage, in und von Menschengruppen von der Größe eines Stammes zu denken. Das globale Dorf überfordert uns ganz einfach. Anders ist auch kaum zu begreifen, dass unsere Spiegelneuronen regieren, wenn wir des Nachbars Hund heulen hören und gleichfalls relativ unbeeindruckt die Nachricht von tausendfachem Sterben auf fernen Kontinenten ertragen können. Navid Kermani schreibt: ,,Fundamentalistische Lebensentwürfe sind attraktiv, weil sie die Menschen mit dem versorgen, was ihnen in der modernen, globalisierten Welt am meisten fehlt: Eindeutigkeit, verbindliche Regeln, feste Zugehörigkeiten - eine Identität." (S. 15) Ein – wie irrationaler auch immer – Wertekanon kann Halt geben. Einen Halt, den die Gesellschaft offensichtlich nicht bieten kann. (Vgl. auch Peter Boldt's Thesen in ,,Zur Evolution des Glaubens und der Ethik".)

Daraus entwickelt er die Frage: wie zugehörig kann sich ein muslimischer Migrant in Deutschland fühlen? Kann sich überhaupt so etwas wie eine muslimisch-deutschen Identität herausbilden? Kermani bejaht diese Frage uneingeschränkt. "Gerade weil die europäischen Werte säkular sind, sind sie an keine bestimmte Herkunft oder Religion gebunden, sondern lassen sich prinzipiell übertragen." (S. 137) Und genau deshalb ist er der Auffassung, dass eine Integration in die westliche Gesellschaft sehr wohl möglich ist.

[...] Dabei geht Kermani aber von der Grundthese aus, dass es überhaupt keiner Diskussion darüber bedarf, ob und welcher Religion ein Mensch anhängt, sondern dass es der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit nur darum gehen kann, ob die Grundrechte jedem Menschen zugestanden werden und ob jeder Mensch auch die Pflichten, die sich daraus ergeben, auf sich nimmt. Wenn dem religiöse Vorstellungen entgegenstehen, hat jegliche Religion hinter dem Allgemeininteresse zurückzustehen.

Kermani – und das finde ich sehr beachtenswert – lässt sich an keiner Stelle des Buches dazu hinreißen, eine Wertung der westlichen, der christlichen Religion als Gegenüberstellung zum Islam vorzunehmen. Der Schuster bleibt bei seinen Leisten, selbst wenn er mit seinen Glaubensgenossen hart zu Gericht geht ,,Ja, es gibt ein Feindbild Islam. Aber die Muslime sollte es mehr beunruhigen, dass es einen Islam gibt, der sich als Feind gebärdet." (S. 40) Allerdings belässt er es nicht dabei. Sondern appelliert auch an die Gesellschaft und erinnert daran ,,... was immer über oder gegen den Islam geschrieben wird, bei allen schrillen Tönen - in der Gesellschaft funktioniert das Zusammenleben weitaus besser, ist die Toleranz gegenüber Muslimen weitaus größer, als es in der medialen Wirklichkeit erscheint." (S. 54) Damit stimmt er dem Eindruck, den ich habe und auf den auch die bereits erwähnten Autoren Arikan und Ham hinweisen, zu. Der Islam ist längst in der Mitte unserer Gesellschaft – in den Großstädten zumal – angekommen.

Deshalb gilt es darüber nachzudenken, ob die Grenzen, die wir oft setzen, reale Grenzen sind. Kermani meint, dass der reale Konflikt innerhalb der islamischen Welt ausgetragen wird (Stichwort: aufgeklärter Islam), wobei natürlich auch das Verhältnis zum Westen gewertet wird. Aber der Riss, so man denn davon reden kann, trennt nicht die Religionen oder Wertvorstellungen, es ist keine Grenze zwischen ,,dem Islam" und ,,dem Westen" - was es beides nach Kermanis Verständnis so vereinfacht nicht gibt. Es ist ein Riss, der durch die gesamte menschliche Gesellschaft geht; ein Riss entlang einer eher sozialen Linie denn einer religiösen/ideologischen. So meint er, dass ihm jeder Großstadt-Mensch, egal wo auf der Welt, näher und verständlicher ist als selbst ein Muslim, der vom Lande und ungebildet ist.

Er fragt sich und den Leser, weshalb es in diesem Land so schwierig zu sein scheint, den Islam zu integrieren – sprich: Muslime zu integrieren. Dabei schreibt er einen bemerkenswerten Satz: ,,Eine spezifisch deutsche Schwierigkeit für die Einbürgerung des Islams besteht darin, dass das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland komplizierter ist als in vielen anderen Ländern Europas. Der deutsche Staat ist nicht laizistisch. Das erschwert eine strikte Gleichbehandlung und macht es einer neuen Religion schwerer, ihren Platz zu finden." (S. 151/152)

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Aus: "Rezension: Wer ist wir? - Deutschland und seine Muslime" Von Frank Navissi (Nr. 8562, 11 Jan 2010)
Über: Navid Kermani – Wer ist wir? - Deutschland und seine Muslime, Verlag C.H. Beck München, 2009, 173 Seiten
Quelle: http://hpd.de/node/8562


Textaris(txt*bot)

#72
Quote[...] Geschlechterrolle oder Geschlechtsrolle (engl. gender role) nennt man die Verhaltensweisen, die in einer Kultur für ein bestimmtes Geschlecht als typisch oder akzeptabel gelten (und Individuen zugewiesen werden), oder die Verhaltensweisen eines Individuums, die dieses mit seiner Geschlechtsidentität in Verbindung bringt und/oder mit denen es seine Geschlechtsidentität zum Ausdruck bringen will.

...

Der ,,traditionellen" Rollenzuschreibung wird vorgeworfen, sie impliziere die Behauptung, es gebe ,,natürliche" und strikt voneinander getrennte Geschlechtsrollen, die männliche und die weibliche, welche Männern und Frauen automatisch zugeschrieben werden. Diese Geschlechtsrollen seien im Wesentlichen:

    * Männer
          o Oberhaupt und Ernährer der Frau und Familie
          o Zuständig für Kontakte nach Außen
          o Stark, rational, kämpferisch, sexuell aktiv
          o Männer als auf Frauen bzw. ,,Versorgerinnen" kaum angewiesene ,,Jäger"

    * Frauen
          o Abhängig von und unterworfen einem männlichen Beschützer (Vater, Ehemann etc.)
          o Zuständig für die sozialen Bindungen innerhalb der Partnerschaft und Familie
          o Schwach, emotional und irrational, ausgleichend, sexuell passiv oder desinteressiert
          o Frauen als auf ,,Jäger" angewiesene ,,Brutversorgerinnen"


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Aus: Geschlechterrolle
# Datum der letzten Bearbeitung: 31. Dezember 2009, 02:24 UTC
# Versions-ID der Seite: 68638976
# Permanentlink: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Geschlechterrolle&oldid=68638976
# Datum des Abrufs: 19. Januar 2010, 10:18 UTC
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschlechtsrolle

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Quote[...] [Seyran Ates]: Und es gibt sogar türkische Männer, die mich auf der Straße ansprechen und sagen: "Hey, Sie sind doch die mutige Rechtsanwältin."

Wie kommt es, dass Ihre Meinung so gefragt ist?

[Seyran Ates]: Das hat etwas mit dem 11. September zu tun, mit van Goghs Tod, den Anschlägen in Madrid und in London. Sehr viele in der deutschen Öffentlichkeit realisieren nun, dass es eine Parallelwelt gibt. Etliche waren noch dagegen, als ich erstmals gefordert habe, dass Zwangsheirat ein Straftatbestand wird. Und nun werden wir den bald haben.

Wie diskutiert man derzeit das Thema Frauenrechte unter Türken?

[Seyran Ates]: Da brodelt es, gerade wegen des Falles Hatun Sürücü, die von ihrem Bruder umgebracht wurde. Es gibt einerseits eine extreme Stimmung gegen die deutsche Presse, weil die den Fall angeblich missbraucht, um Türken wieder als Barbaren darzustellen. Gleichzeitig haben die Jugendlichen die Nase voll von dieser Gesellschaft und lassen die Wut am schwächsten Glied aus, den Frauen.


[...] Meine Eltern haben mich als Kind nur deshalb nicht gerne vor die Tür gehen lassen, weil sie Angst hatten, was die Umgebung sagt. Die Leute haben etwa gefragt, warum die Seyran in die Volkshochschule geht. Da kamen Andeutungen, dass meine Keuschheit gefährdet sei.

In der Volkshochschule?

[Seyran Ates]: Sehen Sie, da ist für Sie keine Verbindung. Aber sobald ein türkisches Mädchen wissbegierig ist und zu einem Schreibmaschinenkurs geht, gilt das schon als offenes westliches Leben. Da könnte ja was passieren.

Sie sind in einer traditionellen Familie in Wedding aufgewachsen. Heute führen Sie ein selbstbestimmtes Leben und wohnen im schicken Mitte. Wie kam es dazu?

[Seyran Ates]: Ich hatte das Glück, dass ich die einzige Türkin in der Klasse war, da nimmt man die deutsche Gesellschaft anders wahr. Und ich habe nach vielen Besuchen deutscher Ämter schon mit 15 Jahren beschlossen, Jura zu studieren und mich für Minderheiten einzusetzen. Das half.

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Aus: ""In der türkischen Community brodelt es"" Interview: Brenda Strohmaier (05. November 2005, Berlin)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/1105/lokales/0017/index.html


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Quote[...] Seyran Ateş (phon. atɛʃ, * 20. April 1963 in Istanbul, Türkei) ist eine deutsche Frauenrechtlerin und Autorin türkisch-kurdischer Herkunft,[1] die sich als Rechtsanwältin in Berlin hauptsächlich mit Strafrecht und Familienrecht befasst und sich außerdem in der deutschen Ausländerpolitik engagiert.

[...] Wegen gewalttätiger Angriffe und Bedrohungen durch Prozessgegner sowie wegen Anfeindungen von verbandspolitischer Seite gab sie im August 2006 vorübergehend ihre Anwaltszulassung zurück. Im Oktober 2009 teilte der Ullstein Verlag mit, dass sich Ateş nach neuen Morddrohungen und unmittelbarer Gefahr für sie selbst und ihre Familie ganz aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde.[2]

[...] Zur Finanzierung ihres Jurastudiums an der Freien Universität Berlin arbeitete sie in dem Kreuzberger Treff- und Informationsort für Frauen aus der Türkei TIO für türkische und kurdische Migrantinnen, die sich vor der häuslichen Gewalt in ihren Familien schützen wollten. 1984 erschoss während der Beratungszeit ein Mann eine Klientin und verletzte Seyran Ateş lebensgefährlich.[3] Der Tatverdächtige wurde von ihr und sechs anderen Zeugen identifiziert und später konnte seine Mitgliedschaft in der nationalistischen türkischen Gruppe Graue Wölfe nachgewiesen werden, für die er als Auftragskiller gearbeitet haben soll. Ateş warf den Behörden Ermittlungsfehler und Schlamperei vor, deretwegen der Tatverdächtige freigesprochen werden musste, sodass er bis heute unbehelligt in Berlin-Kreuzberg lebt.[3] Die Genesung und Heilung von den Folgen des Attentats zog sich über sechs Jahre hin. 1997 legte sie ihr zweites Staatsexamen am Kammergericht Berlin ab und beendete damit erfolgreich ihr Rechtsreferendariat.

[...] Am 19. Oktober 2009 berichtete Deutschlandradio Kultur unter Berufung auf den Ullstein Verlag, dass Ateş sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde. Der Grund für diesen Schritt waren Morddrohungen, die sie nach dem Erscheinen ihres jüngsten Werks, Der Islam braucht eine sexuelle Revolution, erhalten hatte. Laut Ullstein, das neben diesem Buch auch Ateşs Der Multikulti-Irrtum verlegt, befanden sich Ateş und ihre Familie zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in unmittelbarer Gefahr.


...

Mitgliedschaften:
    * Vorstandsmitglied im »Bund gegen ethnische Diskriminierung in der Bundesrepublik Deutschland (BDB)«
    * Ateş war SPD-Mitglied von 2004 bis 2007 und Bundestagskandidatin 2005 für den Ortsverband Berlin-Mitte
    * Teilnehmerin an der Deutschen Islamkonferenz ab 2006



Aus: Seyran Ateş
# Datum der letzten Bearbeitung: 1. Dezember 2009, 15:07 UTC
# Versions-ID der Seite: 67489076
# Permanentlink: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Seyran_Ate%C5%9F&oldid=67489076
# Datum des Abrufs: 19. Januar 2010, 10:14 UTC
http://de.wikipedia.org/wiki/Seyran_Ates

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Quote[...] [Seyran Ateş]: Es gibt eine Tendenz, dass sich der Druck auf die dritte Generation der Zuwanderer erhöht. Schon die zweite Generation, der ich angehöre, hat sich teilweise zurückentwickelt und das Kopftuch aufgesetzt.

Was hat sie dazu bewogen?

[Seyran Ateş]: Die Ausgrenzung; dass viele sich nicht als Teil dieser Gesellschaft empfinden. Sie suchen einen Ort der Heimat und finden ihn in einer religiösen Sichtweise. Sie müssen sehen, dass sehr viele Menschen der zweiten Generation unter psychischen Erkrankungen leiden, unter Depressionen, unter Melancholie. Das ist kein böser Wille, das ist Verzweiflung.

Unterstellen Sie etwa Kopftuch-Trägerinnen, sie seien unglücklicher?

[Seyran Ateş]: Definitiv sind sie das, das unterstelle ich ganz eindeutig. Bei der Masse auf jeden Fall, weil sie ganz einfach nicht frei leben.

Es steht jedem frei, das Kopftuch als Phänomen nicht zu mögen. Deshalb kann ich es doch einer Lehrerin nicht gleich verbieten.

[Seyran Ateş]: Das muss ich. Der Platz der Lehrerin ist vorne an der Tafel, wo alle Blicke auf sie gerichtet sind. Wenn da eine Frau mit Kopftuch steht, dann macht sie eine wichtige Aussage: Sie hat sich entschieden, dass der Koran vorschreibt, dass eine Frau ihre Reize für den Mann bedecken soll. Das Kopftuch symbolisiert nicht eine Unterordnung unter Gott, sondern unter den Mann.

Das ist Ihre Interpretation; es gibt auch andere.

[Seyran Ateş]: Es gibt im Koran keine einzige Stelle, wonach Gott bestimmt hat, dass eine Frau ein Kopftuch tragen soll. Es gibt nur Stellen, die besagen, dass Frauen auf Grund ihrer Stellung in der Gesellschaft sich mäßigen und zurückhalten sollen. Beim Kopftuch geht es um das Verhältnis zum Mann. Das ist keine Interpretation, die ich mir ausgedacht habe.

Symbole bedeuten aber nicht immer dasselbe. Bischof Huber hat jüngst gesagt, das Kreuz stehe "ohne jeden Zweifel vollständig für Gewaltlosigkeit". Für Huber mag das so sein, aber in anderen Kulturen? Eine Lehrerin mit Kopftuch kann doch sagen: für mich bedeutet das Symbol eben nicht das, wofür es früher stand. Das müssen Sie doch akzeptieren?

[Seyran Ateş]: Natürlich - in zweihundert Jahren. Das Nonnenhabit ist so ein Beispiel. Zeigen Sie mir ein einziges christliches Mädchen, dass heute noch gegen seinen Willen ins Kloster gesteckt oder verheiratet wird, und ich wäre gegen das Nonnenhabit. Das Kreuz ist heutzutage sogar ein Mode-Accessoire. Es gibt Menschen, die tragen ein Kreuz, ohne irgendeine religiöse Verbindung herzustellen.

Und beim Kopftuch?

[Seyran Ateş]: Eben nicht. In der Zeit leben wir noch nicht. Schauen Sie sich an, wie Frau Fereshta Ludin das Kopftuch trägt! Das hat eine ganz klare politische Aussage. Frau Ludin gehört zu denen, die auch die Ohren nicht zeigen, nur Hände und Gesicht, und sie gibt Männern nicht die Hand. Wenn wir das Kopftuch so weit hätten wie Nonnenhabit und Kreuz und Kippa, dann wäre ich eine der letzten, die damit ein Problem hätte. Das Kopftuch demonstriert aber genau das Gegenteil: die Rückwendung in den Islam des Mittelalters. Die Religion soll wieder die Stellung haben, die sie im Mittelalter hatte. Ich würde es genauso ablehnen, wenn Christen anfangen würden, Hexen zu verbrennen.

Hexenverbrennen und Kopftuchtragen sind unterschiedlicheDinge.

[Seyran Ateş]: Nein! Das sind Parallelen. Da bin ich ganz klar und vielleicht krass. Die Hexenverbrennungen standen unter dem Zeichen, dass Frauen von Natur aus schlecht sind oder empfänglich für den Teufel. In islamischen Kreisen wird gesagt, die Frau ist von Natur aus anders als der Mann, und deshalb hat sie andere Rechte und Pflichten.

"Anders" heißt nicht "schlechter", sagen Anhängerinnen des Kopftuchs. Es drücke ihre Würde als Frau aus.

[Seyran Ateş]: Haben die anderen Frauen keine Würde? Der Umkehrschluss ist doch: trage ich kein Kopftuch, bin ich für alle Männer frei verfügbar. [...] Es geht doch auch um die Männer - dass sie wissen, meine Frau geht mit Kopftuch auf die Straße, damit ist sie klar meins.

Sie können sich tatsächlich keinen Fall vorstellen, wo eine Frau das für sich selbst will? Auch wenn es in 100 000 anderen Fällen fremdbestimmt sein mag?

[Seyran Ateş]: In der logischen Schlussfolgerung akzeptiere ich das bei keiner einzigen. Es gibt keine Interpretation des Koran, die das Kopftuch nur als Symbol der Religion darstellt - immer nur in Bezug zum Mann. Diese Symbolkraft kann ihm keine Frau nehmen.

In Frankreich ist Ihre strenge Position zum Kopftuch Realität. Sehen Sie dort nicht auch eine Parallelkultur?

[Seyran Ateş]: Dort ist es zum Teil schlimmer als hier. Es reicht eben nicht, ein Gesetz zu erlassen, aber die Parallelgesellschaft zu ignorieren und zu sagen: wenn Ihr über diese Schwelle tretet, will ich Euch ohne Kopftuch sehen, was Ihr da drüben macht, ist mir egal. Sie betrachten doch Ihre christliche Welt mit ganz anderen Augen! Wo sind die Bildungschancen für die Kinder? Man geht mit sozial schwachen deutschen Kindern auch schlecht um - aber da ist man sich des Problems immerhin bewusst.

Das Gespräch führte Christian Esch.

...

In "Großer Weg ins Feuer" (Rowohlt Berlin, 2003) beschrieb Ates ihre Emanzipation aus den Zwängen von Herkunft und Familie.


Aus: "Das ist Verzweiflung" (Archiv » 2004 » 06. April » Feuilleton)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0406/feuilleton/0001/


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Quote[...] Der Islam braucht eine sexuelle Revolution, fordert die Anwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates in ihrem jüngsten Buch. Sie zählt zu den wenigen Islam-Dissidentinnen, die nicht nur den Islamismus kritisieren, sondern unerschrocken auf die großen Probleme hinweisen, die der Islam mit den westlichen Bürger- und Freiheitsrechten hat.

Dafür zahlte sie in der Vergangenheit bereits einen hohen Preis: Nachdem sie bedroht, zusammengeschlagen und angeschossen wurde, gab sie zeitweise ihre Tätigkeit als Anwältin auf. Mit ihrer neuesten Streitschrift berührt Seyran Ates einen äußerst wunden Punkt: die Sexualität. Ob Individuen ihre Sexualität selbstbestimmt leben können oder eben nicht, darin sieht sie die gravierendste Kluft zwischen dem Westen und der muslimischen Welt.

Als Ates 1969 aus der Türkei nach Deutschland kam erlebte sie selbst einen großen Kulturschock. In ihrer Kindheit und Jugend begleitete sie als ständige Mahnung das Wort "ayip": unanständig. Ein anständiges Mädchen hatte die strikte Geschlechtertrennung zu beachten, hatte schamvoll mit dem eigenen Körper umzugehen und durfte sich nicht mit Jungs treffen. Mit 18 Jahren verließ sie ihr zu Hause:

"Ich wollte einfach frei sein. Frei leben, denken und fühlen. So fing meine sanfte sexuelle Revolution an."

Auch sie hatte anfangs innerlich zu kämpfen: im Gepäck die Prüderie und Sexualfeindlichkeit ihrer türkischen Sippe und zugleich ihre eigene Sehnsucht nach Freiheit. Die sexuelle Selbstbestimmung, nämlich das Recht einer jeden Frau und eines jeden Mannes, ihre Sexualität unabhängig von ihrer Religion frei entfalten zu können, stand für sie fortan auf der Agenda.

"Wenn die islamische Welt wirklich und wahrhaftig an einer Demokratisierung ihrer Gesellschaften interessiert ist, geht das nur über die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, was eng mit der sexuellen Selbstbestimmung der Frauen verbunden ist ... Die religiös begründete Sexualmoral hindert sie daran, eine moderne demokratische Gesellschaft zu schaffen."

In Absetzung zum sogenannten "unmoralischen Westen" hat die Sexualität im Islam nur in der Ehe ihren erlaubten Raum, flankiert vom Jungfrauenkult, Zwangsheiraten, der Verhüllung der Frauen in Kopftuch, Tschador und Burka, der strikten Geschlechtertrennung und der Ächtung der Homosexualität. Dem Mythos von der Sinnenfreudigkeit des Islam hält Seyran Ates entgegen:

"Wenn überhaupt so gilt dies nur für Männer. Ihnen ist es laut Koran erlaubt, bis zu vier Frauen zu 'besitzen', und im Paradies werden sie dann angeblich auch noch von 72 Jungfrauen erwartet. Aber ist das ein Beweis für Sinnenfreude, wenn es immer nur um die Lust einer der beiden am Sex Beteiligten geht?"

In einigen islamischen Ländern werden Frauen, die außerhalb der Ehe ihre Sexualität leben, bis heute ausgepeitscht, gesteinigt oder getötet. Aber auch hier bei uns wollten Brüder die Ehre der Familie retten, als sie ihre Schwestern wegen ihres westlichen Lebenstils ermordeten. Man erinnere sich nur an die 23-jährige Kurdin Hatun S. in Berlin und die 16-jährige Afghanin Morsal O. in Hamburg.

Seyran Ates ist fest davon überzeugt, wenn der Islam die Zeitmauer zur Moderne durchbrechen will, muss dort ebenso wie Ende der Sechzigerjahre im Westen eine sexuelle Revolution stattfinden und müssen die Geschlechterverhältnisse neu gestaltet werden. Auch dies war das Ergebnis eines langwierigen komplexen gesellschaftlichen Prozesses. Fiebrig las man hier damals Wilhelm Reichs "Sexuelle Revolution". Breitenwirkung erlangte der Tabubruch dann mit den Aufklärungsfilmen Oswald Kolles. Rückblickend sagt Ates:

"Die sexuelle Revolution von 1968 hat im Westen die gesamte Gesellschaft aus den Angeln gehoben, alte Autoritäten entmachtet und die Gesellschaftsordnung verändert. Der repressive Umgang mit Sexualität und die damit einhergehende unerträgliche Doppelmoral wurden entlarvt und öffentlich angeprangert. Man sprach laut aus, was allen bewusst war, dass nämlich die sexuelle Lust sich nicht entfalten kann, solange die Religion als Sitten- und Moralwächter auftritt."

Verglichen damit beschert der Islam den Frauen wahre Abgründe der Unfreiheit: solange die Jungfräulichkeit der Töchter für Ehre und Anstand der Familie steht, solange Ehen arrangiert werden, Frauen ihren Kopf und Körper verhüllen müssen, weil sie ansonsten schutzlos der Triebhaftigkeit der Männer ausgeliefert seien.

Es verwundert nicht, dass der Männlichkeitswahn, entstanden aus der religiös begründeten Geschlechterhierarchie und der übertriebenen Sexualisierung auch in Gewalt mündet. Doch nicht nur den Frauen, so Ates, sondern auch den Männern werde durch religiöse Vorschriften letztlich die Erotik, das Intime und Persönliche am Sex geraubt.

In den westlichen Gesellschaften hat die in zähem Kampf auf den Weg gebrachte Gleichberechtigung der Geschlechter den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt beschleunigt. Der Islam verhindert aber gerade diese Entwicklung, so Ates:

"In muslimischen Gesellschaften zeigt sich in vielen Bereichen, dass die Geschlechtertrennung und die damit einhergehende permanente Sexualisierung des gesellschaftlichen Lebens Stillstand und mangelnden Fortschritt bedeuten. Denn der Umgang der Geschlechter miteinander, im Privaten wie im Öffentlichen, prägt eine Gesellschaft, ist ein Maßstab für Toleranz und Demokratie.

Für eine wirkliche Entwicklung in Richtung Moderne, in Richtung Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter müssten die muslimischen Politiker und die religiösen Führer begreifen, dass Politik und Religion zu trennen sind und dass eine funktionierende Zivilgesellschaft nur dann entstehen kann, wenn archaische Lebensmodelle überwunden, wenn die weiblichen Mitglieder der Gesellschaft nicht länger zu Menschen zweiter Klasse, zu Bediensteten und Sklavinnen der Männer degradiert werden."

Der Impuls zu dieser Veränderung muss aus der Mitte der islamischen Gesellschaft kommen, in den einzelnen Ländern - wie sich inzwischen in Iran zeigt - ebenso wie in den im Westen verstreuten muslimischen Communities. Getragen von liberalen und säkularen Muslimen, die so wagemutig sind wie Seyran Ates. Denn dissidente Kreativität befördert die Freiheit allemal!


Seyran Ates: Der Islam braucht eine sexuelle Revolution', Ullstein Verlag (Berlin)


Aus: "Sehnsucht nach Freiheit" (17.01.2010)
Seyran Ates: "Der Islam braucht eine sexuelle Revolution"
Rezensiert von Ulrike Ackermann
Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/lesart/1106432/

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Quote[...] Hamburg (dpa) - Die katholische Kirche reagiert mit Scham und Schuldbekenntnissen, aber auch Schweigen auf den Missbrauchsskandal an deutschen Jesuiten-Schulen. Am Sonntag kam das tabuisierte Thema auch in Predigten in einigen katholischen Gotteshäusern zur Sprache.

Jedoch bieten nur wenige Bistümer möglichen Opfern offensiv ihre Hilfe an. Das ergab eine dpa-Auswertung der Internetseiten von allen 27 Bistümern und Erzbistümern. Nur fünf von ihnen hatten am Samstag eine offizielle Stellungnahme zu den Vorwürfen auf ihrer Startseite im Web. Die Zahl der bekannten Opfer stieg derweil auf etwa 40. Die Laien-Bewegung «Wir sind Kirche» forderte erneut mehr Aufklärung.

«Es wäre wohl wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass nach den jetzigen Enthüllungen schon alles offenbar geworden ist», sagte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, der Jesuit Hans Langendörfer, zu «Spiegel Online». «Aber wir wollen ausdrücklich die Aufklärung, damit wir helfen können. Die Enthüllungen zeigen ein dunkles Gesicht der Kirche, das mich erschreckt.» Bei ihrem Treffen vom 22. bis zum 25. Februar in Freiburg will die Bischofskonferenz das Thema erneut erörtern, so wie sie es schon öfter gemacht habe.

Die ganze Institution Kirche habe Schuld, weil sie für eine Mentalität nach dem Motto «Bitte nicht darüber reden» gesorgt habe, sagte Propst Martin Tenge im Sonntagsgottesdienst der Basilika St. Clemens in Hannover. In allen Kirchen des Bistums Hildesheim wurde am Sonntag ein Brief verlesen, in dem Bischof Norbert Trelle «mit Scham und Empörung» auf die Missbrauchsfälle reagierte und mögliche weitere Opfer aufrief, sich zu melden.

Von manchen Amtskollegen zeichnete Tenge ein erschütterndes Bild. «Teilweise kenne ich die Kombination des Priesters als Täter und Opfer. Wir sind in der Situation, in der wir uns sehr schämen müssen als Kirche.» Doch er sagte auch: «Missbrauch findet an so vielen Stellen statt und wird an so vielen Stellen nicht nach draußen gebracht.» Überall in der Gesellschaft müsse darauf mehr geachtet werden. Auch Bischof Trelle bat die Menschen in seinem Brief darum, vom Einzelfall nicht auf einen ganzen Berufsstand zu schließen.

In der St.-Hedwigs-Kathedrale - dem Bischofssitz des Erzbistums Berlin - sagte Dom-Kapitular Ulrich Bonin, es falle ihm schwer, «zu Beginn des Gottesdienstes nicht an die Opfer der Missbrauchsfälle zu denken». Es sei wichtig, auch an die zu erinnern, «die Schaden genommen haben». Es müsse Licht auf die Missbrauchsfälle fallen. «Aber es darf kein künstliches Licht sein, sondern ein Licht des Glaubens. Kein Blitzlichtgewitter des Medien-Hypes, sondern Gottes Licht.» Im Dom St. Blasius in St. Blasien im Schwarzwald wurde laut Predigttext allerdings nicht auf den aktuellen Skandal eingegangen.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen sagte: «Ich bin der Leitung der Jesuiten dankbar, dass sie jetzt so schnell und konsequent reagiert hat, damit Licht in dieses Dunkel kommt.»

Am Berliner Jesuiten-Gymnasium Canisius-Kolleg, wo vor zehn Tagen der Skandal um sexuellen Missbrauch zuerst bekanntwurde, steige die Zahl der Betroffenen von Tag zu Tag, berichtete die «Berliner Morgenpost» unter Berufung auf die Anwältin Ursula Raue, die von dem Orden mit einer Untersuchung beauftragt wurde. «Insgesamt dürften es jetzt um die 30 Opfer sein», zitierte das Blatt die Anwältin.

Zusammen mit den anderen bekanntgewordenen Fällen summiert sich die Zahl der Opfer inzwischen auf etwa 40. Von allen drei deutschen Jesuiten-Gymnasien - in Berlin, Bonn und St. Blasien im Schwarzwald - sowie einer ehemaligen Ordensschule in Hamburg sind Fälle bekannt. Die meisten ereigneten sich in den 70er und 80er Jahren.

Das Erzbistum Berlin gehört zu den wenigen Diözesen, die im Internet aktiv auf die Affäre eingehen. Auch das Bistum Hildesheim und das Erzbistum Hamburg, die ebenfalls direkt betroffen sind, äußern sich auf den Startseiten ihrer Homepages zu dem Skandal. Auch das Bistum Osnabrück hatte einen Text zum Thema, während Köln auf seiner Startseite meldete: «Erzbistum rechnet 2010 mit weniger Kirchensteuern.»

Mit ihren Stellungnahmen verlinkten die Internetseiten meist zu den offiziellen Ansprechpartnern der Bistümer für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Diese Stellen waren 2002 nach einer neuen Leitlinie der Deutschen Bischofskonferenz in allen Bistümern eingerichtet worden. Auf den Homepages vieler Bistümer waren die Ansprechpartner allerdings nur schwer zu finden: Häufig mussten mehrere Untermenüs angesteuert werden.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» zufolge sind fast 100 Mitarbeiter der katholischen Kirche in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren unter Missbrauchsverdacht geraten. Eine Umfrage bei allen 27 deutschen Bistümern, von denen 24 antworteten, habe ergeben, «dass seit 1995 mindestens 94 Kleriker und Laien unter Missbrauchsverdacht geraten sind», berichtete das Hamburger Magazin.

Die Bewegung «Wir sind Kirche» forderte am Sonntag erneut, «endlich die tieferen, strukturellen Ursachen in den Blick zu nehmen: die strikte Sexualmoral, ein überhöhtes männliches Priesterbild und autoritäre hierarchische Strukturen.» Ohne eine Enttabuisierung in der Sexuallehre und eine grundlegende Änderung in der Einstellung zur menschlichen Sexualität werde «der Teufelskreis von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der römisch-katholischen Kirche nicht zu durchbrechen sein».

«Wir sind Kirche» erinnerte auch an die großen Missbrauchsskandale in den katholischen Kirchen Österreichs, der USA, Australiens und Irlands in den vergangenen Jahren. «Für die Opfer und auch für die Kirche selber wäre es das Schlimmste, wenn dieses Thema, so schwierig es auch ist, nach einigen vagen Entschuldigungen wieder in der Versenkung verschwinden würde.»


Aus: "Kirche reagiert auf wachsenden Missbrauchsskandal" (sueddeutsche.de, 07.02.2010)
Quelle: http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/927465

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Quote[...] In den USA kamen die Missbrauchsfälle 2002 durch eine Reihe von Berichten des "Boston Globe" ans Licht, die den Pulitzerpreis gewann. Zwei Jahre später zog ein Report der US-Bischofskonferenz ein erschütterndes Fazit: Von 1950 bis 2004 bestätigten sich 6700 Missbrauchsvorwürfe gegen 4392 US-Priester. Die Opfer waren zwischen 11 und 17 Jahren alt. 3300 Priester waren bereits verstorben, von den restlichen wurde gegen 384 ermittelt, 252 wurden verurteilt, 100 kamen ins Gefängnis - nur zwei Prozent der insgesamt Beschuldigten.

Die katholische Kirche der USA geriet ins Kreuzfeuer: Sie hatte die fraglichen Priester nicht angezeigt, sondern lange nur versetzt und somit Skandale vertuscht, sie sogar noch verschlimmert - manche Priester setzten ihre Missetaten einfach anderswo fort. Die Bischofskonferenz erklärte das damit, dass Missbrauch früher als "spirituelles Problem" angesehen worden sei, von dem man meinte, es "durch Gebet" lösen zu können.

Das war erst der Anfang. Die Enthüllungen 2002 traten eine Lawine los. Immer neue Opfer meldeten sich zu Wort und zogen vor Gericht. Eine Diözese nach der anderen musste zahlen, bisher eine Summe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar Wiedergutmachung. Darunter: Louisville (26 Millionen Dollar), Boston (85 Millionen Dollar), Tucson (22 Millionen Dollar), Orange County (100 Millionen Dollar), San Diego (198 Millionen Dollar). Und eine nach der anderen musste dann Insolvenz anmelden, zuletzt Wilmington (Delaware), Heimatstadt von US- Vizepräsident Joe Biden.

[...] Ein besonders dramatischer Fall war der des Priesters John Geoghan [...]. Geoghan soll über drei Jahrzehnte hinweg mehr als 130 Jungen missbraucht haben, die Diözese schob ihn aber immer nur von einer Gemeinde zur anderen.

2002 wurde Geoghan in einem einzigen Fall zu neun bis zehn Jahren Haft verurteilt. Im August 2003 dann wurde der 68-Jährige von einem Mithäftling in seiner Zelle erwürgt. "Keine Kinder mehr für dich, mein Freund", will der dem Sterbenden noch zugeflüstert haben.

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Aus: "Missbrauchsskandal in US-Kirchen - Schuldig, reuig, pleite" Von Marc Pitzke, New York (10.02.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,676748,00.html

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Quote[...] In politischer Hinsicht verfolgt der Perlentaucher eine Richtung, die ihn in bedenkliche Nähe zu manchen agitatorischen Websites bringt. Insbesondere beargwöhnt er den Islam und gefällt sich darin, Essays zum Kulturkampf als erkenntnisfördernd zu präsentieren. Jeder, der nicht »islamkritisch« genug berichtet, wird abgewatscht, von deftiger »Islamkritik« dagegen bekommt der Perlentaucher niemals genug. »Islamkritik muss militant werden«, hieß es vergangene Woche in dem Blog von Henryk M. Broder und Co., der Achse des Guten – auch dieses Medium würdigt der Perlentaucher, immerhin zählen zur Achse viele Autoren, die auch der Perlentaucher gern zu sich einlädt. Doch wozu eigentlich der Umweg? Vor zwei Tagen besprach der Perlentaucher gleich direkt den Blog seines Geschäftsführers Thierry Chervel, der behauptete: »Klassisch liberale, aufklärerische Positionen lassen sich in praktisch keinem einzigen Feuilleton der Republik mehr artikulieren.« Ursache dafür sei wohl eine Art vorauseilender Gehorsam gegenüber den »mächtigen Lobbys« der Muslime. Chervel fragt: »Wie mürbe sind eigentlich die Hirne von Intellektuellen, die die Konsequenzen ... vorauseilend selbst ziehen?«

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Aus: "Ihr Feiglinge!" Von Hilal Sezgin (21.1.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/2010/04/Perlentaucher

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Quote[...] Es muss nur irgendetwas geschehen, ein missglücktes Attentat wie zu Anfang des Monats zum Beispiel, und schon geht die Debatte wieder los, mit immer den gleichen Argumenten - halt, nein, was da angeführt wird, sind schon lange keine Argumente mehr, sondern es sind Parolen: "Die Muslime müssen sich von der Scharia lösen, sie müssen den politischen Islam ächten und sich vorbehaltlos zur Bürgergesellschaft und (zu) deren Rechten und Pflichten bekennen", sagte die Berliner Soziologin Necla Kelek in der vergangenen Woche. "Es gibt keinen anderen Weg, außer man setzt auf Konfrontation."

Sie bemerkt offenbar nicht, dass die Forderung, die Muslime hätten dem Vertrauen in ihre religiösen Autoritäten und Führer abzuschwören, schon die Konfrontation ist, mit der sie erst droht. Es herrscht Kulturkampf, und wie immer, wenn gekämpft wird, erscheint, wer nachdenken will, als "Duckmäuser" (Necla Kelek), und bereits der Versuch eines Abwägens und Begründens gilt als Schwäche. Absolut selbstgerecht schauen die Kulturkämpfer auf sich selbst, und was ihnen entgegentritt, das wird geächtet.

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Aus: "Unsere Hassprediger" Von Thomas Steinfeld (14.01.2010)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/846/500117/text/

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Quote[...] Henryk Broder ist ein Riese! Ganz allein ist er in der Mehrheit gegenüber all den kleinen Feuilletons. Die tapfere kleinere Minderheit aus Freitag, taz, Zeit, Süddeutsche, FAZ und FAS hat in den letzten Wochen ihren ganzen Mut zusammengenommen, um hinter dem anarchistischen Witz Broders den dunkel schimmernden "Fundamentalismus der Aufklärung" bloßzulegen. ...

[...] Die "Fundamentalisten der Aufklärung" sind darum perfekte Ersatzobjekte für Leitartikler, um sich überhaupt noch in Positur werfen zu können. Die Öffentlichkeit wird dadurch öde, weil die Gegenposition in den meisten dieser Medien gar nicht mehr zugelassen wird. So dankbar man sein muss, dass die Öffentlichkeit nicht mehr der Filter von "Qualitätsmedien" wie den Feuilletons der FAZ und der SZ bedarf: Die Artikel der Thomas Steinfelds, Claudius Seidls, Thomas Assheuers und Andrian Kreyes sind ja doch Chefsache. Sie markieren ein weithin abgestecktes Terrain. Steinfeld münzt es auf die Gegenseite und beschreibt doch sich selbst: "Absolut selbstgerecht schauen die Kulturkämpfer auf sich selbst, und was ihnen entgegentritt, das wird geächtet. Der Debatte tut das nicht gut", schreibt er in der SZ. Als würde nicht er selbst die Debatte organisieren, und als hätten die Keleks und Broders, die in der SZ in kurzer Zeit mehrmals angegriffen wurden, in dieser Zeitung je noch die Chance auf Erwiderung!

Und so kommt es, dass ausgerechnet diejenigen, die permanent die Differenzierung zwischen Islam und Islamismus fordern, den Witz der Kritik als Hasspredigt verteufeln.

Wie mürbe sind eigentlich die Hirne von Intellektuellen, die die Konsequenzen aus einer politischen Setzung wie dem Begriff der "Islamophobie" vorauseilend selbst ziehen: Ausgerechnet der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz sieht in der SZ, die sich zum Zentralorgan der Kritikophobie gemausert hat, eine Parallele zwischen "Islamophobie" und dem Antisemitismus. In einer Antwort auf seinen Kollegen Benz schreibt Julius Schoeps im österreichischen Portal juedische.at (warum eigentlich nicht in der SZ?): "Wo, frage ich mich, sind in diesem Vergleichskonzept die 'parallelen Wahnvorstellungen', gemäß denen Muslime 'aus rituellen Gründen' Kinder töten, Brunnen vergiften, Kulturen und Völker zerstören, den Ärmsten de Welt das letzte Hemd nehmen oder wahlweise blutige Revolutionen anzetteln? Wo ist der muslimische Alfred Dreyfus, dem in Europa öffentlich die Epauletten abgerissen werden? Wer unterstellt (gemäßigten) Muslimen hierzulande den Plan von der großen Weltverschwörung?"

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QuoteJuwelier

20.01.2010 um 09:21:11 Uhr

Lieber Thierry Chervel,

bei allem Respekt für Ihre sonstige Arbeit: Das ist eine ganz schön dreiste Nummer, die Sie hier abziehen.

Zunächst einmal bin ich erstaunt, wie sehr Sie in Ihrem Beitrag auf die Tränendrüse drücken und die "Islamkritiker" als verfolgte Opfer verkaufen wollen. Da sind die Herren Broder & Co. bekannt dafür, Ihre Kritiker (etwa Sabine Schiffer) nur mit den übelsten rufschädigenden Beschimpfungen, Unterstellungen und Beleidigungen anzugehen, in der Regel unter dem zustimmenden Gejohle ihrer Unterstützer auf Politically Incorrect und ähnlichen Blogs. Trotz solcher Methoden werden Broder und Anhang von einer Talkshow in die andere gereicht, können von SPIEGEL bis WELT überall ihre Artikel platzieren, werden mit Preisen geehrt und erreichen eine Massenauflage. Jetzt äußert sich erstmals eine Handvoll von Kritikern ebenfalls in der Massenpresse zu Wort und schon sind die "Islamkritiker" dermaßen beleidigt und inszenieren sich als Opfer, wie sie es sonst nur den Muslimen unterstellen. Das ist schon bemerkenswert.

Des weiteren zitieren Sie hier die rhetorische Frage von Julius Schoeps, wo es bei den Islamophoben vergleichbare Wahnvorstellungen zu den Antisemiten gebe, lassen aber den Kommentarbereich zu schließen, so dass man hier, anders als etwa auf der "Achse des Guten", auf rhetorische Fragen Antworten geben kann. Diese Parallelen gibt es etwa

- wenn Henryk M. Broder und Ulrike Ackermann das Gerücht verbreiten, in britischen Banken dürften aus Rücksichtnahme auf Muslime keine Sparschweine mehr aufgestellt werden, was sich später als Ente herausstellt,

- wenn Udo Ulfkotte behauptet, wegen des Drucks von Muslimen müssten in Österreich Gipfelkreuze abgeschafft und durch Halbmonde ersetzt werden und hinter dieser Forderung in Wahrheit eine satirische Wiener Künstlergruppe mit dem Namen "Haben wir denn keine anderen Sorgen?" steckt,

- wenn derselbe Ulfkotte behauptet, Muslime würden in Metzgereien auf die Fleischauslagen spucken, weil diese nicht halal seien, und die deutsche Fleischerinnung in Wahrheit nichts von solchen Vorfällen weiß,

- wenn Broder immer wieder mit Sprüchen hausieren geht wie "Es sind zwar nicht alle Muslime Terroristen aber fast alle Terroristen Muslime" und im Europol-Jahresbericht dann von hunderten terroristischer Akte nur einer einen muslimischen Hintergrund aufweist,

- wenn von einem "Geburtendjihad" die Rede ist, also aufgrund häufigerer Geburten in muslimischen Familien Deutschland immer mehr "zugemuselt" werde, seriöse Quellen aber belegen, dass sich die Geburtenzahlen der Muslime und Nicht-Muslime längst aneinander angeglichen haben,

- wenn in den Massenmedien so getan wird, als gäbe es deutschlandweit Probleme, weil Muslime ihre Kinder vom gemeinsamen Schwimm-, sport- und Sexualkundeunterricht abmeldeten, "Die Zeit" dann nachrecherchiert und trotz aller mühe auf keinen einzigen belegbaren Fall stößt

- wenn eine Website wie politblogger.net eine eigene Rubrik über ständige, aufhetzende Falschmeldungen auf Politically Incorrect anlegt, die sich inzwischen dem dreistelligen Bereich nähert und daraufhin der Politblogger durch eine Hacker-Attacke ausgeschaltet werden soll, damit solche Aufklärung nicht länger stattfinden kann,

Das alles sind nur einige wenige Beispiele für eine immense Bandbreite aufhetzender Falschinformation. Ich könnte seitenweise weitere Beispiele liefern, habe aber heute noch etwas anderes vor. Auch Stefan Niggemeiers BILDblog hat schon einige solcher Fälle aufgedeckt. (Seitdem wird Niggemeier von Broder mit Inbrunst öffentlich angehasst, aber da ist er nur einer von vielen.) Noch vor wenigen Wochen geisterte die Meldung durchs Netz, auf Rücksicht auf Muslime dürfe in Alpenländern nicht mehr "Grüß Gott" gesagt werden. Eine weitere Falschmeldung, was sonst? Geglaubt von zahllosen "Islamkritikern" - was sonst?

Verächtlich gemachte Kritiker der Islamkritik, beispielsweise Sabine Schiffer und Dietmar Näher, erhalten in dieser aufgeheizten Atmosphäre mittlerweile Gewalt- und Morddrohungen. Rechtsradikale Parteien wie die NPD haben inzwischen beschlossen, das Thema "Angst vor dem Islam" als Türöffner für eine genrelle Hatz auf Ausländer zu benutzen. Den roten Teppich dafür ausgerollt haben ihn Broders Sprüche wie "Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus ist so groß wie der zwischen Terror und Terrorismus". Und da soll man sich wundern, wenn für viele Muslime als verkappte Terroristen gelten? Gemeinsam mit der Islamophobie steigt auch der Antisemitismus in allen Umfragen an.

Lieber Thierry Chervel, merken Sie eigentlich noch, was hier abgeht? Lesen Sie nur die Choräle Ihrer Gesinnungsgenossen oder auch einmal Bücher mit Gegenpositionen wie etwa den von Thorsten Gerald Scneider herausgegebenen hervorragenden Band "Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschimmen" oder Sokolowskys nicht minder erhellendes "Feindbild Moslem"? Offenbar nicht, so sehr sie in Ihrem Artikel aus allen Wolken zu fallen scheinen, nachdem sich jetzt unverschämterweise auch die Islamkritiker Kritik gefallen lassen müssen. Herr Chervel, Sie können sich doch nicht beständig die Augen und Ohre zuhalten und "Wir sind die Guten! Wir sind die Guuhuuhuuuten!" vor sich hin singen, um Ihre Wahrnehmung hochbedenklicher Entwicklungen auszuschalten. Es ist kein dummer Zufall, dass Broder inzwischen das Titelbild der "Jungen Freiheit" zierte, die sich vor Lobpreisungen gar nicht mehr einkriegen konnte. Nein, Sie sind nicht "die Guten", und wenn sich Ihre Mitstreiter von der "Achse" zehnmal selbst so bezeichnen. Das könnten Sie vielleicht werden, wenn Broder sich bei allen, die er im Laufe der Jahre auf unfairste Weise niedergemacht hat entschuldigen und sich von seinen Unterstützern auf rechtsradikalen Blogs wie "Politically Incorrect" klar distanzieren würde, statt zu bekunden, tja, da könne man halt unterschiedlicher Meinung sein. Täte Broder das aber, würden die Verkaufszahlen seiner Bücher massiv einbrechen. Und das scheint immer noch das ausschlaggebende Kriterium zu sein. Mit persönlicher Integrität hat dieses Vorgehen wenig zu tun.



