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[Menschen in Schichten und Klassen... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 18, 2007, 02:21:01 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Staatsanwaltschaft hat neun Jahre Haft für den mutmaßlichen Haupttäter im sogenannten Cum-Ex-Skandal, den Juristen Hanno Berger, gefordert. Das Bonner Landgericht will das Urteil in der kommenden Woche sprechen.

Berger wird der besonders schweren Steuerhinterziehung beschuldigt. Die Anklage wirft Berger vor, die Privatbank M.M. Warburg zur Aufnahme von Cum-Ex-Geschäften bewogen zu haben. Die dafür notwendigen Strukturen soll er maßgeblich aufgebaut und dafür gutgläubige Investoren angeworben haben.

"Er wusste um die Struktur der Geschäfte", sagte Staatsanwalt Jan Schletz in seinem Schlussplädoyer. Dem Angeklagten sei klar gewesen, dass es um Erstattungen von gar nicht gezahlten Steuern gehe. Berger habe mit hoher krimineller Energie gehandelt. Schletz unterstrich die "hervorgehobene" Rolle Bergers; bei allen Transaktionen ging es demnach um den "blanken Griff in die Staatskasse".

Den Steuerschaden der in dem Verfahren verhandelten Geschäfte, an denen Berger mitwirkte, bezifferte Schletz auf 276 Millionen Euro. Die Anklage fordert 27,3 Millionen Euro von Berger und einem früheren Kollegen. Nach Angaben des Gerichts habe Letzterer die Zahlung der Hälfte der Forderung bereits angewiesen. Bergers Ex-Kollege trat in dem Verfahren als Kronzeuge auf. 

Berger, der im Februar aus der Schweiz an die deutsche Justiz ausgeliefert worden war, hatte einst mitgeteilt, er habe die Transaktionen als legales Steuersparmodell angesehen. Bergers Anwalt räumte Fehlverhalten seines Mandanten ein, nach seiner Darstellung fiel dieses aber deutlich geringer aus als von der Anklage beschrieben. Mit Blick auf die Dauer einer Freiheitsstrafe sagte er: "Ich habe ein tiefes Vertrauen in die Güte des Gerichts." 


Aus: "Staatsanwaltschaft fordert neun Jahre Haft für Anwalt Hanno Berger" (6. Dezember 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-12/hanno-berger-cum-ex-staatsanwaltschaft-haft?page=3#comments

https://de.wikipedia.org/wiki/Hanno_Berger

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ein Gericht in den USA weist eine Klage gegen den saudischen Kronprinzen bin Salman ab. Er soll an der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi beteiligt sein. 

Washington - Der saudiarabische Kronprinzen Mohammed bin Salman kann in den USA nicht wegen der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi belangt werden. Ein US-Bundesgericht hat am Dienstag (6. Dezember, Ortszeit) eine Klage gegen bin Salman abgewiesen. Das Gericht verwies dabei auf eine von der US-Regierung um Joe Biden übermittelte Stellungnahme, wonach der Verklagte amtierender Regierungschef ,,und damit immun" sei.

Zwar habe die klagende Verlobte Hatice Cengiz Khashoggis ,,starke" Argumente vorgebracht, dennoch müsse dem Regierungsstandpunkt gefolgt und die Klage abgewiesen werden, erklärte Richter John Bates.

Cengiz wollte in dem Prozess den Nachweis erbringen, dass Kronprinz bin Salman hinter der Ermordung des Regierungskritikers im Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul stand. Doch die US-Regierung hatte bereits Mitte November dem Richter eine offizielle Stellungnahme übermittelt, wonach bin Salman als Regierungschef Immunität genieße.

Der einflussreiche Kronprinz, der bereits seit Jahren als De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens gilt, war allerdings erst im September zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Gerade diese zeitliche Abfolge bereite ihm ,,Unbehagen", erklärte Richter Bates.

Der kritische Journalist Khashoggi war 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden, wo er einen Termin zur Vorbereitung der Hochzeit mit der aus der Türkei stammenden Cengiz hatte. Nach offiziellen Angaben aus der Türkei und den USA wartete in der Vertretung ein 15-köpfiges Kommando, ermordete ihn und ließ seine Leiche verschwinden. Nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes hatte bin Salman persönlich Khashoggis Ermordung gebilligt.

Nach wochenlangen Dementis erklärte Riad unter internationalem Druck, dass der Gegner bin Salmans ,,bei einem missglückten Einsatz zu seiner Festnahme" getötet worden sei. Der Mord hatte international Entsetzen ausgelöst und die Beziehungen zwischen dem ölreichen Saudi-Arabien und vielen westlichen Ländern erheblich belastet.

Inzwischen ist der Kronprinz aber nicht zuletzt infolge der Energiekrise wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine wieder ein gefragter Gesprächspartner. Im Juli hatte sich auch US-Präsident Joe Biden mit bin Salman getroffen, was er noch vor seiner Wahl abgelehnt hatte. (ktho/afp)

...


Aus: "Kronprinz bin Salman kommt davon - US-Richter weist Klage im Khashoggi-Fall ab" Katja Thorwarth (07.12.2022)
Quelle: https://www.fr.de/politik/saudi-arabien-mohammed-bin-salman-kronprinz-anklage-us-richter-immunitaet-91961413.html

Jamal Ahmad Khashoggi (englische Transkription; deutsche Transkription: Dschamal Ahmad Chaschuqdschi; arabisch جمال أحمد خاشقجي Dschamāl Ahmad Chāschuqdschī, DMG Ǧamāl Aḥmad Ḫāšuqǧī, * 13. Oktober 1958 in Medina; † 2. Oktober 2018 in Istanbul) war ein saudi-arabischer Journalist. Er war Direktor der saudi-arabischen Tageszeitung Al-Watan und Medienberater des saudi-arabischen Prinzen Turki ibn Faisal. Khashoggi entwickelte sich zu einem Kritiker des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der de facto über das Königreich herrscht. Ab Sommer 2017 lebte er in den USA und war u. a. Kolumnist der Washington Post, in seinen Texten kritisierte er offen die saudi-arabische Regierung. Ab dem 2. Oktober 2018 galt er als vermisst, nachdem er das saudi-arabische Generalkonsulat in Istanbul betreten und nicht wieder verlassen hatte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Jamal_Khashoggi

QuoteRobert Nitschke

Ein toter Journalist ist eben nicht viel Öl wert. Wer erwartet denn Moral und Menschenrechte?



Textaris(txt*bot)

#1367
Kommentare zu: Können Sie sich Strom und Wärme noch leisten?
Elektrizität und Heizen werden teurer. Auch für Sie? Wie stark sind Ihre Energiekosten gestiegen? Und können Sie das noch stemmen? Machen Sie mit bei unserer Umfrage.
Von Sascha Venohr und Jan Guldner
Aktualisiert am 10. Dezember 2022
https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-11/heizen-energiekosten-strompreis-gaspreis-aufruf

QuoteMahatma Pech #7

Ich verdiene Brutto ca. 95k€ und lebe als single in einer 53m² Neubauwohnung...also ja, ich kann mir die hohen Preise locker leisten. Dennoch habe ich die Heizung bis Mitte November nicht angemacht und kälter geduscht, um meinen Beitrag zum Energiesparen beizutragen. Leider stelle ich fest, dass im privaten Umfeld kaum einer beim Heizen spart.


QuoteHobby Sokrates #20

Wir haben unser Haus isoliert, die Gaspreise interessieren uns nicht mehr.
Strom beziehen wir aus regenerativen Energien.

Die ganze Diskussion interessiert doch nur noch die Menschen, die noch mit fossilen Energien heizen.


QuoteBoesor #20.1

Also nur ein paar wenige Millionen...


QuoteLucky_Dani #83

Wir arbeiten beide in Vollzeit und verdienen nicht schlecht, deshalb können wir uns Strom+Heizung für unser Einfamilienhaus noch gut leisten, dennoch wurde aber auch das Heizen teurer.
Wir haben eine Heizung mit Heizöl und letztes Jahr kosteten 100 Liter Heizöl rund 74 €, aktuell sind es 124 € (zwischendurch waren es sogar über 150 €).

Beim Strom haben wir Glück: Ich arbeite bei einem der 4 großen Stromkonzerne und bekomme deshalb den Mitarbeiterrabatt auf den Strompreis, auch wenn dieser auch minimal angestiegen ist. Aktuell kostet uns die kWh rund 27 Cent, bei einem jährlichen Verbrauch von rund 3.000 kWh (2 Personen, ~155 qm² Wohnfläche) bezahlen wir so rund 80 € im Monat.


QuoteGiseppa17 #96

Unser Gehöft *1900, Gas und Photovoltaik auf Haupthaus hat zwei Scheuern mit neuen Dächern. Wir schauen jetzt das wir auf die Scheuern etwas kriegen was uns eine ökologische Heizung ermöglicht. Schließlich haben wir römische Gewölbekeller unten drunter und das Erdgeschoss ist immer etwas kalt und wir haben 35-40 cm Wände. .Außerdem ist Rheinhessen sowas wie deutsche Serengeti von März bis Oktober 🌞


QuotexSeraphinax #96.1

Meine Mutter hat in Polen die letzten 2 Monate zusammen geschlagene 12€ für Strom bezahlt. Auch dank eine sehr großen Photovoltaik Anlage auf einem der Ländereien.


QuoteQuellstein #106

Wir haben die Mitteilung von LichtBlick (Ökostrom) erhalten:
Unser Strompreis erhöht sich von 27,04 ct/kWh auf 52,87 ct/kWh.

Das sind weniger als 100% Erhöhung, das können wir zahlen.

...


QuoteForellengasse #124

Gas: von 7,2 auf 12,9 Cent inkl 7% Steuer
Strom: von 23,9 auf 39 Cent


QuoteIra_neu #127

Unsere Abschläge haben sich bei Gas um ein Drittel erhöht und bei Strom knapp verdoppelt. Wir versuchen ein bisschen sparsamer mit Energie und auch allem anderen zu sein aber nehmen im Zweifel Geld vom ,,Sparbuch".


QuotePflichtfeld82 #129

Bei mir soll die monatliche Abschlagszahlung von rund 300 Euro auf etwas mehr als 1100 steigen.

Ich habe derzeit noch Rücklagen aus einer Lebensversicherung, die aber eigentlich zur Deckung der ausstehenden Kredite für unser Haus gedacht sind-die muss ich nun aber regelmäßig anzapfen, um aufgrund der gestiegene Kosten meinen Lebensunterh zu finanzieren. Demnach trifft mich die Preiserhöhung zwar nicht direkt, aber eventuell dann zeitversetzt.


QuoteBerlin55 #133

Ich gehe von Heizkostenverdoppelung aus trotz sparen Öl kann ich mir leisten, teuere Urlaube gestrichen , wird es noch weiter steigen, wird estuary einem echten Problem.Elektrische Geräte sind bis auf den Kühlschrank und Waschmachine stilllegt.


QuoteTorsten T. #136

Ich heize einfach weniger und legt mir bei Bedarf ne Decke über. So einfach ist das.


QuoteIt is the money #136.1

Für andere nicht ...


Quoteheikensen #136.2

"Für andere nicht ..."

Deshalb schreibt er ja "Ich"


...

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Quote[...] Der Energiekonzern RWE hat im vergangenen Jahr wegen der deutlich gestiegenen Strompreise seinen Gewinn verdoppelt. Wesentliche Gründe sind laut Konzern der vermehrte Einsatz der Wasser-, Biomasse- und Gaskraftwerke und der Kapazitätszuwachs bei Wind- und Solaranlagen. Das Nettoergebnis werde auf Basis vorläufiger Zahlen voraussichtlich netto 3,2 Milliarden Euro betragen, teilte RWE mit. 2021 lag es bei knapp 1,6 Milliarden Euro. Vor allem im vierten Quartal habe sich das Geschäft besser entwickelt als erwartet. Die Strompreise waren im vergangenen Jahr stark gestiegen; Betreiber von Anlagen, die Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren, profitierten stark.

RWE machte mit seinen Wasserkraft-, Biomasse- und Gaskraftanlagen unter dem Strich 2,37 Milliarden Euro Gewinn - nach 731 Millionen Euro 2021. Mit Windanlagen an Land und Solaranlagen verdiente der Konzern 827 Millionen Euro und damit mehr als dreimal so viel wie 2021. Die Windanlagen auf See brachten 1,4 Milliarden Euro Gewinn, in der Sparte Energiehandel schließlich stieg der Nettoerlös von knapp 770 Millionen Euro auf 1,16 Milliarden Euro. Das deutsche Kohle- und Kernenergiegeschäft werde dagegen voraussichtlich geringere Ergebnisbeiträge zum Geschäftsergebnis 2022 gegenüber 2021 liefern.

Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen werde der Gewinn voraussichtlich bei 6,3 Milliarden Euro liegen, teilte RWE weiter mit. Der Konzern betonte, im vergangenen Jahr habe er 4,4 Milliarden Euro in Windkraft- und Solaranlagen investiert und damit deutlich mehr als im Vorjahr.

Die Bundesregierung hat in ihrer Strompreisbremse festgelegt, dass sogenannte Übergewinne von Stromerzeugern abgeschöpft werden sollen, um die Entlastung für die Verbraucherinnen und Verbraucher gegenzufinanzieren. Jeder Erzeugungsart wie Wind-, Solar, Braunkohle- oder Atomenergie wird ein bestimmter Erlös als Basis zugebilligt. Was darüber erzielt wird, soll zu 90 Prozent abgeschöpft werden.

Quelle: ntv.de, mbu/AFP


Aus: "Strompreis spült Geld herein RWE verdoppelt seinen Gewinn" (25.01.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/RWE-verdoppelt-seinen-Gewinn-article23870365.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Schon eine Stunde vor Öffnung der Lebensmittelausgabe des Arbeiter-Samariter-Bundes in Hamburg-Jenfeld stehen die Ersten an einem nasskalten Tag hinter Flatterband an. Während sie mit ihren Tüten oder Einkaufstrolleys geduldig warten, bis eine grüne Ampel Einlass gewährt, bauen drinnen ehrenamtliche Helfer Kisten auf - gefüllt mit Salat, Käse oder Brot. In Kooperation mit der Hamburger Tafel, die ihre Zentrale nebenan hat, können Bedürftige sich hier einmal wöchentlich gespendete Lebensmittel abholen.

So wie viele der Tafeln in Deutschland hat auch diese Ausgabestelle einen Aufnahmestopp verhängt. Denn der Ukraine-Krieg und starke Preissteigerungen haben einen enormen Zulauf ausgelöst. "Die Lage der Tafeln in Deutschland ist so herausfordernd wie noch nie zuvor in der 30-jährigen Geschichte", sagt der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafeln, Jochen Brühl. "Wir haben mehr Kundinnen und Kunden - gleichzeitig werden weniger Lebensmittel gespendet."

Menschen in der Grundsicherung, Alleinerziehende, Rentner, Geflüchtete, Obdachlose - mehr als zwei Millionen Menschen kommen den Angaben zufolge zu den mehr als 960 Tafeln in Deutschland. In den vergangenen Monaten ist eine neue Gruppe hinzugekommen: Immer mehr Menschen aus dem Niedriglohn-Sektor, die sonst immer noch knapp über die Runden gekommen seien, seien plötzlich auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen, berichtet Brühl.

Auch in Hamburg ist das spürbar: "Da sind Leute, die vor zwei Monaten nicht damit gerechnet haben, dass sie sich einmal bei der Tafel melden werden", sagt der Geschäftsführer der Hamburger Tafel, Jan-Henrik Hellwege. Viele spürten Scham, zur Tafel zu gehen. "Es ist gesellschaftlich tabu, finanzielle Not zu zeigen." Partnereinrichtungen übernehmen in der Hansestadt die Ausgabe an registrierte Bedürftige. Fast alle 31 Lebensmittel-Ausgabestellen haben laut Hellwege einen Aufnahmestopp verhängt.

Bei der Lebensmittelausgabe des Arbeiter-Samariter-Bundes in Jenfeld rufen täglich etwa fünf Menschen an, die man erst einmal vertrösten müsse, berichtet Koordinatorin Daniela Skaza. Maike Funk kommt schon seit drei Jahren zu dieser Ausgabestelle. Dieser Schritt sei ihr anfangs sehr schwer gefallen, erinnert sich die Frührentnerin. Am Eingang zeigt sie einen Nachweis vor und zahlt zwei Euro als kleinen Betrag für die Nebenkosten der Aktion.

Die Ehrenamtlichen versuchen, für die Bedürftigen, die sie Kunden nennen, eine Atmosphäre wie in einem Geschäft zu schaffen. "Butter?", fragt eine Mitarbeiterin, als Funk vorbeikommt. "Oh ja, Kekse backen", freut sich die 60-Jährige und verstaut die Ware in ihren Tüten. "Das Wichtigste ist es, den Menschen frische Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, damit sie richtig kochen können", erklärt Tafel-Geschäftsführer Hellwege.

Im Lager der Hamburger Zentrale stapeln sich überschüssige Lebensmittel, die Händler und Hersteller abgegeben haben. Doch es sind weniger als in früheren Zeiten. "Schon länger bemüht sich der Handel durch verschiedene Strategien, weniger zu verschwenden", sagt Brühl vom Dachverband der Tafeln. "Durch den Krieg sind zudem Logistikketten gestört. Deshalb gibt es weniger Überschüsse."

Die Menge der Lebensmittel, die an von Armut Betroffene ausgegeben wird, hat nach Angaben des Dachverbandes deshalb vielerorts reduziert werden müssen. Zudem seien die Tafeln selbst von den Preissteigerungen etwa für Energie und Transport betroffen. "Die Tafeln sind am Limit", sagt Brühl. Bereits seit Beginn der Pandemie müssten die Ehrenamtlichen viel leisten - oft spüre man bei den Helfern Erschöpfung. Brühl betont, er sei mit Blick auf die kommenden Monate äußerst besorgt.

Viele Tafeln bieten weit mehr als eine Lebensmittelausgabe - etwa warmes Mittagessen, Bringdienste oder Kleiderkammern. "Die Arbeit der Tafel überall in Deutschland verdient unser aller Respekt und Anerkennung", sagt die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier. "Denn so traurig es ist: In Zeiten von Rekord-Inflation und Preisexplosion können sich eben viele nicht einmal mehr das Essen leisten."

Aber das ehrenamtliche Engagement der Tafeln dürfe bei Politik und Behörden nicht vorab als verlässliche Größe mit eingerechnet und damit Verantwortung abgegeben werden, fordert Engelmeier. Brühl kritisiert, dass staatliche Leistungen oft nicht zielgenau seien und appelliert: "Armut ist nicht ein Problem der Armen, sondern ein Problem der Gesellschaft als Ganzes - das scheint noch nicht bei allen angekommen zu sein."

Quelle: ntv.de, Stephanie Lettgen, dpa


Aus: "Mehr Bedürftige, weniger Spenden Armut bringt Tafeln ans Limit" (10.12.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Armut-bringt-Tafeln-ans-Limit-article23775372.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Razzien dieser Woche zeigten: Die Reichsbürgertruppe träumte schon vom Schattenkabinett nach dem Umsturz. Die Verschwörer stammen aus der oberen Mittel- und Oberklasse. Was vereint sie ideologisch? Ein Gastbeitrag.

Es war ein Umsturzplan der Notablen: Richter, Juristen, Offiziere, Polizisten, Ärzte und ein adliger Immobilienunternehmer als Anführer. Als künftiges Staatsoberhaupt hatte dieser, Heinrich XIII. Prinz Reuß, bereits Kontakte zur russischen Botschaft aufgenommen, um über die Souveränität des neu geschaffenen deutschen Staats nach dem von ihm angeführten Putsch zu sprechen.

Die Reichsbürgerideologie fungiert als ideologische Klammer für diese bunte Truppe aus der radikalisierten gehobenen Mittel- und Oberklasse, die in einer Art Schattenkabinett unter sich bereits die Ressorts aufgeteilt hatte.

Einige von ihnen waren im Umfeld der Querdenker aktiv, zur Kerngruppe gehörte aber auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann, die in den Medien regelmäßig dem gemäßigten Flügel der AfD zugerechnet wurde. Reuß machte wohl der Schmerz über seinen ,,Phantombesitz" (Eva von Redecker) zum Reichsbürger. Sein unbändiger Wunsch, verlorenen alten Familienbesitz zu restituieren, erfüllte sich nicht. Er konnte den Phantomschmerz nicht verwinden und wandte sich antisemitischen Verschwörungstheorien zu.

Was die Verschwörer der letzten Woche eint, ist ihre radikale Ablehnung des demokratischen Staates, der in individuelle Eigentums- und Freiheitsrechte eingreift, der seine Grenzen nicht schützt. Sie sehnen sich zurück nach einer erloschenen Staatsform und fabulieren eine Geschichte herbei, die so nie stattfand. Das Kaiserreich oder auch das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 habe nie aufgehört zu existieren, es werde gleichwohl von den Alliierten besetzt und die BRD als ,,Firma" (sic!) geführt. Reichsbürger treten deshalb aus der ,,Firma" aus. Sie zahlen keine Rundfunkgebühren, begleichen keine Strafmandate und nach Möglichkeit keine Steuern. Stattdessen schließen sie sich Phantasiestaaten oder erdichteten Königreichen an. Verschwörungstheorien sind in der Szene omnipräsent: esoterische Mythen, Chemtrails, aber auch Nazi-Ufos und zuletzt vor allem Qanon werden munter gekreuzt.

Das Spielerisch-Subversive macht sie nicht weniger gefährlich, die notablen Verschwörer haben bei ihren Umsturzplänen Tote mit einkalkuliert, bei einer Razzia wurde 2016 ein Polizist erschossen. Reichsbürger sind oft bewaffnet, schließlich gibt es für sie kein Gewaltmonopol des Staates, sondern nur eine ,,Firma", die illegitimerweise bewaffnete Milizen (die Polizei) führt. Ein projektiver Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus gehören zur DNA der Reichsbürger, allerdings zielen sie nicht auf einen Volkskörper, wie es beim klassischen Faschismus der Fall war. Es sind reaktionäre, häufig faschistoide Individualisten, die sich einer hierarchischen Ordnung freiwillig unterwerfen wollen, da einzig diese ihre Souveränität garantiere. Sie wollen eine ständische, hierarchische Gesellschaft zurück, die es so nicht gegeben hat. Wie der historische Adel wollen sie keine Steuern zahlen; wenn überhaupt, wollen sie selbst welche einziehen.

Die Ordnung, die ihnen vorschwebt, ist eine Art privater Absolutismus, in dem nicht das Kollektiv, sondern jeder Einzelne Souverän ist. So spezifisch deutsch die Reichsbürger in ihrem Namen und Bezugsrahmen sind, so sehr gehören sie zu einem internationalen Phänomen. Die Sovereign Citizens als Bewegung des libertären Extremismus, die Staat und Steuern ablehnen, sich als Selbstversorger (Prepper) betätigen, sind in den USA in den Siebzigerjahren entstanden. Die Übergänge zum Rechtsextremismus sind häufig fließend. Reichsbürger sind die bewaffnete Form des libertären Extremismus. Zu finden ist er in vielen bürgerlichen Kreisen.


Aus: "Ideologie der Reichsbürger: Absolutismus für alle" Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey (10.12.2022)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/welche-ideologie-unter-den-umsturzplaenen-der-reichsbuerger-steckt-18522120.html

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Quote[...] Das Fürstenhaus Reuss geht auf Abstand zu ihrem der Reichsbürger-Szene nahestehenden Verwandten aus Bad Lobenstein. Ein Sprecher der Familie teilte mit, das Haus Reuss distanziere sich von den politischen und zeitgenössischen Aussagen von Prinz Heinrich XIII. Reuss "auf das Deutlichste".

Dieser habe vor 14 Jahren auf eigenen Wunsch den Familienverbund verlassen und es gebe auch seit längerem keinen persönlichen Kontakt mehr. Weiter bezeichnete der Sprecher seinen "entfernten" Verwandten als einen "teilweise verwirrten" alten Mann, der "verschwörungstheoretischen Irrmeinungen" aufsitze. ...


Aus: "Fürstenhaus Reuss distanziert sich von Weigelt-Gast Prinz Heinrich XIII." MDR THÜRINGEN (25. August 2022)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saale-orla/bad-lobenstein-prinz-heinrich-reuss-xiii-distanziert-100.html

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"Festnahmen von 25 mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer terroristischen Vereinigung sowie Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 52 Beschuldigten"
Ausgabejahr: 2022, Datum: 07.12.2022 ...
https://www.generalbundesanwalt.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/aktuelle/Pressemitteilung-vom-07-12-2022.html?nn=478184

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Quote[...] In seinem Anwesen in Frankfurt wartete Heinrich Reuß darauf, endlich über Deutschland herrschen zu können, vielleicht als König, jedenfalls als Monarch. Mit seiner Clique von Gleichgesinnten wollte er die Macht übernehmen - Olaf Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner sollten das tun, was seine Vorfahren mussten: Abdanken. Doch es kam anders. Der Kanzler und seine Minister sind noch im Amt, Reuß trägt Handschellen. Es ist 10.40 Uhr, als maskierte Einsatzkräfte in schusssicheren Westen den 71-Jährigen aus seinem Anwesen in der Frankfurter Fichardstraße führen.

Es mutet irre an, was der Mann mit den zurückgekämmten Haaren vorhatte. Die Vorstellung, dass er und seine Mitstreiter tatsächlich die Macht im Land übernommen hätten, erscheint absurd. Dass sich "das Volk" ihnen angeschlossen hätte, Polizei und Bundeswehr mal eben 70 Jahre Demokratie abstreifen und sich frohgemut einer neuen Monarchie andienen sollten - das waren Hirngespinste. Aber es hätte die Republik bis ins Mark erschüttert, wenn durchgeknallte Reichsbürger in den Reichstag eingedrungen wären und dort Menschen erschossen hätten.

Vom Generalbundesanwalt heißt es, die Verschwörer hätten in Kauf genommen, dass es Tote gegeben hätte. Allen voran Reuß, denn er leitete ihren "Rat", aus dem später einmal die Regierung hervorgehen sollte. Aus den spärlichen Informationen, die die Ermittler bislang preisgegeben haben, lugt Menschenverachtung hervor. Große historische Ereignisse - und für Heinrich und seine Getreuen ging es um die Rettung des Vaterlandes - bringen es in solchen Ideologien mit sich, dass Menschen sterben.

Es gibt Aufnahmen des Möchtegern-Regenten, wie er 2019 bei einer Rechtsextremen-Tagung in der Schweiz seine Sicht auf die Monarchie darlegt. Dort betonte er, dass seine Familie, das Haus Reuß, in Gera und Umgebung tausend Jahre regiert habe - und nicht nur eine "Legislaturperiode von fünf Jahren". Fünf Jahre gegen tausend Jahre, er scheint das lächerlich zu finden. Doch lächerlich wirkt es eher, als der Adelsspross im gleichen Vortrag behauptet, bis zum Ende der Monarchie 1918 sei "alles gut im Fürstentum gewesen und die Menschen lebten ein glückliches Leben". Wenn es ein Problem gegeben habe, sei man zum Prinzen gegangen und der habe sich dann darum gekümmert.

Das gesamte Reichsbürger-Geschwafel über die letzten hundert Jahre ist ein einziger Verschwörungsmythos. Die Amerikaner sollen Hitler finanziert haben, die Bundesrepublik nur ein US-Protektorat sein und im Hintergrund ziehen angeblich überall die Juden die Strippen. Das Opfer? Die Deutschen und ganz besonders der Adel, der in Ostdeutschland schließlich vor den Sowjets fliehen musste. Überfall auf Polen, Gaskammern, Mord, Tod, Folter in Osteuropa, alle Gräuel der Nazis und des Zweiten Weltkriegs - nicht die Schuld des Adels, meint Heinrich Reuß. Die Behörden stuften ihn als Gefährder ein.

Es ist unbekannt, wie Reuß seine Mitstreiter überzeugte. Es ist auch nicht klar, ob er überhaupt die treibende Kraft war. Dass er die Massen für sich eingenommen hätte, ist eher nicht zu erwarten. Nicht nur, weil ihn bis heute kaum jemand kannte. Sich mit dem Pöbel zu verbrüdern, war offenbar nicht so seins: Der Prinz erwartete, dass er bitteschön immer zuerst gegrüßt werde. Arrogant sei er gewesen, ist aus Thüringen zu hören, wo er ein Jagdschloss besitzt. Ein komischer Vogel. Oder, wie es ein Sprecher seiner Familie ausdrückte: "ein teilweise verwirrter alter Mann, der verschwörungstheoretischen Irrmeinungen" aufsitze.

Seit der Wiedervereinigung versuchte Reuß, sich ein Stück der alten Zeit zurückzuholen. Er klagte darauf, Besitzungen aus tausend Jahren Herrschaft über Gera und Umgebung zurückzubekommen, und hatte laut Zeit Online zunächst Erfolg damit. Doch er sei damit gescheitert, Immobilien wie das Geraer Jugendstiltheater sowie Ländereien zurück in die Familie zu holen. In dem Bericht wird ein Familienmitglied zitiert, wonach Reuß zum Reichsbürger geworden sei, weil er den "Kampf seines Lebens" um die Restitutionsansprüche seiner Familie verloren habe.

Wann er vom einstigen Familienbesitz in Thüringen auf ganz Deutschland umschwenkte, ist unbekannt. Doch auch diese größenwahnsinnigen Ansprüche bleiben unbefriedigt. Statt nächster Monarch zu werden, muss sich Heinrich Reuß wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten.

Quelle: ntv.de


Aus: "Rädelsführer der Reichsbürger Handschellen für Heinrich XIII." Volker Petersen (07.12.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Handschellen-fuer-Heinrich-XIII-article23769337.html

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Quote[...] Die Bundesanwaltschaft hatte in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich insgesamt 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer.  ...


Aus: "Razzia gegen Reichsbürgergruppe: KSK-Verdächtiger wurde laut Wehrbeauftrager bereits beobachtet" (7. Dezember 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-12/razzia-reichsbuerger-ksk-soldaten-eva-hoegl

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Quote[...] Nach den Razzien in der Reichsbürgerszene befinden sich inzwischen 13 der insgesamt 25 Festgenommenen bereits in Untersuchungshaft. Das teilte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. In keinem Fall, über den schon entschieden wurde, seien die Betroffenen wieder auf freien Fuß gekommen.

Planmäßig sollten noch im Laufe des Tages weitere Verdächtige den Richtern vorgeführt werden. Generalbundesanwalt Peter Frank hatte zuvor mitgeteilt, dass unter den Verdächtigen in Untersuchungshaft auch der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe, Heinrich XIII. Prinz Reuß, sei.

Den Verdächtigen wird laut Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen, die es sich zum Ziel gesetzt habe, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland "unter Einsatz von Gewalt und militärischen Mitteln zu beseitigen".

Die Festgenommenen verbinde eine "Ablehnung der staatlichen Institutionen in Deutschland", sagte Frank. Viele von ihnen hingen "Verschwörungsmythen an, bestehend aus verschiedenen Narrativen der Reichsbürgerideologie sowie der QAnon-Ideologie".

Die mutmaßliche terroristische Vereinigung habe aus einem sogenannten Rat sowie einem militärischen Arm bestanden. Teil des Rates, der sich ähnlich wie das Kabinett einer Regierung in Ressorts unterteilt habe, sei auch eine ehemalige Abgeordnete des Bundestags gewesen. Diese sei in den Umsturzplänen der Vereinigung für die Übernahme des Justizressorts vorgesehen gewesen.   

Der militärische Arm habe in der Vereinigung die Aufgabe gehabt, eine neue deutsche Armee aufzubauen, "bestehend aus noch zu gründenden Heimatschutzkompanien". Einzelne Mitglieder des militärischen Arms seien in der Vergangenheit "auch aktiv in der Bundeswehr tätig gewesen". Zudem hätten sich einige Mitglieder der Vereinigung "mit Überlegungen getragen, gewaltsam in den Bundestag einzudringen".

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums befinden sich unter den Verdächtigen insgesamt drei Soldaten. Darunter seien als aktiver Bundeswehrangehöriger ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sowie zwei weitere nicht aktive Soldaten, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. "Wir vertreten hier eine absolute Null-Toleranz-Linie, wenn es um Extremismus in der Bundeswehr geht. Und ganz besonders gilt das natürlich für das Kommando Spezialkräfte."

An den Razzien waren laut Bundesanwaltschaft etwa 3.000 Polizeibeamte beteiligt. Der Einsatz am frühen Morgen zählt zu den größten Polizeieinsätzen gegen Extremisten in der Geschichte der Bundesrepublik. 22 der Festgenommenen wirft die Behörde vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Zwei davon sollen Rädelsführer gewesen sein, drei weitere gelten als Unterstützer. Mit Ausnahme einer Russin haben alle die deutsche Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus gebe es 27 weitere Beschuldigte. Laut Frank gab es rund 150 Durchsuchungen, bei denen umfangreiches Material sichergestellt worden ist.

Festgenommen wurden die Verdächtigen in elf Bundesländern in Deutschland sowie in Österreich und Italien. Bei dem in Italien festgenommenen Deutschen handelt es sich nach Angaben der italienischen Polizei um einen ehemaligen Offizier einer Spezialeinheit der Bundeswehr. Der 64-Jährige sei in einem Hotel im mittelitalienischen Ponte San Giovanni festgenommen worden. Derzeit liefen die Verfahren zur Auslieferung des Mannes.

Sogenannte Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.


Aus: "13 mutmaßliche Reichsbürger nach Razzien in Untersuchungshaft" (7. Dezember 2022)
Quelle:  https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-12/razzien-reichsbuerger-generalbundesanwalt-untersuchungsgaft

Quotedet23 #19

Wie weit müssen die Anhänger dieser Gruppe von der Realität entfernt sein, um zu glauben, dass ihr geplanter Umsturz erfolgreich sein und zu der von ihnen gewünschten neuen Ordnung führen kann? Das zeigt mal wieder, auf welchem geistigen Niveau sich solche Verschwörungsfanatiker bewegen.


QuoteDamageCase #16

So lächerlich die auch erst mal aussehen: diese Leute wähnen sich in einer Opfer-Rolle und in einer Position in der sie sich zurecht verteidigen, und gerade in solchen Fällen ist man dann eben auch verstärkt gewaltbereit. Man "wehrt sich ja nur" dem eigenen Empfinden nach.

Wenn solche Leute also von Erschiessungen und Hinrichtungen fabulieren, dann gehe ich auch erst mal davon aus dass die das, wenn sie könnten, auch durchziehen würden.


QuoteUlenspiegel_1965 #20.6

Die Mitglieder der RAF haben auch wirklichkeitsfremd gedacht, trotzdem sind Menschen gestorben.

Ich persönlich würde das ganze nicht ins Lächerliche ziehen.


QuoteHeinz Brause #24.1

Die ehemaligen Mitglieder der RAF, sofern am Leben, ärgern sich vielleicht gerade schwarz darüber, wenn so ein Haufen von Beknackten heutzutage schon als Terrororganisation bezeichnet werden kann.


QuoteNackenAusrasiert #20

Alberne Truppe. Lächerlich. Dass Leute mit dem Bildungshintergrund und solch infantilen Herangehensweisen und mit den paar Männern an nicht entscheidenden Stellen, wirklich denken, das Land stürzen zu können, ist tragisch komisch. Mehr nicht.


QuoteHazard 468 #20.12

Wie man den Rechtsterrorismus angesichts von hunderten Toten (u.a. Politikern), so verharmlosen kann, erschließt sich nicht. Aber irgendwie muss das Narrativ ja gewahrt werden, gell?


QuoteOld white dude #31

Ich frage mich, ob diese Reichsbürger wirklich glauben, das Volk würde das mitmachen.


QuoteJinx Powder #31.1

"Ich frage mich, ob diese Reichsbürger wirklich glauben, das Volk würde das mitmachen."

Wer braucht denn das Volk, wenn man es "befreien" will?


QuoteNeikast #44

In der Geschichte der Menschheit folgte einer Hochphase kultureller oder wirtschaftlicher Entwicklung stets ein dunkles Zeitalter. Möglicherweise stehen wir gerade vor dem Beginn eines solchen dunklen Zeitalters oder zumindest am Ende unserer Blütezeit.
Die demokratiefeindlichen Kräfte werden "gefühlt" immer zahlreicher, Dank der sozialen Medien. Mangelnde Bildung, mangelnde Internetkompetenz (Stichwort: Algorithmus ), Suche nach Selbstbestätigung (Stichwort; Amygdala ) und Unzufriedenheit mit der eigenen Situation, für die andere verantwortlich gemacht werden, wachsen zu einer explosiven Mischung, leicht zu lenken von inneren (AfD u.a.) und äußeren Feinden (Russentrolle).


