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[Menschen in Schichten und Klassen... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 18, 2007, 02:21:01 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zwei Ökonominnen des Fiskalrats, Alena Bachleitner und Susanne Maidorn, haben in einer Analyse versucht abzuschätzen, wie die Teuerung der vergangenen Monate die Haushalte in Österreich trifft und was das mit ihren Einkommen macht.

Das Ergebnis: Die Zahl der Haushalte, bei denen die Konsumausgaben das verfügbare Einkommen übersteigen, dürfte stark gestiegen sein. Bei 35 Prozent der Haushalte reichen die Einkünfte demnach nicht mehr aus, um Ausgaben für Wohnen, Energie, Kleidung und Co abzudecken. Das betrifft immerhin rund 1,4 Millionen Haushalte. Vor dem aktuellen Anstieg der Preise waren eine Million Haushalte oder 25 Prozent finanziell überfordert.

... Interessant ist, dass der Inflationsdruck zunehmend in die Gruppe der Erwerbstätigen hineinwächst. Etwas mehr als die Hälfte jener Haushalte, die wegen der Teuerung seit Jänner 2022 ihre Konsumausgaben nicht mehr decken können, erzielen ein Erwerbseinkommen. Das Problem betrifft also neben Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zunehmend auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.

Die Rechnung zeigt noch etwas anderes: Wenn es sich bei 35 Prozent der Haushalte nicht ausgeht, heißt das im Umkehrschluss, es geht sich bei 65 Prozent aus. Etwa 40 Prozent der Haushalte haben demnach noch Polster, um sich Ersparnisse wegzulegen. Bei einem Drittel der reichsten Haushalte beträgt das Plus pro Monat sogar 1.000 Euro und mehr.

An dieser Stelle ein paar Einschränkungen. Die Analyse des Fiskalrats geht von einer Inflation von 6,2 Prozent aus. Wie gesagt, steigen die Preise sogar etwas stärker an.

... Zunächst dürfte das Antiteuerungspaket der Koalition einen großen Teil der zusätzlichen Ausgaben der unteren Gruppen ausgleichen. Exakt 600 Euro machen allein die Hilfsleistungen für vulnerable Gruppen wie Arbeitssuchende und Mindestsicherungsbezieher aus. Der erweiterte Klimabonus bringt heuer pro Person 500 Euro. Dazu kommen nochmals 500 Euro an steuerlichen Absetzbeträgen für erwerbstätige Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Das Problem laut Fiskalratschef Christoph Badelt ist, dass die Regierung mit ihrem Antiteuerungspaket auch sehr viel Geld an Menschen verteilt, "die es in Wahrheit nicht brauchen. Jemand, der gut verdient, wird die Teuerung aushalten und eben etwas weniger sparen", so Badelt. "Wir können, wenn wir vernünftige Staatsfinanzen wollen, nicht alle Kosten abdecken. Es wird Wohlstandsverluste durch die Teuerung geben." Die angestellten Berechnungen ermöglichten zu analysieren, wer tatsächlich Hilfe brauche.

Und: Weil die Krise noch andauern wird, regt Badelt dringend an, staatlich ein Tool einzurichten, um diese vulnerablen Gruppen zielgerichtet identifizieren zu können. Weil auch immer mehr Erwerbstätige zu wenig Geld haben, reiche es nicht aus, an Bezieher von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld Zuschüsse zu zahlen, so Badelt. (András Szigetvari, 21.6.2022)


Aus: "Bei einem Drittel der Haushalte reicht das Einkommen nicht zum Leben" András Szigetvari (21. Juni 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136719662/bei-einem-drittel-der-haushalte-reicht-das-einkommen-nicht-zum

Quote
Radfahrerin23

Der Warenkorb, der für die Berechnung der Inflation als Bemessungsgrundlage hergenommen wird, orientiert sich am Mittelstand.

Gerade die sozial schwächeren sind aber nich deutlich stärker betroffen, egal ob Pensionisten, Mindestsicherungsbezieher oder Erwerbstätige. Denn auf Wohnen, Heizen, Strom und Nahrung KANN man nicht verzichten. Und genau DAS ist noch deutlich teurer geworden als die 7,5% Inflation.


Quote
walter.romas, 21. Juni 2022, 06:31:48

Ok ich übersetze die Aussagen von Badelt mal: Unternehmer können/"müssen" die Preise aufgrund der steigenden Energiekosten anheben.
Arbeitnehmer müssen neben Realllohnverlusten halt jetzt auch mit Wohlstandseinbußen rechnen. Pech gehabt.
Das ist die ÖVP wie man sie kennt. Bin sehr gespannt ob ich nächstes Mal 8% Gehaltserhöhung bekomme (KV Abschluss bisschen über der Inflation).


Quote
EhAllesSuper, 21. Juni 2022, 06:24:49

Inflation bei knapp 8%

Laut Warenkorb. In dem sind etliche Artikel enthalten, die einen gewissen Lebensstandard voraussetzen, wie Freizeit, Urlaub, Möbel, Bekleidung, Eleltronikartikel. Vieles davon braucht man nicht für's tägliche Leben, sondern nur selten oder gar nicht.
Bei den lebensnotwendigen Sachen wie Wohnen, Ernährung, Energie usw. ist die gefühlte Inflation jetzt schon bei etwa 20%.
Noch ist Ruhe im Volk, weil für viele die exorbitanten Preiserhöhungen zwar wissentlich vorhanden aber noch nicht schlagend sind. Fernwärme, Gas, Öl.. Bei den Lebensmitteln spüren wir es jetzt schon täglich.
Da kommt noch was auf uns zu, wenn es den Regierungen der EU nicht bald gelingt, staatliche Regelungen einzuführen und miesen Kriegsgewinnlern das Handwerk zu legen.


Quote
Die_Stadtläuferin

Man hätte in Zeiten wie diesen die Überschrift positiv formulieren sollen
"Trotz Krisen müssen sich 2 Drittel der Haushalte ihren Lebensstil nicht einschränken"


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W. Ö. gegen die Marmeladisierung des Alpenlandes

Als Fachkraft verlangt man halt eine adäquate Lohnerhöhung, an uns mangelt es eh händeringend.


Quote
flinguin


"der markt funktioniert perfekt."

lol ... wie die kids sagen würden.

...


Quote
Rohal

Der Markt funktioniert perfekt

Nein, in der aktuell etablierten Form funktioniert die freie Marktwirtschaft schlicht und ergreifend nicht dauerhaft. Es kommt durch diverse Effekte automatisch zu einer Ansammlung von Kapital bei jenen, die mehr Kapital und damit Marktmacht besitzen. Es läuft also stets darauf hinaus, dass es eine kontinuierliche Akkumulation des Kapitals bei einer im Verhältnis zur Gesamtheit immer kleiner werdenden Gruppe gibt. Sobald ein gewisser Kipppunkt (wird meistens als late-stage-capitalism bezeichnet) erreicht ist , kommt es zu sozialen Umwälzungen, Aufständen bzw. Kriegen. Was dabei rauskommt, kann man bspw. von Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts in den Geschichtsbüchern nachlesen.


Quote
ad vocem

Übrigens, bevor wir das alle vergessen: " 2020 wurden in Österreich 346.172 Millionäre gezählt."
https://www.derstandard.at/story/2000132339333/oesterreich-mit-vierthoechster-millionaersdichte-in-europa

346.172 Millionäre - das sind fast 4% der Bevölkerung.

Also unter 20 Personen - in der U-Bahn, im Wirtshaus, am See - jeweils eine/r ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Anfang 1933 luden die Nationalsozialisten Vertreter der Wirtschaft nach Berlin ein, um sie aufzufordern, für den bevorstehenden Wahlkampf Geld zu spenden. Die Eingeladenen waren erfolgreiche Industrielle und Banker; zu ihnen gehörten Günther Quandt, Friedrich Flick und August von Finck. Nach der Machtübernahme traten sie in die Partei ein und arbeiteten mit dem Regime zusammen. Sie verdienten an der Aufrüstung und bereicherten sich durch Einsatz von Zwangsarbeitern und Raub jüdischer Unternehmen in Deutschland und in den besetzten Gebieten Europas. Warum konnten sie nach dem Krieg nahezu unbehelligt weiterarbeiten? Wie gingen sie mit ihrer Verantwortung für das Unrecht um ...


Aus: "David de Jong: Braunes Erbe" (2022)
Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/david-de-jong/braunes-erbe.html

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Quote[...] Der Finanzjournalist De Jong erzählt am Beispiel von fünf Unternehmerfamilien – Quandt, Porsche, Flick, von Finck und Oetker –, wie sich deren Chefs Hitler an den Hals geworfen haben. Und er berichtet, wie sich Unternehmenserben bis heute um die Geschichte ihres Erbes herumdrücken, dessen Dividenden sie doch zu gern genießen. Er schildert, wie atemberaubend naiv diese Erben gelegentlich sind, wie zögerlich oder intrigant andere ihre Verantwortung leugnen.

Das hat man alles schon irgendwo ähnlich gelesen, dennoch ist dieses Buch etwas Besonderes: Denn es richtet sich, obwohl es jetzt ins Deutsche übersetzt wurde, gar nicht so sehr ans hiesige Publikum. Es ist geschrieben worden, um Verstrickung, Schuld und Verantwortung der Unternehmer für den Nationalsozialismus auch außerhalb Deutschlands bekannt zu machen.
Wer sich schon in der Vergangenheit mit den Unternehmensgeschichten aus dieser Zeit auseinandergesetzt hat, erfährt nur wenig Neues – die deutsche Übersetzung ist eine Art Einstiegslektüre für Interessierte. Doch hier ist ein Buch, das sehr gut geschrieben (und übersetzt) ist, das an Klatsch und Tratsch aus der Nazi-Zeit nicht spart, und das niemanden überfordert, der vor wissenschaftlichen Büchern mit tausenden von Anmerkungen Respekt hat.

De Jong zieht von den Großvätern, die die barbarischen Möglichkeiten der Nazi-Zeit – Zwangsarbeit, Arisierung, Kriegswirtschaft – nutzten, so etwas wie eine Charakter-Linie zu ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln, die bis heute von diesen Vermögen profitieren. Für die Quandts, die Flicks, die Porsches, die Oetkers und die von Fincks hat De Jong recherchiert, wie sie zu Nationalsozialisten wurden, was sie davon hatten, und wie sie diesen Teil ihrer Biografie nach 1945 abwuschen.
Das taten sie so erfolgreich, dass der Quandt-Enkel Stefan in einem Interview sagen konnte, sein Großvater sei kein überzeugter Nationalsozialist gewesen. Den Erben bescheinigt De Jong eine ähnliche Mentalität: Der Geschichte ihrer Unternehmen stellten sie sich nur, wenn sie von der Öffentlichkeit dazu gezwungen würden.
Nicht alle Unternehmer waren von Anfang an glühende Nationalsozialisten, doch die fünf haben den Aufstieg Hitlers unterstützt und finanziert, und mehr als die meisten anderen haben die fünf Familien bis weit in die Nachkriegszeit davon profitiert.

Die Geschichten De Jongs beginnen nicht im März 1933, und sie enden nicht im Mai 1945. Er erzählt, wie Günther Quandt und Friedrich Flick ihr Vermögen in den chaotischen Inflationszeiten der Weimarer Jahre machen. Er schildert ihre Furcht vor politischen Umstürzen von links.
Er beschreibt, wie der Bankier August von Finck deshalb schon 1931 allzu gerne bereit ist, Hitlers SS mit fünf Millionen Reichsmark unter die Arme zu greifen.
Er rechnet vor, wie Friedrich Flick mal neue Stiefel für einen Aufmarsch der SA bezahlt, mal der nationalsozialistischen Presse finanziell hilft, um dann wieder Geld für den Wahlkampf Hitlers zu geben. Die anderen machen es ähnlich.
De Jongs Fazit: Der Erfolg der NSDAP wäre ohne die Finanzspritzen des alten und neuen Unternehmertums so wohl nicht möglich gewesen.
Die Nazis revanchieren sich großzügig: Die neuen Großindustriellen mehren ihren Reichtum und ihr Geschäft, indem sie das Eigentum jüdischer Geschäftsleute ,,arisieren", das Reich und seine Wehrmacht aufrüsten, Zwangsarbeiter in ihren Dienst zwingen, und sich in die besetzten Gebiete ausdehnen. Sie steigen weiter auf, werden zu den mächtigsten und reichsten Männern Deutschlands.

Es sind dieselben Charaktereigenschaften – Geschäftssinn, Opportunismus, Anpassungsfähigkeit – die ihnen den Neuanfang nach 1945 erleichtern. Die Unternehmer werden kurzzeitig interniert, sie werden entnazifiziert, nur einer von ihnen muss wegen Kriegsverbrechen ins Gefängnis.
Die anderen bekommen ihr Vermögen schnell zurück. Für den Kalten Krieg und das Wirtschaftswunder werden Unternehmer gebraucht, da wollen weder die Westalliierten noch die Politiker der jungen Bundesrepublik genau hinschauen – zumal sich einige der Unternehmensführer auch den neuen Parteien im neuen Land gegenüber wieder ausgesprochen großzügig zeigen.
1970 sind die Herren Flick, von Finck, Quandt und Oetker die reichsten Geschäftsleute Deutschlands. So, als wäre nie etwas gewesen.
De Jong erzählt diese Geschichten akribisch und gleichzeitig spannend. Aus dem verrückten Privatleben der Sippe Quandt-Goebbels wird ausführlich geplaudert, der Reichtum und der legendäre Geiz des Unternehmers von Finck wird farbenfroh illustriert – wie der Mann Hitler in München eine Kunsthalle baut, ohne selbst viel Geld einsetzen zu müssen, ist sogar witzig.
Der Ingenieur Ferdinand Porsche schickt die neuesten Ideen gleich per Depesche an den ,,Führer", und der Chef des Nahrungsmittelherstellers Oetker, Richard Kaselowsky, bietet sich gerne an, die Wehrmacht mit Puddingpulver auszustatten.

David de Jong macht auf Verhaltensmuster aufmerksam, die er bei den Erben wiederfindet. Die wenigsten Unternehmen stellen sich ihrer Geschichte im Nationalsozialismus freiwillig, die allermeisten wurden von der Öffentlichkeit, von Journalisten, von Aktivisten dazu gezwungen – unter anderem auch von De Jong selbst.
Die Ergebnisse dieser Forschung sind in Fachkreisen bekannt, von einer breiten Öffentlichkeit aber werden sie nur selten wahrgenommen. Historikerkommission, Forschungsauftrag, Veröffentlichung, Entschädigung, Stiftung, fertig. Das ist das inzwischen übliche Schema, mit dem Unternehmen Vorwürfen begegnen, sie hätten ihre Nazi-Geschichte immer noch nicht aufgearbeitet. Den wenigsten kann man heute noch vorwerfen, sie kümmerten sich nicht.
De Jong aber liefert keine dröge wissenschaftliche Aufarbeitung, er erzählt Geschichten. Dabei schießt er gelegentlich übers Ziel hinaus. Woher will er wissen, dass Günther Quandt an seine Familiengeschichte denkt, als über dem Potsdamer Sommerhimmel ein Gewitter aufzieht? Was treibt ihn zu vermuten, dass des Unternehmers ,,Gedanken in die Vergangenheit wanderten," als die Reden zu seinem 60. Geburtstag gehalten sind?
Dieses Geraune, vermeintlich Enthüllende stört bei der Lektüre – weil De Jong es gar nicht nötig hätte.

David de Jong - Übersetzt von Jörn Pinnow und Michael Schickenberg
Braunes Erbe. Die dunkle Geschichte der reichsten deutschen UnternehmerdynastienKiepenheuer & Witsch, 496 Seiten Köln 2022



Aus: "David de Jong: ,,Braunes Erbe": Reich durch Puddingpulver und Zwangsarbeit" Ursula Weidenfeld (21.05.2022)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/david-de-jong-braunes-erbe-kritik-100.html

Textaris(txt*bot)

#1297
Quote[...] Millionenschwere Bargeldspenden - verstaut in einem Koffer und mehreren Taschen - soll Thronfolger Prinz Charles einem Medienbericht zufolge vor einigen Jahren aus Katar zugunsten seiner Stiftung entgegengenommen haben.

Der frühere katarische Ministerpräsident Scheich Hamad bin Dschasim Al Thani soll Charles zwischen 2011 und 2015 Bargeld im Wert von rund drei Millionen Euro übergeben haben, wie die ,,Times" am Sonntag unter Berufung auf Insider-Quellen berichtete. Eine Million soll in einem Koffer, weitere Beträge in Einkaufstaschen eines bekannten Luxuskaufhauses verstaut gewesen sein.

Die Stiftung von Prinz Charles - der Prince of Wales's Charitable Fund - bestätigte auf Anfrage der Zeitung, die Zahlungen seien auf Wunsch des Spenders in bar gemacht worden. Die Organisation unterstützt Tierschutzprojekte und setzt sich für den Erhalt von Charles' Anwesen in Schottland ein.

Ein Sprecher von Prinz Charles betonte auf Anfrage der ,,Times", die erhaltenen Gelder seien direkt an die Stiftung weitergeleitet worden. Diese habe sich um die korrekte Abwicklung gekümmert. Der Zeitung zufolge gibt es keine Hinweise darauf, dass die Zahlungen unrechtmäßig gewesen sein könnten.

Kritik gibt es allerdings an der Art der Spende und der Übergabe. Wenn eine Regierung wie Katar eine Spende an eine Stiftung machen wolle, gebe es andere Mittel und Wege, dies abzuwickeln, kritisierte Alistair Graham, der einst den Ausschuss für öffentliche Standards leitete. Er bezeichnete den Bericht als ,,wirklich schockierend" und nicht nachvollziehbar. Aus Katar gab es zunächst keinen Kommentar.

Bereits im vergangenen Jahr hatten Charles' Stiftungen für Schlagzeilen gesorgt: Damals ging es um Korruptionsvorwürfe gegen seine Prince's Foundation. Deren damaliger Chef, der mittlerweile zurückgetreten ist, soll einem saudischen Geschäftsmann im Gegenzug für Spenden Unterstützung bei dessen Wunsch nach einem Ritterschlag und der britischen Staatsbürgerschaft zugesagt haben. Das Königshaus betonte, Prinz Charles habe keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt. (dpa)


Aus: "Prinz Charles nahm Millionenspenden aus Katar in bar an" (27.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/geld-fuer-seine-stiftung-prinz-charles-nahm-millionenspenden-aus-katar-in-bar-an/28458212.html

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Quote[...] Der britische Thronfolger Prinz Charles hat laut einem Medienbericht eine Spende über eine Million Pfund (1,19 Millionen Euro) von Halbbrüdern des Terroristen Osama bin Laden angenommen. Das Geld ging an die Wohltätigkeitsorganisation Prince of Wales Charitable Fund, berichtete die Zeitung Sunday Times. Charles' Stiftung bestätigte die Spende. Der älteste Sohn von Queen Elizabeth II. traf sich demnach im Oktober 2013 in seiner Londoner Residenz Clarence House mit dem saudischen Unternehmer Bakr bin Laden.