Aus: "Das Behagen an der Unkultur"
Von Thierry Chervel, 18.01.2010, 14:01
Quelle: http://www.perlentaucher.de/blog/75_das_behagen_an_der_unkultur

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Quote[...] Au weia, bei Thierry Chervel vom Perlentaucher sind jetzt alle Sicherungen durchgebrannt. In seiner wutschnaubenden Suada gegen alle, die es wagen, die ,,Achse des Blöden Guten" zu kritisieren, ist ihm vor lauter Um-sich-beißen offenbar einiges durcheinander geraten.

[...] Und nebenbei: Inwieweit die exzessive Islamkritik von Broder & Co. noch als Aufklärung durchgehen kann, scheint mir doch auch äußerst fragwürdig. Aufklärung jedenfalls, die immer nur blindwütig in eine Richtung schlägt, geht am Kern des Begriffs völlig vorbei; denn so schafft man nur neue vorurteilsbehaftete Ideologien. So suspekt mir jede Religion an sich auch ist, so mittelalterlich und menschenverachtend der Islam oftmals daherkommt, so durchgeknallt und gefährlich seine fanatischen Anhänger auch sind und so peinlich das Lavieren vieler Politiker und Journalisten im Umgang mit ihm – so lange man sich im Tunnelblick nur darin verbeißt und damit hunderte Millionen Menschen, die den ganzen Klimbim allahseidank nur so am Rande schadlos mitglauben, wie das ja auch bei erfreulich vielen Mitgliedern anderer Religionsclubs mit ihrem ganz spezifischen Aberglauben der Fall ist, so lange ist das keine Aufklärung, sondern eben Hetze.
Im Vergleich zur ,,Achse des Guten" jedenfalls wäre selbst die ,,Sendung mit der Maus" mit dem Begriff ,,fundamentalistische Aufklärung" treffender charakterisiert.

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QuoteKonrad Fischer
22.01.2010

Was tun mit "Dumpfbacken" usw.? Aufhängen, verbannen, verbrennen, einsperren, wegschließen, verbieten, beschimpfen, verachten, mißachten?

Und wie ich sehe, gibt es weitere Eristiker hier. Schön!


Quotejournalist
22.01.2010

@ Konrad Fischer: Dumpfbacken ignoriert man, so weit sie in ihrer selbst verschuldeten Dumpfbackigkeit verharren.


Quotejournalist, 21.01.2010

Wenn ich es richtig verstehe, geht es Chervel im "Perlentaucher" um das Argument, dass die Aufklärung an ihre Grenzen gerät, wo sie die Meinungsfreiheit - eines ihrer unerlässlichen Fundamente - im Namen der Toleranz aufzugeben bereit ist. Denn da stellt sich die Frage, was dies für eine Toleranz sei, die auf einer Einschränkung eines universellen Toleranzbegriffs beruht. Das unterkomplexe Denken derer, die "selber schuld" rufen, wenn der Zeichner einer provokanten und satirischen Zeitungsillustration mit Morddrohungen überzogen wird, jenen aber, die dies als Einschränkung der Freiheit und Zurückweichen vor deren Feinden bezeichnen, Rigorismus vorwerfen, erfüllt mich intellektuell mit Sorge und emotional mit Übelkeit. "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung", schrieb, nur zur Erinnerung, Kant. Ich weigere mich geradezu, von Morddrohern meinen Verstand leiten zu lassen ... Dass sie sich "Achse des Guten" nennen, auch das möge stets mit bedacht werden, zeugt von einer Selbstironie, die eine weitere aufklärerische Grundtugend demonstriert, die Skepsis, die sich im Idealfall auch gegen sich selbst zu richten habe. Chervel reiht sich da ein und differenziert, das ist sehr ehrenwert. Seine Analyse, dass die Feuilletons sich mit ihrem falsch verstandenen Toleranzgesäusel selbst die Spitze genommen haben, ist leider in sich stimmig. Sie arbeiten sich an Broder ab, indem sie ihm den Fundamentalismus vorwerfen, den sie jenen, die ihnen sofort jede Freiheit beschneiden würden, sobald sie die Kontrolle über sie gewönnen, offenbar jederzeit nachzusehen bereit sind. Da fehlt jeder Maßstab. Und richtig traurig ist, dass hier unterschwellig unterstellt wird, dies sei im Sinne der Toleranz gegenüber dem Islam. Nein! Das wäre nur dann im Sinne einer solchen Toleranz, wenn man den Islam mit dessen fundamentalistischen Glaubensbrüdern identifizieren könnte. Das ist aber nicht der Fall. Die allermeisten Moslems lehnen diese scheinheilige, sie im Grunde diskriminierende Toleranz ebensosehr ab, wie sie Terror und Fundamentalismus in den eigenen Reihen nicht tolerieren.


QuoteHeiko Werning
21.01.2010

Herr Albert, Herr Journalist,

dann will ich es noch mal versuchen, es aus meiner Sicht zu darzustellen.

Zunächst: In der Kritik am Relativismus von Meinungsfreiheit sind wir uns sicher einig - so uninteresant ich persönlich die dänischen Karrikaturen auch fand, so klar ist es, dass diese veröffentlicht werden durften und das man das auch verteidigen muss. Es wird sowieso viel zu viel Rücksicht auf irgendwelche religiösen Befindlichkeiten genommen, keineswegs nur dem Islam gegenüber. (Wer nimmt eigentich Rücksicht auf die Befindlichkeiten von Nichtgläubigen?)

[...] Chervel nimmt in seiner Suada Broder und die Achse generell in Schutz unter dem Primat, diese seien Aufklärer - ich sage: jemand, der sich um allgemein anerkannte naturwissenschaftliche Erkenntnisse einen Dreck schert und stumpf irgendeinen mythologischen Weltverschwörungsquark erzählt (und nichts anderes ist der Klimaskeptizismus), ist das Gegenteil eines Aufklärers.

Und in einem zweiten Schritt habe ich dann außerdem die Meinung vertreten, dass die Form der Islamkritik, wie sie zunehmend betrieben wird (und man lese auf der Achse nur die Beiträge des Pardon-Ruinierers Bernd Zeller), hat mit Aufklärung auch nichts mehr am Hut, sondern nur noch mit Hetze.

Diese Hetze zu kritisieren ist in meinen Augen kein Widerspruch zur Notwendigkeit einer Islamkritik, zum Entgegentreten gegen die Gläubischen, zum Zurückweisen ihres Befindlichkeitsgequatsches. Das kann man aber machen, ohne gleich jeden Anhänger dieser Religion unter terroristischen oder terrorismusduldsamen Generalverdacht zu stellen und zu diskriminieren. Das verstehe ich unter Aufklärung, und das sehe ich bei der Achse und anderen quasi hauptberuflichen Islamkritikern eben als nicht gegeben. (Und das schien mir auch der wesentliche Tenor der Mehrzahl der von Chervel angegriffenen Artikel zu sein.)

Ich habe mich im Einzelnen ja nicht zu den von Chervel kritisierten Islamkritikerartikeln geäußert, denen ich auch nicht vollständig zustimme. Aber Chervel hat die (und mich) ja auch nur in einen Topf geworfen, um sich dann letztlich an den eigentlich gar nicht unbedingt strittigen Teilen abzuarbeiten. Und das ist schlicht demagogisch und einen kleinen Klapps aus diesem kleinen Blog allemal wert.

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Aus: "Climategate und die Achse des Blöden (8): Thierry Chervel sieht rot" von Heiko Werning (19.01.2010)
Quelle: http://blogs.taz.de/reptilienfonds/2010/01/19/climategate_und_die_achse_des_bloeden_8_thierry_chervel_sieht_rot/

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Quote[...] Henryk M. Broder, der polternde Schwarz-Weiß-Maler im Dauerdienst, schreibt in seinem neu aufgelegten Pamphlet "Kritik der Toleranz", dass die liberale Gesellschaft an ihrer eigenen Toleranz zugrunde gehe: "Ich halte Toleranz für keine Tugend, sondern für eine Schwäche - und Intoleranz für ein Gebot der Stunde." Broders schlichte Kampfmaxime lautet: Die Islamkritik muss militant werden. Necla Kelek, die deutsche Soziologin türkischer Herrschaft, argumentiert in dieselbe Richtung: Der Islam sei eben keine Religion wie das Christentum, sondern ein System mit totalitärem Anspruch. Und Ayaan Hirsi Ali, die niederländische Politikerin mit somalischen Wurzeln, spricht von einer verbrecherischen Weltanschauung.

Thomas Steinfeld beharrt in der Süddeutschen Zeitung dagegen darauf, dass, wer auf Toleranz pocht, auch dann nicht intolerant sein dürfe, wenn es andere sind. Im Übrigen seien demokratische Grundwerte keine "Glaubensartikel". Broder ist für ihn entsprechend ein fundamentalistischer "Hassprediger". Und Claudius Seidl, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, nennt Broder & Co. "unsere heiligen Krieger".

Der Ton ist auf beiden Seiten eitelkeitsgetränkt und herablassend, ja geradezu gesinnungsmilitaristisch - mit Siegermiene starren sich zwei Ideologien an. Beängstigend ist auch hier die Verschlossenheit gegenüber dem Anderen, mit dem sich die beiden Lager der Islamkritik gegenüberstehen. Wo sind sie denn, die westlichen Tugenden der Rationalität und des Dialogs? Broder wird immer, wenn es um die Sache geht, persönlich verletzend, Steinfeld schleudert der Gegenseite grobe Begriffsklötze ins Gesicht, Greiner mimt den zeigefingerwedelnden Oberlehrer, der alles schon immer gewusst haben will. So kommen wir nicht weiter.

[...] Denn diese Grabenkämpfe sind offenkundig Ausdruck von Hilflosigkeit, auf beiden Seiten. Verständlicherweise: Wo soll man, historisch gesehen, eigentlich anfangen, wenn man über das Verhältnis von Islam und Westen nachdenkt? Für die Intoleranz-Prediger ist das einfach: Radikale Moslems sind mit Bomben auf den Westen losgegangen, und mit Bombenwerfern kann man nicht diskutieren. Was aber ist mit der jahrhundertelangen Geschichte davor? Ist der Westen nicht auch mit Schwertern und Bibeln in den Orient gezogen? Ist das Christentum nicht ebenso eine Religion mit universalistischem Anspruch? Und wie kann man das in die Debatte einbringen, ohne eines entschuldigenden Relativismus verdächtigt zu werden? - Ich weiß es auch nicht.

Vielleicht aber wäre es ein erster Schritt, ehrlich zu sein, so ehrlich wie Lévi-Strauss war: Wir haben Angst vor dem hegemonialen Anspruch eines radikalen Islam, weil er unsere Ruhe stört. Im Grunde will ja die Mehrheit des Westens von religiösen Fragen und ganz besonders vom Islam schlicht in Ruhe gelassen werden. Mögen Moslems, Christen, Juden beten zu wem auch immer, mögen sie glauben, was sie wollen, aber bitte, sie sollen uns verschonen damit. Genau dieser privatistische Blick auf die Religion ist für radikale Islamisten aber eine Provokation - und für uns säkulare Westler eine Selbstverständlichkeit.

[...] Es fällt den meisten ja schon schwer, zwischen Islam und Islamismus überhaupt zu unterscheiden. Und dass das Tragen von Kopftüchern kein Zeichen von Unterdrückung ist, können wir uns schlechterdings nicht vorstellen. Dass eine Religion tatsächlich alle Lebensbereiche durchdringt, erst recht nicht. Die Art und Weise, wie wir auf den Islam blicken, sagt eben auch etwas über uns - man lese dazu den Aufsatz "Orient und Okzident" des Pariser Essayisten Adelwahab Meddeb in der aktuellen Ausgabe von Lettre International. Und man lese die soeben bei Suhrkamp erschienen Studien "Begriffsgeschichten" von Reinhart Koselleck. Dort ist eindrücklich dargestellt, dass jene Aufklärung, die der Westen für sich reklamiert, mit einem "Ausschließlichkeitsanspruch" auftritt, der sie selbst in Aporien treibt: Das aufklärerische Denken vermag alles Mögliche zu tolerieren, nur nicht jene Kräfte, die ihm entgegenstreben.

Ehrlich zu sein hieße aber auch, zu sehen, dass wir einstweilen einem Verständnis von Aufklärung anhängen, das diesen Namen nicht mehr verdient. Aufklärung war ja nie ein Toleranz-Einübungsprogramm; sie ist seit Descartes vor allem eine Schule des Zweifelns. Und sie ist etwas, das man nicht sicher in der Tasche hat: Aufklärung ist eine Haltung, die täglich errungen sein will.

[...] Die wichtigste Tugend aufklärerischen Denkens ist deshalb die Fähigkeit, selbstkritisch zu sein. So gesehen sind wir weitaus weniger aufklärerisch als wir glauben. Wird Aufklärung, wie bei Broder, zur leeren, vollständig geschichtslosen Polemik-Formel, hat sie alles verloren, was sie auszeichnet: Es gibt keine Aufklärung, die sich "militant" verteidigen lässt. Ein bisschen sollte man sich, werte militante Intoleranzler, im westlichen Aufklärungsdenken schon auskennen, wenn man es verteidigen will. Und ganz vergessen sollte man nicht, liebe Toleranz-Verfechter, dass jede Toleranz Grenzen haben muss, wenn sie nicht zum Geschwätz werden will.

Was das alles für den konkreten Umgang mit einem terroristischen Islamismus bedeutet? Keiner weiß darauf eine politisch umsetzbare Antwort. So viel aber ist klar: Krieg und Intoleranz haben sich als untaugliche Mittel erwiesen, und verhandeln lässt sich mit Terroristen nur äußerst bedingt. Die Politik agiert genauso ratlos und aktionistisch wie das Feuilleton mit dieser neuerlichen Islamismus-Debatte. Der eine hektische Vorschlag folgt dem anderen. So kommen wir offenkundig auch nicht weiter.

Es bleibt uns keine Wahl: Wir müssen das anwenden, was wir als unsere westliche Errungenschaft betrachten - das freie, kreative Denken. Momentan ist die Islamismus-Debatte in starren Mustern gefangen. Haben wir den Mut, nach neuen, unerhörten Wegen wenigstens zu suchen, statt uns gegenseitig zu beschimpfen.


Aus: "Der Krieg und seine Krieger" Dirk Pilz (Archiv 01. Februar 2010 » Feuilleton)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0201/feuilleton/0003/index.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Statistisch lässt sich beweisen, dass ab Schuhgröße 39 eine erhöhte Kriminalitätsgefahr besteht. Spätestens hier erkennen wir, dass die Entscheidung für bestimmte Realitätsausschnitte, die berichtet werden, nicht die Realität abbilden. Wir sind es gewöhnt zur Charakterisierung einer Person ,Geschlecht', ,Nationalität', ,Beruf' und neuerdings zunehmend wieder ,Religion' zu erwähnen. Hier steckt weniger Absicht dahinter als vielmehr die unreflektierte Übernahme von Darstellungstraditionen, die sich durch ständige Wiederholung als Muss geradezu aufdrängen.

Hält man sich nicht an das vorgegebene Muster, steht schnell ein Unterlassensvorwurf im Raum - nämlich die Unterstellung, man wolle sein Publikum täuschen. Dabei täuscht man es häufig gerade durch die Nennung irrelevanter Merkmale, weil unsere Wahrnehmung automatisch einen Sinnzusammenhang konstruiert zwischen den einzelnen Äußerungsteilen. Würden wir uns angewöhnen die Haarfarbe von Personen mitzuerwähnen, dann würden wir bald die Menschen in Blonde und Dunkelhaarige einteilen. Auch hier würden sich - dem Prinzip der stereotypen Traditionenbildung entsprechend - Gruppenmerkmale einstellen, die dann später den Blick auf die fehlerhafte Kategorienbildung verstellen.

Unsere Aufgabe ist es, zu unterscheiden, in welchen Kontexten die genannten Merkmale relevant sind und wann nicht - auch wenn hier alte Gewohnheiten bestehen. Denn die suggerierten Rückschlüsse sind fatal. Kausale Zusammenhänge werden wahrgenommen zwischen Kriminalität und Nationalität, politischem Einfluss und Religionszugehörigkeit usw., obwohl die Statistiken anderes belegen und genügend Gegenbeispiele existieren. So ist für einen Mord der Beruf des Täters völlig irrelevant, ebenso wie seine Nationalität oder Religion. Da das Miterwähnen irrelevanter Merkmale aber eben Relevanz für den Sachverhalt, um den es eigentlich gehen soll,
suggeriert, führt dies zu falschen Rückschlüssen, die unsere zukünftige Erwartungshaltung bestimmen. Dann nehmen wir vermehrt genau dieses Gruppenmerkmal wahr und finden: ,,Ja, stimmt doch, was man über die da sagt." So etwa: ,,Der Täter war doch ein Schwarzer. Also stimmt es, was man über die Schwarzen nie sagen durfte." Nicht nur das omnipräsente Prinzip der Verallgemeinerung trägt hierfür die Verantwortung, sondern auch die Aktualisierung einer Kategorie - in dem Fall ,Hautfarbe' - außerhalb eines relevanten Kontexts.

Eine solche überflüssige Markierung geschah bezüglich der Juden im 19. Jahrhundert. Beim Börsenskandal 1873 wurde die Religion von Börsenmaklern und Firmengründern dann miterwähnt, wenn es sich um Juden handelte - sonst nicht. Der Vorwurf des Rassismus wurde damals erfolgreich mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die genannten Personen doch real Juden seien. Ein vermeintlich harmloses und doch erschreckendes Beispiel für die Nennung von Fakten in falschenKontexten angesichts der historischen Entwicklung. Denn wäre die Kategorie ,Jude ist anders' und die fatalen Rückschlüsse daraus nicht längst etabliert gewesen, hätten es die nationalsozialistischen ,,Rassengesetze" später nicht so leicht gehabt. Nicht erst die offene Beschimpfung, sondern bereits die Markierung der Gruppe als ,anders' hat hier vorbereitende Arbeit geleistet. Also, eine historische Aufgabe, die Relevanz der zu nennenden Merkmale zu überprüfen.

Schwierig wird es aber dann, wenn Täter ihre Taten auch noch mit einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit begründen - wie dies zurzeit vor allem bei so genannten islamistischen Attentätern geschieht. Auch hier ist zu prüfen, inwiefern das Merkmal ,Religion' wirklich relevant ist bzw. inwiefern man sich als Journalist zum Sprachrohr verblendeter Täter macht. Hier wartet viel Arbeit auf einen aufgeklärten Journalismus ebenso wie auf den Presserat, um nicht dem Trugschluss zu erliegen: wenn man nur Fakten berichte, könne man nicht rassistisch sein.

Die unbewusste Unterwerfung unter die etablierte Tradition, die unseren Blickwinkel erheblich einschränkt, entwickelt dabei ihre ganz eigene Dynamik.

...


Aus: "Botschaft des Presserates" Von Dr. Sabine Schiffer
(Online-Flyer Nr. 235  vom 03.02.2010, NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung)
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen
Quelle: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14750


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Quote[...] Henryk M. Broder wird ein "Hassprediger" genannt. Denken Sie, dass hier die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird?

Thierry Chervel: Meiner Meinung nach nicht. Ich bin immer dafür, dass man Debatten mit hochgezogenen Ärmeln führen kann. Wir leben in einer Demokratie und sollten auch ein scharfes Wort ertragen. Das gilt für Sarrazin und Broder und auch für die Gegenseite. Aber hinter dieser Bezeichnung steckt eine Gleichsetzung, die ich skandalös finde, weil jemand, der wie Kelek oder Broder mit Worten kämpft, mit jemandem gleichgesetzt wird, der zum Mord aufruft. Gleichzeitig steckt darin auch eine Umdrehung der Tatsachen, weil Menschen wie Seyran Ates, die mit dem Leben bedroht werden, als die eigentlichen Brandstifter dargestellt werden. Denjenigen, die wirklich gefährdet sind - Ayaan Hirsi Ali musste nach Amerika emigrieren, weil man in Europa offensichtlich unfähig ist, sie zu schützen -, wird die Schuld aufgebürdet. Dass ein solcher Mechanismus einschnappt, spricht wirklich nicht für das Reflexionsvermögen der Kritiker der Islamkritik.

Gleichzeitig wird z.B. dem Attentäter auf Westergaard sehr viel Verständnis entgegen gebracht...

Thierry Chervel: Ja. Andrian Kreye schreibt z.B.: "Wer provoziert, muss eben auch mit Reaktionen rechnen", als sei es das Gleiche, eine Karikatur zu zeichnen oder zu versuchen, jemanden mit einer Axt umzubringen. Das ist der Mechanismus einer Identifikation mit dem Täter. Solche Debatten erinnern immer wieder an die Schulhofsituation, in der man sich ausgerechnet mit dem Drangsalierer identifiziert. Wer da nicht ein bisschen Pfadfinderethik gelernt hat und dem Kleinen zur Seite springt, kommt dann zu solchen Schlüssen wie Andrian Kreye.

Warum finden diese Debatten eigentlich im Feuilleton statt - und nicht etwa im Politikteil?

Thierry Chervel: Das hat mit der Geschichte der deutschen Zeitungen zu tun. Schließlich gibt es in Deutschland die Tradition der Feuilletondebatte und zwar nicht erst seit dem Historikerstreit. Es erklärt sich meiner Meinung nach aus der "geschenkten Demokratie" in Deutschland: Nach dem Krieg wurden unbescholtenen Leuten Zeitungslizenzen gegeben, die den Deutschen erzählen sollten, was Demokratie ist, aber diese sollten um Gotteswillen nicht selber zu Wort kommen. Gleichzeitig haben wir in Deutschland eine Zeitungskultur, in der die Meinungsseite - mit Ausnahme vielleicht von der WELT oder der taz - ausschließlich von Redakteuren geschrieben wird. D.h. auf den Meinungsseiten kann die gesellschaftliche Debatte gar nicht stattfinden und deswegen ereignet sie sich im Feuilleton. Das ist ein Spezifikum der deutschen Medienlandschaft, dass bestimmte wichtige gesellschaftliche Debatten in Feuilletons stattfinden. Ein anderer Punkt ist natürlich, dass die Islamdebatte auch ins Feuilleton gehört, denn man spricht - ob man sich darauf positiv bezieht oder negativ - nicht von ungefähr von einem "Kampf der Kulturen". Die Debatte ist auch ein Kulturthema, weil seit der Rushdie-Debatte der Islamismus eine ganz brachiale Zensurbewegung gegenüber der westlichen Kultur darstellt. Es wird programmatisch versucht, den Raum der freien Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit einzuschränken. Der Karikatur-Streit hat gezeigt, wie weit die Selbstzensur im Westen schon geht. Heute sind wir soweit, dass das Metropolitan Museum in New York von sich aus Mohammed-Abbildungen aus der Ausstellung seiner islamischen Sammlung entfernt. Das Feuilleton wäre der Ort für eine Debatte hierüber.

[...]

Es könnte auch sein, dass in den Köpfen immer noch sehr stark die Erinnerung an nationalistische Sprüche wie Türken raus! vorhanden ist und man deswegen den Rassismus gleichsetzt mit einer rationalen Kritik zum Islam ...

Thierry Chervel: Es gab und gibt in Deutschland Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Wenn wir uns aber an die fremdenfeindliche Angriffe nach der Wiedervereinigung nicht nur in Ostdeutschland erinnern, richteten sich diese keineswegs gegen den Islam, sondern gegen alles, was anders war: Das waren Vietnamesen in Ost- und Türken in Westdeutschland. Sie richteten sich nicht gegen eine Religion, sondern waren ganz einfach rassistisch. Ich kann mich auch erinnern, wie verspätet die deutsche Öffentlichkeit auf diese Ausschreitungen reagiert hat und dass z.B. Helmut Kohl niemals eine Geste gegenüber den Opfern gezeigt hat. Das ist leider auch eine schlechte deutsche Tradition: Die mangelnde Solidarisierung aufgrund einer dumpfen Angst, man würde dadurch Wähler verlieren.

...

Quote"Islamisten lesen keine Feuilletons"
Leser-Feedback zum Beitrag
10. Februar 2010 09:56
Was erlaube Chervel!!??

Von Cpt.JackSparrow

Aha!

... "Antisemitismus ist keine Religionskritik, sondern eine
Verschwörungstheorie."

Sehr gut erkannt. Wenn wir jetzt noch herausfinden, was Herrn Chervel
die Einsicht verwehrt, dass "Hurra, wir kapitulieren!" und "Eurabia"
auch keine Religionskritiken sind, sondern handfeste
Verschwörungstheorien, dann hat der Mann durchaus noch Aussicht auf
Genesung.

Wer wissen will, was Meinungsfreiheit in der Demokratie wirklich
bedeutet, der sollte Frau Merkel fragen, welche sich nach eigener
Aussage durch öffentliche Umfragen nicht irritieren lässt. Diese Frau
steht zu ihrer Meinung, meine der Rest was er wolle. Da schätzt die
Rechtskonservative das Individuum natürlich sehr hoch.

Und wer da meint, Allah sei das wichtigste auf der Welt und
ausserhalb der Welt, der soll das meinen dürfen, ohne tagtäglich als
terrorfinanzierendes Arschloch gebrandmarkt zu werden, welches Europa
in eine Hölle auf Erden verwandeln möchte. Das nennt man
Religionsfreiheit, so provokant diese Ansicht sein mag. Aber solch
eine Provokation muss eine Demokratie aushalten können!

Guten Morgen, übrigens!



Quote10. Februar 2010 08:03
Broder hetzt
Anblau (123 Beiträge seit 02.07.09)

Broder wird nicht angegriffen, weil er mal ein
paar pointierte Bemerkungen zum Islam macht, sondern
weil er hetzt und lügt. Zudem arbeitet er mit
Argumenten, die man (zumindest in einem öffentlichen
Diskurs) noch nicht mal als solche bezeichnen kann.

Bestes Beispiel ist hier sein Vergleich von Moscheen
in Deutschland und Kirchen in irgendwelchen Diktaturen.
Sein "Argument": Bevor die Christen in Diktaturen nicht
besser behandelt werden, werden Muslime in Deutschland
eben auch nicht besser behandelt.

Neben der ganz offensichtlichen Absurdität, dem deutschen
Muslim irgendwelche Rechte zu verweigern, weil in
Saudi Arabien keine Kirchen gebaut werden dürfen, zeigt
sich hier, worum es Broder geht: Wir gegen die.

Im nächsten Absatz (oder vielleicht auch im
übernächsten) verweisen diese Art "Kritiker" dann sogleich
lammfromm auf die Menschenrechte, die es vor den Muslimen(!)
zu schützen gilt. Man könnte es fast für Schizophrenie halten.

Und so geht das weiter. Bei praktisch allen Argumenten wird
entweder gelogen, verkürzt dargestellt oder eben einfach
quellenfrei behauptet. Auch schön: Massenhaft muslimische Mädchen,
die angeblich nicht zum Schwimmunterricht dürfen. Auch das hat sich
als Ente herausgestellt, wird aber natürlich weiterhin von den sog.
Kritikern als Argument für die Integrationsunwilligkeit der Muslime
(wenn nicht gar für die Islamisierung Europas!) benutzt.

Interessantes Detail am Rand ist die Tatsache, dass viele der
prominenten Kritiker natürlich auch dafür waren/sind, den Irak,
Afghanistan oder der Iran zu "befreien".  ...



Aus: ""Islamisten lesen keine Feuilletons"" Von Reinhard Jellen (10.02.2010)
Interview mit Thierry Chervel über die hiesige Islamdebatte
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32052/1.html


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Quote[...] Am Regierungssitz Den Haag wurde die Wilders-Partei, die unter anderem ein Kopftuchverbot in Behörden und die Aufstellung von Bürgerwehren zur Kontrolle muslimischer Jugendlicher forderte, am Mittwoch mit nur knappem Abstand auf die Sozialdemokraten zweitstärkste Kraft.

Die PvdA und die Christdemokratische Appell (CDA) des als Chef einer Interimsregierung amtierenden Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende gehörten ebenso wie die Sozialistische Partei (SP) zu den großen Verlierern der Kommunalwahlen. Teils erhebliche Zugewinne konnte die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) verbuchen. Zu den Siegern zählten auch die linksliberale Partei D66 und die linke Umweltpartei GroenLinks.
Anzeige

Ministerpräsident Balkenende räumte die "bedauerlichen Verluste" seiner Partei ein und gratulierte den Gewinnern, ausdrücklich auch der Wilders-Partei PVV. Die 2006 gegründete Freiheitspartei war erstmals bei Kommunalwahlen angetreten und hatte nur in den beiden Städten Almere und Den Haag Kandidaten aufgestellt. Im Parlament in Den Haag hat sie seit 2006 neun der 150 Sitze. Laut Umfragen am Tag der Kommunalwahlen würde sie jetzt auf 24 bis 27 Sitze kommen und damit dritt- oder gar zweitstärksten Partei des Königreichs werden.

"Was in Den Haag und Almere geschah, ist überall in den Niederlanden möglich", sagte Wilders und verwies auf die Parlamentswahlen am 9. Juni. Die PVV wolle dabei stärkste politische Kraft des Landes werden. "Wir werden die Niederlande zurückerobern von der linken Elite, die immer noch an den Islam, an Multikulti, an den Unsinn von Entwicklungshilfe und den europäischen Superstaat glaubt", rief Wilders jubelnden Anhängern in der knapp 190.000 Einwohner zählenden Stadt Almere zu.

...

Quote#
04.03.2010 10:08 Uhr:
von Rick:

Liebe TAZ-Redaktion!

Sie müssen endlich mit dem Begriff "Rechtspopulist" aufhören! Populist hat eine vorverurteilende und herablassende Wirkung. Wenn der Leser "Populist" liest, wird er damit praktisch vorgewarnt, dass die betreffende Person im Folgenden nicht ernst zu nehmen ist und man sich mit den Inhalten dieser Person auch gar nicht erst auseinanderzusetzen braucht. Mit Kampfbegriffen wie "Populist" wird eine Entscheidung darüber, wessen Argumente überhaupt zählen und wessen nicht, selbstgerecht vorweggenommen.

Unterlassen Sie das!


...


Aus: "Kommunalwahl in Holland - Rechtspopulisten siegen" (04.03.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/rechtspopulistische-wahlsieger/


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Quote[...] Zu Recht beschäftigen sich Kay Sokolowsky und Sabine Schiffer, die zum Thema auch einen Aufsatz zum Münsteraner Band beisteuert, ausführlich mit den Widerwärtigkeiten der islamkritischen Bloggerszene. Seiten wie ,,Politically Incorrect" stehen für eine Verrohung und Enthemmung der öffentlichen Rede, die ohne Beispiel ist, was jedenfalls die technischen Möglichkeiten der Selbstreproduktion und der Rückkopplung mit stärker von Anstandsregeln reglementierten Foren angeht. Die anonymen Autoren berauschen sich an der Entmenschlichung des Fremden, die die Antisemitismusforschung beschrieben hat. Das Wort ,,Muslim" wird durch Schimpfwörter ersetzt; mit Schandnamen, die witzig sein sollen, belegt man auch die vermeintlichen Unterstützer der Volksfeinde, die Kollaborateure, Appeaser und Gutmenschen. Die Konsumenten der Greuelgeschichten schwelgen in Phantasien der Gegenwehr. Frage: ,,Welche Möglichkeiten bestehen, Moscheen in Deutschland moderat ,zurückzubauen'? Wer hat eine zündende Idee?" Antwort: ,,Man braucht keinen zündenden Funken. Ein paar Eimer Schweineblut gut versprüht tun's auch." So rottet sich Tag für Tag ein virtueller Mob zusammen.

Was hat die respektable Islamkritik der preisgekrönten Bestsellerautoren mit dieser hässlichen Unterseite der Debatte zu schaffen? Sie liefert die verschwörungstheoretischen Stichworte. So gab Necla Kelek in dieser Zeitung (F.A.Z. vom 5. Juni 2007) den Kritikern des Kölner Moscheebaus einen Grund, keinem Versprechen des Bauherrn zu trauen: Im Islam ,,wird die taqiyya, die Kunst der Verstellung und des Verschweigens der wahren Haltung gegenüber ,Ungläubigen' praktiziert". Dass es sich bei dieser Lizenz zum Lügen nicht um einen Notbehelf für Situationen der Lebensgefahr gemäß einer schiitischen Sonderlehre handele, sondern um ein Prinzip der muslimischen Moral, ist eine feste Überzeugung der Islamfeinde. Ähnliches wurde Jesuiten und Juden nachgesagt.

Wie Birgit Rommelspacher im Münsteraner Sammelband feststellt, dringen durch die Islamkritik ,,Panikargumentationen" in die politische Debatte ein, die ,,uns vor allem aus dem Rechtsextremismus bekannt" sind. Als Beispiel führt sie die auch von Sokolowsky eingehend erörterte Aufregung um die Frankfurter Familienrichterin an, die einer Frau aus Tunesien die Ehescheidung unter Verweis auf ein kulturkreisübliches Züchtigungsrecht des Ehemannes verweigerte. Dem ,,Spiegel" war der Fall Anlass für die Titelgeschichte ,,Mekka Deutschland - Die stille Islamisierung", die behauptete, das Frankfurter Urteil sei symptomatisch für eine Tendenz der Rechtsprechung. Von einer solchen Tendenz konnte aber keine Rede sein. Die Frankfurter Richterin wurde von dem Fall abgezogen und entschuldigte sich sogar selbst für die Rechtsverweigerung, zu deren Entschuldigung sie auf keinen einzigen Präzedenzfall verweisen konnte. Als das Amtsgericht schon auf Befangenheit der Richterin entschieden hatte, ließ die Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler noch eine Pressemitteilung hinausgehen: ,,Wo soll das enden? Bei der Steinigung für Ehebruch? Diese Entwicklung muss gestoppt werden."

Die meisten Autoren des Münsteraner Bandes sehen das Schlechte der Islamkritik schon in dem Umstand, dass vom Islam im Singular und mit bestimmtem Artikel die Rede ist. In seinem abgewogenen Beitrag ,,Zum öffentlichen Umgang mit der Angst vor dem Islam" macht sich Heiner Bielefeldt, der frühere Leiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte die Forderung der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen Asma Jahangir zueigen, Anhänger von Religionen ,,nicht als Teile homogener Einheiten" anzusehen. Unter Verweis auf die ,,Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz" verlangt Bielefeldt ,,die Überwindung deterministischer Sichtweisen des Islam - also die Eröffnung einer Perspektive auf die handelnden Subjekte".

Hier geraten politisches Postulat und wissenschaftliche Prämisse durcheinander. Von einem Demokraten ist zu erwarten, dass er der Mitbürgerin nicht ohne Grund unterstellt, sie trage ihr Kopftuch nicht aus freiem Entschluss. Aber warum Frauen typischerweise Kopftücher tragen, das darf die Wissenschaft untersuchen und in die politische Diskussion eingehen. Die sozialwissenschaftliche Feindbildforschung des Münsteraner Bandes wird Historiker nicht überzeugen, weil sie von der Realität von Feindschaft nichts wissen will. Wenn Sabine Schiffer fordert, bei der kausalen Betrachtung der Frauenunterdrückung nur nichtreligiöse Ursachen zu berücksichtigen, dann negiert ein solcher methodologischer Laizismus die Religion als unableitbare soziale Wirkungsmacht.

Dass die Islamkritik vom Islam spricht, ist ihr nicht vorzuwerfen; was sie ihm nachsagt und anhängt, ist zu untersuchen, auf die Triftigkeit der Kritik wie auf mögliche Motive der Kritiker. Für eine Ideologiekritik der Islamkritik geben alle drei Bücher wertvolle Hinweise. Das komplette Reservoir der islamfeindlichen Topoi, von den Minaretten als Zeichen der Landnahme bis zur ,,taqiyya", findet sich lange vor dem 11. September 2001 im Programm der Splitterpartei ,,Christliche Mitte". Der Buchautor Hans-Peter Raddatz, als Orientalist eine Ausnahme unter den berufsmäßigen Islamkritikern, prophezeit den Untergang des Abendlandes im Stil von Erzbischof Lefebvre. Andererseits erklärt Ralph Giordano, der im Kampf um die Kölner Moschee die Losung ,,Der Islam ist das Problem!" ausgab, in seinen Memoiren jede Religion zur Neurose. Und die Diskrepanz zwischen Umfragen, nach denen die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime sich integrieren will, und Necla Keleks These, sie verweigerten die Integration, löst sich mit Birgit Rommelspacher in der Einsicht auf, dass Integration für Frau Kelek die Aufgabe der Religion bedeutet.

Ein Bündnis von strenggläubigen Christen und religionskritischen Rationalisten mit Erfolg bei einem bürgerlichen Publikum, das über die weltanschaulichen Antriebe der Protagonisten nicht nachdenkt: Als ein so beschriebenes Phänomen der Ideologiegeschichte lässt sich die Islamkritik tatsächlich mit dem Antisemitismus der Gebildeten im deutschen Kaiserreich vergleichen.

Kay Sokolowsky: ,,Feindbild Moslem". Rotbuch Verlag, Berlin 2009. 256 S.

Thorsten Gerald Schneiders: ,,Islamfeindlichkeit". Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009. 482 S.

Sabine Schiffer, Constantin Wagner: ,,Antisemitismus und Islamophobie - ein Vergleich". HWK Verlag, Wassertrüdingen 2009. 260 S.




Aus: "Kay Sokolowsky: Feindbild Moslem - Zur Mobilisierung des Ekels" Von Patrick Bahners (04. März 2010)
Quelle: http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBEDB095D7C41F468/Doc~E2BF0896FE114482083C30F8AA63BE865~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Textaris(txt*bot)

#78
Quote...

Südländer-Gang mit Axt, bedrohlich aufgebaut, böse blickend, Mundwinkel nach unten, aggressive Gestik des Sängers, teilweise auch der Gangmitglieder im Hintergrund, in Richtung Kamera.

Liedtext, im Rap-Gesangsstil vorgetragen:

Ich zerquetsch' dich, du Kartoffel.

Die Zeit ist reif
ich werde nicht mehr warten.
Opfer, begreif': Ich hol dich aus dem Garten.
Ich werde dich klatschen, zerfetzen, zerquetschen
Mach keine Faxen, jetzt gibt's action.

100 Prozent, deutsche Kartoffel
100 Prozent, ich tu dir weh.
100 Prozent, deutsche Kartoffel
100 Prozent, Kartoffelpüree.

(Sänger hebt die Hand, zerdrückt eine Kartoffel, die zwischen seinen Fingern hervorquillt. Es erscheint die Bildunterschrit: "Unser Mitarbeiter des Monats").

(Schwarzer Hintergrund. Pfanni-Emblem. Text: 100% deutsche Kartoffeln).

...


####

Angesichts dieser unfaßbaren Instrumentalisierung täglich erfahrenen Leids von Deutschen ohne Migrationsbiographie zu Werbezwecken möchte ich mich bei Ihnen höflich erkundigen, ob dieser Werbefilm von Ihnen autorisiert wurde und eine offizielle Werbemaßnahme darstellt.

Falls die Antwort "ja" lauten sollte, möchte ich Ihnen Nachstehendes mitteilen:

Ihnen ist, wie es den Anschein hat, der Umstand bekannt, daß die rassistisch-chauvinistisch gebrauchte Anrede "Du Kartoffel" zum Standardrepertoire deutschenfeindlicher Beschimpfungen gehört, die regelmäßig von aggressiv auftretenden Personen türkischen, arabischen oder sonstigen "südländischen" Hintergrunds gebraucht werden. (Ungeahndet, wie Sie offenbar auch wissen, denn die herrschende Rechtsprechung erblickt darin keine Straftat nach Paragraph 130 Strafgesetzbuch.) Und mutmaßlich auch gebraucht wurden gegenüber den ungezählten, auch im Film so angeredeten, "Opfern", die sich nach überfallartigen Kopftritten von großen Gruppen presse- und polizeiberichtnotorischer "südländischer Jugendlicher" (Personalstärke also etwa wie im Film) mit Kiefer-, Schädel-, Rippen-, Nasen- und Jochbeinfrakturen sowie überhaupt gebrochenen Seelen im Krankenhaus wiederfinden, oft für viele Wochen, gesundheitlich geschädigt nicht selten für den Rest ihres Lebens. Die Täter erhalten für solche Verbrechen unter der gegenwärtig herrschenden Rechtsprechung, die erziehen statt strafen und Integrationschancen wahren will, mit entsetzlicher Regelmäßigkeit läppische Bewährungsstrafen und können anschließend an das Gerichtsverfahren mit dem im Film so drollig verkauften "Kartoffel-Klatschen" weitermachen. Ebenso regelmäßig erhalten diese Täter im Wiederholungsfall Bewährung in der Bewährung, nicht selten viele dutzend Male.

Mit solchem Kontext machen Sie ernsthaft Werbung? Sie wollen Produktinteresse mit dem höchst realen schmerzhaften "Opfer"-Alltag erregen? Sie finden es in Ordnung, daß Deutsche wegen ihres Deutschseins rassistisch beschimpft werden? Dreimal Pfui, Pfanni!!!

In Erwartung Ihrer Nachricht verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Götz Wiedenroth

Das Video auf der Website des Werbefilmfestivals wurde inzwischen entfernt und auch in der Awards-Kategorie taucht es nicht mehr auf. Der Film "Deutsche Kartoffeln" ist mittlerweile auf Youtube zu sehen.

Kontakt:

Pfanni-Service
Unilever Deutschland GmbH
Strandkai 1
20457 Hamburg
Tel.: 040-34930
Fax: 040-354742
Geschäftsführer: Henricus Brouwer

...



Aus: ""Deutsche Kartoffel, ich zerquetsch Dich!"" (PI-News, 16.03.2010 20:30 | Politik + Gesellschaft)
Quelle: http://www.pr-presse.de/news/deutsche-kartoffel-ich-zerquetsch-dich/37056


-.-

Quote[...] Die widerstandsfähige deutsche Kartoffel. Nur Raimund Harmstorf hat sie vor langer Zeit mal klein gekriegt. Auf einem Schiff. Mitten im Meer.

Die Feinde von heute lauern an Land. Im Netz. Gestalten wie der muskulöse, tätowierte, glatzköpfige und migrationshintergründige Kerl, der derzeit durch das Internet geistert. Bewaffnet mit Baseballschläger und mit grimmigem Blick rappt er dort in bester Bushido-Manier ein garstig´ Lied: "Die Zeit ist reif / ich werde nicht mehr warten / Opfer, begreif: / Ich hol dich aus dem Garten / Ich werd dich klatschen, zerfetzen, zerquetschen / mach keine Faxen, jetzt gibt´s Action." Den Refrain singt dann seine ganze Gang mit: "100 Prozent, deutsche Kartoffeln / 100 Prozent, ich tu dir weh / 100 Prozent, deutsche Kartoffeln / 100 Prozent, Kartoffelpüree." Dann zerquetscht der Glatzkopf mit bloßer Faust eine Kartoffel. Ein Schriftzug erscheint: "Unser Mitarbeiter des Monats." Und ein Logo: "Pfanni - 100 Prozent deutsche Kartoffeln."

Der Film ist natürlich, selbst eine deutsche Kartoffel müsste das eigentlich erkennen, kein Werbespot der Firma Pfanni. Es ist schlicht die erfrischende HipHop-Parodie eines Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film München. Auf dem Spotlight-Festival in Mannheim, einem internationalen Werbefilmwettbewerb, gewann der einminütige Spot einen Publikumspreis in Silber. Man kann das Filmchen also witzig finden.

Finden aber nicht alle. In den einschlägigen Islamhasser-Blogs schlug das Video hohe Wellen. Die "unfassbare Instrumentalisierung täglich erfahrenen Leids von Deutschen ohne Migrationsbiografie zu Werbezwecken", wie es ein User ausdrückte, führte zu einer Flut von Boykottandrohungen, die direkt an die völlig unschuldige Firma Pfanni gerichtet waren. Schließlich, so ein anderer User, gehöre "die rassistisch-chauvinistisch gebrauchte Anrede ,Du Kartoffel´ zum Standardrepertoire deutschenfeindlicher Beschimpfungen". "Wie blöd muss man eigentlich sein, liebe Firma Pfanni?", echauffierte sich der Nutzer "Der letzte freilebende Preuße". "Ab sofort wird in meinem Haus kein Pfanni mehr auf den Tisch kommen. Ich hoffe sehr, dass sich diesem Boykott noch viele anschließen." Taten sie.

Pfanni sah sich zum Handeln gezwungen. Denn auch wenn der Konzern selbst den Slogan "100 Prozent deutsche Kartoffeln" geprägt und in einem Werbefilm der Agentur Jung von Matt selbstironisch damit gespielt hatte: Hier ging es plötzlich um wütende Kunden und bares Geld, und da hört der Spaß auf. Im Internet ließ der Konzern eine Stellungnahme verbreiten, in der er sich "aufs Schärfste von diesem Spot" distanziert. "Ungefragt und unerlaubterweise wurde hier unser Pfanni-Logo missbraucht. Leider haben wir keinen Einfluss auf diverse Internetseiten, die diesen Image-schädigenden Spot verbreiten", erklärte das Unternehmen im Netz. Man habe nichts mit dem Spot zu schaffen.

"Das Problem ist nur, dass das einigen Konsumenten nicht klar ist", sagt Merlin Koene, Pressesprecher bei Unilever. Dort ist man unglücklich über die Angelegenheit. Das Unternehmen plant nach Koenes Aussage trotzdem nicht, den armen Studenten, die Wurzel allen Übels, zu verklagen. Man habe bislang lediglich die Festival-Betreiber aufgefordert, den Spot von der Homepage zu nehmen. Das ist mittlerweile geschehen. Doch die Eigendynamik des Internet hat dafür gesorgt, dass die Kartoffel-Affäre weite Kreise zieht.