QuoteKonzert #44.1

Nicht nur 'gefühlt'.
#Die Demokratie verliert an Boden: Erstmals seit 2004 verzeichnet unser Transformationsindex (BTI) mehr autokratische als demokratische Staaten. Von 137 untersuchten Ländern sind nur noch 67 Demokratien, die Zahl der Autokratien steigt auf 70.#

"Demokratie weltweit unter Druck: Zahl der autoritären Regierungen steigt weiter" (23.02.2022)
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2022/februar/demokratie-weltweit-unter-druck


QuoteFutbalisto #51

Die sind doch alle harmlos und wollen nur spielen.
Kein Vergleich zur 'Klima-RAF'


QuoteDeo Volante #71

Viele scheinen in derartigen Nachrichten einen Grund zur Freude zu sehen. Ich weiß nicht, ob ich mich dem anschließen kann. Möchten gerne, aber können?

Schon wieder versuchen Rechtsextreme das System zu stürzen in unserer "Republik der Einzelfälle". Schon wieder sind Soldaten involviert, Juristen, Beamte... Bis heute keine Aufklärung der Rolle des Verfassungsschutzes in Sachen NSU und so. Bis heute sitzen Faschisten in den Parlamenten. Ich könnte endlos weiter machen, aber es hat keinen Sinn. Denn die Bilanz ist immer die gleiche:

Deutschland ist bis zum heutigen Tage nicht entnazifiziert. Und gerade jetzt, wo wir wieder neuen 20ern stecken, hat das einen besonders makabren Beigeschmack. Es ist, als hätte man nichts, aber auch gar nichts aus der Geschichte gelernt.

Und schreiben Sie jetzt bitte nicht, dass die Mehrheit der Bürger doch keine Reichsbürger seien - das ist mir schon klar. Warum aber kriegt man diese braune Seuche, die unsere Gesellschaft befallen hat, denn nicht in den Griff? Ich denke an Solingen, Halle, Hanau, Lübcke. Ich denke an die Richters aus Königs Wusterhausen-Senzig. Und an Boxberg. Und so vieles mehr. Wenn ich mit Leuten im Bekanntenkreis darüber sprechen will, weiß man vielleicht noch über Lübcke bescheid, aber beim Rest starren die meisten fragend Löcher in die Luft. Und dann wieder das alte: "Wehret den Anfängen".

Die Anfänge hatten wir vor Jahren schon. Jetzt erst regt sich was, und dann nicht wirklich viel. Ich bin einfach fassungslos...


QuoteEin Königreich für ein Bier #77

Der deutsche Adel scheint auch nicht mehr das zu sein, was er einmal war. Ernst August Prinz von Hannover trat vor einiger Zeit ein paar Mal unrühmlich in Erscheinung. Der Boulevard verpasste ihm zwei neue Titel. Er wurde in den Pinkelprinzen- und den Prügelprinzenstand erhoben. Jetzt soll Heinrich XIII. Prinz Reuß der mutmaßliche Rädelsführer einer mutmaßlichen terroristischen Vereinigung sein. Wenn das zutrifft, werde ich den deutschen Blaublütlern in Zukunft nicht mehr desinteressiert gegenüberstehen. In deren Klasse könnten sich weitere Abgründe auftun. Sollte dem hochwohlgeborenen Heinrich XIII. Prinz Reuß die mutmaßlichen schweren Straftaten nachgewiesen werden können, wäre das ein schwerer Schlag ins Kontor für den Adel. Heinrich XIII. Prinz zu Reuß wäre der Putschprinzentitel nicht mehr zu nehmen.


QuoteDer_Moritzberger #77.1

Sie liegen durchaus richtig mit Ihrer Besorgnis. Für die AFD sitzt im Bundestag mit Betarix von Storch eine Vertreterin des europäischen Hochadels.
Der ,,Pinkelprinz", ein Welfe, glänzt zurzeit mit einem skurril anmutenden Rechtsstreit, den er mit seinem Sohn und Nachfolger als Sippenoberhaupt austrägt.

Nicht zum europäischen Hochadel gehört hingegen Norbert Schittke. Dieser Reichsbürger lässt sich ,,Fürstregent Norbert Rudolf aus der Familie Schittke zu Romkerhall" nennen. Googeln Sie den mal und schauen Sie sich auf Youtube den Heute-Show-Clip ,,Carsten van Ryssen trifft den Reichskanzler Norbert Schittke" an. Das Lachen bleibt im Hals stecken, wenn man bedenkt, dass diese Gestalten ernst meinen, was sie sagen.


QuoteErnst Acht #80

Wo bitte ist denn jetzt die Empörungswelle der Konservativen und ihrer Medien? Irgendwie fehlt mir da gerade was, oder ist das die Wokeness der Konservativen die das verbietet? Bestimmt wir Bild Morgen wieder alle als verwirrte darstellen.


QuoteNorbert123 #80.1

Das sind Einzelfälle (Plural !) . Sie sollten das jetzt nicht instrumentalisieren.


Quotemattdoc #93

Nachdem ich über Tag die Berichte dazu gelesen habe, frage ich mich, wie diese Leute glauben konnten, dass sich eine nennenswerte Anzahl von Menschen Ihnen anschließen. Da muss die Sicht auf die Welt schon sehr abwegig gewesen sein. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln...


Quoter.schewietzek #94.1

Die RAF hat mal als Protestbewegung in einer Berliner WG angefangen. Am Küchentisch.


Quotedanilowski #98

Da ist eine gefährliche Mischung aus Einfältigkeit und Naivität am Werk. Einfältig und Naiv wegen der Motive und Ziele und der merkwürdigen Geschichten die mit diesen Leuten verbunden sind. Gefährlich deswegen, dass die es wohl irgendwie ernst meinen und sich mit entsprechender Ausrüstung versehen haben.
Das sagt jetzt ein ehemaliger Calwer Fallschirmjäger.


QuoteDas denke ich #100

Wenn ich den Größenwahn dieser gefährlichen Spinner für einen kleinen Moment beiseite lasse und nur als Gedankenspiel unterstelle, dass unsere Verfassung nicht gültig ist:
Wie können diese Leute ernsthaft glauben, dass ein von Ihnen herbeigeputschtes Regime mehr Legitimation hätte, als die bestehenden frei gewählten Parlamente? Mir ist bisher noch kein ,,Reichsbürger" über den Weg gelaufen, aber ich wäre sehr neugierig, welche haarsträubende Erklärung ich als Antwort auf diese Frage bekäme.


QuoteTheGreaterFool #100.1

+++Wie können diese Leute ernsthaft glauben, dass ein von Ihnen herbeigeputschtes Regime mehr Legitimation hätte, als die bestehenden frei gewählten Parlamente?++

In deren Phantasiewelt steht "Das Volk" ja in Wirklichkeit total hinter ihnen, wird nur durch gleichgeschaltete Mainstreammedien und Propaganda betäubt...wenn sie dann erstmal die Macht hätten würde sich das "Das Volk" ja superschnell jubelnd hinter sie stellen glauben sie, oder so ähnlich jedenfalls.

+++Mir ist bisher noch kein ,,Reichsbürger" über den Weg gelaufen+++

Mir schon. Bisher waren es sogar drei, alles zwar nur sehr kurze und oberflächliche Bekanntschaften, aber genug um alle Haare zu Berge stehen zu lassen.

Interessanterweise waren ALLE DREI gescheiterte Kleinunternehmer mit Schulden und Ärger mit dem Finanzamt sowie sonstigen Behörden. Das ist bei den Reichsbürgern wohl recht oft so das es sich um Bankrotteure handelt die in der Reichsbürger-Ideologie einen Ausweg aus ihrem (idr selbst verschuldeten) Ärger sehen.


QuoteFrothel #101

Das kann mir doch keiner erzählen, dass der angeblich geplante Staatsstreich auch nur die geringste Chance auf Erfolg gehabt hätte. Die diversen deutschen Polizeien beschäftigen knapp 350.000 Waffenträger, dazu 180.000 Soldaten. Dass die Reichsbürger größere Teile der Zivilgesellschaft, der Beamten, Medien, normalen Bürger auf ihrer Seite gehabt hätten, darf auch bezweifelt werden. Die hätten Null komma Null Chance gehabt! Kommt mir vor, als ob hier wieder mal was aufgeblasen werden soll, um von anderen, weitaus gefährlicheren Dingen abzulenken.


QuoteOverTheHills #101.1

Und auch Sie frage ich, ob Sie sich jemals mit dem Aufstieg Hitlers beschäftigt haben. ...


QuoteSumtina #102

Ich habe mir das heute Abend sowohl in der Tagesschau als auch in dem darauf folgenden Brennpunkt angesehen. Auch die Berichtserstattung hier habe ich verfolgt. Trotz allem kommt mir das alles so surreal vor. Ich kann die Menschen einfach nicht verstehen. ...


QuoteKasparvonThal #108

Ich kann das Unverständnis über die irrige Annahme der Beschuldigten, diese Umsturzpläne durchführen zu können verstehen.
Nur sollten alle, die heute zum ersten mal von Reichsbürgern und Co. gehört haben, auch beachten, dass diese Leute irren Verschwörungserzählungen (Promis & (linke) Politiker trinken Kinderblut, die heimliche Elite will mit den Impfstoffen den Großteil der Menschen töten, Deutschland ist nicht souverän, der 2. Weltkrieg ist nicht beendet, usw.) anhängen und in ihrer Blase sich immer nur noch gegenseitig bestärken und weiter radikalisieren. Zur Realität ist da keine große Schnittmenge mehr. Das soll nicht heißen, dass ich jemanden von den Beschuldigten für psychisch erkrankt halte, nur, dass solche Dinge wie diese Pläne in "deren Welt" durchaus Sinn ergeben können. So auch, dass diese Leute sich irriger weise im Widerstand sehen und so natürlich auch nicht vor Waffengewalt zurück schrecken. ...


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Quote[...] Zwei Beschuldigte in Österreich, beide 63 Jahre alt, sollen nach STANDARD-Informationen den Vorsitz eines spirituell-esoterischen Vereins mit Sitz in Niederösterreich führen, der Kurse über Selbstheilungskräfte des Körpers durch Gebete und Rituale anbiete. Die verdächtigen Personen dürften wegen ihrer offenbar ihnen selbst zugeschriebenen hellseherischen Fähigkeiten als "Seher-Team" der mutmaßlich terroristischen Vereinigung fungieren.

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Aus: "Die Spur der deutschen Reichsbürger-Razzien führt auch nach Österreich" Jan Michael Marchart (7. Dezember 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000141604148/die-spur-der-deutschen-reichsbuerger-razzien-fuehrt-auch-nach-oesterreich

QuoteDr.E.Coli

Wieso konnte das "Seher-Team" die Razzia eigentlich nicht voraussehen?
Fragen über Fragen....


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Textaris(txt*bot)

Max Carl Friedrich Beckmann (* 12. Februar 1884 in Leipzig; † 27. Dezember 1950 in New York City) war ein deutscher Maler, Grafiker, Bildhauer, Autor und Hochschullehrer. Beckmann griff die Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenso auf wie die kunsthistorische Tradition und formte einen figurenstarken Stil, den er ab 1911 der aufkommenden Gegenstandslosigkeit entgegensetzte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Beckmann


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Quote[...] Das Gemälde, das dem deutschen Kunstauktionsmarkt noch kurz vor Jahresende einen neuen Preisrekord bescherte, hatte vorher schon viel von Deutschland gesehen. Die Ehefrau des Malers gab es einst dem gemeinsamen Sohn, der in Oberbayern lebte. Dessen Tochter kuratierte im Sommer 1996 eine Verkaufsausstellung der Berliner Galerie Pels-Leusden in jener Filiale, die Geschäftsführer Bernd Schultz in Kampen auf Sylt eröffnet hatte. Das Bremer Ehepaar, das es dort für angeblich rund fünf Millionen Mark erwarb, nahm das Gemälde, das Porträt eines Mannes mit gelbem Mantel und verschränkten Armen, schließlich mit in die Schweiz, in den Kanton Zürich. 16 Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes, eines bekannten Juristen, entschied sich seine Witwe dann in diesem Jahr zum Verkauf – in Berlin. Und das war ein Signal.

Noch vor einem Jahr wäre das Bild wohl in London oder New York gelandet, bei Sotheby's oder Christie's. Nun aber wurde Max Beckmanns Selbstbildnis gelb-rosa, entstanden in dessen Amsterdamer Exiljahr 1943, vier Wochen vor Weihnachten im deutschen Auktionshaus Villa Grisebach angeboten – mit einem Schätzpreis von 20 bis 30 Millionen Euro. So hoch hatte in Deutschland noch niemand ein einzelnes Gemälde vor einer Auktion taxiert. Den bisherigen deutschen Preisrekord hielt zwar auch ein Beckmann-Bild, die Ägypterin von 1942, die vor vier Jahren an gleicher Stelle für 5,5 Millionen Euro zugeschlagen worden war. Dass dieser Preis aber schließlich im Dezember tatsächlich vervierfacht werden würde, zeichnete sich erst ab, als Auktionator Markus Krause die Versteigerung bei 13 Millionen Euro eröffnete – und schnell signalisierte, dass Gebote bis 17 Millionen bereits vorher abgegeben worden seien. Bei 20 Millionen kam schließlich der Zuschlag.

Im Auktionshaus freute man sich über den PR-Effekt, der wohl vor allem Bernd Schultz zu verdanken war: Er hatte das Bild schon 26 Jahre zuvor auf Sylt verkauft – und dann die Villa Grisebach gegründet. Vom finalen Zuschlagspreis sei man an der Berliner Fasanenstraße allerdings trotz der Höhe eher enttäuscht gewesen, heißt es in der Branche; die Erwartungen hätten höher gelegen. Ein echtes Bietergefecht in Richtung der oberen Taxe von 30 Millionen kam aber nicht zustande, obwohl Schultz selbst mit Handy am Ohr in der ersten Reihe saß. Insidern zufolge gab es nur einen einzigen Bieter.

Der deutsche Beckmann-Rekord war trotzdem symptomatisch für den Kunstmarkt am Ende des dritten Pandemiejahres. Weltweit haben die Auktionshäuser 2022 Rekordumsätze erzielt. Auch einige traditionsreiche deutsche Unternehmen meldeten Ergebnisse, die es bis dahin in den jeweiligen Firmengeschichten nicht gegeben hatte. Ketterer Kunst in München etwa, zurzeit das in Deutschland umsatzstärkste Auktionshaus, erreichte zum ersten Mal mehr als 100 Millionen Euro Jahreserlös im Saal, bei Online- und in privaten Verkäufen. "Das mag so manche Beobachter überraschen", sagt der Inhaber Robert Ketterer. "Doch wer die Psychologie des Marktes kennt, der weiß, dass gerade Zeiten der Unsicherheit auch immer Zeiten des Investments sind." Das gelte für Werke der klassischen Moderne, aber ganz besonders auch für herausragende zeitgenössische Kunst.

Der deutsche Anteil am weltweiten Markt für internationale Kunst beträgt, je nach Berechnungsmethode, dabei nur zwischen zwei und vier Prozent. Das anhaltende Hoch zeigte sich 2022 gerade auch außerhalb Deutschlands, bei den Versteigerungen der großen Häuser in London und New York: Insgesamt 922 Millionen spielte in zwei – nach Scheidung und Rosenkrieg gerichtlich angeordneten – Auktionen die Sammlung von Linda und Harry Macklowe im November 2021 und Mai 2022 bei Sotheby's ein. Auf 1,6 Milliarden US-Dollar brachten es im November 2022 die 150 unbestrittenen Meisterwerke aus der Sammlung des 2018 gestorbenen Microsoft-Mitgründers Paul G. Allen bei einer zweiteiligen Auktion von Christie's in New York – ein einsamer Rekord in der Kunstauktionsgeschichte. Gleich fünf Gemälde von Cézanne, van Gogh, Gauguin, Seurat und Klimt überstiegen dabei je die lange als unerreichbar geltende Marke von 100 Millionen Dollar (Klimts Birkenwald etwa, der nun 105 Millionen Dollar erlöste, hatte Allen zu Lebzeiten im Jahr 2006 für 40 Millionen Dollar erworben). Und selbst damit war die Luft noch nicht aus dem Markt heraus. Eine Woche später gaben Käuferinnen und Käufer bei Sotheby's in New York bei einer Auktion von Werken aus verschiedenen Sammlungen noch einmal insgesamt 315 Millionen Dollar für Kunst aus.

"Die Leute kaufen, als ob es weder Krieg noch Krisen gebe", sagte auf der Kunstmesse Art Cologne wenige Tage danach ein international tätiger Kunstberater. Nach wie vor gelte die 3D-Regel, debt, divorce and death – Schulden, Scheidung und der Tod verschafften dem Kunsthandel die einträglichsten Geschäfte. Davon profitiert aber nicht der gesamte Markt; bislang sind es vor allem die großen Auktionshäuser und jene Galerien, die an der Spitze des Kunstmarktes mitspielen wie Gagosian und Zwirner, Pace und Acquavella, Hauser & Wirth, Deitch oder Gavin Brown. Sie kassieren vor allem sogenanntes altes Geld, als das im Kunstmarkt solches aus Europa und den USA gilt: Die Analyse des Paul-Allen-Sales etwa belegte, dass die Käuferinnen und Käufer auch 2022 nicht aus Südamerika, Indien, China, Russland kamen, obwohl diese Regionen nach erzielten Rekordpreisen für einzelne Bilder immer wieder als Herkunftsländer von Käufern genannt werden (und der Kunst sammelnde Oligarch mittlerweile ein gängiges Klischee ist). Zwar wurde etwa der 117-Millionen-van-Gogh aus der Sammlung Allen nach China verkauft, Sammler von dort konzentrieren sich häufig aber auf heimische Kunst. 50 Prozent der zugeschlagenen Allen-Werke blieben denn auch in den USA, 38 Prozent gingen in die EU, Großbritannien und den Nahen Osten – und alle wurden von privaten Sammlerinnen und Sammler erworben, nicht ein einziges Bild von einem öffentlichen Museum. Dort fehlt, egal wo auf der Welt, seit Langem schlicht das Geld für derlei Fantasiesummen.

Für den scheinbaren Widerspruch zwischen der in vielerlei Hinsicht desolaten Weltlage und der nahezu grenzenlosen privaten Kauflust am Kunstmarkt gibt es plausible Gründe. Dirk Boll, Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts Europe & UK, Middle East, & Africa beim Auktionshaus Christie's, beschreibt einen davon so: "Das reichste Prozent der Weltbevölkerung ist in der Pandemie eher noch reicher geworden. Es ist in Konsumlaune und gibt tatsächlich Geld für Kunst aus. Die Umsatzentwicklung bestimmen dabei vor allem große Einzeltransaktionen wie die Marilyn von Andy Warhol aus der Schweizer Sammlung Ammann, für die im Mai 195 Millionen Dollar bezahlt wurden. Oder Verkäufe von Sammlungen wie Macklowe oder Allen."

In der Gatekeeperfunktion, die die Marktsysteme dabei wahrnehmen, sieht der Kunsthändler aber auch eine Gefahr: "Selbst im Mittelmarkt, in dem früher Preise zwischen 50.000 und einer Million Dollar üblich waren, sind die Werke mittlerweile so teuer geworden, dass plötzlich die Wertsicherung der Investition eine Rolle spielt. Dadurch wird der Markt im Angebot immer konservativer."

Heinrich zu Hohenlohe, Kunsthändler in Berlin, zitiert im Gespräch den Frankfurter Bankier und Sammler Mayer Carl Freiherr von Rothschild, der schon Mitte des 19. Jahrhunderts empfahl: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen." Einen aktuellen Boom sieht zu Hohenlohe aber nicht: "Wir befinden uns eher auf einem Plateau, und die Preise bleiben absehbar auf einem hohen Niveau." Einige Akteure hätten den Markt zwar verlassen, manche aus finanziellen Gründen, andere seien vielleicht nervös, wieder andere – etwa russische Käufer – seien schlicht Sanktionen unterworfen. "Oder der Zugang zum Markt wird durch neue Geldwäschegesetze erschwert", sagt Hohenlohe. Das manifestiere sich zum Beispiel bei Auktionen, bei denen weniger Bieter für die jeweiligen Lose zu vermelden seien, aber die verbliebenen Käufer den Markt auf dem jetzigen Stand stützen würden: "Viele finanzkräftige Käufer haben in den letzten Jahren Überschüsse erzielt, die angelegt oder zumindest vor der steigenden Inflation geschützt werden sollen. Hier bietet der Kauf von qualitativ hochstehender Kunst sehr gute Chancen. Wer in diesem Markt in der Lage ist, Qualität und stabile Werte zu kaufen, ist immer gut beraten."

Irgendwann stehen genug Ferraris in der Garage, liegen genug Jachten in den Häfen der Welt (so sie nicht konfisziert werden), befinden sich genug Immobilien in den Portfolios der sogenannten high net worth individuals. Kunst hingegen verspricht denen, die finanziell in der Lage sind, die richtigen Werke der richtigen Namen zu kaufen, nicht nur ein sicheres Investment, weil die Preise für wichtige Bilder von Andy Warhol, Gerhard Richter, Jackson Pollock oder Altmeistern wie Rembrandt, Raffael und Goya auch in absehbarer Zeit nicht fallen werden. Diese Namen garantieren vor allem gleichzeitig soziales Prestige, das Luxusgüter wie Handtaschen, Sneakers, Wein oder Armbanduhren letztlich doch nicht bieten können – weil es sich dabei selten um Unikate handelt, gleichsam verbriefte Meisterwerke, sondern letztlich um industriell gefertigte Massenware.

Wer sich hingegen in einer Galerie oder einem Auktionshaus für ein Kunstwerk interessiert und die entsprechenden Kontoauszüge nachweisen kann, wird schon vor dem Kauf als Kulturmensch hofiert: mit private viewings, Expertinnengesprächen und gezielten Hinweisen auf angeblich oder tatsächlich ähnliche Werke, die sich unerreichbar in den großen Museen der Welt befinden. Das Werk aber, vor dem sie gerade in einem exklusiven Showroom in New York, London, Paris, Hongkong oder Berlin stehen, könnte tatsächlich bald in der eigenen Villa hängen. Wie in kaum einem anderen Bereich der Marktwirtschaft bestimmen am Kunstmarkt allein Angebot und Nachfrage den Preis. Objektive Kriterien wie Materialwert, Gewicht oder Größe gibt es für ein Gemälde oder eine Plastik nicht. Es ist allein die von Experten definierte kunsthistorische Bedeutung, die über den Preis entscheidet. Und weil seit Monaten die Preise immer weiter zu steigen scheinen, hat sich auch das Angebot verändert. Inzwischen sind auch Sammlerinnen und Sammler zum Verkauf von Meisterwerken bereit, die sich noch vor drei Jahren kaum von ihren Kulturschätzen getrennt hätten. Zweistellige Millionenpreise sind dabei längst auch für nicht museale Werke normal geworden, dass sie inzwischen in jenen Auktionen aufgerufen werden, die früher despektierlich "Part Two"-Auktionen hießen: in den Tagesauktionen mit eher nicht so wichtiger Ware, die in der Regel am Tag nach den großen Abendauktionen stattfinden.

Dabei ist das nur der allgemein bekannte Teil der Transaktionen. Bei Weitem nicht alle Verkäufe finden öffentlich statt, bei Weitem nicht alle Preise werden bekannt. 2022 wechselten zum Beispiel bedeutende Werke von Frida Kahlo und Paul Cézanne sehr diskret den Besitzer. Oft handelt es sich bei den Käuferinnen und Käufern um Kunden der Auktionshäuser, die vorher in Auktionen überboten worden waren. Seit Jahren haben die großen internationalen wie die nach wie vor eher kleinen Auktionshäuser in Deutschland Abteilungen für sogenannte private sales auf- und ausgebaut. Hier wird inzwischen jenes Geschäft abgewickelt, das einst den Galerien vorbehalten war: der diskrete Kauf von Kunst, für den lange auch relativ uneingeschränkt mit Bargeld bezahlt werden konnte. Nicht immer ist dabei die Herkunft des Vermögens unumstritten: Der russische Oligarch Andrej Melnitschenko ließ 2008 im norwegischen Kristiansand drei Gemälde von Monet an Bord der 400-Millionen-Dollar-Jacht Aleksandra schaffen, die der Designer Philippe Starck für ihn gebaut hatte. Seit März 2022 steht der Milliardär auf der Sanktionsliste der EU. Im Herbst fanden deutsche Ermittler in einem Hamburger Kunstlager von Alischer Burchanowitsch Usmanow Kunstwerke im Wert von mehreren Millionen Euro. Anlass war ein Verdacht auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche gegen den langjährigen Putin-Vertrauten, der alle Vorwürfe bestreitet.

In allen großen Enthüllungen über illegale Vermögensverschleierung – Panama Papers, Paradise Papers, Bahamas Leaks, Offshore Leaks oder Russian Laundromat – spielte die Anlage von Schwarzgeld in Kunst eine maßgebliche Rolle als Marktfaktor. Der brasilianische Kriminalwissenschaftler Fausto De Sanctis veröffentlichte schon 2013 eine wissenschaftliche Studie mit dem Titel Money Laundering Through Art. Über das Weißwaschen von Schwarzgeld, schreibt der ehemalige Richter darin: "Kunst ist ein attraktiver Sektor für die Praxis der Geldwäsche wegen der großen finanziellen Transaktionen, der durchgängige Fremdheit und Vertraulichkeit, die die Kunstwelt umgeben, und der ungesetzlichen Aktivitäten, die mit ihr verbunden sind (Diebstahl, Raub und Fälschung)." Monika Roth, Schweizer Rechtsanwältin und Professorin für Compliance und Finanzmarktrecht an der Hochschule Luzern, stellte ein Jahr später fest: "Der Kunstmarkt lässt sich mit seiner von Diskretion und Intransparenz geprägten Kultur nur schwer kontrollieren. Es sind erhebliche Summen im Spiel. Geldwäscherei beeinflusst den Wert der Gegenstände, wodurch es zu Marktmanipulationen kommt. Steuerbetrug ist in diesem Bereich gang und gäbe. Die Transaktionen lassen sich heimlich abwickeln. Die Geschäftspartner können anonym oder virtuell bleiben. Auktionen lassen sich leicht manipulieren."

Inzwischen haben viele Staaten diesen Praktiken gesetzliche Riegel vorgeschoben – allerdings nicht in allen Teilen der Welt. Und ob die Anwendung der Vorschriften tatsächlich konsequent kontrolliert wird, ist noch einmal eine andere Frage. Das System der Zollfreilager zum Beispiel deutet nicht darauf hin. Anfangs gab es diese professionell klimatisierten und streng bewachten Lagerhäuser speziell für Kunstwerke und Kulturgüter vor allem in Europa, nun gibt es sie auch in Singapur und Hongkong. Weil keine Ein- und Ausfuhrsteuern bezahlt werden müssen, ist zum Teil seit Jahrzehnten unbekannt, was in Zollfreilagern von wem aufbewahrt wird. Geschäfte finden trotz aller Geheimnistuerei statt: Verkauft werden können dort Millionenwerte auf dem Papier, ohne dass die entsprechenden Objekte und Werte ihren sicheren Ort verlassen müssten. Die Bezahlung mit Bargeld nennt Monica Roth allerdings eine "primitive Technik". Viel effizienter ließe sich Geldwäsche auch am Kunstmarkt inzwischen mithilfe von Offshore- und Briefkastenfirmen und vor allem mit anonymen Kryptowährungen durchführen.

Es sind also nicht immer nur kulturelle Gründe, die für den trotz Pandemie, Krieg und Inflation anhaltenden Boom am internationalen Kunstmarkt sorgen. Im Fall des Beckmann-Selbstporträts scheinen sie aber der entscheidende Kaufanlass gewesen zu sein. Ein Schweizer Sammler habe das Bild telefonisch ersteigert, hieß es nach der Auktion. Nach Recherchen von ZEIT ONLINE und Deutschlandfunk handelt es sich dabei um den in Deutschland geborenen und auch in der Schweiz lebenden Unternehmer und Großsammler Reinhold Würth. In einem der 15 von dem Milliardär gegründeten Museen und Kunsthallen dürfte das Gemälde wohl bald wieder öffentlich zu sehen sein.


Aus: "Schlechte Zeiten sind gute Zeiten" Stefan Koldehoff (14. Dezember 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/kunst/2022-12/kunsthandel-kunstmarkt-max-beckmann-selbstbildnis-auktion/komplettansicht

https://www.zeit.de/kultur/kunst/2022-12/max-beckmann-selbstbildnis-auktion-rekord

https://www.nytimes.com/2022/11/09/arts/design/paul-allen-auction-christies.html

https://www.derstandard.de/story/2000140733460/gustav-klimts-birkenwald-im-wald-wo-die-millionen-wohnen

https://www.zeit.de/2022/01/gerhard-richter-maler-kunst-faszination

Quotethere-is-no-free-lunch #1: " ... Ich habe keine Ahnung ob ich verrückt bin, oder die Welt verrückt ist. Das beschäftigt mich sehr. Beides wäre vollkommen ok für mich. Ich will es einfach nur wissen. ..."

Quotezotsch #2: " ... Im Grunde zeigt das nur, dass zu viele Leute zu viel Geld haben und es in einer Blase, die weit, weit jenseits des vom Normalbürger erfaßbaren ist, hin und her schieben. ..."


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Heute gab's für mich nur Joghurt, aber Maus hat Tortelloni bekommen", schreibt eine Mutter. Anderswo ist zu lesen: "Heute ist mein vierter Tag mit Kartoffeln und Quark, um über die Runden zu kommen."

Vom Flaschensammeln wird erzählt und wie unangenehm das ist. Aber: "Ich habe 6,70 Euro zusammen." Und Frau S. ist froh, dass es jetzt immer schon so früh dunkel ist. Es sei für sie "die optimale Möglichkeit, ungesehen in Mülleimer zu leuchten, ob dort Pfandflaschen drin sind."

Alle diese Tweets haben eines gemeinsam. Sie sind bei Twitter unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen zu lesen. Urheberin ist Anni W., eine Mutter aus Nordrhein-Westfalen. Doch hinter dem Hashtag steckt keine ausgeklügelte Strategie, sondern vielmehr Frust.

"Ich war so wütend", erinnert sich Anni W. an jenen Tag im Mai. Da hatte sie zwei Artikel mit dem Tenor gelesen: Wer mit Hartz IV, der Grundsicherung in Deutschland also, nicht auskomme, der könne nicht mit Geld umgehen. Also tippte sie ins Handy: "Hi, ich bin Anni, 39, und habe die Schnauze voll! Ich lebe von Hartz IV, und es reicht ganz einfach nicht! Nein, ich kann keine weiteren Kosten senken. Nein, ich gebe kein Geld ,unnütz' aus." Dann setzte sie den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen und traf einen Nerv.

Es folgten Tweet um Tweet aus ganz Deutschland, im September wurde mal gezählt, da waren es 500.000. "Manchmal kann ich das noch gar nicht begreifen", sagt Anni W. Sie weiß aber eines: "Ich will mich nicht mehr verstecken." Jeder kann wissen, wie sie lebt. 400 Euro blieben im Monat, nach Abzug der Fixkosten, für sich und ihren zehnjährigen Sohn.

"Söhnchen braucht Vitamine", erklärt sie. Aber sie habe ihm klargemacht: "Nur Äpfel, nicht Birnen, die sind zu teuer." Eine neue Winterjacke ist auch vonnöten. Wie sie die zahlen soll? "Ich weiß es einfach nicht", sagt Anni W. 200 Euro mehr hätte sie gerne im Monat, dann ginge es ein wenig leichter.

Geh doch arbeiten! Wer will, kann arbeiten, das hört sie oft. "Ich will ja, aber ich kann nicht", lautet ihre Antwort. Sie leidet an Arthrose in der Lendenwirbelsäule und Depressionen. Von Krankheit berichten unter #IchBinArmutsbetroffen viele Menschen.

Für sie interessiert sich mittlerweile auch die Wissenschaft. "Das könnte der Anfang einer Bewegung sein", sagt Holger Schoneville, Juniorprofessor für Sozialpädagogik an der Universität Hamburg, der die Tweets untersucht.

"Um die 16 Prozent der Menschen sind von Armut betroffen, bis zu 20 Prozent von sozialer Ausgrenzung bedroht, aber das sagt wenig darüber aus, was das im Alltag bedeutet", meint er. Denn: "Wir wissen aus der Forschung, dass Armut mit Scham verbunden ist. Armutsbetroffene versuchen, so zu erscheinen wie alle anderen. Das macht Armut häufig unsichtbar."

Nun aber würden Menschen über ihre Anstrengungen berichten. Dabei helfe die Anonymität des Internets, sagt Schoneville. Er vermutet, dass der große Zulauf für den Hashtag auch Corona sowie den steigenden Kosten im Rahmen der Inflation geschuldet sei: "Die Pandemie war für viele Menschen auch eine soziale Krise, die mit Verlust von Einkommen und teilweise auch Arbeitsplätzen einherging. Die Inflation verschärft die Lebenssituation jetzt noch einmal. Davon betroffen sind insbesondere Menschen, die schon zuvor wenig hatten oder nur gerade soeben über die Runden kamen."

Deshalb engagiert sich auch Susanne Hansen. 2019 war die Hamburgerin nach einer Trennung in die Armut gerutscht. "Wir haben alle eine Geschichte. Ich kenne niemanden, der es sich ausgesucht hat", sagt sie und betont: "Ich kämpfe mich Schritt für Schritt aus der Armut heraus."

Aber sie wolle auch für ihre Kinder da sein, die unter der Trennung sehr gelitten hätten. Hansens Sohn hat während der Pandemie Depressionen bekommen und muss erst wieder in eine reguläre Schule eingegliedert werden. "Ich will ihn auf einen guten Weg bringen, damit er später einmal kein Sozialfall wird", sagt seine Mutter. Und so nimmt sie den permanenten Stress in Kauf, die Angst, dass was kaputtgeht oder jemand krank wird.

Der Hashtag helfe ihr, sagt Hansen: "Früher haben sich viele geschämt und versteckt. Heute wissen wir, dass wir nicht alleine sind." Ihr Wunsch für die Zukunft: "Es hören und sehen uns zwar mehr Menschen jetzt. Aber die Politik muss uns auch noch ernst nehmen."



Aus: "Leben am Limit – wie Armut auf Twitter sichtbar gemacht wird" Birgit Baumann (22.12.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000141093761/leben-am-limit-wie-armut-auf-twitter-sichtbar-gemacht-wird

Quotepeter schmidt

Schon der allererste Satz ergibt keinen sinn. Tortellini aus dem packerl sind weitaus guenstiger als yoghurt.


QuoteDr.Q

Ich wünsche Ihnen einen frohen Christtag. Auch wenns keinen Sinn ergibt. Vielleicht bringt ihnen das Christkind ja Verstand, wenn schon kein Gefühl da ist.


QuoteChocopop

Ich war als Kind selber arm. Kleidung nur gebraucht, kaputte Spielsachen und nicht mal Milch.
Grund für die Misere war eine Reihe finanzieller Fehlentscheidungen meines Vaters, sowie seine Alkohol- und Nikotinsucht.
Hier im Forum haben die Leute große Freude daran, den Vermögenden die Schuld für Armut zuzuschanzen und die Armen von ihrer Eigenverantwortung freizusprechen. Das kann man machen - es bringt halt nichts.
Mit meiner Ursprungsfamilie ist es übrigens bergauf gegangen, als mein Vater seine Süchte besiegt hat.
Er wäre auch nie auf die Idee gekommen, externalen Umständen der Gesellschaft die Schuld für sein eigenes Unvermögen zu geben. Sonst hätte er sich wohl kaum aufrappeln können.


Quoteha_1980

"und die Armen von ihrer Eigenverantwortung freizusprechen"

Kinder können auch wirklich nichts für die Armut in die sie hineingeboren werden und die dadurch massiv verminderten Chancen an Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Bildung wird sehr stark vererbt.
Und schön wenn Ihr Vater die Kurve gekriegt hat. Es gibt aber auch Erkrankungen, an denen man nunmal nichts ändern kann.
Was wollen Sie uns eigentlich sagen? Arme Menschen sollen einfach nur ihren Hintern hochkriegen?


QuoteSpeed of light

In sehr vielen Fällen ist es genau das,was nötig wäre. Den Hintern hoch kriegen.
Das stimmt natürlich nicht in allen Fällen. Was wo zutrifft lässt sich halt ohne Kenntnis der näheren Umstände nicht beurteilen.