Mehrere Berater hätten ihn aufgefordert, das Geld nicht anzunehmen oder zurückzuzahlen. Ihre Bedenken, dass die Spende sein Ansehen beschädigen könnte, habe Charles ignoriert. Der Chef der Stiftung, Ian Cheshire, sagte, alle fünf Treuhänder hätten der Spende zugestimmt. Eine namentlich nicht genannte Quelle in Clarence House sagte der Sunday Times, weder seien Berater bestürzt über die Zahlung gewesen, noch habe Charles ihre Bedenken "niedergebrüllt". Die Entscheidung über die Annahme habe allein bei den Treuhändern gelegen.

Osama bin Laden war der Drahtzieher der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 mit Tausenden Toten, darunter 67 Briten. Er wurde am 2. Mai 2011 von US-Spezialeinheiten in Pakistan getötet. Es gibt keine Hinweise, dass Bakr bin Laden und sein Bruder Shafiq in die Attentate verwickelt waren oder Terrorismus unterstützen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Charles wegen einer Spende für seine Stiftung kritisiert wird. Vor wenigen Wochen hatte die Sunday Times berichtet, dass der Thronfolger zwischen 2011 und 2015 insgesamt drei Millionen Euro in bar vom katarischen Ex-Ministerpräsidenten Scheich Hamad bin Dschasim Al Thani angenommen habe. Eine Million sei in einem Koffer, weitere Beträge in Einkaufstaschen eines bekannten Luxuskaufhauses verstaut gewesen.


Aus: "Britische Königsfamilie: Prinz Charles nahm Spende von Familie Osama bin Ladens an" (31. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-07/prinz-charles-spende-osama-bin-laden

QuoteWolfgang Seliger #28

Hm, ein paar Hintergrundinformationen wären schon gut. Die Meldung reicht mir so nicht aus.


Quotekarimragab #32

Ich finde, er hat richtig gehandelt. Rational betrachtet, gibt es keinen Grund eine gesamte Familie auszuschließen, die eindeutig nichts mit den Machenschaften von Osama Bin Laden zu tun hat. Kollektivstrafen sind schon in der Schule nicht erlaubt.


Quotekajot #24

Eine eigentlich kaum erwähnenswerte Geschichte. Aber ein Punkt stößt mir doch übel auf und das ist: Die Architekten und Nutznießer dieses verkrusteten britischen Klassensystems, d.h. das brtische Königshaus, geruht also, auch einmal an diejenigen zu denken, die in diesem System maximal auf Brosamen hoffen dürfen. Also gründen sie großzügig Brosamenverteilungsmaschinen, genannt Wohltätigkeitsstiftungen, versehen sie mit hochtrabenden Namen, die zielgerichtet auf die Urheber dieser Großherzigkeit hinweisen, und beauftragen danach andere Personen, um sich mit den lästigen Details zu beschäftigen.

Es ist einer aufgeklärten Gesellschaft, zu der ich eigentlich auch die britische zähle, eigentlich nicht würdig, diesen Schein weiterhin wahren zu wollen. Und letztlich war auch der BREXIT nichts weiter als ein posthumes Aufflackern des Scheins des alten britischen Empires.

Man muss sich fragen, wen ein derartig morbides Gebilde wie dieses Königshaus überhaupt anziehen kann? Bei den unzähligen Frauen, die die heiratsfähigen Sprösslinge umschwirren, ist die Motivation nicht schwer zu erraten. Was aber motiviert saudi-arabische Brüder, für eine derartige Stiftung zu spenden? Aber gehen wir davon aus, dass das aus einer puren altruistischen Lebenseinstellung heraus geschah, ohne jedwede Erwartungshaltung.


Quotetiwitt #36

Hä? Wo ist der Skandal? Reiche helfen Reichen, ganz normal eigentlich.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Madrid/Ceuta – Hunderte Flüchtlinge sind am Donnerstag gewaltsam in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta gelangt. Zwischen 450 und 600 Migranten hätten am frühen Morgen die gut sechs Meter hohen doppelten Grenzzäune überwinden können, berichteten spanische Medien übereinstimmend unter Berufung auf die Polizei.

Die Migranten hätten die Beamten unter anderem mit selbstgebauten Flammenwerfern und mit Branntkalk, der beim Kontakt mit der Haut gefährliche Verätzungen verursache, attackiert. Es habe sich um den größten Ansturm der vergangenen Jahre auf die Enklave an der Straße von Gibraltar gehandelt.

Dabei seien die Migranten so "brutal wie noch nie zuvor" vorgegangen, wurde ein Polizeisprecher von der Nachrichtenagentur Europa Press zitiert. Vier Beamte der Guardia Civil (Zivilgarde) und elf Migranten seien in ein Krankenhaus in Ceuta gebracht worden, hieß es.

Den Angaben zufolge versuchten Hunderte weitere Migranten, ebenfalls über die Grenzzäune zu klettern. Sie seien aber von spanischen und marokkanischen Beamten daran gehindert worden.

Spanien verfügt in Nordafrika über zwei Exklaven, die beide von Marokko beansprucht werden: Ceuta an der Meerenge von Gibraltar und das 250 Kilometer weiter östlich gelegene Melilla. In der Nähe der beiden Gebiete harren Zehntausende notleidende Afrikaner vorwiegend aus Ländern südlich der Sahara auf eine Gelegenheit, in die EU zu gelangen. (APA, 26.7.2018)


Aus: "Hunderte Migranten stürmen gewaltsam in spanische Exklave" (26. Juli 2018)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000084188753/hunderte-migranten-stuermen-gewaltsam-in-spanische-nordafrika-exklave

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Quote[...] Tausende Menschen aus Afrika wollten die Grenzzäune der spanischen Exklave überwinden. Die Sicherheitskräfte schritten rigoros ein, es gab mehrere Tote. NGOs üben scharfe Kritik

Das Video zeigt eine unwirkliche Szene. Dutzende von Menschen liegen völlig durcheinander – erschöpft, manche mit deutlichen Verletzungen, andere vermutlich sogar tot. Die Szenerie ereignet sich vor einem Posten der Grenze, die Marokko von der spanischen Exklave Melilla trennt. Die Leidgeplagten liegen am Boden, umstellt von marokkanischen Gendarmen. Sie gehören zu den mehr als 1000 Migranten, meist aus dem subsaharischen Afrika stammend, die Freitagfrüh den Grenzzaun zu stürmen versuchten. Die Aufnahmen wurden von der Ortsgruppe Nador der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH) verbreitet.

"Auf diese unmenschliche, gewalttätige Art wurden die Migranten am Grenzübergang Nador behandelt. Ihrem Schicksal überlassen, ohne Hilfe, stundenlang, was die Zahl der Toten ansteigen ließ", heißt es in einer Erklärung der AMDH zum Video. Während die spanischen und marokkanischen Behörden von 18 Toten sprechen, zählt die AMDH mindestens 37 tote Migranten. Hinzu kommen zwei tote Beamte der marokkanischen Gendarmerie. Hunderte Migranten sollen verletzt worden sein, mindestens 13 von ihnen schwer.

"Alles war voller Blut – Köpfe, Hände, Füße ...", zitiert die spanische Tageszeitung El País einen Anwohner, der den Grenzsturm beobachtet hatte. Er spricht von Paniksituationen, verursacht durch den Einsatz der marokkanischen Gendarmerie vor der Grenzanlage. Auch innerhalb des dreifachen Grenzzauns, mit dem sich Spanien von Marokko abschirmt, soll es zu turbulenten Szenen gekommen sein.

Die Anlage ist eine tödliche Falle. Sie besteht aus drei Zäunen, teilweise gekrönt von messerscharfem Nato-Draht. Zwischen zwei Reihen befindet sich ein Gewirr aus Stahlseilen, das das Erreichen des nächsten Zaunes erheblich erschwert. Und dann kommt auch noch eine Gasse, in der die spanischen Grenzschützer operieren.

Auch sie gingen nicht zimperlich vor. Bilder, die durch die sozialen Netzwerke gehen oder von spanischen Medien veröffentlicht wurden, zeigen, wie die spanische Guardia Civil diejenigen, die es geschafft hatten, auf spanischen Boden zu gelangen, gewaltsam durch Türen im Zaun zurücktreibt. Solche "pushbacks" sind nach internationalem Recht illegal. Denn einmal auf spanischem Boden, hat eigentlich jeder und jede das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Auch wer dies nicht tut, darf ohne richterliches Verfahren nicht abgeschoben werden.

Mittlerweile verlangen neun spanische und marokkanische NGOs rund um die AMDH eine Untersuchung der Vorfälle. Die Toten und Verletzten seien "ein tragisches Symbol für die europäische Politik, den Grenzschutz zu externalisieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Auch die linksalternative Unidas Podemos (UP), die kleinere der beiden Parteien in der spanischen Linksregierung, verlangt Aufklärung.

Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez sieht dafür jedoch keinen Bedarf. Trotz der erschreckenden Bilder solidarisierte sich der Ministerpräsident nicht etwa mit den Toten und Verletzten, sondern mit "den Sicherheitskräften unseres Landes".

Diese hätten "außerordentliche Arbeit" geleistet, um "einen gewaltsamen Angriff auf die Integrität unseres Landes, der von der Menschenhändlermafia organisiert wurde", abzuwehren, so Sánchez, der auch für die marokkanische Gendarmerie voller Lob war. Sie hätte mit den spanischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet, um den "gewaltsamen Überfall zurückzudrängen".

Marokko war 1956 von Frankreich und Spanien unabhängig geworden. Dennoch hält Spanien dort weiterhin zwei Exklaven: Melilla und das 250 Kilometer weiter westlich gelegene Ceuta.

Sánchez hatte sich erst vor wenigen Wochen mit Marokkos König Mohammed VI. getroffen, um eine neue Freundschaft beider Länder zu besiegeln. Das Treffen fand nach mehreren Massenanstürmen auf die Grenze statt. Sánchez erkannte die Ansprüche Marokkos auf die ehemalige spanische Kolonie Westsahara an und versprach sich davon, dass es an den beiden Exklaven Melilla und Ceuta nicht mehr zu solchen Szenen wie am vergangenen Freitag kommen werde.

Die spanische Regierung will diese Woche beim Nato-Gipfel in Madrid die Verteidigung der Südflanke des Bündnisses zum Thema machen. Dabei geht es nicht nur um militärische Sicherheit. "Wir stehen vor sehr großen Bedrohungen unserer Südflanke, die unsere Souveränität gefährden, in Form der politischen, nicht zu akzeptierenden Nutzung von Energie und der irregulären Migration."


Aus: "Flucht und Migration: Schwere Vorwürfe nach Ansturm von Migranten auf Melilla" Reiner Wandler aus Madrid (26. Juni 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136909007/schwere-vorwuerfe-nach-ansturm-von-migranten-auf-melilla



Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Inflation in Deutschland steigt – und wirkt sich auf das Einkaufsverhalten der Deutschen aus. Einer Studie zufolge will mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland mit niedrigerem Einkommen deshalb nun weniger Lebensmittel einkaufen.

Etwa 52 Prozent der Erwerbstätigen mit einem relativ niedrigen Haushaltseinkommen von bis 2.000 Euro netto im Monat sehen sich demnach genötigt, wegen der gestiegenen Preise ihre Nahrungsmittelkäufe einzuschränken. Vor allem die höheren Energiepreise sollen dafür verantwortlich sein, schreiben die Autoren einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Etwa 18 Prozent der Befragten wollen den Konsum von Nahrungsmitteln, Getränken, Tabakwaren und Ähnlichem "bedeutend" zurückfahren. 63 Prozent gaben an, beim Kauf von Kleidung und Schuhen inflationsbedingt kürzertreten zu wollen, 28 Prozent sogar deutlich.

Der akute Druck, den Konsum solcher Alltagsgüter zu reduzieren, nimmt mit wachsendem Einkommen ab. Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen 39 Prozent der Erwerbspersonen künftig weniger Nahrungs- und Genussmittel kaufen, darunter 10 Prozent "bedeutend weniger". Bei Bekleidung und Schuhen wollen sich 53 Prozent einschränken, davon 18 Prozent "bedeutend". Je nach Energieart geben 62 Prozent der Befragten bei Warmwasser und bis 73 Prozent bei Strom an, ihren Verbrauch reduzieren zu wollen.

Große Unterschiede gibt es bei dem gestiegenen Bedarf an Geld, um den Lebensstandard zu halten. Knapp 36 Prozent der Befragten geben hier an, sie bräuchten aktuell monatlich 100 bis 250 Euro zusätzlich, um ihren bisherigen Lebensstandard halten zu können. 25 Prozent beziffern den Bedarf auf 50 bis 100 Euro. 16 Prozent nennen sogar 250 bis 500 Euro. Die Studie beruht auf einer Befragung von gut 6.200 Personen von Ende April bis Anfang Mai.

Im Mai lag die Inflation mit 7,9 Prozent so hoch wie seit dem Winter 1973/1974 nicht mehr. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht die Daten für den Juni an diesem Mittwoch. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wird erwartet, dass die Preise im Schnitt um 8,0 Prozent über dem Vorjahresmonat liegen.

Den Studienautoren zufolge verschärft die hohe Inflation die soziale Ungleichheit. Zudem drohe die sich abzeichnende Konsumzurückhaltung "die Erholung des privaten Verbrauchs nach der Corona-Pandemie zu verzögern" – was wiederum die Konjunktur deutlich schwächen könnte. Die Politik sollte weitere Entlastungspakete so konzipieren, "dass Haushalte mit geringen Einkommen spürbar stärker entlastet werden als jene mit höheren Einkommen", empfehlen die Autoren.


Aus: "Inflation: Menschen mit niedrigerem Einkommen wollen bei Lebensmitteln sparen" (29. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-06/inflation-einkommen-deutschland-lebensmittel

Quoteklioe #4

Ja gut, 'gewerkschaftsnahe' Stiftung, Gewerkschafts-Ergebnis. Kann man jetzt glauben oder nicht.


Quotequarague #4.1

Wahrscheinlich kaufen die Menschen mit niedrigerem Einkommen einfach weniger Aktien und können damit die Inflation super ausgleichen. /s

...


QuoteE_Dantes #5

Und dazu braucht es eine teure Studie? Da reicht ein Blick auf die Straße!


Quotemacht nix #7

"Menschen mit niedrigerem Einkommen wollen bei Lebensmitteln sparen"

Müsste die Überschrift nicht Menschen mit niedrigerem Einkommen müssen bei Lebensmitteln sparen lauten?


QuotePinocchiona #17.1

Ich kaufe jedenfalls kein Bio mehr. Jetzt muss es wieder das normale Futter tun; Bio kann ich mir nicht mehr leisten, bin kein Gutverdiener. Aldi, Netto und Lidl ahoi.


QuoteNhrui #19

Ein Trost ist, dass man sogar gesundheitsförderlich sparen kann: weniger Zigaretten, Alkohol, Süßigkeiten, Limos und auch weniger Fleisch. Da gibt es großes Sparpotential. Dann noch wenige ger Billigklamotten, die nach dem ersten Tragen aus dem Leim gehen....


Quoteetiennelantier #19.1

Ich sehe schon das neue reality-tv format "Hartz aber Fit"

...


...

Textaris(txt*bot)

#1300
Quote[...] Mit einer Quote von 16,6 Prozent hat die Armut in Deutschland im zweiten Pandemiejahr ein neues Rekordniveau erreicht. Jeder Sechste ist mittlerweile betroffen, so das Fazit des Paritätischen Armutsberichts, den der Gesamtverband am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Die Situation einzelner Gruppen beschrieb Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Verbandes, als besonders dramatisch: Man habe einen traurigen neuen Höchststand bei der Kinderarmut, jedes fünfte Kind sei arm, sagte er. Ebenso gebe es "einen traurigen Rekord bei Rentnerinnen und Rentnern, da sind es auch mittlerweile über 17 Prozent, aber - das ist neu - wir haben auch besonders starke Zuwächse bei Beschäftigten", so Schneider.

Vor allem bei Selbstständigen sei die Armut sprunghaft angestiegen von neun auf jetzt über 13 Prozent. Empfehlungen wie kürzlich von Bundesfinanzminister Christian Lindner, die aktuelle Inflationsrate von 7,9 Prozent würde alle zwingen, die Gürtel enger zu schnallen, findet Ulrich Schneider zynisch: "Deutschland ist ein tief gespaltenes Land. Zu sagen, die Inflation trifft uns alle, ist völlig falsch."

Bei vielen Haushalten spiele die Inflation im Alltag überhaupt keine Rolle. Diese Haushalte würden weniger sparen können als bisher, denn erstaunlicherweise sei neben der Armut auch die Sparquote in Deutschland auf einem Rekordniveau. Das zeige die Spaltung der Gesellschaft.

Auch die regionalen Unterschiede in der Armutsverteilung in Deutschland sind erheblich. Problemregion Nr. 1 ist das Ruhrgebiet, der größte Ballungsraum der Bundesrepublik. Hier ist die Rate von Hartz IV-Empfängern extrem hoch, vor allem bei Kindern. In Gelsenkirchen und in Essen beläuft sie sich auf 39 Prozent, das heißt vier von zehn Kindern sind dort abhängig von Hartz IV.

Aber auch in Thüringen und Berlin sind die Zahlen der von Armut betroffenen Menschen rasant gestiegen. So ist in der Hauptstadt mit 19,6 Prozent fast jeder Fünfte von Armut betroffen. Das Schlusslicht im Ranking bildet jedoch Bremen mit 28 Prozent.

Zu den Aufsteigern hingegen zählen Länder wie Mecklenburg-Vorpommern und auch Brandenburg (14,5 Prozent). Hier verzeichnen die Regionen im Berliner Speckgürtel Havelland-Fläming (13,9 Prozent) und Oder-Spree (13,4 Prozent) eindeutig die niedrigsten Armutsquoten.

Ein Ost-West-Gefälle, so Schneider, lässt sich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr feststellen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert das von der Bundesregierung aufgelegte Entlastungspaket, das nach dem Gießkannenprinzip Geld verteile: "Damit vertieft man die Spaltung", urteilt Ulrich Schneider, "man vergrößert den Abstand zwischen Arm und Reich, und davor warnen wir sehr."

Der Geschäftsführer fordert die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu konzipieren, die nachhaltig sind und bei den Betroffenen auch ankommen. So schlägt er eine dauerhafte Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und in der Altersgrundsicherung um 200 Euro vor, sowie eine Verbesserung des Bafögs und des Wohngeldes, um auch diejenigen zu erreichen, die wenig mehr als die Grundsicherung haben.