Er hoffe dennoch, "dass unsere Kunden auch weiterhin unseren Produkten vertrauen", sagt Koene. Das sind Sätze, die Pressesprecher sagen, wenn sie wissen, dass es um hochsensible Themen geht. Die Brisanz haben offenbar auch andere erkannt: Für eine Stellungnahme war gestern keiner der Spotlight-Festival-Verantwortlichen erreichbar, ebensowenig wie der Student, der mit seinem Film die ganze Aufregung verursacht hat.

Wenn man irgendeine Moral aus der seltsamen Geschicht´ ziehen kann, dann die, dass Dummheit und Borniertheit, die natürlichen Feinde der Kunst, im Internet einen unfassbar fruchtbaren Humus gefunden haben. Die Kunst aber auch. Denn mit der Breitenwirkung, die sein Festival-Beitrag nun hat, hätte der junge Student niemals rechnen können. Seiner Karriere dürfte es kaum abträglich sein.

"Luther erschütterte Deutschland - aber Francis Drake beruhigte es wieder: Er gab uns die Kartoffel", hat Heinrich Heine mal gesagt. Hier irrte Heine.


Aus: "Streit um Werbe-Parodie - Kleinkrieg um die Kartoffel" Von Stefan Behr (18.03.2010)
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/2434748_Streit-um-Werbe-Parodie-Kleinkrieg-um-die-Kartoffel.html


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Quote[...] Mit einem Monatsbeitrag von knapp 20 Euro, einem Ladyfitnessbereich und kostenlosen Getränken wirbt das "All inclusive Fitness Bielefeld" um seine Kunden. "Bei unserem Publikum achten wir stark darauf, dass keine Raudis & Co. bei uns trainieren. Da wir uns strikt vom Body-Building distanzieren, sind Muscle-Shirts und Unterhemden für Männer verboten", ist auf der Homepage des Studios zu lesen.

Hoda Elias erweckt nicht den Eindruck, als sei sie ein "Raudi" und ähnelt auch keinem muskelbepacktem Mann. Die 27-Jährige fällt durch ihre bestechenden blauen Augen auf, sie ist Arzthelferin und Kopftuchträgerin. Und genau das scheint ein Problem im "All inclusive Fitness Bielefeld".

Im Oktober letzten Jahres schaute Hoda Elias sich das Sportstudio an, sie wurde vom Geschäftsführer herumgeführt und entschloss sich zu einer Mitgliedschaft. Als sie das erste Mal zum Training ging, wurde Hoda Elias von dem vormals so freundlichem Geschäftsführer Sascha Westrup an der Tür aufgehalten, erzählt sie. Sie solle doch bitte ihr Kopftuch abnehmen, ansonsten sei ein Training hier nicht erwünscht, hieß es. Denn es gebe eine neue Hausordnung, Kopfbedeckungen seien nicht erlaubt. Oben ohne will Hoda Elias aber nicht trainieren.

Die Ägypterin hat sich einen Anwalt genommen, der eine Klage vorbereitet - Hoda Elias fühlt sich diskriminiert. Dabei geht es ihr nicht um eine finanzielle Entschädigung, "ich will Recht bekommen." Denn was folgt als nächstes, fragt sie sich. "Werde ich demnächst nicht in ein Einkaufszentrum reingelassen?"

Wo den genau das Problem dabei sei, wenn eine sportliche Muslimin unter ihrem Kopftuch schwitzt? Geschäftsführer Sascha Westrup ist für die taz nicht erreichbar. Gegenüber einem WDR-Fernsehteam sagte er: "Wir sind ein privat geführtes Fitnessstudio und wollen uns rein auf das Thema Fitness, Gesundheit und Sport konzentrieren. Dem Thema Religion wollen wir keine Plattform bieten."

Westrups Auswahlkriterien sind umstritten. Ali Ekber Agu, Vorsitzender des Internationalen Begegnungszentrums Friedenshaus (IBZ) in Bielefeld, erzählt, er habe versucht, Mitglied in dem Studio zu werden. Der Türke sei abgelehnt worden, weil es schon zu voll sei. Dass muss kein Indiz für eine Form von Fremdenfeindlichkeit sein, aber das Studio wirbt weiter für seine günstigen Angebote - obwohl es ja eigentlich überlaufen sei. Außerdem gibt es schon mehrere Beschwerden von Migranten, die abgelehnt wurden.

Karl-Heinz Voßhans, Leiter des städtischem Amtes für Integration und interkulturelle Angelegenheiten, weiß von diesen Vorwürfen. Wegen der zahlreichen Proteste hat die Stadt das Studio darauf hingewiesen, die Aufnahmekriterien zu ändern. Aber Voßhans räumt auch ein, dass sie nicht viel mehr machen kann. Deswegen rät er allen Betroffenen, sich einen Anwalt zu suchen.



Aus: "Kein Kopftuch im Fitnessstudio - Oben mit verboten"  VON CIGDEM AKYOL (31.03.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/oben-mit-verboten/


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#80
Quote[...] Die Juristin Aygül Özkan, bislang Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg, wird an diesem Dienstag in Hannover als neue Sozialministerin des Landes Niedersachsen vereidigt, als erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland überhaupt. Einen Coup wollte Ministerpräsident Christian Wulff damit landen, es sollte eine Demonstration werden. Auch gegenüber der SPD, die zwar von Einwandern gewählt wird, aber so wenige der ihren in Spitzenpositionen vorweisen kann wie keine andere Partei.

Dann gab Özkan der Zeitschrift Focus ein Interview, in dem sie sich gegen Kopftücher und andere religiöse Symbole im Unterricht aussprach. Auf die Frage, ob das auch für Kruzifixe gelte, sagte sie: "Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen."

Damit war es wieder da, das langfristig vielleicht heikelste Thema für die CDU. Zwei Wochen vor der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, das nicht nur die Hochburg des westdeutschen Katholizismus ist, sondern auch die Region mit den meisten Muslimen in Deutschland.

Klar, zuerst protestierte die bayerische CSU. "Mit solchen abstrusen Ideen wird man jedenfalls in Bayern nicht Ministerin", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt. Aber auch die CDU/CSU-Kirchenbeauftragte Maria Flachsbarth stellte klar, das Kreuz habe seinen "selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit". Aus dem Kanzleramt erklärte schließlich die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer, die Kreuze seien Ausdruck einer jahrhundertealten christlichen Tradition. Die Ernennung der ersten türkischstämmigen Ministerin sei gleichwohl "richtungsweisend". Am Montagmittag schaltete sich die Bundeskanzlerin in die Debatte ein. Sie sehe die Sache genau wie Böhmer, ließ sie einen Regierungssprecher verlautbaren.

Für Merkel ist das Thema besonders heikel. Ihr Verhältnis zu den Katholiken gilt als gestört, seit sie im Vorjahr den Papst für seine Absicht, einen Holocaust-Leugner wieder als Bischof aufzunehmen, rüde abkanzelte. Im Januar hatte sie sich eine Analyse der Bundestagswahl bestellt. Vor dem versammelten Parteivorstand erläuterte der Demoskop Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, regelmäßige Kirchgänger seien heute keine relevante Wählergruppe mehr. Auch das erheiterte in der Partei nicht jeden Kirchentreuen.

Noch etwas anderes sagen Wahlforscher: Gesellschaftspolitisch denken die Muslime in Deutschland im Durchschnitt konservativ, konservativer jedenfalls als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Die CDU wählen sie trotzdem nicht, weil sich die Partei allzu lang gegen Migranten sperrte. Das hat sich inzwischen geändert, nicht nur in Niedersachsen. Es bleibt das "C", das weiterhin irritiert.

Konservativ zu sein und nicht katholisch oder evangelisch, ist in Deutschland schwieriger als als in Frankreich etwa, wo sich die Gaullisten dem Laizismus verschrieben haben, der strikten Trennung zwischen Staat und Kirche. In Deutschland, das mindestens seit 1918 über die religiöse Unterweisung an Staatsschulen streitet, wo der Staat für die Versorgung verheirateter Theologieprofessoren aufkommt und in Bayern sogar die Bischöfe bezahlt, ist das anders.

Dabei könnte es einfach sein. Vielleicht sollten die Christdemokraten im Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nachlesen. Das Kreuz sei nicht bloß ein kulturelles Symbol, ein Sinnbild für Humanität oder Barmherzigkeit, stellten die Richter 1995 fest, sondern das Symbol einer spezifischen Religion. Aygül Özkan hat nicht mehr getan, als darauf hinzuweisen.

...

Quote26.04.2010 23:38 Uhr:
von glamorama:

Merke: Wer in der CDU einen Ministerposten bekommen will, hat verdammt nochmal das Grundgesetz zu missachten. Wo kämen wir denn sonst hin?


Quote#
27.04.2010 00:19 Uhr:
von Juergen K:

Ich verleihe mal den

"kleinen Preis der Überschrift"

an Ralph Bollmann.





Aus: "Erste deutsch-türkische Ministerin - Ja, Kruzitürken!" (27.04.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/ja-kruzituerken/

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Quote[...] Armbrüster: Eine Muslima, die zu Kreuze kriecht. Wie hilfreich ist das für die Integration von Ausländern?

Laschet: Nein, das ist eine nun wirklich völlig falsche Formulierung. Sie hat da eine Position vertreten, die nicht die Position der niedersächsischen Landesregierung und nicht die Position der CDU ist. Die hat sie korrigiert und damit hat sich der Fall.

Die Freude darüber, dass zum ersten Mal das Kind eines türkischen Gastarbeiters, eines Schneiders, Abitur macht, studiert, zwei juristische Staatsexamen macht und jetzt in einem hohen deutschen Staatsamt landet, das ist doch die eigentliche Geschichte, und die bleibt. Und jedem von uns, auch mir, passiert mal etwas, dass man mal einen Schritt zu weit geht und die Partei sagt, nein, das ist nicht meine Position. Das hat mit Muslima oder nicht Muslima gar nichts zu tun. Das ist jetzt korrigiert. Heute wird sie vereidigt und das ist das, was eigentlich das Entscheidende ist.

Armbrüster: Aber was glauben Sie denn, wie kommt das an bei jungen Ausländern in Deutschland, wenn eine türkischstämmige Ministerin auf einmal zurückrudern muss, weil sie Kreuze im Klassenzimmer kritisiert?

Laschet: Aber türkische Minister müssen auch in der Türkei schon mal zurückrudern. Jeder von uns muss immer mal zurückrudern. Diese Frage Kreuze ist für die Muslime nicht eine so große. Wir haben hier vor wenigen Wochen in Düsseldorf erlebt, da wurden in den Gerichten die Kreuze abgehängt, da gab es auch Protest und dann hat der Verband der Muslime gesagt, wir wollen, dass das Kreuz hängen bleibt, das ist ein religiöses Symbol, da haben wir Respekt vor. Also diese Debatte um Kreuze in Klassenzimmern haben wir in Deutschland doch schon geführt, bevor es überhaupt um Muslime oder nicht Muslime ging. Sie erinnern sich an das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichtes. Das ist eine politische Frage, und in Niedersachsen ist die Tradition halt so, wie sie ist, in Nordrhein-Westfalen übrigens auch, und deshalb würde ich wirklich diese Frage nicht überbewerten. Sie werden erleben: In den nächsten Tagen, auch in den türkischen Medien und Gemeinschaften, wird die Freude darüber, dass es endlich einmal gelungen ist, eine Zuwandererin zur Ministerin in Deutschland zu machen, weit überwiegen diesen Streit des gestrigen Tages.

Armbrüster: Sie haben das Bundesverfassungsgericht erwähnt. Hat denn Frau Özkan nicht genau im Sinne von Karlsruhe argumentiert?

Laschet: Sie hat so argumentiert, wie auch Karlsruhe aus meiner Sicht einmal falsch argumentiert hat, denn ich finde, dass die Kreuze ...

Armbrüster: Moment, Herr Laschet! Heißt das, Sie kritisieren nachträglich noch mal das Kruzifix-Urteil aus Karlsruhe aus den 90er-Jahren?

Laschet: Ich habe das damals kritisiert und in nordrhein-westfälischen Klassenzimmern hängen selbstverständlich Kreuze. Das ist auch gar kein Problem. Wenn das jemanden stört in einer Klasse, wird vor Ort eine Lösung gefunden. Das wird ganz pragmatisch gehandhabt. Aber die Theorie, Kreuze nun aus allen Klassenzimmern zu verbannen, die das Bundesverfassungsgericht damals sehr zugespitzt ja formuliert hatte, ist nicht die Realität in so gut wie keinem deutschen Bundesland, und ich glaube, dass man doch sehr vernünftig vor Ort mit solchen, auch für die Menschen sehr wichtigen Symbolen umgehen sollte. Es geht nicht darum, dass eine Religion die andere dominiert, sondern es geht darum, dass das Kreuz für viele Menschen eine Prägung, die über Jahrhunderte gewachsen ist, darstellt, und wenn niemand daran Anstoß nimmt, warum sollte man es dann abhängen.

Das ist eine pragmatische Lösung. Die gibt es in Niedersachsen, die gibt es in Nordrhein-Westfalen, die gibt es natürlich auch in Bayern, das ja damals Auslöser war für dieses Urteil, und das Urteil ist 10, 15 Jahre her und trotzdem ist die Praxis in den Klassenzimmern meiner Ansicht nach eine sehr friedvolle, auch im Umgang mit den Religionen.

Armbrüster: Können Sie sich dann, Herr Laschet, auch muslimische Symbole im Klassenzimmer vorstellen?

Laschet: Ich glaube nicht, dass - - Es gibt natürlich, wenn Sie heute in Klassenzimmer von Schulen hineingehen und Religionsunterricht wird besprochen, sind da auch schon mal muslimische Symbole.

Armbrüster: Die werden aber nur mal aufgehängt oder an der Tafel gezeigt. Die werden nicht ständig gezeigt wie ein Kreuz.

Laschet: Ja, das ist schon wahr, aber das Christentum hat nun über Jahrhunderte Deutschland geprägt mit seinen Werten. Das ist eingemündet in das Grundgesetz. Unsere Geschichte ist geprägt von christlich-jüdischen Werten und der Aufklärung. Man muss beides immer zusammen sagen. Und dass das Bestandteil unserer Geschichte ist, das ändert sich doch nicht dadurch, dass heute auch Muslime in unserem Land sind.

Ich bin dafür, dass der Islam auch in unseren Schulen stattfindet. Wir wollen islamischen Religionsunterricht, so wie es christlichen Religionsunterricht gibt, aber das kann man nun nicht an Symbolen festmachen. Und wir haben hier beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen erlassen, das es trotzdem ermöglicht, dass christliche Symbole nicht verbannt werden müssen. Der Staat ist nicht neutral nach der deutschen Verfassung und viele Gerichte haben dieses Urteil auch bestätigt. Es ist meistens nur nicht so hochgekocht wie die Debatte der letzten Tage und ich finde auch die Kritik an Frau Özkan maßlos. Wir sollten die Tassen im Schrank lassen. Man muss sie nicht wegen einer solchen Äußerung so angehen, wie das auch in den letzten Tagen auch aus der Union geschehen ist.

[...] Armbrüster: Da kamen ja aus der Union sogar Rücktrittsforderungen gegen Frau Özkan. Meinen Sie, wären die auch gekommen, wenn sie nicht Muslima wäre?

Laschet: Das ist das, wo ich mir nicht so sicher bin. Ich weiß es nicht. Das ist ein Thema, das sehr natürlich an die Emotionen geht. Diese Rücktrittsforderungen waren völlig überzogen, denn das ist ein politischer Streit. Herr Wowereit ist ihr ja beigesprungen. Die SPD oder Die Linke vertreten ja in weiten Teilen diese These und deshalb ist meine Antwort, das liegt nicht an Muslimin oder nicht Muslimin, das ist ein politischer Streit, und alle, die in den letzten Tagen so scharf über Frau Özkan hergezogen sind, sollten vielleicht mal ihre Lebensleistung in den Blick nehmen, ihre gesamte politische Aussage in den Blick nehmen, auch das gesamte Interview, das sie gegeben hat, in den Blick nehmen ...

[...] Armbrüster: Wann streichen Sie dann das C aus dem Kürzel CDU?

Laschet: Das brauchen wir nicht zu streiche, weil Frau Özkan, als sie in die CDU eingetreten ist, gesagt hat, ja, zu den Werten stehe ich, deshalb trete ich in diese Partei ein. Wir haben auch viele Nichtchristen, die Mitglieder in einer solchen Partei sein können, aber denen die Programmatik und die Werteorientierung gefällt, und insofern gehe ich davon aus, das wird nicht gestrichen, im Gegenteil. Religiöse Werte, die einem wichtig sind, die in allen drei Weltreligionen vorhanden sind, bei Juden, bei Christen und Muslimen, die haben heute auch noch eine Attraktivität für die Gestaltung unserer Gesellschaft.

Armbrüster: Armin Laschet, Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen. Vielen Dank für dieses Interview.

Laschet: Bitte schön.



Aus: ""Jeder von uns muss immer mal zurückrudern" - NRW-Integrationsminister hält Kruzifix-Debatte für überflüssig
Armin Laschet im Gespräch mit Tobias Armbrüster" (27.04.2010)
Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1171265/

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Quote[...] Als "reine Symbolpolitik" hatte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Berufung von Aygül Özkan zur niedersächsischen Sozialministerin noch vor ein paar Tagen hämisch abgetan. Doch nach den ersten Äußerungen der Frau, die heute in Hannover als erste türkischstämmige Ministerin der Republik vereidigt wird, kann davon keine Rede mehr sein. Denn mit ihren forschen Statements zu Kopftüchern, Kruzifixen und Integration hat die Senkrechtstarterin klargemacht, für welche Inhalte sie steht. Die 38-Jährige ist damit mehr als nur ein neues Gesicht für eine CDU, die sich modernisiert. Sie selbst steht für diese Modernisierung der Union ein.

[...] Symbolpolitik ist eben auch Politik. Und aus Wowereits Häme spricht nur der Neid darüber, dass seine Partei auf dem Terrain der Integration so alt aussieht. Die Grünen haben einen Parteivorsitzenden mit Migrationshintergrund, die CDU nun die erste muslimische Ministerin. Und was hat die SPD? Einen Sarrazin, der gegen Migranten aus der Unterschicht pöbelt - und dessen schlichte Thesen die Tochter eines Änderungsschneiders aus Hamburg-Altona allein schon mit ihrer Aufstiegsgeschichte Lügen straft.


Aus: "Symbolpolitik mit Folgen" KOMMENTAR VON DANIEL BAX (27.04.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/symbolpolitik-mit-folgen/

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Quote[...] Eine selbstbewusste muslimische Ministerin scheint auch im "Zukunftsland Niedersachen" kaum ertragbar zu sein.

Kaum hatte der niedersächsische Ministerpräsident Wulff eine gute Idee und hat mit Aygül Özkan eine türkischstämmige Frau zur Sozialministerin erkürt, durchkreuzte diese den schönen Coup mit der Forderung, dass alle religiösen Symbole, also sowohl Schleier als auch Kruzifixe, aus den Schulen verbannt werden sollten. Schulen sollen ein neutraler Ort sein.

Ist eigentlich ganz vernünftig und sowieso verfassungskonform, aber das traf auf verbitterten Widerstand derjenigen, die irgendwie noch nicht in der Gegenwart angekommen sind und weiterhin glauben, unbedingt die christliche Tradition als Ursprung der westlichen Kultur, des Humanismus, der Wissenschaft und der Menschenrechte verteidigen zu müssen. Noch dazu vertrat Özkan – wie erstaunlich! – die Position, dass ergebnisoffene Verhandlungen mit der Türkei über den EU-Beitritt geführt werden müssten.

Wer eine selbstbewusste muslimische, schiitische Ministerin in Deutschland beruft, wird nicht davon ausgehen können, dass sie dem Profil der konservativen Deutschen entspricht. Zwar hat sich die Ministerin in spe schnell wieder von ihren Forderungen distanziert, weil Macht verführt, aber sie wurde nun offenbar schon Ziel von Morddrohungen, weswegen sie unter den Schutz des LKA gestellt wurde. Selbst die Bild schreibt nun: Morddrohungen gegen schöne Ministerin. Gleichwohl schoss Bilds Hugo Möller-Vogg den Vogel ab, als er die Zurückweisung der Forderung kommentierte: "Eines hat die erste türkischstämmige Ministerin offenbar nicht verstanden: Dass es bei uns so tolerant zugeht, das ist das Erbe unserer christlich-abendländischen Tradition." Ja, so tolerant sind wir, dass wir nichts neben "unserem" Erbe akzeptieren.

Unglaublich, sollte man meinen, dass die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland von der Union nicht akzeptiert wird, die damit vor den radikalen Kräften der Realitätsverweigerung kuschen. So modern, wie Wulff die CDU machen wollte, ist sie schlicht noch nicht. Die CDU muss erst noch wenig erwachsener werden, um selbstbewusste Frauen, die noch dazu Musliminnen sind, ertragen zu können.

Nach den Attacken aus der eigenen Partei hat Özkan ihren Vorstoß inzwischen zurückgenommen und sich entschuldigt. Wie die Welt berichtet, sagte sie, sie habe das entsprechende Interview voreilig und ohne ausreichende Kenntnis des Landes Niedersachsen gegeben. Wulff sagte, die CDU freue sich über Kreuze in den Schulen, weil sie die Schüler nach christlichen Wertemaßstäben erziehen wolle. Özkan hätte dies "akzeptiert" und werde diese Politik mittragen. Damit sei das Thema für ihn erledigt. Für ihn schon, vielleicht auch für die CDU und Özkan, aber auf Dauer wird der Staat neutral werden müssen.

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Aus: "Verunglückte Demonstration der christlichen Toleranz" Florian Rötzer (27.04.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/147515

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Quote[...] ,,Ich finde diese Personalentscheidung gut", sagte der CDU-Politiker der ,,Saarbrücker Zeitung" laut Vorabmeldung. ,,Sie ist ein Beweis für die Integrationsbereitschaft unseres politischen Systems und insbesondere der CDU." Mit ihrem Vorstoß für ein Kreuzverbot in Schulen ,,liegt die künftige Ministerin Özkan aber falsch", erklärte der saarländische Regierungschef. Seine Partei sage ,,ja zur Integration, aber nein zu strikter Säkularisierung". Die CDU sei eine offene und tolerante Volkspartei. ,,Selbstverständlich spiegelt sich die Bandbreite der gesellschaftlichen Diskussion in ihr wieder", sagte Müller.

Als ,,völlig indiskutabel" bezeichnete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Vorstoß Özkans nach einem Kruzifix-Verbot an öffentlichen Schulen. ,,Ich erwarte den nötigen Respekt vor unserer christlichen Tradition", sagte Herrmann der ,,Passauer Neuen Presse". Vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) erwarte er, dass er Özkan ,,die Grundsätze von CDU und CSU" beibringe. In Bayern halte die überwältigende Mehrheit Kreuze in Klassenzimmern für richtig.

Die katholischen Laien bedauerten die Äußerungen Özkans. ,,Ich halte die Position in der Sache für falsch und ich bedauere die Aussage sehr, denn diese Benennung war durchaus ein interessantes Signal in Richtung Integration", sagte der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, zu Focus Online. ,,Mit diesen Äußerungen ist ihr Start als Ministerin schwer belastet. Die Worte wirken gegen Integration."

[...] Mit Özkan soll erstmals eine Muslimin in Deutschland einen Ministerposten einnehmen. Zudem wird 20 Jahre nach der Deutschen Einheit mit Johanna Wanka im Wissenschaftsressort erstmals eine ostdeutsche Politikerin Ministerin in einem westdeutschen Landeskabinett. Für das Landwirtschaftsressort ist Astrid Grotelüschen ernannt. Das Kultusministerium soll Bernd Althusmann übernehmen. Alle vier neuen Minister gehören der CDU an.

QuoteSonja (27.04.2010 09:10)
Begründung von Özkan
Ich glaube sie hat diese Ausage nur gesagt weil einige Politiker auch meinten das die Kopftücher auf den Schulen verboten werden sollen.



Aus: "CDU: Kruzifixe bleiben hängen – Missverständliche Aussagen von Aygül Özkan ausgeräumt" ()
Quelle: http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/cdu-kruzifixe-bleiben-haengen-missverstaendliche-aussagen-von-ayguel-oezkan-ausgeraeumt_aid_502441.html

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Quote[...] Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) nannte die Forderung Özkans derweil ,,schlicht abwegig" und warnte vor einem ,,neuen Kulturkampf in deutschen Klassenzimmern". Auch eine muslimische Landesministerin habe die christlich geprägte Kultur in Deutschland zu respektieren.

[...]  die kirchenpolitische Sprecherin Maria Flachsbarth (CDU) erklärte, das Kreuz habe auch in einer pluralen Gesellschaft ,,seinen selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit".

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach von einer ,,abstrusen Idee". Solche ,,Verunsicherungen unserer Stammwähler" seien überflüssig, sagte er in München. ,,Bei uns bleiben die Kruzifixe in den Klassen und die Gipfelkreuze auf den Bergen."

...

Quote27.04.2010,
09:35 Uhr
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Aus: "Aygül Özkan: Merkel weist Forderung nach Kruzifix-Verbot zurück" (26. April 2010)
Quelle: http://www.welt.de/aktuell/article7342908/Merkel-weist-Forderung-nach-Kruzifix-Verbot-zurueck.html

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Quote[...] Wenn [ ] die erste muslimische Ministerin der Christlich-Demokratischen Union, noch nicht im Amt, sich über das Kreuz hermacht, dann ist das keine x-beliebige Einzelmeinung. Dann mutet sie einem Teil ihrer Partei und einem Teil ihrer Wähler mehr zu, als die emotional zu verkraften in der Lage wären.

...


Aus: "Falsches Timing" Von Ulrich Exner  (26. April 2010)
Quelle: http://www.welt.de/die-welt/debatte/article7337363/Falsches-Timing.html

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Quote[...] Im hessischen Landtag hat ein kritischer Kommentar des stellvertretenden CDU-Fraktionschefs, Hans-Jürgen Irmer, zur Ernennung der Deutsch-Türkin Aygül Özkan (CDU) zur Sozialministerin in Niedersachsen einen Eklat ausgelöst. Irmer hatte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in diesem Zusammenhang eine ,,Fehlentscheidung" vorgeworfen.

Özkans ablehnende Äußerungen zu Kruzifixen in staatlichen Schulen beweise, dass sie mit ,,ihrer Denke" nicht in der Lage sei, ,,deutsche Interessen zu vertreten". Zudem hatte der CDU-Politiker vor einer Islamisierung Deutschlands gewarnt. Menschen aus Polen und anderen christlich geprägten Ländern seien mit ihrer Heimat verwurzelt und kämen nur vorübergehend. Wenn Muslime nach Deutschland kämen, sei das ein ,,gefühlte Landnahme", so Irmer: ,,Der Islam ist auf die Eroberung der Weltherrschaft fixiert. Wir brauchen nicht mehr Muslime, sondern weniger."

Die Landtagsopposition hatte diese Äußerungen als ungeheuerliche Entgleisung (Grüne) und als ,,rassistisch" (Linke) kritisiert. Die Regierungsparteien CDU und FDP lehnten zunächst eine Debatte zu diesem Thema ab. Am Nachmittag entschuldigte sich Irmer schließlich in einer persönlichen Erklärung und nahm die Bemerkungen zurück. Er sei über das Ziel hinausgeschossen, sagte Irmer, der in der Vergangenheit wiederholt mit kritischen Bemerkungen zum Islam angeeckt war.

Die beiden großen Kirchen haben unterdessen den religiös gefassten Amtseid der neuen niedersächsischen Sozialministerin begrüßt. ,,Die Situation in unserer religiös pluralen Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass wir bei allen Differenzen zwischen Christen und Muslimen gemeinsame Überzeugungen und Schnittmengen haben", sagte der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth, am Mittwoch in Hannover. ,,Wir sollten sie pfleglich behandeln."

Für die katholische Kirche bezeichnete der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke den Amtseid von Aygül Özkan als ,,richtiges Signal". Özkan hatte ihren Eid mit der Formel ,,So wahr mir Gott helfe" beschlossen. Sie war am Dienstag als erste muslimische Ministerin in Deutschland im Landtag in Hannover vereidigt worden. In einer persönlichen Erklärung hatte sie erläutert, dass sie sich als gläubige Muslimin auf den einen und einzigen Gott berufe, der dem Judentum, dem Christentum und dem Islam bei allen Unterschieden in den dogmatischen Lehren gemeinsam sei.Der Sprecher der Hannoverschen Landeskirche, Johannes Neukirch, sagte der ,,Bild"-Zeitung, ,,dass alle drei monotheistischen Religionen denselben Gott verehren, ist ein sehr unspezifisches Gottesbild". Er fügte hinzu: ,,Wir Christen sehen schon einen deutlichen Unterschied zwischen unserem Gott und Allah. Der Sprecher des katholischen Bistums Essen, Ulrich Lota, sagte, ,,theologisch sind der Gott der Christen und der Gott des Islam nicht gleichzusetzen"

Quote* 29.04.2010 um 8:56 Uhr
    * gerthans

2. Geschichte wiederholt sich

Die konservativen CSUler werden es schlucken, dass eine Frau mit türkischen Wurzeln (und wahrscheinlich türkischer Muttersprache) Ministerin wird und vielleicht sogar später Bundeskanzlerin, so wie es auch die konservativen römischen Senatoren schluckten, dass zum Beispiel mit Septimius Severus ein dunkelhäutiger Reichsbürger mit afrikanischen Wurzeln, dessen Muttersprache wahrscheinlich Punisch (Sprache des Feindes!) war, den Kaiserthron bestieg. Durch solche Integration auch mittels sozialem Aufstieg konnte das durch Geburtenschwund niedergehende Reich seinen Zusammenbruch noch lange hinausschieben.

Typisch für das späte Römische Reich war auch religiöse Vielfalt. Religionen besonders aus dem Orient (Mithras, Sonnenkult) fassten in Rom Fuß, man kann von einer religiösen Orientalisierung sprechen, zu der auch das Christentum, eine östliche Religion, die sich immer breiter machte, gehörte. Geschichte wiederholt sich!





Aus: "Eklat um Özkan im hessischen Landtag" Von Christoph Schmidt Lunau, Wiesbaden (29.4.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/oezkan-irmer

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QuoteZentralrat der Muslime befürwortet Kreuze in deutschen Schulen
Mittwoch, 28. April 2010 um 13:04

Nachdem die neue niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) noch vor ihrer Amtseinführung ein Kruzifix-Verbot in deutschen Schulen angesprochen hatte, hat sich jetzt der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland Ayyub Axel Köhler zu Wort gemeldet und Kreuze in deutschen Schulen befürwortet: "Schließlich ist die Bundesrepublik ein zutiefst christlich geprägtes Land."

Quote#1 wait4the12thimam 2010-04-28 15:52
Assalam u alaikum,

Wir Muslime sollten uns auf keinen Fall auf die Seite unserer Feinde stellen. Ihnen geht es nicht um die Kreuze, denn diese Diskussion gab es schon vorher. Jedoch wurden die Gegner dieser Kruzifixe in Schulen nicht so niedergemacht wie die Frau Özkan. Sie haben doch nur einen Grund gesucht um ihren Hass und ihre Wut über die Wahl einer Muslima als Ministern, freien Lauf zu lassen. Heute lese ich im Spiegel (zionist enmagazin), dass mehrere kirchliche Vertreter empört darüber sind, dass die Muslima Özkan in ihrem Amtseid "so wahr mir Gott helfe " sagte. Sie nehmen offen Stellung gegen den Islam und von Annäherung kann gar nicht erst die Rede sein. Auch wenn Herr Ayyub Köhler im grund genommen recht hat, dass es den Deutschen zusteht christliche Symbole in ihren Schulen aufzuhängen. Jedoch hätte er lieber Schweigen sollen.



Aus: "Zentralrat der Muslime befürwortet Kreuze in deutschen Schulen" (Mittwoch, 28. April 2010)
Quelle: http://german.irib.ir/index.php/weitere-kurzmeldungen/37818-zentralrat-der-muslime-befuerwortet-kreuze-in-deutschen-schulen


Textaris(txt*bot)

Quote[...] STOCKHOLM taz | Sara ist 16 Jahre alt, besucht die neunte Klasse der Attarp-Schule im südschwedischen Bankeryd und spielt Basketball. Das darf sie jetzt nicht mehr. Denn Sara spielt regelwidrig. Läuft sie mit "Bankeryds Basket", einem der im Jugendbereich erfolgreichsten Klubs zum Match auf, trägt sie ein T-Shirt unter dem Trikot. Das bedeckt ihre Achseln. Die würde das ärmellose Basketballspielhemd sichtbar lassen. Und ihre Achseln öffentlich zu zeigen, so sagt Sara, verbietet ihr ihr Glauben.

Saras Fall beschäftigt nun den schwedischen Diskriminierungsombudsman (DO). Schiedsrichter hätten ihr wegen ihres T-Shirts die Spielteilnahme untersagt oder bei ihrer Einwechslung das Match abgepfiffen und sie auf die Bank zurückgeschickt. Auch bei einer wichtigen Begegnung im Rahmen der schwedischen Jugendmeisterschaften. "Vor allen anderen Spielern und vielen Zuschauern. Ich fühlte mich angeprangert, schlecht behandelt und gekränkt. Es war fürchterlich peinlich, so ausgewiesen zu werden", erzählt Sara: "Ich will vom DO wissen, ob man das wirklich darf. Ich bin in Schweden geboren, habe mich nie diskriminiert gefühlt, aber fühle mich das jetzt."


Aufgrund entsprechender Richtlinien des Internationalen Basketballverbandes Fiba änderte auch der schwedische Verband vor gut einem Jahr seine Regeln. Seither ist das sichtbare Tragen von Unterhemden unter den Spieltrikots unzulässig. Ein entsprechendes Verbot gab es zwar schon vorher, allerdings mit Ausnahmeregelungen. Das T-Shirt-Verbot gilt auch in Deutschland.

Das sei eine Bestimmung, die nicht etwa etwas mit der Sicherheit der Spieler zu tun habe oder wegen von solcher Bekleidung möglicherweise ausgehender Behinderung für andere Spieler oder Schiedsrichter erlassen worden sei, erläutert Lena Wallin-Kantzy vom "Svenska Basketbollförbundet" (SBBF) das Verbot. Sondern es gehe um Ästhetik: "Ich finde es nicht komisch, wenn Regeln fordern, dass alle Spieler während eines Basketballmatchs gleiche Kleidung tragen müssen." Es gehe ums Prinzip, meint Waldo Teppans, Spielverantwortlicher beim SBBF: Nachdem die Vereine die neuen Vorschriften in der ersten Zeit nicht so ernst genommen hätten, habe man die Schiedsrichter angewiesen, die Regeln strikt anzuwenden.


Aus: "Umstrittenes T-Shirt-Verbot" VON REINHARD WOLFF (11.05.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/sport/artikel/1/umstrittenes-t-shirt-verbot/


Textaris(txt*bot)

#82
Quote[...] BERLIN taz | Gleich nachdem Israel "unserer Lena" beim Eurovision Song Contest in Oslo Null Punkte gab, ging im Netz die Hetze gegen "die Juden" los.

Als israelische Soldaten am Montag den Hilfskonvoi für Gaza attackierten, lösten sie scharfe internationale Kritik und Debatten aus. Und lenkten ganz nebenbei von einem anderen Ereignis ab, dass die antisemitischen Reflexe der Deutschen auf geradezu groteske Weise vorführt.

Gleich nach dem Auftritt von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest zeigte sich, wie knapp unter der Oberfläche eines künstlerischen Wettbewerbs der Judenhass liegt.

Samstagabend in Oslo: Nach und nach verkünden die Länder ihre Wertungen. Israel gibt Lena - ach was, gibt Deutschland! - keinen einzigen Punkt. Ein Skandal, der natürlich sofort getwittert werden muss.

Sofort geht es gegen "die Juden" - auf 140 Zeichen: "Und wir bauen den Juden ein Denkmal in Berlin" zählt noch zu den harmloseren Kurznachrichten, die der Journalist und Blogger Jörg Marx als Screenshot auf Marxblog.de veröffentlichte. "Deutschland im Siegestaumel", betitelte er seine Sammlung dort sarkastisch, was ihm seinerseits einen Antisemitismusvorwurf einbrachte.

Zwar sind besonnene Leserkommentare zu diesem Blogeintrag in der Mehrheit. Einige Bemerkungen seien aber derartig rassistisch und beleidigend gewesen, dass er sie lieber gelöscht habe, sagt Marx.

Dass die Israelis nicht nur der deutschen Teilnehmerin Lena Meyer-Landrut, sondern auch 13 weiteren Künstlern, die beim Grand Prix auftraten, keine Punkte gaben, wird in der Diskussion vorsichtshalber verschiegen. Dass es für den israelischen Sänger Harel Skaat mit seinem Song "Milim" ebenfalls keine Punkte aus Deutschland gab, wird ebenfalls nicht erwähnt.

"Was wollen die überhaupt bei einem europäischen Wettbewerb?", fragten dagegen mehrere Kommentatoren in Unkenntnis der Eurovisionsstruktur - und haben auch gleich die Erklärung parat: "Juden-Extrawurst".

Natürlich fehlen in der Diskussion weder der Vergleich Holocaust/israelische Besatzungspolitik noch der übliche Hinweis auf die Meinungsfreiheit.

Übrigens: Nicole bekam bei ihrem Grand-Prix-Sieg 1982 mit "Ein bisschen Frieden" auch aus Israel Punkte - und zwar die vollen zwölf. Offenbar hatten uns "die Juden" den Holocaust doch schon mal verziehen.


Aus: "Antisemitismus per Twitter - Pöbel im Netz" VON MAIK NOLTE (03.06.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/poebel-im-netz/


Textaris(txt*bot)

#83
Quote[...] Die 18-jährige Duygu muss sich ständig rechtfertigen. Denn die muslimische Enkelin eines türkischen Gastarbeiters macht Abitur, trägt kein Kopftuch und jobbt in einer Kneipe.

[...] Sie möchte einfach ihr Leben und ihre Träume leben. Gerne in diesem Land, dessen Staatsbürgerin sie ist. Sie hat ihre "Bringschuld" Deutschland gegenüber erbracht. Vorbehaltlose Akzeptanz im Gegenzug wäre nur fair.

[...] Eingeholt hat sie die Sarrazin-Debatte dann doch. Letzte Woche im Philosophieunterricht hat ein türkischer Mitschüler spaßeshalber das Thema aufgebracht. Die Lehrerin wollte wissen, was die Abiturienten über die Thesen Sarrazins denken. Und plötzlich war Schweigen. Ein bedrückendes, weil beredtes Schweigen. Niemand wollte sich zu dem Thema äußern.

...

Quote* 07.09.2010 um 16:56 Uhr
   * TDU

... Das betretene Schweigen ist klar. In Anwesenheit eine Managersohnes über Managergier zu sprechen, das wäre einfacher nicht wahr?


Quote* 07.09.2010 um 16:10 Uhr
   * Döderi

Wo leben wir eigentlich?

Also ich weiß ja nicht wo so etwas wie eine türkische Abiturientin etwas besonderes ist, oder woher Sarrazin sein Meinung hat, aber in meinen Abiturjahrgang war der Anteil der Migranten oder Migrantenkinder bei ca. 40%. Und ich komme weder aus einer Migrantenhochburg, noch aus einem Problemviertel.

Die ganze Debatte ist sowieso nur von ewig Gestrigen geführt. Ich bin in meinen Zwanzigern und bin mit Multikulti aufgewachsen und würde es wirklich vermissen, wenn es nicht mehr da wäre.





Aus: "Sarrazin-Debatte: Wie eine türkische Abiturientin gegen Klischees ankämpft" Von Deniz Baspinar  (7.9.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2010-09/bildung-migranten-abiturientin


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Quote[...] ansonsten hat die öffentliche Debatte um den Islam und die Muslime in Deutschland hysterische Züge angenommen; die Islamkritiker sehen in der Religion eine fundamentale Bedrohung westlicher Werte, unreformierbar und absolut. Verfechtern einer differenzierteren Sicht werfen sie Verrat an den Idealen der Aufklärung und der westlichen Zivilisation vor. Dazwischen gibt es wenig. Alles oder Nichts, Gut und Böse.

Munition liefern ihnen immer wieder Irrungen wie Steinigungsurteile in Iran oder die Morddrohungen gegen den Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard. Dagegen wird zu Recht protestiert. Und dem Dänen Westergaard wird der Rücken mit Auszeichnungen gestärkt – etwa mit dem Medienpreis der Potsdamer Journalistenvereinigung, den er an diesem Mittwoch erhält.

Beunruhigend ist aber, dass der Diskurs der Islamkritiker wie ein Spiegelbild des Diskurses fundamentalistischer Islamisten wirkt, die meinen, ihre eigene Kultur gegen die Bedrohungen durch die westliche Moderne verteidigen zu müssen. Auf beiden Seiten gibt es dann ebenso parallel Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten zu den provokantesten Thesen in diesem Kampf um Identitäten.

...


Aus: "Islamdebatte: Verrat an der Aufklärung" Von Andrea Nüsse (8.9.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-09/islam-integration-muslime

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Quote[...] ,,Ich bin kein Rassist", sagt Sarrazin in der ,,Welt am Sonntag". ,,In meinem Buch rede ich zudem nicht von Türken oder Arabern, sondern von muslimischen Migranten. Diese integrieren sich überall in Europa deutlich schlechter als andere Gruppen von Migranten. Die Ursachen dafür sind nicht ethnisch, sondern liegen offenbar in der Kultur des Islam. Vergleichen sie, wie groß die Integrationserfolge von Pakistani oder Indern in Großbritannien sind."

...


Aus: "Wie Sarrazins Buch die Feuilletons beherrscht"
(30.08.2010, DerWesten) Kommentare: 103 [30.08.2010]
Quelle: http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Wie-Sarrazins-Buch-die-Feuilletons-beherrscht-id3620512.html


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Quote[...] Die SPD hat ein Problem mit älteren Herren. Der frühere Superminister Wolfgang Clement (70) ist nach zähem Parteiausschlussverfahren selbst gegangen und wirbt nun für die FDP. Der ehemalige Innenminister Otto Schily (77) unterstützt eine Anzeigenkampagne der Atomlobby, die SPD-Chef Gabriel für "beispiellose Propaganda" hält. Aber diese Ausfälle sind harmlos im Vergleich zu dem, was Thilo Sarrazin (65) mit seinem publizistischen Feldzug gegen die Zuwanderung von Muslimen nach Deutschland anrichtet. ...


Aus: "Die SPD und Sarrazin: "Wir sollten uns trennen"" VON ST. REINECKE & G. REPINSKI / S. AM ORDE (30.08.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/wir-sollten-uns-trennen/

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Quote[...]  Sarrazins Argumentationsweg lässt sich mit fünf Schritten abkürzen:

Erstens: ,,Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent angeboren." Zweitens: Die Hochbegabung konzentriert sich in der Oberschicht, die Mittelschicht bringt gut Begabte hervor, in der Unterschicht ist überdurchschnittliche Intelligenz selten, in der von staatlichen Transferleistungen lebenden Unterschicht schon normale Intelligenz die Ausnahme. Drittens: Die Fruchtbarkeit in der Ober- und Mittelschicht ist zu gering, diejenige in der deutschen wie ausländischen Unterschicht zu groß. Je niedriger der Intelligenzquotient, desto höher die Fertilitätsrate. Viertens: Dies führt zum Sinken der gesellschaftlichen Gesamtintelligenz und zum Steigen der staatlichen Transferkosten. Fünftens: Zur Korrektur dieser Entwicklung müssen die dummen Leute aus der Unterschicht am Kinderkriegen gehindert und die klugen Leute aus der Mittel- und Oberschicht zum Kinderkriegen animiert werden. Des Weiteren ist die Zuwanderung dummer Türken, Araber und Afrikaner zu unterbinden und durch eine gesteuerte Migration gebildeter Menschen aus intelligenteren Ländern zu ersetzen.

Was hier in fünf Punkten zusammengefasst ist, setzt Sarrazin in neun Kapiteln auseinander. Das hat damit zu tun, dass Sarrazin bekennender Einhämmerer ist und ihm der Zweck der Zustimmungsbeschaffung das Mittel der Redundanz heiligt. Der andere Grund dafür, dass eine überschaubare Thesenführung ein undurchsichtiges Buch hervorbringt, hat mit der kabarettistischen Selbstverliebtheit des Autors zu tun.

Wenn er sich als Geschichtsphilosoph, Anthropologe, Religionshistoriker und Genetiker äußert klingt das so: ,,Es bleibt niemals etwas so, wie es ist, und kein gesellschaftlicher Zustand ist konservierungsfähig." – ,,Das Knochengerüst und die Sinnesorgane des Menschen sind phylogenetisch auf seine einstmalige Existenz als Jäger und Sammler abgestellt. Deshalb brauchen viele ab Mitte 40 eine Brille, ab Mitte 50 neue Hüften und ab Mitte 60 ein Hörgerät." – ,,Bei den Katholiken hat", im Unterschied zu evangelischen Pfarrersfamilien, ,,das Zölibat eine Vermehrung dieses Teils der intelligenten Bevölkerung verhindert." – ,,Eine über Jahrhunderte betriebene Familien- und Heiratspolitik, die dem intellektuellen Element überdurchschnittliche Fortpflanzungschancen gab, führte allmählich zur Ausbildung der überdurchschnittlichen Intelligenz."

Die zuletzt zitierte Bemerkung bezieht sich auf die europäischen Juden und ist eine der Stellen, an denen das Komische zum kapitalen Ernst wird. Denn viele Akademiker mit Familientradition sind auch bei ihrem eigenen Nachwuchs von der natur- und gengegebenen Begabung überzeugt. Promoviert gezeugte Kinder gehen nicht auf die Hauptschule. Und das hat dem genfetischistischen Mainstream zufolge viel mit dem biologischen und wenig mit dem sozialen Erbe zu tun. Wie früher der liebe Gott den Menschen ihren Platz in der Gesellschaft anwies, so tun das heute die guten Gene.

Von diesem Punkt aus, der je nach (genetischem?) Naturell von manchen Akademikern mit Vorsicht, von anderen mit Nachdruck geltend gemacht wird, führt der Ideenweg schnurstracks von der Sozial- zur Biopolitik. Diesen Weg geht Thilo Sarrazin ohne nach rechts und links zu blicken mit der Bravour des Überzeugungstäters. Ihm ist egal, ob seine Äußerungen den fleißig geschmähten Gutmenschen wie Hasspredigten in den Ohren klingen.

Jedoch haben auch gute Menschen schlimme Gedanken, wenn ihre allgemeine Moral mit der besonderen Sorgfalt für den eigenen Nachwuchs über Kreuz gerät. Frei nach Tucholskys ,,Tapfer ist, wenn weit weg" ließe sich für das luxurierende Multikultimilieu sagen: Tolerant ist, wenn weit weg. Man kann sich einleben in einen Migrantenkiez, einschulen will man seine Kinder dort nicht.