QuoteTravelling hopefully

Bin entsetzt, wie zynisch manche Menschen sind. Erinnert mich an Aussprüche wie "Die, die früh aufstehen, sollen nicht die Dummen sein". "soziale Hängematte" usw. Von Depression haben auch viele keine Ahnung. Ich habe durch diese Krankheit meinen jüngeren Sohn verloren. Hätte auch nie gedacht, einmal selbst in die Armut zu schlittern und schäme mich dafür. Im Leben läuft eben nicht alles wie geplant. Psychische Krankheit, Scheidung, Leben als Alleinerziehende, mit Nachhilfe geben über Wasser gehalten, nach oben erwähntem Schicksalsschlag innerhalb von drei Jahren nicht mehr die Kraft dazu. Selber schuld?


QuoteAllesWieImmer

Dazu passt viell. auch diese 'Story' über den Britischen Premier, der bei einer Propaganda-in-eigener-Sache-Obdachlosenausspeisung einen Mann fragt 'ob er in der Wirtschaft arbeite, worauf dieser antwortete, dass er obdachlos sei'!

Auch am Heiligen Abend sieht sich Sunak erneut mit Kritik konfrontiert. Auslöser ist ein Auftritt des Premiers in einer Suppenküche für Obdachlose. Dort fragte er einen Mann, ob er in der Wirtschaft arbeite, worauf dieser antwortete, dass er obdachlos sei. Er sei aber an Wirtschaft interessiert, vor allem an der Finanzindustrie. Sunak sprach dann über seinen Hintergrund in der Finanzbranche und fragte, ob der Mann ,,gerne in diese Branche einsteigen" würde. Der Mann antwortete: ,,Ich hätte nichts dagegen, aber ich weiß nicht, ich möchte erst einmal Weihnachten überstehen."
https://orf.at/stories/3298971/


QuoteKreisfetischist

Wir leben in einer Überflußgesellschaft, egal in welchen Bereich wird über Lebensmittel, Baustoffe, Arbeitsleistung extrem viel "weggeworfen" bzw nicht genutzt.
Das Problem, das wir haben liegt in der Verteilung der Ressourcen.


Quotedepp am huegel

Der eine kauft sich Twitter um zig Milliarden, die andern berichten darauf über ihre Armut. Dystopisch.


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Textaris(txt*bot)

"Das Geld ist nicht weg – es hat jetzt nur ein anderer"

Quote[...] Energie ist so teuer wie noch nie, und viele heimische Haushalte ächzen bereits unter der Preislawine, denn die Energiekosten treiben auch die Inflation nach oben. Schon 51 Prozent der Bevölkerung fühlen sich laut einer Umfrage der Erste Bank von der Inflation "stark" oder "ziemlich" betroffen. Erweitert man das um jene, die die Teuerung "etwas" spüren, sind schon 82 Prozent betroffen.

Um sich das Heizen noch leisten zu können, wird in vielen Haushalten bereits an allen Ecken und Enden gespart: 62 Prozent der Österreicher müssen sich mittlerweile bei ihren Ausgaben einschränken. 44 Prozent der Befragten sehen beim "Essengehen" und der "geringeren Nutzung des Autos" Einsparungspotenzial. 42 Prozent wollen beim Urlaub und 29 Prozent beim Einkauf von Kleidung kürzertreten. Bei Elektronikartikeln wie Handy, Computer und Fernseher wollen sich 22 Prozent einschränken.

Doch es gibt eine Möglichkeit, dem massiv gestiegenen Kostendruck mit relativ wenig Aufwand zu entkommen oder ihn zumindest etwas abzufedern. Der Schlüssel dazu liegt in der alten Börsenweisheit "Das Geld ist nicht weg – es hat jetzt nur ein anderer". Denn der Löwenanteil dessen, was den Haushalten (und der Industrie oder dem Handel) fehlt, geht an die Energiekonzerne — viele von ihnen machen jetzt exorbitante Gewinne.

Insofern lohnt sich ein Blick auf deren Aktienkurse, um sich die erfolgversprechendsten ins Portfolio zu legen. Denn deren Kursanstiege und Dividendenzahlungen können die Energiekostenrechnung zumindest abfedern oder gar egalisieren. In der Fachsprache "hedgt" man so die Strom-, Gas- oder Treibstoffrechnung mit Aktien von Energieunternehmen. "Diese Strategie ist durchaus interessant. Es sollte aber nicht die einzige Strategie sein, die ein Anleger verfolgt. Ein Portfolio gehört auch in Spezialthemen gut diversifiziert", sagt Wolfgang Matejka, Kapitalmarktexperte und Chef von Matejka & Partner Asset Management.

Weil aber in Europa nicht nur das Gespenst der Inflation, sondern auch die für Börsianer toxische Übergewinnabschöpfung in der Luft hängt, sollte man sich vorsichtshalber auf Titel aus Übersee konzentrieren.

Die Aktie des US-Konzerns Occidental Petroleum etwa, der vor allem im texanischen Permian Basin Öl und Erdgas fördert, stieg von Ende Oktober 2021 bis Ende Oktober 2022 um 110 Prozent. Das Investmentunternehmen von Investorenlegende Warren Buffett, Berkshire Hathaway, ist schon im ersten Quartal 2022 bei Occidental Petroleum eingestiegen.

Lukrativ nicht nur für potenzielle Energiepreishedger sind auch US-Ölbohrer wie Devon Energy. Per Ende Oktober lag die Aktie 84 Prozent im Plus, in den vergangenen drei Jahren legte der Titel um 265 Prozent zu. Zuletzt hatte Devon Energy einen Jahresüberschuss von 2,81 Milliarden US-Dollar (2,8 Milliarden Euro) in den Büchern stehen. Die Gesellschaft hatte Waren und Dienstleistungen im Wert von 12,2 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Allein im Oktober 2022 schaffte Devon Energy ein Kursplus von 24,60 Prozent.

Marathon Oil legte im Jahresvergleich um 75 Prozent zu. Das international tätige Energieunternehmen hatte einen starken Rücksetzer im Juni, dann ging es mit den Papieren des Öl- und Gasunternehmen zwar volatil, aber dennoch bergauf. Im September gab es einen weiteren scharfen Rücksetzer, den die Anleger aber zu Nachkäufen genutzt haben.

Interessant für Energiehedger könnte auch die Apache Corporation sein. Das Unternehmen mit Firmensitz in Houston fördert und verkauft Erdöl und Erdgas und ist weltweit tätig. Auf Jahressicht liegt die Aktie 56 Prozent in Plus. Der Energieriese Chevron brachte seinen Anlegern im selben Zeitraum ein Kursplus von rund 54 Prozent. US-Unternehmen sind auch darum interessant, weil sie in Zeiten guter Geschäftstätigkeit gerne hohe Summen in den Rückkauf eigener Aktien investieren – das treibt die Kurse weiter an.

"Wichtig ist, dass man sich für diese Strategie nicht nur kurzfristige Gewinne von Energieunternehmen ansieht, sondern auch Beteiligungen an langfristigen Projekten überlegt", sagt Matejka. Gemeint sind damit Unternehmen entlang der neu entstehenden Wertschöpfungskette, "etwas der Bau von LNG-Terminals oder neuen Pipelines, die es braucht, um Öl und Gas aus neuen Bezugsquellen zu importieren", sagt der Anlageexperte.

Wer Investments in diese Unternehmen zu schmutzig findet und an der Idee des Energiehedging dennoch Gefallen findet, für den gibt es auch grüne Alternativen. Der deutsche Windparkprojektierer PNE etwa hat seit vergangenem Juli ein Kursplus von 125 Prozent aufs Parkett gelegt. Zuletzt hat PNE Marktgerüchte über einen möglichen Anteilsverkauf durch den Hauptaktionär Photon bestätigt – ein Übernahmeangebot hängt im Raum und beflügelt die Aktie. Die Photon Management GmbH wird von Morgan Stanley kontrolliert und ist größter Aktionär von PNE.

Die Aktie des deutschen Wind- und Solarparkbauers Energiekontor legte in den vergangenen fünf Jahren um 450 Prozent zu und sollte ebenfalls auf dem Radar umweltbewusster und langfristig orientierter Investoren sein. Hauck Aufhäuser Investment Banking hat das Kursziel für Energiekontor auf 136 Euro geschätzt. Ende Oktober stand der Kurs bei 83 Euro – es dürfte also noch viel Potenzial in den Aktien stecken.

In den nachhaltigen Energien sieht auch Matejka Potenzial: "Neben dem weiteren Ausbau von Wind- oder Wasserkraftwerken bzw. Photovoltaikanlagen ist auch Wasserstoff bereits eine tragfähige Alternative, die entlang der Wertschöpfungskette investierbar ist und unser Energiebild immer stärker zu prägen beginnt", sagt der Assetmanager.

Doch wie geht man an das Energiehedging heran? Je nach Höhe der Energierechnung werden Aktien der betreffenden Unternehmen in zumindest gleicher oder vorsichtshalber doppelter Höhe gekauft. Denn es darf nicht vergessen werden, wenn Kursgewinne realisiert werden, nascht auch der Finanzminister mit. Die Verdoppelung der veranlagten Summe lohnt sich auch deshalb, weil diese Aktien in US-Dollar notieren und die Gefahr von Währungsschwankungen droht, denn der Greenback ist zurzeit zum Euro auf Höhenflug.

Abgewickelt werden können die Aktienkäufe via Depot, das bei der Hausbank liegen kann. Je nach Gebührenstruktur lohnt sich diesbezüglich wohl auch ein Blick auf Internetbroker. Oftmals können Aktien dort kostengünstiger gehandelt werden. Dividendenzahlungen der Unternehmen werden übrigens automatisch auf dieses Konto überwiesen und sind ein willkommener Bonus. Geht die Strategie auf und steigen die Kurse weiter, kann man auch der Strom- und Gasabrechnung im kommenden Jahr gelassener entgegensehen.

(PORTFOLIO, Reinhard Krémer, 2.1.2023)


Aus: "Wie verdiene ich die Kosten für meine Energierechnung zurück?" (2. Jänner 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000141093739/wie-verdiene-ich-die-kosten-fuer-meine-energierechnung-zurueck

QuoteWasSollDasDenn

Jetzt im Ernst?

Wer beim Essen sparen muß, soll sich Aktien kaufen???
Da ist wohl jemand von der Silvesterfeier noch nicht ausgenüchtert.


QuoteLady of the Lake

Klar, wenn man sich das Heizen nicht mehr leisten kann, wird man Anleger

Ist logisch ;)


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Ich lehne mich mal soweit aus dem Fenster, zu behaupten, dass jene Menschen, die sich die Energiekosten nicht mehr leisten können, erst recht kein Geld für Aktienspekulation haben.


QuoteManfredin

Hab ich das jetzt echt gelesen? ...


QuoteOpt-Out

Genau das hab ich mir auch gedacht: WTF!


Quotesuper Typ

Ich habe mir Aktien von meinem Arbeitgeber gekauft. Ist ein gutes Hedging, wenn er mir das Gehalt kürzt. Das gekürzte Gehalt hole ich mir über die Gewinnbeteiligung zurück.


QuoteFranz Woyzecks liebste Erbse

Menschen, die keine Ahnung von Finanzmärkten haben und die sich mangels Bonität ihre Energiekosten nicht mehr leisten können, Hedging zu empfehlen, ist eine Mischung aus Zynismus und Verantwortungslosigkeit.


Quotelieschen müller4

Wenn sie kein Brot mehr haben, sollen sie doch Kuchen essen....
Dieser Zynismus kommt praktisch nie aus der Mode....


QuoteFranz Stefan

Sie lasen eine Werbeeinschaltung der Finanz"industrie".


QuoteCitizenDick

Jeden Mittwoch und Sonntag 6 aus 45: holen Sie sich jetzt die Energierechnung zurück


QuoteStinkfoot jr.

Standard die Zeitung für die oberen Zehntausend. Morgen unser Artikel, wie vergolde ich meinen Bentley.


QuoteMützekatze

Bentley? Wie mondän.


QuoteJarl .

Super Tipps

Danke lieber Standard, habe noch eine super Tipp um die Aktien zu diversifizieren: Investieren in Waffenfabriken, da ist auch einiges zu holen!


Quotepetutschnigkorl

der artikel lässt einem nur staunend den mund offen stehen.


QuoteI bins, da franz

Dieser Artikel muss satirisch gemeint sein.


QuoteFerdinand Freybier

übersetzt heißt das: Die Billa Kassiererin, die mit ihrem 16 Jahre alten Fiesta in die Hacke pendelt, soll sich einen Tesla Model 3 Performance kaufen um sich den Sprit zu sparen!




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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Bundestag hat am Freitag Änderungen im Aufenthalts- und Asylrecht beschlossen, die langjährig in Deutschland nur geduldeten Ausländern eine Perspektive auf ein sicheres Bleiberecht geben soll. Mit der Mehrheit von 371 Stimmen verabschiedete das Parlament in namentlicher Abstimmung das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht. Menschen, die am 31. Oktober dieses Jahres bereits seit fünf Jahren ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland lebten, sollen für 18 Monate den neuen Status bekommen, um innerhalb dieser Zeit die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht nachzuweisen. Außerdem beschloss der Bundestag ein Gesetz zur Beschleunigung von Asyl- und Asylgerichtsverfahren.

Das Chancen-Aufenthaltsrecht soll Menschen eine Perspektive geben, die in der Vergangenheit jeweils nur den befristeten Duldungsstatus bekommen haben. Er bedeutet, dass die Betroffenen eigentlich ausreisepflichtig sind, zugleich aber aus persönlichen Gründen oder wegen der Situation im Herkunftsland nicht abgeschoben werden können. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh bezeichnete diese Kettenduldungen als ,,unwürdigen Zustand". Deswegen sei das neue Aufenthaltsrecht ein ,,Gesetz der Vernunft".

Um nach den 18 Monaten ein dauerhaftes Bleiberecht zu bekommen, müssen die Menschen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. ,,Das bedeutet Sprache, Job und selbstverständlich auch sauber bleiben`", betonte der FDP-Abgeordnete Muhanad Al-Halak. Er warb mit seiner persönlichen Biografie dafür, Geduldeten eine Chance zu geben. Dass ,,ein Junge aus dem Irak" wie er heute als Bürger Deutschlands im Bundestag stehe, sei doch kein Problem, sagte er.

Werden die Bedingungen für ein Bleiberecht nach 18 Monaten nicht erfüllt, fallen die Betroffenen wieder auf den Duldungsstatus zurück. Vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen werden Straftäter. Rund 137.000 der rund 248.000 Geduldeten könnten von der Neuregelung profitieren.

Mit dem vom Parlament beschlossenen Gesetz werden auch für Hürden für das stichtagsunabhängige Bleiberecht gesenkt, indem die Wartezeiten verkürzt werden. Zudem wird beim Familiennachzug zu Fachkräften in Deutschland künftig kein Sprachnachweis mehr verlangt.

Ferner beschloss das Parlament ein Gesetz, das Änderungen für Asyl- und Asylgerichtsverfahren vorsieht. Ziel ist es jeweils, die Verfahren im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sowie vor Gerichten zu beschleunigen. Mit dem Gesetz wird zudem erstmals eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung eingeführt, bei der sich Flüchtlinge vor und während des Verfahrens Rat und Hilfe holen können. Dies werde die Qualität der Asylbescheide steigern, sagte die Grünen-Politikerin Filiz Polat.

Die Union kritisierte die beiden Gesetze. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sprach von ,,Fehlanreizen". Schon die bestehenden Regelungen gäben Geduldeten bei guter Integration eine Perspektive. Das neue Gesetz belohne ,,die Falschen". Wie die AfD hatte die Union angekündigt, gegen das Gesetz zu stimmen. Nach der zweiten Lesung enthielten sich aber auch Unionsabgeordnete bei der Abstimmung mit Handzeichen. In der namentlichen Schlussabstimmung gab es 226 Stimmen gegen das Chancen-Aufenthaltsrecht und 57 Enthaltungen.

Die Linke übte ebenfalls Kritik an den Gesetzen. Ihr geht wiederum das Chancen-Aufenthaltsrecht nicht weit genug. Im Gesetz für die Beschleunigung von Asylverfahren sieht sie zudem eine Verschärfung. Dass Anhörungen im Asylverfahren künftig auch mit Videotechnik möglich sein sollen, bezeichnete die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, als ,,Tabubruch". Die Anhörung sei Kern des Asylverfahrens, in der persönliche, oft dramatische Geschichte berichtet werde. Mit Videotechnik sei die dafür notwendige vertrauensvolle Atmosphäre kaum möglich. (epd/mig)


Aus: "Bundestag beschließt Chancen-Aufenthaltsrecht" (04.12.2022)
Quelle: https://www.migazin.de/2022/12/04/erleichterungen-geduldete-bundestag-chancen-aufenthaltsrecht/

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Quote[...] Gegen die abgewiesene Klage eines Mieters zur Aufnahme von Flüchtlingen in seinem angemieteten Haus geht der Mieterverein München in Berufung. Der Verein unterstütze den Mieter nicht nur juristisch, sondern übernehme auch die Prozesskosten, um so die Rechtslage bundesweit zu klären, teilte der Verein mit.

Das Amtsgericht München hatte am Dienstag die Klage eines Mieters abgewiesen, der gegen den Willen seiner Vermieter für längere Zeit ukrainische Geflüchtete bei sich aufnehmen will. Ein Anspruch des Klägers auf Untervermietung eines Teils seines angemieteten Hauses bestehe nicht, hieß es in der Urteilsbegründung.

,,Wir müssen höchstrichterlich klären lassen, dass humanitäre Hilfe natürlich ein sogenanntes berechtigtes Interesse für eine Untervermietung ist", sagte Beatrix Zurek, Vorsitzende vom Mieterverein München. Grundsätzlich benötigten Mieter die Zustimmung des Vermieters, wenn sie einen Teil des gemieteten Wohnraums untervermieteten, so der Mieterverein. Unter bestimmten Umständen hätten sie aber ein Recht auf diese Zustimmung.

Im konkreten Fall ging es um einen Mann aus Gräfelfing (Landkreis München), der mit seinen zwei Kindern in einem angemieteten Einfamilienhaus auf 240 Quadratmeter Wohnfläche lebt, wie der Mieterverein mitteilte. Der verwitwete Mann nahm Mitte März eine 74-jährige Frau und ihre 15-jährige Enkelin aus der Ukraine auf, die auf dem Dachgeschoss wohnen. Die nebenan lebenden Vermieter hatten zunächst einer Aufnahme für acht Wochen zugestimmt – diese Dauer wollten sie allerdings nicht verlängern.

Nach Auffassung des Mietervereins gibt es in diesem Fall mehrere berechtigte Interessen: Zum einen sei inzwischen eine starke persönliche Bindung zwischen den Familien entstanden. Die ältere Dame kümmere sich mit um die Kinder und den Familienhund und helfe im Haushalt. Der zweifache Vater wiederum organisiere für das 15-jährige Mädchen, das durch den Krieg und den Tod der Mutter traumatisiert ist, psychologische Hilfe. (epd/mig)


Aus: "Müssen Vermieter der Untervermietung an Geflüchtete zustimmen?" (22.12.2022)
Quelle: https://www.migazin.de/2022/12/22/muessen-vermieter-der-untervermietung-an-gefluechtete-zustimmen/

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Quote[...] Das Löschfahrzeug war auf dem Weg nach Gropiusstadt. Auf der Hermannstraße stand es plötzlich vor einer Barrikade aus Baustellenschildern, die auf der Fahrbahn lagen. Auf einmal bewarfen rund 30 Vermummte das Auto mit Steinen und beschossen es mit Schreckschusspistolen. Sie rissen die Rollläden an den Seiten des Fahrzeugs hoch und versuchten Ausrüstung zu entwenden. Der Fahrer konnte das Auto über die Hindernisse hinwegbugsieren und davonfahren. Zum Sprechgesang des Rappers Capital Bra macht das Video von dem Geschehen bei WhatsApp die Runde.

Einer der betroffenen Feuerwehrmänner berichtet in einer Audioaufnahme in einem internen Chat, wie sehr ihn das alles mitgenommen hat: ,,Das war richtig krank, das kannst du dir nicht vorstellen." Die Frage müsse jetzt sein: Wie kann man dagegen vorgehen? Da müssten Politiker sich unbedingt etwas einfallen lassen. Er sagt: ,,Gewalt gegen Einsatzkräfte hat heute Nacht noch mal eine ganz andere Bedeutung bekommen."

Ähnliches wie an der Herrmannstraße geschah auch an anderen Orten in Berlin. In Lichtenrade etwa wurde die Feuerwehr mit einem falschen Notruf in einen Hinterhalt gelockt. Vermummte attackierten dann die Feuerwehrleute, die unter Polizeischutz abziehen mussten.

Nach Angaben ihres Sprechers Thomas Kirstein prüft die Feuerwehr insgesamt 14 Meldungen zu Angriffen aus dem Hinterhalt auf Feuerwehrfahrzeuge, die alle nach ähnlichem Modus Operandi abliefen: Fahrzeuge wurden gezwungen zu stoppen und dann gezielt angegriffen. Hatten die Täter dies zuvor verabredet? ,,Genauso sah es für die Kollegen aus", sagt Kirstein.

An der Sonnenallee, nahe der High-Deck-Siedlung, setzten Randalierer einen Bus in Brand. Die Feuerwehr konnte erst mit Löschen beginnen, als sie Polizeischutz erhielt. Während Polizisten die Brandbekämpfer schützten, wurde einige Meter weiter das Schaufenster eines Ladens zertrümmert, in dem Feuer gelegt wurde.

Der Schwerpunkt der Krawalle lag im Norden Neuköllns. Betroffen waren aber auch Wedding, Kreuzberg oder Schöneberg.

Bei den meisten Tätern handelt es sich laut Polizisten, Feuerwehrleuten und Zeugen um arabischstämmige Jugendliche und junge Männer. Die Polizei nahm mehr als 100 Randalierer fest. Anhand der Identitätsfeststellungen bei den Festgenommenen gleicht die Polizei derzeit ab, ob sie es mit alten Bekannten wie ,,kiezorientierten Mehrfachtätern", zu tun hat.

,,Wir hatten damit gerechnet, dass Einsatzkräfte angegriffen würden", sagt Polizeisprecherin Anja Dierschke. Aber diese Aggressivität und Zerstörungswut habe es in früheren Silvesternächten nicht gegeben. Die Polizei war mit rund 1300 Beamten stadtweit im Einsatz. Dass der Personalansatz zu niedrig war, findet Dierschke nicht. ,,Auch mit mehr Kollegen hätte es die Angriffe gegeben."

... Am Montag steht Manuel Barth von der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft an der Schudomastraße in Neukölln. Dort war die Besatzung eines Löschfahrzeugs attackiert worden. Sie war auf dem Weg zu dem brennenden Bus. Die Brandbekämpfer hielten an der Schudomastraße, um Müllcontainer zu löschen. Plötzlich seien sie von etwa 100 Personen mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen worden, berichteten sie. Man habe auch auf ihre Köpfe gezielt. Die Feuerwehrleute fuhren schnell davon.

Während Manuel Barth davon erzählt, stehen ein paar Meter weiter zwei Jugendliche und starren auf ein Video auf ihrem Handy. Es zeigt hohe Flammen. ,,Teilnehmer dieses Mobs feiern im Nachgang ihre Video-Trophäe und teilen sie untereinander", sagt der Gewerkschafter. ,,Wir müssen klar die Ursachen dieser Trennung der Gesellschaft in ihren Idealen und Rechtsverständnissen beleuchten. Zustände, wie wir sie vor zwei Tagen erlebt haben, sind nicht nur nicht hinnehmbar, sondern konsequent zu bekämpfen."


Aus: "Neuköllns Ex-Stadtrat zu Silvester-Krawallen: ,,Das Ergebnis fehlender Integration"" Andreas Kopietz (02.01.2023)
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/neukoellns-ex-stadtrat-zu-silvester-krawallen-das-ergebnis-fehlender-integration-li.303127

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Quote[...] Die Sonnenallee macht ihrem Namen Ehre. Klarer blauer Winterhimmel strahlt am Dienstag über der Strasse im Berliner Bezirk Neukölln. Mohammed al-Nasri ist um 8 Uhr aufgestanden, hat seinen Kleintransporter mit Paletten voller Fanta-Dosen und Wasserflaschen beladen und beliefert damit jetzt den Al-Sham-Supermarkt in Hausnummer 94. Die Sonnenallee ist eine arabisch geprägte und in Berlin verrufene Meile; hier trugen sich in der Silvesternacht Gewaltexzesse zu. ...

Die Frau des Imbiss-Chefs ist sorgfältig geschminkt, trägt ihr Kopftuch eng anliegend, ihre Kinder besuchen eine islamische Schule. Sie lebt in der High-Deck-Siedlung, in der ein Reisebus in Brand gesetzt und die Feuerwehr am Löschen gehindert wurde. Es sei eine Gruppe von Jugendlichen gewesen, die das gemacht habe, sagt sie. «Vielleicht aus angestauter Aggression». Viele Jugendliche würden von ihren Eltern kaum erzogen. «Ich habe beobachtet, dass viele von ihnen Waffen besassen», sagt die 30-Jährige. «Woher hatten sie die? Wo liegt der Fehler im System?» Dennoch, sie liebe die Sonnenallee, sagt sie. Jeden Tag passiere hier etwas. Eines Tages werde sie ein Buch darüber schreiben. ...


Aus: "«Ich hatte Angst, meine Frau hat geweint»: ein forschender Spaziergang auf der Sonnenallee nach der Silvesternacht" Fatina Keilani, Berlin (04.01.2023)
Quelle: https://www.nzz.ch/international/silvester-in-berlin-neukoelln-das-sagen-die-anwohner-ld.1719570

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Quote[...] Angesichts der Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte in der Silvesternacht insbesondere in der Neuköllner High-Deck-Siedlung fordert der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) mehr Polizeipräsenz und die Einrichtung einer Brennpunktwache in dem Viertel. ,,Wir brauchen ein permanentes Auftreten der Staatsmacht, um zu zeigen, wer hier die Straße bestimmt. Der Staat darf sich hier nicht vertreiben lassen", sagte er dem Tagesspiegel.

Die Vorkommnisse in der Silvesternacht seien Ausdruck einer verfehlten Integrationspolitik. ,,Das sind überwiegend arabische Jugendliche, die hier völlig freidrehen, außer Rand und Band sind und unseren Staat vollkommen ablehnen", sagte der Sozialstadtrat.

Die Böllerei sei nur ein Mittel gewesen, um ,,mit aller Brutalität" gegen den Staat vorzugehen. Die nach der Silvesternacht aufgekommene Diskussion um ein Böllerverbot sei vor diesem Hintergrund eine ,,reine Scheindebatte".

Integrationspolitisch habe ein ,,völliges Versagen" stattgefunden, erklärte der CDU-Politiker. Der Bezirk bekomme vom Land nicht genügend Mittel und Unterstützung für die Kinder- und Jugendarbeit im Kiez. ,,Probleme hat man einfach laufen gelassen", sagte Liecke.

Nach den Attacken auf Polizei und Feuerwehr in der Silvesternacht in Berlin entspinnt sich eine Debatte über die Hintergründe der Ausschreitungen. Nach Ansicht der Neuköllner Integrationsbeauftragten Güner Balci sind die Taten nur von einer kleinen Gruppe ausgegangen. ,,Das sind totale Dumpfbacken", sagte Balci in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin ,,Spiegel" am Montag.

Einige der Personen kenne sie persönlich. Es handle sich dabei um ,,hoffnungslos Abgehängte". Diese hätten, auch wegen sozialer Medien, anders als vor 20 Jahren aber eine hohe Deutungsmacht. Dennoch seien sie ,,platt gesagt: absolute Loser", bei denen auch Drogen eine Rolle gespielt hätten.

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour fordert hingegen eine bundesweite Integrationsdebatte. ,,Wir haben es mit einer Gruppe zu tun, die nicht integriert ist, die nicht angekommen in dieser Gesellschaft ist. Eine Gruppe, die die Polizei und den Rechtsstaat teilweise verachtet und ablehnt", sagte Mansour am Montag in Berlin.

Dieser These widerspricht der Neuköllner Abgeordnete Ferat Koçak (Linke). ,,Statt stigmatisierender Zuschreibungen in Bezug auf migrantische Jugendliche brauchen wir einen entschiedenen Kampf gegen deren Perspektivlosigkeit und gegen den systematischen Rassismus, dem diese ständig ausgesetzt sind", sagte er dem Tagesspiegel.


Aus: ",,Arabische Jugendliche, die völlig freidrehen": Neuköllner Stadtrat Liecke will Brennpunktwache in der High-Deck-Siedlung" Christian Latz (03.01.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/arabische-jugendliche-die-vollig-freidrehen-neukollner-stadtrat-liecke-will-brennpunktwache-in-der-high-deck-siedlung-9122338.html

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Quote[...] Die High-Deck-Siedlung ist eine Großsiedlung mit rund 6000 Bewohnern im Berliner Ortsteil Neukölln des gleichnamigen Bezirks. Die Siedlung entstand in den 1970er und 1980er Jahren im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Das städtebauliche Konzept wandte sich gegen die bauliche Dichte der übrigen Berliner Großsiedlungen mit aneinandergereihten Hochhäusern wie im Märkischen Viertel oder der Gropiusstadt und setzte auf eine baulich-funktionale Trennung von Fußgängern und Autoverkehr. Hochgelagerte, begrünte Wege (die namensgebenden ,,High-Decks") verbinden die überwiegend fünf- bis sechsgeschossigen Gebäude, die über rund 2400 Wohnungen verfügen. Die Straßen und Garagen mit mehr als 1000 Stellplätzen liegen unter den High-Decks. Spätestens 25 Jahre nach dem Bau galt das als innovativ gepriesene Konzept der Siedlung bereits als gescheitert.

In den 1970er Jahren waren die Wohnungen wegen ihres Zuschnitts begehrt und Inbegriff für zeitgemäßes Wohnen am grünen Rand West-Berlins. Die Wohnungen lagen unweit der Berliner Mauer an der Grenze zum Ost-Berliner Bezirk Treptow. Nach der politischen Wende und der Maueröffnung verlor das Quartier seine ruhige Grenzlage, büßte an Attraktivität ein und entwickelte sich in den 1990er Jahren durch Segregation zum sozialen Brennpunkt. 2007 lebte mehr als die Hälfte der Einwohner von Transferleistungen. Mit der Einrichtung eines Quartiersmanagements und weiteren Sozial- sowie Kunstprojekten versucht die Stadt Berlin gegenzusteuern und die Siedlung wieder aufzuwerten. ...


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/High-Deck-Siedlung

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Quote[....] Sie liegt da wie angezählt. Erschöpft. Nass vom Winterregen, der dunkel über den Waschbeton läuft. Zerschnitten von der Sonnenallee, auf der in diesem Bereich Tempo 30 gilt, woran sich aber kaum jemand hält. Über der Straße erhebt sich das Brückenhaus, schaut trotzig herab. Keine hundert Meter Luftlinie weiter steht an einem Samstagabend im Januar groß und breitschultrig Ali, der lacht und sagt: ,,Ich hänge emotional an dieser Scheißgegend."

Das ist Neukölln: liebevoller wird's nicht.

Die High-Deck-Siedlung war ein städtebauliches Modellprojekt, als sie Mitte der 70er Jahre errichtet wurde: ein Wohngebiet, das Auto- und Fußgängerverkehr konsequent trennte. Gefahren wurde unten, gelaufen oben, auf den High-Decks. Es ist das einzige, das sich über all die Jahrzehnte nicht geändert hat.
2551 Wohnungen umfasst die Siedlung zur Rechten und Linken der Sonnenallee. Im zuständigen Quartiersmanagementgebiet – grob zwischen Siedlung und S-Bahn-Ring – leben 8361 Menschen, 70 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Etwa 50 Prozent sind Transferleistungsempfänger. Ende 2020 waren 76 Prozent der Kinder arm.

In der öffentlichen Wahrnehmung taucht die Siedlung seit Jahren vor allem mit schlechten Schlagzeilen auf: Messerstecherei, brennende Müllcontainer, Verwahrlosung. Kürzlich meldete die Polizei, 15 bis 20 Personen hätten dort nachts randaliert: ,,Die Männer schlugen mit Straßenschildern, Ästen, Flaschen und Baseballschlägern auf vorbeifahrende Autos ein oder warfen nach ihnen." Vor ein paar Jahren wurden hier Szenen für die Gangster-Serie ,,4 Blocks" gedreht. Die Gegend zehrt von ihrem Ruf – aber sie hadert auch damit. Je nachdem, wen man fragt.
Die High-Deck-Siedlung ist das Betongewordene schlechte Gewissen Berlins. Zu unangenehm, um sich ausdauernd damit zu beschäftigen, zu groß, um es zu ignorieren.
Ende 2020 stellte das Landesdenkmalamt die Siedlung unter Schutz und erklärte in einem Youtube-Film: ,,Sie ist einzig, nicht artig." Denkmalgeschützte Gangster-Romantik? Sie ist nur ein Teil der Wahrheit. Wie lebt es sich hier? Wer lebt hier?

,,Die Gegend prägt Menschen", sagt Ali. ,,Du willst hier nicht weg." Ali, der seinen Nachnamen nicht veröffentlichen will, ist 24 Jahre alt und in der High-Deck-Siedlung aufgewachsen, nah am Sonnencenter, dem Einkaufszentrum, wo es einen Edeka-Markt gibt, einen Thai-Imbiss, ein Café und eine Sportsbar. Die Familien seiner Eltern stammen aus der Türkei. Sein Vater arbeitet als Taxifahrer, seine Mutter hat alle möglichen Jobs gemacht, von Erzieherin bis Security. Ali steckt gerade mitten im ersten Staatsexamen für Jura.

,,Ich hatte eine super Kindheit", erinnert er sich. Man brauchte nur nach der Schule aufs High Deck vor der Haustür zu treten – irgendwer war immer da. Die Architektur machte es möglich, von den Eltern beobachtet und trotzdem allein spielen zu können. ,,Im Prinzip wachsen die Nachbarskinder heute genauso auf wie wir damals", sagt Ali. Mit den meisten Freunden hält er Kontakt, auch wenn sie unterschiedliche Wege eingeschlagen haben.
Waffen, Drogen, hier gibt es alles, versichern Jugendliche, die abends auf den Bänken am Sonnencenter abhängen. Manchmal ist es schwer zu sagen, ab wann in ihren Erzählungen die Angeberei überwiegt. Doch der Friseur warnt: im Dunkeln hier als Frau lieber nicht allein unterwegs sein.

Die Polizei verzeichnet für 2015 bis 2021 ein ,,gleichbleibendes Niveau" von angezeigten Straftaten in der Siedlung, 609 waren es im vergangenen Jahr. Meistens handelt es sich in dieser Gegend um Diebstahl, gefolgt von Körperverletzung, Betrug und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
,,Man kann hier leicht auf die schiefe Bahn geraten", sagt Ali. Aber rentiert sich das? In welchem Verhältnis steht die Menge des schnellen Geldes durch Drogenverkauf zur Anzahl der Jahre, die im Gefängnis zu verbringen sind, wenn man erwischt wird? Ali beschloss als Jugendlicher: in keinem.

Von seiner Oberschule – ,,99 Prozent Ausländer" – wechselte er auf ein Gymnasium. ,,Da dachte ich: das war gar kein Deutsch, was ich vorher gesprochen habe, die hier sprechen Deutsch", erzählt er lachend. Er wechselte vom Gymnasium an die Uni und dachte: Nee, das hier ist es.
Bauten sie damals Mist und rief jemand ihretwegen die Polizei, schickten sie Ali vor zum Reden. Einmal spielte er mit Freunden Fußball und der Ball landete auf einer Terrasse. Anstatt ihn zurückzugeben, stach ihn der Nachbar kaputt. ,,Das war ein guter, grau-roter Ball von Adidas", sagt Ali und klingt noch immer entrüstet. ,,Das war Sachbeschädigung."

Dass er sich durchsetzen könne, habe er in der High Deck gelernt, sagt er und faltet seine fast zwei Meter Körperlänge bescheiden hinter eine Tasse Kaffee ohne Milch und Zucker. Klar, wie die meisten Sonnencenter-Jungs hat er mal Kampfsport gemacht. Aber er meint das gar nicht körperlich. ,,In meinem zukünftigen Beruf ist es notwendig, aufzustehen und Contra zu geben."
Als die Mutter ihn fragte, was er mal sein wolle, sagte er: Richter. Die Vorstellung, mit einem Hammer auf den Tisch zu schlagen und alle tun, was er sagt, war verlockend. Heute will er Strafrechtler werden. ,,Egal was die Leute angestellt haben, jeder hat ein Recht auf Verteidigung", sagt er. In gewisser Weise ist das Aufwachsen in der High-Deck-Siedlung die beste Vorbereitung.