"Wir hätten die Möglichkeit, mit diesen Reformen die Armut dauerhaft zu bekämpfen und damit unsere Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen gegen Krisen wie Corona oder Preissteigerungsraten", so Schneider. Die steigenden Lebenshaltungskosten als Folge des Kriegs in der Ukraine würden die Situation der Betroffenen im Jahr 2022 zusätzlich verschärfen. Schon jetzt sei die höchste Inflationsrate in 50 Jahren zu verzeichnen.

Das würde zwar nicht automatisch bedeuten, dass die Zahl der Armen steige, doch die Kaufkraft schwinde zusehends. Dadurch verwandele sich soziale Not in soziales Elend. Ulrich Schneider warnt: "Darauf müssen wir uns einstellen, deshalb muss die Regierung jetzt rasch reagieren."

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.22, 16:40 Uhr



Aus: "Armut in Deutschland auf Rekordniveau" (Mi 29.06.2022)
Quelle: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2022/06/berlin-armutsbericht-2022-paritaetischer-wohlfahrtsverband.html


"Paritätischer Gesamtverband: Armut in Deutschland auf neuem Höchststand"  Bernd Müller (30. Juni 2022)
https://www.heise.de/tp/features/Paritaetischer-Gesamtverband-Armut-in-Deutschland-auf-neuem-Hoechststand-7157590.html

Armutsbericht: Die Not in Deutschland ist so groß wie nie – Expertin attackiert Bundesregierung" Fabian Hartmann (30.06.2022)
https://www.fr.de/politik/hartz-iv-rente-armutsbericht-deutschland-bundesregierung-vdk-boewe-zr-91638694.html


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Quote[...] WIEN taz | Karl-Heinz Grasser ist kein Steuerhinterzieher. Zu diesem Urteil ist am Montag ein Wiener Schöffensenat nach acht Prozesstagen gelangt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem österreichischen Ex-Finanzminister vorgeworfen, über eine komplizierte Stiftungsstruktur in Liechtenstein und der Karibik Steuern in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro hinterzogen zu haben. Es geht um Provisionen aus einem Engagement beim windigen Energieprojekt Meinl International Power vor zwölf Jahren.

Gerichtsauftritte des einstigen Politikers sind immer von einem Hauch von Showbusiness umgeben. Der Sohn eines Kärntner Autohändlers, der 2000 von Jörg Haider zum jüngsten Finanzminister der Republik bestellt wurde, hat durch seine Ehe mit der Kristall­erbin Fiona Swarovski in die Welt der Reichen und Schönen eingeheiratet und führte ein Jetset-Leben zwischen Kitzbühel und Capri. Dann holten ihn Affären aus der Zeit der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel ein, die zum Teil noch immer gerichtsanhängig sind. Vor anderthalb Jahren wurde er in einem Korruptionsverfahren zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der glatte Freispruch kam überraschend, hatten sich doch Grasser und sein mitangeklagter Steuerberater gegenseitig belastet. Der Berater habe die Idee für die Konstruktion via Steuerparadies British Virgin Islands gehabt. Der gab an, dass Grasser die Konstruktion gegen seinen Rat eigenmächtig verändert habe. Für den Staatsanwalt seien beide bestrebt gewesen, ,,ihre eigene Verantwortung kleinzureden und aufs Gegenüber abzuschieben".

Grasser, 53 Jahre alt, sieht sich als die verfolgte Unschuld. ,,Ich kann nur festhalten, dass mir heute Gerechtigkeit vor Gericht widerfahren ist", erklärte er nach dem Freispruch, ,,ich hatte ja schon andere Erfahrungen in diesem Haus". Damit meint er den Schuldspruch wegen Kickbacks bei einem Immobiliendeal, den er als Minister zu verantworten hatte. Über den Verlauf des Prozesses ist wenig bekannt, da gleich am ersten Prozesstag am 13. Juni die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde.

Verteidiger Norbert Wess warf der Staatsanwaltschaft einen Denkfehler vor: ,,Wäre man der Anklage gefolgt, wären wir auf eine Steuerbelastung von 95 Prozent gekommen. Das kann nicht stimmen." Überprüfen ließen sich diese Angaben nicht, da das Verfahren hinter verschlossenen Türen abgewickelt wurde und weder Grasser noch sein Steuerberater die zugrundeliegenden Zahlen offengelegt haben. Der Finanzrechtler Werner Doralt, befragt vom Ö1 Radio: ,,Mir scheints nicht sehr überzeugend."

Richter Michael Tolstiuk und die Schöffen kamen aber zu dem Ergebnis, dass alles legal gelaufen sei. Grasser habe die Steuervermeidungskonstruktion dem Finanzamt zeitgerecht offengelegt. Ein Vorsatz der Steuerhinterziehung könne daher nicht nachgewiesen werden. Der Finanzjongleur zeigte sich zwar erleichtert, klagte aber über die zwölfjährige Verfahrensdauer. ,,Selber schuld", meinte sinngemäß die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bei Anklageerhebung im vergangenen Dezember in einer Pressemeldung. Darin verwies sie darauf, dass die Ermittlungen ,,äußerst komplex und umfangreich" gewesen seien.


Aus: "Steuerhinterziehung in Österreich: Freispruch für Ex-Finanzminister" Ralf Leonhard, Auslandskorrespondent Österreich (5.7.2022)
Quelle: https://taz.de/Steuerhinterziehung-in-Oesterreich/!5862447/

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Quote[...] Die Staatsanwaltschaft Köln hat nach Medienberichten im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften Anklage gegen den Miteigentümer und ehemaligen Chef der Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, erhoben. Es gehe um mehrere Fälle schwerer Steuerhinterziehung, wie Süddeutsche Zeitung und WDR berichteten.

Der Bankier selbst bestreite die Vorwürfe. Von der Staatsanwaltschaft Köln war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Eine Sprecherin des zuständigen Landgerichts Bonn sagte, bei Gericht sei eine neue Cum-Ex-Klage eingegangen. Zu Details wollte sie sich nicht äußern.

"Mit Zahlungen im Jahr 2020 sind die Steuerforderungen wegen der Aktiengeschäfte der Bank beglichen worden", sagte ein M.M.Warburg-Sprecher. "Die Mehrheitsgesellschafter haben die Beträge aus ihrem eigenen Vermögen bezahlt." Die steuerliche Beurteilung der Cum-Ex-Geschäfte durch die Warburg Gruppe habe sich als falsch erwiesen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands von M.M.Warburg "missbilligen unrechtmäßige Steuergestaltungen jeder Art".

Vor dem Landgericht Bonn sind bereits mehrere Cum-Ex-Prozesse geführt worden, darunter auch gegen ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hamburger Bankhauses. Im Februar war ein ehemaliger Banker der Privatbank im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die Cum-Ex-Geschäfte, an denen der Angeklagte beteiligt gewesen sei, hätten zwischen 2009 und 2010 zu einem Steuerschaden von knapp 110 Millionen Euro geführt, hatte das Gericht damals erklärt.

Bei den Cum-Ex-Geschäften war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mithilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit – also cum – und ohne – ex – Dividendenanspruch.

Bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Zuletzt hatte es im Juni eine Razzia gegen acht Beschuldigte bei der DekaBank in Frankfurt gegeben. Im bundesweit ersten großen Strafprozess hatte das Bonner Gericht im März 2020 Bewährungsstrafen gegen zwei britische Aktienhändler verhängt.


Aus: "Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ex-Chef der Warburg-Bank" (5. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-07/cum-ex-warburg-christian-olearius


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Quote[...] Etwa elf Millionen Haushalte in Deutschland können nicht genug für ihre Rente zurücklegen. Das ergab eine Untersuchung der Deutschen Versicherungsgesellschaft (GDV). Demnach sind vor allem untere Einkommensbezieher sowie Alleinstehende und Alleinerziehende betroffen. In vier von zehn Erwerbshaushalten sei der finanzielle Spielraum selbst dann zu klein, wenn sie ihr monatlich frei verfügbares Geld vollständig für die Altersvorsorge einsetzen würden.

Aufgrund des geringen Sparpotenzials bestehe in diesen Gruppen Nachhol- und Unterstützungsbedarf, sagte Prognos-Studienleiter Oliver Ehrentraut. Mögliche Zulagen, beispielsweise die staatliche Riester-Förderung oder auch Arbeitgeberzuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung, flossen den Angaben zufolge in die Berechnung nicht mit ein.

Die derzeit hohe Teuerung verschärfe die Situation zusätzlich. "Die Inflation erhöht einerseits den Vorsorgebedarf für die Zukunft, engt aber zugleich den Spielraum zum Sparen heute ein", sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Eine bessere Förderung insbesondere von Geringverdienern sei daher dringend notwendig, zumal die steigenden Preise die unteren Einkommensgruppen am stärksten treffen, hieß es.

Während die Konsumausgaben aller Haushalte seit April 2021 um durchschnittlich 5,7 Prozent gestiegen sind, erhöhten sie sich im untersten Einkommensviertel der Haushalte demnach um 7,8 Prozent. "Die Inflation verschärft die Altersvorsorgesituation breiter Bevölkerungsteile", sagte Ehrentraut. Menschen mit geringen Einkommen könnten die Teuerung kaum auffangen, da bei ihnen der Anteil an nicht notwendigen Ausgaben relativ klein sei. "Die Mehrausgaben gehen dann zulasten des Sparpotenzials und damit der Altersvorsorge."

Um vor allem Geringverdienern das Sparen zu erleichtern, sprach sich der GDV für ein attraktiveres und einfacheres Fördersystem aus. "Eine Erhöhung der Zulagen ist nötig", sagte Asmussen. Zugleich müssten die Ertragschancen in der geförderten Altersvorsorge verbessert werden, um der Inflation zu begegnen. Auch die Kosten der Produkte könnten der Versicherungswirtschaft zufolge sinken, wenn gesetzliche Vorgaben vereinfacht und komplizierte Wahlmöglichkeiten wegfallen würden.


Aus: "Elf Millionen Haushalte können nicht genug fürs Alter sparen" (6. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-07/altersvorsorge-rente-geringverdiener

Quotedorfbeobachter #9

"Etwa elf Millionen Haushalte in Deutschland können nicht genug für ihre Rente zurücklegen. Das ergab eine Untersuchung der Deutschen Versicherungsgesellschaft (GDV). Demnach sind vor allem untere Einkommensbezieher sowie Alleinstehende und Alleinerziehende betroffen. "

Halte ich für untertrieben.  ...


Quotepropac #7

Fällt uns jetzt die Lohnpolitik der letzten 20 Jahre auf die Füße? Frei nach Schröder und dem geilsten Niedriglohnsektor in ganz Europa?


...

Textaris(txt*bot)

#1304
Quote[...] Junge Erwachsene fallen einer Studie zufolge häufig durch die Maschen des Wohnungslosenhilfe-Netzes. ,,Viele Jugendämter fühlen sich nicht mehr zuständig für junge Erwachsene", heißt es in der am Dienstag in München veröffentlichten Untersuchung des Sozialpädagogischen Instituts des Vereins SOS Kinderdorf. Wohnungslosigkeit sei auch ein Indiz für das Versagen vorgelagerter Hilfsstrukturen.

Für die qualitative Studie hatte das Institut 14 Fachkräfte in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe interviewt. In einer zweiten Forschungsphase erstellte es 15 Fallstudien von jungen Wohnungslosen.

Psychische Probleme und eine negative Selbstsicht der Wohnungslosen sind der Untersuchung zufolge wesentliche Gründe dafür, dass Hilfe nicht greift. Die Fachkräfte gaben an, sie erlebten häufig, dass Betroffene sich selbst ausgrenzten und nicht an ihre Fähigkeiten glaubten. Sie seien oft so mit sich selbst beschäftigt, dass sie kaum Kapazitäten hätten, sich mit anderen Dingen auseinanderzusetzen.

Problematisch seien auch ererbte Verhaltensmuster. Ihre Familien seien oft von Alkohol und Schulden geprägt, so dass sie in Armutskarrieren hineingeboren würden und keine Orientierung hätten, wie sie gut ins Leben starten könnten.

Dennoch sei Wohnungslosigkeit junger Menschen nicht nur ein individuelles, sondern auch ein strukturelles Problem. Die Anlaufstellen im Bereich Therapie und Psychiatrie zum Beispiel seien unzureichend.

In Deutschland sind schätzungsweise 37.000 Menschen unter 27 Jahren wohnungslos. Diese Zahl zeige das Versagen des Sozialsystems, sagte Sabina Schutter, Vorstandsvorsitzende von SOS Kinderdorf: ,,In Deutschland sollte kein junger Mensch auf der Straße leben müssen." ´(epd)


Aus: "Hilfe erreicht junge Wohnungslose oft nicht" (12.07.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/jugendaemtern-fehlt-zustaendigkeitsgefuehl-hilfe-erreicht-junge-wohnungslose-oft-nicht/28500336.html

https://www.tagesspiegel.de/berlin/viele-kommen-bei-freunden-unter-befragung-soll-zahl-der-verdeckt-obdachlosen-menschen-in-berlin-ermitteln/28071882.html

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Quote[...] So viele Menschen wie nie zuvor in Deutschland müssen ihre Lebensmittel von den Tafeln beziehen. Eine Umfrage unter den bundesweit 962 Einrichtungen ergab, dass die Zahl der Kundinnen und Kunden seit Jahresbeginn um etwa die Hälfte gestiegen sei, teilte der Dachverband Tafel Deutschland mit. "Damit suchen deutlich über zwei Millionen armutsbetroffene Menschen Unterstützung bei der Ehrenamtsorganisation – so viele wie nie zuvor."

Fast jede fünfte Tafel gab bei einer Umfrage im Juni an, Lebensmittel an doppelt so viele oder noch mehr Menschen als vor einem halben Jahr zu verteilen. Mehr als 60 Prozent der Tafeln verzeichnen einen Zuwachs von bis zu 50 Prozent. Zu den neuen Kunden zählten vor allem Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch viele Arbeitslose, Geringverdiener und Rentnerinnen.

Jede dritte Tafel musste den Angaben zufolge einen Aufnahmestopp einführen. Es fehlten Lebensmittel oder Ehrenamtliche, um allen zu helfen, die nach Unterstützung fragten. "Die Tafeln sind am Limit", sagte der Tafel Deutschland-Vorsitzende Jochen Brühl. "Wir sehen deutlich, dass es den Menschen jetzt am Nötigsten fehlt und rufen weiterhin zu Spenden für die Tafeln auf." Er kritisierte, dass der Staat für die Versorgung der Menschen sorgen müsse – nicht das Ehrenamt.

Der Sozialverband Deutschland forderte die Ampel-Koalition deshalb dazu auf, mit weiteren Entlastungsmaßnahmen gezielt Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zu unterstützen. Der Hilferuf der Tafeln sei "ein echtes Armutszeugnis für Deutschland".

Die Tafeln sammeln überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern und verteilen diese. Mehr als 60.000 Ehrenamtliche engagieren sich dabei.


Aus: "Mehr als zwei Millionen Menschen suchen Hilfe bei der Tafel" (14. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-07/lebensmittel-tafeln-anstieg-zwei-millionen

QuoteSumtina #2

Wenn man dann noch bedenkt, dass bislang die meisten noch nicht von den erhöhten Energiekosten, sondern rein durch die Teuerung der Lebensmittel dort anstehen, kann man in etwa eine Ahnung bekommen, wie das in ein paar Monaten aussieht. ...


QuoteHeini Huckeduster #2.1

@Sumtima: Dafür können Sie doch kluge Ratschläge im Kommentar 1 lesen!

["Müssen ist ja relativ. In der Regel muss man, weil man das Geld woanders ausgegeben hat. ...."]


QuoteEin Unbekannter #10

Dieses traurige Szenario wird sich im kommenden Halbjahr bestimmt noch verstärken.
Gleichzeitig werden immer noch tonnenweise Lebensmittel weggeworfen, weil es günstiger und einfacher ist. Das wäre ein Punkt den eine Regierung sofort ändern könnte.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wegen des Arbeitskräftemangels in einigen Branchen hat Spanien seine Einwanderungsgesetze gelockert. So würden die oft langwierigen und ungeeigneten Einwanderungsverfahren, die hohe "soziale und wirtschaftliche Kosten" für Spanien verursachten, verbessert, teilte die Regierung mit. Mit der Reform soll der Arbeitskräftemangel etwa im Tourismus und in der Landwirtschaft bekämpft werden.

Unter anderem können Nicht-EU-Bürger, die seit mindestens zwei Jahren in Spanien leben, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen, wie das Ministerium für soziale Sicherheit mitteilte. Internationale Studentinnen können künftig während ihres Studiums bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten. Nach ihrem Studium können sie in Spanien eine Arbeit aufnehmen. 

Spanien hat eine im EU-Vergleich hohe Arbeitslosenrate von 13,6 Prozent. Arbeitgeber haben nach eigenen Angaben jedoch Schwierigkeiten, in Branchen wie dem Tourismus, der Landwirtschaft, dem Bau- und Transportwesen Arbeitskräfte zu finden.


Aus: "Spanien lockert Einwanderungsgesetze wegen Arbeitskräftemangels" (26. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/2022-07/spanien-arbeitskraeftemangel-einwanderungsgesetze-migration-tourismus-landwirtschaft

QuoteCala 2 #2

Immer wieder erstaulich, dass in Zeiten der Not, Einwanderungsgesetze gelockert werden.
In Wahrheit geht es nicht u die Menschen, sondern nur um die Wirschaft, dafür sind Migranten dann gut genug.
Doppelmoral in Hochpotenz.


Quoteregelaltersrentner #6

In der Landwirtschaft in Spanien werden meistens illegale Migranten eingesetzt, die man mit einem Euro in der Stunde abspeist.

Europas dreckige Ernte: Ausbeutung mit EU-Geldern | mehr/wert | BR Fernsehen
02.08.2018  Zehntausende Flüchtlinge und Migranten aus Afrika werden in der Landwirtschaft brutal ausgebeutet. Sie ernten in Spanien und Italien Obst und Gemüse, das in Deutschland zu Billigpreisen verkauft wird. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks erhalten Betriebe, die gegen Lohn- und Arbeitsschutzvorschriften verstoßen, sogar millionenschwere EU-Subventionen. ...
https://youtu.be/cZXGHspYW9E

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Paweł Nowodwórski

13:06 Zwangsarbeit. Konzern Schwarz (Lidl, Kaufland) verkauft spanische Bio-Zucchini nur für 2,98 EUR/kg


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QuoteJuergen Haecker #8

Das macht mich richtig wuetend. Ich bin durch die Gemuese- und Obstanbaugbiete im Sueden Spaniens (und Mittelspaniens) gefahren. Mit dem Rad. Oft hatte ich kaum meine Augen und meinen Mund wegen der Insekten offen lassen koennen. Aber gesehen habe ich genug. Menschen schwarzer Hauptfarbe, die vor einer Behausung aus Paletten und Textilfolie auf einem Feuer ihr Essen in einer Pfanne gekocht haben. Erzaehl mir bitte nicht jemand was von Folkore. Bei spanischem Obst/Gemuese muss ich nur noch ...