Sarrazin lügt mit seiner Beschreibung der Missstände und auch der Missbräuche in den Unterschichts- und Migrantenfamilien keineswegs das Blaue vom Himmel, sondern spricht Wahrheiten aus, die zum Himmel stinken. Sie lassen sich mit sozialromantischer Empörung nicht wegprotestieren. Und dem Schönreden von Verhältnissen, die zu ändern man mehr als verbale Solidarität nicht hat, ist die aggressive Bestandsaufnahme à la Sarrazin trotz ihrer zwanghaften Züge vorzuziehen.

Das Problematische der sarrazininschen Ideen besteht nicht in den Einzeldiagnosen, sondern in der biologistischen Logik, mit der er Bruchstücke der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu einer pseudonaturwissenschaftlichen Weltanschauung fügt. Aber gerade diese Dimension bleibt in der sich selbst befriedigenden öffentlichen Empörung beschämend unbeachtet. Vielleicht auch, weil der so übereifrig den Bösewicht spielende Sarrazin mit seinem biologistischen Gesellschaftsbild, seinem Erbintelligenzlertum und seiner Gen-Rhetorik vielen Menschen der akademischen Mitte mehr aus der Seele spricht, als ihr Mund zugeben würde.

Und weil das kalte Interesse des Geldbeutels meistens über die Wärme des Herzens siegt, fände sicher manche Akademikerfamilie an dem Vorschlag Geschmack, den Sarrazin am Ende seines mit der Peitsche geschriebenen Buches als Zuckerbrot reicht: Das Kindergeld für alle wird gestrichen und durch eine akademische Fortpflanzungsprämie ersetzt: Frauen mit Hochschulabschluss bekommen für jedes Kind, das sie vor Abschluss des dreißigsten Lebensjahres zur Welt bringen, die schöne Summe von 50 000 Euro. Sarrazin hat nichts gegen Staatsknete, er will sie nur nicht politisch, sondern biologisch korrekt verteilen.


Aus: "Sarrazins Buch "Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent angeboren""
Von Bruno Preisendörfer (27.08.2010 ) [Kommentare: 199 Stand 30.08.2010]
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/meinung/intelligenz-ist-zu-50-bis-80-prozent-angeboren/1912078.html


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Quote[...] ZEIT: Sie führen die Verdummung der Gesellschaft darauf zurück, dass Intelligenz vererbbar sei.

Sarrazin: Eben nicht. Da bringen Sie etwas durcheinander.

ZEIT: Sie sagen, dass Intelligenz vererbbar ist.

Sarrazin: Das ist richtig.

ZEIT: Und Sie sagen, dass – weil die Besten und Klügsten weniger Kinder bekommen – die Intelligenz immer weniger vererbt wird. Und die Besten und Klügsten finden sich in Ihrem Buch nicht in der Unterschicht und nicht unter Muslimen.

Sarrazin: Wissenschaftlich belegt ist, dass Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent vererbbar ist. Damit ist das, was ich sage, eine Folge einfacher logischer Analyse: Wenn die im Durchschnitt weniger Intelligenten eine höhere Fertilität haben, sinkt die Durchschnittsintelligenz der Population.

ZEIT: Woher wissen Sie denn, dass diejenigen, die »unten« sind, im Durchschnitt weniger intelligent sind? Das würde ja bedeuten, dass unsere Gesellschaft perfekt auswählt und die, die intelligent sind, stets nach oben befördert.

Sarrazin: Es gibt relativ viele Menschen von überaus mäßiger Intelligenz, die es bis in sehr hohe Positionen schaffen. Das durfte ich immer wieder beobachten. Sicherlich gibt es genauso viele kluge Menschen, die aus Gründen des persönlichen Lebenspechs ihr Dasein als Hilfsarbeiter oder Taxifahrer fristen. Es geht aber nicht um den Einzelfall, sondern um den statistischen Zusammenhang.

ZEIT: Die »unten« sind dümmer als die »oben«? Der Arbeiter ist dümmer als der Direktor?

Sarrazin: Das ist eine polemische Frage. Sie müssen schon auf dem Niveau meines Buches argumentieren.

ZEIT: Machen Sie sich um unser Niveau keine Sorgen.

Sarrazin: Eine derartig polemische Frage werde ich nicht beantworten.

ZEIT: Ist die Unterschicht dümmer als die Mittel- und Oberschicht?

Sarrazin: Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent erblich. Zwischen Intelligenz, sozioökonomischem Hintergrund und Bildungsgrad besteht ein positiver statistischer Zusammenhang, der sich auch kausal erklären lässt.

[...] ZEIT: Sie fordern in Ihrem Buch nicht »Chancengleichheit für alle«, sondern schreiben, dass für einen großen Teil der Kinder aus der Unterschicht und aus muslimischen Familien die Chancen mit ihrer Geburt besiegelt sind. Sie sprechen ihnen pauschal einen Aufstiegswillen ab.

Sarrazin: Das ist falsch. Ich fordere ein Bildungssystem, das Chancengleichheit ermöglicht. Gleichwohl schreit es nach Erklärung, dass Migranten türkischer Herkunft auch in der dritten Generation weit hinter anderen Migrantengruppen zurückbleiben, was den Bildungserfolg angeht. Die Erklärung dafür kann nur aus dieser Gruppe selbst kommen. Denn äußere Benachteiligungen in unserer Gesellschaft, die sie zwingen würden, weniger Erfolg zu haben als Inder, Chinesen oder Süditaliener, gibt es nicht.

ZEIT: Also schreiben Sie es der Ethnie zu: »Die Türken sind zu Recht unten.«

Sarrazin: Sie fallen hinter Ihre Intelligenz zurück.

ZEIT: Danke. Zitieren wir noch einmal aus Ihrem Buch: »Je besser die Durchlässigkeit eines Bildungssystems ist, umso eher und umso nachhaltiger erschöpft sich das Potenzial an Höchst- und Hochbegabten.« Dann bringen Sie das Beispiel DDR und sagen, dass sich dort die Zahl der Studenten, die aus der Arbeiterschicht stammten, schnell erschöpft habe. Was heißt das?

Sarrazin: In jeder Gesellschaft gibt es Formen von Aufstieg und von Eliteauswahl.

ZEIT: Sie schreiben, dass es diesen Aufstieg in der Unterschicht und bei muslimischen Migranten nicht gibt.

Sarrazin: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe eine logische Wahrheit ausgesprochen: Je durchlässiger ein System ist, umso mehr folgt die Schichtung im System der angeborenen Intelligenz, genau wie es die Bildungsforscherin Elsbeth Stern beschrieben hat.

ZEIT: Sind Sie der Meinung, dass die in Deutschland lebenden Muslime im Durchschnitt genotypisch weniger intelligent sind als die in Deutschland lebenden autochthonen Deutschen?

Sarrazin: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt und zitiere wörtlich aus meinem Buch: »Der relative Misserfolg muslimischer Migranten kann wohl kaum auf angeborene Fähigkeiten und Begabungen zurückgeführt werden, denn er betrifft muslimische Migranten unterschiedlicher Herkunft gleichermaßen.«

ZEIT: Die Frage war, ob das Ihre Auffassung ist.

Sarrazin: Die Intelligenz muslimischer Migranten habe ich nicht überprüft und mache dazu auch keine Aussage.

ZEIT: Sie ethnisieren Intelligenz. Die Konsequenz daraus, dass muslimische Migranten weniger bildungsnah sind als andere, wäre: Wir müssen sie näher an die Bildung bringen. Das macht man mit Fordern und Fördern. Wenn das gelingt, ist Ihr Problem doch gelöst: Deutschland wird nicht dümmer, und die Muslime können hierbleiben.

Sarrazin: Ich habe geschrieben, wer hier ist und einen legalen Aufenthaltsstatus hat, ist willkommen. Aber wir erwarten, dass Zuwanderer die Sprache lernen, ihren Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen und Bildungsehrgeiz für ihre Kinder haben – dass sie mit der Zeit Deutsche werden.

ZEIT: Sie wollen aber die Familienzusammenführung unterbinden. Warum?

Sarrazin: Schauen wir uns die Gesamtbilanz an: Aus 750.000 türkischen Gastarbeitern wurden drei Millionen bei uns lebende Türken. Wenn man die Unterstützungsquoten betrachtet, war die Einwanderung muslimischer Bevölkerungsgruppen kein ökonomischer Vorteil.

ZEIT: Immerhin mussten wir die Drecksarbeit nicht mehr machen.

Sarrazin: Es ist in der Summe ein ökonomischer Nachteil.

ZEIT: Mittlerweile wollen 30 bis 40 Prozent aller deutsch-türkischen Akademiker das Land verlassen. Warum ist das dann so?

Sarrazin: Dazu kenne ich keine belastbare Statistik. Richtig ist aber zweifellos, dass nur jene Türken Deutschland verlassen, die in ihrem Heimatland eine Chance sehen. Ihren ungebildeten und transferabhängigen Landsleuten geht es ja in Deutschland viel besser als in der Türkei. [...]

ZEIT: Woran liegt das denn, dass die türkischen Schüler nicht gut mitmachen?

Sarrazin: Das ist offenbar ein kulturelles Problem.

[...] ZEIT: Sie nennen diese Frauen »Importbräute« und »Kopftuchmädchen«. Wo ist da bei Ihnen Respekt, den Sie diesen Männern absprechen?

Sarrazin: Den Menschen erweise ich stets Respekt, einer rückwärtsgewandten Unterdrückungskultur allerdings nicht. Das zwölfjährige Mädchen, das von seiner Familie unters Kopftuch gesteckt wird, hat doch gar keine Wahl. Es ist Opfer seines kulturellen Hintergrundes. Respekt wird von Moslems immer dann ins Feld geführt, wenn es um Unterordnung geht. Ich möchte, dass sich die bei uns Eingewanderten in unsere Mehrheitskultur integrieren. Der tägliche Terror, der in vielen Schulen mit mehrheitlich muslimischer Schülerschaft gegen die wenigen verbliebenen deutschen Schüler ausgeübt wird, zeigt, was hier im Argen liegt.

ZEIT: Sie sagen, die linksliberale Elite erkenne dieses Problem nicht, weil sie Muslime höchstens als Putzhilfen kennen. Wie viele Türken haben denn Sie in seinem Freundes- und Bekanntenkreis?

Sarrazin: Das ist eine in diesem Zusammenhang völlig irrelevante Frage. Ein libanesischer Taxifahrer, der mich auf dem Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit des Interviews in Lettre International nach Hause gefahren hat...

ZEIT: ...wir sprechen von Freunden, nicht von Taxifahrern...

Sarrazin: ...hat mir beim Bezahlen auf die Schulter geklopft und gesagt: Gut gemacht! Ich habe das meiner Frau erzählt. Ich habe gedacht, ich werd' nicht mehr!

ZEIT: An manchen Stellen kann man sich über Ihr Buch sogar amüsieren. Sie sagen, muslimische Männer würden auch deshalb gewalttätig, weil sie sexuell frustriert seien, was daran liege, dass die muslimischen Frauen vor der Ehe sexuell nicht verfügbar seien. Mit Verlaub: Das ist recht blauäugig und realitätsfern.

Sarrazin: Unter der Jugend geschieht immer mehr, als man nach außen sieht. Das ist das Vorrecht der Jugend, und Eltern sollten das auch gar nicht so genau wissen. Aber in Neukölln zum Beispiel ist es nicht möglich, dass ein türkischer Junge seine Fatma aus dem Nachbarhaus abholt...

ZEIT: Nein, der trifft sich gleich mit ihr im Park, ohne dass die Eltern das mitkriegen!

Sarrazin: ...um mit ihr Händchen haltend durch die Gegend zu gehen. Normale Beziehungen sind einfach schwieriger.

ZEIT: Wie definieren Sie normale Beziehungen?

Sarrazin: Das ungeheure Aggressionspotenzial dieser Gruppe ist leider offensichtlich. Die Araberjungen kommen an ihre arabischen Mädchen nicht ran.

ZEIT: Die kommen ran, da können Sie sicher sein.

Sarrazin: Letztlich nutzen sie die leichter zu kriegenden deutschen Unterschichtmädchen, um sie dann dafür zu verachten, dass sie so leicht verfügbar sind.

Das Gespräch führten Özlem Topcu und Bernd Ulrich

Mitarbeit: Jonathan Rosenkranz



Aus: "Sind Muslime dümmer?"
Von Bernd Ulrich | Özlem Topcu (26.8.2010)
# Kommentare 1117 (Stand 30.08.2010)
http://www.zeit.de/2010/35/Sarrazin

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"Migrationsdebatte: Bundesbank nimmt Stellung zu Sarrazin"  (30.8.2010)
Unterdessen hat sich Thilo Sarrazin gegen die Empörung wegen seiner Aussagen verwahrt. Er bestritt, andere als kulturelle Gründe dafür angeführt zu haben, dass er den Muslimen Integrationsunwilligkeit bescheinigt. Es kämen "ethnische Gründe für dieses Anderssein nicht infrage", sagte das SPD-Mitglied in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-08/sarrazin-reaktion-bundesbank


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http://de.wikipedia.org/wiki/Biologismus

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Quote[...] Vor vierzig Jahren wäre das Wirtschaftswunderland konkurrenzunfähig geworden, wenn es nicht die Bildungsreserven der Kinder aus bildungsfernen Schichten mobilisiert hätte. Vor dreißig Jahren war die Sozialstruktur viel durchlässiger. Sarrazins Partei, die SPD, glaubt nicht nur daran, sie hat auch bewiesen, dass der Sohn einer Putzfrau Kanzler werden kann. Längst gibt es in Deutschland die Rechtsanwältin, die Publizistin, die Schriftstellerin, die als Töchter analphabetischer muslimischer Mütter aufgewachsen sind. Den Tellerwäschertraum kann keine Demokratie ungestraft aufgeben.

...


Aus: "Sarrazins Thesen: Die Stunde der Selbstgerechten" Von Tissy Bruns (27.08.2010)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/meinung/die-stunde-der-selbstgerechten/1913012.html

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Aus: "Netzlese: Sarrazins "Flucht in den Biologismus""
Von Robin Meyer-Lucht
http://carta.info/32978/sarrazins-flucht-in-den-biologismus/


Quote[...] Die Zahl der Menschen, die ihm hinter vorgehaltener oder nicht vorgehaltener Hand recht geben, ist beträchtlich.

[...] Es geht um die Verbindung von Erbbiologie und Kultur und damit letztlich um, ein Wort, das Sarrazin (Darwin zitierend) so unerschrocken benutzt, wie einst Gottfried Benn, ,,Zuchtwahl" und ,,Auslese". Sarrazin redet nicht von Goethe und Schiller, obwohl auch Dichter in seinem Buch vorkommen. Kultur ist ihm der Reflex biologischer Prozesse. Die Schichtenabhängigkeit des generativen Verhaltens in Deutschland - die Tatsache, dass immer mehr Kinder in Unterschichtenmilieus geboren werden - führt zwangsläufig zu einer Verdummung der Gesellschaft, Aufsteigerkarrieren widersprechen dem Befund nicht. Auch diese These ist keineswegs neu. Im Gegenteil: sie steckt im Kern der gesamten aufklärerischen Idee von Bildung, Schule und Erziehung. Sarrazins Botschaft ist eine andere: Bildung, von der er höhnend als ,,Mantra" spricht, ist letztlich nicht in der Lage, das Vehikel des intellektuellen Aufstiegs zu werden. Genetische und ethnische Disposition begrenzen die Fähigkeiten des Individuums ebenso sehr wie die ganzer Völker.

Man muss einräumen, dass der vorgeblich so unverblümte Sarrazin sich in seinem Buch etliche Hintertüren offenlässt. Aber gerade sie sind in Wahrheit Falltüren. Ist Intelligenz erblich bedingt oder ebenso sehr von Umwelteinflüssen geprägt? Von der Beantwortung dieser Frage hängt die Hauptthese des Buches ab. In Interviews redet Sarrazin von einem Mischungsverhältnis von fünfzig bis achtzig Prozent, im Buch von sechzig Prozent, in einer Fußnote heißt es dann, eine ,,Erblichkeitsannahme von 80 Prozent" sei ,,grundsätzlich schlüssig". Das aber sind, was man einem Banker nicht sagen müssen sollte, enorme Unterschiede. Wenn der IQ nur zu fünfzig Prozent vom Genpool abhängt, dann besteht eine ebenso große Wahrscheinlichkeit, ihn durch Bildung zu steigern, bei achtzig Prozent ist die Wahrscheinlichkeit gleich null. ...

[...] Ist er deshalb, wie manche behaupten, ein Rassist? Gewiss nicht, denn in Wahrheit bezieht er sich, ohne auch das deutlich zu machen, auf die große Einwanderungs- und Intelligenzdebatte, die vor fast genau hundert Jahren in den Vereinigten Staaten stattfand und dort zu einer Gesetzgebung führte, die bis 1965 in Kraft blieb. Wer nachliest, was damals unter dem Eindruck der Zuwanderungsströme im Ersten Weltkrieg in Amerika diskutiert wurde, befindet sich mitten in der Sarrazin-Diskussion. Die Zukunft des Landes war in Gefahr, die Intelligenz verkümmerte, Ethnien wurden analysiert und selektiert. Am schlimmsten waren die Japaner und die Süditaliener. ,,Nein, wir arbeiten nicht", heißt es etwa in einem der einflussreichsten Werke der damaligen Zeit (,,The Old World in the New") über die Italiener. ,,Wir haben andere, die für uns arbeiten. Es sind diese Parasiten, die die meisten Verbrechen begehen." Sie verlassen die Schule bei der ersten Gelegenheit, sie können nicht lesen und nicht schreiben, sind schlecht in Mathematik, und ,,ihnen fehlt die Fähigkeit zu denken".

...

QuoteUnsinn
Dirk Kleinloh (Medijo)

Islam ist kein biologisches Gebilde, sondern ein religiöses, welches ganz anders als wir es vom westlichen Christentum kennen das Leben der Menschen beeinflusst und kontrolliert. Um den Druck, den es auf die Geselleschaft ausübt wirklich verstehen zu können, empfehle ich ein paar Monate in einem moslemischen Dorf der Türkei oder der Arabischen Welt zu leben.


QuoteSehr gut!
Thomas Wedel (zeromancer44)

... Der Mensch hat bei Thilo Sarrazin offenbar nur dann einen Wert, wenn er genetisch und volkswirtschaftlich von Nutzen ist. Wer das nicht ist, muss draußen bleiben. In letzter Konsequenz müsste Herr Sarrazin eigentlich von "Volksschädlingen" sprechen.




Aus: "Sarrazins Konsequenz: Ein fataler Irrweg" Von Frank Schirrmacher (30. August 2010)
Quelle: http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E1E30FB65E1E44794BFFEB5A2B73DE7EA~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Quote[...] Unterdessen erhält Sarrazin neue Stellenangebote. "Es würde mich freuen, wenn er als Berater dem NPD-Parteivorstand zur Verfügung stünde", sagte NPD-Parteichef Udo Voigt, "oder gar als Ausländerrückführungs-Beauftragter der NPD fungiert."


Aus: "Reaktionen auf Biologismus-Thesen: Zirkus Sarrazani" (30.08.2010)
VON U.HERRMANN & G.REPINSKI & A. Wierth
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/zirkus-sarrazani/

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Quote[...] In Israel ruft die Interviewäußerung des "Rassentheoretikers" Sarrazins, wonach alle Juden ein bestimmtes Gen teilen sollen, keine Resonanz ("unnoticed") hervor, berichtet die Zeitung Ha'aretz. In diesem Zusammenhang verweist die Zeitung etwas süffisant auf eine Äußerung des amtierenden Innenministers und Chefs der orthodoxen Shas-Partei, Eli Jishai. Dieser hatte in einem Interview mit der Jerusalem Post  zur Frage des Übertritts zum jüdischen Glauben eine laut Interviewer David Horovitz "seltsame Behauptung" aufgestellt, für die er "unbestimmte akademische Forschung" zitierte:

"Wenn ein Konvertit zum orthodoxen Glauben übertritt, dann hat er das jüdische Gen. Wenn er nicht zu den Orthodoxen übertritt, dann hat er das jüdische Gen nicht. So einfach ist das."

Jishai wollte sich damit, wie es aus seinen weiteren Ausführungen klar wird, vor allem gegen den in seinen Augen zu leicht gemachten Übertritt zum reformierten Judentum und der damit einhergehenden Assimilierung von Juden in den USA abgrenzen. Der Übertritt via Reform sei sehr leicht, "leichter noch als in einem Club aufgenommen zu werden". Aber es geht dem Innenminister, der vor kurzem mit seiner Forderung, Migrantenkinder nachhause zu schicken, für Aufruhr und heftigen Protest (u.a. bei der Gattin des Ministerpräsidenten, Sara Netanjahu) sorgte, auch um die Gefahr der Überfremdung und die innere Sicherheit - ein Thema, an dem Innenminister überall ihren Narren fressen.

Würde Israel Übertritte zum reformierten Glauben zulassen, dann hätte man sehr bald 100. 000 ausländische Arbeitskräfte, die konvertieren. Es würde dann kein Ende geben, so Jishai, man würde den jüdischen Charakter des jüdischen Staates verlieren:

"Ausländische Arbeiter und Palästinenser würden den Übertritt dazu nutzen, um hierzubleiben."


Aus: "Orthodoxes Gen" Thomas Pany (01.09.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/6/148300

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Quote[...] Der Publizist Friedman, als krawalliger Bescheidwisser unübertroffen, biss sich einmal die Silbe gerade noch vom Mund ab. Was er dann doch von sich gab, war pointiert genug: Sarrazin reduziere Menschen zu Zahlen, das sei "menschenfeindlich und respektlos". Er verlasse "die republikanische Tradition", dass jeder alles erreichen kann, rassistisch sei Sarrazins Gedanke, Kollektive hätten eine gemeinsame genetische Identität, dergleichen stelle "eine Schande für die Bundesbank" dar: "Sie können nicht ganze Gruppen verurteilen und beurteilen."

Leise, doch sehr schnell erwiderte der Angesprochene, "das tue ich nicht." Ja, es sei ein "Riesenunfug" gewesen, den er "extrem bedaure", sich im Zeitungsinterview über die genetische Disposition der Juden zu äußern, eine "inhaltliche Dummheit", ein "Blackout". Aber nein, nie und nirgends argumentiere er im Buch ethnisch oder rassistisch, ihm sei der "kulturelle Hintergrund" jener Migranten wichtig, die sich nachweisbar am schlechtesten integrierten, der Türken und Araber.

Der Islam als Integrationshindernis ist Sarrazins Hauptthema. Darüber aber wollte niemand mit ihm reden.

Stattdessen wurde Friedman zum Anwalt der eigenen Ehre. Doch, rief er retour, Sarrazin schlage auf Ausländer ein, sei ein Brandstifter, verurteile Bevölkerungsgruppen en bloc: "Ich habe das Buch gelesen."

Mit ruckhaft aufgerichtetem Oberkörper und blitzendem Auge gab Sarrazin ein Kontra, mit dem er Friedman in den Schmollwinkel drängte: "Ich habe jetzt mal versuchsweise unterstellt, dass Sie die Wahrheit gesagt und das Buch ganz gelesen haben - wenn Sie es ganz gelesen hätten und das sagen, was Sie gesagt haben, können Sie nicht sehr klug sein."

Friedmans blubbernde Replik versuchte er einzufangen: "Aber Sie haben doch Humor!" Es nutzte nichts. Der Publizist gab den Gekränkten, Sarrazin aber den Musterschüler, der am letzten Schultag zum Erstaunen aller mit dem Schwamm nach dem Lehrer geworfen hat und nun nicht weiß, ob er auf sich stolz sein soll.

Die Fernsehmoderatorin Asli Sevindim, vorgestellt als Muster geglückter Integration, hielt Sarrazin entgegen, er biete "keine einzige Lösung" an, "definitiv rassistisch" und beleidigend seien dessen Auffassungen von der vererbten Bildung. Getreu seinem altpreußischen Lebensmotto - "ich renne nie weg, ich schlage keine Haken" - beharrte Sarrazin: Alle menschlichen Eigenschaften hätten auch eine Erbkomponente, "das ist weltweiter Stand der Intelligenzforschung".

Fortan setzte ein ums andere Mal Sevindim ihre Familiengeschichte den Migrationsstatistiken entgegen. "Sie rechnen mich permanent raus", sagte sie schließlich zum Herrn ganz links außen, müde und enttäuscht ob ihrer eintönig gewordenen Einwände.

Dem Moderator war's recht, er ließ es laufen zwischen Renitenz und Resignation, schuf allerdings sinnvolle Zäsuren und war so ein souveräner Lotse durch das Gestrüpp der Abneigungsverhältnisse.

Einmal gelang seiner Redaktion ein Coup. Sarrazins Berechnungen für ein schrumpfendes und islamisiertes Deutschland liegen demnach starre Zuwanderungs- und Geburtenraten zugrunde. Hätte man nach dieser Methode von 1890 auf 2010 hochgerechnet, müssten heute 253 Millionen Menschen in Deutschland leben. Zwei Weltkriege und die Antibabypille, lernten wir, verhinderten den Triumph der Statistik.

...

Quotejosky01 schreibt

Die Sendung war überflüssig

...

Das kleinbürgerliche Gefühl, daß da irgendwas bei Sarrazin richtig ist, konnte nicht entkräftet werden...


QuoteDiaula schreibt Das

Das neue Idol des deutschen Kleinbürgertums

wirkte recht angeschlagen .....


Quotebgresser schreibt Ablenkungen

Das nun in die soundso-vielte Runde gehende Getümmel um so halbgare wie unüberlegte Auslassungen eines Möchtegern-Intellektuellen lenkt offenbar besonders gut ab von den unerledigten Geschäften im Land, die uns über den Kopf wachsen, während in einer so unwichtigen wie armseligen Bashrunde die Papier-Fetzen fliegen.
Der Blätterwald zeigt sich hier von seiner wahren Seite und alle fetzen ungestört weiter, bis nichts mehr groß genug ist, um noch zerredet zu werden
Die Probleme unseres Zusammenlebens erledigen sich nicht von selbst. Da können wir wirklich Erfolge feiern, wenn wir auf Menschen zugehen, bevor wir sie verbal "platt" machen.
Jede Bewegung braucht Spannungen und Pole. Je besser sich die Gegenspieler verstehen, desto vielseitiger und offener wird der Spielraum aller. Hier wird aber mit der Würde von Menschen gespielt und das macht aus dieser Debatte eine oft unwürdige Demonstration der Selbstherrlichkeit.


Quotee.do schreibt Habe ich eine andere Sendung gesehen?

Kann es sein, dass der Kritiker nicht ganz neutral über die Sendung berichtet? Aber vielleicht habe ich auch eine andere Sendung gesehen. Der Kritiker sollte sich vielleicht mal mit seinen eigenen Adjektiven auseinander setzen.
Dreßler: liest ab, spricht technokratisch
Sevindim: eintönig
Friedman: krawallig, schmollend, blubbernd, humorlos
Baring: lobend
Sarrazin: schalkhaft, blitzenden Auges, preußisch, ok - auch spröde aber nicht mürbe zu kriegend

Neben der klar gestellten Hochrechnung auf 2110 war ein deutlich stärkerer Haken die Aussage der Intelligenzforscherin Frau Elsbeth Stern, die Herrn Sarrazin klar unterstellte, dass er keine Ahnung von ihrem Fachgebiet habe und sie falsch interpretiere und zitiere.

Auch bei der Welt(.de) scheint man die gleiche Sendung wie ich gesehen zu haben: "Statt Argumente zu bringen, entschied sich Sarrazin für Beleidigungen".


Quotejuergen2008 schreibt genetische Dispositionen

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann sieht Sarrazin gerade nicht die Ursache für mangelnde Bereitschaft zur Integration in der Erbsubstanz, sondern in einem Sozialverhalten, das vor allem durch die Regeln des Islam beeinflußt werden.
Es ist eigentlich ein Angriff auf die Religion, über den man natürlich diskutieren kann. Sein Ansinnen untermauert er, indem er das zur Verfügung stehende Zahlenmaterial aufbereitet. Plassbergs Sendung aber hat erstaunliches zu Tage tretem lassen: die Linken in der Runde haben sich eher konservativ, die konservativen eher gesellschaftskritisch geoutet. Friedmann mutiert zum Schützer des Islam und Dressler zum Bewahrer des Israel. Wirklich amüsant, streckenweise.
Nur zum Kern der Aussage Sarrazins wollte (außer ihm selbst) keiner einen Beitrag leisten, nämlich, was muß der Islam tun, um seine Gläubigen in einer modernen Welt unterzubringen, in der das gesellschaftliche Zusammenleben vor allem und zu erst durch den Staat geregelt ist, und erst weiter hinten durch Religionen.


...


Aus: "TV-Kritik: Sarrazin bei "Hart aber fair" Krawalliger Bescheidwisser"
Eine kleine Nachtkritik von Alexander Kissler (02.09.2010)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/medien/tv-kritik-sarrazin-bei-hart-aber-fair-renn-doch-nicht-immer-weg-1.994895-2

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Quote[...] Im Lettre-Interview ist alles schon enthalten – die feine eugenische Note, die Unterschichtenverachtung, die Suggestion, dass Deutschland durch die Fruchtbarkeit der Türken und Araber immer dümmer wird.

[...] Nur eins noch: Dass ein Mann erst in dem Moment ins "Reich des Widerlichen" eintritt, in dem er etwas über Juden und Gene sagt, während er vorher ungestraft und unter großem Gejohle und bedächtigem Kopfwiegen des Publikums über türkische und arabische Gene bramarbasieren kann – das kann einem auch zu denken geben.

...


Aus: "Im Reich des Widerlichen: kein Kommentar zu Sarrazin"
Von Jörg Lau 6. September 2010
Quelle: http://blog.zeit.de/joerglau/2010/09/06/im-reich-des-widerlichen-kein-kommentar-zu-sarrazin_4105

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Quote[...] Sarrazin wird aus dem Bundesbank-Vorstand verstoßen. Sarrazin soll aus der SPD ausgeschlossen werden. Sarrazin wird aus bereits gebuchten Veranstaltungen ausgeladen. Die Feuilletonisten der "Zeit" rufen igitt und die bei der "FAZ" verdammen bei Sarrazin besonders jene anstößigen Passagen, die er nicht geschrieben hat, aber eigentlich hätte schreiben wollen, und die also erst mühsam konstruiert werden mussten, was sicher eine Heidenarbeit war.

Was all die Ausgrenzungstechniker nicht begreifen, ist, dass sich das, was Sarrazin verkörpert, nicht ausgrenzen lässt. Es ist die Wut von Leuten, die es satt haben, das Mittelalter in ihrer Gesellschaft, die einen langen und mühevollen Prozess der Aufklärung hinter sich hat, zurückkehren zu sehen. Die es satt haben, für ihre Angebote an Eingliederungshilfen beschimpft und ausgelacht zu werden. Die es satt haben, über terrornahe islamistische Vereine zu lesen, über Ehrenmorde, über Morddrohungen gegen Karikaturisten und Filmemacher oder zu hören, dass auf Hauptschulhöfen "du Christ!" als Schimpfwort benutzt wird. Die wütend zur Kenntnis nehmend lesen, dass sich westliche Staatsmänner für Frauen in einem islamischen Land einsetzen müssen, weil diese dort als Ehebrecherinnen gesteinigt werden sollen.

Merkwürdigerweise aber sind nun zumindest viele der bei uns lebenden türkischen Mitbürger - und in der "SZ" am Wochenende werden acht junge vorgestellt - nicht darüber empört, sondern über Sarrazins Buch.

[...] Klaus von Dohnanyi, der Sarrazin vor den SPD-Gremien zu verteidigen gedenkt, wies in der "SZ" darauf hin, wie in Deutschland vor dem Hintergrund der Holocaust-Vergangenheit eine Kultur der Gesinnungsverdächtigung blüht, kaum nimmt einer die Worte "Gen" und "Jude" in den Mund.

Mit Recht beklagt er, dass wir Debatten scheuen, die "in anderen Ländern gang und gäbe sind". Dazu gehöre die Diskussion darüber, "dass bestimmte Volksgruppen bestimmte Eigenschaften haben".

Debatten aber über Identität und Leitkulturen werden überall geführt in einer zunehmend globalisierten Welt, in den USA genauso wie in Großbritannien, in Frankreich, Holland oder Dänemark. Das schließt Weltoffenheit nicht im geringsten aus. Es bedeutet nur ein Beharren auf Traditionen und Werten, zu denen auch die Religion gehört, die man nicht einfach an der nächsten Bude abgeben möchte.

Es sind diese Passagen in Sarrazins Buch, die mir die interessantesten scheinen. In ihnen spricht sich die Melancholie darüber aus, dass die Deutschen nicht nur demografisch an ihrem Verschwinden arbeiten, sondern sich auch von ihren Kultur- und Bildungshorizonten verabschieden. Wer das rassistisch nennt, hat nichts kapiert.

Fest steht aber seit Sarrazin, dass Einschüchterungen durch das publizistische Justemilieu und seine Drohungen mit dem gesellschaftlichen Abseits nicht mehr funktionieren, denn das Publikum hat einen hochentwickelten Instinkt für Fairness.

Der Beistand für Sarrazin beweist es. Die Deutschen lernen dazu. Vielleicht kommen sogar die Redaktionen des Landes eines Tages dahin, wo die britischen Kollegen längst sind: wie man frei und ohne Scheuklappen und Sprachregelungen Debatten führt.

...


Aus: "Sarrazin-Debatte: Die Gegenwut - Ein Debattenbeitrag von Matthias Matussek" (06.09.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,715836,00.html

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Quote[...] Matussek reitet heute auf spiegel.online  eine blindwütige populistische Attacke auf die Sarrazinkritiker – also auch auf mich. Ich nehme die Herausforderung an. Matussek-Zitate sind kursiv und eingerückt.

Aber seine Befunde zur missglückten Integration der türkischen und arabischen Immigranten sind über jeden Zweifel erhaben.

Über jeden Zweifel erhaben? Gegen Sarrazin stelle ich fest: Die meisten Türken in Deutschland sind gut integriert. Der Erfolg der Integration vieler – wohl der meisten – türkischen Immigranten ist über jeden Zweifel erhaben (sollte es in einem solchen Fall überhaupt möglich sein, dass etwas über jeden Zweifel erhaben sein kann).

Wie kommt Matussek zu seiner Behauptung? Worauf stützt er sie? Warum schränkt er nicht wenigstens ein und spricht von ,,vielen" türkischen Migranten? (Über die arabischen Migranten kann ich nicht viel sagen. Alle, die ich kenne, sind vorbildlich integriert, aber ich kenne nur etwa 10, die schon länger in Deutschland leben.)

(Nachtrag: Interview mit Klaus Bade spiegel online: ,,Es gibt keine Integrationsmisere in Deutschland." )

Was all die Ausgrenzungstechniker nicht begreifen, ist, dass sich das, was Sarrazin verkörpert, nicht ausgrenzen lässt.

Der Ausgrenzungstechniker Sarrazin wird also ausgegrenzt. Für Matussek sind es nicht die Millionen Muslime, die Millionen Menschen türkischer Herkunft, die als nicht-zu-uns-passend und nicht-zu-uns-gehörend ausgegrenzt werden – nein, für ihn ist es Sarrazin, der in allen Medien seinen Auftritt bekommt, der gerade zum Millionär wird, der für einen Teil der Deutschen ein Volksheld geworden ist. Für Matussek ist Sarrazin ausgegrenzt, aber diejenigen, die sich gegen die Ausgrenzer-Pöbleien wehren, sind die Ausgrenzungstechniker.

Es ist die Wut von Leuten, die es satt haben, das Mittelalter in ihrer Gesellschaft, die einen langen und mühevollen Prozess der Aufklärung hinter sich hat, zurückkehren zu sehen.

Die das Mittelalter satt haben – und es deshalb nachspielen, als Hetzmob gegen Minderheiten? Aufklärung besteht nicht darin, dass man seine Kultur oder Meinung, die man für aufgeklärt hält, fundamentalisiert. Niemand und nichts kehrt in Deutschland ins Mittelalter zurück, außer vielleicht diejenigen, die rot vor Wut Zivilisation und Grundgesetz vergessen und eine Minderheit, die sich gerade in einem mühevollen Prozess integriert, zu seinen neuen Juden macht.

Die es satt haben, für ihre Angebote an Eingliederungshilfen beschimpft und ausgelacht zu werden.

Ihre Angebote? Wessen Angebote? – Als ob diese Angebote von denen kommen, die am liebsten alle gläubigen Muslime und alle, die sich ihr Türkisches nicht umgehend wegassimilieren lassen, ausweisen lassen würden. Es gibt Eingliederungshilfen, und die haben zum Teil Erfolg und könnten noch erfolgreicher sein, wären sie besser finanziert und gestaltet, aber wer zum Teufel wird für diese Eingliederungshilfen beschimpft oder ausgelacht? Wer soll das sein, der ,,uns" wegen dieser Eingliederungshilfen beschimpft oder auslacht?

Kann schon sein, dass ein paar einzelne wütende deutschtürkische Jugendliche mal blödes Zeug daherreden. Hat das irgend eine Bedeutung? Bedeutet es die Wiederkehr des 3. Reiches, wenn irgend ein deutscher Depp davon spricht, die Türken gehörten alle vergast?

Die es satt haben, über terrornahe islamistische Vereine zu lesen, über Ehrenmorde, über Morddrohungen gegen Karikaturisten und Filmemacher oder zu hören, dass auf Hauptschulhöfen ,,du Christ!" als Schimpfwort benutzt wird.

Wenn man sieht, wie geil eben diese Wütenden darauf sind, ständig etwas über muslimische Terror-Imame, über Ehrenmorde und Morddrohungen zu lesen ...  ,,Terrornahe islamistische Vereine" sind in Deutschland ohnehin geschlossen und verboten, Ehrenmorde werden von so gut wie allen Imamen und gläubigen Muslimen heftigst abgelehnt und bekämpft, über die Karikaturen regen sich Muslime in Deutschland kaum auf, und wenn in einer Hauptschule mal ein muslimischer Jungmacho jemand als Christen beschimpft, ja mei, was schreien die pubertierenden aller Völker alles im Schulhof herum?

Die wütend zur Kenntnis nehmend lesen, dass sich westliche Staatsmänner für Frauen in einem islamischen Land einsetzen müssen, weil diese dort als Ehebrecherinnen gesteinigt werden sollen.

Was um Gottes Willen haben unsere in Deutschland lebenden Muslime für eine Schuld oder Verantwortung, wenn im Iran Unmenschlichkeiten passieren? Wenn überhaupt, dann werden die Iraner in Deutschland etwas dazu sagen wollen – und die sind ja ganz überwiegend gegen das Regime dort und selber noch mehr entsetzt als wir Nicht-Iraner.

Gradeso könnten uns die Muslime in Pakistan fragen, warum wir Christen nicht alle auf die Straße gehen, um gegen die Ermordung von pakistanischen Zivilisten durch US-amerikanische Dronenangriffe zu protestieren.

Merkwürdigerweise aber sind nun zumindest viele der bei uns lebenden türkischen Mitbürger – und in der ,,SZ" am Wochenende werden acht junge vorgestellt – nicht darüber empört, sondern über Sarrazins Buch.

Sie leben nun mal in Deutschland, fühlen sich diesem Land, dieser Kultur zugehörig – und merken, dass sie gemeint sind, wenn auf Muslime und Türken eingeprügelt wird. Sie merken, dass sie ausgegrenzt werden. Also sind sie empört über den Ausgrenzer und sein Buch. Fragen Sie sie, Herr Matussek, und sie werden sich entschieden gegen die Steinigung einer Ehebrecherin äußern.

Sollten die Repräsentanten geglückter türkischer Vorzeigebiografien nicht einwirken auf ihre Landsleute und Milieus, damit der Koran endlich sein Gesicht von Sanftmut und Nächstenliebe zeigt? Vor allem aber wäre es schön, wenn sie sich irgendwo zu Pluralität und Meinungsfreiheit ausließen.

Sie tun es doch, und jeden Tag, indem sie die Pluralität und Meinungsfreiheit hier in Deutschland leben. Indem sie durch ihr Hiersein für das Land plädieren. Leben die gut Integrierten mit ihrem relativen Erfolg in der deutschen Arbeitswelt nicht den weniger Integrierten vor, wie es gehen könnte?

Über die Sanftmut des Korans und seiner Gläubigen könnten Sie sich bei tausend Gelegenheiten überzeugen, Herr Matussek, aber darüber lassen sich keine spektakulären Spiegelkommentare schreiben.

Fest steht aber seit Sarrazin, dass Einschüchterungen durch das publizistische Justemilieu und seine Drohungen mit dem gesellschaftlichen Abseits nicht mehr funktionieren, denn das Publikum hat einen hochentwickelten Instinkt für Fairness.

Den es schlagend beweist, indem es hemmungslos auf eine wehrlose Minderheit einprügelt.

Im übrigen steht es publizistisch – nach Auflage gerechnet – ungefähr 3:1 für Sarrazin. Die Minderheit der Sarrazinkritiker schüchtert die Mehrheit der Sarrazinfans ein? Vielleicht ist das wahr. Wenn es wahr ist, dann wohl deshalb, weil Menschlichkeit & Kompetenz diejenigen einschüchtern, die hauptsächlich nur pöbeln.



Aus: "Contra Spiegels Matussek (in Sachen Sarrazin)"
Veröffentlicht am 7. September 2010 von InitiativGruppe
Abgelegt unter: Integration_scheitert, Islamophobie, Migration, Sarrazin-Debatte | Mit Tag(s) versehen: Sarrazin, Matussek
Quelle: http://initiativgruppe.wordpress.com/2010/09/07/contra-spiegels-matussek-in-sachen-sarrazin/

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Quote[...] Extreme Unterschiede in der Qualität elterlicher Entwicklungsmilieus stabilisieren eine solche Schichtung: Für die Vereinigten Staaten konnten Betty Hart und Todd Risley feststellen, dass dreijährige Kinder aus ,,Welfare"-Familien von ihren Eltern etwa zehn Millionen Wörter gehört haben, gleichalte Kinder aus ,,Professional"-Familien von ihren Eltern aber schon dreißig Millionen Wörter. Manche Eltern schienen kaum mit ihren Kindern zu sprechen. Ausschlaggebend für Intelligenz- und Sprachentwicklung der Kinder war hier nicht so sehr die Schichtzugehörigkeit oder Ethnie, sondern die Erziehungsqualität und insbesondere das Sprechverhalten der Eltern, was, und das darf nicht ausgeschlossen werden, genetisch mitbeeinflusst ist.

Diese Studie gibt einen Hinweis, dass und wie (nicht nur) Migrantenkinder schon früh und nachhaltig intellektuell gefördert werden können: Erwachsene sollten mit kleinen Kindern möglichst viel und variantenreich sprechen und den Kindern möglichst viele Sprechanlässe geben. Migrantenkinder, bei denen die familiären Verhältnisse dies nicht zulassen, sollte man möglichst frühzeitig in eine Kinderkrippe aufnehmen, in der, und das ist sehr wichtig, eine hohe sprachliche Interaktionsdichte zwischen Betreuerin und Kind gewährleistet ist, was ausgesprochen kleine Gruppengrößen erfordert, Ähnliches gilt auch für Kindergärten. Das kostet kurzfristig viel Geld, bringt langfristig aber hohe volkswirtschaftliche Renditen.

Sarrazins Thesen zum Zusammenhang von Migration, Bildung und Intelligenz sind besonders umstritten. Vorab ist festzuhalten, dass empirische Studien stets nur Mittelwerte berichten. Es gibt eine beträchtliche Variabilität innerhalb der Gruppen, zwischen verschiedenen Gruppen existieren große Überlappungen. Mittelwertsunterschiede führen aber auch zu unterschiedlichen Häufigkeiten schwacher und günstiger Werte. Für die Praxis kann immer nur das Individuum von Bedeutung sein.

In der Tat schneiden türkische Immigrantenkinder in Schulleistungs- und Intelligenzteststudien schwach ab. Diese Werte korrespondieren mit ähnlichen Werten in den Herkunftsländern und einer geringeren Bildung Erwachsener sowie einem intellektuell weniger stimulierendem Familienklima. Deshalb sind die Befunde vermutlich gültig. Die Ergebnismuster sind über die Einwanderungsländer hinweg recht robust; dennoch gibt es beachtliche Unterschiede: Türkischstämmige Schüler in den Niederlanden schneiden besser ab als türkischstämmige Kinder in Deutschland, in Bayern Migranten besser als in Berlin. Die Leistungen von Schülern, nicht nur von Immigranten, hängen also sowohl von Faktoren ab, die die Schüler mitbringen, als auch von länderspezifischen Besonderheiten (z. B. Qualität des Schulsystems).

...


Heiner Rindermann lehrt Pädagogische und Entwicklungspsychologie an der TU Chemnitz. Er beschäftigt sich mit Bedingungen und Folgen kognitiver Kompetenzen für Personen und Gesellschaften. Zuletzt erschien von ihm G. W. Oesterdiekhoff, H. Rindermann (Hrsg.): Kultur und Kognition, Münster 2008.

Detlef Rost lehrt Pädagogische und Entwicklungspsychologie an der Philipps-Universität Marburg. Er beschäftigt sich mit Hochbegabungs- und Intelligenzforschung sowie mit pädagogisch-psychologischer Diagnostik. Zuletzt erschien: Intelligenz: Fakten und Mythen. Weinheim: Beltz-Verlag, 2009.


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Aus: "Intelligenz von Menschen und Ethnien: Was ist dran an Sarrazins Thesen?" (07. September 2010)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~EBFC72F0534A149BE84CA714A883B6B5C~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Quote[...] Sarrazin habe ,,mit seinen Äußerungen zu den besonderen Genen von Juden und Basken für mich eine rote Linie überschritten", sagte Westerwelle der ,,Passauer Neuen Presse" vom Mittwoch. Dennoch bekräftigte er: ,,Ein solches Buch muss Deutschland aushalten."

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Aus: "Westerwelle über Sarrazin – "Ein solches Buch muss Deutschland aushalten"" (08.09.2010)
Quelle: http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/fdp-westerwelle-ueber-sarrazin-ein-solches-buch-muss-deutschland-aushalten_aid_549722.html

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Quote[...] Neu aber ist, dass seit ein paar Jahren auch gut ausgebildete Migranten der zweiten und dritten Generation zurückkehren, weil sie bessere Berufschancen in der Türkei sehen. "Deren Problem ist nicht ihre gescheiterte Integration," erklärt Susan Rottmann, "sondern die fehlenden Perspektiven in Deutschland."