Schon heute bitten ihn Nachbarn um Rat. Hab was geklaut/Steuern hinterzogen/Kuddelmuddel mit Corona-Hilfen, was kann ich tun? Hab jemanden abgestochen und bin weggerannt. Ruhe bewahren, sagt Ali dann.
Er erinnert sich an den ersten Tag in der Uni. Frankfurt (Oder), erst mal online schauen, wie man da hinkommt: Bahnhof Friedrichstraße, dann in die Regionalbahn, zum ersten Mal in seinem Leben. Er fragte sich durch, stellte sich zu einer Gruppe junger Menschen mit Rucksäcken und lief ihnen, in Frankfurt angekommen, einfach hinterher.
Geht einer aus der High Deck in den Hörsaal, Berlinisch für: Steht ein Manta vor der Uni? Von wegen! Die meisten hier kriegen die Kurve. Nur sieht man niemandem seinen Bachelor-Abschluss an. Ali formuliert es so: ,,Ich sehe halt nicht gebildet aus, sondern wie ein Kanake."

Er grinst. Dabei nervt es ja. ,,Wir werden scheiße behandelt, weil wir aus der Gegend kommen", sagt er. Da sei etwa die Polizei, die sie anhalte. Einmal saß im Auto auch ein Mitglied einer bekannten Großfamilie. Ach, sagten die Beamten, kommt ihr aus der Shisha-Bar von deinem Cousin?
Jeder spielt die Rolle, die er muss.
Andererseits: kommt die Polizei in die Siedlung, sind die Jungs von heute stolz darauf, dass sie, zack, zwischen den Treppchen und Gängen, den Büschen und Sträßchen verschwinden können. Was aus der Luft geometrisch geordnet aussieht, ist zu Fuß erstmals abgelaufen recht verwirrend – und je nach Tageszeit auch ziemlich düster.
Auf den High Decks kann man ganz gut kicken. Leider ist es offiziell verboten.

Es ist Vor- und Nachteil der High Deck, dass sie abgeschottet wie eine Insel wirkt. Wer nicht hinein muss, geht auch nicht hinein. Nicht mal der Wechsel von der einen auf die andere Seite der Siedlung wird einem leicht gemacht. Es gibt keinen Zebrastreifen über die Sonnenallee.
Das einstige Modellprojekt sieht vergessen aus. Auf den spärlich bepflanzten High Decks spielen mittags ein paar Kinder Fußball. Ausweislich eines Schildes ist das zwar – wie so vieles – verboten, aber an diesem Wintertag sind sie der einzige Farbtupfer im Betongrau. Aus der Luft betrachtet sind die High Decks wie längliche graue Matten zwischen den Wohnblöcken zu ihrer Rechten und Linken ausgebreitet. Zu den Hauseingängen führen Treppen. Hinter den Häusern liegt jeweils ein kleiner Park, dann folgt die nächste Häuserreihe – und wieder ein High Deck.

Ein kurzer Schreckensschrei, als der Ball der Kinder beinahe über die Brüstung und hinunter auf die Straße springt. Von den Decks führen in Abständen Treppen hinab ins Reich der Kraftfahrzeuge. Unter den Fußgängerwegen liegen Parkplätze, stehen in Käfigen Mülltonnen.
Die Fensterrahmen der Siedlung sind ursprünglich bunt. Doch wo sie ersetzt werden mussten, hat man sich nicht die Mühe gemacht, wieder die gleiche Farbe zu finden, sondern weiße genommen.

,,Die Siedlung muss geheilt werden", sagt der Architekt Felix Oefelein. Es ist ihm ein nahezu persönliches Anliegen, geplant und gebaut wurde die Siedlung von seinem mittlerweile verstorbenen Vater Rainer Oefelein, gemeinsam mit dessen Architekten-Kollegen Bernhard Freund. Kurz nachdem Felix Oefelein 1975 geboren wurde, zogen die ersten Mieter entlang der Sonnenallee ein.

In einem Prospekt der Eigentümergesellschaft Stadt und Land, die noch heute einen Anteil der Wohnungen hält, werden sie 1976 freundlich begrüßt: ,,Die Highdecks an der Sonnenallee werden Gelegenheit bieten, Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter zu demonstrieren." Es gab zwei Saunen, Hobbyräume und Gästewohnungen. Die Sonnenallee war damals eine Sackgasse, an ihrem Ende stand die Mauer.
Die High Deck war ein begehrtes Wohngebiet. Doch über die Jahre änderte sich das. 2006 verkaufte Stadt und Land einen großen Anteil ihrer Wohnungen an einen privaten Investor, der mit notwendigen Sanierungsarbeiten begann. Es regnete durch Dächer, Fenster waren undicht, etwa 600 Wohnungen – also fast jede vierte – standen leer. Bald kamen viele Transferleistungsempfänger, arabische und südosteuropäische Familien, die wenig Geld aber jede Menge Probleme hatten.

"Berlin: Problemzone High-Deck-Siedlung: Am südlichen Ende der Sonnenallee wohnen seit kurzem viele Roma-Familien Nachbarn und der Bürgermeister sehen viele Konflikte, die Polizei aber nicht" (08.07.2008)
... Quartiersmanagerin Ines Müller bestätigt, dass es große Probleme mit den Roma-Familien gibt. ,,Nicht die eigentlichen Mieter verursachen die Schwierigkeiten", sagt sie, ,,sondern deren Gäste." Oft seien bis zu 30 Leute in einer Wohnung, was bei den Nachbarn zu großem Unmut führe. Denn die Gruppen seien laut, würden die Treppenhäuser und die Grünanlagen als Toiletten benutzen, viel Alkohol konsumieren. Alteingesessene Mieter hätten um ihre Kinder Angst. ,,Wer kann, zieht weg", sagt eine türkischstämmige Nachbarin, die seit elf Jahren hier lebt. Beschwerdebriefe an den Eigentümer der Häuser blieben unbeantwortet. ...
https://www.tagesspiegel.de/berlin/problemzone-high-deck-siedlung-1671739.html

Mittlerweile teilen sich die Wohnungsbaugesellschaft Howoge (1917), die Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH (450) und die Wohnungsbaugenossenschaft EVM (184) den Wohnungsbestand. Sie achten auf Durchmischung, sie engagieren sich im Quartier. Auch Bewohner:innen fühlen sich verantwortlich. 151 haben im vergangenen Jahr ehrenamtlich das dortige Quartiersmanagement unterstützt – 1999 waren es noch drei. Es gibt sehr viele Angebote in der Siedlung, die auch deswegen möglich sind, weil Menschen freiwillig ihre Zeit dafür schenken, etwa Konfliktvermittlung, einen Computerclub, einen Treff für Eltern von Kindern mit Behinderung.
An manchen Tagen scheint es, dass sich alles in der High Deck dagegenstemmt, die High Deck zu sein. Das kostet Kraft.

Bei einem Spaziergang über die Decks spricht Felix Oefelein von deren Begrünung, auch davon, die Zugänge barrierefrei zu gestalten – woran damals noch niemand dachte. Die wirkliche Herausforderung liege jedoch darunter, wo die Autos fahren. Er steigt eine der Treppen hinab. Unten breitet er die Arme aus: Wie wäre es, wenn Fahrzeuge und Straßen verschwinden, eine weiße Leinwand entsteht, die ganz neu gestaltet werden kann? Er denkt an Orte zum Arbeiten, Lernen, Ateliers, auch an Gemeinschaftsaktivitäten. Klar sei, dass ein einheitliches Weiterentwicklungskonzept benötigt werde, sagt er. ,,Keine Pflasterlösung."
Ein Pflaster tut es hier eh nicht mehr.
Sein Vater, mit dem er vor 20 Jahren gemeinsame Überlegungen begann, wie das Sonnencenter umgebaut werden könnte, war über die Entwicklung der Siedlung so betrübt, dass er befürchtete, die Stadt würde den Abriss und die Neubebauung in Betracht ziehen.

Mit der Wohnungsbaugesellschaft Vonovia, die eine Weile den Großteil der Wohnungen in der Siedlung hielt, begann er mit dem Berliner Partner-Büro Killinger & Westermann Architekten eine Machbarkeitsstudie: Welche Potenziale hat die Siedlung? Nun, da die Vonovia zum 1. Januar 2022 alles an die Howoge verkauft hat, arbeitet er mit denen weiter.
,,Es wäre eine super Möglichkeit, etwas Tolles und Spannendes für Berlin zu tun", sagt Felix Oefelein. ,,Das Bauen im Bestand macht einfach Sinn, ökologisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich gesehen." Allein, wo das Geld herkommen soll, was sich überhaupt mit dem Denkmalschutz arrangieren ließe – ist noch unklar.

Howoge und Denkmalschutzbehörde erstellten derzeit einen Denkmalschutzmaßnahmenplan, ,,um grundsätzliche Lösungsansätze zu klären und die Genehmigungsphase abzukürzen", teilt das Unternehmen mit. Eine Planung für Sanierungen gibt es noch nicht.

Sicher ist, wie sehr sich die Bewohner freuen würden. Denn die fühlen sich häufig ebenso vergessen wie ihre Behausungen. Eine Aufwertung der Siedlung käme eine Aufwertung ihrer selbst gleich. Wertschätzung ist nichts, was ihnen oft begegnet.
Wer abends durch die High Decks spaziert, trifft Menschen, die sagen, dass sie hier keinen Rassismus spüren und meinen: wenigstens hier nicht. Da steht andererseits das zwölfjährige Mädchen aus einer Roma-Familie mit ihrer Mutter und erzählt, dass ihre muslimischen Mitschüler und Nachbarn sie mobben; dass ihr großer Bruder nur noch mit Messer und Pfefferspray in der Siedlung unterwegs sei, nachdem er neulich zusammengeschlagen wurde. Wie zum Beweis rempelt sie im Vorbeigehen ein dicker Junge an und grunzt. ,,Siehst du", sagt sie und: ,,Ich will hier nur weg."

Die meisten sagen trotz allem: wir leben gerne hier. ,,Mich hat das ganze Wohngebiet fasziniert", erzählt Margitta Lüder-Preil, schlank und elegant, ehemals Schauspielerin und Mannequin. Wenn sie abends aus dem Theater kam und die Sonnenallee hinunter heimwärts nach Treptow fuhr, fiel ihr die bunte Siedlung jedes Mal ins Auge. Als sie und ihr Mann ihre großzügige Altbau-Wohnung verlassen mussten, teilten ihnen die Vermieter – Stadt und Land – mit, dass in ihrem Bestand in der High-Deck-Siedlung noch Platz sei.

,,Diese Wohnung war die erste, die wir besichtigten", sagt Margitta Lüder-Preil. Dass sie eine Garage hat, war ein Plus. Wichtiger aber war, dass die Couchgarnitur hineinpasste: das braune Ledersofa und die drei Sessel, die in wärmender Umarmung jeden umschließen, der darauf Platz nimmt. 1997 zogen sie ein.
,,Wir waren von Anfang an glücklich", sagt Margitta Lüder-Preil und führt auf den kleinen Balkon, von dem sie aus dem fünften Stock hinab in den winterkargen Park schauen. Fragt einer entgeistert ,,wo lebt ihr?", entgegnen die Eheleute: Komm doch mal vorbei. Und es ist ja auch gemütlich bei den beiden, die, so sagen sie scherzhaft, ,,längst über das Verfallsdatum" sind. Manfred Lüder, Professor für Anästhesiologie, ist im November 91 Jahre alt geworden, Margitta Lüder-Preil nur neun Jahre jünger. Kennengelernt haben sie sich, als sie bei ihm auf dem OP-Tisch lag – das ist die knappe Version. 1988 heirateten sie.

Die vielen Collagen in der Wohnung, zusammengestellt aus Fotografien und Zeitungsartikeln, liebevoll gerahmt, hat Manfred Lüder für seine Frau gestaltet. Es sind Erinnerungen an berufliche Stationen. Sie sagt: ,,Ich bin nicht wichtig, mein Mann ist der wichtige, der Arzt!" Doch das wunderbare, das sie in dieser Wohnung haben, ist: einander. Wenn sie gemeinsam auf dem Sofa sitzen und sie ihm vorliest zum Beispiel. 900 Seiten Marlene-Dietrich-Biografie. Ein Lockdown macht es möglich.

Und wer würde sich nicht gern von einer ausgebildeten Schauspielerin vorlesen lassen? Ihr Zuhause war ihnen nicht nur während der Pandemie geliebtes Schneckenhaus. Was nicht heißt, dass sie nicht rausgehen, spazieren am nahen Heidekampweg zum Beispiel oder im Schulenburgpark schräg gegenüber an der Sonnenallee.
,,Von den ganzen kriminellen Dingen hier haben wir immer nur gehört", sagt Manfred Lüder. Obschon er sich jüngst sehr geärgert hat über den dritten Kellereinbruch in Folge, meint er mit kriminell doch eher das, was in der Presse zu lesen ist, wenn es um die Siedlung geht.

Margitta Lüder-Preil und Manfred Lüder pflegen das Verhältnis mit der direkten Nachbarschaft, 13 Parteien sind es. Man müsse guten Willen haben, um miteinander klarzukommen, sagen sie. Das klingt anstrengend, ist aber gar nicht so gemeint.
Weil er der älteste im Haus ist, fragen die anderen Mieter manchmal um Erlaubnis: Darf ich hier ein Blümchen hinstellen? Darf ich dieses oder jenes tun? Als im Haus geheiratet wurde, gingen sie vorbei und hängten Herzen an die Tür; feiern die Nachbarn Ramadan, bringen diese Essen vorbei – für Margitta Lüder-Preil extra laktose- und glutenfrei. Und stehen sie mit vollen Einkaufstüten vor der Garage oder Haustür, kommt beinahe garantiert jemand und bietet Hilfe beim Tragen an.

Von den zahlreichen deutschen Familien, die bei ihrem Einzug in der High Deck lebten, Mittelständler, Ärzte, Akademiker, blieben nicht viele.
Manfred Lüder ließ sich 2009 in den Quartiersrat wählen, in dem er noch immer mitarbeitet. Einmal kam ihm die Idee, in jedem Haus einen Bewohner oder eine Bewohnerin zu finden, die eine Art Verbindung zum Hausmeister sein, sich zuständig fühlen sollte, wenn es irgendwo ein Problem gibt. Er lacht. ,,Aber niemand wollte es machen."
Ein paar Jahre lang trainierte er Bewerbungsgespräche mit Jugendlichen, die sich für Pflegeberufe interessierten. Er verkleidete sich als ,,Personalchef", bat die Bewerber in ein Büro und führte ein fingiertes Gespräch. ,,Wir haben uns sehr gefreut, wenn die jungen Menschen dann einen Job bekommen haben", sagt er. ,,Ohnehin begeistert mich, wie viele Menschen hier doch wirklich sehr engagiert sind."
Es gibt so viel Bedarf! Viele kleine Anstrengungen versuchen hier Großes zu bewegen.

Vier Minuten Fußweg entfernt, ebenfalls in einem fünften Stock, in einer kleinen Wohnung mit zwei Zimmern, sitzt die 59-jährige Khazneh Hamdan auf einem Sofa neben ihrem Mann und ihrem älteren Sohn und sagt: ,,Ich will einfach nur leben wie ein Mensch."
2006 floh sie aus dem Krieg im Libanon nach Berlin, ihr Mann Moussa El-Sahhar, 69, folgte mit dem älteren Sohn Hussam 2009. Ihr jüngerer Sohn Haitham kam 2007, die Behörde aber wies ihm einen Platz in einem Wohnheim in Neubrandenburg zu, wo er bis heute lebt. Sie alle sind geduldet – seit mehr als zehn Jahren.

Eine Duldung ist laut Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Nur dass im Fall der Familie El-Sahhar/Hamdan das Vorübergehende nie vorüberzugehen scheint. Keiner von ihnen hat je die Erlaubnis bekommen zu arbeiten, der Vater als schwerbehinderter Mann hätte es nicht gekonnt, seine Söhne dafür umso lieber getan.
Haitham El-Sahhar, 32, hat sich selbst Deutsch beigebracht, auf der Straße. Gemeinsam mit einem Bekannten der Familie übersetzt er das Gespräch. Wer geduldet ist, bekommt kein Geld für einen Sprachkurs, muss nicht an einem Integrationskurs teilnehmen. Wozu?, scheint das Gesetz zu fragen, wenn derjenige doch eh unerwünscht ist.

Hussam El-Sahhar, 36, sucht ein Deutsch-Lehrbuch und ein Übungsheft aus einer kleinen Kommode. Etwa die Hälfte der Seiten hat er sorgfältig mit Bleistift bearbeitet. Er und seine Mutter haben versucht, einen solchen Kurs privat zu bezahlen – aber das sei zu teuer gewesen. Nun schaut er manchmal deutsches Fernsehen mit Untertiteln. Deutsche Freunde und Bekannte hat er nicht.
Als er 2009 im Asylbewerberheim ankam, sagte ein Dolmetscher zu ihm: Dich sehen wir bald in der U-Bahn wieder. Er meinte als Dealer.
Wovon träumen Sie, Herr El-Sahhar? Er überlegt, zuckt mit den Schultern. Das hat er sich schon lange nicht mehr gefragt.

Seit 16 Jahren ist Khazneh Hamdan nicht zuhause gewesen, denn wer eine Duldung hat, darf nicht ausreisen. Beziehungsweise: dürfen schon. Aber dann erlischt die Duldung. ,,Ich vermisse alles", sagt sie. ,,Familie, Freunde, das Meer." Sie pflegt ihren Mann. Dabei geht es ihr selber nicht gut, ihr Rücken ist ein einziger Bandscheibenvorfall.
Was haben Sie heute den Tag über gemacht? ,,Auf Ihren Besuch gewartet."
Das ganze Leben, sagen sie, ,,stoppt mit der Duldung". Die Eltern sind darüber alt geworden. Aber die Söhne wünschten sich sehr, es ginge mal weiter.
Wer lebt in der High-Deck-Siedlung? Das ist gar nicht leicht zu beantworten. Die einen haben sich sofort gemütlich eingerichtet, die anderen dürfen auch nach Jahren nicht richtig ankommen.

Um Familien wie El-Sahhar/Hamdan zu unterstützen, hat das Deutsch-Arabische Zentrum (DAZ), eine Einrichtung des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks EJF, Projekte in der Siedlung gestartet. Beziehungsweise: so halb. Die aufsuchende Familienarbeit, mit der DAZ-Leiter Nader Khalil gern beginnen würde, verzögert sich durch Corona. Wie viele Menschen mit Duldung in der High Deck leben, kann er derzeit nur schätzen: etwa 700.

,,Wir wollen etwas ändern", sagt Nader Khalil, ,,deswegen sind wir hier." Nun kümmern sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Projekts um straffällig gewordene Jugendliche. Samstags und sonntags bietet das DAZ Arabischunterricht für 8- bis 14-Jährige an – sie hatten sofort mehr als 70 Anmeldungen. Nader Khalil und seine Kolleginnen und Kollegen sind Ansprechpartner bei Sorgen innerhalb der arabischen Community. Die größte betrifft das Verhältnis zwischen ,,alten" und ,,neuen" Flüchtlingen. Seit langem Geduldete beklagen, dass beispielsweise Syrer all das bekommen, was sie gern hätten: Aufenthaltstitel, Deutschkurse, Hilfe vom Jobcenter, zwei Mal im Jahr Geld für neue Kleidung...
Wer sehen möchte, welch konkrete Auswirkungen Gesetzgebung hat, kann das in der High Deck beobachten. Kultur und Sprache mag die Menschen einen, vor dem Gesetz sind sie alles andere als gleich.

Auch Basma Hashim wurde vor knapp zehn Jahren mit Abschiebung gedroht. Sobald die jüngste ihrer drei Töchter 18 sei, müsse sie zurück in den Irak. Beim Landesamt für Einwanderung empfahl man ihr: Heiraten Sie doch einen Deutschen, wenn Sie bleiben wollen. Doch Basma Hashim, 43, studierte Bauingenieurin, zog vor Gericht. Kurz vor der ersten Corona-Welle wurde sie eingebürgert.

Gemeinsam mit der Syrerin Hana Natour, 49, sitzt Hashim im Nachbarschaftstreff ,,mittendrin" an der Sonnenallee, um von ihrem Leben in der High-Deck-Siedlung zu erzählen. Die beiden Frauen haben sich dort kennengelernt, sie wohnen in derselben Straße und sind mittlerweile Freundinnen. Basma Hashim hatte zuvor am Potsdamer Platz gelebt und eine günstigere Wohnung gesucht. Sie erinnert sich, wie sie im Bus M41 saß und dachte: ,,Der fährt ja immer weiter, wohin denn bloß?" Die Siedlung erschien ihr entfernt von allem, was für sie bislang Stadt gewesen war.
Zuhause im Irak und in Syrien sei es üblich, dass man als Familie nah beieinander lebe, sagen die beiden Frauen. Die Siedlung ermögliche das quasi auch. ,,Es ist fast wie ein Dorf hier", sagt Hana Natour und lächelt. In der High-Deck-Siedlung war sie lange Stadtteilmutter, die ruhigere Basma Hashim ist es noch. Als solche unterstützt sie Familien mit Migrationshintergrund.

Sie wünschten sich beide, in der Siedlung würde noch mehr für die Kinder und Jugendlichen getan. Mehr als der Kindertreff ,,Waschküche" und der Jugendtreff ,,The Corner" ohnehin schon leisten. Wie es ist, hier insgesamt sechs Kinder großzuziehen, wissen die beiden sehr gut. Sind Basma Hashims Töchter, die jüngste 15, im Dunkeln allein unterwegs, telefonieren sie so lange miteinander, bis die eigene Haustür in Reichweite ist.

Hana Natour versucht gerade, ihren ältesten Sohn zu unterstützen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ohne Beschäftigung droht Langeweile. Mit der Langeweile kommt das Zeittotschlagen, kommen alternative Beschäftigungsmodelle, die sich keine Mutter für ihren Sohn wünscht.
Weil sie wollte, dass sie ordentlich Arabisch lernen, schickte sie wie viele Eltern hier ihre Kinder in die nahe Al-Nur-Moschee zum Unterricht. Irgendwann, erzählt Hana Natour, habe ihre Tochter Flyer mit nach Hause gebracht, auf denen für Demonstrationen geworben wurde. Sie fragte nach und stellte fest, dass der Sprachunterricht mit Politik gemischt wurde. Sie meldete die Tochter ab.

Das Private ist hier politisch. Woran glaubst du, wer bist du, Sunnit, Schiit, Alevit, das sei vielen wichtig. ,,Eine Frau fragte mich: welchen Koran liest du?", erzählt Basma Hashim und schüttelt ungläubig den Kopf. Als habe das heilige Buch Editionen je nach Neigung.
,,Es müsste Arabischunterricht in den Schulen geben", sagt Hana Natour und die Freundinnen nicken. Es wäre eine Aufwertung von dem, womit sie und ihre Kinder sich identifizieren: eine kulturelle Kompetenz, die noch allzu oft als das Gegenteil gilt. Wer die High Deck heilen will, der muss am Knochengerüst vorbei zum Herz.
Zuletzt, es muss zu Beginn der Pandemie gewesen sein, sind in der Siedlung die ersten Hipster gesichtet worden.


Aus: "Diebstahl, Schlägerei, Drogen und Randale: Wie lebt es sich in einer der härtesten Siedlungen Berlins?" Katja Demirci (28.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/zwischen-armut-und-stolz-wer-lebt-in-der-neukollner-high-deck-siedlung-404218.html

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#1376
Quote[...] Leipzig. Karl-Heinz Giese betritt das Kaufland am Lindenauer Markt ohne Einkaufszettel. Er weiß, was er braucht und noch besser, was er nicht brauchen darf. Zügig schiebt er seinen Wagen an den Kisten mit Obst und Gemüse entlang. Da kauft er nur selten und heute nicht. Auch an der Theke mit frischem Fleisch und Käse am Stück geht Giese vorbei. Da kauft er nie. Vor den Mini-Frikadellen im Kühlregal, verpackt im Design der Kaufland-Eigenmarke, bleibt Giese stehen. ,,Die kamen mal 1,79 Euro", sagt er. 2,99 Euro steht jetzt auf dem Preisschild. Giese nimmt die Frikadellen nicht, auch keine Salami. Den Bierschinken, 150 Gramm für 1,29 Euro, ,,Spitzenqualität", legt er in seinen Wagen.

Auf 7,3 Prozent ist die Inflation in Deutschland im März gestiegen, der höchste Stand seit mehr als 40 Jahren. Etwas niedriger, bei sieben Prozent, lag der Wert in Sachsen. Mehr als die Hälfte des Preisanstiegs machten die Energiekosten aus, die Preise für Nahrungsmittel zogen so stark an wie zuletzt zur Finanzkrise 2008. Dass die Zahlen bald wieder sinken, ist wegen des Krieges in der Ukraine nicht zu erwarten. Zu alldem sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck, Politiker der Grünen, Anfang April in einem Fernsehinterview: ,,Wir werden ärmer werden." Eigentlich ist das eine Bombe, so ein Satz von einem, der qua Amt den Wohlstand des Landes mehren sollte. Doch die Reaktionen blieben teilnahmslos, jedenfalls bei den Vielen, die sich das leisten können.

Wenn aber alle ärmer werden, was ist dann mit denen, die es schon sind? In Kaufland geht Karl-Heinz Giese zu den Selbstzahler-Kassen und scannt seine Einkäufe. Marmelade für 1,29 Euro, Brot in Scheiben für 79 Cent, fünf Dosen Katzenfutter zu je 69 Cent und eine Flasche Vita Cola zu 74 Cent plus 15 Cent Pfand, die er wie üblich langsam trinken will, in drei bis vier Tagen. Gieses zweiter kleiner Luxus heute kostet 79 Cent: Vollmilchschokolade mit ganzen Nüssen, die Eigenmarke von Kaufland. Giese nimmt sie ausnahmsweise mit, weil er am Abend, wenn RB Leipzig im Halbfinale des DFB-Pokals spielt, ein bisschen naschen will vorm Fernseher. 59 Jahre alt ist Karl-Heinz Giese und seit fünf Jahren arbeitslos. Wie das kam - wo soll man da anfangen? Beim Vater, an dessen Armeekoppel sich Giese vor allem erinnert, weil er damit ,,den Wanst voll" bekommen habe? Bei der Kindheit im Heim? Bei der Depression, wegen der er schon zu DDR-Zeiten in Behandlung war? Oder doch erst bei seinem letzten Arbeitgeber, bei dem es so schlecht lief, dass er kränker geworden sei als je zuvor? ,,Ja", sagt Giese über sein Leben, ,,heutzutage würde ich sagen: Einfach war's nicht." Aber gearbeitet, das habe er immer, nur jetzt nicht, also sei es jetzt am aller wenigsten einfach. Denn ordentlich arbeiten, sagt Giese, das müsse man doch. Vor dem Kaufland zieht Karl-Heinz Giese einen roten Stoffbeutel aus der Tasche, verräumt die Einkäufe und geht los: ein großer Mann, die Schritte lang, der Blick melancholisch, sogar wenn er lacht. Giese wohnt nur 200 Meter vom Kaufland entfernt. Auf dem Weg kommt er vorbei am Bäcker und sagt: ,,Ich würde gerne mal ein Bäckerbrötchen essen. Aber 30, 35 Cent für eines - da hole ich mir lieber zwei für 15 Cent, die nicht so gut schmecken." Er kommt vorbei am Wochenmarkt mit dem roten Wagen vom Grillhähnchen-Händler.  Es riecht nach dem, was dort verkauft wird und Giese sagt: ,,Manchmal, alle paar Wochen, denke ich: Scheiß drauf, ich will ja leben, jetzt hol ich mir das halbe Hähnchen." 4,50 kostet das inzwischen. Er braucht dafür fast sein gesamtes staatlich vorgesehenes Lebensmittel-Budget für einen Tag. Giese bezieht Arbeitslosengeld II, Hartz IV genannt, und ist damit einer von rund 50.000 Menschen in Leipzig. Für ihn - erwachsen, alleinstehend - sind das 449 Euro im Monat. 155,82 Euro davon sind für Lebensmittel eingeplant. 11,65 Euro hat er gerade im Kaufland ausgegeben - rein rechnerisch muss der Einkauf also für gut zwei Tage reichen.
Giese sagt, das komme hin, in zwei Tagen kaufe er wieder ein, dann aber höchstens ein bisschen Brot und Futter für Karlo und Ciro, seine Katzen. Aber sowas ist ja sowieso nicht aufgeführt unter den Posten, aus denen Hartz IV sich zusammensetzt. Ob das ausreicht, was Karl-Heinz Giese hat, der Regelsatz im Allgemeinen und die 5,12 Euro fürs Essen am Tag im Speziellen - darüber wird gestritten, seit es Hartz IV gibt. Gerade aber wieder verstärkt. Denn die Grundlage für die Berechnung der Sozialleistung stammt von 2018. Es ist die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), eine amtliche Statistik darüber, was die Deutschen kaufen, wie sie leben. Alle fünf Jahre wird die EVS erhoben, und 2018 ist lange her: eine ganze Pandemie und einen neuen Krieg lang. Anfang Januar ist der Hartz-IV-Regelsatz angehoben worden - um drei Euro für Erwachsene und zwei Euro für Kinder. Wegen der so stark gestiegenen Preise soll es eine Einmalzahlung für alle Betroffenen in Höhe von 200 Euro geben. Doch Sozialverbände sagen, dass das nicht genug sei. ,,Für jene, die bisher schon jeden Euro zweimal umdrehen mussten, kommt jede weitere Teuerung grundlegender Dinge wie Lebensmittel einer existenziellen Bedrohung gleich", sagt Simone Zimmermann stellvertretende Geschäftsführerin vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen. Um armutsfest zu sein, so die Berechnungen ihres Verbandes, müsste der Regelsatz auf 678 Euro steigen.

Karl-Heinz Giese schließt die Tür zu seiner Wohnung auf und die ist – zwei Zimmer, die Schiebetür zur Küche ausgehangen, der Boden abgelaufen – gleich das nächste Problem: Sie ist zu groß, Giese weiß es bis auf die zweite Nachkomma-Stelle genau: 60,75 Quadratmeter, 460 Euro. Nur 339 Euro davon bekommt er vom Arbeitsamt, den Rest bestreitet er aus dem Hartz-IV-Satz, der für so etwas eigentlich nicht vorgesehen ist. Klar, Giese könnte umziehen, und das fragt man sich natürlich sofort: Warum macht er das nicht? Bei der Schuldnerberatung der Caritas, wo sie Giese gut kennen, sagen sie: So ein Umzug ist für jemanden wie ihn eine zu starke psychische Belastung. Außerdem sei der Leipziger Wohnungsmarkt gnadenlos, ein Umzug für viele gar nicht realistisch. Zöge Karl-Heinz Giese um, wäre er ohnehin nur eines der typischen Wohnprobleme von Hartz-IV-Empfängern los. Um das andere zu beschreiben holt Giese jetzt einen Ordner aus dem Regal, wie jemand, der es gewohnt ist, die Dinge zu belegen. Er sucht die Briefe von seinem Stromanbieter. Er hat einen Durchlauferhitzer im Bad, das belastet den Verbrauch. Dazu kommt, dass der Strompreis zuletzt so gestiegen ist. Bisher musste Giese 57 Euro im Monat zahlen, seit neuestem sind es 63. Genau 38,07 Euro sind im Hartz-IV-Satz für den Posten ,,Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung" vorgesehen. Bundesweit zahlen rund 410.000 Hartz-IV-Haushalte nach Angaben der Bundesregierung mehr fürs Wohnen und Heizen, als sie erstattet bekommen. Für seine Einkäufe öffnet Giese jetzt die Kühlschrank-Tür. Er schämt sich für das Gerät, innen rostet es. Auf dem Herd steht ein Topf mit Soljanka, er hat heute Mittag davon gegessen und wird es fünf bis sechs weitere Mittagessen lang tun.
Jeden Tag Soljanka, das störe ihn nicht, er koche sie ja, weil sie ihm schmecke. Manchmal koche er sie auch im Auftrag seiner Stammkneipe, oft für sich und seine 82 Jahre alte Mutter. Heute Vormittag habe er eine Dose davon im Schuhladen unten in seinem Haus vorbeigebracht, weil sie auch dort so gut ankomme. Dann rechnet er im Kopf vor, was der Eine-Woche-Mittagessens-Topf ihn gekostet hat: 4,99 die Jagdwurst (vor Monaten noch maximal 2,89 Euro), Letscho für 1,49 Euro, 55 Cent für die passierten Tomaten, 99 Cent für das Glas Gewürzgurken. Es gab Zeiten, da musste Giese nicht so aufs Geld schauen, war sein Kopf nicht voller Preise für dieses und jenes. Er ist gelernter Restaurantfachmann, ging noch vor dem Mauerfall in den Westen, arbeitete in Hotels. Bald kam er zurück nach Leipzig und Arbeit habe es immer irgendwie gegeben. Er habe gut verdient als Mann mit Bratwurstbauchladen, dann bei einem Caterer, bis es dort so schwer und er so krank wurde. Giese kündigte, kümmerte sich um gar nichts mehr, häufte rund 7000 Euro Schulden an – eine Zahl, die Giese aus dem Kopf nicht genau parat hat. Er geriet an eine Beraterin bei der Caritas, die ihm sein Leben neu sortierte, Anträge erklärte und die Möglichkeit, sich kostenlos Kabarett anzusehen oder Vorstellungen im Gewandhaus, ,,solche schönen Sachen", sagt Giese. Warum er, der arbeiten will, es doch nicht schafft, ist nicht so einfach zu erklären. Die Jobs, für die er ausgebildet ist, kann er aktuell aus gesundheitlichen Gründen nicht machen. ,,Dann stehst du dann da und verzweifelst an dir selber", sagt er.

Was Giese nun, sollten wir alle ärmer werden, weglassen kann? Er schüttelt den Kopf. Vor seiner Tür, auf dem Lindenauer Markt, könne er mehr Pfandflaschen einsammeln, ,,um ein bisschen über die Runden zu kommen." Kürzlich, als die Belegschaft seiner Stammkneipe, wo er manchmal beim Grillen aushilft, um nicht jeden Kaffee bezahlen zu müssen, Spenden sammelte für die Ukraine, gab er 20 Euro. ,,Das tat mir zwar am Arsch weh, aber da rauche ich eben drei Schachteln weniger", sagt er und das ist es, was ihm einfällt: Er kann die Zigaretten weglassen. Es fällt ihm schwer, weil die Tage dann noch ein bisschen langweiliger sind, aber er macht es oft.


Aus: "Herr Giese kauft ein – er hat 449 Euro zum Leben im Monat" Denise Peikert (23.04.2022)
Quelle: https://www.lvz.de/lokales/leipzig/herr-giese-kauft-ein-er-hat-449-euro-zum-leben-im-monat-S2OCET22IG6XB44URV52SRDYYY.html


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Quote[...] Wohneigentum ist einer Studie zufolge auch für Gutverdiener immer seltener bezahlbar. Teure Energie, hohe Baukosten und Zinsen hätten dazu geführt, dass deutlich weniger Menschen Immobilien kaufen, erklärte das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Dennoch seien die Preise für Immobilien aber kaum gesunken.

Die Folge: "Wer Ende 2022 als Paar ein Medianeinkommen, also rund 3730 Euro netto, hatte und ein Einfamilienhaus kaufen wollte, konnte sich lediglich 28 Prozent der angebotenen Objekte leisten", erklärten die Forscher. Zu Anfang des Jahres waren es noch 40 Prozent gewesen. Selbst für das einkommensreichste Fünftel waren demnach mit 47 Prozent weniger als die Hälfte der inserierten Einfamilienhäuser bezahlbar (vorher 62 Prozent).

Insbesondere in Großstadtregionen werde der Immobilienkauf zunehmend schwierig. Für das reichste Fünftel, also ein Paar mit mehr als 5000 Euro Nettoeinkommen, hat sich die Zahl an erschwinglichen Ein- und Zweifamilienhäusern in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München oder Stuttgart laut IW mehr als halbiert. Ähnlich ist die Lage im Umland der Metropolen.

Für Mieter hat diese Entwicklung einen negativen Nebeneffekt: Weil immer weniger Menschen in eigene Immobilien ziehen, nimmt der Druck auf dem Mietmarkt zu, wie die IW-Forscher erläutern. "In der Folge sind die Mieten 2022 deutlich stärker gestiegen als in den Vorjahren."