Quotekonne #9

Der Artikel umgeht leider wie die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und Tourismusbranche sind (Arbeitsstunden und Löhne) ein Landwirkt kann es sich nicht leisten 1000 Euro für eine Arbeitskraft zu zahlen auch in der Tourismusbranche geht es in vielen Bereichen ebenso (Arbeitszeit kann 19 oder 12 Stunden täglich betragen). Sehr einseitig der Artikel.


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Textaris(txt*bot)

#1306
Quote[...] Die im September geplante Ablösung von VW-Konzernchef Herbert Diess durch Porsche-Chef Oliver Blume ruft bei manchen Investoren und Branchenexperten Stirnrunzeln hervor. Dabei geht es etwa um die Frage, warum der künftig mit einer Beraterfunktion ausgestattete Diess gerade vor einem Jahr noch einmal vorzeitig einen neuen Vertrag erhielt. Im Juli 2021 stimmte der Aufsichtsrat der bis zum Oktober 2025 laufenden Weiterverpflichtung zu - obwohl es schon damals und zuvor von mehreren Seiten erhebliche Kritik an Diess' Führungs- und Kommunikationsstil gegeben hatte.

"Die Vertragsverlängerung aus dem letzten Jahr ist nicht nachvollziehbar", sagte der Leiter des Bereichs Unternehmensführung und Nachhaltigkeit bei der Sparkassen-Fondstochter Deka, Ingo Speich. Die Demission von Diess sei "ein Abgang mit Ansage", die Kontrolleure hätten weit früher Konsequenzen ziehen können. Diess selbst soll Druck für die Verlängerung gemacht haben. "Die Rechnung trägt jetzt wieder einmal der Aktionär", meinte Speich. "Auch der neue Beratervertrag wirft mehr Fragen als Antworten auf." Allein für das Jahr 2021 erhielt Diess inklusive Rentenansprüchen mehr als 10 Millionen Euro.

Die VW-Vorstandsgehälter lassen sich im Zeitverlauf nur schwer vergleichen und genau vorhersehen, weil sie von variablen Boni abhängen. Einige Beobachter schätzen, der bisherige Konzernchef - obschon bald nicht mehr in dieser Position - könnte bis Herbst 2025 bis zu weitere 30 Millionen Euro verdienen. "Der goldene Handschlag ist Zeichen schlechter Unternehmensführung und hat bei VW leider Tradition", kritisierte Janne Werning von Union Investment. Bereits mit Bernd Pischetsrieder in den 2000er Jahren oder mit der 2016/2017 nur gut ein Jahr gebliebenen Rechtsvorständin Christine Hohmann-Dennhardt seien hoch dotierte Fortzahlungen oder Abfindungen vereinbart worden.

Ein anderer Analyst sagte, diese Praxis sei aus seiner Sicht eine "Sauerei", zumal im Fall von Diess gleichzeitig Gerüchte zur Kürzung Zehntausender Jobs kursiert hätten. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sprach von einem "Aufsichtsrat ohne Kompass, der in einem Jahr Hü, im anderen dann Hott" sage. Das komme einer "strategischen Minderleistung" gleich.

Mitglieder des Gremiums wollten sich mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Sitzungen nicht zur damaligen Entscheidung äußern, auch nicht im Lichte der Entwicklungen davor. 2020 hatte Diess Teilen des Aufsichtsrats gar strafbares Verhalten und "fehlende Integrität" durch Indiskretionen vorgeworfen.

Zunächst war Diess bis zum Frühjahr 2023 als Vorstandschef der größten europäischen Autogruppe bestellt. Es gab jedoch mehrfach Konflikte mit dem Betriebsrat, der IG Metall und dem Land Niedersachsen, die neben den Vertretern der Eigentümerfamilien Porsche/Piëch die wichtigsten Aufseher stellen. Hinzu kamen zuletzt teure Verzögerungen bei eigener Software, die Modellanläufe gefährdet haben sollen. Im vergangenen Jahr habe noch niemand der entscheidenden Akteure den Bruch mit Diess gewagt, hieß es im Umfeld der Kontrolleure - im Nachhinein sei man oft klüger. Jetzt habe man aber gemerkt, dass es einfach nicht mehr weitergehe.

Quelle: ntv.de, kst/dpa [THEMEN: Volkswagen Herbert Diess Abfindungen Managergehälter]


Aus: "30 Millionen für drei Jahre? - "Goldener Handschlag" für bald Ex-VW-Chef in der Kritik" (27.07.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Goldener-Handschlag-fuer-bald-Ex-VW-Chef-in-der-Kritik-article23489862.html

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Quote[...] Wer in Deutschland studiert, bekommt vom Staat Geld, wenn die Eltern arm genug sind. Die Förderung für Studierende, Auszubildende und Schüler nennt sich Bundesausbildungsförderung, besser bekannt als BAföG. Seit den 1970ern gibt es sie. Mit dem BAföG will der Staat für mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit sorgen. Ab diesem Wintersemester bekommen Studierende gar höhere BAföG-Sätze. Die Inflation verschlingt das Geld aber direkt wieder. Wir haben mit Studierenden gesprochen, wie sie gerade klarkommen. Spoiler: eigentlich gar nicht.

Einige haben uns gebeten, ihre Namen nicht oder nicht vollständig zu nennen. Wer wenig Geld hat, muss mit einem sozialen Stigma leben, obwohl viele Menschen für ihre Armut gar nichts können. Wir sind den Bitten nachgekommen.

"Jetzt, wo ich krank bin, habe ich doch die Heizung angestellt. Seit einigen Tagen bin ich aus dem Krankenhaus zurück. Dort wurde ich wegen eines Kreuzbandrisses operiert. Gerade kann ich nicht viel mehr machen, als rumsitzen und mein Bein hochlegen – und das ist einfach zu kalt ohne Heizung. Über die Nachzahlung will ich gar nicht nachdenken.

Ich studiere Architektur und habe zwei Jobs. So arbeite ich 40 Stunden in der Woche. Das Studium kommt obendrauf. Damit das klappt, muss ich jeden Tag sehr gut planen. So ein Architekturstudium ist teuer: 100 Euro gehen jeden Monat für Pappen, Cuttermesser und Klebstoff drauf. Zu meinen Prüfungsleistungen gehört es, Modelle zu bauen. Doch das Material stellt die Hochschule nicht.

Aktuell ist es echt schlimm. Ich habe keine reichen Eltern, die mir Geld überweisen können. Meine Familie wohnt in Bayern. Ich sehe sie nur selten. Zugfahrten sind teuer. Es ist ein Unding, dass ich mir so was vom Mund absparen muss. In meiner Freizeit gönne ich mir kaum noch etwas, vielleicht mal einen Kaffee. Aber wirklich nur einen.

Meine Freunde sind heute ins Klimahaus nach Bremerhaven gefahren, einer interaktiven Ausstellung zu Wetter und Klima. Selbst wenn ich gesund wäre, wäre ich wohl nicht mitgefahren. Der Eintritt für eine Studentin kostet dort 14 Euro.

Die meiste Zeit esse ich Nudeln mit Pesto. Das macht wenigstens satt. Für die Abwechslung gibt es auch mal Brot mit dem günstigsten Hummus. Vor dem Studium habe ich viel mehr auf gesunde Ernährung geachtet. Aber gerade ist mir frisches Gemüse zu teuer.

Als Studentin wird man von der Politik mit lächerlichen Beträgen abgespeist: 230 Euro Heizkostenzuschuss für BAföG-Beziehende. Das reicht doch nicht. Man müsste das BAföG einmal komplett umkrempeln und an die Inflation anpassen. Aber bis sich das ändert, habe ich bestimmt schon meinen Studienabschluss." – Josephine, 24, Bremen

"Mein leiblicher Vater meldet sich nicht beim BAföG-Amt. Darum bekomme ich derzeit gar kein Geld. Mein BAföG-Antrag hängt in der Bearbeitung fest. Ich lebe bei den Eltern von Freunden. Zwar würde ich gern Miete zahlen, aber ich kann nicht. Ich habe kaum Geld.

Ich studiere in Düsseldorf. In den vergangenen Wochen habe ich nach WG-Zimmern gesucht. Unter 500 Euro findet man einfach nichts. Im BAföG sind aber nur 360 Euro als Wohnpauschale vorgesehen. Eigentlich sollte ich den Höchstsatz bekommen. Doch der reicht nicht: Bücher, Essen, mein Hund – das alles kostet Geld.

Darum habe ich neben dem Studium immer gearbeitet. Zurzeit bin ich als Hostess auf Messen unterwegs. Mit 29 Jahren stehe ich dort neben 19-Jährigen. Sie geben ihr Geld für Partys aus, ich zahle meine Krankenversicherung.

Dass in Deutschland jede Person studieren kann, ist pure Satire. Ein Studium muss man sich leisten können. Das klingt richtig traurig, wenn ich es so ausspreche. Bei mir war es finanziell immer eng. Das BAföG ist ja knapp bemessen. Trotzdem konnte ich manchmal etwas für Urlaub zurücklegen. Inzwischen denke ich nicht mehr über Urlaub nach. Stattdessen überlege ich mir zweimal, ob ich mir den veganen Schokoriegel kaufe." – Desiree, 29, Düsseldorf

"Ich bekomme 267 Euro BAföG im Monat. Wenn ich die Krankenversicherung, den Semesterbeitrag und die Fahrkarte für den Zug davon abziehe, bleiben mir 50,80 Euro für Essen, Kleidung, Kino und Bücher. Das sind 1,70 Euro pro Tag. Da kann ich mir mal ein Brötchen kaufen.

Ich lebe bei meinen Eltern in Löchgau, etwa eine Stunde von Stuttgart entfernt. An der Hochschule in Stuttgart studiere ich Informatik. Jeden Tag fahre ich erst mit dem Bus, dann mit dem Zug und dann laufe ich zur Hochschule. Miete, Wasser und Strom muss ich zum Glück nicht zahlen. Aber ich möchte meinen Eltern und meinem kleinen Bruder gern helfen. Darum versuche ich schon, einmal in der Woche für uns alle einzukaufen.

Das geht nur, weil ich in den Semesterferien arbeite. Dann stehe ich mehr als zwei Monate lang in der Fabrik und stecke Teile für eine Kunststofffirma zusammen. Dafür gab es bisher 10,50 Euro pro Stunde. Seit Oktober gilt der neue Mindestlohn, in den nächsten Ferien bekomme ich 12 Euro. Ich arbeite Vollzeit und im Schichtdienst. So verdiene ich in den Semesterferien mehr als 3.000 Euro. Das Geld muss bis zu den nächsten Semesterferien reichen, also ein halbes Jahr lang.

Urlaub ist da nicht drin, höchstens mal eine Woche in Deutschland. Ich muss ja auch Bücher und Materialien fürs Studium bezahlen. Vor Kurzem habe ich mir überlegt, ein Tablet zu kaufen. Viele meiner Kommilitonen haben eins und müssen nicht mehr auf Papier mitschreiben. Ich habe mich dann gegen den Kauf entschieden. Zurzeit geht das einfach nicht.

Die BAföG-Erhöhung in diesem Semester bringt mir nichts. Sie wird komplett von der Inflation verschlungen. Was mir wirklich helfen würde, wäre, den Semesterbeitrag nicht mehr zahlen zu müssen. Das sind mehr als 200 Euro.

Ich bin jetzt im zweiten Semester. Aber ich weiß schon, dass ich das Studium nicht in der Regelstudienzeit packe. Das Pensum ist hoch. Ich musste einige Seminare auf spätere Semester schieben und eine Matheprüfung wiederholen. BAföG gibt es allerdings nur während der Regelstudienzeit. Wie ich mich ohne BAföG finanzieren soll? Ich habe keine Ahnung! Vielleicht muss ich das Studium dann abbrechen." – Sergej Ponomarjow, 28, Stuttgart

"Meine Tochter ist ein Jahr alt. Sie ist glücklich, wenn sie auf dem Spielplatz im Sand wühlt. Und ich bin dankbar, dass ihre Hobbys mich noch nicht so viel kosten.

Es macht mich so müde und mürbe, ständig über Geld nachzudenken. Wir leben in Mannheim, ich bin alleinerziehend und habe nun ein Studium begonnen. Gleichzeitig begleite ich meine Tochter bei der Eingewöhnung in der Kita. Nachts lese ich dann so viel ich kann aus den Seminaren. Ich habe begonnen, Soziale Arbeit zu studieren, damit es uns später mal besser geht.

Gerade ist es so: Die Kita kostet 600 Euro im Monat, für die Miete zahle ich 900 Euro. Um das zu stemmen, arbeite ich in der Psychiatrie im Schichtdienst. Trotzdem bleiben uns pro Woche nur 8 Euro für Essen und Freizeit. Ich kaufe mir nie unterwegs etwas. Stattdessen schmiere ich mir nur noch Brote.

Mein BAföG-Antrag ist zwar gestellt, aber noch nicht genehmigt. Ständig will das Amt ein neues Formular oder einen neuen Nachweis. Solche Hilfen zu beantragen, kostet unglaublich viel Zeit und Nerven. Selbst wenn ich den BAföG-Höchstsatz bekäme, müsste ich weiterhin arbeiten. Zum Glück bringt meine Mutter uns ab und zu ein paar Lebensmittel vorbei." – Anonym, 30, Mannheim

"Das einzige Hobby, das ich mir noch leiste, ist mein Hund. Alles andere habe ich aufgegeben. Spotify, Audible, Fitnessstudio, Zahnzusatzversicherung – all das kann ich nicht mehr bezahlen. Ich studiere im fünften Semester Kulturwissenschaften und beziehe den Höchstsatz BAföG. Außerdem habe ich einen Minijob im Altenheim und verdiene zusätzlich 450 Euro im Monat. Damit habe ich 1.250 Euro im Monat.

Früher musste ich mir keine Gedanken darüber machen, welche Nudeln ich kaufe. Inzwischen schaue ich genau, was beim Discounter im Angebot ist. Ich ernähre mich vegetarisch. Seit die Preise so sehr angestiegen sind, verzichte ich auf Ersatzprodukte wie vegane Schnitzel oder Würste. Stattdessen esse ich mehr Gemüse, aber auch das ist teurer geworden.

Ich lebe gemeinsam mit sechs Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Lüneburg in Niedersachsen. Im Wohnzimmer und in der Küche haben wir Holzkamine. Die anderen Zimmer und das Wasser werden mit Gas erhitzt. Wir haben uns noch nicht getraut, unsere Schlafzimmer zu heizen. Stattdessen nehme ich nun öfter mal eine Wärmflasche mit ins Bett.

Mit meinem Hund habe ich mir einen Traum erfüllt. Darum spare ich an mir selber. Mit meiner Mutter habe ich vereinbart, dass sie im Notfall für meinen Hund aufkommen könnte. Wenn sie mir Geld gibt, wird das vom BAföG abgezogen. Aber das BAföG-Amt kann nicht verbieten, dass sie die Rechnung beim Tierarzt bezahlt.

Eigentlich sollte das BAföG ja allen ermöglichen zu studieren. Der Staat macht ein Versprechen, die Inflation bricht es. BAföG zu beziehen darf doch nicht bedeuten, dass man gar keine Hobbys mehr haben kann.

Vor meinem Studium habe ich mir einen genauen Finanzplan gemacht. Ich habe alle Ausgaben addiert und überlegt, was ich mir leisten kann. Doch mit der Inflation ist dieser Plan hinfällig. Den einmaligen Heizkostenzuschuss habe ich zurückgelegt, aber ich weiß nicht, ob das für Nachzahlungen reicht. Ich hoffe einfach, dass in unserem Haushalt nichts kaputtgeht. Wenn wir eine neue Waschmaschine kaufen müssten, ginge der Heizkostenzuschuss sicher dafür drauf.

Das einzige, was mir Mut macht, ist, dass wir uns in unserer WG gegenseitig unterstützen. Ich müsste nicht hungern, wenn mein Geld aus ist. Aber natürlich will ich mit 28 Jahren auch nicht darauf angewiesen sein, dass mich meine Mitbewohnerinnen durchfüttern." – Fina Saskia, 28, Niedersachsen


Aus: "Menschen - "Mir bleiben 1,70 Euro am Tag": So hart trifft die Inflation junge Menschen" Sabrina Winter (14.10.2022)
Quelle: https://www.vice.com/de/article/dy7wqy/inflation-bafoeg-junge-menschen-studieren-krise-armut

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Quote[...] Wo und wie König Maha Vajiralongkorn seinen runden Geburtstag feiert, das weiß in Thailand fast niemand. Wer sich auf den Straßen der Hauptstadt Bangkok umhört, erntet Schulterzucken. In der Heimat ist der Monarch nur selten zu sehen, meist bei offiziellen Zeremonien.

Die meiste Zeit verbringt er wohl in Bayern, in seiner Villa am Starnberger See, aber auch von dort dringt mittlerweile kaum noch etwas über ihn und sein Leben an die Öffentlichkeit. Bekannt ist: Mit einem geschätzten Vermögen von 30 Milliarden Dollar (über 29 Milliarden Euro) gilt Rama X., so sein offizieller Name, als reichster Royal der Welt. Am Donnerstag (28. Juli) wird er 70 Jahre alt.

Der Geburtstag des Königs ist in Thailand immer ein öffentlicher Feiertag. In diesem Jahr dürfen sich die Bürger sogar auf ein langes Brücken-Wochenende freuen. Die staatliche Eisenbahn feiert den Tag mit Sonderfahrten von zwei Dampflokomotiven aus dem Zweiten Weltkrieg.

Die Züge bringen Interessenten auf einer historischen Route von Bangkok ins 80 Kilometer entfernte Ayutthaya, die frühere Hauptstadt des Königreichs Siam. So könnten Thais ,,an den Feierlichkeiten teilnehmen und ihre Loyalität gegenüber Seiner Majestät zeigen", zitierte die Zeitung ,,Nation Thailand" einen Bahnsprecher.

Maha Vajiralongkorn wurde als das zweitälteste Kind und einziger Sohn von Bhumibol Adulyadej und Königin Sirikit geboren. Als sein Vater 2016 starb, musste der damals 64-Jährige in riesige Fußstapfen treten. König Bhumibol galt in den sieben Jahrzehnten seiner Regentschaft als volksnah und pflichtbewusst. Von den Untertanen wurde er fast wie ein Gott verehrt. Sein Tod löste im Land eine beispiellose Welle von Trauerbekundungen aus.