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Aus: "Rückkehrende Migranten: Nie mehr braver Türke" Von Kristina Tirier, Istanbul (14.09.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,716677,00.html

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Frankreich verbietet Frauen das Tragen von Vollschleiern wie Burka und Nikab. Ein entsprechendes Gesetz nahm mit der Verabschiedung durch den Senat die letzte Hürde. Von Frühjahr kommenden Jahres an soll es auf allen öffentlichen Straßen und Plätzen gelten - ebenso in Bussen, Bahnen, Bibliotheken und Behörden.

Wer dennoch sein Gesicht verhüllt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 150 Euro rechnen. Zusätzlich oder alternativ kann die Teilnahme an einem Kurs in Staatsbürgerkunde angeordnet werden. Männer, die Frauen zum Tragen eines Schleiers zwingen, sollen sogar mit bis zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro büßen. Sind die Betroffenen minderjährig, ist zudem eine Verdoppelung der Strafe möglich.

Nach Ansicht von Präsident Nicolas Sarkozy und der konservativ- rechten Regierung sind Vollschleier wie Burka und Nikab Symbole der Unterdrückung und verstoßen gegen Grundsätze wie die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Justizministerin Michèle Alliot-Marie betonte, dass es bei dem Gesetz nicht um Fragen der Sicherheit oder Religion gehe.

...


Aus: "Senat stimmt fast einstimmig für Burka-Verbot" (14.09.2010)
Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/burkaverbot110.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Ganze war als Statement in Sachen Meinungsfreiheit gedacht und sollte zugleich als Solidaritätsbekundung für die "South Park"-Erfinder Matt Stone und Trey Parker dienen. Denn deren 201. Folge der Serie war vom Sender "Cartoon Network" zensiert worden, nachdem es nach Ausstrahlung der vorherigen Episode, der ersten Hälfte einer Doppelfolge, in der Mohammed in einem Bärenkostüm auftritt, zu massiven Drohungen vonseiten radikaler Islamisten gekommen war.

In Norris' Cartoon sind unter anderem eine Kaffeetasse, ein Dominostein und eine Kirsche zu sehen, die allesamt von sich behaupten, die einzig legitime Abbildung von Mohammed zu sein. Flankiert wird der Cartoon von der Aufforderung, bis zum 20. Mai eine Zeichnung des Propheten anzufertigen.

Was Molly Norris unterschätzte, war die Eigendynamik, die ein derart brisantes Thema in Zeiten von Blogs und sozialen Netzwerken innerhalb kürzester Zeit entwickeln kann.

Denn nicht nur unzählige Blogger griffen die Idee bereitwillig auf, auch eine nicht von Norris autorisierte Facebook-Seite nahm sich ihrer an. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität hatte die Seite mehr als einhunderttausend Besucher. Der Rummel um den "Everybody Draw Mohammed Day" führte gar zu einem zeitweiligen Facebook-Verbot in Pakistan.

Je größer der Trubel wurde, desto bedrohlicher wurde die Situation für Molly Norris, die massiv an Körpergewicht zu verlieren begann und ihr Leben nur noch als "horrible" bezeichnete. Vielleicht hatte sie da schon eine vage Ahnung davon, was noch auf sie zukommen sollte. Denn im Juni erklärte der Islamist Anwar al-Aulaqi Molly Norris in einer Zeitschrift mit dem zynisch klingenden Titel Inspire (zu Deutsch: Anregung, Begeisterung) zur "prime target" ("Hauptziel") eines Mordanschlags.

...


Aus: "Facebook-Aufruf von US-Karikaturistin: Neuer Name wegen Netz-Hetzjagd" VON ANDREAS RESCH (04.10.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/kuenste/artikel/1/neuer-name-wegen-facebook-hetzjagd/


Textaris(txt*bot)

#86
Quote[...] Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christliche-jüdische Tradition. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.

Das mag bei den fremdenfeindlichen und islamophoben Bewegungen nicht gut ankommen, die sich seltsamerweise mit Freiheit identifizieren, während sie Rassismus, Ausgrenzung und Intoleranz predigen, ist aber ebenso eine Selbstverständlichkeit wie die Tatsache, dass Deutschland schon seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist und dies nun endlich, auch in der Union, akzeptiert werden muss. Dass Wulff sich auch als Präsident der deutschen Muslime präsentierte, mag der gegenwärtigen Diskussion geschuldet sein, aber was könnte er anderes sein, etwa nur der Präsident für die "autochthonen" Deutschen? Das wäre geradezu absurd und würde nur in einen veränderten Ariernachweis münden.

...

Quotekulinux, 4. Oktober 2010 02:00
"Gott schütze Deutschland" ....???? Hat der sie noch alle?


Dass er Zeus/Jupiter, Marduk, Ishtar, Shiva, Wischnu, Brahma,
Quetzalcoatl, Thor, The Flying Spaghetti Monster und ihre ca. 8000
Kollegen vergessen hat, wird sich fürchterlich rächen: Sie werden
sich alle gegen uns wenden - da kann dann der misogyne, homophobe,
kleingeistige Stammesgott dieses vorderasiatischen Ziegenhirtenvolkes
GAR NIX gegen ausrichten!
Wir sind verloooooren!!

...



Aus: "Bundespräsident Wulff: "Gott schütze Deutschland"" Florian Rötzer (04.10.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33433/1.html

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Quote[...] Die Debatte um die Äußerungen von Bundespräsident Wulff zum Islam hält an. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Bosbach, ist der Islam zwar Teil der deutschen Lebenswirklichkeit. Geprägt werde die Bundesrepublik aber durch christlich-jüdische Traditionen, meinte der CDU-Politiker in der "Bild"-Zeitung. Ähnlich äußerte sich der CSU-Europapolitiker Weber. Der Islam habe bislang keinen Beitrag zur Identität des Landes geleistet, sagte der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament im Deutschlandfunk. Unterstützung erhielt Wulff vom ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Huber. Er erklärte im Deutschlandradio Kultur, der Islam gehöre zu Deutschland. Es müsse aber mit den Muslimen offen über die Grundwerte der Gesellschaft gesprochen werden.


Aus: "Diskussion um Wulffs Islam-Äußerungen geht weiter" (05. Oktober 2010)
Quelle: http://www.dradio.de/nachrichten/201010050800/2

-.-

Quote[...] Christen, Juden und Muslime OK, aber...

ist Christian Wulff auch der Präsident der Hindus, Buddhisten, der Zeugen Jehovas, der nicht ganz kleinen Gruppe der Atheisten und ähm... der Scientologen in Deutschland?

Müssen sich die Deutschen und ihre Mitbüger künftig ihre Religion besser beim Bundespräsidenten anerkennen lassen:

,,Geht klar, mach ich, ... bin ich!"

,,Nein, nein, völlig ausgeschlossen, ich bin nicht ihr Präsident, Sie perverses Schwein, Sie!"

Unser Präsident gibt uns Rätsel auf, denn die Religion Schalke 04 zum Beispiel, die kann doch keine zwei Präsidenten haben?

...


Aus: "Christen, Juden und Muslime OK, aber..." (2010/10/04/)
Quelle: http://almabu.wordpress.com/2010/10/04/christen-juden-und-muslime-ok-aber/

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Quote[...] An dieser Stelle muss sich der Autor selbst korrigieren. Nachdem er am Sonntag Christian Wulff zugehört hatte, schrieb er, der Bundespräsident habe eine solide, aber keine große Rede gehalten. Und er urteilte: Die Passage, in der Wulff über den Islam sprach, sei die stärkste einer "ganz normalen Bundespräsidenten-Rede" gewesen.
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Allerdings: Eine Rede, die derart heftige Reaktionen hervorruft, kann nicht (mehr) gewöhnlich genannt werden. Auch dann nicht, wenn der Satz des Anstoßes von banaler Richtigkeit ist. "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", hat Christian Wulff gesagt und damit eine schlichte Wahrheit ausgesprochen.

Zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime leben in Deutschland. Sie sind mehr oder weniger religiös. Die meisten haben Arbeit, zahlen Steuern, manche sind deutsche Staatsbürger. Der Islam gehört zu Deutschland, wie es ultrakonservative Katholiken und protestantische Freikirchler tun, die im Übrigen bisweilen eine ähnliche Tendenz zur Parallelgesellschaft in sich tragen wie manche Muslime.

Wulffs Rede war eine Einladung, gemeinsam in diesem Land zu leben und gemeinsam Integrationsdefizite, die es zweifellos gibt, anzugehen. Was die Union derzeit aber betreibt, ist der absurde Versuch, Integration mithilfe von Ausgrenzung zu erreichen.

Der CSU-Politiker Norbert Geis etwa. Er sagte den kuriosen Satz, dass der Islam erst dann zu Deutschland gehöre, wenn die Integration gelungen sei. Mit derselben Argumentation könnte man behaupten, Deutschland sei erst dann eine Demokratie, wenn 100 Prozent der Wähler ihre Stimme abgeben.

...

Quote* 07.10.2010 um 17:22 Uhr
    * JohannesHans

Die Leitkultur-Debatte ist nötiger denn je!

Sehr erfreulich, daß Herr Horeld einige zutreffende Sachverhalte anspricht wie etwa den Vergleich: "Der Islam gehört zu Deutschland, wie es ultrakonservative Katholiken und protestantische Freikirchler tun." Oder: "Es war ein langer Prozess, bis auch rot-grüne Politiker und Migrantenverbände die Tatsache anerkannt haben, dass es in Deutschland Integrationsprobleme gibt." Nur die Schlußfolgerung daraus, wir bräuchten deshalb keine Leitkultur-Debatte ist nicht konsequent noch nachvollziehbar!!!
1. ultrakonservative Katholiken und der Islam haben viel gemeinsam. Richtig! Aber genau dafür, daß ultrakonservative Katholiken in Deutschland heute keinen nennenswerten Einfluß mehr haben, haben wir in Deutschland und Europa jahrhundertlang gekämpft. Warum sollten wir also einen Islam willkommen heißen, der jedenfalls in seinen politisch aktivsten Teilen genauso rückwärtsgewandt ist wie diese Katholiken???
2. wie also ausgerechnet aus dem Islam ein Beitrag zur Leitkultur kommen soll, ist mir schleierhaft. Und dass diese äußerst nötig ist, kann nach den letzten Wochen voller Sarrazin-Debatte überhaupt keine Frage mehr sein: offensichtlich wühlt dieses Thema die Deutschen und das Land gewaltig auf, es geht um unsere Identität! Nichts anderes ist die "Leitkultur"!
3. Es ist offensichtlich, daß die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Meinungsfreiheit zentraler Bestandteil dieser Leitkultur sind. Und davon ist der bewußt gelebte Islam genauso weit entfernt wie diese Katholiken.



Quote* 07.10.2010 um 17:17 Uhr
    * happy loser

Leidige Leitkultur

Danke an den Verfasser des obigen Artikels.

Ich bin die ganze Leitkultur-Debatte herzlich leid!
Der Bundespräsident hat nur gesagt, dass die Muslime ein Teil Deutschlands sind, dass der Islam nach Deutschland gehört.

Nicht mehr und nicht weniger.
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, in einer Zeit, die geprägt von den Greueln des Naziregiems eine Demokratie wurde, sich nach außen öffnete, offen war für anderes Denken und andere Kulturen.

In diesem Geist bin ich, Jahrgang 1949, aufgewachsen.

Mich haben andere Länder, ihre Sitten, ihre Rituale, ihre Religionen immer sehr interessiert.

1985 bin ich zum Islam konvertiert und gehöre, wie einige hier im Forum aus meinen Kommentaren wissen, zu einem gemässigten, liberalen Islam.
Trotzdem ist er mir wichtig, ans Herz gewachsen, ein wichtiger Teil meiner Identität.

Die gegenwärtige Debatte, losgetreten von Sarrazin, aber bereits vorher in den Köpfen vieler Menschen, die Angst vor dem Fremden haben, auf einemal ihre christlichen Wurzeln wieder entdecken, vorhanden gewesen.

Heute, nach 40 Jahren in einem Sozialberuf, auch in der Integrationsarbeit tätig, bin ich einigermaßen verzweifelt.
Ich zweifle nicht an meinem Glauben, ich verzweifle an Deutschland!

Ich bin eine Fremde in meinem eigenen Land.

...


Quote* 07.10.2010 um 17:27 Uhr
    * Storch Heinar

Danke Herr Horeld,

für Ihren Kommentar. Dem bleibt nicht viel hinzuzufügen. Auch ich habe den Eindruck, dass Teile der Union und andere selbsternannte Retter des Abendlandes sich mal besser in unsere Gesellschaft integrieren sollten, anstatt so zu tun, als wären Aufklärung und Säkularisierung nie passiert, als seien irgendwelche schwammigen, verquasten christlich-jüdischen Traditionen die "Leitkultur" in diesem Lande und nicht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wenn man so will, gehört Religionsfreiheit zur deutschen Leitkultur und nicht das chauvinistische Gebahren wie es Teile der Union und Hardcore-Islamkritiker wie Wilders, Broder und Co. an den Tag legen.


Quote* 07.10.2010 um 18:00 Uhr
    * NDM

Der Knackpunkt

Das ist der Knackpunkt der Moslemfeindlichkeit. Sie versucht, einen Gegensatz zwischen "Deutsch" und "Moslem" zu konstruieren. Wer Deutscher ist, könne kein Moslem sein, und wer Moslem ist, könne kein Deutscher sein.

Der Widerspruch hierbei: "Deutschsein" ist weder eine Religion noch an eine bestimmte Religion geknüpft. Die Staatsangehörigkeit mit einer Religion (z.B. Islam oder Judentum) in Widerspruch zu setzen, ist demnach konstruiert.

Personen, die dies tun, meinen zwischen den Zeilen nicht den Islam als Religion, sondern Türken und Araber als Zuwanderer.



usw.


Aus: "Islam-Debatte: Integriert die Union!" Von Markus Horeld  (7.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/islam-integration-wulff-union

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Quote[...] Die Debatte über den Islam, von Thilo Sarrazin entfacht und den Fehlinterpreten der Rede von Christian Wulff befeuert, wird ahistorisch geführt, aufs Nationale verengt, und sie zeugt von Unverständnis fürs Religiöse an sich. Die drei zentralen Vorwürfe lauten, Muslime würden, erstens, das religiöse Recht, die Scharia, über das weltliche Recht stellen; zweitens sei der Islam mehr als eine Religion, er mache Politik und positioniere sich weltanschaulich; drittens sei er antiemanzipatorisch und homophob. Alle diese Vorwürfe haben einen richtigen Kern. Aber nichts an ihnen ist exklusiv islamisch. Zumindest die ersten beiden berühren das Wesen von Religion überhaupt.
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Auch der gläubige Christ stellt seinen Gott im Zweifelsfall über die weltlichen Gesetze. Seit es sie gibt, rebellierten Christen gegen die bestehende Ordnung. Wenn der Obrigkeit Gebot nicht ohne Sünde befolgt werden kann, heißt es etwa im "Augsburger Bekenntnis" von 1530, "soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen". Dieser Geist durchzieht ebenfalls die sechs Thesen der "Barmer Theologischen Erklärung" von 1934. Natürlich darf der Rechtsstaat keine Gesetzesverstöße dulden. Das Recht darf vor religiöser Andersartigkeit, die zum Verbrechen führt, nicht kapitulieren. Außerdem befindet sich der christliche Glaube derzeit zum Glück in Übereinstimmung mit der herrschenden Ordnung. Aber den Grundsatz der obersten Bindung an Gottes Wort und Gottes Gebote haben Christen und Muslime durchaus gemein.

Ist der Islam eine Weltanschauung, das Christentum nicht? Wer jemals die 2865 Abschnitte des Katechismus der Katholischen Kirche gelesen hat, weiß, dass er so ziemlich alle Bereiche des menschlichen Lebens umfasst. Wer an die Rolle von Papst Johannes Paul II. beim Sieg über den Kommunismus denkt oder an die lateinamerikanische Befreiungstheologie, sieht, wie politisch der Katholizismus schon immer war. Der Anspruch des Protestantismus ist kaum bescheidener. Ob Armutsbekämpfung, Globalisierung, Kernkraft, Klimawandel, Rüstung – jedes politische Großthema wird mit Denkschriften, Initiativen und Kirchentagen bedacht. Aus christlichem Selbstverständnis mischt man sich ein.

Bleibt die Stellung der Frau und die Ablehnung der Homosexualität. Doch auch die sind nicht exklusiv islamisch. Bis heute dürfen katholische Frauen nicht zu Priestern geweiht werden, bei den Amish-Gemeinden oder Mennoniten müssen sie Kopfbedeckung tragen und in traditionell vorgezeichnete Rollen schlüpfen. Und dort, wo das Christentum, global gesehen, am stärksten wächst – in Afrika und Asien –, wird es von Charismatikern und Evangelikalen geprägt, die in Emanzipationsfragen auch nicht gerade fortschrittlich sind.

Nein, so platt, wie es die Gegenüberstellung suggeriert, ist die Wirklichkeit nicht: hier ein privat praktiziertes Christentum, das sich dem Staat unterordnet und politisch neutral bleibt, dort ein allumfassender, kulturell konservativer Islam, der sich anmaßt, die Welt verändernd zu gestalten. Vielmehr drückt sich im Abwehrreflex gegen das I-Wort (Islam) auch eine allgemeine Religionsaversion aus. Manch einer erträgt es nicht, dass in einem demokratischen Rechtsstaat zwar die Gesetze befolgt werden müssen, die Gedanken aber frei und die Forderungen nach Wertbekenntnissen Gesinnungsschnüffelei sind.

Quote* 10.10.2010 um 9:25 Uhr
    * gerthans

Zähmung der Religion

Malte Lehming hat Recht mit seiner Feststellung, dass sowohl Christentum als auch Islam Herrschaft über Staat und Privatleben beanspruchen und die Frauen unterdrücken wollen.

Doch ist das Chistentum zumindest im Westen weit mehr als der Islam gezähmt und zivilisiert worden. Und diese wohltätige Zähmung und Zivilisierung verdanken wir Aufklärung, Humanismus, Renaissance und 68. Mitgewirkt an der Zähmung haben im Zuge von Humanismus und Renaissance christentumsphobe Blasphemien wie zum Beispiel Goethes Ballade "Die Braut von Korinth" oder Wilhelm Buschs antiklerikale Satire "Der heilige Antonius von Padua". Von den GRÜNEN als den Nachfolgern der Aufklärer und der 68er erwarte ich, dass sie diesen Traditionen die Treue halten!


Quote* 10.10.2010 um 9:29 Uhr
    * Aahz

Kriminalgeschichte des Christentums

Ein sehr Interessantes Buch ebenso Das Kreuz mit der Kirche.
Jede Religion im Extrem ist von Übel dann lieber einen gesunden Humanismus mit oder ohne religiöser Prägung


Quote* 10.10.2010 um 9:41 Uhr
    * Marco Antonio Bragadin

Eine Frage an den Autor

Haben Sie den Koran gelesen?
Kennen Sie den Schwertvers?

[...] Wo sind ähnliche Bewegungen im islamischen Raum zu finden?
Wo sind die Mozarts, Kants, Einsteins im islamischen Raum?

Ich wünsche allen Relativisten einen schönen Tag und verbleibe mit freundlichen Grüßen Marco Antonio Bragadin


Quote* 10.10.2010 um 10:29 Uhr
    * jumamo

@marco antonio bragadin

Verehrter Marco Antonio Bragadin,

Sie haben nur wenige Zeilen gebraucht, um deutlich zu machen,
wie wenig Ahnung Sie von den kulturellen Leistungen des Islam haben, von seinen philosophischen, naturwissenschaftlichen und künstlerischen Geistesgrössen und Leistungen ganz abgesehen.

Complimenti!


Quote* 10.10.2010 um 11:29 Uhr
    * libertin

Mozarts, Kants,Einsteins...

....die islamische Kultur hat u.A. große Erkenntnisse in Mathematik und Medizin hervorgebracht. Während Europa im Mittelalter durch den Einfluss der Kirchen jeglichen wissenschaftlichen Fortschritt verweiger hat gab es im Nahen Osten fortschrittliche Universitäten und Krankenhäuser, die ersten Chirurgen der Welt waren Moslems. Sogar die Dampfmaschine haben die Osmanen als erfunden - leider haben sie die Tragweite dieser Erfindung nicht erkannt.

Steigen wir von unseren hohen abendländischen Rössern. Es gibt Genies auch in anderen Kulturkreisen.



Quote* 10.10.2010 um 9:52 Uhr
    * lepkeb

Wenn man einen

solchen Artikel verfasst, sollte man zumindestens den Begriff monotheistische Religionen verwenden.
Dann noch die Menonites und Amish (da hat der Autor noch die Hutterer vergessen) als Beispiel anzuführen, und diese mit dem Islam zu vergleichen ist dann der intellektuelle Tiefpunkt des Artikels. Die Frauen tragen keine Kopftücher sondern Häubchen (Amish) und teilwiese Hütte (Menonites).
Wie sieht es mit der Gewalt bei den genannten Religionen (Stichwort Pazifismus), woraus sind sie entstanden (Stichwort Reformation), hat der Autor schon mal Menoniten besucht. Die Menonites fordern die Trennung von Kirche und Staat. Und lieber Autor man muss in diesen Religionsgemeinschaften nichts tun. Man kann sie verlassen und auch konvertieren ohne verfolgt zu werden. Auch werden bei den Menonites alle Entscheidung der Gemeinde demokratisch von der Gemeinde getroffen und man hat Entscheidungsfreiheit. Auch gibt es bei den Menonites Frauen als Pastorinnen(dei erste Anna Zernike - 1911) soviel zum Thema in Rollen gedrängt werden.
Vielleicht kann die ZEIT dem Autor mal eine Reise nach Manitoba oder Saskatchewan sponsorn oder die Niederlande wird nicht so teuer, so dass er sich Menonites vor Ort anschauen und sich mit ihnen unterhalten kann. Im Ersten Fall ist es dann auch nicht mehr so weit zu den Amish.
Gehöre übrigens keiner der genannten Religionen an.


Quote* 10.10.2010 um 10:27 Uhr
    * Laoyafo

Woher kommt das?

Seit über 40 Jahren leben die Migranten in "Feindesland", sprich, in einem Land, in dem ihnen mit offener oder versteckter Feindseligkeit begegnet wurde. Sie waren zwar willkommen, um Müll zu fahren und in Bergwerken zu rackern, aber wann hat je eine deutsche Familie eine türkische zu sich eingeladen? Das ist praktisch nicht passiert. Wenn man mal erlebt hat, wie Fremde in der Türkei in der Familie aufgenommen werden (meine Erfahrung), kann man sich das Befremden auf Seite der "Gäste" vorstellen. Man hat sie zwar Gastarbeiter genannt, aber als Fremdarbeiter behandelt. Ich glaube, manche müssen sich gefühlt haben wie Polen in Deutschland vor 1945. Fraternisieren verboten! Wir hatten die historische Chance, es dieses Mal anders, besser, zu machen, und wir haben es vergeigt. Die Feindseligkeiten, die uns in der 3. Generation entgegenschlagen, sind die Quittung.

Quote@ Laoyafo # 22   Hräswelger

Was zimmern Sie sich denn da zusammen?
Zudem, bleiben Sie doch beim Thema, da gibt es genug zu kommentieren, und sogar zu erfahren!

QuoteTrauerkloß

Günther Wallraff

Lesen sie doch einfach mal das Buch "Ganz Unten" von Günther Wallraff. Da muss man sich nichts zusammenzimmern. Ist alles gut Dokumentiert. Wie deutsche sind nicht die Gastfreundlichsten Menschen. Hat es etwas mit unserne christlichen Werten zu tun?




Quote* 10.10.2010 um 11:54 Uhr
    * rebarrov

Aufklärung

Es dauerte mehrere Jahrhunderte, um die Macht der katholischen Kirche auf das derzeitige Niveau zu senken. Dank Humanismus, Aufklärung – im Grunde dank des zunehmenden Widerstandes und Protests der EIGENEN Kirchenmitglieder, braucht sich heute vor dem Papst in Deutschland niemand mehr zu fürchten.

Stellen Sie sich vor, ein muslimischer Karikaturist zeichnete eine Jesus-Karikatur und der Papst oder ein Bischof riefe dazu auf, den muslimischen Karikaturisten zu ermorden.
Worüber wäre Ihre Empörung größer: über die Karikatur, oder über den Aufruf zum Mord? Ich denke, über Letzteres.

Es ist schockierend, wenn muslimische Mitbürger im tatsächlichen Karikaturenstreit Aufrufe zur Ermordung von Karikaturisten zwar verurteilen, im gleichen Atemzug aber auch die Karikaturisten selbst tadeln, da sie ihre religiösen Gefühle verletzt hätten, und somit diesen Karikaturisten quasi eine Mitschuld an der Sache geben. Ganz so, als ob der Aufruf zum Mord und das Zeichnen einer kritischen Karikatur dasselbe Maß an moralischer Entrüstung verdient hätten. Das ist schlicht und einfach schockierend.

Der Islam, bzw. islamische Gesellschaften, haben noch einen weiten Weg zu beschreiten. Ob sie diesen Weg der Aufklärung überhaupt gehen wollen oder nicht, müssen sie selbst entscheiden; der Antrieb dazu wird jedenfalls von innen her kommen müssen.



Quote* 10.10.2010 um 11:22 Uhr
    * Wahrsprecher

Obwohl der Artikel erfrischend

mit Wissen daher kommt, er sieht einen Punkt wohl falsch. Es geht bei dieser Debatte kaum auf eine Gegnerschaft von Christentum zu Islam. Zwar reden einige wenige durchaus davon, aber das sind eher die biederen Bürgerlichen, die kaum weiter als über ihren Gartenzaun blicken und die - gewohnte - Kirche immer noch als Teil ihrer Welt empfinden. Sie haben häufig genug ausschließlich Vorurteile statt Kenntnis, sowohl gegen den Islam als auch für das Christliche. Wortführender sind aber die Kräfte, die im Islam grundsätzlich das zu bekämpfende Fremde sehen und sehen wollen. Ihnen ist es ziemlich egal, ob der Islam dabei auch eine Religion ist; eher nutzen sie diese Zufälligkeit, wo es ihnen genehm ist. So kann man in Kommentaren immer wieder auch Vorurteile gegen Araber oder Türken lesen, gleichgesetzt mit Muslimen. Sie stehen einfach gegen das ihnen Angst machende Fremde und suchen nach dessen Anzeichen, ob es ein Minarett, ein Kopftuch, eine Hautfarbe oder eine Sure ist. Xenophobie nennt man dies und in genau diesem Krankheitsbild der Psyche finden sich auch die gewöhnlich beobachtbaren, paranoiden Emotionalitäten und hysterischen Anfälle. Diesen Menschen kann man nicht mit einer korrigierenden Belehrung kommen, da stellen sie sich taub. Manchen würde noch eine Therapie helfen. Der Rest ist wohl verloren für uns. Aber vielleicht hilft der Text noch jenen, die schwanken und offen sind.


Quote* 10.10.2010 um 12:26 Uhr
    * Araberphilosoph

... Glauben Sie mir, wir - als islam theologen - versuchen und versuchen und leiden viel mehr unter diesen "blöden" radikalen als Sie (uns kann das buchstäblich das Leben kosten, wenn sie uns als Verräter bezeihnen) Aber von uns können sie nicht erwarten, dass wir die Islamischen Theologie in Paar Jahren ändern können. In unseren Heimatländer sind die meisten "Aufklärer" hinter den Gittern. Hier in Deutschland kriegen wir schläge von allen seiten, von den muslimen selbst, von den rechtradikalen, von den "Halb kenner". Und am Ende wird uns gesagt, dass wir "genetisch" Dumm sind. Es ist nicht einfach.



Aus: "Islam und Christentum: Mit zweierlei Maß gemessen" Von Malte Lehming (10.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/2010-10/islam-christentum-sarrazin


Textaris(txt*bot)

#87
Quote[...] In der Integrationsdebatte  hat CSU-Chef Horst Seehofer eine Beschränkung der Zuwanderung aus "fremden Kulturkreisen" gefordert. "Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun", sagte der bayerische Ministerpräsident dem Magazin Focus mit Blick auf deren Integrationsfähigkeit. "Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen."


Seehofer sagte weiter: "Wir müssen uns mit den Menschen beschäftigen, die bereits hier leben. 80 bis 90 Prozent sind ja gut integriert. Die Integrationsverweigerer müssen wir aber härter anpacken." Neben dem Erlernen der deutschen Sprache und der Akzeptanz der Grundwerte der Bundesrepublik verlangte er, dass Zuwanderer ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssten.

...

Quote* 09.10.2010 um 13:14 Uhr
   * lapidar

Bitte aufwachen Herr Seehofer,

wo waren Sie denn 1960, als die CDU/CSU-Regierung auf Wunsch der deutschen Industrie mit der Anwerbung von Türken in Ostanatolien begann.

Die deutschen Ärzte, die die türkischen Bewerber begutachteten, hatten nicht die Aufgabe auf Bildung und Intelligenz zu achten, die waren Nebensache, sondern auf physische Kraft und Gesundheit. Man wollte schließlich Malocher und keine Intellektuellen.


Quote* 09.10.2010 um 13:17 Uhr
   * ChrisHamburg

Auswanderer

[...] Wenn eine deutsche Familie vor einer Generation nach Australien ausgewandert ist und die Kinder nun (auch) noch die deutsche Sprache beherrschen, deutsche Traditionen behalten und sich womöglich über den Sieg einer deutschen Mannschaft freuen, wird das von den hier lebenden Deutschen als normal angesehen. Wenn nach D eingewanderte Türken Vergleichbares machen, sind sie plötzlich die Nichtintegrierten.


Quote* 09.10.2010 um 13:18 Uhr
   * arvedson

Billige Polemik!

Also,ich weiß ebenso von Japanern,die sowas von "fast Null" deutsch können,japanische Privatschulen besuchen ect.pp.
Sushi essen,japanisches Fernsehen usw.
Nur sind diese Menschen einer anderen "Schicht","Klasse" oder wie auch immer zuzuordnen.
Ich frage mich allerdings,was mit den 100000en deutschen "No chance"-kids in Problembezirken zu tun ist,die genauso wenig in unsere Gesellschaft integriert sind wie der von Seehofer gedisste Personenkreis.


Quote* 9.10.2010 um 13:20 Uhr
   * Jürgen Hubert

Vielen Dank, Herr Seehofer!

Mit diesem Ausspruch begehen Sie Verrat am Wissenschaftsstandort Deutschland!

In welchem modernen Forschungsinstitut in Deutschland gibt es _keine_ Mitarbeiter aus anderen Kulturkreisen? Bitte verraten Sie uns, wer die alle ersetzen soll!


Quote* 09.10.2010 um 13:29 Uhr
   * Furchensumpf

[...] Meine Frau ist gebürtige Polin, mittlerweile besitzt sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie wird im Herzen aber immer eine Polin bleiben. Und das wird sich nie ändern. Und ganz ehrlich? Ich bin froh drumm. Denn die Polen sind mir als Völkchen wesentlich sympathischer als wir Deutschen.

[...] Fahren Sie mal nach Amerika und schauen mal wieviele Siedlungen oder Ortsteile es gibt, wo die Menschen sich auch nur auf Deutsch untehalten, in deutschen Läden kaufen und teilweise recht rassistisch sind. Unser Land agiert also genauso wie das was Sie anderen vorwerfen. Darf man überhaupt etwas fordern was man selber nicht bereit ist zu geben?


Quote* 09.10.2010 um 13:30 Uhr
   * Duckmichnichtweg

Sehr durchsichtig: Herr Seehofer (wie auch Frau Merkel) versuchen jetzt ihr konservatives Lager zu halten, sowie die Menschen anzusprechen, die diesem Unsinn von Sarrazin zugestimmt haben. Mehr ist es nicht.


Quote* 09.10.2010 um 13:49 Uhr
   * bookmark

Seehofer ist ein Opportunist

Er wäre nie von sich aus zu diesem Thema gekommen. Er hat in Ruhe abgewartet, bis Sarrazin und Co. verschlissen waren und schwingt sich nun auf die Welle der Volkesmeinung.

...



Aus: "Seehofer gegen Zuwanderung aus "fremden Kulturkreisen"" (9.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/seehofer-integration-zuwanderer


Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Europa etabliert sich eine Politik, die offenen Rassismus ablehnt, um eine ,,angemessene" Distanz zum Fremden zu praktizieren ...

... Heutzutage ist eine ganze Reihe von Produkten auf dem Markt, denen ihre schlechten Eigenschaften entzogen wurden: Kaffee ohne Koffein, Sahne ohne Fett, Bier ohne Alkohol. Und die Liste lässt sich fortführen: Wie wäre es mit virtuellem Sex als Sex ohne Geschlechtsverkehr? Oder mit Colin ­Powells Doktrin vom Krieg ohne Opfer (auf unserer Seite, natürlich) als Krieg ohne Krieg? Und was ist mit der aktuellen Neudefinition der Politik als Kunst der Expertengremien – eine Politik ohne Politik? Womit wir bei dem toleranten, liberalen Multikulturalismus von heute wären, der dem Anderen seine Andersartigkeit aberkennt – ihn zum entkoffeinierten Anderen macht.

Der Mechanismus hinter einer solchen Neutralisierung wurde bereits 1938 von dem französischen Faschisten Robert Brasillach am besten auf den Punkt gebracht, der sich selbst für einen ,,moderaten" Antisemiten hielt und die Formel vom angemessenen Antisemitismus erfand. ,,Wir erlauben uns, Charlie Chaplin als Halbjuden zu applaudieren; Proust, den Halbjuden, zu bewundern; Yehudi Menuhin, einem Halbjuden, Beifall zu spenden; ... Wir wollen niemanden umbringen, wir wollen keine Pogrome organisieren. Doch wir glauben auch, der beste Weg, um die stets unvorhersehbaren Handlungen eines instinktiven Antisemitismus zu verhindern, ist ein angemessener Antisemitismus."

Ist es nicht eben diese Haltung, die unsere Regierungen an den Tag legen, wenn es um die ,,Bedrohung durch Einwanderung" geht? Nachdem der unverblümt populistische Rassismus rechtschaffen als ,,unangemessen" und mit unseren demokratischen Standards nicht vereinbar abgelehnt wurde, befürworten sie ,,angemessene" rassistische Sicherheitsmaßnahmen ...


"Der entkoffeinierte Andere" Kultur | Bequemlichkeit | 08.10.2010 14:00 | Slavoj Žižek
=> http://www.freitag.de/kultur/1040-der-entkoffeinierte-andere


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es vergeht mittlerweile kaum eine Woche, in der nicht ein neuer Streit um die Muslime in Deutschland vom Zaun gebrochen wird. Eine der Fragen, die ich mir dabei stelle, lautet: Wie wirken sich diese hoch erregten Debatten eigentlich auf das Verhältnis der Muslime Deutschlands zur Mehrheitsgesellschaft aus? Von vielen muslimischen Bürgern - auch von jenen, die als integriert und säkular gelten - ist in solchen Zeiten zu hören, dass sie sich schon seit langem nicht mehr so türkisch, muslimisch oder einfach nur fremd in Deutschland gefühlt haben. Auch wenn dies emotional nachvollziehbar ist - ist das im Grunde nicht eine Fluchtreaktion? Eine Reaktion, die alles, wofür zahllose Deutsche wie Türken seit Jahrzehnten gemeinsam gearbeitet haben, auf einen Schlag für gescheitert erklärt?

Um dieser emotionalen Reaktion Alternativen entgegensetzen zu können, muss man wohl etwas weiter ausholen. An mir selbst erkenne ich z. B. Folgendes: Bis vor wenigen Jahren hatte ich mich im Kontext Islam fast ausschließlich mit eher theoretischen Themen befasst, sprich mit Fragen der Metaphysik, der Erkenntnistheorie und den Möglichkeiten einer Integration von Islam und Moderne. Die gesellschaftliche Realität da draußen samt ihren Problemen im Zusammenleben und der gegenseitigen Wahrnehmung ihrer Bürger kannte ich zwar gut - aber irgendwas hinderte mich lange daran dazu schriftlich Stellung zu beziehen. Da war offensichtlich eine internalisierte Zensur am Werk.

Im türkischen Umfeld - so ist zumindest mein Eindruck - wird die öffentliche ideelle Auseinandersetzung mit der deutsch-türkischen Lebenswirklichkeit in Deutschland oftmals gemieden. Dahinter steckt meist die Angst massiv angefeindet zu werden, oder zu viel von einer eventuell türkisch-zentrierten Weltanschauung aufgeben zu müssen. Aber dieses Konzept des Meidens und Ignorierens kann für die Zukunft der jungen Generation keine Option mehr sein.

Hat man sich die Unmöglichkeit einer als rein türkisch (oder deutsch) angesetzten Identität für türkischsstämmige Jugendliche in Deutschland einmal eingestanden, dann erkennt man viel leichter die Massen junger Leute, die ein eigenes Profil entwickelt haben - Profile, von dem weder die deutschen, noch die türkischen Gemeinplätze einen echten Begriff haben. Ich bezeichne dieses Profil als deutsch-türkisch-islamische Identität, wohl wissend, dass dies nur eine spezielle, aber doch relevante Gruppe umfasst. Wir müssen der Realität einen Namen geben - und wenn wir es nicht tun, dann tun es andere für uns, und das leider zu selten in unserem Interesse.

Unser Verhältnis zum Deutschen, zum Türkischen und zum Islamischen ist nichts Unabänderliches, sondern etwas Dynamisches, für das wir zunehmend selbst Verantwortung übernehmen müssen. Ja, es ist hier etwas völlig Neues entstanden, auch wenn es viele nicht so recht fassen wollen: Wir sind keine "Türken" im Sinne unserer Eltern mehr. Aber es ist viel Türkisches in uns, viel Gutes, aber eben auch Problematisches. Wenn nicht wir dies thematisieren, dann machen das andere, abermals nicht in unserem Interesse.

Unser Islamverständnis wiederum hat die Lehre der klassischen Islamgelehrten in vielen Punkten längst überholt. Es haben sich neue Formen islamischer Religiösität entwickelt, zwar aus den alten Formen heraus, aber anlässlich der neuen Lebenswirklichkeit - also jener Wirklichkeit, die nur wir kennen und mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Wieder müssen wir selbst bestimmen, wie wir uns zu den tradierten und den neuen Islamverständnissen positionieren, und ob der Islam überhaupt etwas für uns bedeutet, und wenn ja, was. Dies sind Fragen, die viel Wissen und Gewissen voraussetzen. Fragen, die uns im Moment hoffnungslos zu überfordern scheinen.

Wenn wir sie jedoch nicht beantworten, oder zumindest daran arbeiten, dann werden es unsere Kinder eines Tages machen müssen. Womöglich wird es dann jedoch viel schwieriger werden als heute, wo man sich noch blind darauf verlassen kann, dass die chronische Verstimmung einer anonymen Öffentlichkeit nicht unmittelbar in unser Leben eingreift. Es ist höchste Zeit zu realisieren, dass wir, oder zumindest die Minderheiten, denen wir auch angehören, zu einem der brisantesten Streitthemen in Europa geworden sind. Aber dass unsere Stimmen immer noch nahezu unhörbar sind. Ich finde das manchmal unheimlich. Aber ohne jetzt pathetisch klingen zu wollen: Ist das nicht auch die einmalige Gelegenheit selbst den Verlauf der europäischen und islamischen Geschichte mitbestimmen zu können?

Es ist die selten bewusst aufgearbeitete deutsche Stimme in uns, die die türkischen und islamischen Elemente in uns selektiert, formt, kürzt, erweitert und in eine andere Prioritätenabfolge bringt - es ist nichts von außen Herangetragenes, nein, es ist ein Teil von uns. Und man sollte den Mut haben dies klar und deutlich auszusprechen, ohne die Absicht zu hegen die einen zu vergraulen oder sich bei den anderen anbiedern zu wollen: Wir sind - nicht nur, aber auch - ein deutscher Teil der deutschen Gesellschaft, mit vielen unserer Freuden, Werte und Sorgen. Wir sind oft so unvorstellbar inländisch in unserem Denken, Genießen und  Verhalten, aber dennoch oft versucht uns als "echte" Türken zu fühlen. Und die Gesellschaft bestätigt uns dann unser Türke-Sein auch noch regelmäßig. Einen schlimmeren Gefallen könnte sie uns wohl nicht tun. Und was passiert, wenn wir uns mal in der Türkei aufhalten? Wenn man uns an jeder Bewegung, an jedem verschüchterten Zögern, und an jedem deplazierten Vorspringen anmerkt, dass wir Almancıs (zu deutsch: Deutschländer) sind?

[...] Wir müssen jedoch akzeptieren, dass unsere in Entwicklung befindlichen Lebenskonzepte nicht erst von allen Seiten applaudiert und beglaubigt werden müssen, damit sie gut und legitim sind. Selbstbewusstsein definiert sich zu großen Teilen aus dem Vermögen sich selbst die Bestätigung dafür zu geben, dass das, was man nach reiflicher Abwägung tut, in Ordnung ist. Dass man als Mensch vor Gott und seinem Gewissen gerechtfertigt ist. Und dass man nicht als verunreinigter Schuldiger auf die Absolution durch das Tribunal von deutschen oder türkischen Kultur-, und Identitätswächtern warten muss.

Wir allein sind das Tribunal! Jeder über sich selbst!

Und erst, wenn man keinen Groll mehr gegen die Hetzer und Unverständigen verspürt, und wenn der Eifer allen etwas beweisen zu wollen einer toleranten Gelassenheit gewichen ist, kann man sagen, dass das unbefriedbare Tribunal da draußen überwunden wurde. Es hat dann seinen Schrecken verloren und ist zu einem Stück Normalität, zu einem Umstand unter vielen zusammengeschrumpft. Es steht auf Augenhöhe mit mir - nicht darunter, nicht darüber, sondern auf Augenhöhe...

In diesem Sinne...


Aus: "Vor dem Tribunal der Kulturwächter" Von Hakan Turan
andalusian.de - Deutsches, Türkisches und Islamisches | http://andalusian.de/
Sonntag, 10 Oktober 2010. Gepostet in Islam, Integration, Identität, Islamkritik
Quelle: http://andalusian.de/index.php?option=com_zoo&task=item&item_id=54&Itemid=62


Textaris(txt*bot)

#90
Quote[...] Während zu Antisemitismus und Homophobie belastbares Zahlenmaterial vorliegt, ist das beim Reizthema Deutschenfeindlichkeit nicht der Fall. Ein vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erstellter Bericht will Hinweise auf deutschenfeindliche Haltungen jugendlicher Migranten mit islamischen Inhalt erkannt haben. Eine im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellte Studie konnte dafür allerdings keine Hinweise finden.

Die aktuelle Debatte wird auch nicht von Empirie sondern von einer Stimmungspolitik geleitet, wie sie die FAZ auch dem bayerischen Ministerpräsident Seehofer bei seinen Einlassungen zur Einwanderungspolitik attestiert hat. Nur werden diese Stimmungen heute längst nicht nur von Konservativen bedient. Spätestens seit der Sarrazin-Debatte will sich niemand nachsagen lassen, linken Träumereien nachzuhängen, ein Gutmensch zu sein oder gar Tabus zu haben.

...


Aus: "Die Deutschen als Opfer" Peter Nowak (12.10.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33478/1.html

-.-

Quote[...] Es liegt ein Hauch von Panik in der Luft, als die Lehrerin endlich zu sprechen beginnt. Sie schluckt. Sie sagt: »Ich bekomme immer mehr Ehrfurcht und Respekt vor diesem Thema.« Dieses Thema, das ist die »sogenannte Deutschenfeindlichkeit« ihrer türkisch- und arabischstämmigen Schüler.

Kein Wunder, dass die Lehrerin so beklommen ist. Nur zwei Straßen entfernt vom Tagungsort hetzt der Rechtspopulist Geert Wilders gegen Muslime, die angeblich Deutschland durch Masseneinwanderung unterwerfen wollen. Die Lehrerin, die ihr halbes Leben an einer Schule in Neukölln verbracht hat, will mit der politisierenden Islamophobie nichts zu tun haben. Dies hier ist eine Veranstaltung des multikulturellen Ausschusses der linken Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Furcht, eine ohnehin schon hysterische Debatte noch weiter anzuheizen, füllt den Raum.

Zwei Mitglieder des GEW-Ausschusses für multikulturelle Angelegenheiten, Andrea Posor und Christian Meyer, hatten in einem Artikel für die Berliner Lehrerzeitung Alarm geschlagen, in den zunehmend segregierten Schulen verstärke sich das Mobbing gegen deutsche Schüler. Dieser bereits vor einem Jahr erschienene Hilferuf löste so heftige Diskussionen unter den Lehrern aus, dass man sich, wenn auch unter großen ideologischen Bauchschmerzen, entschloss, eine Tagung zum Thema einzuberufen. Alles selbstverständlich hochseriös, abgesichert mit Rassismusexperten, Migrantenvertretern, Bildungsforschern. Zu groß ist die Angst, selbst unter Rassismusverdacht zu geraten.

Aber am Ende schaut dann eben alles auf diese Frau, die von der Pöbelei berichtet, der deutsche Schüler – und Lehrer – ausgesetzt sind. Sie lehrt seit mehr als zwanzig Jahren an der Otto-Hahn-Gesamtschule im Stadtteil Neukölln und heißt Mechthild Unverzagt.

»Ist ja irre, dass die auch noch diesen Nachnamen hat«, flachst ein Lehrerkollege in der hintersten Reihe vor lauter Anspannung. Dann redet Frau Unverzagt, und sofort wird es leise im vollen Tagungsraum des Berliner GEW-Hauses.

Sie spricht von »Ghettoisierungstendenzen« in Neukölln, einem sogenannten »A-Bezirk« (»A« für Alte, Arbeitslose, Ausländer, Alleinerziehende). An ihrer Schule seien über 80 Prozent der Kinder »nichtdeutscher Herkunftssprache«, die große Mehrheit davon türkisch- oder arabischstämmig. Fast alle Familien seien arm, viele zerrüttet. Die türkischen und arabischen Schüler seien tonangebend in ihrer Respektlosigkeit gegenüber Lehrern. Sie bekämen dafür Anerkennung unter ihresgleichen und stärkten so ihr Selbstwertgefühl: »Wenn es bei uns mal sogenannten Unterricht gibt, erleben sie Misserfolge. Also tun sie alles, um ihn zu sabotieren.« Die deutschen Kinder hätten als kleine Minderheit »alle Qualitäten, die ein Opfer haben muss«. Sie müssten lernen, »sich unsichtbar zu machen«. Sie wollten während der Pausen nicht mehr auf den Schulhof, weil draußen nur ein Spießrutenlauf mit Beschimpfungen und Drohungen auf sie warte. Nicht nur deutsche, auch leistungsbereite türkische und arabische Schüler würden von den Wortführern niedergemacht. Ein türkischer Junge, der zu den guten Schülern zähle, werde als »schwul« beschimpft: »Jeder, der irgendwas erreichen will in der Schule, ist der Gegner. Es wird alles gemobbt, was anders ist.« Auch sie selber ist in demütigender und sexistischer Weise angemacht worden.