Die Wohnungspolitik müsse auf diese Entwicklung reagieren, heißt es in dem Bericht. In der aktuellen Marktphase gelte es "mehr denn je, aktive Wohneigentumspolitik zu gestalten." Dazu gehörten etwa die Einführung einer progressiven Grunderwerbsteuer mit Grundsteuerfreibeträgen für Erstkäufer und Selbstnutzer, die Einführung von Nachrangdarlehen und einer Hypothekenversicherung.

Quelle: ntv.de, mbu/AFP


Aus: "Immobilien oft auch für Gutverdiener zu teuer" (19.01.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Immobilien-oft-auch-fuer-Gutverdiener-zu-teuer-article23854670.html


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Quote[...] Asylsuchende werden einem Bericht zufolge auf Fähren zwischen Italien und Griechenland offenbar systematisch in engen Metallschächten und anderen dunklen Räumen gefangen gehalten. Teilweise würden die Geflüchteten sogar mit Handschellen festgekettet, berichtet das ARD-Politikmagazin "Monitor". Betroffen seien offenbar auch Minderjährige.

Es handele sich um Geflüchtete, die von Italien aus nach Griechenland zurück gezwungen würden, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, Asyl zu beantragen, berichtet "Monitor". Das Magazin beruft sich auf gemeinsame Recherchen mit weiteren Medien. Im Rahmen der europäischen Recherche-Kooperation sei es erstmals gelungen, die Existenz der provisorischen Gefängnisse auf den Passagierschiffen nachzuweisen. Unter ihnen sei auch ein Ort, wo mindestens ein Geflüchteter mit Handschellen festgekettet worden sei.

Die Recherchen erfolgten anhand von Fotos und Berichten von Betroffenen. Diese gaben unter anderem an, dass Asylsuchende teilweise ohne ausreichende Verpflegung oder Zugang zur Toilette auf dem Weg zurück nach Griechenland festgehalten würden.

Die Recherchen zeigten eine "ganz klar menschenunwürdige Unterbringung" der Geflüchteten, sagte Dana Schmalz vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dies verstoße sowohl gegen EU-Recht als auch gegen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das zuständige Fährunternehmen bestritt seinerseits alle Vorwürfe.

Quelle: ntv.de, mbu/AFP


Aus: "Asylsuchende offenbar auf Fähren angekettet" (19.01.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Asylsuchende-offenbar-auf-Faehren-angekettet-article23854465.html

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Quote[...] Deutschland fehlen etwa 56.000 Lkw-Fahrer. Die Abbruchquoten bei Berufsanfängern gehören zu den höchsten, zugleich ist der Altersdurschnitt der Fachkräfte hoch: Mehr als ein Drittel ist mindestens 55 Jahre alt. Udo Skoppeck fährt seit über 40 Jahren Lkw, aktuell für eine Spedition hauptsächlich in Deutschland und den Nachbarländern. Wir erreichen ihn während einer Fahrt, er ist gerade auf der Autobahn nahe Nürnberg – bis abends will er kurz vor Köln sein. Dort wird er sich einen Parkplatz suchen und übernachten. ... Udo Skoppeck arbeitet seit 1980 als Fernfahrer. Er berichtet für den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung über die Arbeitsbedingungen von Lkw-Fahrern. Skoppeck hat außerdem den Verein Allianz im deutschen Transportwesen gegründet, der sich ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt. Zwischenzeitlich hatte Skoppeck sein eigenes Transportunternehmen.  ... Speditionen suchen verzweifelt Lkw-Fahrer. Udo Skoppeck ist seit über 40 Jahren Berufskraftfahrer und erzählt, warum er bei Amazon seine Verdi-Weste trägt und wie der angeblich unattraktive Arbeitsplatz wirklich ist.

Svenja Gelowicz: Herr Skoppeck, neulich bat mich ein Taxifahrer um Hilfe bei der Navigation. Er habe erst vor wenigen Tagen den Job angefangen. Zuvor sei er 37 Jahre Fernfahrer gewesen – doch seinen Beruf will er nicht mehr ausüben: Zu wenig Privatleben, zu wenig Geld. Also lieber nachts Taxi fahren. Haben Sie selbst je übers Aufhören nachgedacht?

Udo Skoppeck: Ja, diese Gedanken hatte ich auch schon. Die Knochen spielen nicht mehr so gut mit. Ich kenne einige Kollegen, die das Handtuch werfen und dann eine ganz andere Branche wählen.

Svenja Gelowicz: Die Ausbildung zum Berufskraftfahrer selbst gehört zu denjenigen, die am häufigsten abgebrochen werden. Was hören Sie von jungen Berufskollegen?

Udo Skoppeck: Da gibt es sicher mehrere Gründe. Zum einen wird nicht ordentlich darüber aufgeklärt, was das Berufsbild alles mit sich bringt. Dann ist zum anderen die Bezahlung ein großes Thema. Heutzutage brauchen junge Leute oft schon eine eigene Wohnung, denn es gibt nicht in jeder Stadt eine Berufsschule. Dafür reicht das Geld einfach nicht. Zudem sind die Aussichten, später den Beruf mit einer Familie zu vereinbaren, nicht gut. Oder genug Geld zu verdienen, damit es irgendwann für die Rente reicht. Das Gehalt setzt sich ja nicht einfach aus dem Bruttolohn zusammen, sondern in den Lohnmodellen stecken verschiedene Zuschläge wie etwa die Spesen. Die hat man zwar netto jeden Monat in der Hand, aber sie zählen nicht mit in die Altersvorsorge. Auch die ständigen Wechsel von Tag- und Nachtschichten gehören zu den Gründen, warum Leute die Ausbildung abbrechen. Die sagen dann: Da hätte ich auch gleich Bäcker werden können.

Svenja Gelowicz: Empfehlen Sie den Job selbst weiter?

Udo Skoppeck: Nur mit Einschränkungen. Wer Affinität zu Freiheit hat, zu Fahrzeugen und Technik, für den kann das klappen. Es kommt auch stark auf den Arbeitgeber an und dass die Stelle zur Person passt.

Svenja Gelowicz: Sie arbeiten bei einer Spedition. Welche Jobs gibt es noch?

Udo Skoppeck: Die Spedition habe ich mir ausgesucht, denn sie fährt überwiegend innerdeutschen Fernverkehr. Ich kann selbst viel entscheiden und muss nicht bei jedem Handgriff nachfragen. Wir haben in Deutschland über 500.000 Berufskraftfahrer und sehr überspitzt gesagt gibt es ebenso viele Berufsbilder. Es kommt auf die Kundschaft an und ob man Fern-, Linien-, Nacht- oder Begegnungsverkehr fährt. Bei Letzterem trifft man zum Beispiel einen Kollegen auf halber Strecke, tauscht die Ladungseinheit aus, kehrt dann wieder um und ist abends zu Hause.

Svenja Gelowicz: Eigentlich müssten die Aussichten für Lkw-Fahrer super sein – der Mangel ist groß und Lkw-Fahrer werden regelmäßig abgeworben, oder?

Udo Skoppeck: Das stimmt. Ständig winkt jemand mit einer Wechselprämie. Trotzdem muss man das hinterfragen. In den Einstellungsgesprächen heißt es immer: Natürlich, wir halten uns an die Lenk- und Ruhezeiten. Natürlich, du bekommst die Wochenenden frei. Keiner sagt dir: Wenn du bei mir anfängst, musst du gegen Gesetze verstoßen. Aber das schleicht sich allmählich ein und aus dieser Spirale kommt man nur schwer wieder raus. Wichtig ist, genug Selbstvertrauen zu haben und auch Nein sagen zu können! Als Lkw-Fahrer muss man sich nicht verstecken. Wenn das Gehalt nicht mindestens 3000 Euro beträgt, würde ich auch als Neuling die Finger davon lassen.

Svenja Gelowicz: Lkw-Fahrer kritisieren gerade deutlich ihre Arbeitsbedingungen. Im Dezember schilderten zwei Ihrer Kollegen im Verkehrsausschuss, wie sie von Unternehmen vor allem an der Rampe ausgenutzt werden: Es geht ums Be- und Entladen. Der Berufsverband BGL fordert ein Verbot: Das sei nicht die Aufgabe der Lkw-Fahrer, Unternehmen sollten Personal dafür einstellen.

Udo Skoppeck: Diese Diskussion hat eine gewisse Historie. Früher bin ich beispielsweise zu einem Supermarkt gefahren, hab mich mit meinen Papieren angemeldet und mir wurde die Rampe genannt. Dann wurde mir ein Kaffeeautomat gezeigt und wo die Duschen und Toiletten sind. Es gab Personal, das den Lkw entladen hat. Pfiffige Spediteure haben dann angefangen, bei einem Transportauftrag das Be- und Entladen als Service zu verkaufen. Denn den Lkw-Fahrer mussten sie in der Zwischenzeit ja sowieso bezahlen. Danach haben die Unternehmen angefangen, ihr Logistikpersonal abzubauen. Und heute haben wir Fahrermangel und jetzt kommt die BGL und will eine Rolle rückwärts machen – was auch gut ist!

Svenja Gelowicz: Also entladen Sie Ihr Fahrzeug auch meistens selbst?

Udo Skoppeck: Oft. Das Problem ist, dass ich aus meinem Transportauftrag nicht erschließen kann, ob das Entladen eine Bedingung ist. Und es wird selbstverständlich angenommen, dass ich es mache. Meistens schlucke ich deshalb die Kröte und erledige es. Diese Ungewissheit ist eine Drucksituation für den Fahrer.

Svenja Gelowicz: Im Verkehrsausschuss wurde grundsätzlich angemerkt, dass Unternehmen Druck auf die Fahrer ausüben.

Udo Skoppeck: Allerdings. Ich verrate Ihnen ein kleines Geheimnis: Vor allem Amazon ist für mich ein riesiges rotes Tuch. Die gesamten Arbeitsbedingungen dort sind untragbar. Wenn ich bei Amazon anliefere, trage ich meine Verdi-Warnweste.

Svenja Gelowicz: Warum?

Udo Skoppeck: Ich provoziere damit natürlich und das löst bei den Mitarbeitern Erstaunen aus. Einmal wollten sie mit allen Mitteln verhindern, das ich sie trage – mir wurde mit Hausverbot gedroht, ich musste meine Firma anrufen und es gab eine große Diskussion. Dafür hätte ich im Anschluss eine Kündigung akzeptiert. Es geht mir nur um Amazon, woanders würde ich mich nicht so verhalten. Aber es ist ein gutes Beispiel, weil es bei vielen bei Aufträgen die unterschwellige Drohung gibt: ,,Wenn du nicht spurst, musst du die Konsequenzen tragen". Das wird meistens nicht offen ausgesprochen, aber man gerät ganz schnell in schwierige Situationen.

Svenja Gelowicz: Speditionen müssen häufig Entladefenster buchen – und Fahrer haben großen Druck, die einzuhalten. Stresst Sie das noch?

Udo Skoppeck: Dieses Zeitfenster-Management praktizieren einige Unternehmen ganz schlimm, manche Supermärkte beispielsweise. Man muss sich meistens eine halbe Stunde vor dem Zeitfenster anmelden. Man steht dann oft draußen an einem Anmeldeschalter an, egal ob bei Regen oder Hitze, oft mit zehn, zwölf anderen Fahrern. Der Vorgang kann pro Fahrer zehn Minuten dauern. Und dann passiert es, dass das eigene Zeitfenster verstrichen ist und man warten muss, bis ein anderer sein Zeitfenster verpasst hat. Ich habe schon meine komplette elfstündige Ruhepause in so einer Warteschleife verbracht. Eigentlich ist das Bereitschaftszeit, aber mein Tacho lief auf Pause.

Svenja Gelowicz: Kritik gibt es auch an der Situation auf Rastplätzen. 40.000 Parkplätze fehlen laut Ihrem Berufsverband in Deutschland. Die Hygiene der Sanitäranlagen lasse zu wünschen übrig. Wissen Sie schon, wo Sie heute Abend schlafen werden?

Udo Skoppeck: Ich werde mir kurz vor Köln einen Parkplatz suchen. Im Ruhrgebiet sind sie besonders knapp. Es ist täglich ein Kampf. Diejenigen, die schon in der Nacht gestartet sind und gegen 15 oder 16 Uhr einen Parkplatz suchen, haben es noch gut. Aber ab 17 Uhr wird es wirklich schwierig. Zudem sind die Stellplätze auf den Autohöfen teuer: Ich zahle 20 Euro, um das Arbeitsgerät meines Chefs abzustellen. Essen, Getränke und Hygieneanlagen sind ebenfalls teuer. Sanifair hat jetzt auch die Preise erhöht, auf einen Euro pro Toilettengang. Die Spesen decken all das längst nicht ab. Wenn man das Ende seiner Lenkzeit erreicht hat, und sich dann in der Not beispielsweise auf ein Werksgelände stellt, kann es passieren, dass man einen Bußgeldbescheid bekommt. Früher war das besser. Autohöfe waren für Lkw-Fahrer gedacht und nicht für Privatpersonen oder Reisebusse. Früher haben mir Kunden oft noch Parkplätze gezeigt oder wussten, wo man im Industriegebiet parken kann.

Svenja Gelowicz: Kann man mit der Zeit gut schlafen in einem Lkw an der Autobahn?

Udo Skoppeck: Die verbesserte Lärmdämmung hilft enorm. Aber wer keinen Tiefschlaf hat, wird nie zu 100 Prozent ausgeruht sein. Im Sommer ist es oft sehr heiß, in der Fahrerkabine kann es locker über 40 Grad werden. Klimatechnik ist nicht vorgeschrieben in Lkw-Kabinen.

Svenja Gelowicz: Berufskollegen bemängeln, dass seit Corona viele Unternehmen keine Sozialräume und Sanitäranlagen mehr für die Fahrer zur Verfügung stellen.

Udo Skoppeck: Viele Unternehmen haben die Pandemie dafür genutzt, solche Räume zu schließen. Man muss dazu sagen, dass es furchtbar viele Beschädigungen und Verschmutzungen durch Berufskraftfahrer gab. Es ist bescheuert, dass Menschen so handeln – aber eine Toilette und einen Kaffee würde man ja auch einem Handwerker anbieten, der in der Firma die Heizung repariert. Dem Fahrer aber nicht. Da wird mit zweierlei Maß gemessen.

Svenja Gelowicz: Ihnen fehlt Anerkennung?

Udo Skoppeck: Ja, Wertschätzung. Ein Kollege sagte mal, dass es für jeden Kaffee Gütesiegel gibt. Aber nicht für fairen Transport. Das sehe ich auch so.

Svenja Gelowicz: Wenn Sie heute Abend kurz vor Köln den Lkw abstellen, wie lang wird Ihr Tag gewesen sein?

Udo Skoppeck: Etwa zwölf bis knapp 13 Stunden. Das ist täglich mein Pensum. Die Lenkzeit ist natürlich kürzer, aber mit den Wartezeiten kommt das bei mir jeden Tag zusammen.


Aus: "Ein Lkw-Fahrer berichtet ,,Amazon ist für mich ein riesiges rotes Tuch"" Interview von Svenja Gelowicz (18. Januar 2023)
Quelle: https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/ein-lkw-fahrer-berichtet-amazon-ist-fuer-mich-ein-riesiges-rotes-tuch/28920094.html


lemonhorse

Quote[...] Erstmals seit einem Vierteljahrhundert nehmen laut Oxfam extreme Armut und extremer Reichtum zugleich zu. Konzerne und deren Eigentümer profitierten zudem von unterschiedlichen Krisen, heißt es im Bericht "Survival of the Richest", den die Hilfsorganisation heute anlässlich des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos vorstellt.

So seien während der Corona-Pandemie, also seit dem Jahr 2020, insgesamt 26 Billionen US-Dollar an das reichste Prozent der Menschheit gefallen - und 16 Billionen US-Dollar an die restlichen 99 Prozent.

Im vergangenen Jahr sei der Reichtum von Milliardärinnen und Milliardären erneut "sprunghaft angestiegen", insbesondere durch "rasante Gewinne der Lebensmittel- und Energiekonzerne". Von diesen hätten 95 Unternehmen ihre Gewinne im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.

In Deutschland flossen demnach 81 Prozent des gesamten Vermögenszuwachses, der zwischen 2020 und 2021 erwirtschaftet wurde, an das reichste Prozent der Bevölkerung. Auf die übrigen 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger entfielen demnach lediglich 19 Prozent des Vermögenszuwachses.

Laut Oxfam leben mindestens 1,7 Milliarden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ländern, in denen die Inflation größer ist als die Lohnentwicklung. Etwa jeder zehnte Mensch auf der Erde hungere.

60 Prozent der hungernden Weltbevölkerung sind demnach Frauen und Mädchen. Zugleich planten drei Viertel aller Regierungen, ihre Ausgaben im öffentlichen Sektor zu kürzen, also etwa im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Dabei brauche es gerade hier Investitionen sowie eine Stärkung von Frauenrechten, so Oxfam. Auch müssten die entsprechenden Mittel in der Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden.

Vor diesem Hintergrund forderte die Organisation die Regierungen auf, diesem Trend mit Steuern auf Übergewinne und hohe Vermögen entgegenzutreten. Daraus entstehende Einnahmen müssten in den Ausbau von sozialer Sicherung, Bildung und Gesundheit investiert werden, um Ungleichheit und Armut zu bekämpfen.

Oxfam forderte eine Übergewinnsteuer von mindestens 50 Prozent für Konzerne. "Die bisherigen Planungen für eine Abgabe auf Zufallsgewinne greifen zu kurz", heißt es.

...


Aus: "Oxfam-Bericht: Kluft zwischen Arm und Reich wächst rasant" (16.01.2023)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/oxfam-bericht-armut-101.html

lemonhorse

Quote[...] Immer mehr Rentnerinnen und Rentner in Deutschland sind auf staatliche Sozialhilfe angewiesen und drohen in die Altersarmut abzurutschen. Das geht aus neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

Demnach hat sich die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter allein in den drei Monaten von Juni bis September 2022 von 628.570 auf 647.515 erhöht. Das ist ein Anstieg von 18.945 Personen.

Im Vergleich zum Vorjahr sind es sogar 68.420 Personen mehr, die im September in der Kategorie "Altersgrenze und älter" eine Grundsicherung beantragen mussten, was einem Anstieg von rund zwölf Prozent entspricht.

...


Aus: "Immer mehr Rentner auf Grundsicherung angewiesen" (22. Januar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-01/sozialstaat-rente-grundsicherung-altersarmut-statistisches-bundesamt

QuoteWalter Sobschak #3

Das sind meist Frauen, die nur eine kurze Ewerbsbiografie hatten und sich dann auf die Rolle als Hausfrau und Mutter im Eigenheim konzentrierten, während der Mann arbeiten ging.
Das war das gängige Lebensmodell der alten Bundesrepublik, dessen "Früchte" jetzt diese Frauen ernten.
Ich sehe immer wieder solche Lebensentwürfe in Köln nach Pfandflaschen die Mülltonnen durchsuchen ...


QuoteTrudello #3.1

Komisch, die durchaus meisten Pfandsammler scheinen mir Männer zu sein. Und meist auch nicht im Rentenalter.


QuoteTatamei #3.3

Ihr Kommentar ist völlig daneben. Frauen, die nicht erwerbstätig waren und verheiratet, leben von der Rente ihres Ehegatten, bekommen Witwenrente oder bekommen Rentenpunkte als geschiedene Frau.
Das sind nicht die, die Flaschen sammeln.


QuoteRenditeanspruch #3.14

Meist verlassen Frauen jedoch die Männer.


QuoteBlue-Ice #4

Nicht schön für jeden Einzelnen, aber bei über 21Mio Rentnern in Deutschland "nur" rund 3%


QuoteStumbleGuy #4.7

Der Zuwachs von 2021 auf 2022 betrug mehr als 10%. Wenn das jedes Jahr so wächst, bleibt es nicht lange bei den ""nur" rund 3%".


QuoteEs sind nicht fünf Finger #4.10

... Früher hat ein Postbote ausreichend verdient, um eine Familie durchzubringen und evtl. noch ein Haus zu bauen. Heute braucht der DHL-Bote als Rentner staatliche Zuschüsse, um nicht in der Gosse zu landen. Die Schaffung eines gigantischen Niedriglohnsektors erzeugt in der Folge halt massive Probleme bei der Altersarmut.  ...


QuoteAllesOK #4.12

Immerhin wird die Rente entsprechend der Lohnentwicklung erhöht. Und die Löhne steigen gerade glücklicherweise ebenfalls kräftig.
Ansonsten haben Sie Recht, dass man vor 50 Jahren mit einem Durchschnittseinkommen zumindest gefühlt ein höheres Lebensniveau hatte.


QuoteQG #19

Was soll so eine Meldung?


QuoteSpanky Ham #19.1

Schön, daß es in diesem Land Menschen wie Sie gibt, die dieses Thema offensichtlich weder direkt noch indirekt betrifft.


QuoteLomza10 #30

... Gemeinhin wird nach solchen Meldungen aber die Anhebung des Rentenniveaus gefordert. Davon profitieren aber am meisten die, die weit oberhalb der Grundsicherung stehen.


QuoteStarhawk2013 #45

Für dieses Jahr sind 3,4 % Rentenerhöhung anvisiert. Gleichzeitig haben wir aber eine Inflation die um die 10 % liegt. Finde den Fehler!

Noch größer wird die Schräglage bei der Betriebsrente da diese sich jährlich nur um 1% erhöht.

Wir Rentner haben lange Jahre für die Rente gearbeitet. Eine Rente zu bekommen ist also kein Gnadenakt sondern ein Rechtsanspruch. Die Regierung sollte die derzeitige Diskrepanz zwischen Inflation und Rente dringend und schnellstmöglich ausgleichen. Wir Rentner sind die Generation die Deutschland nach dem Krieg erst wieder aufgebaut und in eine Demokratie überführt haben. Viele aus den nach uns heranwachsenden Generationen wissen gar nicht mehr, was es bedeutet hat, im damaligen Nachkriegsdeutschland auf zu wachsen. Die Rente an die derzeitige Inflation anzupassen ist ein Gebot des Anstands.


QuoteErhebungstelle #45.1

Die Rentenerhöhung orientiert sich an den Lohnzuwächsen. Also 3,4% Lohnzuwachs bei 10% Inflation. Hier liegt der noch viel größere Fehler


QuoteLangeweile20 #45.9

Ich habs mir grad ausgerechnet: Die Renten sind seit 2010 in Summe um 32,4% gestiegen, Inflation war in diesem Zeitraum in Summe 28,2 %
Das heißt, die Renten sind sogar stärker gestiegen als die Inflation. Passt aus meiner Sicht. Sehe keinen Fehler.


QuoteMühsamE #52

So lange die heilige Kuh der Milliardenvermögen und leistungslosen Einkommen von "Erben" nicht angetastet wird, ändert sich für den Normalo, der durch Arbeit seinen Lebensunterhalt sichern muss, nichts. 45 Jahre Arbeit zum Wohle der Reichen und dann ein armseliges Bürgergeld, mehr steht einem halt nicht zu.


Quotejgbk #52.2

Rente ist eine Versicherung mit Umlagesystem. Was hat das mit dem Erbe zu tun.
Das sind zwei komplett verschiedene Dinge.


QuoteDer Türmer #61

Ich wiederhole meinen Kommentar vom letzten April:
Es gibt keinen politischen Willen, am jetzigen System etwas zu ändern. Ein Blick in die Schweiz, nach Österreich oder in die Niederlande genügte, um wahrzunehmen, dass es gerechter ginge. Alle ! müssten Beiträge leisten. Beamte, Politiker, Selbständige und andere eben auch. Ständische Versorgungskammern dürften nicht zur Befreiung davon führen und etliches mehr. Ist es etwa gerecht, dass ein Beamter im Alter deutlich besser versorgt ist als ein Angestellter mit vergleichbarem Einkommen? Ein stichhaltiges Argument dafür gibt es nicht. Das alles weiß man. Eine parlamentarische Mehrheit, dies zu ändern, gibt es nicht. Der unselbständig Erwerbstätige, der nicht verbeamtet ist, ist betrogen im deutschen Alterssicherungssystem. Das wird auch so bleiben. Altersarmut bei weiten Teilen der Rentner nimmt man billigend in Kauf.


QuoteHier ehemals Mundtot gemacht 654 #63

"Immer mehr Rentner auf Grundsicherung angewiesen
Die Gefahr von Altersarmut in Deutschland steigt."

...


QuoteSatz des Heron #63.1

Der Mehrheit geht es immer noch gut.


Quoteradfahrer22 #68

Als ich in den öffentlichen Dienst ging,
wurde ich wegen des zu geringen Verdienstes ausgelacht.
Richtig "Kohle machen"
konnte/kann man
nämlich nach Feierabend oder am Wochenende mit Schwarzarbeit.
25€ pro Stunde. Bar auf die Kralle.
Es wurde geprotzt und nach dem Motto
Leben und Lebenlassen gelebt.
Nun, wo sich nach jahrzehntelanger
Schufterei Krankheiten einstellen,
kommt Neid auf auf die Ausgelachten.
Mein Mitleid hält sich logischerweise
in Grenzen.


QuoteLumilie #68.1

In dem Artikel geht es auch um andere Menschen und nicht nur um Ihre paar Bekannten. Sie wurden mal ausgelacht, wer nicht. Kommen Sie drüber hinweg.


...

Textaris(txt*bot)

#1382
Quote[...] 809.000 Deutsche müssen nicht arbeiten – diese Headline der Onlineplattform Statista in meinem Tweet zu Jahresbeginn hat eine Welle an Empörung ausgelöst. Vor allem auch, weil sich diese Zahl in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat. Die Zahl bedeutet, dass 809.000 Menschen für ihren Lebensunterhalt nicht arbeiten müssen, sondern von den Renditen und Einkünften ihrer Vermögen leben – sie sind also Rentiers.  ...

Ist es ein Problem, wenn immer mehr Menschen für ihren Lebensunterhalt nicht mehr auf produktive Arbeit angewiesen sind? Für die einen ist die Antwort ein klares Ja, viele sehen darin eine schreiende Ungerechtigkeit. Für die anderen ist die Antwort ein klares Nein und die Zahl eher ein Zeichen des Erfolgs.

...


Aus: "Auf dem Weg in die Gesellschaft der Privatiers" Aus einer Kolumne von Marcel Fratzscher (27. Januar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-01/privatiers-vermoegen-ungleichheit-wohlstand-demokratie/komplettansicht

809.000 Menschen in Deutschland bestreiten laut Statistischem Bundesamt (destatis) ihren Lebensunterhalt überwiegend durch eigenes Vermögen (inklusive Vermietung, Zinsen, Altenteil) - das entspricht etwa einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Damit ist die Zahl der sogenannten Privatiers gegenüber dem Jahr 2020 um fast 100.000 gestiegen. (05.01.2023)
https://de.statista.com/infografik/19202/anzahl-der-privatiers-in-deutschland/

Quotesommertunnel #1

Wir leben in einer unglaublichen Neidgesellschaft. Freuen wir uns, dass andere Glück haben. Niemand von uns würde nein sagen, hätten wir die Chance in eine ähnliche Situation zu kommen.


Quotenamevergeben2 #1.1

Ein typischer Kommentar, der sich nicht mit dem Artikel befasst hat. Darf ich wissen, warum Sie hier kommentieren, wenn Sie doch die Artikel gar nicht lesen?


Quoteelfotografo #1.13

"Wir leben in einer unglaublichen Neidgesellschaft..."

Wir lesen ein unglaublich hohles Phrasengedresche ohne den Hauch eines Arguments.


QuoteRosenhorst #1.23

Ich finde, es hat mit Neid wenig zu tun, wenn z.B. eine Krankenschwester 40 Jahre einen Knochenjob macht und dabei wahrscheinlich trotzdem arm bleibt, während andere viel erben, nichts leisten, aber die Leistung anderer natürlich täglich in Anspruch nehmen. Das ist einfach keine faire Arbeitsteilung in der Gesellschaft. ...


Quotenamevergeben2 #1.10

Aus der Statistik: Jährlich werden in Deutschland 400 Milliarden Euro Vermögenswerte vererbt.
Würde man das nehmen und gleichmäßig unter den Neugeborenen verteilen, bekäme jedes 500.000 Euro als Start ins Leben.


QuoteKontrollstellenprüfstelle #1.51

Beim ALDI und beim LIDL gibt's ja da immer tolle Angebote!



Quoteeinfacher Benutzername #6

Tja, wer arbeitet hat keine Zeit Geld zu verdienen.


Quoteabc123abc #9

Da spricht doch nur der Neid. Und Sozialhilfeempfänger, die den Staat Riesensummen kosten, mit Menschen zu vergleichen, die alleine duch ihre Ausgaben und die Steuern den Staat finanzieren, auch wenn sie nicht arbeiten müssen, ist einfach nur dumm.


QuoteMiami-HH #17

... Ist es nicht Sinn[voll] irgendwann nicht mehr Arbeiten zu müssen? ...


Quotepalmero #54

Es ist einfach nicht erklärbar, dass Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, bis zu 42% Einkommensteuer zahlen müssen, während Rentiers, die von den Erträgen ihres Vermögens leben, mit 25% davonkommen und nicht einmal Vermögenssteuer zahlen müssen. Das hat mit Neid nichts zu tun, es ist einfach unlogisch.


QuoteHendess #18

800.000? Nur? Da hätte ich weit mehr geschätzt ...


Quotetungl #20

Bin echt baff wieviele Kommentare hier einfach nur Neid unterstellen. Der Artikel zählt doch auf, weshalb dieser Zustand ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem darstellt. Es geht nicht um den einzelnen Rentier, dem man was nicht gönnt, sondern um die zunehmende Ungleichverteilung.


QuoteMM66 #20.1

Schätze die ,,dahinter steckt nur Neid ,, Kommentierer haben den Text nicht vollständig gelesen oder schlimmer gar nicht verstanden?!


Quoteflavius #35

Einige Menschen in Deutschland leben aus ihren Vermoegen... und die Gessellschaft, die Gemeinschaft, die Kolektivitaet, der Staat, die haben nichts davon. Klingt fast wie die Nazitheorien der 30 ger... naechster Schritt waere uns gegen solche Menschen zu hetzen, dann uns zu sagen, dass sie eigentlich keine echten Deutschen sind...schrecklich.


QuoteSaccman #35.1

Ich frage mich, was Privatiers eigentlich von HartzIV-Menschen halten...


Quoteakkumulator #35.3

"Ich frage mich, was Privatiers eigentlich von HartzIV-Menschen halten..."

Keine Ahnung. Aber wo der Begriff HartzIV-Menschen fällt, da frage ich mich: Was würde wohl passieren, wenn Herr Fratzscher schreiben würde:
"auch HartzIV-Menschen sollten arbeiten" oder "HartzIV-Menschen reduzieren den gesellschaftlichen Wohlstand". Das Echo darauf würde ich gern mal erleben...


QuoteGuido Stütz #40

Kann es nicht sein, dass manche, wie ich und meine Frau, in ihrem früheren Leben etwas "schneller" gearbeitet haben und daher früher aufhören können.
Ach fragt man sich, wofür gerade die Geringerverdiener manchmal ihr Geld ausgeben.


Quotenbele #40.1

Essen und Miete.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der größte Streik seit Jahrzehnten droht in Großbritannien zahlreiche Branchen lahmzulegen: Eine halbe Million Beschäftigte wollen Schätzungen zufolge am heutigen Mittwoch ihre Arbeit niederlegen. Sieben Gewerkschaften haben ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufgerufen und den sogenannten nationalen Protesttag koordiniert.

Weil die Streikenden aus zahlreichen Branchen kommen, droht in weiten Teilen des Vereinigten Königreichs ein Stillstand. Die britische Regierung warnte vor "erheblichen Störungen", wenn Lehrer, Lokführerinnen, Regierungsmitarbeiter, Dozentinnen, Busfahrer und Sicherheitskräfte gleichzeitig streiken.

Die Unzufriedenheit der Beschäftigten ist in allen Branchen groß. Angesichts der Inflation von derzeit rund zehn Prozent fordern sie eine Angleichung der Löhne an den Preisanstieg. Bisherige Angebote im öffentlichen Dienst schlugen die Gewerkschaften aus, etwa eine von der Regierung angebotene Lohnerhöhung von fünf Prozent für Lehrkräfte.

"Es geht nicht um eine Gehaltserhöhung, sondern um die Korrektur historischer Reallohnkürzungen", teilte die Lehrergewerkschaft NEU mit. Ihre Angehörigen machen einen großen Teil der Streikenden aus: 120.000 Lehrerinnen und Lehrer wollen die Arbeit niederlegen, 23.000 Schulen bleiben geschlossen. Ihnen schließen sich Zehntausende Beschäftigte von 150 Hochschulen, Lokführer von 14 Bauunternehmen und etwa 100.000 Mitarbeiter von 124 verschiedenen Regierungsbehörden an.

Auf die Forderungen der Arbeitnehmer will die Regierung bislang nicht eingehen. Inflationsgerechte Lohnerhöhungen lehnt Premierminister Rishi Sunak ab: Dies würde den "Teufelskreis" immer weiter steigender Verbraucherpreise nur antreiben.

Die Beschäftigten fordern nicht nur bessere Löhne und Arbeitsbedingungen: Ihnen geht es auch um das Streikrecht an sich. Sunak will es per Gesetz einschränken, um den seit dem Sommer anhaltenden Streiks ein Ende zu setzen.

Das Gesetz sieht strikte Beschränkungen für Polizisten, Feuerwehrleute und Beschäftigte des Gesundheitsdiensts NHS sowie Bahnpersonal vor. Sunak begründete die Pläne damit, die Grundversorgung gewährleisten zu wollen, Gewerkschaften kritisierten die Pläne als übergriffig.

So sagte etwa der Generalsekretär des größten britischen Gewerkschaftsbundes TUC, Paul Nowak, das Vorhaben der Regierung sei "undemokratisch, nicht durchführbar und mit ziemlicher Sicherheit illegal". Auch die Opposition warnte, das Gesetz setze Arbeitnehmer der Gefahr aus, ihre Jobs zu verlieren.

Die Vizechefin der Labour-Partei, Angela Rayner, sprach im Zusammenhang mit dem Gesetz von einem "Feuer-die-Pflegekräfte-Entwurf". Ihre Partei profitiert von der Proteststimmung: Je mehr Menschen von den hohen Preisen betroffen sind, desto schwieriger ist es für die regierenden Konservativen, die traditionell eng mit Gewerkschaften verwobene Labour-Partei als Treiber für die Unruhen darzustellen. In Umfragen liegen die oppositionellen Sozialdemokraten knapp unter der absoluten Mehrheit und damit fast 20 Prozentpunkte vor Sunaks Tories.


Aus: "Inflation und Löhne: Großbritannien erwartet größten Streik seit Jahrzehnten" (1. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-02/grossbritannien-streik-inflation-loehne-protest

QuoteHeinrich Reisen #3

Das ist die Zuspitzung einer dramatischen Situation in der UK. Es wurde viel versprochen Post- Brexit, das Gegenteil ist eingetreten. ... Die Tory Regierung stellt sich taub und stumm als wäre sie nicht verantwortlich für die aktuelle Situation und dir zu keinen Verhandlungen bereit. Ich wünsche den Verzweifelten alles Gute und viel Erfolg!


QuoteRalf Gabriel #3.8

"Wohlstandsverluste ja" - bei der Mittel- und Unterschicht.
"aber keine Katastrophe" - für die Oberschicht.


QuoteDingoEurope #3.11

"Es wurde viel versprochen Post- Brexit, das Gegenteil ist eingetreten."

Wer hat das auch ahnen können ...


QuoteEgalitärundhochgebildet #4

In Germany we call it 'Lohn-Preis-Spirale'


QuoteMetalhard #8

Das vereinigte Königreich hat ja geschichtlich viel Erfahrungen mit streikenden. Ich hoffe das sie diesmal Erfolg haben. ...


QuoteFensterBruder #10

Großbritannien muss aufpassen, dass es nicht in eine Lohn-Preis-Spirale gerät und die Inflation vollkommen außer Kontrolle läuft und der Standort Großbritannien und die Arbeitsplätze in Gefahr geraten. Deswegen muss ganz klar gesagt werden: nein, es wird keine höheren Löhne geben.



QuoteHeinrich Reisen #16.1

... die geforderten Lohnerhöhung würden nicht einmal die bereits laufenden Inflationskosten egalisieren. Wie sprechen also gerade von einer Verarmung der öffentlichen Angestellten und sind weit weg von Anna Lohn Preisspirale.


QuoteDirekte Demokratie 1 #21

Take back Control!