Der Kronprinz hingegen hatte eher als Lebemann von sich reden gemacht, der zum Zeitpunkt seiner Krönung bereits drei gescheiterte Ehen hinter sich hatte. Lange wurde er als eine Art asiatischer Vetter von Prinz Charles beschrieben, von dem man nicht wusste, ob er jemals den Thron besteigen würde.

Seine Mutter, die im August 90. Geburtstag feiert, sagte einmal über ihn: ,,Mein Sohn hat etwas von einem Don Juan. Frauen finden ihn interessant, und er findet Frauen noch interessanter." Aus seinen Ehen gingen fünf Söhne und zwei Töchter hervor. Sein Sohn und Thronerbe, der 2005 geborene Prinz Dipangkorn, geht – soviel man weiß – in Deutschland auf eine Privatschule. Mit Königin Suthida (44), ehemals Stewardess, nach einigen Beförderungen nun Generalleutnant, ist er seit drei Jahren verheiratet.

Die beiden gaben sich nur wenige Tage vor der offiziellen Krönung im Mai 2019 das Jawort. Als sich Maha Vajiralongkorn Bodin Dradebaya Warangkun (was in etwa so viel heißt wie: ,,Der König der Blitze, Abkömmling von allmächtigen Gottheiten") offiziell die 7,3 Kilogramm schwere ,,Goldene Krone des Sieges" aufsetzte, war er schon zweieinhalb Jahre Monarch. Seit Beginn der Chakri-Dynastie 1782 haben erst neun Könige die gewichtige Krone getragen. Das Protokoll ist eisern, in Deutschland lebt es sich leichter.

Aber auch wenn der Regent meist außer Landes weilt, so ist er doch in der Heimat omnipräsent: Allerorts prangen überlebensgroße Porträts, nicht nur in staatlichen Behörden, sondern auch auf Schulhöfen, in der Bahn, vor den riesigen Shopping-Malls und sogar von vielen Hochhäusern blickt er herab. Streng und meist in goldenem Ornat, aber auch in Uniform mit vielen Orden ist er zu sehen, manchmal allein, oft zusammen mit Suthida.

Wie die Offiziellen ihren König gerne sähen, erfährt man am besten im Kino. Vor jedem Film wird ein Zusammenschnitt mit Szenen aus seinem Leben gezeigt, vor allem aber von seiner Krönung. Winkend steht er mit seiner Familie auf einem Balkon, Zehntausende jubeln ihm zu. Dazu wird die feierliche Königshymne gespielt. Als Regel gilt: Jeder soll aufstehen. In jüngster Zeit befolgen aber längst nicht mehr alle die Vorgabe.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Demonstrationen, bei denen die Änderung eines strengen Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung gefordert wurde. Auf Kritik am König, an der Königin und anderen Mitgliedern des Hofes stehen drakonische Strafen von bis zu 15 Jahren Haft. Das Thema war in dem südostasiatischen Land lange ein Tabu. Das Königshaus hat in Thailand aber auch weiterhin viele Anhänger.

Thailands Könige haben seit der Abschaffung der absoluten Monarchie 1932 auf dem Papier eigentlich keine politische Macht mehr. Trotzdem spielt das Königshaus eine hochpolitische Rolle: Ohne dessen Gunst kann in Bangkok keine Regierung überleben - auch die Militärs nicht, die seit 2014 wieder an der Macht sind. (dpa)


Aus: "Maha Vajiralongkorn von Thailand – der reichste König der Welt wird 70" (27.07.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/29-milliarden-euro-samt-villa-in-bayern-mahavajiralongkorn-von-thailand-der-reichste-koenig-der-welt-wird-70/28553562.html

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Quote[...] Die Angst vor Corona und das Chaos an vielen Flughäfen haben das Reisen verändert. Wer es sich leisten kann, fliegt im Privatjet. Die Nachfrage in dem Segment hebt derzeit ab

... "Die veränderte Nachfrage und die Probleme in der Luftfahrt haben der Privatjet-Branche einen Nachfrageschub beschert", sagt Monika Rosen-Philipp, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG). Die Nutzung von Privatflugzeugen hat besonders im Vorjahr stark zugenommen. Auch weil Menschen wegen Corona lieber unter sich bleiben, als mit hunderten anderen Passagieren im Flugzeug zu sitzen.

Laut dem Luftfahrtdatenforscher Wingx gab es 2021 weltweit 3,3 Millionen Privatflüge – das ist neuer Rekord. Die Zahl lag sieben Prozent über dem bisherigen Hoch aus 2019. Die USA und Europa weisen dabei das größte Wachstum aus.

Immer mehr Menschen suchten nach einer individuellen Reiselösung mit Erlebnischarakter, zitiert die BBC Ian Moore, Chief Commercial Officer des Privatflugzeugunternehmens Vista-Jet. Das global agierende Unternehmen mit Hauptsitz in Malta betreibt 73 Flugzeuge. Laut Moore ist die Kundennachfrage im Vorjahr in Europa um 26 Prozent und im Rest der Welt um 21 Prozent gestiegen. Dabei stammten 71 Prozent der Anfragen von Passagieren, die zuvor keine regelmäßigen Nutzer der privaten Luftfahrt waren.

Die Nachfrage zu decken wird immer schwieriger. Jettly, eine neue Online-Buchungsplattform für Privatflugzeuge, erhielt zuletzt weltweit 15.000 Anfragen. Auch Jet-it und Jet-Club berichten, dass sie Schwierigkeiten haben, genügend neue Flugzeuge zu bekommen, um mit der Nachfrage Schritt zu halten.

... "Der Nachteil ist hier freilich die Umweltbelastung", sagt Rosen-Philipp und weist auf die schlechte CO2-Bilanz solcher Trips hin. Denn Privatflugzeuge sind fünf- bis 14-mal umweltschädlicher als kommerzielle Flieger. Hinzu kommt: je älter die Maschine, desto umweltschädlicher. Auch in diesem Sektor läuft zwar der Umstieg auf Bio-Kraftstoffe oder Wasserstoff. Doch auch das dauert. Der Bau neuer Maschinen verzögert sich. Bombardier, führender Anbieter in diesem Segment, kommt mit der Produktion neuer Flieger kaum nach. Neue Umweltauflagen sind ein Grund dafür, aber auch die Lieferkettenprobleme verzögern hier den Abflug.


Aus: "Warum immer mehr Menschen mit dem Privatjet in den Urlaub fliegen" Bettina Pfluger (1.8.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000137918785/neuer-trendim-privatjet-in-den-urlaub

Quote

MuhSagtDieKuh

Ist mir schon im Juni in Kroatien aufgefallen, an manchen Tagen ist alle paar Minuten ein Privatjet vom Inselflughafen abgehoben. Vor der Pandemie waren es eine handvoll pro Woche. Ziele meist an der Côte d'Azur oder auf griechischen Inseln.

... in den USA oder in UK ist der Privatjet mittlerweile in der oberen Mittelschicht angekommen, den man sich gönnt, wenn man mit Freunden auf Urlaub ist. Kein Stress am Flughafen, keine besoffenen Partytouristen in der EasyJet, und gerade bei Inseln auch der Vorteil, dass man sich Umsteigeverbindungen oder Fähren spart.


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Quote[...] "Das war wohl ihr letzter gemeinsamer Immobiliendeal", schrieb die "New York Times" jüngst über ein Fleckchen Land auf dem Golfplatz von Ex-US-Präsident Donald J. Trump im Bundesstaat New Jersey. Es dient nun als letzte Ruhestätte für seine kürzlich verstorbene Ex-Frau Ivana Trump, die Mutter der drei gemeinsamen Kinder Ivanka, Donald Jr. und Eric Trump. Es sei entsprechend umgewidmet worden, um ihr dort eine traditionelle katholische Beisetzung zu ermöglichen, hieß in dem Artikel.

Ivana Trump, die von 1977 bis 1992 mit Donald Trump verheiratet war und eine zentrale Rolle bei seinen Immobiliengeschäften spielte, war Mitte Juli bei einem Unfall in ihrem New Yorker Anwesen ums Leben gekommen. Die Trauerfeier fand in einer Kirche an der Upper East Side statt. Danach wurde ihr goldgefärbter Sarg nach Bedminster in New Jersey verfrachtet und im engen Familienkreis in der Nähe des ersten Lochs auf dem Golfparcours beigesetzt.

Doch das stille und diskrete Begräbnis hat auch eine in sozialen Medien eine vieldiskutierte Frage aufgeworfen: Erhofft sich Ex-Präsident Donald Trump von der Beisetzung seiner Ex-Frau auf seinem Golfplatz einen Steuererlass?

Nach Angaben der Soziologieprofessorin Brooke Harrington, die am Dartmouth College unterrichtet und sich mit Steuerfragen befasst, ermöglicht es die Gesetzeslage in New Jersey, dass der Golfplatz nun als Friedhof durchgehen könnte und damit steuerbefreit wäre. Denn Friedhofsbetreiber sind laut Gesetzestext all jene Personen, Firmen oder Organisationen, "die einen Grund verwalten, der für die Beisetzungen von menschlichen oder kremierten Überresten gewidmet ist". Und Friedhofsbetreibern wird in New Jersey die Grund-, Einkommens- und Umsatzsteuer erlassen.

Unklar ist aber, wie groß ein entsprechender Steuernachlass ausfallen würde. Denn laut "Guardian" würde dieser nicht für den gesamten Golfplatz gelten, sondern nur anteilsmäßig, da er schlichtweg zu groß ist. Die Familie Trump hat sich einstweilen nicht zu den Spekulationen zu Wort gemeldet.

Bekannt ist allerdings, dass Trump schon lange angedacht hatte, einen Friedhof in New Jersey zu betreiben. Vor zehn Jahren wollte er sich selbst nach Medienberichten dort ein Mausoleum errichten. Später war ein Friedhof auf einem 20 Minuten entfernten Grundstück im Gespräch. 2017 wurden Pläne für zweierlei Friedhöfe am Golfplatz bekannt: einen mit zehn Gräbern für den engsten Familienkreis und einen weiteren mit rund 260 Plätzen zum Erwerb. Gebaut wurde bisher noch gar nichts: Nun macht Ivana Trump den Anfang – einzig eine Plakette und ein Strauß Blumen markieren Fotos des Boulevardblatts "New York Post" zufolge das Grab ohne Grabplatte.


Aus: "Warum ließ Donald Trump seine Ex-Frau auf dem Golfplatz bestatten?" Flora Mory (1.8.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000137932183/warum-liess-donald-trump-seine-ex-frau-auf-dem-golfplatz


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Quote[...] Annekathrin Kohout ist freie Kunstwissenschaftlerin und Autorin.  ...

Vorbei an den titanweißen Rillen, den ockerfarbenen aufgereihten Erhebungen und einer Lasur aus Purpur: Sanft streichelt Johanna Dumet mit ihren gepflegten Fingern, an denen ein prunkvoller, mit Steinchen besetzter Ring funkelt, über den pastosen Farbauftrag des eigenen Gemäldes. Beim Zuschauen ist das beinahe ein visuelles ASMR-Erlebnis. Es ist ein Ausschnitt aus einem Video, mit dem die Künstlerin auf Instagram ein neues Gemälde vorstellt: The most expensive cake in the world. In zwei weiteren Slides desselben Posts ist das Bild dann auch in Gänze zu sehen: eine zehnstöckige rosafarbene Torte, auf deren Etagen die Namen der zehn wertvollsten Modemarken der Welt geschrieben stehen (Nike an der Spitze, Chanel am Boden) und von Kirschen gekrönt werden; die Torte befindet sich unter einem schwungvollen, grün-weiß gestreiften Baldachin. Davor sitzt die Künstlerin lässig auf einem Designersofa, von Kopf bis Fuß in den Markenklamotten gekleidet, die sich bei Influencer:innen besonderer Beliebtheit erfreuen. Alle Labels sind verlinkt, genauso wie Dumets Galerie und die Messe, auf der das Bild bald zu sehen sein wird.

Angesehene Schriftsteller:innen und Kolleg:innen haben den Beitrag von Johanna Dumet geliked. In den Kommentaren zur Torte senden trendy Berliner Influencer Herzchen, eine prominente Podcasterin fragt, ob es sich bei dem Ring um einen Verlobungsring handelt, mal mehr und mal weniger anonyme Fans teilen mit, wie sehr sie die Arbeit der Künstlerin schätzen. Und es wird gefragt, wo und wie das Kunstwerk denn zu erwerben sei. Vermutlich gar nicht mehr, weil längst verkauft. So oder so: Johanna Dumet hat ein Vorzeigenetzwerk, und nicht erst, seit der Kunstmarkt-Influencer Magnus Resch entsprechende Analysen vorgelegt hat, ist Konsens, dass der Erfolg von Künstler:innen ganz wesentlich von ihrem Netzwerk abhängt. Um eines zu knüpfen und zu unterhalten, bietet Instagram die besten Voraussetzungen.

Instagram nimmt seit über einem Jahrzehnt maßgeblich Einfluss auf die Kunstszene. Künstler:innen können sich und ihre Arbeiten dort selbst inszenieren, sich mit einflussreichen Protagonist:innen des Kunstbetriebs verbinden, die ihrerseits neue Positionen zunehmend über die Plattform entdecken, ja vielleicht sogar durch den ganz und gar nicht banalen Algorithmus auf sie gestoßen werden. Nicht wenige Künstler:innen haben mittlerweile Follower und Fans, denen sie auch etwas bieten müssen. Und davon profitieren wiederum alle, die mit Kunst Geld verdienen wollen oder müssen. Manche Ausstellungen wirken bereits so, als hätte man sie für Instagram gemacht: Sie präsentieren followerstarke und fotogene Positionen, die möglichst viele Storys zum Event provozieren sollen.

Es gibt Medien, die es auf Instagram leichter haben als andere. Künstlerische Fotografie muss sich zum Beispiel in dem ohnehin fotografielastigen Medium viel stärker behaupten als Malerei, die im endlosen Feed direkt als Kunst heraussticht. Malerei, gerade wenn sie besonders üppig oder gestisch aufgetragen wurde, hatte es anfänglich schwer in den digitalen Medien. Größe, Haptik und die damit verbundenen Sinneseindrücke gingen verloren, die Bilder wirkten flach. Doch still und heimlich hat sich die Malerei mittlerweile neben der digitalen Kunst und NFTs zur Social-Media-Königin unter den künstlerischen Medien gemausert. Und das ist nicht zuletzt ihrer Materialiät zu verdanken, mit der sich – wie bei Dumet – sinnliche Videos erstellen lassen, die die Tastsinnbedürfnisse einer "berührungslosen Gesellschaft" befriedigen, wie es Elisabeth von Thadden in ihrem gleichnamigen Buch formulierte.

Natürlich müssen Künstler:innen auch selbst einige Voraussetzungen mitbringen, um erfolgreich zu sein. Was auf aufmerksamkeitsökonomischen Plattformen bedeutet: viele Likes und Kommentare zu erhalten, oft geteilt und so von Galerist:innen, Sammler:innen und Ausstellungsmacher:innen entdeckt zu werden. Neben dem Talent zur Vernetzung und Selbstinszenierung, dem Beherrschen der dissimulatio artis (sprich: dem authentischen Storytelling), ist es ebenfalls wirkungsvoll, ein Umfeld zu schaffen oder zu haben, das instagramable ist. In dem Kunst-Podcast Extrem Dumme Fragen antwortete Johanna Dumet auf diejenige, ob es ein Ereignis gebe, das den Beginn ihrer Karriere markiere, es sei die Investition in ein großes und ansehnliches Atelier gewesen. Denn dort sei es ihr fortan möglich geworden, ihre Malerei auf bestmögliche Art für Instagram zu inszenieren.

Mittlerweile haben Künstler:innen verschiedene Strategien entwickelt, sich auf Instagram zu präsentieren und sich zu den dort vorherrschenden Bildwelten zu verhalten. Wenig überraschend zeigen sich die meisten professionell oder erfolgreich; Bilder vom schönen Scheitern oder Inszenierungen als armer Künstler kommen selten vor (oder werden wenig angezeigt). Am geläufigsten sind Profile, die als Portfolios verwendet werden, einschließlich Einblicken in das Making-of, das Künstlerbüro und die Ausstellungspraxis. In dem Fall scheint Instagram eher ein Marketing-Tool neben anderen zu sein.

Doch es gibt ein neues Konzept, dem möglicherweise auch ein neues Selbstverständnis zugrunde liegt. Es besteht gerade nicht darin, lediglich die eigene Kunst oder Person zu bewerben, sondern darüber hinaus mit der eigenen Arbeit auch andere Produkte. Gerade Johanna Dumet macht das auf erstaunlich virtuose Weise. Luxus und Lifestyle, die Lieblingsthemen auf Instagram, sind oft ihre Motive. Etwa üppig gedeckte Tische mit Hummerkrabben und Champagner oder High Heels. Während andere Influencer:innen Luxusprodukte mit einem Outfit-Posting bewerben, malt sie Prada-Handschuhe, eine Yves-Saint-Laurent-Tasche und dazu Tabi-Schuhe von Maison Margiela. Ihr Kommentar dazu: "Who cares about Berlin winter when you have some Prada fancy gloves and you can walk in the dirty snow with your white Maison Margiela Tabi shoes and your Yves Saint Laurent Bag, really who cares?" ("Wen interessiert schon der Berliner Winter, wenn man ein paar schicke Handschuhe von Prada hat und mit seinen weißen Maison-Margiela-Tabi-Schuhen und seiner Yves-Saint-Laurent-Tasche durch den dreckigen Schnee laufen kann, wen kümmert das schon?")

Was man an dieser Stelle noch für kritische Affirmation oder bloße Ironie halten könnte, erweist sich jedoch als scheinbar offene Umgangsweise mit dem eigenen Markenfetischismus. Dumet kooperiert etwa mit Hermès, und für das Traditionshaus dürfte sie eine besonders wertvolle Influencerin sein, drückt sie doch allein mit ihrer künstlerischen und handwerklichen Arbeit eine Art von Luxus aus, in dem mehr Geld und Arbeit steckt als in einem sonst üblichen Outfit-Foto.

Johanna Dumet ist keinesfalls ein singuläres Phänomen, allerdings im deutschsprachigen Raum relativ einzigartig. Vielleicht, weil man sich hierzulande mit Konsumbekenntnissen immer schon schwerer tat. Tatsächlich gibt es aber international zunehmend Künstler, die mit ihrer Arbeit influencen, ja sogar zu Botschaftern einzelner Marken werden. Anders als bei Takashi Murakami oder Jeff Koons, die ebenfalls in regelmäßigen Abständen mit Labels kooperieren und deren Taschen oder Sneakers gestalten, werden bei Johanna Dumet, Andy Dixon oder Ignasi Monreal die Labels direkt in die eigene Bildwelt integriert. Sie werden zum Sujet und geraten im Kontext von Instagram dadurch zu individuellen und kreativ anmutenden Werbebildern unter anderen.