Es dauert eine Weile, bis die Teilnehmer sich nach Unverzagts Schilderungen fangen. An diesem Samstagmorgen kann man erleben, wie schwer es manchen Linken immer noch fällt, offen von den Konflikten des Einwanderungslandes zu reden. Eine Professorin für Rassismusforschung versucht nachzuweisen, dass die »strukturell benachteiligten Schüler« türkischer oder arabischer Herkunft per definitionem nicht zum Rassismus fähig seien, weil sie ja eine machtlose Minderheit darstellten. Nach dem Bericht von Mechthild Unverzagt wirkt das einigermaßen bizarr. »Diese Kinder waren noch nie in einer Minderheitensituation«, erwidert die Lehrerin.

Vielleicht liegt ja darin das Problem. Christian Meyer, selber Lehrer an der Hector-Peterson-Gesamtschule in Kreuzberg und einer der beiden Autoren des Artikels, der die Debatte ins Rollen brachte, spricht von der »doppelten Segregationsfalle«: Nicht nur die Deutschen ziehen aus den »A-Bezirken« weg, sondern auch die bildungsbewussten Migranten. Die verbliebenen Schüler »kompensieren Frustrationen und Perspektivlosigkeit durch Macho-Gehabe«. Sie definierten sich stolz als Nichtdeutsche und blickten verachtend auf Deutsche als Ungläubige, »Schweinefleischfresser« und – wenn es sich um Mädchen handelt – »Schlampen«. Die trotzige Selbstausgrenzung von Losern, die sich an noch Schwächeren abarbeiten, ist für sich nichts Neues – nur dass die Schwächeren jetzt in manchen Berliner Kiezen Deutsche sind. Jagen nicht anderswo deutsche Rechtsradikale Juden, Linke und alles irgendwie Fremde?

Mancher bei der Tagung neigt dazu, die Sache allzu schnell wegzuerklären. Bei dem Verhalten der Jugendlichen müsse es sich wohl um die »Rückgabe erlebter eigener Diskriminierung« handeln, sagt ein Teilnehmer. Sofort sind Beispiele zur Hand, bei denen Mädchen mit Kopftüchern diskriminiert und arabische Jungs nicht in die Disco gelassen werden. Ein Teilnehmer fordert daraufhin mehr »Lehrer mit Migrationshintergrund«, andere verlangen eine Nachschulung der Pädagogen in »interkultureller Kompetenz«, ergänzt um die Möglichkeit für »ausgebrannte Kollegen, sich früh pensionieren zu lassen«. Und auf einmal wendet sich der Verdacht gegen die Lehrer, die von ihrer Ohnmacht erzählt hatten: Sind sie einfach zu wenig »kultursensibel«?

Christian Meyer lässt das nicht auf sich sitzen. Seit über 30 Jahren ist er an der Schule in Kreuzberg, und er hat einen »interkulturellen Kalender« produziert, der die Feste aller Religionen verzeichnet: »Wir haben Türkischunterricht, wir machen Fahrten in die Türkei, Lehrer haben Türkisch gelernt. Gegen die Segregation kommen wir aber mit mehr Interkulturalität alleine nicht an.«

Meyer macht sich Sorgen, dass neuerdings die religiöse Differenz zunehmend zur Selbststigmatisierung benutzt wird. Und er möchte, dass gerade diejenigen verstehen, wie alarmierend das ist, die sich für die Integration des Islams einsetzen. Wenn die Religion zum Mittel der Abgrenzung wird, spielt das am Ende gerade denjenigen in die Hände, die sich darin einig sind, dass der Islam mit westlichen Werten unvereinbar sei: Hasspredigern und Islamophoben.

Das Unbehagen, Deutsche als Opfer von Diskriminierung zu thematisieren, bleibt bei der Tagung bis zum Ende. Mechthild Unverzagt sagt schließlich fast reumütig, sie wolle den politisierten Begriff der Deutschenfeindlichkeit »nicht mehr hören«. Sie will sich nicht vor den Karren der Demagogen spannen lassen, die auch ohne Kenntnis der Verhältnisse per Ferndiagnose schon »den Islam« als Ursache ausgemacht haben. Aber sie möchte doch, dass man zur Kenntnis nimmt, dass ausgerechnet sie, die engagierte Lehrerin, den Hass der Verlierer abbekommt, der dieser Gesellschaft im Ganzen gilt.

Was tun? Gewerkschafter sind nie lange verlegen, Rezepte gegen Benachteiligung zu formulieren. Eine bessere Schule, ganztags und mit mehr Ausstattung, wurde dann auch gefordert, neue Unterrichtsformen, interreligiös ausgebildete Lehrer, eine größere soziale Mischung. Also genau das, was an der einst als hoffnungslos geltenden Rütli-Schule die Wende gebracht hat. »Es ist ein Verbrechen, wie das Potenzial dieser Kinder verschwendet wird«, sagte Mechthild Unverzagt, so als müsse sie noch einmal klarstellen, dass die Schüler nicht ihre Gegner sind. »Wir brauchen eine Lobby«, sagt sie fast flehend.

Für Lehrer wie Mechthild Unverzagt und Christian Meyer ist es wichtig, in der Öffentlichkeit Gehör zu finden. Sie fühlen sich alleingelassen. Sie brauchen keine Belehrung über die sozialen Ursachen des Mobbings, dem sie und andere ausgesetzt sind. Sie brauchen die Anerkennung, dass bestimmte Verhaltensweisen inakzeptabel sind, auch unter schlimmsten Bedingungen. Und so sind sie am Ende erleichtert, dass die Gewerkschaft die Angst vor der eigenen Courage überwunden hat.

Den Kampf mit der neu erstarkenden Rechten in Deutschland und Europa kann man auch so sehen: Wenn dieses Land eine Linke hat, die den öffentlichen Raum gegen jeden Rassismus verteidigt – auch den von Nichtdeutschen –, haben Rechtspopulisten ein Thema weniger.

Quote* 12.10.2010 um 7:20 Uhr
   * claviger

Politische Prinzipien

Ich teile die Einschätzung von Frau Unverzagt. Und ich hoffe, dass Sie entweder den Beruf oder den Ort wechselt. Einwanderung bedeutet, dass sich Stadtteile ändern - und dass man nicht mehr mit der gleichen Rhetorik fortfahren kann. Ein Blick nach USA reicht. Ich wünsche wir von Herzen Mut und - ganz offen - Bedacht, Umsicht, auch um ihr eigenes Lebensglück.

Ich teile aber nicht Laus Einschätzung, man könne diese Debatte zu Ungunsten der Linken führen: "Wenn dieses Land eine Linke hat, die den öffentlichen Raum gegen jeden Rassismus verteidigt – auch den von Nichtdeutschen –, haben Rechtspopulisten ein Thema weniger."

Was möchte er mir damit sagen? Etwa, dass jetzt die Nicht-Linken kommen, um aufzuräumen? Mit Verlaub: Noch waren die CDU und FDP die am längsten regierenden Parteien seit Kohl. Sie haben größtenteils versagt, will ich meinen. Diese öffentliche Verdrehung der politischen Tatsachen und Hetze gegen ein politisches Lager (das ich nicht unterstütze: es geht um politische Prinzipien), finde ich bedenklich, weil die größten liberalen Zeitungen (Die Zeit, FAZ) auf eine beängstigende Weise gleichgeschaltet argumentieren.

Meines Erachtens sollte man die Integrations- und Einwanderungsdebatte ohne die Christ-Demokraten führen. Die ganze Debatte ist hochreligiös geworden. Das führt zu nichts als Hass und Ausgrenzung.


Quote* 12.10.2010 um 7:30 Uhr
   * claviger

Wir haben kein Verfahren für die Armen

Die Liberalen wollen nicht anerkennen, dass wir ein Armen- und Unterschichtenproblem in den betroffenen Gegenden haben. Sie sehen: Einwanderung führt zu Zunahme der Armenschicht. Sie argumentieren: Es gibt kein Armenschichtproblem in unserer Gesellschaft. Wir haben ein Problem mit bestimmten Einwanderungskulturen.

Anstatt ökonomische Antworten zu liefern, verständigt man sich darauf Christentum und Deutschtum zu predigen.

Als leitender Teil des politischen Betriebes - kann ich bloß sagen, dass die Verwaltungen - von den Politikern ganz zu schweigen -, kein Konzept für den Umgang mit den Armen- und Unterschichtsvierteln haben. In Berlin gut zu erkennen. Dort werden allenfalls Wohnungen künstlich aufgewertet, um die Armen in noch ärmere Gegenden ziehen zu lassen.

Eine Frau Unverzagts Klagen bleiben für gewöhnlich ungehört. Ich selbst musste, aus formalen Gründen, ähnliche Klagen bereits zurückweisen. Wir, in der Verwaltung, hatten einfach kein Verfahren für Probleme wie diese.


Quote* 12.10.2010 um 7:35 Uhr
   * Infamia

Noch so ein Käsethema

Wie wäre es, wenn wir uns einfach darauf einigen können, das Mobbing ein generelles Problem in Schulen (und auch am Arbeitsplatz) ist? Der Verweis, wer hier wen mobbt ist mir relativ schnuppe und ich ahne schon, dass dieses spezielle Mobbingthema schon sehr schnell wieder die auf den Plan ruft, die sagen, sie hätten ja schon immer gewusst, das Migranten das Problem sind.


Quote* 12.10.2010 um 7:48 Uhr
   * Peter Weins

Hört auf engagierte Lehrer vor Ort!

Meiner Meinung nach sind die Ursachen für das inakzeptable Mobbingverhalten von Frau Unverzagt sehr gut beschrieben. Hier suchen Kinder und Jugendliche nach Anerkennung und mehr Selbstwert innerhalb einer Gruppe von Menschen, mit denen sie sich identifizieren können. Das Mobbingverhalten hier ist eine der Antworten, die Kinder und Jugendliche auf ihre Lebensverhältnisse geben. Die Nationalität oder Religion spielt dabei unter den beschriebenen Bedingungen keine wesentliche Rolle.

Änderungen können auf mindestens 2 Arten gelingen: Entweder verändert man die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen oder man versucht das Spektrum ihrer Antwortmöglichkeiten zu verändern bzw. zu erweitern. Beides ist mit einem großen Aufwand verbunden, der sich aber als Investition in unsere Zukunft immer lohnt!

Ich habe den allergrößten Respekt vor KollegInnen wie Frau Unverzagt!!! Letztendlich muss sie täglich das Kunststück fertig bringen, mit den Konsequenzen dessen umzugehen, was an anderer Stelle falsch läuft. Dabei nicht zu verzweifeln und nicht eilig auf den Zug der Demagogen, wie Wilders und CO., aufzuspringen, ist eine sehr große Leistung.


Quote* 12.10.2010 um 8:01 Uhr
   * maddus

"Deutschenfeindlichkeit"

Diese Dachzeile verwirrt mich etwas. Sind nicht die allermeisten Mobber selbst Deutsche? Macht "Deutschenfeindlichkeit" dann überhaupt Sinn? Oder warum werden Deutsche(!) mit Migrationshintergrund nicht als Deutsche wahrgenommen? Vor allem gibt es aber an jeder Schule Mobbing. Wieso wird jetzt aus jedem Problem ein Einwanderungsproblem gemacht?


Quote* 12.10.2010 um 8:32 Uhr
   * Tieftraurig

Rassismus an sich

Zu der Darstellung der hier genannten Migranten möchte ich nur folgendes loswerden:

Alle Rassisten sind Arschlöcher. Überall.

Ihr Verhalten macht sie genau so verabscheuungswürdig wie das deutsche Pendant mit dem Aussehen (und IQ) einer Billardkugel vom rechten Rand. Es macht keinen Unterschied, wer wen unterdrückt, mobbt oder sonst etwas. Es ist alles der gleiche Schlag Mensch, der sich für etwas besseres hält und andere deshalb unterdrückt, weil er/sie nicht so ist wie er selbst.


Quote* 12.10.2010 um 8:48 Uhr
   * wulewuu

Mobbing

Ganz genau dasselbe Mobbing habe ich schon vor vielen Jahren gegenüber türkischen Kindern und Jugendlichen von Seiten deutschstämmiger Kinder und Jugendlicher erlebt. Grundsätzlich wurde jeder Türke als "du scheiß Kümmeltürke" bezeichnet.

Grundsätzlich hat das Lehrerkollegium einer Schule, in der gemobbte Kinder leiden, sofort und mit allen Mitteln einzugreifen. Das beginnt mit einer gut organisierten, straffen Aufsicht auf dem Schulhof, mit dem Herausholen der Mobber aus ihrer Gruppe, mit unangenehmen Gesprächen etc. etc. für die in der Regel wenigen Anführer.

Mein jüngster Sohn, ein Mischling, wurde in zwei öffentlichen Schulen im Elsaß derart gemobbt, wobei das Lehrerkollegium nichts gegen die Mobber unternahm, dass er sich weigerte, in die Schule zu gehen. Er hat daraufhin das Schuljahr nachholen müssen. Wir haben ihn auf eine katholische Privatschule geschickt, wo von der Rektorin und dem Lehrerkollegium jegliches Mobben sofort geahndet wird. Hier fühlt er sich gut aufgehoben, entwickelt sich glücklich, hat sehr gute Noten.

Ich hoffe, dass die jetzt so entsetzten Berliner Lehrer lernen, jegliches Mobbing, von gleich welcher Seite, zu unterbinden. Dies kann man, wenn man will!

Traurig, dass das Thema Mobbing erst dann in die Schlagzeilen gerät, wenn es um die eigenen Kinder und nicht um die Kinder der anderen geht.


Quote* 12.10.2010 um 8:58 Uhr
   * lonetal

Ghettoisierung

/Zitat
Sie spricht von »Ghettoisierungstendenzen« in Neukölln, einem sogenannten »A-Bezirk« (»A« für Alte, Arbeitslose, Ausländer, Alleinerziehende). An ihrer Schule seien über 80 Prozent der Kinder »nichtdeutscher Herkunftssprache«, die große Mehrheit davon türkisch- oder arabischstämmig.
Zitat/

Die Frage lautet nicht, was tun wir gegen den Islam, wie verhindern wir Rassismus und/oder Deutschenfeindlichlichkeit. Die Frag lautet, wie verhindern wir Ghettoisierung.

Und davor stehen wir alle ratlos in der Gegend. Wir haben noch nicht einmal das Problem erkannt.


Quote* 12.10.2010 um 9:34 Uhr
   * gerthans

Liegt es nur an zu wenig Disziplin und Respekt?

vascorossi schreibt:

"Man kann das Problem unter dem Aspekt Einwanderung oder Islam behandeln. Doch zielführend ist das nicht. Diese Missstände sind das Resultat einer Erziehung, die auf Tugenden wie Respekt und Disziplin keinen Wert mehr legt."

Sie machen für die im obigen Artikel beschriebenen Missstände einen Mangel an Respekt und Disziplin in der Erziehung verantwortlich. Wahrscheinlich stammen aber die muslimischen Jugendlichen, die mobben, aus autoritären patriarchalischen Elternhäusern, in denen "Disziplin" und "Respekt" durchaus eine starke Rolle spielen. Und ein Blick auf den Islam scheint mir durchaus zielführend zu sein: Jörg Laus Artikel trägt die Dachzeile "Schweinefesser" und liefert damit ein wichtiges Stichwort: das Mobben fließt aus religiösem Überlegenheitsgefühl, denn die Opfer werden so beschimpft, weil sie eines der Tabus des Islam, den Verzehr von Schweinefleisch, missachten.


Quote* 12.10.2010 um 10:23 Uhr
   * MAYY

hmmmmm...aber...

was ist mit denen die Ausländer wahllos verprügeln, verbrennen und beschimpfen????


Quote* 12.10.2010 um 10:25 Uhr
   * Chaotica

Es geht nicht um...

Deutsche, Türken oder sonstwen.

Kinder und Jugendliche haben sich schon immer abgegrenzt und werden das auch immer tun. Wenn's nicht "die Koreaner" sind, dann eben "die Kurzbeinigen", "die Langhaarigen", "die Linkshänder" oder welches Kriterium auch immer gerade greifbar ist.
Wichtiger wäre also eine Umgebung zu schaffen in der Kinder und Jugendliche ihre eigene Identität entwickeln dürfen ohne auf Mobbing welcher Art auch immer zurückgreifen zu müssen.
Ich behaupte, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anpassungsdruck im Schulsystem und der Zahl der Mobbingvorfälle gibt.

Uns sollte vor allem dieser Satz in dem Artikel sehr nachdenklich machen: "Jeder, der irgendwas erreichen will in der Schule, ist der Gegner."


Quote* 12.10.2010 um 10:33 Uhr
   * th

39. Ja dann tut doch was!

Anstatt Leute moralisierend niederzumachen, welche die Probleme, wenn auch in etwas hysterischem oder demagogischem Tonfall, ansprechen.

Der "politische Betrieb" ist doch kein Selbstzweck!

Mir scheint, ein großes Problem der sog. "Linken" ist, dass zuviel darüber nachgedacht wird, wie die Welt einzurichten bzw. zu verbessern sei, und zuwenig darüber, wer die Bude aufräumt, den Abwasch macht und den Müll runterträgt.

Im Zweifelsfall beschließt man "symbolische" Gesetze, die man gar nicht durchsetzen kan oder will, um "Zeichen zu setzen", u.ä., stellt Blumenkästen "für die Bevölkerung" im Bundestag auf, um die Konservativen zu ärgern, versagt aber bei der einfachen Aufgabe, Flüchtlingen aus Iran oder Bangladesh mit Ingenieursdiplom eine deutsche Äquivalenz oder falls nötig eine Zusatzausbildung zu verschaffen, um sie hier einzugliedern. Und gegen die Klimaprobleme verbietet man Glühbirnen.

Man demonstriert großartig "gegen rechts" - aber wo ist der Untersuchungsausschuss, der den Fall Oury Djallo untersucht - was dort tatsächlich schiefgelaufen ist, und wie man dafür sorgen kann, dass so etwas nie wieder vorkommt? Die Justiz hat es ja bekanntlich nicht geschafft, den Fall aufzuklären.

Dieses theatralische Getue macht sich irgendwann selbst lächerlich.

"Eine Frau Unverzagts Klagen bleiben für gewöhnlich ungehört. Ich selbst musste, aus formalen Gründen, ähnliche Klagen bereits zurückweisen. Wir, in der Verwaltung, hatten einfach kein Verfahren für Probleme wie diese."


   * 12.10.2010 um 12:16 Uhr
   * politikverdrossen

Fehlverhalten nicht nur an Schulen

Das gibt es auch im Berufsleben in schlecht geführten Betrieben. Leider! Deutsche gegen Deutsche, Türken gegen Deutsche, Deutsche gegen Türken, Türken gegen Türken, etc.!


Quote* 12.10.2010 um 11:18 Uhr
   * Chaotica

Kulturell bedingtes Mobbing?

... So zu tun, als wären einige Kulturen über dieses Phänomen erhaben oder andere anfälliger dafür, ist nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern trägt seinerseits dazu bei Öl ins Feuer zu gießen.





Aus: "Deutschenfeindlichkeit: "Schweinefresser"" Von Jörg Lau  (8.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/2010/41/Schule-Mobbing-Gewalt

-.-

Quote

...

Quote12. Oktober 2010 21:34
Feindseligkeit oder -bild? Schönreden einer falschen Verallgemeinerung
Alex Kloss, Alex Kloss (mehr als 1000 Beiträge seit 22.07.04)

Geht es hier wirklich um Feindseligkeit, oder darum die falsche
Verallgemeinerung, die sich aus dem Feindbild "Türken" ergibt, schön
zu reden?

Ich kenne sowohl nette und unfreundliche Leute aus ganz verschiedenen
Nationen. Integration ist für manche Deutsche ein größeres Problem
als für angepaßte Immigranten.

Wenn man Menschen in einen Topf wirft, macht man immer einen Fehler,
unabhängig davon, ob das Etikett jetzt biologisch, ethisch oder
sozia
l begründet erscheint. Wer den Leuten freundlich und offen
gegenübertritt, kann wenigstens sicher sein, dass es nicht an ihm
liegt, wenn er angefeindet wird.

Wer das nicht glaubt, soll in den nächsten Dönerladen gehen, wenn
wenig los ist und die Bedienung bitten, zusammen mit ihm einen Tee zu
trinken. Beim unweigerlich folgenden Gespräch wird sich
herausstellen, dass diese Leute eigentlich auch nur einigermaßen über
die Runden kommen wollen und ziemlich ähnliche Probleme hat wie wir
auch.

Gruß, Alex



"Die kalte Schulter der Deutschen" Thomas Pany (12.10.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/148551

-.-

Quote[...] Mehr als ein Drittel der Deutschen meint, ein Deutschland ohne Islam wäre besser. Kein Wunder nach all der emotionalen Aufstachelung und Wiederholungen von Stereotypen, die nur einen kleineren Teil der Muslime charakterisieren, ist es, dass die Islamfeindlichkeit in Deutschland zunimmt. Man kann derzeit bei der Entstehung einer von Brandstiftern geschürten Meinung zusehen, die sich wie beim Faschismus ihre Sündenböcke in einer Zeit aussucht, die nach ganz anderen Problemlösungen verlangt als der Bildung einer homogenen Gesellschaft durch Fremdenfeindlichkeit oder der Ablehnung einer Minderheit. Die Erregungspolitik verweigert sich konkreten Verbesserungen und Veränderungen, sie denkt im Prinzip, dass das vermeintliche Problem, der beschworene Untergang des Abendlandes oder Deutschlands, durch Elimination der "Schädlinge" gelöst werden muss.

Besonders seitdem die Rechten in Deutschland vom Antisemitismus und einer allgemeinen Ausländerfeindlichkeit auf pauschalen Antiislamismus umgeschaltet haben, scheinen sich die Reihen zu schließen, auf denen dann Menschen wie Sarrazin schwimmen, die sich offenbar keinerlei Gedanken machen, was sie bewirken, wenn sie durch das Spielen mit der Angst und primitiven Pauschalisierungen die Mehrheit gegen Minderheiten scharf machen.

Nach einer von Report Mainz in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage von Infratest dimap, haben 37 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt: "Ein Deutschland ohne Islam wäre besser." 44 Prozent sind der Ansicht, dass man sich seit Sarrazins Buch eher trauen kann, "den Islam offener zu kritisieren". Und mehr als ein Drittel macht sich "große Sorgen, dass sich der Islam in unserer Gesellschaft zu stark ausbreitet". Ausgerechnet in einer Zeit, in der mehr Muslime auswandern als einwandern, und in der vor allem die besser gebildeten auswandern, während der Fachkräftemangel zunimmt, Deutschland also um Einwanderer werben müsste, um seinen Lebensstandard zu halten.

Was sich überall in Foren - auch bei Telepolis - beobachten lässt, sind die Muslimphobiker höchst hysterisch und von Hass erfüllt, der sich offenbar jenseits aller Gepflogenheiten entladen muss, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendig wären, um diskursiv, argumentativ und ohne Gewalt, also vernünftig, zu mehrheitsfähigen Entscheidungen kommen zu können. Auch Report Mainz berichtet, der Redaktion lägen zahlreiche Hass- und Drohmails an Wissenschaftler vor. Die angeblichen Schützer der demokratischen Gesellschaft der westlichen Kultur erweisen sich praktisch als die Verächter der Toleranz, der Menschenrechte und des argumentativen Diskurses und gleichen darin den fundamentalistischen Muslimen, die auch nur unter sich bleiben wollen und nicht die Vernunft, sondern nur überkommenen Traditionen und reaktionären Geistlichen vertrauen.

Report Mainz verweist auch auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Mittwoch veröffentlicht wird. Aus dieser gehe hervor, dass die Islamfeindlichkeit in Deutschland erheblich zugenommen habe. Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Dr. Oliver Decker von der Universität Leipzig, konstatiert eine "deutlichen Zunahme an islamfeindlicher Einstellung". Die Menschen würden leichter Ressentiments äußern. Die Hemmschwelle scheint zu fallen, je öfter und lauter die Brandstifter werden, die mehr und mehr auch die Politiker wie den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer dazu führen, auf diese Stimmung zum Machterhalt zu setzen.

Allerdings ist auch interessant, wer in der Infratest-dimap-Umfrage stärker zum Antiislamismus neigt. Es sind stärker die Nicht-Berufstätigen, also vermutlich die Rentner und Arbeitslosen, die Geringverdiener mit einem monatlichen Einkommen unter 1500 Euro, die Wähler der Union, die Nichtwähler oder die "Sonstigen". Die Ostdeutschen stimmen eher der Aussage zu, dass ein Deutschland ohne Islam besser wäre, obgleich die Westdeutschen deutlich länger Erfahrung mit muslimischen Einwanderern haben. Das weist auf die bekannte Tatsache hin, dass oft die Ängste dort am größten sind, wo man am wenigsten Kontakt mit bestimmten Phänomenen hat.

Sarrazin, Broder, Wilders und Co. können auch darauf setzen, dass sie am ehesten die Menschen erreichen, die über 60 Jahre alt sind. Antiislamismus ist jedenfalls keine Jugendbewegung. Offenbar sind für diesen auch eher die Männer anfällig, die, besonders im Alter über 60, für die Emanzipation der muslimischen und allgemein für die Gleichberechtigung der Frauen eintreten. Wenig verwunderlich ist auch, dass mit steigender Bildung der Hang zum Ressentiment oder zum Islamhass abnimmt. Da müssten sich einmal die Antiislamisten fragen, wie es um die genetische Verteilung der Intelligenz steht, die Sarrazin aufgeworfen hat.

Quote12. Oktober 2010 08:48
Deutschland ohne Religion wäre besser
TheBug (mehr als 1000 Beiträge seit 08.05.00)

Wir wollen da mal keine Einzelrichtung der Esoterik diskriminieren.


Quote12. Oktober 2010 09:49

Türken sogar noch unbeliebter als Juden und Neger

Chrysophylax

Schreibt heute die SZ auf ihrer Homepage.

Jeder mit zwei Gehirnzellen oder mehr, der unvoreingenommen diese
Debatte beobachtet erkennt recht schnell, dass angesichts der
bürgerfeindlichen Politik (HRE, S21, H4 etc. pp.) und dem damit
verbundenen Abstürzen der "Volksparteien" bei der Gunst der Wähler,
mit diesem Thema ein gewaltiges Ablenkungsmanöver inszeniert wird, um
eben vor den echten Problemen und dem verbreiteten Politikfilz
abzulenken

Für die Deutschen kann man nur hoffen, dass sie diesen schäbigen
Trick erkennen, wenn nicht, werden die Führung in Berlin und in den
Landeszentralen eben weiter mit den Steuerzahlern Schlitten fahren,
dann kann man nur sagen: selbst Schuld.





Aus: "Islamfeindlichkeit in Deutschland nimmt zu" Florian Rötzer (12.10.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/148547


Textaris(txt*bot)

#91
Quote[...] In zigtausenden Beiträgen in Online-Foren wird inzwischen überwiegend undiffierenzierte und überbordende Kritik an Muslimen geübt. Oft zeigt sich unverhohlener Hass auf alles, was verdächtig ist, islamisch zu sein. Manchmal reicht es, für Sachlichkeit zu plädieren, um geschmäht zu werden.

Wie konnte es dazu kommen? Gibt es in Deutschland tatsächlich ein sattes Potential für xenophobe, rechtspopulistische Einstellungen? Grassiert in dem von Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Antrittsrede als "Bunte Republik" bezeichneten Land inzwischen die Islam- und Fremdenfeindlichkeit?

Die Studie der Ebert-Stiftung weist nun darauf hin, dass dies in Teilen zutrifft.

[...] Der nun veröffentlichten Studie zufolge tut sich aber noch weiter rechts ein Abgrund auf: Mehr als jeder Zehnte sehnt sich nach einem "Führer", der "Deutschland zum Wohle aller mit harter Hand regiert", ergab die Umfrage. 65 Jahre nach dem Untergang des nationalsozialistischen Staats und 21 Jahre nach dem Ende der DDR hält jeder Zehnte eine Diktatur für "die bessere Staatsform".

[...] Die als gemeinsames nationales Interesse formulierte ökonomische Rationalität sei zur dominanten Argumentationsfigur geworden und habe die demokratischen Institutionen geschwächt. Es komme nun nicht zu einer "Solidarisierung mit den Marginalisierten und Prekarisierten, sondern die Identifikation mit den Instanzen, die 'zum Wohle aller' gegen 'Fremde' und Sozialschmarotzer' diese Sanktionen verhängt haben".

...


Aus: "Umfrage unter Deutschen Wuchernder Fremdenhass, ersehnte Diktatur" (13.10.2010)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/umfrage-unter-deutschen-wuchernder-fremdenhass-ersehnte-diktatur-1.1011569


-.-

Quote[...] Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit sind tief verankert in der gesellschaftlichen Mitte Deutschlands. Das zeigt eine am Mittwoch in Berlin vorgelegte Studie. Besonders gravierend sind die Ergebnisse im Hinblick auf eine steigende Islamfeindlichkeit in Deutschland.

Demnach sprechen sich mit 58,4 Prozent mehr als die Hälfte der Deutschen dafür aus, die Religionsausübung für Muslime erheblich einzuschränken. Im Osten ist diese Zahl dramatisch: Dort schließen sich 75,7 Prozent der Menschen dieser Forderung an. Das sind drei Viertel der befragten Ostdeutschen.


Laut der Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung stimmen 55,4 Prozent der Deutschen der Aussage zu, sie könnten "gut verstehen, dass manchen Leuten Araber unangenehm sind". Das ist ein Anstieg gegenüber 2003 um 11,2 Prozentpunkte. Damals stimmten dieser Aussage bereits 44,2 Prozent der Befragten zu.

In der Studie "Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland" haben die Forscher Oliver Decker von der Universität Siegen und Elmar Brähler von der Universität Leipzig 2.411 deutsche Staatsangehörige zwischen 14 und 90 Jahren befragt. Nach der Befragung diagnostizieren die Forscher für das Jahr 2010 einen "Anstieg von dezidiert antidemokratischen und und rassistischen Einstellungen" gegenüber dem Jahr 2008.

[...] Erstmals gefragt wurde, ob die Religionsausübung für Muslime in Deutschland erheblich eingeschränkt werden sollte. 58,4 Prozent stimmten dieser Aussage zu, mit dem Grundgesetz ist sie freilich nicht vereinbar. Im Westen mit 53,9 Prozent etwas weniger, im Osten mit 75,7 Prozent deutlich mehr - obwohl dort deutlich weniger Muslime leben.

Bemerkenswert ist, dass dieser Aussage selbst 55,5 Prozent derjenigen zustimmen, die rechtsextremen Aussagen ansonsten überwiegend ablehnend gegenüberstehen. Die Autoren der Studie sprechen deswegen von einem "modernen Rassismus", der an kulturellen Unterschieden ansetzt und nicht an vermeintlichen genetischen Merkmalen.

...


Aus: "Fanatismus auf dem Vormarsch" Von Ole Reißmann (13.10.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722751,00.html

-.-

Quote[...] Beate Küpper: Eines fällt ja in der aktuellen Islamdebatte durchaus auf: Gerade erst haben wir eine Wirtschaftskrise hinter uns, die die Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt hat, und schon folgt eine Debatte über Muslime. Unsere Studien zeigen, dass sich viele Menschen durch die Krise betroffen und bedroht fühlen. Das hätte dazu führen können, dass die Frage nach der Verantwortung der Eliten gestellt wird. Was macht zu dieser Zeit ein Vorstand der Bundesbank? Er schreibt nicht über Banken und Bänker, sondern präsentiert einen "äußeren Feind", gegen den die Abgrenzungsbereitschaft auch vorher schon hoch war. In diesem Zusammenhang wird sehr deutlich: Die populistische Projektion von "Muslimen" wird hier instrumentalisiert.

...

Quote#
13.10.2010 17:32 Uhr:
von Henrik:

"Eines fällt ja in der aktuellen Islamdebatte durchaus auf: Gerade erst haben wir eine Wirtschaftskrise hinter uns, die die Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt hat, und schon folgt eine Debatte über Muslime"

Was ist denn DAS für ein unreflektierter Analyse. In Norwegen, Dänemark, Holland, Frankreich, Belgien und England hat man diesen Themen schon lange diskutiert. Pim Fortuyn wurde 2002 getötet, die Norwegische Vorschrittspartei gewann schon 2003 die Wahlen, die Dänische Volkspartei in 2001 - lange, lange vor die Krise.

Es ist einfach erbärmlich zu behaupten. das die Leute Islamkritsich sind, weil sie keine Muslime kennen. Vielleicht ist es umgekehrt. Je mehr Erfahrungen sie haben - je mehr lenen sie den Islam ab.


Quote13.10.2010 17:21 Uhr:
von Polia:

Was sind denn hier unter den Kommentator_innen für rassistische Pfeifen unterwegs?

Ich bin in Neukölln aufgewachsen und lebe jetzt in Kreuzberg. D.h. ich habe seit 22 Jahren ziemlich viel Kontakt zu Muslimen und Leuten, die "aussehen wie welche". Mich hat noch NIE NIE NIE irgendein Muslim verkloppt oder begrapscht oder sonstwas!

Das sind Menschen, die cool und nett sind genau wie andere auch, verdammt.

Ich habe viel mehr Angst vor Leuten, die so üble Kommentare schreiben wie hier, als vor irgendeinem Türken oder Araber.

REDET doch mal mit denen, lernt sie kennen, lächelt sie an, keine Ahnung, aber verschanzt Euch nicht hinter euren Scheiß-Sarrazin-Büchern.


Quote#
13.10.2010 16:52 Uhr:
von Noa:

Es nicht so, dass alle, die sich derzeit über Muslime beklagen, dumm, rassistisch und uninformiert wären. Die Menschen gehen einfach mit offenen Augen und wachem Verstand durch die Straßen und merken, hier stimmt was nicht! Ich kenne einige Türken, die sehr gut gebildet und interkulturell qualifiziert sind und somit eine wahre Bereicherung für Deutschland sind. Wäre doch nur jeder Deutsche so! Allerdings gibt es auch unzählige Türken, die sich in ihren sogenannten Deutsch-Türkischen Kulturvereinen treffen, wo Deutsche eher weniger willkommen sind und die Scheiben bis über die Sichthöhe zugeklebt sind. Super Bereitschaft zur Integration! Es gibt bereits genügend Deutsche, die ungebildet, simpel und kulturell minderbemittelt sind. Muslime, die Deutschland nicht ausstehen können, nach 10 Jahren immer noch kein Deutsch sprechen, den Koran zum Grundgesetzt erklären, Christen als Ungläubige beleidigen, grobe Umgangsformen haben etc., braucht Deutschland nicht! Diese können folglich in ihrem Land bleiben und rückwandern. Ich bin für eine Mischung von gering- und hochqualifizierten Migranten, die gerne so schnell wie möglich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten dürfen, wenn sie es wollen und sich in die Gesellschaft eingegliedert haben. Dazu gehört aber auch, dass bestimmte türkische Jugendliche (gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen) nicht wie die letzten Assis durch die Straßen ziehen, rumlümmeln, spucken, beleidigen und im Zweifel auch mal zulangen. Als Deutscher bin ich im Ausland stets bemüht, mich gut zu verhalten, höflich und zuvorkommend zu sein, außerdem beherrsche ich bereits nach wenigen Tagen die wichtigsten Wörter und Sätze und respektierte und akzeptiere die andere Kultur. Das kann man von vielen Muslimen in Deutschland nicht gerade behaupten. Warum beschwert sich niemand über Spanier, Italiener, Griechen Franzosen? Ist es alleine der Islam, der eine Integration erschwert? An der misslungenen Integration tragen sowohl der deutsche Staat, aber auch bestimmte Muslime zu gleichen Teilen die Verantwortung!


Quote#
13.10.2010 16:31 Uhr:
von Daedalus:

Ich glaube es gibt dafür andere Ursachen als die Wirtschaftskrise die ja eh niemanden wirklich betroffen hat.

Ich glaube die Menschen fühlen sich bedroht von Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund die vielleicht selbstbewusster auftreten als noch vor einigen Jahren und die - weil sie einen mehr oder weniger grossen Hass auf das Deutschland haben, von dem sie sich ausgegrenzt fühlen sich stärker mit dem Islam identifizieren als die Generationen vor ihnen. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Probleme mit diesen Jugendlichen dann mit dem Islam verknüpft (und nicht mit Erfahrungen von Ausgrenzung und vernachlässigter Erziehung usw.).

Ich denke das ist auch ein möglicher Grund warum das Kopftuch unter migrantischen jungen Frauen populär wird (siehe Kolumne "das Tuch"). Es ist vielleicht eine Art Anker zu einer Tradition der ausgeworfen wird, weil die Gesellschaft hier hermetisch verschlossen ist für Menschen die optisch von der deutschen Norm abweichen oder einen fremden Namen haben. Mit dem Kopftuch und der Hinwendung zur Religion der Eltern und Grosseltern schafft man sich eine Heimat aber leider oft in Abgrenzung zu dem was als westliche Kultur betrachtet wird.

Ausserdem tragen die Berichte über Ehrenmorde zu dieser Anti-Islamischen Stimmung bei. Ehrenmorde werden in der Wahrnehmung stark mit dem Islam verknüpft dazu tragen aber auch - eigentlich illegitime - Vertreter des Islam in Deutschland wie Puerre Vogel bei. Die lautetesten Vertreter des Islam vertreten nunmal sehr krude und extreme Ansichten - die anderen werden nicht wahrgenommen.

Man könnte die Ablehnung des Islam in seiner extremistischen Variante aber auch als Eintreten der Bevölkerung für die Grundrechte der Verfassung interpretieren - dem ganzen also etwas positives Abgewinnen. Ich glaube nicht, dass wir kurz vor Pogromen stehen - aber es gibt offensichtlich Probleme die nicht unter den Tisch gekehrt werden sollten.


Quote#
13.10.2010 16:30 Uhr:
von atypixx:

Es ist nicht Angst vor Muslimen, sondern eine Ablehnung einer Überfrachtung. "Angst" ist in diesem Zusammenhang ein Diffamierungsbegriff, den man nicht als Selbstverständlichkeit stehen lassen sollte. Es geht um emotionale *und* intellektuelle Präferenzen, nicht um Angstgefühle.


Quote#
13.10.2010 16:20 Uhr:
von Sternchen:

Wäre ja auch doof wenn bei dem interdisziplinärem Forschungsprojekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland" herauskommen würde: Nicht vorhanden!



Aus: "Psychologin über Islamophobie: "Da sind derzeit alle Schleusen offen"" (13.10.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/da-sind-derzeit-alle-schleusen-offen/


Textaris(txt*bot)

Quote

,,Deutschfeindlichkeit"
Veröffentlicht am 13. Oktober 2010 von InitiativGruppe

1

Ein Junge, schulisch eine Null, schreit einem deutschen Mädchen ,,Schlampe, Hure!" nach. Der Junge stammt – zum Beispiel – aus einem arabischen Land. Er ist zuhause in Berlin-Neukölln-Nord.

Ein anderer Junge rempelt einen ,,deutschen" Jungen von seiner Schule an, einen, der dort in der Minderheit ist, beleidigt ihn, raubt ihm seine Mütze.

Es geschieht nicht einmal, sondern so oft, dass es – an diesem Ort – typisch wird.

Die Mehrheit sind hier – ausnahmsweise mal – die Migrantenjungs, die kleine, bedrängte Minderheit sind hier – ausnahmsweise mal – die Nichtmigranten.

2

Es gibt also einige Winkel in Deutschland, in denen eine verfehlte städtische Planung es zugelassen hat, dass sich vorwiegend junge Verlierer an den Schulen tummeln.

Junge Machos ohne Perspektive, die zu Hause nur wenig Deutsch gelernt haben, die in der Schule keine Chance haben, die ihren Stolz in Machogehabe umsetzen und die dadurch völlig entgleisen.

Destruktive Typen, destruktiv geworden in einer für sie destruktiven Umwelt.

Sie suchen sich andere, die sie mobben können, sie richten ihre Aggression auf Schüler, die besser sind als sie, auf Schüler, die richtig Deutsch sprechen, manchmal auf Nichtmigranten generell ... greifen sie an, verbal meistens nur, aber auch rempelnd und gelegentlich schlagend.

Sie merken, die ganze Welt ist gegen sie. Und die heißt hier Deutschland.

3

Wenn es zu so etwas kommt, ist das schlimm. Stadt und Staat sind herausgefordert, den Zustand zu ändern. Es ist ein politisch-praktisches Problem.

Es ist ein Unterschichtenproblem, verschärft durch die ethnische Komponente.

Zufällig sind diese Jungs in Berlin türkischer und arabischer Herkunft und Muslime. Sie könnten auch russischer Herkunft oder Roma oder Nigerianer sein.

4

Wir könnten nun darüber sprechen, was politisch-praktisch zu tun sei, Konzepte überlegen, finanzieren, umsetzen, überprüfen. Wir könnten Maßnahmen treffen, die bewirken, dass sich Unterschichtendasein nicht mehr zeitlich und räumlich verfestigt.

Das geschieht ansatzweise, aber nicht entschlossen genug.

Dieselben, die sich über diese ,,deutschfeindlichen" Zustände empören, wollen nicht, dass Zeit, Energie, Geld investiert wird in eine konstruktive Lösung.

5

Wir wissen: Ausgrenzung und Isolation und Marginalisierung führen zu destruktivem Verhalten.

Antwortet man auf diese Zustände wiederum nur gewaltsam und ausgrenzend, verschlimmert man sie.

Kirsten Heisig hat recht: Jetzt, wo diese Jungs entgleist sind, braucht es auch Härte. Sie sagt aber auch: Es braucht zugleich konstruktive Angebote, damit diese jungen Leute eine Perspektive bekommen können.

6

Berlin-Neukölln-Nord ist in Deutschland, aber es ist nicht Deutschland.

In Berlin-Neukölln-Nord hat sich die ethnisch angeheizte Unterschichts-Misere verdichtet. An vielen anderen Orten zeigt sie sich nur in Einzelfällen, die leichter handhabbar sind, an den allermeisten Schulen Deutschlands zeigt sie sich gar nicht.

7

Das eigentlich Gefährliche an dieser ,,Deutschfeindlichkeit" für Deutschland ist nicht das, was in Berlin-Neukölln-Nord passiert.

Das eigentlich Gefährliche ist das, was populistischen Hysteriker daraus machen: Hetze gegen Migranten, Hetze gegen Türken, Hetze gegen Muslime generell.

Als ob die Migranten in Deutschland, die Türken, die Muslime verantwortlich wären für das, was in einigen wenigen Ecken Deutschlands schief gelaufen ist.

Gefährlich ist diese Hetze, wenn sie in der politischen Mitte Fuß fasst. Dann wird erstens das Problem selber unlösbar, und zweitens gehen Verfassung, Demokratie und Zivilisation den Bach runter, weil mal (wieder) das Gesunde Volksempfinden meint, brutal durchgreifen zu müssen.

QuoteRalf, am 13. Oktober 2010 um 09:38 sagte:

,,Zufällig sind diese Jungs in Berlin türkischer und arabischer Herkunft und Muslime. Sie könnten auch russischer Herkunft oder Roma oder Nigerianer sein."

Dieser Punkt war Ihnen sicherlich besonders wichtig.
Seltsamerweise kennt man dieses ,,Machogehabe" aber fast ausschließlich von Türken und Arabern. Ganz so beliebig austauschbar ist das also nicht.

Immerhin: Vor einigen Monaten hätten Sie wahrscheinlich noch geleugnet, dass es überhaupt so etwas wie Deutschfeindlichkeit in Deutschland gibt. Schön, dass dieses Problem nun auch Ihre Wahrnehmungsschwelle überschritten hat, auch wenn Sie natürlich nicht darum herum kommen, zu beschwichtigen und wortreiche Entschuldigungen für Ihre Freunde zu finden.


QuoteKaiserliche Majestät, am 13. Oktober 2010 um 11:27 sagte:

Ralf, die größte Deutschfeindlichkeit geht hier leider von Ihnen aus.


QuoteKaiserliche Majestät, am 13. Oktober 2010 um 11:48 sagte:

Zum Thema: Ich bin der Meinung, dass die Ursachen besonders in zwei Dingen liegen: schlechte Deutschkenntnisse und fehlende Perspektive. Wie bekannt ist, ist die zu erreichende Schulbildung in Deutschland insbesondere davon abhängig, wie vermögend die Familie des Schülers ist. Durch die katastrophale Ansammlung von vielen armen Einwanderen in bestimmten Stadtteilen, wurde hier eine entsprechende Grundlage geschaffen. Man ist unter sich und spricht kein Deutsch. Man ist frustriert, da man keine Schulperspektive hat. Woher sollen die Menschen das Geld nehmen um in ,,bessere" Stadtteile zu ziehen? Es entwickelt sich eine Gleichgültigkeit und eine Disziplinlosigkeit in der Schule. Kleine Gruppen reichen bereits aus, um die Unterrichtung ganzer Klassen unmöglich zu machen. Selbst wenn es ein paar Schüler gibt, die lernen WOLLEN, ist dies nicht möglich wenn im Unterricht der Lehrer vom Großteil der Klasse nicht respektiert wird. Man sucht den Erfolg außerhalb der Schule, denn hier hat man entsprechende Möglichkeiten z.B. Familie, Religion, Kriminalität (gegen Minderheiten, hier Deutsche) etc. Die Deutschfeindlichkeit ist ein Symptom, keine Ursache. Fremdenfeindlichkeit ist auch immer nur ein Symptom (Existenzangst). Das ist wie ein Kreislauf. Durchbrechen kann der Staat ihn nur über die Schule.


QuoteRalf, am 13. Oktober 2010 um 12:16 sagte:

,,Zum Thema: Ich bin der Meinung, dass die Ursachen besonders in zwei Dingen liegen: schlechte Deutschkenntnisse und fehlende Perspektive."

Da haben Sie mal ein Korn gefunden, KM. Richtige Brisanz erhält diese Problematik jedoche rst durch typische, islamisch(?) geprägte Machogehabe: Jungs, die keine Grenzen und oftmals keinen Respekt vor Frauen kennen und in der Familie oft ,,kleine Prinzen" sind. Oder, noch schlimmer: Der strenge Vater lässt seinen Frust in Form von Gewalt an den Söhnen aus und diese tragen diese ,,Werte" in die Schulen...


QuoteInitiativGruppe, am 13. Oktober 2010 um 13:50 sagte:

Ralf,
Deutschfeindlichkeit türkischer Jugendlicher kenne ich seit 30 Jahren. Wir haben das schon immer mit diesem Wort bezeichnet. Mit Religion hatte das nichts zu tun, sondern damit, dass die türkischen Jungs ziemlich gelitten haben unter der Anmache der Deutschen – und sich auf juvenile Weise revanchiert haben.
Also schon vor 30 Jahren.