Hoch, doch nicht alles so toll, wie man es erwartet hat...
Aber wenigstens gehen die Britten für ihr Recht auf Faire Löhne auf die Straße! Ich wünsche gutes Gelingen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Deutsche Bank hat 2022 den höchsten Gewinn seit 15 Jahren erwirtschaftet. Vor Steuern erhöhte er sich im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent auf rund 5,6 Milliarden Euro. Nach Steuern belief sich das Ergebnis auf rund fünf Milliarden Euro – ein Plus um 159 Prozent.

Die Bank profitierte auch von einem positiven Steuereffekt in Milliardenhöhe. Analysten hatten im Schnitt einen Nettogewinn von 4,17 Milliarden Euro prognostiziert. 2021 hatte der Überschuss rund 1,9 Milliarden Euro betragen.

Zurückzuführen ist die positive Bilanz vor allem auf das Handelsgeschäft mit Anleihen und Währungen. Hier erhöhten sich die Erträge um gut ein Viertel (plus 26 Prozent). Dazu profitierte die Bank von höheren Zinsen.

Im vergangenen Jahr lief es für die Deutsche Bank den Angaben nach vor allem im Geschäft mit Privatkunden und Unternehmen gut. Die Unternehmensbank konnte ihren Vorsteuergewinn auf 2,1 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Die Privatkundenbank verdiente mit zwei Milliarden Euro mehr als fünfmal so viel wie ein Jahr zuvor. Damit warfen die beiden Segmente zusammen mehr ab als die Investmentbank, von deren Erfolg die Deutsche Bank lange Zeit abhängig gewesen war.

Im Investmentbanking des Emissions- und Beratungsgeschäfts gingen die Gewinne dagegen um 62 Prozent auf eine Milliarde Euro zurück. Auch die Vermögensverwaltung warf weniger ab: Der Vorsteuergewinn der hauseigenen Fondsgesellschaft DWS brach um 27 Prozent auf 598 Millionen Euro ein. Die Risikovorsorge für Kreditausfälle stieg 2022 auf 1,2 Milliarden Euro von 515 Millionen Euro.

Das selbst gesteckte Ziel, eine Eigenkapitalrendite von acht Prozent zu erzielen, übertraf die Bank mit 9,4 Prozent deutlich. Die Aktionäre sollen eine Dividende von 30 Cent je Aktie bekommen.

"Die Transformation der Deutschen Bank in den vergangenen dreieinhalb Jahren war ein Erfolg", bilanzierte Vorstandschef Christian Sewing, der 2019 eine grundlegende Neuaufstellung des Konzerns eingeleitet hatte. Der Bereich des Investmentbankings war in den vergangenen Jahren verkleinert worden, die Integration der Postbank ins Privatkundengeschäft wurde vorangetrieben. "Indem wir uns auf unsere Stärken konzentriert haben, sind wir deutlich profitabler, diversifizierter und effizienter geworden", befand Sewing.


Aus: "Deutsche Bank erzielt höchsten Gewinn seit 15 Jahren" (2. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2023-02/finanzindustrie-deutsche-bank-gewinn-15-jahre

QuoteEinfach Mensch #5

"...Deutsche Bank erzielt höchsten Gewinn seit 15 Jahren..."

Es gibt halt immer Krisenprofiteure. Aber wenn's doch mal schiefgeht, darf der Steuerzahler einspringen. Eigentlich schön, immer auf der Gewinnerseite zu sein.


QuoteHerr Käßmann #5.1

"Aber wenn's doch mal schiefgeht, darf der Steuerzahler einspringen."

Was verstehst du an der "neue soziale Marktwirtschaft" nicht? ;)


Quoteunendliche weiten #11

"Die Bank profitierte auch von einem positiven Steuereffekt in Milliardenhöhe." - der Satz reicht mir schon. Ist es eigentlich so schwer, Banken nicht noch mehr Geld als unbedingt nötig in den Allerwertesten zu blasen? D hat Investitionsstau in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen, aber für Banken gibt es positive Steuereffekte in Milliardenhöhe?


QuoteZantano #9

... Wie zynisch das einfach ist. Millionen Menschen wurden einfach die Zinsen für ihr Kredite erhöht weil es ja nötig ist bei den schlimmen Kapitalmärkten. Und dann erwirtschaftet man Rekordgewinne.


QuoteLosombee #10

In den letzten Jahren hat die Bank ja ziemlich Federn gelassen.


QuoteDec Kimbal #12

Leider kein Wunder.

War ja auch schon bei der weltfinanzkrise 2008 leider so, und bei der corona-krise, dass die obersten 10% und damit die Finanzindustrie und das Bankensystem massive Profiteure waren, während vor allem das untere Drittel der Gesellschaft draufgezahlt hat.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Celia Parbey: Jessi Streib, Sie haben für Ihre Doktorarbeit mit 32 Paaren aus unterschiedlichen sozialen Klassen gesprochen und untersucht, welche Rolle Klasse in ihrer Ehe spielt. Heiraten Menschen überhaupt klassenübergreifend?

Jessi Streib: Bei heterosexuellen Paaren war es lange selbstverständlich, dass sie ein unterschiedliches Klassen- und Bildungsniveau haben. Männer haben studiert, Frauen blieb das verwehrt. Heute, wo Frauen sogar häufiger studieren als Männer, gibt es immer weniger Paare, bei denen die eine Person Hochschulbildung hat und die andere nicht. Für meine Doktorarbeit habe ich mit Paaren gesprochen, die ursprünglich aus unterschiedlichen sozialen Klassen kamen. Fast alle hatten studiert, nach dem Hochschulabschluss gehörten sie derselben Akademikerklasse an. Solche Paarkonstellationen sind dennoch unüblich. Meistens suchen sich Menschen Partner:innen aus, die ihnen ähnlich sind. Das heißt: Menschen, die ähnlich aufgewachsen sind und in der Regel ähnliche Vorstellungen haben wie sie.

Celia Parbey: Welche Faktoren definieren die Klassenzugehörigkeit eines Menschen?

Jessi Streib: Die Klasse, in die man als Kind hineingeboren wird, beruht auf dem Beruf, der Ausbildung und dem Einkommen der Eltern. Als Erwachsener erhält man dann seine eigene Klassenposition, die mit der Klasse der Eltern übereinstimmen kann oder auch nicht. Die Definition ist aber umstritten. Die Grenze, die wir zwischen den Klassen ziehen, ist immer auch willkürlich. Nicht alle Menschen lassen sich in eine klare Klassenstruktur einordnen. 

Celia Parbey: Wie interagieren Menschen unterschiedlicher sozialer Klassen miteinander?

Jessi Streib: Meistens bleiben sie unter sich. Sie leben getrennt und kommen kaum in Kontakt miteinander. Das ist weltweit die Norm, auch wenn es in jeder Gesellschaft unterschiedliche Ausmaße annimmt. Wenn es zum Austausch kommt, interagieren sie meistens nicht auf Augenhöhe miteinander. Ein Arzt, der zum Beispiel mit seinem Gärtner spricht, tut das in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen. Diese Beziehungen sind selten freundschaftlich.   

Celia Parbey: Wie zeigen sich Klassenunterschiede in romantischen Beziehungen?

Jessi Streib: Akademikerkinder wachsen mit den notwendigen Ressourcen auf, um im Leben Pläne zu schmieden. In meinen Interviews kam heraus, dass für sie das Leben vorhersehbarer ist. Sie können es sich leisten, darüber nachzudenken, wie genau sie ihre berufliche Laufbahn gestalten wollen. Wo sie anfangen und wo sie am Ende stehen können. Diese Planungssicherheit zieht sich durch alle Aspekte ihres Lebens: Sie planen ihre Urlaube im Voraus, die Kindererziehung und sogar, wie und wann sie ihre Gefühle äußern. Wenn sie sich über ihre Partner:innen ärgern, überlegen sie sich beispielsweise erst, wie ihr Gegenüber reagieren wird, bevor sie den Konflikt ansprechen. 

Celia Parbey: Wie ist das für Menschen aus Arbeiterfamilien?

Jessi Streib: In meinen Interviews zeigte sich, dass Menschen aus Arbeiterfamilien früh lernen, mit dem Strom zu schwimmen. Sie sind nicht mit viel Geld aufgewachsen. In der Familie wurden keine großen Pläne gemacht, weil dazu die Ressourcen fehlten. Oft können sie deshalb gut mit Chaos umgehen oder reagieren besser auf spontane Notfälle. Sie erwarten nicht, dass andere Menschen sich die Mühe machen, ihnen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Den Gedanken, einfach das zu bekommen, was sie sich wünschen, finden sie vielleicht sogar ein bisschen verrückt.

Celia Parbey: Wie sehen typische Beziehungskonflikte aus?

Jessi Streib: Schwierig wird es, wenn Menschen aus Akademikerhaushalten, die mit dem Mindset aufwachsen, dass sie alles planen können, versuchen, die Leben ihrer Partner:innen mitzuplanen. Wenn sie ihnen sagen, was sie tun sollen, weil sie es angeblich besser wissen. Das führt zu Spannungen in der Beziehung und Enttäuschung und natürlich zu Unmut bei der Person, der gesagt wird, dass sie sich ändern muss, obwohl sie mit ihrer Art zu leben völlig zufrieden ist. 

Celia Parbey: Können Sie das genauer erklären?

Jessi Streib: Es kann beispielsweise um den Umgang mit Zeit gehen. Menschen aus der oberen Mittelschicht planen in der Regel ihren Alltag anders. Sie wissen vielleicht schon Anfang der Woche ganz genau, was sie samstagmorgens machen und wie sie den Samstagnachmittag gestalten. Für Menschen aus einer Arbeiterfamilie ist dann oft erst mal Wochenende. Das ist zum Entspannen da und muss nicht unbedingt im Voraus durchgeplant werden. Beide Herangehensweisen gleichzeitig sind nicht möglich, was in Beziehungen für Spannungen sorgt. Auch bei der Kindererziehung kann es zum Konflikt kommen. 

Celia Parbey: Inwiefern?

Jessi Streib: Die Menschen aus einem Akademikerhaushalt, mit denen ich sprach, hatten eine andere Vorstellung davon, welchen Aktivitäten ihre Kinder nachgehen sollten, als ihre Partner:innen: samstagmorgens Musikunterricht und nachmittags sind sie beim Sport. Sonntags gehen sie dann einem anderen außerschulischen Hobby nach. Es ist für sie möglich, zu planen. Sie haben das Geld, sie haben die Zeit. Es käme ihnen sehr seltsam vor, wenn sie ihre Ressourcen nicht nutzen würden, um ihren Kindern zu helfen, so zu werden wie sie. Ihre Partner:innen aus Arbeiterhaushalten wollten eher mit ihren Kindern zu Hause bleiben, entspannen und sie kennenlernen. Sie wollten nicht zu früh planen, was aus ihnen werden soll. Manche wünschten sich, dass ihre Kinder an die Uni gehen, aber konnten sich auch andere Optionen vorstellen. 

Celia Parbey: Macht es dabei einen Unterschied, ob der Mann oder die Frau privilegiert aufgewachsen ist?

Jessi Streib: Frauen sind in den meisten Fällen für die Kindererziehung zuständig, unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit. Die Unterschiede zwischen einer Frau, die in der oberen Mittelschicht aufgewachsen, und einem Mann, der in der Arbeiterklasse aufgewachsen ist, sind viel signifikanter als zwischen einer Frau, die in der Arbeiterklasse aufgewachsen ist, und einem Mann, der in der oberen Mittelschicht aufgewachsen ist, weil Männer bei den Kindern tendenziell weniger involviert sind. Wenn eine Frau aus der Arbeiterklasse ihrem Partner zum Beispiel sagt, dass ihre Kinder nicht unbedingt an außerschulischen Aktivitäten teilnehmen müssen, stimmt der Mann dem wahrscheinlich eher zu. 

Celia Parbey: Zu welchen Konflikten kann es bei Paaren aus unterschiedlichen sozialen Klassen noch kommen?

Jessi Streib: Für Personen aus einer höheren sozialen Klasse ist es einfacher, die eigene Karriere zu planen, deshalb haben sie in der Hinsicht oft größere Ambitionen. Was auch bedeutet, dass sie mehr Zeit bei der Arbeit verbringen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Person, die einen sozialen Aufstieg hinter sich hat, denkt sich eher: Hey, ich hab's geschafft. Jetzt möchte ich das Leben genießen. Arbeit hat für sie eine ganz andere Bedeutung. 

Celia Parbey: Woher kommt das?

Jessi Streib: Ein Mensch, der aus einem privilegierten Umfeld kommt, kann in der Annahme aufwachsen, im Leben eine Arbeit zu finden, die ihm Spaß macht. Eine Arbeit, bei der es Aufstiegschancen gibt, bei der er etwas erreichen kann. Für Menschen, die aus Arbeiterfamilien kommen, ist Freude an der Arbeit meistens ein Luxus, den sie überhaupt nicht erwarten. Viele wachsen nicht mit dem Gedanken auf, dass Arbeit erfüllend sein muss. Sie haben ihre Eltern oft in Jobs arbeiten sehen, die ihnen keinen Spaß gemacht haben. 

Celia Parbey: Warum kann das zu Spannungen führen?

Jessi Streib: Weniger zu arbeiten und dafür mehr Zeit für die Familie zu haben, ist für viele Menschen aus Arbeiterfamilien wichtig. Es herrscht eher die Mentalität, zu arbeiten, um zu leben, und nicht zu leben, um zu arbeiten. Das bedeutet nicht, dass sie schlechte Arbeiter:innen sind oder ihnen die Arbeit egal ist. Es bedeutet lediglich, dass ihre Arbeit oft kein wichtiger Teil ihrer Identität ist. Viele würden sie nicht als Leidenschaft oder Berufung bezeichnen. Wenn der:die Partner:in aus dem Akademikerhaushalt dann die Zeit mit der Familie für die Karriere opfert, kann das frustrierend sein. Auch bei der Frage, wie viel Geld sie brauchen, um sich sicher zu fühlen, ließen sich bei den Paaren, die ich interviewt habe, große Unterschiede feststellen. 

Celia Parbey: Welche?

Jessi Streib: Menschen aus Arbeiterfamilien sind es gewohnt, keine großen Ersparnisse zu haben. Daher ist es für sie weniger beängstigend, wenn mal nicht so viele Rücklagen auf dem Konto sind. Menschen aus der oberen Mittelschicht kennen das nicht. Ohne finanzielle Ersparnisse zu leben, fühlt sich für sie beängstigend an, deshalb neigen sie dazu, mehr zu sparen. Die Paare, mit denen ich sprach, stritten darüber, wie viel sie sparen oder ausgeben sollten.

Celia Parbey: Das klingt alles danach, als seien klassenübergreifende Beziehungen konfliktgeprägt. Gibt es auch positive Effekte?

Jessi Streib: Menschen, die privilegierter aufwachsen, betonen oft, wie angenehm sie die emotionale Ehrlichkeit ihrer Partner:innen finden. Sie schätzen, dass diese einfach sagen, was sie fühlen, wenn sie es fühlen, auch nach mehreren Jahren Beziehung. Oft ist das sogar die Eigenschaft, die sie ursprünglich an ihnen angezogen hat. Das bedeutet nicht, dass Menschen aus Akademikerfamilien unehrlich sind. Sie sind nur oft vorsichtiger, wenn sie sich ausdrücken. Es wird erst über die mögliche Reaktion des Gegenübers, den Ort und den Zeitpunkt nachgedacht, bevor sie sich äußern. Auf der anderen Seite staunen Menschen aus der Arbeiterklasse darüber, mit welcher Leichtigkeit ihre Partner:innen sich durch die Welt bewegen können und welche Dinge sie als selbstverständlich erachten. 

Celia Parbey: War den Paaren, mit den sie gesprochen haben, bewusst, welche Klassenunterschiede sie hatten?

Jessi Streib: Die meisten Paare leugnen, dass ihre Klassenzugehörigkeit in ihrer Beziehung je eine Rolle gespielt hat. In den Interviews habe ich Aussagen gehört wie: "Klar, ihre Familie hatte mehr Geld als ich, aber Geld macht dich ja nicht zu dem Menschen, der du bist. Und überhaupt, heute teilen wir ein Bankkonto." Sie dachten, dass Klasse in ihrer Beziehung keine Bedeutung hat, weil sie eine sehr verkürzte Definition hatten, was Klasse überhaupt sein soll. Sie dachten, es ginge nur ums Geld.

Celia Parbey: Haben Sie einen Tipp für Paare, die versuchen, innerhalb ihrer Beziehung Klassenunterschiede zu navigieren?

Jessi Streib: Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie Ihre:n Partner:in ändern können. Die glücklichsten Paare, die ich interviewt habe, sahen ihre Unterschiede nicht als Hindernis. Im Gegenteil, sie freuten sich, dass ihre Partner:innen Dinge konnten, zu denen sie selbst nicht in der Lage waren. Klassenunterschiede sollten offen angesprochen werden, um ihren Ursprung zu erkennen. Viele Menschen denken gar nicht darüber nach, aus welcher sozialen Schicht sie kommen. Das ist aber wichtig, weil es die Interaktionen miteinander entpersonalisiert. Der Person aus dem Akademikerhaushalt wird dann vielleicht bewusst, dass es nicht nur ihr:e Partner:in ist, der:die nicht gerne Dinge im Voraus plant, sondern, dass das vielen Menschen aus Arbeiterfamilien schwerfällt. Sie verstehen dann besser, warum es für ihre Partner:innen lange sinnvoll war, mit dem Strom zu schwimmen und spontan zu sein. Anstatt ihre Partner:innen zu kritisieren, erkennen sie, dass es einen Grund dafür gibt, warum sie bestimmte Dinge gut können und andere nicht. 

Celia Parbey: Was hat Sie an den Paaren am meisten überrascht, mit denen Sie gesprochen haben? 

Jessi Streib: Ich hatte mehr Veränderung erwartet. Einer der Beweggründe für meine Studie war, dass ich davon ausging, dass sich die Menschen in klassenübergreifenden Beziehungen mit der Zeit stark verändern und an ihre Partner:innen anpassen. Die Paare hatten nicht nur studiert und gingen einer guten Arbeit nach, sondern hatten auch die gleiche Menge an Geld zur Verfügung. Sie lebten im selben Haus, in denselben Stadtvierteln. Sie zogen dieselben Kinder auf. Oftmals hatten sie dieselben Freund:innen. Trotzdem waren ihre Interessen und Wertvorstellungen weiterhin von ihrer ursprünglichen sozialen Klasse geprägt. 

Celia Parbey: Wenn ich also zu Beginn einer Beziehung aufgrund von Klassenunterschieden Probleme habe, halten diese in der Regel an?

Jessi Streib: Es gibt da diesen Spruch: Man kann Menschen aus der Klasse herausholen, aber nicht die Klasse aus dem Menschen. Die Menschen, mit denen ich sprach, waren alle Akademiker:innen, die in unterschiedlichen Klassen aufgewachsen sind. Auch nach 20 Jahren Ehe, in der sie in derselben Klasse lebten, gleich viel Geld verdienten und beide gute Jobs hatten, ließen sich diese Unterschiede in der Grundhaltung noch feststellen. Es gibt Menschen, die sich verändern, das ist aber eine Minderheit. Die Klasse, in der wir aufwachsen, prägt uns ein Leben lang.


Aus: "Klassenunterschiede in Beziehungen: "Akademikerkinder planen sogar, wie und wann sie Gefühle äußern"" Celia Parbey (1. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/zett/liebe-sex/2023-01/klassenunterschiede-beziehung-ehe-konflikte-umgang

QuoteKaroR

Ein sehr interessantes Interview, bei dem viele Aspekte, die ich selbst beobachte auch beschrieben werden. Eine wohlwollende Anmerkung habe ich allerderdings: In einem Abschnitt ist von "Personen aus einer höheren sozialen Klasse" die Rede. Ich finde die Unterscheidung in "höher" oder "niedriger" absolut nicht mehr zeitgemäß. Wir leben nicht mehr in der Ständegesellschaft sondern in einer Bürgergesellschaft mit gleichen Rechten und Pflichten. Wir haben unterschiedliche soziale Klassen aus soziologischen Sicht, aber nicht "höhere" und "niedrigere" Klassen.


QuoteJukat

Ich finde es seltsam, dass in diesem Artikel Akademikerhaushalte automatisch mit einem finanziell priviligiertem Hintergrund gleichgesetzt werden. Ich kenne zahlreiche Familien, die keinen akademischen Hintergrund, dafür aber Unternehmen aufgebaut und Ersparnisse zur Seite gelegt haben. Viele Akademiker*innen leben hingegen am Existenzminimum und sind auf soziale Unterstützung angewiesen. Diese Realität spiegelt sich im vorliegenden Interview nicht wieder.


Quote
Nikolaus12345

Sorry, der Artikel strotzt vor Stereotypen, die ich, gutverdienender Arzt mit Eltern, die mit 14 bzw. 15 Jahren in die Fabrik gesteckt wurden, überhaupt nicht nachvollziehen kann.
Es fängt schon mit dem "Arzt spricht mit seinem Gärtner" an. ...


Quotemarsjaner

Tatsächlich habe ich das Gefühl dass in Deutschland sehr oft geleugnet wird, dass Klassenunterschiede eigentlich sichtbar sind. Viele finden es sehr grob dieses Thema so anzusprechen und sagen immer "Klasse spielt keine große Rolle für mich".

Ich sehe einige der selben Dinge in meinem Umfeld. Die Einstellungen und Wertehaltungen in denen man aufgewachsen ist bleiben selbst nach jahrelanger Beziehungsführung dennoch sehr ausgeprägt bei klassenübergreifenden Beziehungen.

Der Unterschied zwischen "Neuaufsteigern" und "stabile obere Mittelschicht" zB ist doch schon sehr groß. Man kann eben seine Kindheit und die Lektionen in der eigenen Familie nicht so einfach vergessen.


Quotebarfussfee

Ja, es gibt Unterschiede. Persönlich vermute ich sie in Deutschland jedoch stärker zwischen 'Neureich' und 'Altem Geld' als zwischen Arbeiterkind und Akademikerkind.


Quote
TheOwl

Ich habe in dem Interview mehrfach v.a. mega spiessiges, abschreckendes Leben erkannt. Unabhängig von Standesdenken.


Quoteantibanane


Bin ja selber Akademiker, aber dieses Eigenschaftsbündel, mit dem Akademiker hier geschildert werden, ist doch ziemlich negativ. Unspontan, hölzern, spießige Sparer, kleinkarierte Allesdurchplaner, Helikoptereltern, kein Gefühl für work-life-balance...

Sind diese Stereotypen wirklich zutreffend?


QuoteDanke gut

Das ist Humbug, ein krasses und vor allem unzutreffendes Stereotyp. Ich bin Dottore und nichts liegt mir ferner, als alles oder auch nur vieles zu planen. Es lebe der Augenblick.


Quote
desue

Ich erkenne viel aus dem Interview wieder, und es wird nicht alles so negativ ausgedrückt wie du es beschreibst. Planen muss ja nicht spießig sein. Wir planen beispielsweise Urlaube. Und zwar auch nach Wünschen der Kinder. Wir planen auch, was wir am nächsten Wochenende machen, und das ist bei "normalen" Aktivitäten nicht vom Geld abhängig. Dann wird halt ein Museum besucht, mal ein Ticket im Familienblock von Alba gebucht, oder auf Wunsch in Restaurant xy gegessen. Andere Familien machen das auch, die Fragen dann z.B. ob die Kinder zusammen irgendwelche Aktivitäten machen. Die Kinder machen auch Aktivitäten wie Schwimmverein, Sport, musikalische Früherziehung. Und das ist bei vielen Kindern aus der Kita genau so. Deren Eltern sind dann auch Akademiker. Auch Diskussionen breche ich nicht einfach so vom Zaun, sondern ich bin mir der Konsequenzen bewusst. Das heißt ja nicht, dass man nicht auch spontan sein kann. Auch beim Arbeiten heißt ein erfüllender Beruf ja nicht fehlende Work-Life-Balance. Aber mir macht es keine Angst bis 67 arbeiten zu müssen. Ich kenne auch viele Menschen, die zwar in geringerem Umfang noch mit über 70 arbeiten. Ärzte, die Vorträge halten, Mitglieder im Aufsichtsrat, emeritierte Professoren, Ehrenämter. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass man freiwillig Pakete ausliefert oder in der Stadtreinigung arbeitet.


QuotejustAmoonwalker

Verrückt, ich würde von mir behaupten, dass ich einen recht großen sozialen Kreis besitze und dieser zudem durch schulischen und akademischen Hintergrund sehr hetrogen ist. Und in meinem Umfeld komme ich auf völlig andere Schlüsse:

Akademiker, angebliches Faible für Planungssicherheit:
-> Akademikerkinder wechseln oft das Studium, gönnen ein Sabbatjahr, wechseln den Job und Wohnort. Arbeiterkinder hingegen, welche auf den Aufstieg fokussiert sind, weisen gern ein geradlinigen Lebenslauf auf. Oft macht die Familie Druck, ein ewiges hin & her ist gar nicht drin. Am Wochenende muss noch neben des Studiums gearbeitet werden. Die Upper-Class mach derweil Party und plant vllt. 8h vorher bei wem man vortrinkt.

Akademikerkinder, höhere Ambitionen was Karriere angeht (1) und Verzicht auf Work-/Life Balance (2)
-> (1) Dieser Punkt widerspricht quasi jedem Beispiel aus meinem sozialen Umfeld. Oftmals haben die Kinder aus der Oberschicht ein Erbe im Rücken oder können irgendwann bei dem Betrieb der Eltern einsteigen. (Sorgenfreiheit) Viele Eltern (Ärzte, CEO, etc.) haben zudem wenig Zeit. Anders in der (unteren) Mittelschicht. Hier wird auf die Kinder ein hoher Druck aufgebaut - wenn studiert wird, dann soll bitte auch was dabei rumkommen. (2) Im Berufsleben wollen Arbeiterkinder vorallem aufsteigen und machen Abstriche bei der Work-/Life Balance.

etc..

Genrell finde ich die Datenbasis von 35 Paaren eher gering für eine Doktorarbeit, ein Bias kann nicht ausgeschlossen werden.


QuoteKaroR

Ich denke da unterscheiden sich die USA deutlich von Deutschland. Während die Zeit nach dem Abitur und das Studium in Deutschland auch als Findungsphase gesehen wird, geht in den USA die Karriere an einer teuren Uni ,,sofort" los.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Machtzirkel um Kurz hätten sich zudem "mittels Spezialbehandlung um superreiche Freunde" gekümmert. So sei dem Unternehmer Siegfried Wolf nach einer Intervention im Finanzministerium ein "satter Steuernachlass" genehmigt worden. Auch um den Immobilieninvestor René Benko habe sich das Ressort ausgiebig gekümmert. "Während die einfachen Leute – Sie, ich – unsere Steuern zahlen, wurde das Finanzministerium ein Steuerwohlfühlprogramm für Superreiche", kritisierte Tomaselli.

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Aus: "ÖVP-U-Ausschuss - "Protokoll einer großen Täuschung": Grüne legen Fraktionsbericht zum U-Ausschuss vor" (2. Februar 2023)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000143163844/protokoll-einer-grossen-taeuschung-gruene-legen-fraktionsbericht-als-erste-vor

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Quote[...] Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des deutschen Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) durchleben eine Zeit quälender Ungewissheit: Am Dienstag eröffnete ein Essener Gericht das Insolvenzverfahren, doch wie das Unternehmen saniert werden soll, wird wohl erst Mitte März bekannt werden.

Der deutsche Detailhandel steckt in einer tiefen Krise, Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich in einem Insolvenzfahren. Dass der Kaufhauskonzern in der Vergangenheit viel Geld vom Staat erhalten hat, sorgt nun für Unverständnis.


Aus: "Deutschland: Gewinne einstreichen, Verluste sozialisieren? - Der Globus-Besitzer René Benko steht in Deutschland in der Kritik" Hansjörg Friedrich Müller, Berlin (02.02.2023)
Quelle: https://www.zugerzeitung.ch/wirtschaft/deutschland-gewinne-einstreichen-verluste-sozialisieren-der-globus-besitzer-rene-benko-steht-in-deutschland-in-der-kritik-ld.2408355

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Quote[...] Der österreichische Kaufhaus-Investor René Benko (45) und neun weitere Angeklagte sind in Wien vom Vorwurf der politischen Korruption  freigesprochen worden. Die Geschworenen kamen am Montag zum Schluss, dass ausreichende Beweise fehlten. Die Anklage hatte den Vorwurf erhoben, dass ein ehemaliger Wiener Gemeinderat von mehreren prominenten Immobilien-Unternehmern und Managern Spenden für ein Schulprojekt in Südafrika angenommen hatte und sich im Gegenzug für deren Immobilienprojekte eingesetzt habe.

... "Die Anklage hatte keinerlei Substanz, die Vorwürfe waren von Beginn an falsch und haltlos", ließ Benko über einen Sprecher mitteilen. Es sei ein "sehr faires Beweisverfahren" gewesen. "Damit ist das Thema für mich erledigt", sagte er.

Eine Sorge weniger also für Kaufhauskönig Benko, der mit seiner Holding die beiden Marken Kaufhof und Karstadt zu Galeria fusionierte. Galeria befindet sich seit Ende November 2022 in einem Schutzschirmverfahren. Benko arbeitet nun am Comeback der Kaufhauskette samt personeller Neuaufstellung.


Aus: "René Benko in Korruptionsprozess freigesprochen" (23.01.2023)
Quelle: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/rene-benko-kaufhaus-investor-in-wiener-korruptionsprozess-freigesprochen-a-e0153a87-de8e-49fd-844a-27fd4852f836

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Quote[...] Das Hamburger Elbtower-Grundstück gehört nun René Benko. Der geplante Wolkenkratzer direkt an der Elbe zwischen den Elbbrücken gilt als krönender Abschluss der Hafencity, des größten Stadtbauprojekts Europas. Mit 245 Metern Höhe wird der Elbtower deutschlandweit das höchste Gebäude außerhalb Frankfurts sein. Dort sind nur der Commerzbank-Turm und Messeturm größer.

Das Grundstück dafür hatte die Stadt Hamburg im November an den Immobilienentwickler hinter dem Karstadt-Investor und Immobilien-Tycoon Benko verkauft. Genauer gesagt an die Hamburg, Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG. Dabei handelt es sich um eine Projektgesellschaft der Signa Prime Selection, der größten Gesellschaft im Immobilienbereich von Signa. Nachdem etliche Auflagen erfüllt waren, galt es nur noch, eine Hürde zu nehmen: Die zweite und letzte Zahlungsrate des vereinbarten Kaufpreises in Höhe von 122 Millionen Euro. ,,Die Zahlung der zweiten Kaufpreisrate für das Grundstück wurde fristgerecht am 9. 1. 2023 überwiesen, das Grundstück ist damit wie vertraglich vereinbart an Signa übergegangen", heißt es nun bei Signa.

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Aus: "Der Elbtower gehört nun René Benko" Madlen Stottmeyer (13.01.2023)
Quelle: https://www.diepresse.com/6237643/der-elbtower-gehoert-nun-rene-benko

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Quote[...] Für René Benko ist dieser Mittwoch ein sehr guter Tag: Zuerst wurde der österreichische Immobilienmagnat im Wiener Korruptionsprozess aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zeitgleich erlaubte ihm das Essener Amtsgericht, seinen chronisch klammen Kaufhauskonzern ein weiteres Mal auf Kosten anderer zu sanieren. Diesmal vor allem auf Kosten des Staates, also der Steuerzahlerinnen und -zahler. Der Bund wird von seinen 680 Millionen Euro, die er Galeria Karstadt Kaufhof geliehen hat, so gut wie nichts zurückbekommen. Er hat viel Geld in den Sand gesetzt – aus der guten Absicht heraus, so den mehr als 17.000 Beschäftigten des letzten deutschen Warenhausriesen zu helfen.

https://www.waz.de/wirtschaft/amtsgericht-essen-eroeffnet-insolvenzverfahren-fuer-galeria-id237519655.html

https://www.waz.de/wirtschaft/galeria-will-glaeubigern-wohl-nur-50-millionen-euro-zahlen-id237474195.html

Dabei nicht allzu blind für die tatsächliche Lage eines um Staatshilfe bittenden Konzerns zu sein, muss eine Lehre für alle Politikschaffenden aus der Causa Karstadt sein. Die Größe eines angeschlagenen Unternehmens sorgt bei ihnen von allein für mehr Aufmerksamkeit. Doch das darf niemals entscheidend dafür sein, ob Staatsgeld fließt oder nicht. Stattdessen müssen für Finanzspritzen aus dem Topf der Allgemeinheit die gleichen Maßstäbe für kleine, mittelständische und große Unternehmen gelten. Dass dies bei Galeria nicht so war, kostet eine ganze Reihe von Mittelständlern nun viel Geld, das Galeria ihnen schuldet, aber nicht mehr zurückzahlen kann. Aus eigenem Verschulden, versteht sich, schließlich ist der Essener Handelskonzern aus der Insolvenz 2020 schuldenfrei herausstolziert, nur um wenige Monate später schon wieder nach dem Staat zu rufen.

https://www.waz.de/wirtschaft/wirtschaft-in-nrw/drei-insolvenzen-in-folge-warum-galeria-in-der-krise-steckt-id237482895.html

Die Beschäftigten haben jedes Recht, über den Gegenwind des Schicksals in der Pandemie zu klagen, über Missmanagement und über einen Eigentümer, der sich offensichtlich mehr für die Immobilien interessiert als für das nicht mehr ganz taufrische Handelsmodell namens Warenhaus. Doch auch die Steuer- und Beitragszahler haben jedes Recht zu hinterfragen, warum sie erneut einen großen Teil der Verluste Benkos aus dem Galeria-Geschäft übernehmen sollen. Zu den verbrannten Krediten kommt schließlich wie 2020 noch die erneut dreimonatige Übernahme der Löhne durch die Arbeitsagenturen.

Das sollten auch die Bürgermeister im Hinterkopf haben, die nun allerorten versuchen, ihren Kaufhof oder ihr Karstadt zu retten. Weil die meisten Vermieter Galeria nicht schon wieder Miete erlassen oder die Fläche verkleinern wollen, treten die Stadtoberhäupter nicht nur als Vermittler auf, sondern auch als Ersatzmieter. Hier und da bieten sie an, einen Verwaltungsteil, ein Bürgeramt oder andere städtische Einrichtungen ins zu groß gewordene Kaufhaus zu verlagern, um Galeria zu halten. Doch auch dabei entstehen Kosten, die von den Bürgerinnen und Bürgern übernommen werden müssen. Jeder und jede OB muss diese Kosten gegen den Nutzen abwägen. Nicht gegen den erhofften, sondern gegen den wahrscheinlichen Nutzen eines erneut gesundgeschrumpften Kaufhauses – und die Frage, wie lange es diesmal gesund bleibt.


Aus: "Galeria-Insolvenz: Ein guter Tag für René Benko" Ein Kommentar von Stefan Schulte (01.02.2023)
Quelle: https://www.waz.de/wirtschaft/galeria-insolvenz-ein-guter-tag-fuer-rene-benko-id237521477.html

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Quote[...] Die Beschäftigten der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof sind weiterhin mit der Insolvenz und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes konfrontiert. "Wieder und wieder zahlen sie den Preis, ökonomisch und emotional", heißt es jetzt in einer Pressemitteilung der katholischen Betriebsseelsorge der Erzdiözese Bamberg. Mitte Januar schwirrten Gerüchte umher, Galeria wolle 60 Filialen sicher schließen, darunter etwa in Bayreuth und Nürnberg. Bestätigt hat die insolvente Warenhauskette das bisher nicht, die Rede war bisher stets von rund 40 Standorten gewesen.

Zuvor hatte der Online-Händler "Buero.de" sein Übernahme-Angebot zurückgezogen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei Galeria müssen bereits seit geraumer Zeit um ihre Arbeitsplätze bangen. Das kritisiert auch die Betriebsseelsorge: "Zweieinhalb Jahre ist es her, dass die von René Benko aufgekaufte und fusionierte Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof mit harten Sanierungsmaßnahmen Schlagzeilen machte, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen", heißt es in dem Statement.

"Zahlreiche Häuser wurden geschlossen, Kolleginnen und Kollegen in den Filialen und Tochtergesellschaften kämpften um ihren Arbeitsplatz, viele wurden arbeitslos. Eine sichere Zukunft für die verbleibenden knapp 17.400 Beschäftigten und ein nachhaltiges Konzept für attraktive, florierende Filialen in den Innenstädten sind ausgeblieben", heißt es weiter.