Das Werk des kanadischen Malers Andy Dixon ist mittlerweile sogar so eng mit dem Modelabel Versace verschränkt, dass die Referenz zu seiner individuellen Handschrift geworden ist. Wie auch bei Dumet handelt es sich dabei keinesfalls um Kritik, sondern um eine Identifikation mit der Luxusmarke. Er habe sich in früheren Arbeiten auf das Haus bezogen, weil er sich von dessen Ethos angezogen fühle, erklärte der Künstler etwa in einem Interview mit dem Magazin Fashion. Dass Versace seine in der Kunst entwickelten Entwürfe mittlerweile produziert, ist für Dixon ein wahr gewordener Traum.

Anders als in der Pop-Art, die sich eher auf die Alltagskultur der Vielen als auf die Luxuserfahrungen der Wenigen bezog, scheinen Kunst-Influencer Hermès-Taschen oder Versace-Shirts zu malen, um (mit ihren Werken) Teil jener Welt zu werden, in der man solche Gegenstände besitzt. Es ist sozusagen eine Art Vorstellungsgespräch, vergleichbar mit der Arbeit der klassischen Influencer, die auch erst Streetfotos mit selbst gekauften Sachen machen, sich so beweisen müssen, bevor sie die neuesten It-Pieces von den Unternehmen zugeschickt bekommen.

So sehr eine Plattform wie Instagram ökonomischen und gesellschaftlichen Aufstieg verheißt (und der in seltenen Fällen auch wahr wird), lautet die traurige Wahrheit aber letztlich, dass dieser in den meisten Fällen nicht ohne Ressourcen und Privilegien durch eine entsprechende Herkunft gelingt. In der hat man etwa ganz selbstverständlich gelernt, wie man sich präsentieren oder verhandeln, welche Konventionen man beherrschen muss.

In der Kunstwelt kamen lange Zeit die Ärmsten und Reichsten der Gesellschaft zusammen. Das ist eigentlich eine einzigartige Situation: Prekär lebende und arbeitende Künstler:innen trinken auf Ausstellungseröffnungen Champagner mit superreichen kosmopolitischen Sammler:innen, die gerade einen Zwischenstopp auf dem Weg von der Art Basel auf die Biennale in Venedig einlegen. Während sich die wohlhabenden Sammler:innen durch den Umgang mit Künstler:innen und bildender Kunst einen intellektuellen Anstrich geben können, profitieren die Künstler:innen von der finanziellen Unterstützung. Zumindest war das die für lange Zeit gültige unausgesprochene Vereinbarung, ein Tauschgeschäft zum Nutzen aller Beteiligten, das es so in keiner anderen Kultursparte gibt, weder in der Musik noch im Theater oder Film: Der frei verhandelbare Preis von physischen Kunstwerken (und besonders die Idee des Originals und damit Unikats) hat eine ganz eigene Marktsituation und Ökonomie geschaffen. Die hat auch deshalb so gut funktioniert, weil sich beide Parteien der jeweils anderen überlegen fühlen durften. Trotz gegenseitiger Abhängigkeit konnten sich die einen, die Künstler:innen, vormachen, moralisch, geistig, weltanschaulich in der stärkeren Position zu sein – und die anderen, die gut situierten Sammler:innen, blieben es objektiv finanziell, mit Ausnahme jener wenigen Künstler:innen, deren Erfolg derart groß war, dass sie irgendwann auch zu den Reichen gehörten.

Nun läuft dieses Abkommen aber Gefahr, beendet zu werden. Für Wohlhabende ist es nicht mehr von so großer Bedeutung, sich kunstaffin zu zeigen. Heute kann ihnen popkulturelle Bildung einen ebensolchen Statusgewinn verschaffen, wie es einst im eigenen Milieu nur Kenntnis und Unterstützung der Hochkultur vermochte. Ein Kostüm von Lady Gaga oder Art Toys von auf Instagram erfolgreichen jungen Nachwuchskünstler:innen zu besitzen, kann von genauso großer Attraktivität sein, wie ehedem Inhaber eines Gemäldes des heute längst unbezahlbaren Gerhard Richter zu sein. Und das Netz stellt, mehr noch als zuvor die Reproduktion von Originalen als Drucke, die Idee des physischen Besitzes von Kunst infrage. Sind NFTs dort nicht nur scheinbar eine ökonomische Lösung, ein Paradox und ein scam: Warum etwas kaufen, was man physisch nicht besitzen kann?

Bildende Künstler:innen büßen aus diesem Grund zunehmend ihre Sonderstellung ein. Einige reagieren darauf wie Dumet oder Dixon auf Instagram, wo die physisch existente Kunst ja nur abgebildet wird. Andere beginnen, die Gründe für das Nicht-mehr-Funktionieren des Sammler-Künstler-Verhältnisses kritisch zu hinterfragen. Worüber lange eher geschwiegen wurde, das thematisieren Künstlerinnen wie Zoë Claire Miller oder Marta Vovk in aller Direktheit sowohl in Zitatkacheln auf Instagram als auch in ihrer Kunst selbst: die Klassenfrage und die strukturellen Probleme dahinter. Wie sind die vorhandenen Abhängigkeiten entstanden? Woher kommt die Asymmetrie der Macht? Und auch: Woher kommt eigentlich das Geld der superreichen Kunstsammler:innen? Wie lassen sich die Arbeitsbedingungen der Künstler:innen verbessern?   

Instagram und die dort übliche gewollte oder ungewollte Präsenz des sozialen Status provoziert also unter Künstler:innen sehr unterschiedliche Reaktionen. Während die einen selbst zu Influencern werden, versuchen sich andere mit aller Kraft dem Lifestyle-Medium zu entziehen oder kämpfen sogar als Aktivist:innen gegen die oft bloßen Verheißungen eines berauschenden Jetset-Lebens an.

"Luxus ist eine Trotzreaktion", hat der Philosoph Lambert Wiesing einmal gesagt und dieser Erfahrung ein ganzes Buch gewidmet. Für das individuelle Erleben trifft das gewiss zu, ist damit doch oft eine irrationale Sehnsucht nach der Befreiung von jedem Vernunfts- und Effizienzdenken verbunden. Doch darum scheint es nicht zu gehen, wenn Johanna Dumet ihren "most expensive cake in the world" mit der Bemerkung kommentiert, schockierend sei auch, dass Zara und H&M es in die Top Ten der "wertvollsten Modemarken" geschafft hätten – was da noch zu sagen bleibe? Hier ist Luxus nur Anspruch und Distinktion, Lambert Wiesing würde wohl sagen "Protz". Es muss für Dumet wohl fast schon eine Qual gewesen sein, die vermeintlich niederen Brands in ihr Gemälde zu integrieren. Das spaßig als "Integrität" zu würdigen, wie es einer der Kommentatoren auf Instagram tat, bereitet bei all dem offen ausgelebten Klassismus dann doch ein bisschen Gänsehaut.



Aus: "Instagram: Ein Herzchen für die Kunst" Annekathrin Kohout (1. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-08/johanna-dumet-kunst-influencer-instagram-werbung-10nach8/komplettansicht

QuoteSammysYoga #1

Üble Entwicklung von Kunst zur protzigen statusymboligen Edelmarkendekoration. ...


QuoteFehrberlliner #2

"Nun läuft dieses Abkommen aber Gefahr, beendet zu werden. Für Wohlhabende ist es nicht mehr von so großer Bedeutung, sich kunstaffin zu zeigen."

Ganz im Gegenteil. Anders gesagt: Die Explosion des Kunstmarktes durch die Entdeckung der "Kunst" als Accessoire für "Wohlhabende" (nicht mehr wie früher einige, sondern zahllose Reiche) ist schon seit ca. 15 Jahren ins Werk des Zeitgeistes gesetzt, so dass es für "Künstler" nur noch von Bedeutung ist, sich wohlstandsaffin zu zeigen.

= Ende der Kunst.

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Quotesimplizisimus #10

Die Moderne ist in die Jahre gekommen...


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Quote[...] Die Lage im Frankfurter Bahnhofsviertel wird immer prekärer und durch Baustellen sowie das Neun-Euro-Ticket zusätzlich erschwert.

Frankfurt - Die Frau schreit, schlägt mit ihrer Handtasche nach einem Radfahrer, taumelt und stürzt der Länge nach auf den Asphalt. Der Mann auf dem Fahrrad lacht, steigt dann ab und hilft der Frau auf, die offensichtlich völlig zugedröhnt ist und sich jetzt an ein geparktes Auto anlehnen muss.

Es ist Dienstag, 11.30 Uhr, in der Frankfurter Moselstraße. Die Szene spielt sich unmittelbar vor dem ,,Hotel Mosel" ab, in dem in der Nacht ein Mensch erschossen wurde. Doch die drei Polizisten, die den Eingang bewachen, nehmen von der Frau und dem Radfahrer keine Notiz, zu gewöhnlich. ,,Das ist eine andere Welt", sagt ein Passant, der den Vorfall beobachtet hat.

Zu der ,,anderen Welt" gehört auch die Niddastraße, direkt um die Ecke. Dort vegetieren zur gleichen Zeit etwa zwei Dutzend Menschen vor sich hin und freuen sich über den Schatten, der sich auf dem Bürgersteig noch bietet. Sie setzen sich Spritzen, kramen nach Essen oder Drogen. Es sind Szenen wie diese, die den neuen Frankfurter Polizeipräsidenten Stefan Müller erschrecken und von einer ,,Verelendung" sprechen lassen, gegen die dringend etwas getan werden müsse.

Die Probleme im Frankfurter Bahnhofsviertel sind wahrlich nicht neu, aber vor allem in dem Gebiet zwischen Taunus- und Niddastraße immer sichtbarer. Klaus-Dieter Strittmatter kennt sie. Der ehemalige Polizist ist nicht nur Vorsitzender des Frankfurter Präventionsrats, sondern seit 2017 auch ,,Sonderkoordinator Bahnhofsviertel".

Bei Streifzügen zeigt er Verantwortlichen des Ordnungsamts und anderer Gremien verschiedene Problemstellen. Da gebe es zum einen ,,die Baustellenproblematik", sagt Strittmatter. Baugerüste würden von der Klientel oft schon als heimelig genug empfunden, um darunter zu campieren oder die Notdurft zu verrichten. Die Baustellen selbst würden aber auch ,,fehlgenutzt". ,,Die Drogenklientel hat ein hohes Ruhebedürfnis und sucht Rückzugsbereiche."

Dafür überwinde sie auch schon mal einen zweieinhalb Meter hohen Bauzaun. ,,Das Leben auf der Straße macht hart", sagt Strittmatter. In anderen Bereichen machen die Baustellen die Verelendung hingegen noch deutlicher sichtbar. Nämlich dort, wo die Deutsche Bahn die Abgänge zur B-Ebene gesperrt und mit Stacheldraht umzäunt hat und damit Möglichkeiten nimmt, sich ein bisschen zu verstecken.

Das Bahnhofsviertel war nie ein Ort beschaulicher Friedlichkeit, doch mittlerweile vergeht kein Tag, an dem es nicht im Polizeibericht auftaucht. ,,Es gibt zunächst mal eine hohe Aggressivität in der Szene untereinander", weiß Strittmatter. Aber auch Touristen, Schaulustige oder zufällige Passanten können schnell zum Opfer werden. Wer abends oder nachts alkoholisiert unterwegs sei, ,,wird als Opfer der Beschaffungskriminalität auserkoren", sagt Strittmatter, fügt aber an, dass für die vielen Raubstraftaten nicht nur die Drogenszene verantwortlich sei.

Auch andere Kleinkriminelle suchen im Bahnhofsviertel nach Kundschaft und werden meist fündig. Stritmatter entwirft folgendes Szenario: Jemand hat in Sachsenhausen gebechert und will mit dem Zug nach Hause. Bis zur Abfahrt ist noch ein wenig Zeit. Dann wird in einem der ,,Spätis" im Bahnhofsviertel Nachschub gekauft und vielleicht noch ein Gespräch gesucht ...

Verschlimmert hat sich die Situation Strittmatter zufolge ausgerechnet durch das Neun-Euro-Ticket der Bahn. Das locke nicht nur Klientel an, die nun ohne hohe Fahrtkosten günstige Drogen in Frankfurt kaufen könne, sondern befördere auch den Katastrophentourismus. ,,Wir stellen junge Leute fest, die sich durch die entsprechende Berichterstattung in den Medien motiviert fühlen, sich das im Bahnhofsviertel mal selbst anzuschauen und bei Instagram zu posten", sagt Strittmatter und erinnert an einen Vorfall Anfang Juli, der ihn als Präventionsexperten besonders empört habe.

Ein Betrunkener wird niedergeschlagen und ausgeraubt. Der Raub wird per Handy gefilmt und ins Netz gestellt. Doch niemand der Zeug:innen alarmiert die Polizei. Die erfährt erst Tage später durch das Video von dem Vorfall, nach dem das Opfer ohne Bewusstsein im Krankenhaus landete.

Der nochmalige Anstieg von Raubstraftaten im Bahnhofsviertel in jüngster Zeit sei nicht zu leugnen, sagt Strittmatter. Mitte August habe er einen Ortstermin mit dem neuen Polizeipräsidenten, im September werde das Bahnhofsviertel auch Thema bei einer Sitzung des Präventionsrats sein. Die Situation ist mittlerweile so schlimm, dass einige Angehörige von Stadtpolizei und Feuerwehr gar nicht mehr in Frankfurt arbeiten wollen und die FES für die vielen Sperrmülleinsätze im Bahnhofsviertel nur noch mit uniformierter Verstärkung anrückt.

Vor dem Hotel Mosel ist an diesem Mittag noch immer die Polizei zugange. Auf dem Hotelbuchungsportal booking.com heißt es übrigens: ,,Highlight der Unterkunft: Dieses Hotel befindet sich im wahren Herzen von Frankfurt".


Aus: "Frankfurter Bahnhofsviertel: Elendstourismus nimmt zu" Oliver Teutsch (03.08.2022)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-bahnhofsviertel-elend-drogen-kriminalitaet-drogen-polizei-91702321.html

Quotewally

Natürlich ist das 9-Euro-Ticket schuld. Vorher gab es diese Probleme nicht. Der Bahnhof roch nach Rosenduft, es gab kostenlose öffentliche Toiletten, es wurde geputzt und die Polizei verteilte Flugblätter für Druckräume.


QuoteElbiz Kashmore >> wally

Richtig, so einen Blödsinn liest man selten und auch noch ausgerechnet von einem ehemaligem Polizisten, ''Vorsitzender des Frankfurter Präventionsrats'' und ''Sonderkoordinator Bahnhofsviertel''. Das Einzugsgebiet der täglich anreisenden Konsumenten von ''günstigen Drogen'' (meint der das ernst?) geht schon immer weit über das Rhein-Main-Gebiet hinaus, also bis hinter Friedberg, Hanau, Darmstadt, Mainz. Ebenso wenig ist der ''Katastrophentourismus'' eine Folge des 9 € Tickets, Menschen kommen seit jeher aus allen Gegenden des Erdballs zu Messen, kulturellen Ereignissen oder um Tante Gerda zu besuchen. Anschließend gehts in die Stangenbar zum entspannen und wenn nebenan ein Junkie kollabiert, wird halt das Handy gezückt und stante pede Pic oder Vid getwittert, oder auf Insta geteilt ...


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Für Betriebe wird es immer schwieriger, Auszubildende zu finden. Mehr als vier von zehn Ausbildungsbetrieben konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Das geht aus einer neuen Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hervor. DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sprach von einem neuen Allzeithoch. Befragt wurden rund 15.000 Ausbildungsbetriebe.  ...



Aus: "Immer mehr Betrieben gehen die Auszubildenden aus" Isabelle Daniel (18. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2022-08/ausbildungsplaetze-bewerbermangel-dihk-industrie

QuoteJupp_Zupp #60

Worüber jammern die überhaupt? Die Gehirnwäsche hat doch gewirkt! Eine ganze Generation lang ist den Leuten gepredigt worden, dass nur die höchste Ausbildung einigermaßen sichere Jobs verschafft - jetzt haben wir eine Abiturientenquote von 50%. Und wer will dem akademischen Prekariat, das daraus erwächst, schon das verstopfte Klo reparieren, wenn man Influencer werden kann? Oder Regieassistent? Und auch Genderwissenschaftler geht.
Auf einem funktionierenden "Markt" wird knappes Gut schlagartig teuer - sieht man gerade schön am deutschen Energiemarkt. Mit Arbeit hat das seit Jahren nicht funktioniert - im Gegenteil. Früher gab es mal sowas wie betriebliche Altersversorgungen - da lacht der moderne Arbeitgeber nur. Muss man Rückstellungen machen, bindet Kapital, schlecht für die Bilanz. Früher gab es Tarifverträge, die mit Gewerkschaften ausgehandelt wurden - da gab's dann auch schonmal eine Woche Streik. Heute ist mehr als die Hälfte der Arbeitgeber nicht mehr tarifgebunden - da wird jeder einzeln runterverhandelt.
Das Land erntet gerade alle faulen Früchte seiner verdrängten, wegverkauften oder outgesourcten Probleme auf einmal und beschwert sich, dass der Korb stinkt.


QuoteMagisch #53

Viele dieser Stellen zahlen nach der Ausbildung 10-15 Euro pro Stunde. Ist klar, dass keiner mehrere Jahre zu weit unterhalb des Mindestlohns lernen will, um danach Mindestlohn oder knapp drüber zu verdienen. Besonders prägnant ist das bei Berufsgruppen wo die Arbeit zusätzlich sehr stressig und körperlich anspruchsvoll ist.


Quotearmer Familienvater_einst Gutverdiener #41

Tja, gerade Handwerk und Gastro hinken in ihrem Selbstverständnis so etwa 150 Jahre der Gegenwart hinterher. Im späten Mittelalter war eine Ausbildung im Handwerk die einzige Möglichkeit für junge Männer ( damals ja ausschließlich ) ein selbstbestimmtes, auskömmliches Leben führen zu können. Die mussten ab der frühesten Jugend im Haus des Lehrmeister gegen Bezahlung völlig fremdbestimmt leben und lernen, und das war trotzdem ein riesiges Priveleg. Und es gab sehr viel mehr Bewerber als Lehrstellen. Die Alternative war ein vegetieren als Tagelöhner, Soldat oder unfreier Pächter eines Besitzenden. Der Klerus war eine weitere Möglichkeit, natürlich auch nicht für jeden. Und die Gastronomie war selbstausbeuterisches Ich-AG Einzelunternehmertum, so etwa wie heute die Dönerbuden, die ganze Familie schuftet unbezahlt rund um die Uhr. Ist jetzt natürlich stark verkürzt und nicht geschichtswissenschaftlich unantastbar, soll nur zeigen, dass in diesen Branchen auch heute noch oft so gewirtschaftet und gedacht wird, ihr dürft froh und glücklich sein, hier lernen und arbeiten zu dürfen, idealerweise für Gotteslohn.