Diese Jungs sind inzwischen alle brave Erwachsene ...



Mit Religion hat diese Deutschfeindlichkeit nur insofern zu tun, als sich diskriminierte Jugendliche auf etwas zurückziehen, wovon sie meinen, es sei Teil ihrer Identität. Wären sie Russen und griechisch-orthodox, könnten sie das für sich mobilisieren.

Wenn in den USA schwarze Jungs den Macho spielen, hat das nichts mit Religion zu tun, sondern mit der Unterschichtszugehörigkeit, mit der Perspektivlosigkeit.

Es ist ja nicht wirklich die Hautfarbe, von der das Problem kommt, auch wenn es für Rassisten dort so ausschaut.



In Deutschland habe ich das Machogehabe als Junge erlebt, in den 50er Jahren — damals waren es Flüchtling-Jungs aus den Flüchtlingsbaracken nicht weit von unserer Wohnung. Was haben die Einheimischen damals gelästert über die ,,Halbstarken" ... die dann später fast alle gut in den Arbeitsmarkt integriert worden sind ...



Pedter,
Deutschland ist ja nun gottseidank kein ,,Ausländerfeindliches Naziland".
Ich hoffe, du möchtest es nicht zu so einem machen.

Wenn Migranten Sozialtransfers brauchen, dann deshalb, weil der Arbeitsmarkt nicht genug Arbeitsmöglichkeiten bietet. Das ist vor allem in Berlin ein Problem – und nicht die Schuld der Berliner Migranten. In München sieht das alles sehr viel besser aus. Hier gibt es fast Vollbeschäftigung, und siehe da, man arbeitet – und nur relativ wenige Migranten und Nichtmigranten brauchen Hartz IV.

...


Quoteandreas, am 13. Oktober 2010 um 20:01 sagte:

Fragen verlangen Antworten: Ein bißchen Kommentar von mir:
- Was genau verursacht deiner Meinung nach die Deutschfeindlichkeit?
Ich denke die Debatte geht am Kern des Problems vorbei. Das sehe ich in der spontan auftretenden menschlichen Natur. Ich denke ,,Deutschenfeindlichkeit" ist weder ein Türken – spezifisches Problem, noch ein durch den Islam verursachtes Problem. Es ist ein Problem isolierter Subkulturen und mangelnder Integration humanistischer Ideale (wie Toleranz und Gleichwertigkeit).
Es ist ein in der Psycholgie seit langem bekanntes Phänomen, das Mitglieder eine wohl definierten Gruppe dazu neigen, die Mitglieder und Werte der eigenen Gruppe aufzuwerten und demgegenüber die Mitglieder und Werte anderer Gruppen abzuwerten. Diese Tendenz wirkt Selbstwerterhöhend auf das Individuum und wird durch soziale Interaktion bestärkt. Solche Mechanismen können auch experimentell in Gruppen beobachtet werden, z.B. wenn Gruppenmitgliedschaft durch Armbinden, o.ä. Definiert werden und den Gruppen Gelegenheit gegeben wird Kohärenz aufzubauen, d.h. Zusammenzuwachsen. Das kennt man von Fangruppen beim Fussball, Klassen und Paralellklassen in der Schule, etc. Wenn Gruppen einander Kulturell fern sind und ein verschiedenes Wertesystem haben ist es leicht differenzierende Merkmale aufzugreifen um die ,,anderen" abzuwerten.
Unterschiedliche Ethnien unterstützen die Gruppenbildung noch zusätzlich, da Mermale wie Aussehen, Haltung und Mimik schwerer entschlüsselt werden können.
Türken sind die stärkste Gruppe in Deutschland und haben zudem (scheinbar), eine Tendenz größere isolierte Gruppen zu bilden. Insofern haben sie ein hohes Potential für diskriminierendes Verhalten. Das tritt vermutlich überall auf, nicht nur wenn Migranten in der Mehrheit sind, und eben auch umgekehrt.
Die Konformität mit westlichen, humanistischen Werten wie Toleranz, Gleichheit und Freiheit wirken schwächend auf diese Mechanismen. Die Vermittlung dieser Werte ist Teil des Bildungsauftrages. Insofern ist Bildungsferne ein ungünstiger Umstand. Das gilt auch für bildungsferne Deutsche, bei denen Ausländerfeindlichkeit stärker ausgeprägt zu sein scheint.

- Wie lässt sich das belegen?
Wer mag kann sich mit dem Thema sozialer Identität auseinandersetzen das ich hier dilettantisch umrissen und unzureichend angewandt habe. Es gäbe dazu viel mehr zu schreiben und zu analysieren. Mir ist unklar warum das ausbleibt, da es eigentlich psychologisches und soziologisches Grundlagenwissen ist. Aber da kommen dann halt keine bösen anderen dabei heraus, nur fehlgeleitete Menschen.
- Inwiefern ist es ein Jugendproblem?
Es ist ein generelles Problem. Aber mit zunehmendem Alter werden andere Dinge wichtiger (Familie, Beruf) und stärken den Selbstwert, so das es für Jugendliche, die ja mit Identitätssuche befasst sind, ein deutlicheres Thema ist.
- Inwiefern ist es ein Unterschichtenproblem?
Unterschichten sind häufiger Bildungsfern und haben weniger Resscourcen um ihren Selbstwert zu stärken, demgegenüber aber mehr Selbstwertangreifende Erfahrungen. Unterschichten sind wahrscheinlich stärker Betroffen
- Warum ist das in Berlin ein Problem, aber nicht in München, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg, Nürnberg, Würzburg, Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe, Kaiserslautern, Mainz, ...
Es wird überall dort ein Problem sein wo sich isolierte Gruppen bilden. In Berlin gibt es einfach Bereiche mit sehr hohem Ausländeranteil, so das die Problematik hier offensichtlich wird.
Bei geringerem Ausländeranteil in Schulen lässt sich das Problem der geäußerten Deutschenfeindlichkeit vermutlich besser handhaben, da die Gruppe weniger mächtig (da kleiner) ist. Es ist ein Höheres Gewaltpotential nötig um sich offene feindschaft ungestraft leisten zu können.
Die inneren Überzeugungen sind aber vermutlich auch dort ähnlich.

- Wie hängt die Deutschfeindlichkeit zusammen mit der Erfahrung der Ausländerfeindlichkeit?
Es mag auch reaktive Elemente geben, aber die sind m.E. nicht das Grundproblem.

Eine Frage Fehlt:

Wie könnte das Problem angegangen werden?
a) Siedlungspolitik: Die Bildung von Brennpunkten vermeiden und ein System schaffen das zu einer homogeneren Verteilung der Menschen mit Migrationshintergrund führt

b) Bildung: Z.B. Homogene Klassen oder Schulen in denen zunächst Bildung zweisprachig und auf den Kulturellen Hintergrund angepasst vermittelt wird, so das Kinder mit Migrationshintergrund bessere chancen haben durch schulischen Erfolg Selbstwert zu gewinnen. Erst ein entsprechendes Niveau erreicht ist findet eine Integration statt (z.B. nach der Grundschule) mit höherem Anteil an sozialen Angeboten (auf Lernen haben viele zu der Zeit eh keine Lust).
Der Unterrichtsstil müsste stärker auf Gruppenarbeit ausgerichtet sein, für die Kooperation erforderlich ist. Die Zusammensetzung für solche Gruppen muss von der Lehrperson vorgegeben werden, so das ein möglichst gute Durchmischung erreicht wird.
Bis dahin könnten Inhalte integriert unterrichtet werden, bei denen Chancengleichheit besteht, z.B. Sport. Da gibt es dann vielleicht die sportlichen und die unsportlichen, aber das betrifft beide Gruppen gleichermassen.

Viel spass beim Weiterdiskutieren


QuoteInitiativGruppe, am 13. Oktober 2010 um 21:19 sagte:

    Die Deutschfeindlichkeit ist ist Ergebnis eines psychologischen Kofliktes zwischen dem Selbstbild der Muslime, nach dem sie die ,,beste Gemeinschaft aller Menschen" (so steht´s wohl im Koran) sind und eine entsprechende soziale Position einnehmen müssten, und der sozialen Realität, in der sie mehrheitlich Loser sind. Der Anspruch auf Anerkennung und Respekt gründet sich auf das Muslimsein, nicht auf individuelle Leisung, und deshalb ist die Reaktion auch nicht Selbstreflexion (Was machen wir falsch?), sondern Agression gegen alles Andersartige, einschließlich angepassterer und erfolgreicherer Muslime.

Fritz,
diese Ansicht ist typisch für jemand, der die Muslime in Deutschland nicht kennt. Nicht die Muslime in Deutschland sind deutschfeindlich – junge männliche Jugendliche in einigen Stadtvierteln sind es, in einigen Stadtvierteln geballt, in anderen vereinzelt.

Wie kommst du darauf, dass DIE Muslime in Deutschland deutschfeindlich seien? Hast du dafür Belege? Wieso schließt du von der Deutschfeindlichkeit einiger Jugendlicher hauptsächlich in Berlin auf die 4 Millionen Muslime in Deutschland?

Den psychologischen Konflikt, auf den du dich beziehst, gibt es schon bei vielen gläubigen Muslimen, aber er führt in der Regel nicht zur Deutschfeindlichkeit, sondern zum manchmal etwas künstlichen Auseinanderhalten zweier Sphären. Türken haben im allgemeinen ziemlichen Respekt vor Deutschland und schätzen die Leistungen dieses Landes und seiner Menschen. Umso schmerzlicher ist die ressentimentbedingte Zurückweisung. Man ist verletzt, aber das führt kaum je zu Deutschfeindlichkeit. Nur bei den Jugendlichen ist das öfters mal anders. Die leben ihren Stolz auf deutsche (!) Weise aus: aggressiv, angriffslustig, hemmungslos.



Ich stimme KM zu:
Respekt muss man sich nicht verdienen.

Respekt kann man generell erwarten. Ein anständiger Mensch respektiert von vorne herein andere, auch wenn sie ganz anders sein sollten, auch wenn sie Mängel haben sollten. Respekt kann man insofern verspielen, als man vielleicht hohen Respekt genießt und sich dessen nicht als würdig erweist. Aber ein Minimum muss immer vorausgesetzt werden – in einer Welt zivilisierter Menschen jedenfalls. In einer Welt, die von sich behauptet, christlich geprägt zu sein.


...


Aus: ",,Deutschfeindlichkeit""
Veröffentlicht am 13. Oktober 2010 von InitiativGruppe
Quelle: http://initiativgruppe.wordpress.com/2010/10/13/deutschfeindlichkeit/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die sagen "Gra-tzi-ass", die Deutschen und dann glauben sie, sie hätten spanisch gesprochen und sich genug integriert, empört sich der Mann von der Inselregierung, vom "Govern des les Illes Balears" und seufzt: Allein auf Mallorca leben ständig an die 80.000 Deutsche, das ist ein höherer Ausländeranteil als in Berlin und wenn von denen tausend halbwegs Spanisch sprechen können, dann ist das schon verdammt viel. Von den Millionen, die im Sommer unsere Strände überfluten, will ich gar nicht reden. Die gehen ja nach ein paar Wochen wieder nach Hause, aber diese Ständigen, die bilden eine echte Parallel-Gesellschaft. Damit meine ich sowohl die "Residentes", meist ältere Leute, die hier wohnen, als auch die deutschen Ticketeros, die Reklame-Verteiler, die deutschen Elektriker, Klempner und Monteure, die bei uns schnelles Geld verdienen wollen. Und, nicht zuletzt, die deutschen Obdachlosen, die unseren Sozialeinrichtungen auf der Tasche liegen.

Deutsche Bäcker, deutsche Metzger, deutsche Wandervereine, das lasse ich mir ja noch gefallen, aber die vielen deutschen Schulen und Kindergärten auf Mallorca? Das stinkt geradezu nach Integrationsverweigerung. Die wollen unter sich bleiben. Haben sie schon mal gesehen was die essen? Eisbein! Wabbeliges fettes Fleisch, dazu Sauerkraut. Einfach eklig. Multi-Kulti? Dieser Ansatz ist gescheitert (*1). Sie haben ja in Deutschland eine Debatte über Verschleierung, Verhüllung, wir führen eine über Enthüllung. Ihre Landsleute haben einfach kein natürliches Schamgefühl: Zweihundert Kilo Lebendgewicht in Hot Pants auf den Straßen von Palma! Gammelfleisch im Tanga! So rennen die auch in unsere Kirchen. Denen fehlt jeder Respekt vor unserer Leitkultur.

Zur Zeit feiern die Deutschen gerade ihr Oktoberfest. Ja, können die das nicht zu Hause machen, diese elende Sauferei, diese widerliche Krachmusik? Aber wenn es dabei bliebe. Es gibt zwei deutsche Zeitungen und einen Radio-Sender, Dudelfunk unterhalb jeden Niveaus. Aber wer bei uns leben will, von dem erwarte ich Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit als zusätzliches Kriterium (*2) für die Zuwanderung. Weder sehe ich bei den Deutschen auf Mallorca eine Bereitschaft noch eine Fähigkeit dazu. Dann diese kriminellen Schlägereien: Sobald junge Deutsche und junge Engländer in der selben Kneipe sind, geht es los. Wir haben schon neue Gefängnisse bauen lassen, um diesem Problem zu begegnen. Die Zone um den berüchtigten "Ballermann" ist ganz klar eine No-Go-Area für uns, da herrscht das Unterschichten-Deutschland.

Ich sage Ihnen, wenn man die Sprache des Landes, in dem man lebt, nicht spricht, nutzt das niemandem: Nicht dem Einzelnen, nicht dem Land, nicht der Gesellschaft (*3). Aber kann man diese Erkenntnis vielleicht mal von Frau Merkel hören? Keine Aufforderung an ihre Landsleute sich auf unserer Insel zu integrieren. Im Gegenteil: Ein Bundestags-Abgeordneter der Merkelpartei hat Mallorca sogar zum 17. Bundesland erklärt und den Anschluss an Deutschland verlangt. Habe ich eine Entschuldigung der deutschen Regierung gehört? Nein, natürlich nicht. Dieses übersteigerte Nationalbewusstsein der Deutschen ist für uns schwer zu ertragen. Ich kann nur sagen: Deutsche? No, gracias!

*1. Angela Merkel auf dem Kongress der Jungen Union in Potsdam

*2. Horst Seehofer, Interview mit dem "Focus"

*3. Abdullah Gül, Staatspräsident der Türkei, Interview in der Süddeutschen Zeitung


Aus: "DEUTSCHE? NO, GRACIAS! - Über Integrations-Probleme auf Mallorca" (17. Oktober 2010)
Quelle: http://spreegurke.twoday.net/stories/8391158/


Textaris(txt*bot)

#94
Quote[...] Hetze postmodern: Die Muslime sind an allem schuld

Zwar liegt mir Religion fern wie eine andere Milchstrasse, aber es kommt vor, dass ich z.B. Muslime knutschen könnte; oder sogar Muslima, was diese sich natürlich verbieten würden. Auf der Seite muslim-markt schreibt mir heute Fatima Özoguz aus dem Herzen: Die von Sarrazin angeleierte neue "Integrationsdebatte" ist in Wirklichkeit eine Ausgrenzungsdebatte, mit der nichts anderes bezweckt wird als die Ablenkung von den wirklichen Problemen der Masse der Bevölkerung. Der alte Trick. Die einzige Neuerung ist, dass von der postmodernen Hetze das Wort Juden durch das Wort Muslime ersetzt wird.

Quote

Fatima Özoguz schreibt:

Es wird in letzter Zeit so getan, als hätte Deutschland keine anderen Probleme als die Anwesenheit von Muslimen, wenn man sich MEdien und Fernsehprogramme anschaut. Kein Tag vergeht ohne Diskussionsrunden , wie man uns "besser integrieren" könnte, oder es wird von Neunmalklugen (vulgo Dummschwätzern) lang und breit dargelegt, warum wir nicht integrierbar sind, nämlich aufgrund unserer Religion, wie diese Herrschaften meinen.
In Wirklichkeit wird doch so ein Theater gemacht, weil viel gravierendere Probleme vertuscht werden sollen. So herrscht beispielsweise an Schulen ein eklatanter Bildungsnotstand durch Lehrermangel Lehrer müssen von einer Schule zur anderen hüpfen, um "auszuhelfen", weil nicht genügend eingestellt werden. Grundschulen sind "verlässlich", was die Dauer der Anwesenheit der Kinder in der Schule angeht, nicht etwa des Unterrichts! Dies, damit diese nicht wieder um 10 uhr vor verschlossener Tür stehen. Aber das bedeutet nur, dass sie dort beschäftigt sind, nicht etwa, dass auch Unterricht erteilt wird, sondern irgendwelche Mütter werden eingesetzt, die dann mit den Kindern spielen, damit man sie nicht nach Hause schicken muss.
Jedenfalls verkommen die Schulen zu Verwahranstalten, aber darüber redet so gut wie niemand! Es redet auch so gut wie niemand darüber, dass immer mehr Hauptschüler ihren Abschluss nicht mehr schaffen, vor allem in Ostdeutschland, wo es kaum Migranten gibt, denen man das anlasten könnte.
Und dann wundert man sich über schlechte PISA-Ergebnisse. Dass auch noch ein Sarrazin daherkommt und dummdreist behauptet, es läge an Migranten, dass wir immer dümmer werden, ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

Auch tut man so, als sei die Wirtschaftskrise vorbei, aber ich fürchte,die hat noch nicht mal angefangen. Es wird kaum noch davon gesprochen, wie fatal sich der Niedriglohnsektor auswirkt, so dass viele TROTZ Erwerbstätigkeit nicht mehr ihre Familien ernähren können und auf aufstockende Hilfen angewiesen sind, was auch nicht im Interesse des Staates sein kann.
Man könnte noch so vieles anführen, um das sich die Politik mal vordergründig kümmern sollte, statt dessen lässt man die Medien spalten, was das Zeug hält, damit wir nicht merken, was hinter unserem Rücken alles so beschlossen wird. Bzw. wenn wir es merken, ist es zu spät.



Quelle: http://www.muslim-markt.de/forum/messages/2124.htm


Quote

Huntigtons Clash - genau das, glaube ich. Ein künstlicher Feind, ein Popanz, mit dem die Herrschaften von sich selber ablenken, also von denen, die die Wut eigentlich treffen sollte. Die alte Taktik eben, kein bisschen anders als das Nazigeplärr vom "ewigen Juden".

Es ist ganz natürlich, dass bei grüsseren Immigrationswellen ein Teil der Zuwanderer ein oder zwei Gnerationen braucht, um "anzukommen". Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass es nicht so einfach ist, sich in ein anderes Land und eine andere Sprache einzufügen. In Frankreich kann man auch gut sehen, dass sich Gettos herausbilden können, die sich abschotten und abgeschottet werden - die Orte künftiger Pogrome, wenn sich die wirtschaftlichen Nöte vergrössern und lang hinziehen.

Antwort von Sepp Aigner heute à 00h01


...


Aus: "Hetze postmodern: Die Muslime sind an allem schuld" (17. oktober 2010)
Quelle: http://kritische-massen.over-blog.de/article-hetze-postmodern-die-muslime-sind-an-allem-schuld-59069758.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist kein Geheimnis, dass Menschen die benachteiligt, ausgegrenzt oder zu Unrecht behandelt werden, psychisch und körperlich krank werden. Eine Studie der Uni Leipzig zeigt, dass eine gefühlte Diskriminierung bei Menschen mit Migrationshintergrund die Gesundheit stark beeinflusst. Derzeit leben in Deutschland rund 16 Millionen Menschen nicht-deutscher Herkunft. Obwohl die die Gruppe der Zugewanderten sehr groß ist, war bislang kaum bekannt, wie sie sich körperlich und psychisch fühlen. Aus diesem Grund werteten die Sozialforscher um Dipl. Ulrike Igel die Daten von 1844 Männer und Frauen aus, die im Durchschnitt seit rund 20 Jahren in Deutschland leben. Dabei zeigte sich, dass sozioökonomische Faktoren wie die Höhe des Einkommens, die Ausbildungsdauer oder der Erwerbsstatus kaum einen Einfluss auf das psychische Befinden der Migranten hat. Allerdings schlägt die gefühlte Diskriminierung verhältnismäßig stark zu Buche. Wer sich diskriminiert fühlt, der leidet seelisch und erkrankt schließlich auch psychisch und körperlich daran.

... Die Wissenschaftler betrachteten sich die Herkunftsländer der in Deutschland lebenden Migranten etwas genauer. Hierbei wurde deutlich, dass Männer aus dem Ursprungsland Türkei sich wesentlich stärker ausgrenzt fühlen, als beispielsweise Menschen aus Griechenland oder Osteuropa.

Die Befunde und die Sozialforscher Igel und Team zeigen eindrucksvoll, wie stark vermeintlich oder tatsächlich erlebte Ausgrenzung und Zurückweisung auf das Wohlergehen von Migranten durchschlagen. Dabei wirken sich Geld oder beruflicher Status weniger stark auf das Befinden der Menschen, wie die erlebte oder subjektive Ausgrenzung. Diese Ergebnisse decken sich im Übrigen mit den anderen internationalen Studien, aus denen hervorgeht, dass erlebte Benachteiligungen den körperlichen und psychischen Zustand von Migranten verschlechtert und damit die Gesundheit der Betroffenen stark beeinflusst wird. Die Gründe, warum die subjektive oder tatsächliche erlebte Diskriminierung so sehr zur Verschlechterung der Gesundheit beiträgt, ist bislang noch ungeklärt. Hierzu sind weitere Studien notwendig, wie die Autoren in der Fachzeitschrift "Psychiatrische Praxis" schreiben.


Aus: "Rassismus schadet Körper und Psyche"  (sb, 18.10.2010)
Quellnachweis: Der Einfluss von Diskriminierungserfahrungen auf die Gesundheit von Migranten
Psychiatrische Praxis 2010; 37 (4): S. 183-190.
Quelle: http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/rassismus-schadet-koerper-und-psyche-36631.php

-.-

Quote[...] Ein Arzt aus dem hessischen Wächtersbach hatte in seiner Arztpraxis Anfang September ein Schild aufgehängt, auf dem Mädchen und Frauen muslimischer Herkunft untersagt wurde, ein Kopftuch in der Praxis zu tragen. Ferner sollten Patienten über "Grundkenntnisse der deutschen Sprache" verfügen. ,,Kinderreichen islamischen Familien mit mehr als 5 leiblichen Kindern" wollte der Arzt ebenfalls nicht behandeln und verweigerte ihnen quasi mit den aufgesetzten ,,Spielregeln" den Zugang zur Praxis. Nun muss sich der Arzt, der inzwischen das Schild wieder abgehangen hat, sich vor der Kassenärztlichen Vereinigung verantworten. Bei einer mündlichen Unterredung soll der Arzt sein Handeln erklären. Unter Umständen droht dem Arzt der Entzug seiner Zulassung.

Bundesweit hatte der Arzt mit seiner Aktion für Aufsehen gesorgt. Nach zahlreichen Protesten und Berichten in der Presse sah sich der Arzt Missverstanden und hängte seine selbst verfassten ,,Spielregeln" wieder ab. Doch das Kopftuchverbot wird für den Arzt nun möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen haben. Die Kassenärztliche Vereinigung hat nun beschlossen, gegen den Mediziner ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nun muss sich der Arzt in einer mündlichen Verhandlung vor einem Gremium erklären. Das entschied der ein zuständiger Ausschuss in Frankfurt, wie eine KV-Sprecherin erklärte. Doch damit nicht genug, auch die Landesärztekammer will den Fall ebenfalls prüfen. Auch der örtliche türkische Verein sah damals in dem Handel eine Diskriminierung muslimischer Patienten. Allerdings setze man eher auf einen Dialog.

Bei der Unterredung muss der Mediziner dem Gremium der Kassenärztlichen Vereinigung Fragen zu seinem Handeln beantworten. Verläuft die Verhandlung für den Arzt negativ, so könnte er schwerwiegende Sanktionen bis hin zum Entzug der KV- Zulassung davon tragen. Wenn dieser Fall eintritt, darf der Arzt keine Patienten mehr behandeln, die in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Entscheidet sich das Gremium gegen eine Einstellung des Verfahrens, könnte auch eine einfache Verwarnung oder eine Geldstrafe folgen. Wann die Verhandlung tatsächlich statt findet, steht bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest.

Mittlerweile hat sich der Arzt für sein Handeln entschuldigt. "Ich habe mich im Ton vergriffen", resümierte er schon im September. Der Mediziner hatte kurz nach den Berichten in der Presse sein Schild mit den Spielregeln wieder abgehängt und wollte an einer Neufassung arbeiten, die er zuvor mit dem türkisch-islamischen Kulturverein abstimmt. Nach eigenen Angaben hatte der Arzt das Schild aufgehängt, weil es in der Vergangenheit Schwierigkeiten in der Behandlung muslimischer Patienten gab. Ob der Arzt inzwischen abermals ein neues Schild auf gehangen hat, dürfte aufgrund des anberaumten Verfahrens unwahrscheinlich sein.

Das Plakat war zwar mit der Überschrift ,,Spielregeln" versehen, doch standen auf dem Schild Wörter wie ,,striktes Verbot von Kopftüchern" oder ,,Kinderreiche islamische Familien mit mehr als 5 leiblichen Kindern" werden in der Arztpraxis nicht behandelt.
Warum genau das Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, wollte die Kässenärtzliche Vereinigung nicht begründen. Allerdings hatte man bereits im September verlautbaren lassen, dass diese aufgehängten ,,Spielregeln" vermutlich gegen den ärztlichen hippokratischen Eid verstoßen, ,,der so nicht hinnehmbar ist", wie es damals hieß. Nun spricht man von einem "internen Vorgang". Dem Untersuchungsausschuss gehören zwei Ärzte und in Vorsitzender mit der Befähigung zum Richteramt an. Der Mediziner kann bei der Verhandlung einen Rechtsbeistand mitbringen.


Aus: "Verfahren gegen Arzt wegen Kopftuchverbot" (sb, 16.10.2010)
Quelle: http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/verfahren-gegen-arzt-wegen-kopftuchverbot-8781.php


Textaris(txt*bot)

QuoteDanke, wir können nicht klagen! (Herdentrieb - So funktioniert Kapitalismus)
Von Dieter Wermuth 14. Oktober 2010 um 18:25 Uhr

...

Quote
    *  15. Oktober 2010 um 09:26 Uhr
    * KäptnBlaubär


Besonders gefällt mir dieser Absatz: "All dieser Hokuspokus von Financial Engineering, Dienst am Kunden, oder von der angemessenen Belohnung für die Übernahme von Risiken ist eine Verschwendung von Zeit, Kapital und Talent. Am Ende kommt nichts dabei raus, was der Allgemeinheit nützen würde – den Nutzen haben nur diejenigen, die in dem Bereich arbeiten. "..." Die hohen Gehälter locken eine unangemessen große Zahl intelligenter Leute in den Sektor, die an anderer Stelle echte Wertschöpfung betreiben könnten."

Der heutige Finanzsektor ist aus meiner Sicht ein Auswuchs des Kapitalismus, der für die Volkswirtschaft zumindest nutzlos, vermutlich aber eher schädlich ist. Hochbezahlte Menschen können dort durch schnelle Mausschubserei und etwas Glück virtuelle Milliarden erzeugen und auch in Sekundenbruchteilen wieder vernichten. Das wäre nicht weiter schlimm, solange dieses Kasino nur die Banken untereinander beträfe; schlauerweise holt man sich aber zwischendurch, wenn die ersten Fantasiemilliarden kreiert sind, echtes Geld von Leuten, die glauben, dass die künstlich erzeugten hohen Gewinne so weitergehen, steckt sich dieses Geld dann als Bonus in die eigene Tasche, und wenn dann der "unvorhersehbare" Crash kommt, holt man sich noch einen Nachschlag von allen Steuerzahlern.

Das ist ja das Tolle – man redet immer davon, dass die Finanzkrise riesige Summen "vernichtet" habe ... das stimmt so nicht: ein großer Teil der "vernichteten" Werte hat real nie existiert; und der Teil, der vielen ganz konkret auf dem Konto fehlt, liegt jetzt auf den Konten der Banker. Wenn man die rhetorischen Verbrämungen ("innovative Finanzprodukte") mal weglässt, kann man das Ganze eigentlich nur als Diebstahl bezeichnen ...

Und dann muss man sich noch anhören, wir müssten in Deutschland ja unbedingt auch so hohe Gehälter bezahlen, um die "Besten" zu halten oder zu bekommen – Unsinn: alles was man damit erreicht ist, dass man die Gierigsten und Skrupellosesten bekommt.

Ich bin ein klarer Anhänger der (sozialen) Marktwirtschaft, aber solange der Mensch die Gier genetisch in sich trägt, braucht die – notwendige – Organisation des Geldtransfers offensichtlich massive demokratisch legitimierte Kontrolle. Im Extremfall hilft wohl nur eine Verstaatlichung des Bankensektors; bis mich jemand vom Gegenteil überzeugt, sehe ich diesen als nachrangig gegenüber der Realwirtschaft an. Banken sind dazu da, die Geldströme derjenigen, die echte Wertschöpfung betrieben, zu organisieren, und ggf. Kapital bereit zu stellen, damit gute Ideen realisiert werden können, auch wenn diejenigen die sie haben, die dazu nötigen Anfangs-Investionen nicht stemmen können. Alles andere, insbesondere eine Verselbständigung des Bankensektors ist volkswirtschaftllich sinnlos.

Um schnell noch ein ganz anderes Thema mit einzumischen: an dieser Stelle könnten wir ein wenig muslimische Tradition brauchen: der Islam verbietet es, mit Bankgschäften Gewinne zu machen ... in dieser Hinsicht hat unsere "christlich-jüdische" Leitkultur ein paar Schwachstellen.



http://blog.zeit.de/herdentrieb/2010/10/14/danke-wir-konnen-nicht-klagen_2387/comment-page-4#comments


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Potsdam - CSU-Chef Horst Seehofer hat bei seinem Auftritt auf dem Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in Potsdam seine umstrittenen Äußerungen zur Zuwanderungspolitik noch einmal bekräftigt - und ordentlich nachgelegt. Es gebe bei diesem Thema eine Zustimmung aus der Bevölkerung, wie er sie noch nie erlebt habe. Seehofer betonte: "Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein - Multikulti ist tot."

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich moderater - aber auch sie hat die in Deutschland lebenden Ausländer aufgefordert, sich besser in die Gesellschaft zu integrieren. Die Bereitschaft dazu sei bei Menschen aus Einwandererfamilien dringend nötig, sagte Merkel am Freitagabend bei einer CDU-Regionalkonferenz in Berlin. "Die Voraussetzung für die Integration ist, dass man die Sprache hier spricht."

Seehofer betonte bei seiner Rede, einen "Rechtsdrall" der Union strebe er keineswegs an. Er wolle vielmehr "die rechten Spinner verhindern". Man müsse die politischen Verführer von den Parlamenten fernhalten, indem man auf die Sorgen der Bürger eingehe.

Der bayerische Ministerpräsident erklärte, wer in Deutschland leben wolle, der müsse auch bereit sein, die Alltagskultur zu akzeptieren. Außerdem müsse man beim Kampf gegen den Fachkräftemangel zunächst auf die Qualifizierung der Arbeitslosen setzen, bevor man Personal aus dem Ausland rekrutiere. Für hochqualifizierte Fachkräfte gebe es bereits eine Sonderregelung, die sich in der Praxis gut bewährt habe. Auf keinen Fall dürfte Deutschland aber "zum Sozialamt für die ganze Welt werden", so Seehofer.

Der CSU-Vorsitzende forderte die Union vor dem Hintergrund ihres Umfragetiefs zu einem "gesunden Patriotismus" auf. Seehofer sagte am Freitagabend vor dem Parteinachwuchs von CDU und CSU, die Bürger müssten wissen, wofür die Unionsparteien stehen. Man dürfe sich nicht "ständig dafür entschuldigen, dass sie eine Liebe zum eigenen Land hat". Es gebe allen Grund, stolz auf Deutschland zu sein.

Der JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder (CDU) begrüßte die Zuwanderungsthesen des CSU-Chefs. Aufgabe der CSU sei es, "für die Union insgesamt die Lufthoheit über den Stammtischen zurückzugewinnen". Mißfelder, der am Freitagabend als Vorsitzender der JU bestätigt wurde, mahnte, rechts von der Union dürfe es niemals eine demokratisch legitimierte Kraft geben. Er fügte hinzu: "Und der Garant dafür in Deutschland ist und bleibt die CSU."

Vom Zentralrat der Juden in Deutschland erntete Seehofer dagegen scharfe Kritik für seine Äußerungen zur Zuwanderung und Integration in Deutschland. "Da werden alle möglichen Kulturkreise stigmatisiert, diffamiert und über einen Kamm geschert. Das finde ich einerseits verantwortungslos, andererseits schäbig", sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer.

Es bereite ihm "Unbehagen und Angst", dass in der aktuellen Debatte über Integration von Migranten und Zuwanderung die Hemmschwelle sinke. Seehofer wolle offenbar mit diesen populistischen Äußerungen Wählerstimmen gewinnen.

Merkel lastete die Schuld an aktuellen Problemen bei der Integration auch den Vorgängerregierungen an. "Die Versäumnisse von 30, 40 Jahren können nicht so schnell aufgeholt werden", sagte sie.

Auch die CDU-Vorsitzende versicherte: "Wir fühlen uns dem christlichen Menschenbild verbunden, das ist das, was uns ausmacht." Wer das nicht akzeptiere, "der ist bei uns fehl am Platz". Gleichzeitig sollten die Deutschen über ihre Werte und die zunehmende Entfremdung von Religion sprechen, um sich über ihr Land und ihre Gesellschaft zu vergewissern.

jok/itz/APD/dpa


Aus: "Seehofer und Merkel befeuern Leitkultur-Debatte" (15.10.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,723466,00.html

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Quote[...] Nach dem die sogenannte Integrationsdebatte, befeuert von den populistischen und zum Teil sachlich schlicht falschen Äußerungen vom ehemaligen Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, quer durch alle Lager diskutiert wurde, ist gerade eine bemerkenswerte Studie erschienen: Die Studie "Die Mitte in der Krise. Rechtsextremismus in Deutschland 2010" haben Leipziger Wissenschaftlicher im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt. Ihre Vorläufer hat sie in den Studien zu rechtsextremen, Gewalt verherrlichenden und menschenverachtenden Einstellungen in Deutschland – "Vom Rand zur Mitte" (2006) und "Ein Blick in die Mitte" (2008).

Der derzeitigen öffentlichen Debatte um die mangelnde Integrationsbereitschaft einiger Migranten und um die geistige Verfasstheit eines großen Teils der Nicht-Migranten, in deren Mitte erstgenannte sich bitteschön ordentlich hinein integrieren sollen, geben die Ergebnisse dieser Studie eine unerwartete Pointe: Ein paradoxer Befund der Studie ist, dass die Motive der schärfsten Migranten-und-Parallelgesellschaften-Kritiker oftmals selbst alles andere als fortschrittlich sind.

Demnach speist sich die Ablehnung vieler Deutscher vor allem gegen muslimische Migranten selbst aus zutiefst undemokratischen und oft menschenverachtenden Ressentiments. Sie singen nicht das Hohelied der Aufklärung und der "open society", sondern machen mit zum Teil rechtsextremen Vorstellungen gegen eine angebliche Überfremdung mobil (über die vor allem diejenigen klagen, in deren Regionen die wenigsten Ausländer in Deutschland leben). Sie sind nicht viel weniger antisemitisch und chauvinistisch gesinnt, als die von ihnen als fremd empfundenen und abgelehnten muslimisch geprägten Migranten.

[...] Dazu passen auch die Befunde des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer, der in seiner Langzeitstudie "Deutsche Zustände" seit Jahren eine kontinuierliche Zunahme "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" konstatiert: Betroffen davon sind vor allem sozial und wirtschaftlich marginalisierte Schichten. Eine Entwicklung, die durch die Weltwirtschaftskrise in den vergangenen Jahren deutlich an Dynamik gewonnen hat.

Besonders Horst Seehofer bedient derzeit das Ressentiment mit einer Rhetorik, die aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte. Die nationalistische Floskel von "Kulturferner Zuwanderung" bedient ein Ressentiment, das auf ein angeblich homogenes Staatsvolk rekurriert und sehr an die Wahlkampfparole "Mehr Mut für unser Wiener Blut" der rechtspopulistischen FPÖ erinnert.

Dabei steht der Wunsch nach einer ethnisch homogeneren Bevölkerung im völligen Widerspruch zu dem ansonsten so wirtschaftsfreundlichen Kurs der Konservativen.

Wie irrational die Debatte verläuft, zeigt sich an ganz anderen Zahlen. So hat nach Meinung von Annette Schavan, immerhin Bildungsministerin einer konservativen Partei, Deutschland nicht zu viel, sondern zu wenig Ausländer: "Nicht Einwanderung muss uns aufregen, sondern Auswanderung aus Deutschland", erklärte sie vor wenigen Tagen angesichts der Tatsache, dass in den vergangenen zwei Jahren mehr Menschen aus Deutschland fortziehen statt einwandern. Nach Aussage der Wirtschaftsverbände fehlen heute schon rund 400.000 Fachkräfte. Es ist ein großes Versäumnis, dass erst jetzt zaghaft überlegt wird, im Ausland erlangte Abschlüsse in Deutschland mit einfacheren Verfahren anzuerkennen. Bisher sind viel zu viele gut ausgebildete ausländische Fachkräfte hierzulande Taxi gefahren oder Toiletten putzen gegangen. Bleibt es bei dem Mangel an Fachkräften, dann fehlen in wenigen Jahren Millionen Steuer- und Beitragszahler. Dann heißt es auch für Horst Seehofer: Rente gibt es erst mit 72. Bleibt abzuwarten, was Seehofer nach seiner Pensionierung machen wird – in jedem Fall dürfte er Mitglied einer kleinen, feinen Parallelgesellschaft bleiben: Der selbst ernannten Kultur- und Bildungselite dieses Landes.

Quote* 20.10.2010 um 15:34 Uhr
    * glume


[...]


Kritik an einer Studie/einem Artikel können Sie gerne äußern. Kritik setzt jedoch Differenziertheit voraus und bedeutet auf Unterstellungen und Pauschalisierungen zu verzichten Danke, die Redaktion/fk.




Quote* 20.10.2010 um 15:31 Uhr
    * Pünktchen

80. Jahrzehntelang hat es weder die Industrie

noch die Politik gekümmert, Menschen als Gastarbeiter ins Land zu holen, die alle die Arbeiten übernahmen, die Deutsche nicht mehr erledigen wollten. Man hat sie nicht von den Steuern und Sozialabgaben befreit; sie haben sie geleistet! - Es zählte für Industrie und Politik nur der ökonomische Vorteil. Jetzt steht man vor dem Scherbenhaufen, zumal die Industrie wiederum seit zwei Jahrzehnten versäumt hat, den Nachwuchs auszubilden. Man hat sich lieber eingebildet, Hochleistungsfähige zu geringem Entgelt einkaufen zu können - und zwischenzeitlich dafür gesorgt, daß eine Gruppe der Unausgebildeten entsteht, aus der man je nach Gusto Leiharbeiter entnehmen und wieder dorthin entlassen kann - wie die Wanderarbeiter in China oder die Angehörigen der Kaste der Unberührbaren in Indien! Dafür gehen deutsche Ingenieure und Ärzte zu wesentlich besseren Bedingungen ins Ausland - und zu uns kommt keiner mehr: siehe Flop mit der Greencard; da hilft auch kein Punktesystem. - Die deutsche selbsternannte christliche Kulturelite hat Warnungen nicht gelten lassen und kläglich versagt; so bleibt statt Leitkultur nur Leidkultur. - Es ist höchste Zeit, dem vorhandenen inländischen Potenzial von seiten der Industrie seine Chance zu geben - es zu fordern und zu fördern, aber nicht auszubeuten! - DANKE an Tanja Dückers für den Artikel. -


Quote* 20.10.2010 um 15:01 Uhr
    * fidalgo

Wo Gruppen entstehen folgen Konflikte.

Der Artikel erinnert mich an das Robbers Cave Experiment. Wo Gruppen entstehen, auch wenn ihre Einteilung vollkommen willkürlich ist, entsteht eine Aufwertung der eigenen und eine Abwertung der anderen Gruppe. Spannungen zwischen den Gruppen sind fast unvermeidbar.

Ich denke es ist für unser Zusammenleben sehr sinnvoll, wenn die Presse darauf hinweist, dass die Mehrheit sich selbst in unrealistischer Weise überhöht, und das wir in Wirklichkeit gemeinsame Probleme haben, die uns einen, ob wir wollen oder nicht.


Quote* 20.10.2010 um 15:48 Uhr
    * zuckerman

populistisch gegen Populismus argumentiert

Werte Frau Dückers,

selbstverständlich gibt es noch viele andere Parallelgesellschaften als jene gerade im Fokus der politischen Debatte stehenden. Doch warum soll man deshalb den Begriff Parallelgesellschaft nicht mehr benutzen dürfen? Mal abgesehen davon, dass die Probleme einer Parallelgesellschaft nicht verschwinden, indem man auf die Probleme verweist, die es auch mit anderen Parallelgesellschaften gibt.

Einfach ärgerlich, wie die ganze Diskussion abläuft.

Anekdotisch: Die eine Seite echauffiert sich über jeden Kriminalfall eines Migranten, die andere Seite präsentiert Vorzeigemigranten.
Wer mit statistischen Aussagen argumentiert, dem wird unterstellt, er mache kausale Aussagen auf der Individualebene, was man dann flott wieder anekdotisch widerlegt.

Und nun die allerneueste Erkenntnis. Das Problem, über das so heftig gestritten wird, ist gar nicht so wichtig, das Problem liegt vielmehr in der Hauptgesellschaft, wie jetzt ,,wissenschaftlich belegt" ist.

So dumpf die Argumente einiger Sarrazin-Anhänger sind, so dumpf sind auch jene, mit denen die Debatte nun gedreht werden soll: Gut, dass wir jetzt wissen, was wir nie geahnt hätten, dass mehr Mitglieder der Hauptgesellschaft uns eher die letzten Bohlen-Sprüche zitieren können, denn Goethes Faust.

Dumpfbacken gibt es in allen Gruppen. Wie kann man Probleme lösen (wollen) wenn man sich immer nur auf diese fixiert?

Da wird der anderen Seite Populismus vorgeworfen und man selbst arbeitet mit den gleichen Mitteln.


Quote* 20.10.2010 um 16:24 Uhr
    * Medim Üzgözlü

Deutschland wird sich demokratisch verändern

als deutscher Staatsbürger türkischer Nationalität bin ich nach 30 Jahren erfolgreicher Integration stolz auf mein türkisch sein.
Einzig und allein dem deutschen GG und Gesetzen verpflichtet, die keinen Gegensatz zu meiner türkischen Nationalität und islamischen Religiösität bilden.
Was spricht dagegen, dass Deutschland etwas islamischer und türkischer wird, wenn das auf friedlicher und demokratischer Grundlage und im Zuge der zukünftigen demografischen Entwicklung erfolgt?

Dagegen können nur Menschen sein, die den demokratischen und freiheitlichen Konsens aufkündigen wollen.


Quote* 20.10.2010 um 16:25 Uhr
    * R.Wackermann

129. Deutschland uneinig Vaterland

Sie sprechen (schreiben) da in Bezug auf die DDR ein sehr delikates Thema an, auch wenn's off-topic ist.
Neulich habe ich mich daran erinnert, was da 1989/1990 geschah und war wieder sehr bewegt - da hatte sich ein Volk befreit und seinen Käfig eingerissen.
Als damals 31-jähriger Wessi hatte ich ganz ehrlich die Hoffnung, dass Einiges der sozialen Errungenschaften aus dem Osten zu uns herüberkommen würde.
Leider wurde da nix draus, stattdessen sah ich allenthalben die Häme der Sieger.

Nun da der Counterpart im Osten "besiegt" wurde hat sich völlig ungeniert und unwidersprochen eine Geiz-ist-geil nimm-was-du-kriegen-kannst Gesellschaft etabliert in der Ökonomisches alles Andere verdrängt hat.
Natürlich ist in einem so gearteten Umfeld jede zusätzliche Gruppierung eine Konkurrenz und somit eine Bedrohung der eigenen Pfründe.

Aber wie gesagt, ein heikles und delikates Thema... aber irgendwie passt es auch wieder, stossen doch nun ideell gefestigte Gruppierungen von Außerhalb in ein ideelles Vakuum hierzulande.

Bitte kehren Sie zu einer Diskussion des Artikelthemas zurück. Danke, die Redaktion/fk.



Quote* 20.10.2010 um 16:34 Uhr
    * Thrudheim

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Die Strukturursache für Fremdenfeindlichkeit ist neoliberale Ausrichtung der Wirtschaft, die in den letzten Jahren zu einer ökonomischen Bedrohung der "Unter-" und Mittelschichten führte. Mittelbar ist es der faktische Mangel an Arbeitsplätzen und die ständige Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes. Es glaubt in der Realität keiner an die Heilsversprechen eines drohenden wie immer gearteten Fachkräftemangels in der Zukunft. Unterschwellig weiß jeder, dass es sich um in propagandistischer Absicht halluzinierte Szenarien handelt. Reale Erfahrungen haben dem Durchschnittsbürger ein vollkommen anderes Bild der Realität vermittelt. Die Politik hat ihre Glaubwürdigkeit fast vollständig eingebüßt. Sie hat die suggestive Wirkung ihrer Parolen überschätzt. Es bildet sich eine Resistenz.

Das ist dann das Surrogat auf dem Fremdenfeindlichkeit wächst.

Ich persönliche schätze Migranten ebenso wie meine deutschen Mitbürger. Es gibt gute und weniger gute Mitbürger in beiden Bevölkerungsgruppen. Trotzdem darf man doch wohl feststellen, dass Migranten zusätzlich einen schon ohnehin desolaten Arbeitsmarkt belasten. Also bringen wir doch erstmal wieder den Arbeitsmarkt in ein akzeptables Gleichgewicht was Angebot und Nachfrage betrifft. Starten wir eine große Qualifizierungsoffensive für alle die schon hier sind. Wenn das vollbracht ist und es reicht immer noch nicht, dann kann man über weitere Einwanderung reden. Aber keine Diskussion auf der Grundlage von Arbeitgebern erhobenen Daten. Diese Daten müssen unter echter demokratischer Kontrolle erhoben werden. Sonst glaubt denen sowieso keiner.


Quote* 20.10.2010 um 16:38 Uhr
    * wise

Soo alter Käse, das Thema.. ...