Dies sei nur "einer der vielen Einschläge" gewesen, den die langjährigen Beschäftigten der Warenhäuser Galeria Karstadt und Kaufhof hätten wegstecken müssen. "Über viele Jahre und weit über ihre Kräfte haben sie auf eine tarifliche Bezahlung verzichtet und mit ausgedünnter Personaldecke einen hohen Beitrag geleistet, um Missmanagement abzufedern und die Traditionsläden am Laufen zu halten", so die Seelsorge.

"Jüngst kam der nächste Schlag. Im Oktober 2022 verkündete die Unternehmensleitung die existenzgefährdende wirtschaftliche Notlage, kündigte den zur Sanierung des Unternehmens mit der Gewerkschaft Verdi vereinbarten Integrationstarifvertrag und meldete wenige Wochen später die Insolvenz des Unternehmens in Eigenverwaltung an", heißt es.

Mit gutem Recht würden die Beschäftigten "das himmelschreiende Missverhältnis von Unternehmensnotlage und den Vermögensverhältnissen des Haupteigentümers und Multimilliardärs René Benko" anprangern, so die Betriebsseelsorge. "Mit Empörung reagieren wir daher auf das unternehmerische Vorgehen der letzten Monate." Es handle sich bei Galeria "seit Jahren um Missmanagement im System", lautet der klare Vorwurf aus Bamberg.

Es sei "unredlich" und "dauerhaft gesellschaftsschädigend", den Beschäftigten der Warenhauskette "Verzicht und Einschnitte zuzumuten, ohne ernsthafte langfristige Unternehmensstrategien und einschlägige Investitionen des Eigentümers in Aussicht zu stellen". Die katholische Betriebsseelsorge in Bamberg fordert "Verhandlungen auf Augenhöhe mit den gewerkschaftlichen Tarifpartnern und eine wirksame Finanzinvestition des Eigentümers in ein nachhaltiges Zukunftskonzept, das Arbeitsplätze sichert, Filialen erhält, die sich oft als Herzstücke der Innenstädte zeigen und die lokalen Märkte beleben".

"Unser Appell richtet sich zuerst und vor allem an den bisherigen Galeria-Eigner René Benko und an CEO Miguel Müllenbach. Unternehmerisches Handeln hat sich stabilen, existenzsichernden Arbeitsplätzen und tragfähigen Unternehmensstrategien zu verpflichten", heißt es weiter. "Unsere Solidarität gilt den Beschäftigten, die sich in ohnehin hochstrapaziösen Zeiten für ihre Arbeitsplätze und den Erhalt der Filialen einsetzen." Wie viele davon in Franken letztlich bleiben - das weiß bisher niemand so genau.


Aus: "Filialschließungen drohen - "Der nächste Schlag": Fränkische Galeria-Beschäftigte bangen um Jobs" (31.01.2023)
Quelle: https://www.infranken.de/lk/bamberg/galeria-karstadt-kaufhof-fraenkische-beschaeftigte-bangen-um-jobs-sie-verzichten-freiwillig-auf-tarifzahlung-art-5629802

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Erntehelfer in einem baden-württembergischen Betrieb bekommen nach zehn Tagen einen Lohn von 150 Euro. Von 6 bis 19 Uhr haben sie auf den Feldern gehackt, Himbeeren gepflückt und geputzt. Vom Lohn kassiert der Vorarbeiter 50 Euro für die Vermittlung; für den Transport von Rumänien nach Baden-Württemberg sind weitere 150 Euro fällig. Handschuhe und Scheren müssen sich die Erntehelfer selbst kaufen. Für die schäbige Unterkunft verlangt der Betriebe vier Euro am Tag. Da kein Geld für Nahrungsmittel da ist, werden Saisonarbeiter von der ,,Initiative faire Landarbeit", unterstützt.

Das Beispiel stammt aus dem jüngsten Jahresbericht der Initiative, der am Freitag vorgestellt wurde und in dem das Bündnis aus Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen die Arbeitsbedingungen von rund 130.000 Saisonarbeitern hierzulande schildert. Etwa 60 Prozent stammen aus Rumänien, weitere große Herkunftsländer sind Polen, Bulgarien und die Ukraine. Die meisten Missstände auf den Feldern: Die Arbeitszeiten werden nicht korrekt erfasst, sodass eine Entlohnung unterhalb des Mindestlohnniveaus leicht möglich ist; schlechte Krankenversicherungen und überhaupt geringer Arbeitsschutz. Weil in der Regel nur ein Prozent der Betriebe kontrolliert wird vom Zoll und den Arbeitsschutzbehörden, ist das Risiko für die Betriebe gering.

,,Die Menschen werde zu Beschäftigten zweiter Klasse gemacht, das untergräbt das Vertrauen in ein gemeinsames, solidarisches Europa", sagt Harald Schaum, stellvertretender Vorsitzender der IG BAU. Der Gewerkschafter ärgert sich über den mangelhaften Gesundheitsschutz trotz der seit 2022 geltenden Pflicht für die Betriebe, die Helferinnen und Helfer bei einer Krankenversicherung anzumelden. ,,Dies geschah dann meistens bei einer sogenannten privaten Gruppen-Krankenversicherung", heißt es im Bericht. Manche dieser PGK hätten nicht alle Behandlungskosten übernommen. Und wenn Helfer erkrankten, seien sie häufig gekündigt worden.

,,Ich bin ziemlich enttäuscht, dass die Ampel nichts macht", kritisierte Schaum die Bundesregierung, die sich das Thema im Koalitionsvertrag vorgenommen habe. Die kurzfristig Beschäftigten seien noch immer Arbeitnehmer zweiter Klasse, kritisierte Schaum und forderte einen vollständigen Krankenversicherungsschutz.

Das Erntejahr beginnt im März und endet im Oktober. 2022 waren die Saisonarbeiter besonders von der Sommerhitze betroffen. Ausreichend Trinkwasser, Sonnencreme oder Kopfbedeckungen fehlten häufig. Dazu kam die spezielle Situation bei der Spargel- und der Erdbeerernte. Zum einen belasteten die hohen Dünger- und Energiepreise die Betriebe, und zum andern ließ die Inflationsrate die Nachfrage einbrechen, was sich wiederum auf die Preise auswirkte. ,,In der Hochsaison Ende Mai war das Kilo Spargel mit 6,92 Euro im Durchschnitt 14 Prozent günstiger als im Vorjahr", heißt es im Bericht der Initiative. Bei den Erdbeeren lagen die Preise sogar 37 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der Preisdruck kam bei den Beschäftigten an, die teilweise nach Hause geschickt wurden oder weniger arbeiteten und verdienten.

Rund 135.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa bringen hierzulande die Ernte ein. Die ersten kommen in diesen Tagen und kontrollieren die Folien auf den Spargelfeldern, die letzten sind im Herbst in den Weinbergen unterwegs. Nur knapp ein Prozent aller Betriebe sei im vergangenen Jahr vom Zoll kontrolliert worden, ob der Mindestlohn gesetzeskonform gezahlt wird, beklagt die Initiative Faire Landarbeit. Im Jahr zuvor waren bei knapp neun Prozent der kontrollierten Betriebe Verfahren wegen Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz eröffnet worden. Die Initiative unternahm 2022 48 sogenannte Feldaktionen und erreichte dabei etwa 4300 Saisonbeschäftigte.

Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis der gewerkschaftsnahen Beratungsstellen Faire Mobilität, dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen und dem Beratungsnetzwerk ,,Gute Arbeit" der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie weiteren Organisationen. Seit 2018 erscheint regelmäßig der Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft.


Aus: "Feldarbeit im Fokus: Unter bisweilen schäbigen Bedingungen" Alfons Frese (03.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/feldarbeit-im-fokus-unter-bisweilen-schabigen-bedingungen-9289769.html


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Quote[...] Insbesondere für Wirtschaftsstrafsachen braucht die Berliner Justiz lange – vergangenes Jahr endeten solche Fälle im Schnitt erst nach 22 Monaten Verfahrensdauer. Dagegen dauern Verfahren zu Gewalt-, Drogen- und Staatsschutzfällen oft weniger als ein halbes Jahr. Das geht aus einer Antwort von Justizstaatssekretär Ibrahim Kanalan (parteilos, für Linke) auf Anfrage des CDU-Rechtsexperten Alexander J. Herrmann hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Als Wirtschaftsstraftaten zählen neben Vergehen im Bank- und Börsenwesen beispielsweise Verstöße gegen Sanktionsregelungen, wettbewerbsbeschränkende Absprachen und Konkursverschleppung. Für diese Verfahren gilt, dass ihnen oft monatelange, zuweilen jahrelange Ermittlungen der Polizei, mitunter des Zolls vorausgingen.

Innerhalb der Wirtschaftsdelikte weist der Senat in seiner Antwort die Geldwäschefälle gesondert aus. Die Zahl dieser Verfahren stieg deutlich. Sie dauerten im Schnitt zuletzt zwar nur fünf Monate, dafür aber wurden besonders viele Fälle eingestellt, diese Geldwäsche-Verfahren endeten also ohne ein Urteil: Registrierte die Berliner Justiz im Jahr 2016 noch 3243 Geldwäschedelikte, waren es 2022 schon 4.990 – von den 2.669, also mehr als 50 Prozent, eingestellt wurden.

In Justizkreisen hieß es, man stelle Wirtschaftsverfahren ein, wenn absehbar sei, dass sie mit dem knappen Personal kaum noch gewonnen werden könnten. Hintergrund sei, dass finanzielle Ressourcen und fachliche Expertise auf Seite der Beschuldigten oft ,,enorm" seien, wie es ein Beamter ausdrückte.

,,Die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft ist massiv gestiegen", sagte CDU-Justizpolitiker Herrmann. ,,In Prozessen zu Wirtschaftskriminalität stehen Staatsanwälten häufig hoch spezialisierte, sehr gut bezahlte Verteidiger gegenüber." Um die Justiz für die Verfolgung Wirtschaftskrimineller besser auszurüsten, brauche es deutlich mehr Fachpersonal und neue Technik – noch arbeite die Justiz mit ,,viel zu vielen Papierakten". Der rot-grün-rote Senat, sagte Herrmann, habe diesen Kampf offenbar auf ,,Sparflamme" betrieben.

Die Bekämpfung von Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität sei ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, sagte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) erst im Herbst. Damals wurde bekannt, dass in Berlin seit 2017 mehr als 325 Millionen Euro illegal erworbenes Vermögen von der Justiz eingezogen worden war.

Geldwäsche liegt vor, wenn illegale Erlöse als legale Einnahmen getarnt werden sollen. So seien auch in Berlin, berichten Ermittler, mit Geld aus Schmuggelgeschäften, Raub, Betrug diverse Immobilien gekauft worden. Hunderttausende Euro in bar habe man bei Verdächtigen gefunden. Banken, Notare, Makler, Juweliere und Autohändler sind verpflichtet, mutmaßliche Geldwäsche-Versuche der zuständigen Zollstelle zu melden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im Herbst angekündigt, sich dafür einzusetzen, Bargeldzahlungen nur noch bis maximal 10.000 Euro zulassen. Ermittler begrüßten den Vorstoß, Politiker aus CDU und FDP zeigten sich skeptisch.


Aus: "Staatsanwälte ,,massiv belastet": Berlins Justiz stellt die Hälfte aller Geldwäsche-Verfahren ein" Pascal Bartosz (05.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/staatsanwalte-massiv-belastet-berlins-justiz-stellt-die-halfte-aller-geldwasche-verfahren-ein-9290804.html

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Quote[...] Dass seine Kunst auf einer Londoner Auktion jüngst knapp eine Million Pfund erzielte, kontert der Malerstar schnoddrig mit der Bemerkung: besser, wenn die Käufer in Bilder als in Kinderpornos oder Waffenhandel investieren. Richter ist sich bewusst, dass er in einer ,,Luxuswaren-Produktion" arbeitet und es mit dem politischen Anspruch dann heikel wird.

Spurlos bleibt das nicht. Seine Malerei hat inzwischen eine Eleganz, ja Delikatesse gewonnen, die den einstigen Rebellen kaum noch erkennen lässt. Der rote Faden des Films sind die Fortschritte an seiner neuen Serie, die Besuche im Schöneberger Atelier. Hier grundiert, malt, spachtelt er an metergroßen Leinwänden, zieht mit Ölkreide große Linien darüber, umflattert von zwei Papageien, die sich dekorativ auf dem Haupt des Künstlers niederlassen oder mit ihm zwitschern. Dazwischen hört der Maler Musik, räsoniert oder macht zum Ausgleich Yoga-Übungen.

...


Aus: "Film über Daniel Richter: Viel Farbe, viele Sprüche, viele Bilder" Nicola Kuhn (05.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/film-uber-daniel-richter-viel-farbe-viele-spruche-viele-bilder-9281961.html

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Quote[...] Werner Baumann hat als Chef des Chemiekonzerns Bayer in vielerlei Beziehung unverantwortlich gehandelt – sowohl wirtschaftlich als auch moralisch. Dass er nun ein Jahr früher gehen muss als geplant, ist eine äußerst milde Strafe.

Baumann hat ein Desaster bei Bayer angerichtet, indem er die Fusion mit dem US-Pestizid- und Saatguthersteller Monsanto organisiert hat. Er setzte sich über alle Warnungen etwa von Umweltschützern hinweg – und über die Moral, denn Monsanto hat einfach zu viel Dreck am Stecken.

Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO hatte den Wirkstoff Glyphosat der wichtigsten Monsanto-Pestizide bereits 2015 als ,,wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Damit war klar, dass auf Monsanto eine Welle von Schadenersatzklagen zurollen wird von Menschen, die ihre Krebserkrankung auf Glyphosat zurückführen. Das Unternehmen sah sich auch mit zahlreichen weiteren Klagen wegen Umweltvergehen konfrontiert.

Zudem ist die Firma führend bei gentechnisch veränderten Pflanzen, die eine umweltschädliche Landwirtschaft fördern. Mit ihrer Hilfe kann zum Beispiel Mais in Monokulturen angebaut werden, die die Artenvielfalt weiter reduzieren. Dennoch übernahm Bayer unter Baumanns Führung im Juni 2018 Monsanto für rund 63 Milliarden Dollar.

Boni hat er trotzdem kassiert, während das Unternehmen bluten musste: Milliarden Dollar sind für Schadenersatz oder Rückstellungen für spätere Zahlungen an Glyphosat-Kläger draufgegangen. Seit der Übernahme hat Bayer rund die Hälfte an Börsenwert eingebüßt. Der Konzern war vor Baumanns Rückzugsankündigung ungefähr so viel Wert, wie er für Monsanto gezahlt hat. Tausende Stellen wurden gestrichen. Bayer ist jetzt selbst ein Übernahmekandidat. Fonds wollen das deutsche Traditionsunternehmen zerschlagen und einzelne Sparten an die Börse bringen.

Zwar geht Baumann jetzt etwas früher als zuletzt geplant, aber die Schäden, die er hinterlässt, macht er natürlich nicht wieder gut. Im Gegenteil: Vermutlich bekommt er noch ein komfortables Abschiedspaket. Und dann Rente mit 60. Davon können selbst französische Arbeiter nur träumen.


Aus: "Rückzug von Bayer-Chef wegen Glyphosat: Milde Strafe für Totalversagen" Kommentar von Jost Maurin (9.2.2023)
Quelle: https://taz.de/Rueckzug-von-Bayer-Chef-wegen-Glyphosat/!5914818/

QuoteChronist

Hier zeigen sich Hybris und Versagen des kapitalistischen Systems gleichermaßen: Die Namen sind austauschbar und letztlich unbedeutend: Nonnenmacher, Rabe, Baumann, Leman, Wirecard. ...


QuotePhilippo1000

... Der Kauf von Monsanto war in jeder Hinsicht katastrophal....


...

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#1391
Quote[...] Als der Unternehmer Heinz Hermann Thiele im Februar 2021 im Alter von 79 Jahren starb, hinterließ er seine zweite Frau, die beiden Kinder aus erster Ehe und ein Vermögen in Höhe von 17 Milliarden Euro. Darum wird seitdem erbittert gestritten.

Nicht nur, weil die Summe außergewöhnlich hoch ist. 17 Milliarden sind ein Drittel des gesamten Vermögens, das jährlich in Deutschland vererbt wird. Heinz Hermann Thiele war einer der reichsten Männer der Republik. Und er war einflussreich: Bis zu seinem Tod besaß er die Mehrheit an dem Automobilzulieferer Knorr-Bremse und dem Bahntechnikhersteller Vossloh, dazu ein großes Aktienpaket der Lufthansa. An dem Erbe hängen also auch Zehntausende von Arbeitsplätzen.

Zuletzt hat Thieles Sohn Henrik Klage eingereicht. Der Streitwert beläuft sich auf 4,5 Milliarden Euro. Im ersten Anlauf scheiterte Henrik Thiele vor zwei Wochen vor dem Landgericht München. Eine Berufung gilt aber als wahrscheinlich.
Henrik Thieles Klage richtet sich gegen Robin Brühmüller in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker des verstorbenen Unternehmers. Außerdem hat der Thiele-Sohn seine Stiefmutter Nadia Thiele verklagt. Das Urteil liegt dem Handelsblatt vor.

Nach Wunsch Henrik Thieles sollte das Gericht feststellen, dass eine zwischen ihm und seinem Vater getroffene Vereinbarung vom 11. Juli 2017 nichtig sei. Henrik Thiele hatte damals gegen eine Zahlung von 25 Millionen Euro eine nach seiner Darstellung 4,5 Milliarden Euro schwere Beteiligung an der Familienholding aufgegeben und auf Ansprüche auf das Erbe seines Vaters verzichtet.
Henrik Thiele selbst stellt es so dar, dass er nur deshalb auf seinen Pflichtteil und seine Anteile an der Familienholding und andere Vermögenswerte verzichtet habe, weil sein Vater einen enormen Druck ausgeübt habe.

Auch das Verhältnis zwischen Henriks Schwester, Julia Thiele-Schürhoff und Thieles Witwe, Nadia, die er 2011 geheiratet hatte, gilt als belastet. Hier geht es auch um Einfluss in der Familienstiftung, die Heinz Hermann Thiele mit seinem Testament begründen wollte. In die Stiftung sollen die Beteiligungen Thieles an Knorr-Bremse und Vossloh übergehen und damit auch der Machtanspruch in den Unternehmen.

Ursprünglich wollte der Unternehmer seine Beteiligungen schon zu Lebzeiten in die Stiftung überführen – vermutlich, um genau das zu vermeiden, was nun geschieht. Thiele wusste, wie sehr ein Streit unter den Erben einem Unternehmen schaden kann. Schließlich hat er selbst einst von einem solchen profitiert.
Sein Aufstieg zu einem der bedeutendsten Unternehmer der Republik begann 1969. Heinz Hermann Thiele war 28 und Sachbearbeiter in der Patentabteilung beim Autozulieferer Knorr-Bremse. Von hier stieg er auf bis zum Vorstandsvorsitzenden.
Auch damals gab es Streit in der Eigentümerfamilie. Als einer daraus, Jens von Bandemer, Thiele schließlich bat, das Unternehmen zu verkaufen, griff dieser selbst zu – und übernahm die Knorr-Bremse AG mit Hilfe der Deutschen Bank. In den nächsten Jahrzehnten steigerte er den Umsatz von 254 Millionen auf mehr als sechs Milliarden Euro.

Er kaufte zu und machte aus Knorr-Bremse einen technologisch führenden Global Player. Nach innen regierte er mit harter Hand. Nur wenige Vertraute erfüllten seine Anforderungen, auch nach seinem Ausscheiden aus Vorstand und Aufsichtsrat zog er im Hintergrund die Fäden.
Bis zum Schluss suchte er die Vorstandschefs aus und sorgte für ihre Absetzung, auch wenn er zwischenzeitlich formal noch nicht einmal ein Aufsichtsratsmandat hatte. Sein Büro im denkmalgeschützten Firmensitz blieb zeit seines Lebens die Machtzentrale bei Knorr-Bremse.
Vor allem sein Sohn hatte es nicht leicht mit Heinz Hermann Thiele. Henrik Thiele studierte in München und London. Ab 2007 arbeitete er als Geschäftsführer von Knorr-Bremse in Madrid, anschließend in der Geschäftsführung von Knorr-Bremse in Hongkong. 2015 wollte Henrik Thiele eigentlich in den Vorstand des Gesamtkonzerns eintreten, doch der Plan zerschlug sich nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater.

Nach der Konfliktsituation im Jahr 2015 sei es Absicht seines Vaters gewesen, ihn zu ,,vernichten", erklärt Henrik Thiele in seiner Klage. Sein Vater habe über seine Mutter erheblichen psychischen Druck aufgebaut und ihr gegenüber gesagt, wie ,,missraten ihr Sohn" doch sei.
Schließlich erhielt der Sohn eine Abfindung von 1,6 Millionen Euro brutto, seine Karriere im Familienkonzern war damit beendet. 2017 schied Henrik Thiele auch aus der Familienholding Stella aus. Dabei fand ihn sein Vater mit 25 Millionen Euro ab.

Heute ist ihm das viel zu wenig. Im Dezember 2021 verklagte Henrik Thiele den vom Vater eingesetzten Testamentsvollstrecker Robin Brühmüller und seine Stiefmutter Nadia Thiele. Das Gericht sollte feststellen, dass Henrik Thiele weit mehr Geld aus dem Erbe zustehe, als er bis dahin bekommen habe. ,,Der Streitwert der Klage beträgt 4,5 Milliarden Euro", teilte eine Gerichtssprecherin auf Nachfrage mit. Der Streitwert in dieser Höhe kommt aus Sicht des Klägers zustande, weil er zahlreiche Vermögenswerte betrifft, insbesondere die Anteile an Knorr-Bremse.
Fakt ist, dass Henriks Schwester Julia Thiele-Schürhoff von ihrem Vater wesentlich großzügiger bedacht wurde. Sie besitzt schon heute ein Aktienpaket von rund 17 Prozent an Knorr-Bremse. Es liegt außerhalb der Erbmasse und bleibt bei der Stiftung außen vor. Der Anteil sichert ihr Dividenden und einen Platz im Knorr-Bremse-Aufsichtsrat. Außerdem einen Platz im Stiftungsvorstand.
Für die Witwe, die fünf Jahre jüngere Nadia Thiele, ist nur ein Beiratsposten ohne echten Einfluss vorgesehen. Die beiden Frauen, so heißt es aus dem Unternehmen, kommunizieren inzwischen nur noch über Anwälte.

Ein weiterer Akteur in der Schlacht um das Milliardenerbe ist Testamentsvollstrecker Brühmüller. Anfang 2022 beantragte Thieles Witwe Nadia beim Nachlassgericht München, Brühmüller aus dieser Funktion zu entlassen. Dieser sei dabei, sich in ungeheurer Weise zu bereichern.
Weil in Thieles Testament steht, dem Testamentsvollstrecker stehe die ,,übliche" Vergütung zu, könnte Brühmüller mehr als 250 Millionen Euro abrechnen. Hintergrund: Die Vergütung eines Testamentsvollstreckers wird seit 1925 nach der sogenannten Neuen Rheinischen Tabelle geregelt. Wenn nichts anderes vereinbart wird, stehen ihm 1,5 Prozent des Milliardenerbes zu.

Im Dezember 2022 scheiterte Nadia Thiele mit ihrem Vorstoß gegen Brühmüller. Vorher hatten ihre Anwälte allerdings schon eine Strafanzeige gestellt. Peter Gauweiler und Thomas Fischer behaupteten darin, Brühmüller habe durch ein ,,betrügerisches Verhalten" gegenüber Heinz Hermann Thiele dafür gesorgt, dass in dessen Testament keine geringere Vergütung für den Testamentsvollstrecker festgelegt worden sei.
Nach Meinung der Witwe sei es niemals die Absicht Thieles gewesen, eine dreistellige Millionensumme für die Arbeit des Testamentsvollstreckers auszugeben. Der Großunternehmer habe stets sehr aufs Geld geachtet. So verdienten etwa Vorstände bei Knorr-Bremse zwischen einer und zwei Millionen Euro im Jahr.

Das Nachlassgericht hat diese Logik verworfen. Als Volljurist und erfolgreicher Unternehmer sei Thiele durchaus in der Lage gewesen, sein Testament zu lesen, zu verstehen und zu hinterfragen. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt trotzdem. Wie ein Behördensprecher dem Handelsblatt bestätigte, führt die Behörde eine Strafakte in der Sache. Die Büroräume von Brühmüllers Kanzlei wurden bereits durchsucht. Der Testamentsvollstrecker weist die Betrugsvorwürfe zurück.
Die bayerische Justiz fand schon drastische Worte im Streit um den Erbfall Thiele. In seinem Urteil vom 2. Dezember 2022 wirft das Nachlassgericht München den Anwälten der Witwe ein ,,feindseliges Verhalten" vor. Es dränge sich der Eindruck auf, sie wollten Brühmüller mit der Strafanzeige ,,öffentlich degradieren und so einen Entlassungsgrund schaffen".


Aus: "Nachlass von 17 Milliarden Euro: Der bizarre Streit um das Erbe von Heinz Hermann Thiele" Sönke Iwersen, Vinzenz Neumaier, Volker Votsmeier (27.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/unternehmerfamilie-thiele-das-17-milliarden-euro-erbe-9371540.html

https://www.handelsblatt.com/audio/crime/handelsblatt-crime-der-bizarre-streit-um-das-milliarden-erbe-von-heinz-hermann-thiele/29002428.html

Heinz Hermann Thiele (* 2. April 1941 in Mainz; † 23. Februar 2021 in München) war ein deutscher Unternehmer, Hauptaktionär der Vossloh AG und der Knorr-Bremse AG sowie zweitgrößter Einzelaktionär der Lufthansa.
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Hermann_Thiele


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Quote[...] Die Heldin der Serie ,,Emily in Paris", Mitarbeiterin einer Marketingfirma, stöckelt stilvoll in High Heels über das Kopfsteinpflaster, fotografiert Sehenswürdigkeiten, sitzt im Café oder Restaurant. Die Netflix-Serie zeichnet ein romantisches Bild von Paris, aber auch klischeehaft. Und doch hat dies direkte Auswirkungen auf den dortigen Immobilienmarkt: Die Nachfrage nach Luxuswohnungen in Paris zieht an.

Viele Touristen aus den USA besuchen derzeit die französische Hauptstadt, gleichzeitig lockt die Netflix-Serie viele Amerikaner auf den Pariser Immobilienmarkt. Lily Collins, die in der Serie die Amerikanerin Emily Cooper spielt, gilt daher mittlerweile geradezu als Botschafterin Frankreichs.

Die Drehorte der Serie und das Pariser Ambiente ziehen die Investoren in ihren Bann. Doch es gibt auch wirtschaftliche Faktoren, die den Trend verstärken. Denn die im Vergleich zu den USA günstigeren Zinsen in Europa und der starke Dollar-Kurs beflügeln das Immobiliengeschäft.
Für den Traum vom Leben in der französischen Hauptstadt geben Amerikaner viele Millionen für Luxuswohnungen aus. Gefragt sind etwa Altbauten mit Stuckdecken, aber auch kleinere Wohnungen, die als Zweitwohnsitz dienen sollen.

Die Investoren sind in Zeiten hoher Inflation auf der Suche nach wertbeständigen Anlagen. Manchmal habe man den Eindruck, es finde gerade eine Art Schlussverkauf statt, sagte Thibault de Saint-Vincent, Präsident des Luxusimmobilienmaklers Barnes, gegenüber der Zeitung ,,Le Figaro".
Immobilienexperten beobachten seit einigen Monaten die Rückkehr der Amerikaner in die Nobelviertel der Stadt. Zwischen Quartier Latin und Eiffelturm sind mittlerweile 20 Prozent der Käufer Ausländer, im Luxusbereich besonders viele Amerikaner.

Die Hauptfigur Emily lebt in der Serie in der Nähe der Universität Sorbonne im Quartier Latin. Gefragt ist bei den Kunden zudem die Gegend um die Champs-Élysées. Das Marais und das 9. Arrondissement unterhalb von Montmartre, die in den letzten Jahren besonders angesagt waren, sind nicht mehr ganz so beliebt wie zuvor. Insbesondere die bürgerlichen Viertel feiern ein Comeback bei den Amerikanern.
Der Spezialist für Luxusimmobilien Junot hat gerade seine Jahresbilanz vorgestellt. Er beobachtet in Paris einen Anstieg der Anzahl ausländischer Käuferinnen und Käufer um 65 Prozent im Jahr 2022.
Die USA sind mit einem Anteil von 21 Prozent vertreten, weit vor Italien mit elf Prozent und dem Libanon auf Platz drei mit acht Prozent. Im Ultra-Luxus-Segment, in dem Immobilienobjekte mindestens vier Millionen Euro kosten, macht die ausländische Käuferschaft bei Junot 50 Prozent aus, auch hier ist der Anteil der Amerikaner besonders groß. Für 2023 deute sich eine Fortsetzung dieses Trends an, heißt es.

Das Vermögen vieler Amerikaner sei in den letzten Jahren angestiegen, da das Wirtschaftswachstum in den USA stärker ausgefallen sei als in Europa, erklärt Junot-Chef Sébastien Kuperfis. 80 Prozent der amerikanischen Immobilienkäufer, die sich an sein Agenturnetz wendeten, bräuchten keinen Kredit.
Paris sei auch deshalb so beliebt, weil es noch viel gut erhaltene historische Architektur gibt. Die Agentur notiert dazu auf ihrer Internetseite: ,,In Paris zu investieren ist emotional, so ähnlich wie der Kauf eines Kunstwerks." Der Erfolg von ,,Emily in Paris" sei wie ,,die Kirsche auf der Torte".
Die Amerikaner suchen vor allem renovierte Wohnungen, die sofort bezugsfähig und bestens ausgestattet sind. Für außergewöhnliche Immobilien sind sie bereit, 30.000 Euro und mehr pro Quadratmeter auszugeben.

,,Aber es gibt auch eine jüngere Kundschaft, die sich ein kleines Stück der Hauptstadt leisten will, in der idealisierten Version von Emily in Paris", beobachtete Nicolas Pettex-Muffat, Chef von Daniel Féau, ebenfalls auf Luxusimmobilien spezialisiert.

Seine Agentur hat zum Beispiel eine renovierte Wohnung mit 310 Quadratmetern im 6. Pariser Arrondissement im Viertel Saint-Germain-des-Près für 10,5 Millionen Euro an Amerikaner verkauft. Der Preis einer Kleinwohnung mit 28 Quadratmetern sowie einer Terrasse mit Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt lag beispielsweise bei 695.000 Euro.
Eine aktuelle Ifop-Umfrage zur Emily-Serie in den USA für die französische Internet-Reiseseite ,,Bonjour New York" bestätigt die besondere Liebe der Amerikaner zu Frankreich. Der Umfrage zufolge haben Emily-Fans in den USA ein positiveres Bild von Frankreich als Nicht-Emily-Zuschauer. Insgesamt haben 73 Prozent der Amerikaner ein positives Bild von Frankreich. Bei den Fans der Serie sind es 86 Prozent. Es gibt also tatsächlich den Effekt ,,Emily in Paris".
54 Prozent der amerikanischen Emily-Fans träumen davon, in Frankreich zu wohnen, dagegen tun dies nur 25 Prozent der Amerikaner, die die Serie nicht gesehen haben. Die Realität in Paris enttäuscht die Amerikaner nicht. 89 Prozent derer, die in den letzten zehn Jahren nach Paris gereist sind, finden, dass ,,Emily in Paris" nahe an der Realität ist.


Aus: "Wohnen wie ,,Emily in Paris": Netflix-Serie lässt Immobilienpreise in Frankreichs Hauptstadt rasant steigen" Tanja Kuchenbecker (26.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/wohnen-wie-emily-in-paris-netflix-serie-lasst-immobilienpreise-in-frankreichs-hauptstadt-explodieren-9408068.html

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Kontext:

Quote[...] Die Serie ,,Emily in Paris" läuft erst seit wenigen Tagen auf Netflix. Schon jetzt ist sie die Nummer eins auf Netflix in Frankreich – und höchst umstritten. Emily aus Chicago, gespielt von Lily Collins, wird in eine französische Marketing-Agentur versetzt und dabei prallen zwei Welten aufeinander. Die Sicht der Amerikanerin auf Paris ist in Frankreich großes Thema. Medien und Franzosen regen sich über die Klischees auf.

Die Serie von Darren Star, der auch ,,Sex and the City" geschaffen hat, zeigt die Glamourwelt von Paris. Heldin Emily, die in bunter Designerkleidung den ganzen Tag auf High Heels durch die saubere Postkarten-Stadt stöckelt, wirkt wie eine Karikatur. Von Gelbwesten und Obdachlosen ist nichts zu sehen. Franzosen werden als unfreundlich, faul und Verführer geschildert. Die Frauen sind schlank und haben immer leicht zerzauste Haare, als ob sie gerade aus dem Bett steigen. Die erste Frage ihrer neuen französischen Kollegen an Emily: ,,Warum sprichst du so laut?"

Das französische RTL-Radio betont: ,,Die Serie führt mal wieder alle Klischees der Amerikaner über Paris auf: Haute Couture, Machos, Untreue und Gastronomie-Essen." Mit Realität habe das nichts zu tun. Europe 1 betont: ,,Die schönsten Pariser Klischees." Diese schöne Stadt würde man auch gern mal besuchen. Auch die Tageszeitung ,,Le Figaro" schreibt: ,,Die Serie sammelt alle Klischees über die Hauptstadt und ihre Bewohner." Es sei eine Stadt der Fantasie.

In den sozialen Netzwerken ärgern sich die Franzosen über die Serie, die von Croissants über Bérets zu Sex alle Klischees bedient. Sie beklagen, dass nur Touristenattraktionen wie Moulin Rouge, Eiffelturm oder Louvre gezeigt werden und kritisieren: ,,Emily nimmt nie die Metro." Als Emily in ihr ,,Chambre de bonne" (die Bediensteten-Unterkunft unter dem Dach) einzieht, ist dieses luxuriös und hat Blick auf den Eiffelturm. Auf Twitter machen sich Zuschauer lustig und stellen ein Zimmer eines Luxushotels ironisch als typisches ,,Chambre de bonne" vor. Einer twittert: ,,Was sie nicht in ,Emily in Paris' sehen:" Er zeigt Bilder von den ewigen Pariser Bauarbeiten, Müll, Zelten mit Obdachlosen, Polizei und brennende Geschäfte nach Demonstrationen.

Stattdessen sieht man Emily in Designerkleidung, die ,,Sex and the City"-Stylistin Patricia Field ausgesucht hat, ständig Wangenküsse austeilen, in teuren Cafes Wein trinken – sogar schon morgens – und blutiges Fleisch verspeisen. Die Franzosen werden als ,,Flaneure" bezeichnet, die erst um 10 Uhr 30 ins Büro kommen und ewig lange Mittagspausen machen. Wenn sie überhaupt essen. Emilys Chefin erzählt: Ihr Mittagessen ist eine Zigarette. Ein Pariser Firmenchef stimmt zu. ,,Rauchen ist ein Plaisir und was sind wir ohne dieses? Deutsche?"

Alle Männer, die so aussehen, wie man sich French Lover vorstellt, machen Emily den Hof. Auch hierzu twittern Französinnen: ,,In 20 Jahren in Paris hatte ich noch nie einen so schönen Nachbarn wie Emilys Nachbar Gabriel." Der wird vom Franzosen Lucas Bravo gespielt. ,,Das Leben ist Croissants und Sex", heißt es in der Serie. Dazu die Kommentare in den sozialen Medien: ,,Wir leben nicht im selben Paris, zum Totlachen."

Emily glaubt an ein Happy End im Leben, die Franzosen an Leidenschaft. Auch wenn alles in der romantischen Komödie übersteigert wird, meint die Kinozeitschrift ,,allocine" dennoch: ,,Seien wir ehrlich, es ist nicht alles völlig falsch beschrieben." Die Franzosen seien nicht dafür bekannt, die nettesten Menschen der Welt zu sein, oder Fremdsprachen zu sprechen. Die französische ,,Vanity Fair" empfiehlt die Serie. ,,Lust auf einen Spaziergang an der Seine und Nachmittage auf der Bistroterrasse? In Zeiten der Maske bereitet die Serie schon ein gewisses Vergnügen." Gedreht im vergangenen Jahr entführt sie in eine Zeit vor Corona, in eine Pariser Glamourwelt, die gar nicht so weit von der Klischees der Serie entfernt ist.