QuoteChristopherLein #42
Also meine Freundin ist ausgebildete MTA bei einem Arzt in München. Die Praxis sucht händeringend nach neuen Leuten und dennoch lassen es sich dei Halbgötter in weiss nicht nehmen jede Woche Arzthelferinnen anzuschreien, niederzumachen so dass diese regelmäßig weinen... Sicher ein Extremfall aber ein realer Fall und was meine Freundin von den Praxen vorher erzählt ist auch nicht besser.

So sieht mE die reale Welt aus und nicht dass die Betriebe auf irgendwas eingehen...

Weder im medizinischen bereiche noch sonstwo... Ich zB wurde mehrfach in der IT befördert - man könnte also meinen man wollte mich halten - und trotzdem hat Chef immer Recht, erzählt regelmäßig blödisnn. Beim vorherigen Arbeitgeber durften wir mal 25 von 27 Kalendertagen arbeiten (Arbeitsgesetzte völlig egal). Beim jetzigen Arbeitgeber ist angeblich ein great place to work und trotzdem erzält die Chefetage ziemlich offenkundig Schwachsinn ... etc...


QuoteSt.Ma #17

Ich habe ursprünglich Hotellerie und Gastronomie gelernt, in insgesamt 4 weiteren Ländern gearbeitet, Hotelfachschule und dann Aussicht auf 10-20 unbezahlte Überstanden pro Woche, Wochenendarbeit, Nachtarbeit und das zu einem lausigen Gehalt.

Nie wieder!

Ich möchte jedem dringend abraten Koch, Kellner oder einen sonstigen Job anzunehmen. Eure Zukunft wird erbärmlich, Eure Lebenserwartung sind um die 60 Jahre. Lasst Euch nicht ausbeuten!

Die Branche ist 100 Jahre hinten dran und wird es nie lernen. Die Politik sollte sich unterstehen, Reservekräfte aus dem Ausland zu holen, um die miesen Arbeitsbedingungen zu konservieren. Ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter, denen immer wieder gesagt wurd, dass es eines Tages besser wird.


QuoteMrMiaggi #19

Ich weiß was helfen würde: ausbildende nicht als Auszubeutende Behandeln! Anständige Bezahlung! Keine unbezahlten Überstunden wie im Gastgewerbe! Und noch hunderte andere Möglichkeiten junge Menschen für die Ausbildung zu begeistern... Aber es wird lieber Fachkräftemangel geschrien und die Ausbildungsvergütung bleibt Niedrig, Selbst schuld!


QuoteKangarooster #19.1

"lEhRjAhRe SiNd KeInE hErReNjAhRe" durfte ich neulich wieder in einem Gasthaus hören, wo sich irgendein Handwerker beschwert hatte, dass sich die Jugend ja so arg anstellt und die sowieso schon zuviel während der Ausbildung verdienen, im Vergleich zu früher. Da braucht man sich halt auch nicht wundern wenn die Leute wegbleiben.


QuoteJetztAberSchnell #22

Jetzt fordern sie hier alle faire Löhne im Gastgewerbe, aber die damit verbundenen Preiserhöhungen wollen dann wahrscheinlich nur wenige zahlen. Wobei ich zugeben muss, dass ich auch keine 15-20 € für eine mittelmäßige Pizza Margherita zahlen würden. Dann mache ich mir die lieber selbst.


Quoteansv #63

So lange Eltern mitleidig angeschaut werden, wenn sie sagen "Mein Kind macht eine Ausbildung zum...." wird sich daran nichts ändern.

Und warum werden sie mitleidig angeschaut?
Weil der Akademiker per se mehr verdient. Weil der Controller, der den Verrechnungssatz des Monteurs bestimmt, doppelt so viel verdient, wie der Monteur. Obwohl es ohne den Monteur gar keine Wertschöpfung zu berechnen gäbe.

Wir machen die Welt zu dem was sie ist.


QuoteClosed Door #22.1

Wenn das Gastgewerbe nur mit Dumpinglöhnen funktioniert, kann es weg. Die Menschen die jetzt noch ins Restaurant gehen, können sich Preiserhöhungen locker leisten. Es gibt kein Recht auf billige Mitarbeiter.


Quoter.d.wunsch #22.3

"Es gibt kein Recht auf billige Mitarbeiter."

Niemand zwingt die Leute für wenig Geld zu arbeiten. Dadurch funktioniert die Wirtschaft so wie wie sie kennen seit Jahrhunderten.
Bzw: wer selber keine höhere Qualifikation erreichen kann ist selber schuld, oder wenn er zu blöd ist hat er eben Pech.


QuoteUniKrebsforscher #32

Wenn man sieht wie unfreundlich sogar manche FSJler (motiviert, kriegen kaum Geld) bei uns behandelt werden braucht man sich nicht zu wundern. ...


QuoteFrancescoCalzone #45

Diese Situation, so, wie sie jetzt ist, ist das Produkt einer langjährigen Politik: Etwa in der Frage, wie künftig die Rente gesichert werde, da entstanden bisweilen Horrorszenarien , die viele Bereitwillige abschreck(t)en ins Handwerk zu gehen: Als Dachdecker bis 67 buckeln - oder vielleicht noch ein bißchen länger - 70? ...


Quotesascha_fuchs #48

Es rächt sich halt, vor vielen Jahren hatte die Wirtschaft geweint das ihnen Fachkräfte fehlen, dewegen müssen die günstigen aus dem EU Ausland her. Der Staat hat das vereinfacht, am Lohnniveau hat sich nichts verbessert. Und damit sind eben immer mehr abgesprungen und würden ihren Kindern solche Jobs auch nicht empfehlen.

Dazu kommt die Joblandschaft verändert sich, als ich in den 90ern meine Lehre zum Energieelektroniker gemacht habe, war das Internet nur ein Trend der nach ein paar Jahren wieder vorbei ist. Dumm gelaufen hat sich durchgesetzt und damit eine Reihe von vielen neuen Jobs geschaffen. Klassische Bürojobs mit Excel Listen wollte ich nicht. Nach der Bundeswehr bin ich halt Entwickler und verdiene gutes Geld ohne mit im Winter den Arsch abzufrieren oder im Hochsommer 20kV Kabel einen Berg hoch zu zerren. Vor allem ist das Jobprofil Attraktiver, fordernder. Als Elektriker hätte ich Baugruppen selbst reparieren können, aber es hieß nur "So was tauschen wir nur aus" - danke dafür mache ich 3 Jahre eine Ausbildung


Quote4h-Liga #49

Die Jungen machen sich nicht mehr kaputt für die paar mickrigen Euros. Kaputter Körper, keine zu erwartende Rente und ein Steuersystem, dass Einkommen aus der eigenen Hände Arbeit stärker belastet, als wenn das Geld für einen arbeitet bietet halt keinen Anreiz.

Sowas kommt von sowas!

...

Auf welchen Rücken wird Wertschöpfung erreicht?
Auf dem der ArbeiterInnen.

Und wer profitiert überproportional?
Die mit der fetten Knete.

Das kann alles nicht mehr lange gut gehen, aber das scheint alles egal zu sein.


QuoteSchmerzgel #66

Ich Generation Agenda 2010 , war genau 18 Jahre Alt und es ging los mit Lohndumping mit der Begründung "die Würde des Arbeitnehmer ist nur mit Abitur unantastbar" . Man hat uns gesagt "lebenslanges lernen" ist die neue Norm und hat seitdem akademisierung vorangetrieben und sich auf die Schulter geklopft wenn man eine excellence Uni hatte. Man wusste schon vom Fachkräftemangel, Pflegenotstand und dem demografischen Wandel. Man hat Lohndumping betrieben statt zu investieren, der Bildungsbürger fühlt sich nicht im Winter berufen den Anliegerpflichten nachzukommen oder dem Arbeiter ein angemessenen Gehalt zu zahlen. Wo ist das BAföG was eine Ausbildung ermöglicht, die Berufsschulen und der bezahlbare Wohnraum? Im Grunde fliegt uns der feuchte Traum vom Neoliberalismus der Boomer um die Ohren. Die sogenannten Bildungsfernen haben den Klassenkampf schon verstanden und keine Lust mehr. Bald pflegt der Arzt seinen Patienten selbst.


QuoteDuisburger Norden #65

Meine Töchter haben total unterschiedliche Wege eingeschlagen. Die eine macht gerade ihren Masten in Physik. Die andere ist ein sehr gute Floristin. ... Und beide sind von ihrer Berufswahl überzeugt auch wenn 1400€ netto bei Floristen kein Anreiz sind täglich von 8 bis 18 Uhr im Laden zu stehen.


Quotetarnow08 #69

Heutzutage zahlt man als Auftraggeber für einen Bauhandwerker einen Stundenlohn von 50-60 Euro zzgl. Mehrwertsteuer, brutto also im schnitt 65 Euro. Also das Geld geht an den Betrieb und die Steuer an den Staat. Ich in mir sicher: Wenn von diesen 65 Euro pro Stunde wenigstens die Hälfte netto an den angestellten Handwerker ginge könnten sich die Betriebe vor Auszubildenden nicht mehr retten.


QuoteWindom.Earle #70

"Orientierungslosigkeit" ist der Grund, warum junge Leute nicht ins Gastgewerbe wollen? Echt jetzt? Ich würde glauben, die sind einfach clever. Es kann ja jeder nach seiner Facon unglücklich werden oder altersarm, aber empfehlen muss man das Modell eher nicht.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] San Francisco officials estimate as many as 20,000 people will experience homelessness at some point in the year 2022 — and for every one person housed by a city program, four more will become unhoused.

Those figures, contained in a report released Thursday, reflect the Sisyphean nature of battling one of the city's worst crises in some of the starkest terms ever. As dire as those numbers are, though, the report also shows the most significant headway in 17 years in reducing overall homelessness in San Francisco.

The new data is contained in the city's full Point-in-Time Count, which fleshes out details hinted at in a much briefer summation released in May, when officials announced San Francisco saw a 3.5% drop in homelessness over three years, going from 8,035 to 7,754. That number reflects a snapshot in time — one night — versus the 20,000 people over the course of a year.

The count, normally taken every two years to qualify for federal funding, was conducted in one night in February. The last tally was done in 2019, but the city skipped a year because of the pandemic.

"There's been some good progress made, but the fact of the matter is that people are falling into homelessness faster than we can house them," said Tomiquia Moss, founder and CEO of regional housing advocacy group All Home. "We know how to house people, but we have too little of what we need."

The 20,000 and 1-to-4 numbers — presented as educated estimates, not hard-and-fast figures — are contained in the 70-page report's foreward. According to city officials, they're based on crunching a variety of figures including those from the city's homeless information tracking system, the Department of Public Health and a formula used for many years by the Corporation for Supportive Housing, a nonprofit that studies poverty and promotes housing with services for homeless people.

City public health and homelessness officials have informally been using estimates ranging from 15,000 to 20,000 for many years, but this is the first time one has been placed in such a prominent report.

The 1-to-4 figure is also slightly higher than the 1-to-3 figure commonly used by nonprofits in the region, including Moss'.

"We have included this in the foreward of our report because we think it's incredibly helpful for understanding the local context of homelessness, not just on Feb. 23, but from what our community experiences over the year," said Emily Cohen, a spokesperson for the city's Department of Homelessness and Supportive Housing. "It's an estimate for sure, more art than science."

She added that the 1-to-4 figure doesn't mean an immovable stream of homeless people will pour into the streets. Many newcomers in any given year are only unhoused for a brief period and either leave or find their own housing again.

For instance, she said, "this past fiscal year, 2,057 people exited homelessness through an HSH solution like rental assistance or supportive housing, which means about 8,000 others became newly homeless in the same period. The reason we don't have tens of thousands of homeless people on any given night is that many of those people resolved their homelessness by themselves or with the help of others.

Also worrisome was the Point-in-Time count's revelation — in supplemental figures released to the press — that the number of Latino people living in shelters or on the street has shot up 55% in the past three years from 1,524 to 2,357, reflecting what observers say is the disproportionate effect of the pandemic on lower-income people of color, many of whom lost service jobs during lockdown. Latinos are now a full 30% of the homeless population, compared with being 16% of the general population, according to the report set to be sent out Thursday.

Black people make up 38% of the homeless count compared with being 6% of the general population , a number that has been fairly consistent for many years.

Laura Valdez, director of Dolores Street Community Services, which runs the only Latino-specific shelters in the city, said the coronavirus definitely wreaked havoc on the Latino population, but the disparity predates that. Several factors might have contributed to a more accurate accounting this year, she and others said, including that this year's count teams included more on-the-ground homeless-aid workers and COVID made it harder for people to move around.

"Our analysis is that the Latinx community has always been undercounted, and we finally have data reflecting the seriousness in the community," she said. "Black and Latinx people are going to be overrepresented in the numbers of homelessness because of poverty, systemic racism, the historic marginalization of our communities, redlining, lack of affordable housing, gentrification."

She added that income inequality got worse during the pandemic because of job loss and lack of affordable housing.

"But I do think people are getting reconnected to the human suffering caused by this housing crisis. Everyone in the Mission, everyone in San Francisco — it's come to the point where you can no longer obscure the magnitude of the vast number of people impacted by homelessness," she added.

Reflecting the worsening addiction crisis in the streets, particularly with fentanyl, the percentage of homeless people with drug or alcohol problems came in at 52%, up from 42% in 2019.

On the plus side, in addition to the overall homeless count dipping, the number of unsheltered people — those living in tents, vehicles or on the street — dropped 15% compared with 2019, landing at 4,397. People living in vehicles accounted for 24% of the unsheltered count in 2022, a drop from 35% in 2019.

The last time there was such a significant drop in the unsheltered figures was 2005, when the overall count plummeted 28% to 6,248 from 8,640 in 2002, and the unsheltered figure dropped 41% to 2,655.

There's a parallel between the two dips. In 2005, the city had housed thousands of people through new initiatives, including the Care Not Cash program that swapped welfare checks for housing. And since 2019, the city has devoted millions of dollars in new initiatives that include sheltering people in hotels, safe parking and tent sites, and creating new supportive housing.

The city also found fewer chronically homeless people this year. The federal government defines chronic homelessness as someone who is homeless for more than a year or has four episodes of homelessness adding up to a year over three years, and also has a disabling condition. There were 2,691 chronically homeless people in 2022, an 11% drop since 2019.

The percentage of people who were living in San Francisco when they lost their housing stayed about the same as it has been for many years: 71%.

Officials and experts agree the biannual tally is an undercount that doesn't track people couch-surfing with friends and family or who are institutionalized. Separately, the city also counts people who are homeless in jails, hospitals and residential treatment facilities. That number dropped 30%, from 1,773 in 2019 to 1,238 in 2022.

The city's progress on housing and shelter are perhaps most notably reflected in the steep decline of homeless people in San Francisco's District 10, which includes Bayview-Hunters Point, an area with significant pockets of poverty. The overall numbers there fell 39% from 1,841 to 1,115, and the unsheltered number fell 55% to 687.

Officials attributed the drop to the creation of three navigation center shelters in the district since 2016 — one of which opened during the pandemic — and stepped-up outreach efforts.

"I'm so excited that the numbers are down, and I can see it here," said Gwendolyn Westbrook, executive director of Mother Brown's, the main homeless services nonprofit in the Bayview. "Some of that is that a lot of the old-timers here found housing units or shelter somewhere. The emergency housing vouchers from the pandemic also helped a lot."

But Westbrook isn't sure if the progress is sustainable.

"What I want to know is — is this permanent, or temporary from the things they've done during the pandemic, like the hotels they put everyone in? We'll see."

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Written By
Kevin Fagan - Kevin Fagan is a longtime reporter at The San Francisco Chronicle. ...

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Mallory Moench - Mallory Moench is a San Francisco City Hall reporter. She joined The San Francisco Chronicle in 2019 ...


From: "New data shows 20,000 people will be homeless in San Francisco this year" Kevin Fagan and Mallory Moench" (Aug. 18, 2022 Updated: Aug. 19, 2022)
Source:  https://www.sfchronicle.com/sf/article/san-francisco-homeless-population-17380942.php


Textaris(txt*bot)

Quote[...] When authorities clear homeless encampments on public property, they can't just trash the belongings of the people who were staying there illegally, a federal judge in Minneapolis ruled Friday.

Even though those erecting the camps don't have the right to stay, and even though the government does have the right to forcibly clear those camps — as Minneapolis, St. Paul and other cities have done in recent years — the people staying in those camps still have rights, including the right to not have their stuff permanently destroyed, according to an order by U.S. District Judge Wilhelmina Wright.

The ruling came Friday in a 2020 lawsuit filed on behalf of nine homeless people who say officials in Minneapolis and Hennepin County violated their constitutional rights by evicting them and destroying their property in sweeps of encampments at Powderhorn, Peavey, Kenwood and Elliot parks during the first year of the coronavirus pandemic.

The case has been watched closely by local governments, homeless advocates and civil libertarians because it could help determine the tactics authorities can and can't use — and perhaps accommodations they must make — when clearing homeless camps.

Wright previously dismissed some of the claims of the plaintiffs, who are represented by attorneys with the Minnesota chapter of the American Civil Liberties Union. And on Friday, she also rejected their argument that they had a fundamental right to privacy that would prevent authorities from making their sweeps.

The plaintiffs were living in structures unlawfully erected on public land, she ruled, and the Minneapolis Park and Recreation Board had a "strong interest in promoting the general welfare" that justified clearing them.

In Friday's ruling, however, Wright granted the homeless plaintiffs a victory, rejecting an argument by the park board that the plaintiffs had no claims under the Fourth Amendment, which protects people from unreasonable search and seizure.

"A temporary deprivation of personal property is different from a permanent deprivation," Wright wrote, and personal possessions, including documents and "irreplaceable personal effects," need not be destroyed to protect public safety and fight the spread of the coronavirus.

The ruling, which came in response to the defendants' motion to dismiss the case, doesn't resolve the matter, but rather allows parts of the case to continue to be litigated.

Since the lawsuit was filed, authorities in both Minneapolis and St. Paul have clarified procedures for clearing homeless encampments. Those procedures include providing advance notice and, theoretically, giving people staying there time to gather any belongings they want to keep.