Ich empfehle: "Etablierte und Außenseiter" Elias/Scott ursprgl. 1965)

Womöglich erkennt sich der Eine oder Andere ja wieder ;-)

Die Soziologie kennt schon seit Jahrzehnten die Problematik, hat sie hinreichend analysiert und bereits Lösungen vorgestellt. Nur, wenn sie keiner höhren will, dann werden wir wohl 'alle Jahre wieder' die gleichen Argumente zur gleichen Debatte lesen müssen...ermüdend ist das!


Quote* 20.10.2010 um 16:42 Uhr
    * Medim Üzgözlü

Woher kommt die Angst vor Veränderungen

Es will doch niemand der deutschen Mehrheit durch Zwang die türkische Kultur aufzwingen.
Woher kommt nur diese Angst vor dem Fremden und die Unfähigkeit sich verändern zu wollen?


Quote* 20.10.2010 um 17:26 Uhr
    * Der Genesende

Die Dümmsten sind die am wenigsten Informierten

Oh ja, was können Leute wie die Islamwissenschaftler Tilman Nagel, Hans-Peter Raddatz, Gerd-Rüdiger Puin oder Bernhard Lewis? Was kann die Soziologin Necla Kelek oder der Politologe Hamad Abdel-Samad? Was können Bat Ye'or, Bassam Tibi schon zum Thema beitragen (sollten Sie den Namen überhaupt kennen.) Ich weiß, Wissenschaftler können neben Grass oder Müller nicht bestehen, denn sie urteilen zu nüchtern, mit "Zahlen", "Fakten" und ähnlich Verpöntem. Deshalb scheiden auch Karl Döhring und Heinrich Wehler aus. Was können Leute wie Matthias Küntzel, Michael Mannheimer oder Egon Flaig (noch nie gehört? Sie sollten nicht nur das Ihnen Genehme wahrnehmen)
Natürlich ist Sarrazin einer, der nichts versteht, und wenn ihm Forscher wie Rindermann, Rost, Lehr, Weiß, Heinnsohn recht geben, so weil sie nichts von ihrem Fach verstehen. Wenn Christopher Hitchens, Siegfried Kohlhammer, Monika Maron, Journalisten wie Cora Stephan, Henryk M. Broder oder Volker Zastrow, das Thema Islamkritik oder Integration aufgreifen, so steht wohl fest, wie ahnungslos sie sein müssen. Salman Rushdi oder Ayaan Hirsi Ali, Seyran Ateş, Irshad Manji, Turan Dursun, Wafa Sultan oder Ibn Warraq zählen ohnehin nicht, da Betroffene - da fehlt es an der Neutralität eines Grass, nicht wahr?

Ralph Giordano oder Daniel Goldhagen sind geistlose, verwilderte, haßzerfressene Gesellen - unwürdig, uns etwas zu sagen; Oriana Fallaci oder der Philosoph Michel Onfray - sie sind nicht ernst zu nehmen, denn sie vertreten die falsche Meinung.
Das kann man nun auf die hunderte Namen, die weiter hier stehen könnten, gleichermaßen anwenden - Und so wird alles "Geistlose" Schritt für Schritt ausgeschieden, bis am Ende die übrig bleiben, die Ihre Meinung vertreten - als die einzigen mit "Geist" - Und haben Sie die versächtigen Gesellen ausgeschieden, so sagen Sie: "Wo ist euer Beitrag? Was könnt ihr ausser rumschreien?" Dabei ist es nur angenehm, wenn man im Vorfeld diejenigen, die diesem Diktum gefährlich werden könnten und die eigene Überlegenheit anknabbern, verworfen hat, oder, wie ich eher annehme: überhaupt nicht kennt.


Quote* 20.10.2010 um 17:51 Uhr
    * hardtalk

Giordano, Broder

Wuerde man so viel Hass gegen Judentum praedigen, wie diese jungs gegen Islam paedigen, wuerde man in Deutschland ins Gefaengniss kommen. ...


Quote* 20.10.2010 um 17:53 Uhr
    * HerrMustermann

197. Chaos-Argumentation

Der Zeit-Aufsatz wirft alles durcheinander. Rechtsextremismus, Islam, Parallelgesellschaften, demokratische Werte, linksliberale Werte, Umfragen und Realitäten, die Argumentation ist chaotisch.

Es gibt eine sprachliche Ungeschicklichkeiten. Dazu gehören die Vorwürfe, die Muslime "integrieren" sich zu wenig und bildeten "Parallelgesellschaften". Nun, Parallelgesellschaften sind an sich kein Problem, es muss sich auch niemand sozial integrieren. Außenseiter und Eigenbrödler sind keine Feinde unserer Gesellschaftsordnung und Parallelgesellschaften sind das erkennungszeichen jeder pluralistisch-freiheitlichen Gesellschaft und für sich nichts Schlimmes. Aber gerade ganz speziell die desintegrierten Parallelgesellschaften von in Deutschland lebenden Muslimen sind ein Problem.

Es geht nicht um Integration. Es geht eigentlich nur um drei Dinge:

1. Muslime sollen gefälligest Arbeiten und dem Steuerzahler nicht (überdurchscnittlich oft) auf der Tasche liegen.

2. Muslime sollen gefälligste aufhören, (überdurchschnittlich oft)Banden zu bilden und Einheimische anzupöbeln und körperlich anzugreifen, sondern nett zu uns sein.

3. Muslime sollen gefälligst von bestimmen religiös begründeten Wertüberzeugungen abstand nehmen, die wir hier zurecht als abstoßend und grob unmoralisch empfinden.

Das klingt aber nicht so nett. Also sagt man lieber, sie sollten sich "integrieren", (in den arbeitende - freundlich und nichtkriminelle - sowie religiös nicht verblendete - Mehrheitsgesellschaft).


usw.


Aus: "Parallelgesellschaften gibt es nicht nur unter Muslimen" # Von Tanja Dückers (20.10.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/rechtsextremismus


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#99
Quote[...] Walther Rathenau wurde als ältester Sohn des deutsch-jüdischen Industriellen Emil Rathenau (des späteren Gründers der AEG) und seiner Ehefrau Mathilde (geb. Nachmann) in Berlin geboren. Er wuchs zusammen mit seinen jüngeren Geschwistern Erich (1871–1903) und Edith (1883–1952) in Berlin auf und besuchte das Königliche Wilhelms-Gymnasium in Berlin. 1886–1889 studierte er in Straßburg und Berlin Physik, Philosophie und Chemie bis zur Promotion (,,Die Absorption des Lichts in Metallen"). 1889/1890 studierte er Maschinenbau an der Technischen Universität München. Rückblickend schrieb er über seine Jugendzeit:

    ,,In den Jugendjahren eines jeden deutschen Juden gibt es einen schmerzlichen Augenblick, an den er sich zeitlebens erinnert: wenn ihm zum ersten Male voll bewußt wird, daß er als Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus dieser Lage befreien kann.[1]"


...


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Walther_Rathenau (19. Oktober 2010)


-.-

[...] Heinrich Gotthardt von Treitschke (* 15. September 1834 in Dresden; † 28. April 1896 in Berlin) war ein deutscher Historiker, politischer Publizist und Mitglied des Reichstags (von 1871 bis 1884, zunächst als nationalliberaler Abgeordneter, seit 1879 ohne Parteizugehörigkeit). ... Von Treitschke stammt der Satz ,,Die Juden sind unser Unglück", der später das Schlagwort des nationalsozialistischen Hetzblattes Der Stürmer wurde.  ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Treitschke

-.-

Quote[...] Der Berliner Antisemitismusstreit war eine öffentliche Debatte von 1879 bis 1881 im Kaiserreich über den Einfluss des Judentums, die sogenannte Judenfrage. ...

[...] im Herbst [wurde] die antisemitische Agitation im Kaiserreich verstärkt. Adolf Stöcker hatte nach Misserfolgen seiner 1878 gegründeten Christlich-sozialen Partei  am 16. September 1879 mit einer Rede ,,Unsere Forderungen an das Judentum" gestellt, um damit unzufriedene Kleinbürger und Handwerker, aber auch konservative Großbürger als neue Wähler zu gewinnen. Das kulturpessimistische und rassistische Buch von Wilhelm Marr Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum  fand damals reißenden Absatz. [...] Es fanden sich politische Führer, die seinen Bruch mit dem Liberalismus begrüßten und den Antisemitismus benutzten, um den nationalen Geist zu verstärken, von dem das deutsche Reich noch zu wenig zu haben schien.

[...] Am 15. November 1879 veröffentlichte Treitschke in den von ihm herausgegebenen ,,Preußischen Jahrbüchern" einen Aufsatz mit dem Titel: ,,Unsere Aussichten"[2]. Gut zwei Drittel bestanden aus einem Jahresrückblick auf die Außen- und Innenpolitik des Deutschen Reiches. Er begrüßte Bismarcks Verhalten auf dem Berliner Kongress  vom Juli des Jahres als Ausdruck nationalen Selbstbewusstseins, das sich auf weltanschauliche und kulturelle Homogenität stütze. Der Vollendung der äußeren Einheit müsse die ,,innere Reichsgründung", nämlich ein ,,gekräftigtes Nationalgefühl" folgen. Das ,,constitutionelle Königthum" sei gegen ,,innere Reichsfeinde" offensiv zu verteidigen.

Auf den letzten fünf Seiten thematisierte Treitschke Gefahren, die er für die nationale Einheit zu erkennen glaubte. Er sah sie durch ,,die weichliche Philanthropie unseres Zeitalters" und eine ,,nationale Sonderexistenz" der deutschen Juden bedroht und behauptete, sie seien Gegner der nationalen Einigung Deutschlands und nicht willens zur gesellschaftlichen Assimilation. Gleichwohl seien sie Deutschland für die Emanzipation Dank schuldig ...

[...] Daher müssten die Juden ,,sich den Sitten und Gedanken ihrer christlichen Mitbürger annähern" und ,,Pietät  zeigen gegen den Glauben, die Sitten und Gefühle des deutschen Volks, das alte Unbill längst gesühnt und ihnen die Rechte des Menschen und des Bürgers geschenkt hat ...", indem sie nun ,,auch innerlich Deutsche werden." Er entrüstete sich über ihren Undank und Egoismus:

   ,,Kaum war die Emancipation errungen, so bestand man dreist auf seinem ,Schein'; man forderte die buchstäbliche Parität in Allem und Jedem und wollte nicht mehr sehen, dass wir Deutschen denn doch ein christliches Volk sind..."

Dagegen sei mit Recht eine ,,natürliche Reaktion des germanischen Volksgefühls gegen ein fremdes Element" entstanden:

   ...der Instinkt der Massen hat in der That eine schwere Gefahr, einen hochbedenklichen Schaden des neuen deutschen Lebens richtig erkannt: es ist keine leere Redensart, wenn man heute von einer deutschen Judenfrage spricht. [...]

Wie schon Ernst Moritz Arndt (1821) beschwor er einen angeblichen Zustrom sogenannter ,,Ostjuden":

   ,,Über unsere Ostgrenze aber dringt Jahr für Jahr aus der unerschöpflichen polnischen Wiege eine Schaar strebsamer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dies fremde Volksthum mit dem unseren verschmelzen können."

,,Der Jude" sitze bereits ,,in tausenden deutscher Dörfer", wo er ,,seine Nachbarn wuchernd" ausverkaufe. Die Diskussion dieser Frage werde nur durch die ,,Tabuisierung jüdischer Schwäche" in der Presse gehemmt. Dieses Tabu gelte es zu brechen.

Treitschke verlangte wie Stöcker, Juden sollten ihre angebliche Überheblichkeit zurücknehmen. Sie seien ,,Deutsch redende Orientalen", die auf ihren traditionellen Unterschieden beharrten; daher müsse von ihnen Bescheidenheit, Demut, Toleranz gegenüber den Deutschen verlangt werden. Er forderte ,,unsere israelitischen Mitbürger" auf:

   ,,Sie sollen Deutsche werden, sich schlicht und recht als Deutsche fühlen – unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten heiligen Erinnerungen, die uns allen ehrwürdig sind; denn wir wollen nicht, daß auf die Jahrtausende germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-jüdischer Mischcultur folge."

Er schloss mit dem Satz:[3]

   ,,Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuths mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!"

Treitschke wollte die Gleichberechtigung der Juden also nicht zurücknehmen. Doch er verstand diese nicht als Folge unveräußerlicher Menschenrechte, die der Nationalstaat zu schützen habe, sondern als Geschenk der preußischen Monarchie, die daher Ansprüche an die Beschenkten stellen könne. Der Führungsanspruch einer als Leitkultur aufgefassten Synthese von Deutschtum und Christentum stand für ihn außer Frage.

...

[...] Bis zum Sommer 1880 reagierten fast nur politische Gegner und jüdische Akademiker auf Treitschkes Angriffe. Die Öffentlichkeit nahm den Streit daher zunächst als Kontroverse zwischen einem angesehenen deutschen Professor und einigen betroffenen Juden wahr, die seine Angriffe abzuwehren versuchten.

Der Kommentar der ,,Allgemeinen Zeitung des Judenthums" vom 9. Dezember 1879 stellte Treitschkes Aussagen über jüdische Börsenjobber, Zeitungsmagnaten und Hosenverkäufer in eine Linie mit mittelalterlicher Pogromhetze[4]:

   ,,Es sind dies nichts anderes als die alten Beschuldigungen der Brunnenvergiftung, der Hostienentweihung, der Schuld am Schwarzen Tod [...] in neuer Gestalt... Und dazu gibt sich auch ein Herr von Treitschke her!"

Als erster Akademiker reagierte der Breslauer Rabbiner und Philosoph Manuel Joël (1826–1890) im Dezember 1879 mit einem offenen Brief, in dem er Treitschke vorwarf, die Juden zu Unrecht allein für Missstände im Land verantwortlich zu machen und damit erst recht als Sonderkörper [...] im nationalen Organismus zu isolieren. Treitschke übertreibe die angebliche Masseneinwanderung aus Polen. Jüdischer und germanischer Geist seien miteinander verträglich, da das Christentum jüdischen Ursprungs sei.

Der zum Protestantismus konvertierte Paulus Stephanus Cassel veröffentlichte ebenfalls noch im Dezember seine Schrift Wider Heinrich von Treitschke. Für die Juden. Er war zunächst der einzige Christ, der den Angriffen öffentlich entgegentrat.

Von Ludwig Bamberger erschien im Januar 1880 in der Zeitschrift Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart der lange Aufsatz Deutschtum und Judentum, der historische und politische Unzulänglichkeiten Treitschkes ironisch aufdeckte und das Selbstverständnis deutscher Juden erklärte. Er stellte abschließend fest:[5]

   ,,Darin hat Herr von Treitschke den Juden einen Dienst geleistet, dass er viele, die unter dem Eindruck der letzten Jahrzehnte sich Illusionen hingegeben, auf das wahre Sachverhältnis wieder aufmerksam machte ... Es ist besser, die Juden kennen das Gefühl des Widerstrebens, welches unter dem Zwange der äußeren Höflichkeit sich verbirgt."

Der jüdische Historiker Heinrich Graetz (1817–1891), Autor einer bis heute berühmten Geschichte der Juden, versuchte Treitschkes Vorwürfe als unhaltbar zu widerlegen. Er wollte nicht als jüdischer Nationalist betrachtet werden, betonte aber im letzten Band seines Werks, dass die Eigenart des ,,jüdischen Volksstamms" in der Nachwirkung und Erinnerung seiner biblischen Berufung am Berg Sinai bestehe. Ohne Kenntnis dieses Ursprungs bleibe das Gemeinschaftsgefühl heutiger Juden unverständlich.[6]

Treitschke griff Graetz mit einem zweiten Aufsatz persönlich an und stellte ihn als Beispiel für jüdischen ,,Todhass" gegen bedeutende Vertreter deutscher Kultur hin.  ...

... Von den konservativen Zeitungen hatte anfangs nur die der katholischen Zentrumspartei  nahestehende ,,Germania" schon am 28. November 1879 Stellung bezogen: Sie druckte Treitschkes ersten Aufsatz teilweise ab und wies ihre Leser darauf hin, dass dieser ihre judenfeindliche Agitation seit 1873 bestätigt habe.

Wilhelm Marr und andere Antisemiten begrüßten Treitschke emphatisch als Bundesgenossen, der ihre Position mit seiner wissenschaftlichen Autorität aufwerte. Ab Januar bis April 1880 nahmen antisemitische Stimmen in der Presse wie auch unter Akademikern zu. So erschien im ,,Reichsboten" ein Artikel über Treitschkes Bedeutung für die ,,antisemitische Bewegung". Auch die von Wilhelm Marr gegründete, damals bereits aber nicht mehr von ihm redigierte ,,Deutsche Wacht" begrüßte Treitschkes Forderungen als Zustimmung zu ihrer Agitation.

Der Berliner Professor Wilhelm Endner beantwortete im Januar 1880 Bresslaus Schrift. Treitschkes Antwort darauf sei zu milde gewesen. Von den Juden, die das Land aussaugten, müsse verlangt werden, endlich körperlich zu arbeiten. Sie sollten ihre Auffassung von koscheren Lebensmitteln fallen lassen und die jüdischen Feiertage aufgeben. Christen und Juden könnten sich sonst nie annähern und zusammenleben. Eine Verschmelzung sei unmöglich, da dann auch die Deutschen – die Endner mit den Christen gleichsetzte – einen Teil ihrer Identität opfern müssten. Das Eigentümliche des Juden sei dem natürlichen Gefühl des Deutschen eben unsympathisch, unangenehm, zum Teil selbst widerlich.[10]

...


[...] veröffentlichten 75 angesehene Berliner Bürger am 14. November 1880 eine sogenannte Notabeln-Erklärung gegen den Antisemitismus in der Nationalzeitung Berlin. Darin hieß es:[15]

   ,,In unerwarteter und tief beschämender Weise wird jetzt und an verschiedenen Orten, zumal in den größten Städten des Reiches, der Rassenhass und der Fanatismus des Mittelalters wieder ins Leben gerufen und gegen unsere jüdischen Mitbürger gerichtet. [...]
   ... gebrochen wird die Vorschrift des Gesetzes wie die Vorschrift der Ehre, dass alle Deutschen in Rechten und Pflichten gleich sind. [...] Schon hört man den Ruf nach Ausnahmegesetzen und Ausschließung der Juden von diesem oder jenem Beruf oder Erwerb, von Auszeichnungen und Vertrauensstellungen. Wie lange noch wird es währen, bis der Haufe auch in diesen einstimmt?
   Noch ist es Zeit, der Verwirrung entgegenzutreten und nationale Schmach abzuwenden, noch kann die künstlich angefachte Leidenschaft der Menge gebrochen werden durch den Widerstand besonnener Männer. [...]
   Verteidigt in öffentlicher Erklärung und ruhiger Belehrung den Boden unseres gemeinsamen Lebens: Achtung jedes Bekenntnisses, gleiches Recht, gleiche Sonne im Wettkampf, gleiche Anerkennung tüchtigen Strebens für Christen und Juden."

Erstunterzeichner waren u. a. die Professoren Johann Gustav Droysen, Rudolf von Gneist, Rudolf Virchow und Theodor Mommsen. ...

...


Aus: "Berliner Antisemitismusstreit" (15. September 2010)
Quelle:  http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Antisemitismusstreit

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Der Antisemitismus ist eine mit Nationalismus, Sozialdarwinismus und Rassismus begründete Judenfeindlichkeit ...
Als Erfinder des Wortes Antisemitismus gilt der deutsche Journalist Wilhelm Marr (1879), von antisemitischen Vorurteilen sprach erstmals Moritz Steinschneider 1860 in Bezug auf die Werke von Ernest Renan. Die internationale Antisemitismusforschung widmet sich seit 1945 der Erklärung des Phänomens. Die Artikelaufteilung berücksichtigt ihre begrifflichen und epochalen Differenzierungen. ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_%28bis_1945%29


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Geschichte der Juden in Deutschland
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Deutschland



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#100
Quote[...] Berlin - Die deutsche "Leitkultur" ist in der Union derzeit wieder in Mode. Wirklich weg war sie zwar nie, seit Friedrich Merz den Begriff vor rund zehn Jahren in die breitere politische Debatte eingeführt hatte. 2007 schrieb sich die CDU das Bekenntnis zur Leitkultur auch ins Grundsatzprogramm. Doch seit die Integrationsdebatte in Deutschland an Fahrt gewonnen hat, berufen sich führende Christdemokraten wieder besonders gerne auf eine Werteordnung, an der sich hier lebende Ausländer zu orientieren hätten.

"Unsere kulturellen Werte, geprägt durch eine christlich-jüdische Tradition, der sich die CDU besonders verbunden fühlt, und historischen Erfahrungen sind die Grundlage für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bilden unsere Leitkultur", heißt es nun in einem Antrag der CDU-Spitze für den Bundesparteitag im November. "Wir erwarten von denjenigen, die zu uns kommen, dass sie diese respektieren."

Den Antragsentwurf will der CDU-Bundesvorstand am kommenden Montag beschließen. Das Papier mit dem Titel "Verantwortung Zukunft" umfasst elf Seiten, das Kapitel zur Integrations- und Zuwanderungspolitik nimmt dabei den größten Raum ein. "Deutsches Interesse statt Multi-Kulti" ist der Abschnitt überschrieben. Die CDU habe als Regierungspartei die "rot-grüne Multi-Kulti-Politik beendet", heißt es. "Wir haben damit die Integrationspolitik an unseren Interessen ausgerichtet und Schluss gemacht mit einer Politik falsch verstandener Toleranz."

Die besondere Betonung der christlich-jüdischen Tradition findet sich im Grundsatzprogramm der CDU im Zusammenhang mit dem Leitkulturbegriff nicht. Dass sie nun im Parteitagsantrag der CDU-Spitze auftaucht, kann auch als Abgrenzung zu den Worten von Bundespräsident Christian Wulff verstanden werden.

... "Keine Toleranz" will die CDU künftig gegenüber sogenannten Integrationsverweigerern walten lassen. "Wer sich seinen Pflichten entzieht, für den sind Sanktionen mit Folgen für seinen Aufenthaltsstatus und seine Leistungsansprüche vorgesehen", schreiben die Autoren. "Wir werden deshalb künftig noch stärker dafür Sorge tragen, dass die Sanktionsmöglichkeiten konsequent angewandt werden und prüfen, ob weitere Verschärfungen notwendig sind."

Die Parteiführung geht in dem Entwurf auch auf die aktuelle Profildebatte in der Union ein - allerdings ohne dabei Defizite auf der konservativen Flanke einzuräumen. Die CDU als "Volkspartei der Mitte", bekenne sich zu ihren konservativen, liberalen und christlich-sozialen Wurzeln. "Die CDU ist nicht von jedem ein bisschen, sondern alles in einem. Keine dieser Wurzeln ist die alleinig Bestimmende", heißt es, verbunden mit der Mahnung, diese Begriffe nicht gegeneinander auszuspielen.

Indirekt warnt die Parteispitze in dem Papier auch vor dem Entstehen einer neuen politischen Gruppierung rechts der Union: "Aus unserer Integrationskraft leiten wir die Aufgabe ab, einer Zersplitterung der Parteienlandschaft entschlossen entgegenzutreten."


Aus: "Antrag zum Parteitag: CDU-Spitze beschwört die deutsche Leitkultur" Von Philipp Wittrock (20.10.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,724259,00.html


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Quote[...] Am 17. Oktober 2010 erklärte Kanzlerin Angela Merkel, dass der multikulturelle Ansatz des Zusammenlebens gescheitert sei. Nun sollte man ihr zumindest anrechnen, dass sie die konservative Linie der Debatte über eine "Leitkultur" von vor zwei Jahren konsequent weiterführte. Diese vertrat die Ansicht, dass jeder Staat auf einem vorherrschenden Kulturraum basiert, den die Mitglieder anderer Kulturen, die dort leben, respektieren sollten.

Anstatt nun einfach das Lamento anzustimmen, dass solche Standpunkte den neuen aufkeimenden Rassismus in Europa begleiten, sollten wir unseren kritischen Blick auf uns selbst richten und uns fragen, inwieweit unser abstrakter Multikulturalismus zu diesem traurigen Stand der Dinge geführt hat.


Und da beginnen schon die Schwierigkeiten: Gründet sich nicht jede Praxis des Universalismus auf ein bestimmtes kulturelles Feld? Das macht die Frage nach einer verpflichtenden universellen Bildung zu so einem heiklen Thema. Liberale bestehen darauf, dass Kinder das Recht haben sollen, Teil ihrer jeweiligen Gemeinde zu bleiben, jedenfalls dann, wenn dies aus wirklich freiem Willen geschieht. Kinder der Amish in den USA sollten beispielsweise effektiv die freie Wahl haben, ob sie das Leben ihrer Eltern oder der "Englischen" wählen. Das aber kann nur funktionieren, wenn sie sich ausreichend kundig machen können - der einzige Weg, dies zu tun, wäre also, sie aus ihrer Amish-Gemeinde herauszureißen.

Entsprechend stößt die übliche liberale Haltung an Grenzen, wenn es um moslemische Frauen geht, die einen Schleier tragen: Sie könnten diese gerne tun, heißt es, sofern die Verschleierung ihre eigene Entscheidung sei und ihnen nicht von ihren Ehemännern und Familien aufgezwungen werde. Sobald diese Frauen den Schleier jedoch auf Grund ihres freien Willens tragen, verändert sich auch die Bedeutung des Schleiers grundlegend: Er ist dann eben nicht mehr ein Zeichen ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Muslime, sondern ein Ausdruck ihres idiosynkratischen Individualismus, ihrer spirituellen Sinnsuche und ihrer Ablehnung einer kommerzialisierten Sexualität, oder gar eine politische Geste des Protests gegen den Westen.

Das ist auch der Grund, warum Menschen, die sich in unseren säkularen Gesellschaften einen tiefen Glauben bewahren, in einer defensiven Rolle wiederfinden.

Selbst wenn es ihnen erlaubt ist, ihrem Glauben nachzugehen, wird dieser Glaube doch nur als ihre idiosynkratische persönliche Auffassung "toleriert". Sobald sie diesen Glauben und das, was er ihnen bedeutet, öffentlich bekunden, sobald sie eine starke religiöse Zugehörigkeit demonstrieren, werden sie des "Fundamentalismus" bezichtigt. Das aber bedeutet, dass der "freie Wille" im "toleranten" multikulturellen Sinne des Westens nur als Ergebnis eines extrem brutalen Vorgangs gefunden werden kann, in dem man mit seinen eigenen Wurzeln bricht.

Die weltlichen Gesetze des Westens unterscheiden sich nicht nur inhaltlich von religiösen Rechtssystemen, sie funktionieren auch formal ganz anders. Damit reduziert sich die schlichte Unterscheidung zwischen liberalem Universalismus und besonderen ethnischen Identitäten auf eine Unterscheidung zwischen zwei Besonderheiten. Der Universalismus einer westlichen liberalen Gesellschaft beruht nicht auf der Tatsache, dass seine Werte wie die Menschenrechte in dem Sinne universal sind, dass sie für alle Kulturen gültig sind, sondern in einem viel radikaleren Sinne: dass Individuen sich selbst als "universell" verstehen, dass sie an der universellen Dimension direkt teilhaben, ohne Rücksicht auf ihren jeweiligen sozialen Ort.

Das Problematische an Gesetzen für eine bestimmte ethnische oder religiöse Gruppe ist, dass sich nicht alle Menschen einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlen. Außer Personen, die zu solchen Gruppen gehören, sollte es deswegen universelle Individuen geben, die ausschließlich den Gesetzen des Staates unterliegen. Außer Äpfeln, Birnen und Trauben sollte es also auch einen Raum für Obst an sich geben.

Auch wenn liberale Linke die Idee einer "Leitkultur" als heimlichen Rassismus verdammen, so wäre doch zuzugestehen, dass diese Idee zumindest eine angemessene Tatsachenbeschreibung darstellt.

Der Respekt individueller Freiheiten und Rechte, auch auf Kosten von Rechten einzelner Gruppen die volle Gleichberechtigung von Frauen, die Religionsfreiheit (inklusive des Atheismus), die Freiheit der sexuellen Orientierung, die Freiheit jeden und alles zu kritisieren, sind zentrale Bestandteile einer liberalen Leitkultur.

Das sollte auch die Antwort an all jene Moslems sein, die in westlichen Ländern gegen ihre Behandlung protestieren, während sie beispielsweise akzeptieren, dass es in Saudi-Arabien verboten ist, öffentlich nach einem anderen Glauben zu beten als dem Islam. Sie sollten akzeptieren, dass die gleiche Leitkultur, die ihnen ihre religiöse Freiheit im Westen garantiert, von ihnen den Respekt aller anderen Freiheiten abverlangt. Die Freiheit der Moslems ist Teil der Freiheit Salman Rushdies, zu schreiben, was er will. Man kann nicht nur die westlichen Freiheiten einklagen, die einem passen.

In meiner Heimat Slowenien tobt seit einigen Jahren eine Debatte darüber, ob Moslems, die meisten von ihnen Einwanderer aus Republiken des ehemaligen Jugoslawiens, in Ljubljana eine Moschee bauen dürfen. Während sich Konservative aus kulturellen, politischen und architektonischen Gründen gegen die Moschee aussprachen, blieb die Wochenzeitschrift Mladina deutlich auf ihrer Linie, für die Rechte von Menschen aus anderen ehemals jugoslawischen Republiken einzutreten, und unterstützte den Bau. Es überrascht nicht, dass Mladina auch die einzige Zeitschrift war, die die Mohammed-Karikaturen abdruckte. Auf der anderen Seite waren diejenigen, die das größte "Verständnis" für die gewalttätigen moslemischen Proteste zeigten, diejenigen, die immer wieder ihre Sorge um das christliche Europa bekundeten.

Um jedes Missverständnis zu vermeiden - das alles sollte natürlich auch für den christlichen Glauben gelten. Am 2.Mai 2007 bezichtigte die Vatikan-Zeitung L'Osservatore Romano den italienischen Komiker Andrea Rivera für seine Kritik am Papst des "Terrorismus". Als Moderator eines Rockfestivals im Fernsehen hatte River die Haltung des Papstes zur Evolution angegriffen. Außerdem hatte er die Kirche kritisiert, weil sie Piergiorgio Welby ein katholisches Begräbnis verweigerten, einem Opfer der Muskelatrophie, der für die Sterbehilfe gekämpft hatte und gestorben war, nachdem sein Arzt sein Beatmungsgerät ausgeschaltet hatte.

Der Vatikan reagierte wie folgt darauf: "Auch dies ist Terrorismus. Es ist Terrorismus, die Kirche anzugreifen. Es ist Terrorismus, blinde und irrationale Wut gegen jemanden zu richten, der immer im Namen der Liebe spricht." Diese Gleichsetzung intellektueller Kritik mit physischem Terrorismus verletzt die westeuropäische Leitkultur, die auf einer universellen Sphäre einer "öffentlichen Vernunft" besteht.

Die Meinungsfreiheit funktioniert nur, wenn alle den gleichen ungeschriebenen Höflichkeitsregeln folgen, die festlegen, welche Formen von Angriff unannehmbar sind, auch wenn sie letztlich vom Gesetz geschützt werden. Diese Höflichkeitsregeln können uns auch aufzeigen, welche Merkmale eines ethnischen oder religiösen Lebenswandels akzeptabel sind und welche nicht. Wenn sich allerdings nicht alle Beteiligten auf solche ungeschriebenen Formen einigen, wandelt sich der Multikulturalismus in gesetzlich geregelte Ignoranz und Hass.

Das ist der Grund, warum es die essenzielle Aufgabe aller ist, die heute für Emanzipation kämpfen, über den reinen Respekt für andere hinauszuwachsen und eine positive, emanzipatorische Leitkultur zu finden, in der die Koexistenz und die Vermischung verschiedener Kulturen möglich wird. Und den kommenden Kampf für eine solche Leitkultur aufzunehmen.

...

Quote26.10.2010 um 11:04 Uhr, RuppertK schreibt

Oh Wunder

Wer hätte das gedacht? Ein Beitrag zum Integrationsthema mit intellektuellem, gar analytischem Anspruch. Keine 100+xte Wiederholung des ewiggleichen Talkshow-Gebrabbels, ohne Gähnanfall und nicht in 10 Sekunden lesbar! Und das im Jahre 2010, nach Pisa und Bologna und jahrzehntelanger ungebremster Verflachung der öffentlichen Debatte. Unfaßbar.



Quote26.10.2010 um 10:23 Uhr, likewise schreibt

Multikulturalismus ist eine gelebte Alltäglichkeit

Wir vergessen lediglich stets, daß unterschiedliche Kulturen nicht notwendigerweise unterschiedliche Nationalitäten voraussetzen. Wir alle reden mit einem dreijährigen Kind anders als mit einem Hausmeister oder Zahnarzt, einem Vorgesetzten oder Untergebenen und gehen mit ihnen entsprechend um. Auch unterdiesen Berufsgruppen haben sich in gewisser Weise unterschiedliche Kulturen gebildet, vbzw. sind die Voraussetzungen der Kommunikation und des Umgangs grundverschieden.

Gleiche Höflichkeitsformen helfen sicher, übrhaupt, um Knigge neklingen zu lassen, Umgangsformen. Es ließen sich eine Reihe ähnlicher Voraussetzungen/Forderungen finden (z.B. aktive Bereitschaft zum Verständnis, nicht-diskriminiernde Einstellung, Erkennen und Beseitigen eigener Ressentiments) -- alles läßt sich aber subsummieren unter den Begriff soziale Kompetenz, vielleicht konkretisiert auf intrkulturelle Kompetenz. Diese muß gefördert werden. Auf allen Seiten. Höflichkeit dagegen ist diesbezüglich nur eine Sekundärtugend.



Aus: "Zur Integrations-Debatte Der kommende Kampf" Von Slavoj Zizek (26.10.2010)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/zur-integrations-debatte-der-kommende-kampf-1.1015975

Slavoj Žižek
http://de.wikipedia.org/wiki/Slavoj_%C5%BDi%C5%BEek

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Quote[...] Slavoj Žižek: Die Sozialdemokratie in Europa wird geschwächt. Die Zukunft besteht in liberalem Kapitalismus und fundamentalistischer, nationalistischer, gegen Immigranten gerichteter Reaktion. Berlusconi könnte das Gesicht der Zukunft sein. Er ist eine Art Groucho Marx an der Macht. Es könnte ein neuer Autoritarismus entstehen, in dem lediglich die kleinen Freiheiten der Sexualität und des Konsums bestehen. Und die Finanzkrise ist nicht der Anfang vom Ende, sondern nach Naomi Klein eine Schocktherapie, die den Kapitalismus stützt.

[...] Oft werden Sie für einen guten Entertainer gehalten, der inhaltlich ein Scharlatan ist. Stört Sie das?

Slavoj Žižek: Ich mag es, die Leute zum Denken zu bringen, und da helfen manchmal auch Witze. Aber ich stimme Ihnen zu, vielleicht bin ich zu weit gegangen. Die Vorwürfe gegen mich werden härter. Mittlerweile bezichtigt man mich des Antisemitismus wegen dieser Hitler-Stelle. Das verschlägt mir den Atem. Das ist doch eine Position, die ich kritisiere. Trotzdem glaube ich, dass ich nicht ganz falsch liege, denn in der ägyptischen Zeitung Al-Ahram wurde mein Buch ["Auf verlorenem Posten" (Suhrkamp, 2009)] als prozionistisch kritisiert. Aber ich gebe Ihnen recht. Ich hab es satt, und deswegen kehre ich jetzt zurück zur reinen Theorie. Ich schreibe gerade an einem dicken, fetten Buch über Hegel und habe schon 700 Seiten.

Auf der letzten Kommunismus-Konferenz wollten Sie die "Internationale" singen. Was singen Sie dieses Mal?

Slavoj Žižek: Das war völliger Blödsinn. Rammstein passt viel besser. Die sind absolut fortschrittlich.

Wie kommen Sie denn jetzt darauf?

Slavoj Žižek: So wie Charlie Chaplin in "Der große Diktator" Hitler zwischen Gebrabbel nur "Apfelstrudel" und "Wiener Schnitzel" sagen lässt, so sabotiert Rammstein auf obszöne Weise die faschistische Utopie. Ich kenne nur zwei Stücke von Rammstein. Als Theoretiker hat man das Recht, über Dinge zu schreiben, die man nicht kennt. Ich glaube an die absolute Theorie.

...


Aus: "Slavoj Zizek - Wir wollen ein neues Produkt"  (7. Oktober 2010 )
Quelle: http://kosova-aktuell.de/index.php?option=com_content&task=view&id=1581&Itemid=1



Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wie also sähe eine kluge feministische Position aus? Sie sollte sich beschränken und klar machen, dass die hiesige Debatte um ein Burkaverbot nichts mit der arabischen Welt zu tun hat, sondern mit einer Selbstverständigung Europas über den Umgang mit dem religiösen wie politischen Islam. Es geht hier Symbolpolitik, ausgetragen am Körper von Frauen. Letztlich bleibt die europäische Debatte eine abstrakte Selbstbespiegelung, denn eigentlich können wir nicht wirklich über die Bedeutung der Verschleierung sprechen, solange wir nicht in den entsprechenden Regionen oder Milieus selbst gelebt haben.

[...] Ohne die Gewalt, die in der Vollverschleierung steckt, zu verleugnen, gilt doch, dass ein Verbot der Verschleierung muslimische Frauen hier eher beschneidet als befreit. Um Frauen zu unterstützen, hilft eher der "Ausbau von institutionellen Maßnahmen, welche Frauen dabei helfen, ihre individuellen Rechte besser einzufordern", argumentieren Katrin Rieder und Elisabeth Joris in der NZZ.

Es bleibt, dass es eine eindeutige Position nicht geben kann. Es sei denn, man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. In Paris sind neulich "Niquabitches" - obenrum voll verschleiert, unten fast ohne - an verschiedenen Ministerien vorbeiflaniert, um zu testen, ob sie wohl verhaftet werden (zu sehen auf Youtube). Die Frauen, die in ihrer oberen Körperhälfte zum Ärgernis des laizistischen Staates werden und in der unteren zum Affront gegen den orthodoxen Islam, bringen es auf den Punkt: Wer es schafft, entgegen gesetzte Regime gleichzeitig zu verprellen, ist - feministisch gesehen - auf der richtigen Seite. (Andrea Roedig/dieStandard.at, 20.10.2010)

Andrea Roedig ist promovierte Philosophin; von 2001 bis 2006 leitete sie das Kulturressort der deutschen Wochenzeitung "Freitag". Seit 2007 lebt und arbeitet sie in Wien.


Aus: "Gastkommentar: Schleier der Wahrheit" (19. Oktober 2010)
Quelle: http://diestandard.at/1287099456822/Gastkommentar-Schleier-der-Wahrheit


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Heute findet der Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt statt. Es ist bereits der vierte. Anstatt aber die Integration voranzubringen, hat sich die von rechten und xenophoben Gruppen geschürte Stimmung gegen die Ausländer gewandt. Statt von Integration zu sprechen, stehen Sanktionen oder Abschiebungen auf der Agenda der erregten und zugleich verängstigten Menschen. Obgleich allen klar ist, dass die Zahl der Integrationsunwilligen marginal ist und die Vorstellung einer deutschen Festung, die sich vor Ausländern einschließt, gerade die Zukunft des Landes verspielt, steht das Thema ganz oben und verdrängt weitaus wichtigere.

Nun machen endlich mal einige Wirtschaftsverbände von Migranten ihrer Verbitterung Luft, schließlich kokettieren viele Politiker mit den ausländerfeindlichen Parolen, um ihr Mäntelchen in den vermeintlich günstigen Wind zu hängen. Sie schreiben in einem Appell an die Regierung:

"Deutschland verdumme durch Einwanderer, brauche keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen, heißt es von einigen deutschen Politikern mit einem Seitenblick auf den Stammtisch. Wir, die Integrierten, haben die Debatte, die in unserem Land stattfindet, satt. Und zwar gründlich!" In 600.000 Betrieben in Deutschland würden 2,5 Millionen Menschen beschäftigt sein, 2010 hätten ausländische Existentgründer 150.000 neue Jobs geschaffen.

Gefordert wird, dass die deutsche Politik sich zu den Eingewanderten als Teil der deutschen Identität bekennt. Die Steuergelder, die von diesen stammen, müssten stärker für die bessere Integration verwendet werden. Endlich sollten die ausländischen Berufs- und Bildungsqualifizierungen anerkannt werden.

"In Deutschland leben fast 16 Millionen Zuwanderer und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Debatte, so wie sie geführt wird, beschädigt und verletzt uns. Sie beschädigt auch die Motivation unserer Kinder, sich in Deutschland zu integrieren. Wir fordern deshalb von der deutschen Politik, dass sie sich endlich zu uns bekennt. Wir erwarten, dass uns die deutsche Politik vor der Hetze von Populisten in Schutz nimmt! Wir wollen mit dem, was wir leisten, anerkannt werden."

Deutschland war allerdings auch schon vor der Sarrazin-Debatte nicht sonderlich attraktiv, wie zwei Wissenschaftler der Hochschule Pforzheim anhand einer Umfrage im letzten Jahr bei 2000 Studenten an europäischen Hochschulen. Der deutsche Arbeitsmarkt ist, so das Ergebnis der von Markus-Oliver Schwaab und Wolfgang Schäfer durchgeführten Studie, nicht besonders attraktiv für Akademiker. Prinzipiell will schon ein Viertel der Befragten nicht in Deutschland arbeiten.

Allgemein haben die englischsprachigen Länder einen Vorteil wegen der Sprache und weil sie meist eine lange Geschichte der Integration sind. Das Drängen auf das Erlernen von Deutsch ist bei den Hochqualifizierten wohl eher kontraproduktiv. Wenn Studenten schon einmal in Deutschland waren, verbessert das nicht ihre Lust, hierher zu kommen, sondern verringert die Bereitschaft. Die Deutschen gelten nicht als sonderlich aktiv im Hinblick auf Integration und offenbar auch nicht als besonders gastfreundlich, was der Ton in den letzten Wochen wohl noch einmal verstärkt hat: "Die Deutschen (konnten) bei den Integrationsaktivitäten, dem menschlichen Umfeld oder auch bei der Offenheit gegenüber anderer Kulturen nicht wirklich überzeugen.

Im Frühjahr führten die Wissenschaftler noch eine Umfrage unter türkischen Studenten durch, wo Deutschland noch einmal schlechter wegkam. "Für die Repräsentanten der größten nichtdeutschen Gruppe in der Bundesrepublik sind Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Integrationsaktivitäten und das menschliche Umfeld besonders wichtige Faktoren bei der Bewertung der Attraktivität eines künftigen Gastlandes. Deutschland überzeugte diese Akademiker in dieser Hinsicht nicht. Hatten die türkischen Studierenden bereits Erfahrung in Deutschland gesammelt, war das Urteil noch skeptischer." Von einem Run auf den deutschen Arbeitsmarkt, so das Fazit, könne keine Rede sein.



Aus: "Integrierte Ausländer fordern von der Politik endlich Anerkennung" Florian Rötzer (03.11.2010)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/148666


Textaris(txt*bot)

Quote[...] BERLIN taz/afp | Die Jugendorganisationen von SPD und Grünen haben einen gemeinsamen Aufruf für eine andere Integrationspolitik gestartet. In dem Papier "Chancengleichheit, Teilhabe, Anerkennung, Antidiskriminierung - worum es in der Integrationsdebatte eigentlich gehen müsste" kritisieren die Verfasser Sascha Vogt (SPD) und Gesine Agena (Grüne) den "weit verbreiteten Rassismus auch in der sogenannten Mitte und bei den Eliten der Gesellschaft".

...


Aus: "Jungpolitiker fordern Ausländerwahlrecht" VON GORDON REPINSKI (04.11.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/jungpolitiker-fordern-auslaenderwahlrecht/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ein Tabu beruht auf einem stillschweigend praktizierten gesellschaftlichen Regelwerk, auf einer kulturell überformten Übereinkunft, die Verhalten auf elementare Weise gebietet oder verbietet. Tabus sind unhinterfragt, strikt, bedingungslos, sie sind universell und ubiquitär, sie sind mithin Bestandteil einer funktionierenden menschlichen Gesellschaft. Dabei bleiben Tabus als Verhaltensregeln unausgesprochen oder werden allenfalls durch indirekte Thematisierung (z. B. Ironie) oder beredtes Schweigen angedeutet: Insofern ist das mit Tabu Belegte jeglicher rationalen Begründung und Kritik entzogen. Gerade auf Grund ihres stillschweigenden Charakters unterscheiden sich Tabus von den ausdrücklichen Verboten mit formalen Strafen aus dem Bereich kodifizierter Gesetze. Nahezu alle Lebewesen, Gegenstände oder Situationen, die ins menschliche Blickfeld rücken, können tabuisiert werden: Demzufolge können sich Tabus beziehen auf Wörter, Dinge, Handlungen, Konfliktpunkte, auf Pflanzen und Tiere, einzelne Menschen oder soziale Gruppen. ...


http://de.wikipedia.org/wiki/Tabu (30. Oktober 2010)

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Quote[...] Was Einwanderer besonders stört, sind doppelte Standards. Etablierte Kirche für das Christentum, aber nicht für den Islam. Das gilt auch für Tabus. Hier Kriminalisierung der Holocaustleugnung, aber freies Feld für Mohammedkarikaturen. ... Wir müssen uns entscheiden. Entweder gehen wir den Weg einer Multiplizierung der Tabus. Dann bleibt herzlich wenig übrig, worüber wir noch sprechen können. Oder wir gehen den konsequent liberalen Weg, das heißt, auch eigene Tabus abzubauen. Ich bin sehr für den zweiten Weg. ... Ich halte die Meinungsfreiheit für ein Schlüsselthema in dieser Debatte. ... Das Prinzip der individuellen Freiheit besagt: Ich bin frei zu denken, was ich will, zu sagen, was ich will, und zu tragen, was ich will. Solange es die Freiheit von anderen nicht beeinträchtigt. Das ist eine persönliche Wahl. Schauen Sie sich doch den Band des Fotografen Henri Cartier-Bresson über die Europäer an, mit Bildern aus den 1930er bis 1970er Jahren. Jede zweite Frau trägt ein Kopftuch, vor allem auf den katholischen Land. Jetzt sagen wir auf einmal: Es gehört zum Wesen einer freien Gesellschaft, dass man kein Kopftuch trägt? Was für ein Unsinn!

... Goethe sagt irgendwo: Tolerieren heißt beleidigen. Weil es etwas anderes als volle Anerkennung ist. Aber ich bin sehr für Toleranz. Und ich bin sehr für die offene, aber zivilisierte Austragung von Konflikten.

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Aus: "Timothy Garton Ash über Religionen: "Fort mit den Tabus"" (07.11.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/fort-mit-den-tabus/

http://de.wikipedia.org/wiki/Timothy_Garton_Ash