Aus: "Ärger um ,,Emily in Paris" Klischees in Serie" Tanja Kuchenbecker (11.10.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/aerger-um-emily-in-paris-klischees-in-serie/26264898.html

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Quote[...] Bei einem Bootsunglück an der süditalienischen Küste sind viele Menschen ertrunken. Wie der Bürgermeister der süditalienischen Stadt Crotone, Vincenzo Voce, im Sender Sky TG-24 sagte, wurden bis Sonntagnachmittag 59 Todesopfer geborgen. Unter den Todesopfern waren 33 Frauen und zwölf Kinder, unter ihnen auch ein neugeborenes Baby, berichtete die italienische Nachrichtenagentur AGI unter Berufung auf den Rettungsdienst in Crotone.

Ihre Leichen sind geborgen worden, nachdem ein Boot mit Migranten bei rauer See zerbrochen sei, berichtete der Sender Rai. Am Strand in Cutro in der Provinz Crotone in Kalabrien und im Meer waren die Toten entdeckt worden. Der Küstenwache zufolge sind 80 Menschen gerettet worden. 20 von ihnen befinden sich den Angaben zufolge im Krankenhaus. "Kalabrien ist in Trauer nach dieser schrecklichen Tragödie", sagte der Gouverneur der Region, Roberto Occhiuto. Nach Angaben von Italiens Präsident Sergio Mattarella kamen viele der Migranten aus Afghanistan und dem Iran.

Wie viele Menschen genau an Bord waren, ist unklar. Einige der Überlebenden hätten von mindestens 250 Menschen an Bord berichtet, andere von 180. Ansa zufolge waren viele Kinder und Frauen unter den Opfern. Woher die Menschen kamen, ist noch ungeklärt.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich entsetzt über das Unglück. "Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken", schrieb sie. Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi forderte ein schärferes Vorgehen gegen Schleuser. Es müsse verhindert werden, dass solche Boote überhaupt in See stächen. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie Vorjahreszeitraum (5.273).

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schrieb im Onlinedienst Twitter von einer "Tragödie", die sie "zutiefst traurig" mache. Sie forderte stärkere Bemühungen für eine Reform des EU-Asylrechts. Papst Franziskus drückte seinen "Schmerz" aus. Er bete für die Flüchtlinge.

Die Küste Kalabriens ist seit einiger Zeit verstärkt Ziel vieler Migranten. Die Zahlen der Menschen, die über diese Fluchtroute nach Europa wollen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

Einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch gestorben, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen. Ein neues Gesetz der rechten Regierung von Giorgia Meloni, das in der vorigen Woche vom Senat verabschiedet worden ist, erschwert zudem die Arbeit ziviler Seenotretter.


Aus: "Fast 60 Migranten vor Italien ertrunken" (26. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/italien-bootsunglueck-migranten-crotone

QuoteSirius21 #21

Klingt leider zynisch, aber irgendwie erinnern mich diese sich wiederholenden Tragödien auf dem Mittelmeer an die Mass-Shootings in the USA. Wenns passiert, breites Medieninteresse, grosse Betroffenheit aller inkl. der politischen Entscheider und dringliche Appelle endlich was zu ändern. Nach ein paar Wochen (Tagen?) ebbt dann das Interesse am Thema ab, es verschwindet aus den Medien und die übliche Business-as-usual Lethargie übernimmt. Nach einer Weile beginnt der abscheuliche Kreislauf mit der nächsten Tragödie von neuem.


...

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Quote[...] Anders als ihre Kollegen in Schleswig-Holstein wollen die Landräte in Mecklenburg-Vorpommern nicht offenlegen, wie viel sie für Nebentätigkeiten bekommen. Auf Anfrage des NDR wurden keine Zahlen genannt. Zu Jahresbeginn haben die Landräte - drei gehören der SPD und drei der CDU an - eine Gehaltserhöhung um durchschnittlich 500 Euro auf fast 12.000 Euro bekommen. Sie stiegen eine Besoldungsgruppe nach oben. Während die Gehaltsstufen für Landräte öffentlich nachzulesen sind, bleibt geheim, wie viel sie nebenbei verdienen - zum Beispiel in kommunalen Aufsichtsräten oder in den Verwaltungsgremien der Sparkassen.

Der Landrat des Kreises Mecklenburgische Seenplatte, Heiko Kärger (CDU), beispielsweise sitzt in der Spitze von drei Sparkassen-Gremien. Sie zahlten den Mitgliedern 2021 insgesamt gut 90.000 Euro aus. Kärgers Anteil ist nicht bekannt. Im Auftrag der Landräte erklärte der Landkreistag gegenüber dem NDR, anders als etwa für Bundestagsabgeordnete bestehe keine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung der Nebeneinkünfte. Generell sei man offen für mehr Transparenz, sie müsse dann aber auch für andere Amts- und Mandatsträger gelten. Die Landräte werden in Mecklenburg-Vorpommern jeweils für sieben Jahre direkt gewählt.




Aus: "Landräte in MV verweigern Auskunft zu Nebeneinnahmen" (27.02.2023)
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Landraete-in-MV-verweigern-Auskunft-zu-Nebeneinnahmen,einkommenlandraete100.html

Landrat war ursprünglich die Bezeichnung für einen oder mehrere Vertretern der Landstände, vor allem der landständischen Ritterschaft. Die Zuständigkeit war unterschiedlich, in Lüneburg waren sie für die Steuererhebung auf den Rittergütern zuständig, in anderen Ländern des Heiligen Römischen Reiches war der Landrat der Beisitzer an einem Landgericht. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Landrat_(Deutschland)

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Quote[...] Überall fehlen Handwerker. Kein Wunder, sagt Bauleiter Hendrik Pape, sie werden schlecht behandelt. Lieber bleiben sie in ihrer Heimat, als in Deutschland zu arbeiten.

Alles, was ich als Bauleiter kann, habe ich auf dem Bau gelernt, nicht in irgendeinem Studium. Heute koordiniere ich die Arbeit auf den Baustellen, manchmal packe ich aber auch selbst an. Ich habe Jachten, Kreuzfahrtschiffe, Bürogebäude, Wohnungen, öffentliche Einrichtungen mit meinen Teams saniert oder neu gebaut. Oft war ich für mehr als 300 Handwerker und – leider immer noch sehr selten – Handwerkerinnen zuständig. Davor habe ich eine Tischlerlehre im Betrieb meiner Familie in Bremen gemacht. Mein Vater ist Tischler, mein Großvater und mein Urgroßvater auch. Nach meinem Abschluss war ich dann erst mal einige Jahre als Tischler auf dem Bau. 

In Deutschland wird derzeit viel über den Fachkräftemangel im Handwerk gesprochen, überall werden Rohrleitungsbauer, Klempnerinnen, Fliesenleger oder Maurerinnen gesucht. Ich habe aber das Gefühl, dass die meisten Menschen, die sich dazu äußern oder Lösungen suchen sollen, noch nie auf einer Baustelle waren. Die wissen gar nicht, was dort abgeht. Die Arbeitsbedingungen sind oft schockierend – auch für mich. Häufig ist nicht einmal solides Werkzeug und die richtige Ausrüstung für alle meine Leute vorhanden. Wir arbeiten dann teilweise mit minderwertigen Hilfsmaterialien und Werkzeugen. Und das alles, damit Kosten gespart werden. Oft laufen die Aufträge über Subunternehmen. Die ganz oben wissen also nicht, was am Ende der Kette passiert, sie wollen nur, dass es möglichst billig ist. Kein Wunder, dass kaum mehr jemand Handwerker oder Handwerkerin sein will.

Kürzlich erst war ich auf einer Baustelle, auf der standen die Dixi-Klos 800 Meter entfernt. Das habe ich schon häufiger gesehen. Wer läuft denn so lange, um auf eine Toilette zu gehen? Das ist eine Zumutung. Mich überrascht es nicht, dass manche der Kollegen dann lieber woanders hinpinkeln. Oft sind die Klos auch total verdreckt und stinken gerade im Sommer enorm. Wer war schon mal in der Sommerhitze auf einem Dixi-Klo? Da kann man echt nicht von guten Arbeitsbedingungen sprechen. Nichts gegen die Hersteller der Dixi-Klos, aber wieso gibt es nicht auf jeder großen Baustelle eine Containertoilette? Das sollte Standard sein. Zu den wichtigsten Personen auf der Baustelle zählen übrigens die Reinigungskräfte, die alles sauber halten. Wenn es überall verdreckt ist, hat doch niemand mehr Lust zu arbeiten. Und dreckig wird es nun mal schnell, wenn etwas gebaut wird.

Oft erlebe ich es, dass die Männer, die beispielsweise aus Polen für die Projekte anreisen, in den scheußlichsten Wohnungen übernachten sollen. Man stelle sich eine furchtbare Jugendherberge vor und überlege dann, was doppelt so schlimm wäre – das ist, wo die Bauarbeiter wohnen müssen. Diese Unterkünfte sind dreckig, vieles ist kaputt und oft sind sie zu klein. Ich habe es mal erlebt, dass sieben Arbeiter in einer Dreizimmerwohnung untergebracht werden sollten. In Berlin gibt es sogar eine Kaserne, in der Bauarbeiter kurzfristig wohnen. Bei einem Projekt in der Hauptstadt, das ich kürzlich geleitet habe, habe ich meine Männer da wieder herausgeholt, es war zu erniedrigend. Die Unterkunft war völlig verdreckt, die Toilettentür fehlte, der Innenhof war voller Müll, es stank in den Fluren und der Aufzug war kaputt – obwohl die Wohnung im achten Stock war. In der Stadt lief gerade eine große Messe, alle Unterkünfte waren irre teuer und trotzdem habe ich ihnen ein großes Airbnb gemietet. Die waren total glücklich, dass sie mal so schick wohnen durften. Das hat mich viel Geld gekostet, aber was sollte ich machen? Wer heute kein guter Arbeitgeber ist, findet keine Leute mehr. Wenn wir so weitermachen, wollen auch die Handwerker aus dem Ausland nicht mehr bei uns arbeiten. Klar verdienen die hier oft mehr Geld als zu Hause, aber wenn sie sich hier mies behandelt fühlen, bleiben sie lieber in ihrer Heimat – dort wohnen sie wenigstens bei ihrer Familie.

Natürlich kann man jetzt denken: Alle jammern, in jedem Job. Und ich finde das sogar richtig, denn wenn man die Probleme nicht benennt, ändert sich auch nichts. Aber einen Mindeststandard sollte es in jedem Job geben. Beispielsweise Wasser! Wer im Sommer bei 35 Grad auf einer Baustelle arbeitet, muss viel trinken. Dann darf der nächste Laden nicht fünf Kilometer entfernt sein, denn niemand schleppt literweise Trinkwasser mit zur Arbeit. Trotzdem habe ich es oft erlebt, dass es vor Ort zu wenig Wasser gab. Ich glaube, dass wir es den Arbeitenden auf dem Bau mit geringem Aufwand viel angenehmer machen können.

In vielen Jobs mag es auch völlig normal sein, positives Feedback zu bekommen – auf dem Bau gibt es das eigentlich nie. Meistens wird dort auch nichts beigebracht, es kommen keine Verbesserungsvorschläge. Es wird erwartet, dass jeder seine Aufgaben schnell und akkurat erledigt. Wenn nicht, wird rumgebrüllt: "Ey, bist du blöd oder was?"

Wenn ich mein Team motivieren will, sage ich mir: Das sind meine Jungs, meine Kumpels. Ich will, dass es denen gut geht, dass sie sich wertgeschätzt fühlen. Auch auf einer Baustelle muss man zusammenarbeiten, sich die Sorgen anhören, sagen, was gut oder schlecht läuft. Bedauerlicherweise muss man diese Informationen oft rauskitzeln. Arbeiter sind meiner Erfahrung nach nicht Typen, die gerne über ihre Sorgen sprechen. Erst wenn man abends beim Feierabendbier zusammensitzt, kommt der Frust hoch. Dann erzählen sie beispielsweise davon, dass ihr Kind krank ist.

Wenn wir unser Bierchen trinken, erfahre ich manchmal auch, dass jemand sein Gehalt nicht pünktlich bekommen hat. Leider kann ich da oft nichts machen, weil die meistens einen anderen Auftraggeber haben als ich, irgendeine Leiharbeitsfirma. Diese vereinbart mit meinen Leuten dann eine wöchentliche oder zweiwöchentliche Zahlung und hat oft ebenfalls Auftraggeber, die nicht pünktlich zahlen oder denen plötzlich Kapital fehlt. Dann muss mein Team auf den Lohn warten, was natürlich für einen riesigen Aufschrei sorgt, weil die Leute das Geld dringend benötigen.

Über so etwas sprechen wir normalerweise erst beim Feierabendbier – dieses gemeinsame Bier ist deswegen enorm wichtig. Da kommen alle zusammen, reden über den Tag, lachen, vergessen. Auf den Baustellen ist Alkohol nicht mehr erlaubt und während der Arbeit darf nicht getrunken werden, das ist völlig klar und auch gut so. Aber danach doch bitte. Wer will denn nach Feierabend eine Limonade trinken? Das gemeinsame Bierchen verbindet, das ist enorm wichtig für die Stimmung. Es ist das Einzige, was uns bei Laune hält. Das klingt vielleicht traurig, ist aber wahr. Die meisten meiner Mitarbeitenden sind sechs Wochen mindestens von zu Hause weg, die brauchen das.

Wie wir vom Bau manchmal von anderen Menschen behandelt werden, ärgert mich. Ich kann mich noch so gut an eine Situation in Bremen erinnern, da war ich noch in der Lehre. Wir haben eine Einliegerwohnung in einem Stadthaus umgebaut. An dem Tag war der Klempner da, um in der Wohnung die Abwasserleitung zu installieren, es gab auf der Etage also kein Wasser. Also klingelte ich bei unserem Auftraggeber, dem Eigentümer des Hauses, und fragte höflich: "Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?", und er antwortete: "Ein Handwerker geht bei mir nicht auf die Toilette!" Wir haben das Projekt dann sofort abgebrochen, weil diese Antwort mich so schockiert hat. Ich bin doch auch nur ein Mensch, der seine Arbeit macht, dachte ich mir, vielleicht habe ich sogar mit dessen Sohn in einer Fußballmannschaft gespielt. Und dann so ein Spruch? Das werde ich nie vergessen.

Es gab auch noch eine andere schlimme Situation. Ich habe mit einem Team ein Kreuzfahrtschiff in Norwegen umgebaut, weil die Zeit dafür nicht ausreichte, sollte ich mit vier Männern und zwei Frauen während einer Kreuzfahrt weiterarbeiten. Beim Einchecken wurde uns dann gesagt, dass meine Mitarbeitenden keinen Zugang zu den Restaurants hätten. Wieso?, frage ich. Die Antwort war, dass die Gäste nicht "gestört" werden wollen. Ich war baff und sehr beschämt, denn meine Leute standen direkt neben mir und haben diese Aussage natürlich gehört. Ihre Gesichter in diesem Moment zu sehen, war furchtbar. Sie hatten bereits so viel für dieses Schiff gearbeitet, so viel Mühe und Schweiß hineingesteckt! Ich rief also den obersten Ingenieur der Reederei an, mit dem ich schon häufiger an Schiffen gearbeitet hatte, und berichtete von dem Vorfall. Später entschuldigte sich der Kapitän bei uns und lud uns für ein Abendessen an seinem Tisch ein. Das hat mein Team sehr gefreut. Es war also einer der schockierendsten und gleichzeitig tollsten Momente meines Berufslebens. 

Ob jemand einen Anzug trägt, saubere Hände hat oder einen Blaumann anhat und die Hände voll Dreck sind, macht leider für viele Menschen einen gewaltigen Unterschied. Dem Handwerker wird nicht vertraut, die anderen sind skeptisch. Alle denken, dass wir sie immer nur bescheißen. Natürlich gibt es manche Kollegen, die das tun, aber das sind längst nicht alle – und solche Personen findet man auch in jeder Branche.

Dabei ist der Beruf eigentlich toll. Ich werde richtig emotional, wenn ich darüber sprechen soll, was mir gut gefällt. Ich liebe es, dass man etwas zusammen schafft. Jeder leistet seinen Beitrag, jeder kann danach das Ergebnis seiner Arbeit sehen. Vielleicht steht das, was man als Team gemeinsam gebaut hat, mehrere Hundert Jahre. Das ist doch großartig! Außerdem arbeitet man immer wieder mit neuen Kolleginnen und Kollegen zusammen, mit manchen freundet man sich an. 

Ich glaube, es gibt viele, die diesen Beruf lieben, die körperliche Arbeit, das schnelle Ergebnis. Es kann aber gut sein, dass wir auch die wenigen, die den Job gerne machen oder machen würden, bald verlieren, wenn wir sie nicht respektvoll behandeln.


Aus: "Handwerk: "Ich habe meine Männer da herausgeholt, es war zu erniedrigend"" Protokoll: Hannah Scherkamp  (11. Januar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2022-11/handwerk-vorurteile-bauleitung-fachkraeftemangel/komplettansicht

Quotemartinliebig #4

Als ich vor 3 Jahren eine Malerfirma beauftragt habe, die meine Wohnung renoviert, habe ich den Handwerkern am ersten Tag eine Kiste mit Wasser hingestellt und ihnen öfters Bargeld für ein kleines Mittagessen gegeben. Die haben zuerst gedacht, dass ich sie verarsche. Ich musste sie quasi überreden, das anzunehmen. Ich war maximal irritiert, als sie sagten, das sowas so gut wie nie gemacht wird. 15 Euro invest für eine motivierte Truppe, die auch hervorragend gearbeitet hat. Wertschätzung ist etwas, was de facto eine Mangelerscheinung ist, überall.


QuoteKalte Weise Ente #4.1

Sie haben völlig recht. Nur: Es ist eigentlich die Aufgabe der Malerfirma, sich darum zu kümmern, dass ihre Handwerker gut versorgt sind.


QuoteStiller Mitleser #6

... Mal eine andere Perspektive, das ist sehr bereichernd. Danke dafür. Sehr cooler Typ!


QuoteCentifolia #8

Vielen Dank für diesen Artikel. Ja, es gibt leider viele Leute im Kopfarbeiterbereich, die auf Handwerker herabschauen, als wären sie selbst was besseres und die Handwerker nur Dreck. Die Szene mit der Toilette ist typisch. Arbeite für mich (möglichst billig), aber touchiere ja nicht mein Leben, es könnte ja was schmutzig werden!


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Quote[...] Esther Crawford war die Musterschülerin von Elon Musk bei Twitter. Doch nun hat der zweitreichste Mensch der Welt auch die Produktdirektorin gefeuert, die ihn monatelang gegen alle Kritik verteidigt und wie keine zweite öffentlich ihre Bereitschaft demonstriert hatte, Musk Forderungen nach "Hardcore"-Arbeit ohne Rücksicht auf das Privatleben zu erfüllen. Crawford sei mit etwa 50 weiteren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens der jüngsten Entlassungswelle bei Twitter zum Opfer gefallen, berichten mehrere auf die Tech-Branche spezialisierte US-Medien.

Direkt nach der Übernahme von Twitter hatte Musk im Herbst Tausende Mitarbeiter in einem chaotischen Prozess gefeuert. Unter den Entlassenen wie Verbleibenden brach ein Sturm der Entrüstung los. Auch öffentlich, beispielsweise auf Twitter, musste Musk sich heftige Kritik nicht nur an den Entlassungen, sondern auch an seinen fachlichen Entscheidungen etwa zur Softwareentwicklung anhören. Einige Kritiker, die ihren Job nach der ersten Kündigungsrunde noch hatten, verloren ihn daraufhin. Insgesamt schrumpfte die Twitter-Belegschaft von etwa 7500 auf derzeit noch rund 2000 Personen.

Esther Crawford stach in dieser Zeit hervor. Im November verbreitete sich ein Tweet von ihr viral mit einem Foto, das sie mit Schlafsack und Schlafmaske auf einer Matte zwischen den Schreibtischen im Büro liegend zeigte. "Wenn sich dein Team rund um die Uhr ins Zeug legt, um die Deadlines zu schaffen, schläfst du manchmal, wo du arbeitest", schrieb Crawford dazu. Angesichts der chaotischen Massenentlassungen nahm sie Musk in Schutz. Auf Twitter schrieb sie, dass sie untröstlich sei, dass "so viele gute Leute" gehen müssten, "aber das Geschäft ist nicht profitabel und drastische Einschnitte wären überlebensnotwendig gewesen, egal, wer die Firma besitzt".

Bei einigen Kollegen kam diese Strategie, mit der Krise bei Twitter umzugehen, nicht gut an. Die "Financial Times" zitierte einen leitenden Mitarbeiter, Crawford betreibe "Stiefellecken" beim neuen Chef. Auch wenn sie sich in der Belegschaft offenbar unbeliebt machte, hatte Crawford zunächst Erfolg. Sie überstand nicht nur mehrere Entlassungsrunden, sondern erlangte die Aufmerksamkeit des Chefs selbst. Berichten zufolge soll sich Musk persönlich mit ihr getroffen haben. Im Bericht der "Financial Times" heißt es, Crawford habe eine Art Vermittlerrolle zwischen dem Konzernchef und dem Produktteam übernommen.

Zuständig war Crawford unter anderem für das Bezahlmodell Twitter Blue und auch für die geplante Bezahlfunktion der Twitter App. Neben den drastischen Sparmaßnahmen sind es Funktionen wie diese, die Twitter nach Musks Vorstellung profitabel machen sollen. Twitter Blue hat bisher weniger als 300.000 zahlende Abonnenten. Um die nach Musks Übernahme eingebrochenen Werbeeinnahmen auszugleichen, dürfte das bei Weitem nicht reichen.

Ob Musk mit der Leistung von Crawford unzufrieden war, ist nicht bekannt. Nach der jüngsten Kündigungsrunde sind kaum noch Produktmanager in Leitungsfunktionen aus der Vor-Musk-Zeit bei Twitter übrig. Berichten zufolge will der neue Eigentümer einen vollständigen personellen Neuanfang in dem Bereich, dazu sollen fast alle Mitarbeiter ausgetauscht werden - egal, ob loyal oder kritisch.

Während in Kommentaren in den sozialen Medien Häme über Crawford angesichts ihres Rauswurfs hereinbricht, bereut die Managerin nichts. Zumindest schreibt sie das in einer Art Stellungnahme auf Twitter. Sie sei "all in" bei "Twitter 2.0" gegangen. Das als Fehler anzusehen, sei die schlechteste Lehre, die man nun ziehen könne. Sie sei "zutiefst stolz auf das Team für das, was es trotz so viel Lärm und Chaos geschaffen habe".

Quelle: ntv.de, mbo


Aus: ""Stiefellecken" half nicht lange: Elon Musk feuert seine Musterschülerin" (27.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Elon-Musk-feuert-seine-Musterschuelerin-article23948127.html

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Quote[...] Vor zweieinhalb Monaten hatte der Tesla-Chef den Titel abgeben müssen - nun ist Elon Musk laut dem "Billionaires Index" des Finanzinformationsdienstes Bloomberg wieder der reichste Mensch der Welt. Sein Vermögen liegt demnach bei aktuell rund 187,1 Milliarden Dollar, umgerechnet 176,5 Milliarden Euro. Der Franzose Bernard Arnault hatte Musk vorübergehend vom Thron gestoßen. Arnaults Reichtum von aktuell rund 185,3 Milliarden basiert vor allem auf seinem Anteil am Luxusgiganten LVMH, zu dem zahlreiche Traditionsmarken wie Louis Vuitton gehören.

Treiber für Musks Rückkehr auf Platz eins ist die Entwicklung der Tesla-Aktie, die in diesem Jahr fast 70 Prozent zugelegt hat. Seit dem Tiefstand am 6. Januar stieg deren Kurs sogar um etwa 100 Prozent. Der E-Autobauer profitierte nicht nur von einer steigenden Nachfrage nach seinen Autos infolge von Rabatten, wie Bloomberg erläutert. Anleger werden zudem angesichts der wirtschaftlichen Erholung und langsamer steigenden Zinsen wieder risikofreudiger.

Auf dem Höhepunkt im Herbst 2021 hatte Musks Vermögen laut dem Bloomberg-Ranking den Rekordwert von rund 340 Milliarden Dollar erreicht. Bis Anfang dieses Jahres sank es demzufolge auf etwa 125 Milliarden Dollar. Damit sei er der erste Mensch, der 200 Milliarden Dollar verloren hat. Mitte Dezember hatte Arnault ihn an der Spitze der Rangliste abgelöst. Auch dessen Vermögen war in der globalen Wirtschaftskrise zeitweise geschrumpft, allerdings nicht so stark.

Im vergangenen Herbst hatte Musk Twitter übernommen - und dessen Chefposten gleich mit. Für die rund 44 Milliarden schwere Übernahme musste Musk auch Tesla-Aktien verkaufen. Tesla-Aktionäre fürchteten, dass sich der Tesla-Chef zu stark um Twitter kümmert - während die Konkurrenz durch andere E-Autobauer zunimmt. Bisher hat Musk nur angekündigt, die Führung von Twitter abzugeben.

Für den Investorentag bei Tesla am Mittwoch hat Musk einen "Masterplan Teil drei" angekündigt. Um seine Anhänger bei der Stange zu halten, muss er dann Experten zufolge mehr liefern als blumige Ankündigungen an den Finanzmärkten.

Quelle: ntv.de, chl


Aus: "Rang von Franzosen zurückerobert: Elon Musk ist wieder reichster Mensch der Welt" (28.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Elon-Musk-ist-wieder-reichster-Mensch-der-Welt-article23949077.html


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Quote[...] Hunderte Menschen haben in Greifswald gegen eine geplante Containerunterkunft für 500 Geflüchtete demonstriert. Nach Polizeiangaben versammelten sich am Abend etwa 500 Menschen am Ort der geplanten Unterbringung im Ostseeviertel. In einer Schule in unmittelbarer Nachbarschaft fand am Abend die Sitzung der Ortsteilvertretung statt. Kurzfristig nahm auch Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder daran teil. Als der Grünen-Politiker das Schulgebäude wieder verließ, musste die Polizei ihn mit einer Kette von Beamten vor den Demonstranten schützen. Es sei kurzzeitig durchaus "gefährlich" für ihn geworden, sagte ein Polizeisprecher. Zuvor kursierten im Internet Aufrufe, zum Haus des Politikers zu ziehen.

Wegen des großen Andrangs musste der Zutritt zu der Sitzung begrenzt werden. Es kam zu Gedränge am Schultor. Bei der Sitzung erklärte Fassbinder, auch er habe sich mehr Zeit für eine Diskussion über die Unterkunft gewünscht. Die Pläne waren erst im Laufe der vergangenen Woche bekannt geworden. "Der Zeitplan war ursprünglich ein anderer", sagte Fassbinder. Der Landkreis habe aber Druck gemacht. Die Ortsteilvertretung sprach sich einstimmig gegen die geplante Unterkunft aus. "Wir wollen die Unterkunft nicht an diesem Standort", sagte der Vorsitzende Uwe Liedtke von der CDU. Man wolle Geflüchteten helfen, aber die Dimension und der Standort seien falsch. Bürgerinnen und Bürger kritisierten unter anderem den Standort in direkter Nachbarschaft einer Schule.

Der Kreistag Vorpommern-Greifswald machte unterdessen den Weg frei für die Pläne. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten stimmte einer Dringlichkeitsvorlage der Verwaltung zu, damit der Landkreis mit rund 9 Millionen Euro eine solche Unterkunft in Greifswald aufstellen kann. 25 Abgeordnete stimmten dafür, 19 dagegen, 10 Abgeordnete enthielten sich. "Freier Wohnraum für dezentrale Lösungen gibt es nicht genug", sagte Landrat Michael Sack von der CDU. Zudem wurde mit großer Mehrheit beschlossen, dass der Kreis vorerst keine Turn- oder Sporthallen als Notunterkünfte nutzt.

Greifswald habe bisher nicht die meisten Flüchtlinge aufgenommen, sagte Sack, nachdem er für den Plan heftig von Linken- und SPD-Abgeordneten kritisiert worden war. In Vorpommern-Greifswald habe die Kleinstadt Torgelow bisher die verhältnismäßig meisten Migranten aufgenommen. Sack zufolge muss der Kreis die Flüchtlinge unterbringen, die das Land ihm zuweist. Er hatte dazu die Städte angefragt und aus Greifswald zwei Angebote für Grundstücke bekommen. In Greifswald muss am Donnerstag der Hauptausschuss dem Plan noch zustimmen. Im Kreis waren in den ersten zwei Monaten des Jahres rund 200 geflüchtete Menschen angekommen.

Unter den Demonstranten gegen die Unterkunft waren in Greifswald nach vorläufigen Angaben der Polizei mindestens 20 Menschen, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen seien. Die Versammlung sei zudem nicht angemeldet, aber im Vorfeld beworben worden, weshalb ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Außerdem versammelten sich mindestens 30 Gegendemonstranten, die gegen Rassismus protestierten. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben wegen einer Widerstandshandlung gegen die Schutzmaßnahmen für den Oberbürgermeister. Außerdem soll es zu einer gefährlichen Körperverletzung zwischen den beiden Demonstrantengruppen im Anschluss an die Versammlungen gekommen sein.

In Mecklenburg-Vorpommern hatte es in den vergangenen Wochen mehrfach teils heftige Proteste gegen die Unterbringung von Geflüchteten gegeben. Für Aufsehen hatten Ende Januar Tumulte bei einer Versammlung gegen den Bau einer Unterkunft für 400 Flüchtlinge im 500-Einwohner-Ort Upahl im Kreis Nordwestmecklenburg gesorgt. Die Polizei konnte nur mit Mühe verhindern, dass sich die Menschen Zugang zum Kreistagsgebäude in Grevesmühlen verschafften, in dem über den Bau beraten wurde. Auch Vertreter des rechten politischen Spektrums waren laut Polizei vor Ort.

Quelle: ntv.de, ino/dpa


Aus: "Wegen Flüchtlingsunterbringung: Demonstranten gehen auf Greifswalds Bürgermeister los" (28.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Demonstranten-gehen-auf-Greifswalds-Buergermeister-los-article23948908.html

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Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonsäuren. Es ist die biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitband- bzw. Totalherbizide und wurde seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre von Monsanto als Wirkstoff unter dem Namen Roundup zur Unkrautbekämpfung auf den Markt gebracht. Weltweit ist es seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Glyphosatprodukte werden von mehr als 40 Herstellern vertrieben. ... Über die Frage, ob Glyphosat Krebs erzeugen oder die Krebserzeugung fördern kann, hat sich eine intensive öffentliche und wissenschaftliche Debatte entwickelt. Ab 2015 verschärfte sich diese Diskussion zusehends. Eine europäische Bürgerinitiative forderte mit fast 1,1 Millionen gültigen Unterschriften das Verbot von Glyphosat. Anlass dafür war die Ende 2017 anstehende Wiederzulassung in der EU sowie die Bewertung als ,,wahrscheinlich krebserzeugend" für den Menschen von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat (12. Februar 2023)

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Quote[...] Zum Abschied kann Bayer-Chef Baumann nochmals gute Zahlen vermelden. Die Aktionäre sollen eine deutlich höhere Dividende erhalten. ... Nach Einschätzung von Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, sind die Wiederherstellung des Investorenvertrauens und die Überprüfung der Konzernstruktur die wichtigsten Aufgaben für Anderson. "Zufriedene Aktionäre sind die beste Waffe, um sich gegen eine Zerschlagung zu wehren", sagte Manns.

... In diesem Jahr werden die Altlasten aus der Monsanto-Übernahme, mit der sich Bayer die Glyphosat-Klagewelle in den USA eingehandelt hatte, abermals die Bilanz belasten: Im Ausblick sind erwartete Vergleichszahlungen von zwei Milliarden bis drei Milliarden Euro berücksichtigt, vor allem für den Rechtskomplex Glyphosat. 1,3 Milliarden davon flossen bereits im Januar für Vergleiche im Zusammenhang mit der einst von Monsanto hergestellten Chemikalie PCB. Ende Dezember beliefen sich die Rückstellung für die Vergleiche bestehender und künftiger Glyphosat-Klagen noch auf 6,4 Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro) - zuletzt standen noch für 45.000 der 154.000 aktuellen Klagen Einigungen aus. Etwa 9,5 Milliarden Dollar hat Bayer bereits gezahlt.

... Der Umsatz stieg insgesamt um gut 15 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro, währungsbereinigt stand ein Plus von 8,7 Prozent zu Buche. Unter dem Strich fuhr der Konzern einen Gewinn von knapp 4,2 (Vorjahr: 1,0) Milliarden Euro ein. Die Aktionäre sollen deshalb eine 40 Cent höhere Dividende von 2,40 Euro je Aktie erhalten. Anleger konnte das am Dienstag aber nicht versöhnen: Bayer-Aktien waren mit einem Minus von mehr als vier Prozent größter Verlierer im Leitindex Dax.

Mit gut 57 Milliarden Euro ist der Konzern an der Börse deutlich weniger wert als er einst für die 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme ausgegeben hat. Das stellt auch Baumann nicht zufrieden: "Unser Börsenwert liegt weit unter dem tatsächlichen Wert des Unternehmens und wir werden weiterhin hart daran arbeiten, diese Lücke zu schließen."


Aus: " Maue Wachstumsaussichten Bayer-Chef hinterlässt Baustellen" (28.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Bayer-Chef-hinterlaesst-Baustellen-article23950858.html

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Quote[...] Senf zählt zu den fränkischen Grundnahrungsmitteln. Ob zur Bratwurst, in Rouladen oder im Salat-Dressing - Senf ist vielseitig einsetzbar. Und er soll sogar gesund sein: Senföle können Krebs vorbeugen. Das sei schon in verschiedenen experimentellen Modellen erforscht, bestätigt Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut. Damit ist es umso wichtiger, dass keine schädlichen Inhaltsstoffe im Senf selbst sind, dachten sich die Fachleute von Öko-Test. Aus diesem Grund haben sie 20 verschiedene mittelscharfe Senf-Sorten auf Herz und Nieren getestet.

Die gute Nachricht gleich vorweg: Geschmacklich haben alle Senf-Sorten überzeugt und auch in der Gesamtwertung ist kein Produkt durchgefallen. Doch leider wiesen mehr als der Hälfte der getesteten Sorten Spuren von Glyphosat auf. Glyphosat ist ein Mittel, das in der Landwirtschaft zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird und immer wieder in der Kritik steht.

Es wird von der Internationalen Krebsforschungsagentur seit 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wird und auch die Verbraucherzentrale warnt, dass Glyphosat in Verbindung mit anderen Stoffen erbgutschädigend sein könne. Andere Behörden wie die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) oder das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sehen jedoch kein Krebsrisiko. Zur Sicherheit sollte aber gar kein Glyphosat in Lebensmitteln vorkommen, findet Öko-Test.

In einem Großteil der Senf-Sorten fanden die Tester*inne Spuren, lediglich die Bio-Sorten waren frei von Glyphosat. Eine Marke hat sich allerdings noch nachträglich verbessert: Bei einem erneuten Test des "Delikato Delikatess Senf" von Aldi Nord hat das Labor kein Glyphosat mehr gefunden. Damit verbessert sich das Testurteil von "gut" auf "sehr gut".

... Neben Glyphosat wurde in allen getesteten Senf-Sorten der bislang wenig bekannte Problemstoff Bisphenol F nachgewiesen. "Erste Hinweise deuten darauf hin, dass auch Bisphenol F auf das Hormonsystem wirkt", so Öko-Test. Doch hier könnt ihr beruhigt sein: Die Menge des Stoffes war in den meisten Sorten so gering, dass Öko-Test sie als "unproblematisch" eingestuft hat. Einzig der Kania Delikatess Senf von Lidl wies einen erhöhten Wert auf und wurde deshalb nur als "befriedigend" bewertet.

... Zehn der insgesamt 20 getesteten Sorten erhielten die Note "sehr gut." Hier kannst du also problemlos zugreifen!

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Aus: "Senf im großen Test: Glyphosat in Mehrheit der Produkte - das sind die Testsieger" (2023)
Quelle: https://www.infranken.de/ratgeber/verbraucher/senf-oeko-test-glyphosat-in-mehrheit-der-produkte-testsieger-im-ueberblick-art-5215799


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Quote[...] Millionen Menschen in den USA hoffen darauf, dass ihnen die Regierung ihre Studienschulden erlässt. Doch der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof steht dem Vorhaben ablehnend gegenüber. Es gehe auch um "Fairness" gegenüber denen, die ihr Studium selbst finanziert hätten.  ...  Nach Angaben der US-Regierung haben derzeit 43 Millionen US-Bürger Studienschulden in von 1,6 Billionen Dollar. ....


Aus: "Bidens Studienschuldenerlass droht zu scheitern" (28.02.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Bidens-Studienschuldenerlass-droht-zu-scheitern-article23951819.html