In response to order, the park board issued a statement Friday saying it was pleased the judge agreed with some of its arguments and acknowledging she ruled against the board in other areas.

Attorneys with the ACLU could not be reached for comment.


From: "Judge: Homeless people's stuff shouldn't be destroyed when camps are cleared - Ruling goes again Minneapolis park board" 
Dave Orrick (PUBLISHED: August 19, 2022 at 6:41 p.m. | UPDATED: August 19, 2022 at 10:06 p.m.)
Source: https://www.twincities.com/2022/08/19/judge-ruling-homeless-peoples-possessions-destroyed-camps-cleared-minneapolis/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sicherheitskräfte in Katar haben mindestens 60 ausländische Arbeiter festgenommen, die gegen ausbleibende Lohnzahlungen protestierten. Ein Teil der Festgenommenen sei ausgewiesen worden, teilte das Beratungsunternehmen für Menschenrechte, Equidem Research, mit. Demnach ließen die Festnahmen Zweifel an Katars Zusicherung aufkommen, den Umgang mit den vielen ausländischen Arbeitern im Land zu verbessern.

Die Regierung des arabischen Landes teilte mit, eine Reihe von Demonstranten sei wegen Verstößen gegen die Gesetze zur öffentlichen Sicherheit festgenommen worden. Weitere Informationen zu den Festnahmen oder möglichen Ausweisungen wurden nicht veröffentlicht.

Seit Jahren kritisieren Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen die Bedingungen der Arbeitsmigranten in dem Emirat. Katar ist wie andere arabische Golfstaaten stark abhängig von ausländischen Arbeitskräften. Da praktische Arbeit unter vielen Katarern als verpönt gilt, werden sämtliche manuellen Arbeiten von Gastarbeitern vor allem aus Nepal, Pakistan und Indien ausgeführt. Sie sind es auch, die die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft errichten – unter oftmals brutalen, teils lebensgefährlichen Bedingungen.

Videoaufnahmen, die im Internet veröffentlicht wurden, zeigten etwa 60 Teilnehmer der Protestaktion am 14. August vor den Büros der Al Bandary International Group in Doha, einem Konglomerat, zu dem Bauunternehmen, Immobilien, Hotels, Gastronomie und andere Unternehmen gehören. Einige der Demonstranten hatten laut Equidem seit sieben Monaten keinen Lohn mehr bekommen. Die katarische Regierung teilte mit, das Unternehmen habe tatsächlich Löhne nicht gezahlt. Das Arbeitsministerium werde nun einspringen und alle ausgefallenen Zahlungen leisten. 

Katar hatte im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 versprochen, die Arbeitsbedingungen von Gastarbeitern zu verbessern. So wurde etwa das sogenannte Kafala-Beschäftigungssystem abgeschafft, das Arbeitgeber unter anderem darüber entscheiden ließ, ob Arbeiter das Land verlassen durften. Das Land führte auch einen monatlichen Mindestlohn von 1.000 Riyal (275 Euro) ein. Beobachter fordern dennoch mehr Unterstützung für die ausländischen Arbeiter, besonders im Streit um ausstehende Lohnzahlungen.


Aus: "Protestierende Arbeiter in Katar festgenommen" (22. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-08/katar-arbeitsbedingungen-arbeiter-festnahme

Quoteasidodipas #1

Unternehmer und Subunternehmer die Bauarbeiter ausbeuten gibt es scheinbar überall.
Habe selber mal eine Medienwelle losgetreten mit so einem Laden.
Da kam die ganze Politiprominenz zur Streikwache. ... passiert ist was?
Genau.


QuoteKrit-Leser #4

Man sollte wohl besser von Sklaven sprechen als von Arbeitnehmern. ...


QuoteAndi11 #19

Leider nichts Neues. Offenbar der Preis, den die FIFA gewillt ist für ihre WM zu zahlen. Auch das nichts Neues.


QuotePaul Ericsson #20

Es wäre überfällig im Rahmen des sich abzeichnenden Drifts hin zu autoritären Regimen, diese WM zu boykottieren.
Wie kann man so blind oder ignorant sein, die Lage der Arbeiter zu tolerieren? ...


QuoteKaroR #26

Ich habe eine Idee: Alle, die sich jetzt zurecht über die Festnahmen empören: Einfach die WM boykottieren, nicht als Übertragung anschauen, nicht streamen, und schon garnicht hinfliegen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sabine Scholl, geb. 1959, ist Schriftstellerin. Sie lebte in Chicago, New York, Japan, Berlin und jetzt wieder in Wien.
Eva Schörkhuber, geb. 1982, lebt als Schriftstellerin in Wien. Sie ist Redaktionsmitglied bei "PS – Politisch Schreiben" und Mitglied im Papiertheaterkollektiv Zunder.
Hinweis: Dieses Gespräch basiert auf einer Veranstaltung zum Thema "Haben und Gehabe. Literatur und Klasse", die in der Alten Schmiede Wien stattfand.

Die Autorinnen Sabine Scholl und Eva Schörkhuber im Gespräch über Klassenunterschiede ...



Sabine Scholl: In der Diskussion um Klasse und Herkunft wird häufig mit räumlichen Metaphern gearbeitet, um soziale Differenzen deutlich zu machen.

Eva Schörkhuber: Wenn wir über Klassen und über soziale Verortungen sprechen, ist das Gegensatzpaar Zentrum und Peripherie wichtig, auch im Hinblick auf die Infrastrukturen, also tatsächlich im Plural. Ein Beispiel dafür ist Anke Stellings Roman Schäfchen im Trockenen. Im Text geht es darum, dass eine Frau in ihren Vierzigern aus der Mietwohnung in einem Berliner Innenstadtbezirk geworfen wird. Der Mietvertrag wird von einem Freund gekündigt, der sich aufgrund einer ihrer Publikationen, in der es um eine Baugruppe geht, angegriffen fühlt. Das Horrorszenario der Protagonistin Resi ist es, an die Peripherie Berlins ziehen zu müssen, weil sie sich in der vertrauten Gegend die Miete nicht leisten kann.

Scholl: Letzteres hat auch mit dem Zugang zu guter Bildung für die Kinder zu tun. Die Adresse der Schule, die besucht wird, spielt eine Rolle, jetzt noch unabhängig vom Schultyp. Kinder aus prekären Verhältnissen müssen Bewegungen vollziehen, um an Bildung zu kommen. Meist befindet sich die bessere Schule in einem eher bürgerlichen Terrain. Aber werden die Kinder von den Lehrpersonen dazu ermuntert, obwohl ihre Eltern nicht zum Sprechtag kommen, oder bekommen sie eine Gymnasialempfehlung, wenn sie ausländisch klingende Namen tragen? Muss das Kind sich aus den schlechteren Bezirken in eine unvertraute Umgebung begeben? Muss es gewisse Verhaltensformen lernen und mit Lehrern zurechtkommen, die andere Verhaltensformen erwarten als die, die dem Kind von Haus aus vertraut sind? Damit beginnt die Klassenreise. Dann kann es passieren, dass sich durch kleine Bemerkungen große Unterschiede offenbaren. Der von unten Kommende verrät sich damit. Und es öffnet sich in dem Moment ein Abgrund für diese Person, die das wahrnimmt, und zwar bereits für das Schulkind.

Schörkhuber: Das Kind begreift, wir sind aufgrund unserer Herkunft diejenigen, die minderwertig sind.

Scholl: Das wird den Kindern auch angetragen, sie sollen sich schlecht fühlen. Es gibt immer wieder Lehrende, die Kinder als nicht zugehörig ansehen und dann keine Gymnasialempfehlung aussprechen. Das ist ausführlich in Melisa Erkurts Generation Haram zu lesen. Sie erzählt von Ausgrenzungen aufgrund eines ausländischen Namens, das reicht oft schon, um die Leistung von Kindern schlechter zu bewerten. Schafft man es aber trotzdem Schritt für Schritt, hat man sich von seiner Herkunft so weit entfernt, dass es kein Zurück mehr gibt. In vielen Texten findet sich das Narrativ der Rückkehr, das schon im Titel des Buches von Didier Eribon Rückkehr nach Reims enthalten ist. Derjenige, der inzwischen anders sozialisiert ist und in einem anderen Kontext lebt, wird zurückkatapultiert und betrachtet die früher vertrauten Menschen seiner Herkunft und deren Umgebung mit den Augen des Aufsteigers. Und an diesem Punkt beginnt die Analyse dieses Vorgangs.

Schörkhuber: Auch literaturwissenschaftlich ist das interessant, denn das Narrativ der Rückkehr steht im Gegensatz zum klassischen Bildungsroman, wo der Held sich freiwillig auf den Weg macht und seinen Platz in der Gesellschaft findet, die in den allermeisten Fällen eine bürgerliche ist. Hierbei handelt es sich eher um eine Ankunft. In der Autosoziobiografie aber geht es um eine doppelte Entfremdung, die auch als solche reflektiert wird. Das ist kein Ankommen im Sinne von "Ich habe mir einen Platz gefunden", sondern ist eher ein "Ich habe meinen Platz weder da noch dort gefunden". In der Rückkehr, so wie sie etwa auch Annie Ernaux beschreibt, wird deutlich, wie weit man sich entfernt hat, indem man nun die eigene Familie wie von außen wahrnimmt. Das hat eine für beide Seiten gewaltvolle Dimension. Einerseits wird die eigene Familie analysierbar durch die Außenwahrnehmung, andererseits sieht man auch seine eigene Geschichte von außen.

Scholl: Diese Analyse ist immer mit Verlust verbunden. Andererseits kann sie nur so verfahren, weil sie bereits aus der Position eines besseren gesellschaftlichen Status spricht. Jeder dieser Versuche muss zwiespältig bleiben. Man kippt immer von dem einen ins andere. Ernaux formuliert das sehr schön: "Es ist ein schmaler Grat zwischen der Rehabilitierung einer als unterlegen geltenden Lebensweise und dem Anprangern der Fremdbestimmung, die mit ihr einhergeht." Denn letztlich ist dieser so genauen Beobachtung die Erkenntnis inhärent, dass die Zurückgelassenen nicht anders können. Dass sie gefangen sind in den sie unterdrückenden Mustern, und auch das ist schmerzhaft, die Eltern so zu sehen oder die Brüder, die Cousinen usf.

Schörkhuber: Die Unterschiede werden damit bestätigt.

Scholl: Zu den Codierungen gehört auch der Umgang mit dem Körper, da gibt es genauso sprechende Unterschiede, die die soziale Klasse markieren.

Schörkhuber: Annie Ernaux beschreibt in Die Jahre eine Art Benimmkodex, aber umgekehrt. Die Menschen ihrer Umgebung verhalten sich so, wie es sich nicht gehört. Ihre Körper sind nicht diszipliniert genug. Es gibt Benimmbücher, die in bester Absicht geschrieben werden, um Menschen zu ermöglichen, sich in der besseren Gesellschaft zurechtzufinden. Die Frage ist jedoch, welche Normen werden von wem gesetzt oder welche werden von wem als wünschenswert wahrgenommen? Wie gut gelingt mir die Anpassung? Wie weit kann ich mich von dem sozialen Feld, auf dem ich durch Zufall der Geburt gelandet bin, im Laufe meines Lebens entfernen und mich verschiedenen sozialen Feldern, in denen ich mich bewege, anpassen? Also dieses Missverhältnis zwischen dem, was ich gelernt habe und von Haus mitbekommen habe, und dem, was ich verkörpern möchte, vielleicht aber auch zu verkörpern habe, weil es der Beruf verlangt. Das betrifft auch die Frage der sozialen Mobilität.

Scholl: Und beinhaltet nicht nur die Umgangsformen, sondern auch den Geschmack. Also, was findest du schön? Wie richtest du deine Wohnung ein, wie kleidest du dich, und natürlich auch die Esskultur, Speisen, die du kennen musst. Es betrifft die Regeln, wie man bestimmte Speisen zu sich nimmt. Darf man in einen Apfel bei Tisch einfach so beißen? Pierre Bourdieu hat das am Beispiel Frankreichs untersucht. Das Besondere seiner Studie Die feinen Unterschiede ist, dass sie auf soziologischen Untersuchungen beruht. Er listet die Ergebnisse der ausführlichen Befragungen dann nach verschiedenen Klassen, nach dem Einkommen etc. auf. Was wer schön findet und wie jemand seine Wohnung einrichtet, wie wichtig das ist. Das ist natürlich speziell französisch und noch dazu zeitgebunden, inzwischen hat sich einiges verändert, gerade die Esskultur, auf die man so stolz ist, hat sich industrialisiert. Aber man kann Bourdieus Erkenntnisse schon auf Verhältnisse in anderen Kulturen übertragen.

Schörkhuber: In den literarischen Darstellungen funktioniert das sehr gut, diese Beobachtungen, wie fein die Unterschiede bemessen sind. Man kann sich zwar teuerste Kleidung kaufen, entsprechende Schuhe tragen, aber es sind Kleinigkeiten, die die Herkunft preisgeben. Die Art und Weise etwa, wie wir nach einem Glas greifen. Meine Wohnung kann mit den exklusivsten Möbelstücken eingerichtet sein, aber es sind dann manche Dinge, die verraten, woher man wirklich kommt, zum Beispiel, wie die Bilder gehängt sind. Damit lässt sich literarisch sehr gut arbeiten. Bourdieus fundamentale Studie zeigt, dass alles Geld der Welt, jeglicher ökonomische Status diese habituellen Dinge nicht wettmachen kann und wie fein die sozialen Nasen sind.

Scholl: Und dann ist da noch die Sprache. Wie man sich ausdrückt. Eribon schreibt über seine sprachlichen Register, die er je nach Kontext einsetzt. Dahinter lauert die Angst aufzufliegen. Es rutscht dir ein Wort aus, du hast eine dialektale Färbung, wenn du aufgeregt bist. So wie du eben auch das Messer anfasst oder dir zweimal vom Käse nimmst, und alle sehen, dass du die Regeln nicht beherrscht.

Schörkhuber: Die Dialekte versucht man ebenfalls abzulegen, damit man nicht mehr als aus der Provinz kommend erkannt wird.

Scholl: Man möchte nicht greifbar sein, nicht angesprochen werden auf die Herkunft. Auch aus Scham.

Schörkhuber: Was noch zu erwähnen ist, wäre die Frage nach der Zensur und der Selbstzensur. Wer darf worüber schreiben? Wer hat das Recht, Ich zu sagen, wer muss Ich sagen, weil sonst diese Stimme nicht gehört wird? Man sollte auch einmal überlegen: Was heißt eigentlich Personal haben in der Literatur? Das ist etwas Selbstverständliches in bürgerlichen Romanen und Romanen von Aristokraten. Bestenfalls schreibt man eben dann über das Dienstmädchen, mit dem der Protagonist ein Verhältnis hat, wenn sie überhaupt beschrieben wird. Meist wird nicht über ihre Lebenswelt berichtet, sondern sie werden vor allem in diesen bürgerlichen Haushalt hineingepflanzt, wo sie vor allem funktionieren sollen. Aber sie haben keine Geschichte, und oft kommen sie gar nicht einmal vor.

Scholl: Das weiß man dann höchstens aus anderen Quellen, dass die Bediensteten anwesend waren und für denjenigen gesorgt haben, der dann nicht oder kaum über sie schreibt. Sie sind meist nicht einmal in den Tagebüchern der Dienstherren vorhanden. Zum Beispiel über das Dienstmädchen Celeste von Marcel Proust habe ich mit dem Film von Percy Adlon erfahren, danach bin ich erst auf ihre Aufzeichnungen gestoßen. Nur deshalb ist bekannt, dass diese Frau als Helfende und Unterstützende hinter dem genialen Autor stand.

Schörkhuber: Es gibt ja auch den Mythos von der klassenlosen Gesellschaft, der das Gefühl, vermitteln soll, es gebe keine sozialen Unterschiede. Das ist in Anke Stellings Roman wunderbar beschrieben. Es wird so getan, als gäbe es keine sozialen Unterschiede mehr. Die Protagonistin ist in einer kleinbürgerlichen Familie aufgewachsen, ihre Schulfreunde und Freundinnen kamen aus reichen Familien mit Ahnentafel in der Glasvitrine. _ Da gab es manifeste Unterschiede, die nivelliert und verschwiegen worden sind. Die Erzählerin Resi verfällt in eine sehr heftige Tirade, nachdem sie begonnen hat, langsam die ganze Schimäre von dieser scheinbar klassenlosen Gesellschaft für sich aufzudecken. Mich hat beim Lesen anfangs der zornige Ton irritiert, bis ich draufgekommen bin, warum. Denn sie adressiert ihren Zorn. Erst an diese Freunde und Freundinnen, die Heuchler und Heuchlerinnen, aber vor allem an ihre Eltern und an ihre Mutter. Sie fühlt sich von ihrer eigenen Herkunft betrogen, weil die Eltern ihr nicht die Wahrheit gesagt haben. Und sie adressiert dieses Buch an ihre älteste Tochter. Die soll diese Lüge nicht glauben, sondern von Anfang an wissen, wie gespielt wird. Resi erinnert sich an Kleinigkeiten, die ihr damals nicht aufgefallen sind oder die sie sich selbst nicht erlaubt hat zu bemerken, zum Beispiel, das Skifahren. Sie erinnert sich, wie ihre Schulfreunde und -freundinnen in die Skihütte in die Schweiz gefahren sind, die natürlich einem Elternpaar gehörte. Resi ist die Einzige, die weder Ski hat noch Ski fahren kann. Und das setzt sich fort, während des Studiums und dann im Erwachsenenleben. Es kommt der Moment, da die anderen sagen, na ja, wir wollen uns aber amüsieren. Wir können jetzt nichts dafür, dass du nicht Ski fahren kannst, dass du keine Ski besitzt. Dein Problem ist nicht unser Problem. Das zieht sich im Buch dann weiter, bis sie im Alter um die 40 eine Baugruppe gründen, wo die vermögenden Freunde und Freundinnen, die natürlich geerbt haben, ein gemeinschaftliches Haus bauen, wozu man Eigenkapital benötigt, das Resi nicht aufbringen kann.

Scholl: Es gibt zwar Untersuchungen, die zeigen, wie der Spalt zwischen sehr armen und sehr reichen Menschen sich vergrößert. Aber daraus folgen keine politischen Konsequenzen.

Schörkhuber: In Österreich gehören ja auch angeblich alle zur Mittelschicht. Das hat, glaube ich, etwas mit der Kreisky-Ära in den Siebzigerjahren zu tun, aber es ist eben auch die Folie für diese Art von hegemonialer Universalisierung, bei der bestimmte Standpunkte, bestimmte Praktiken oder bestimmte habituelle Ausdrucksformen als normal gesetzt werden. Die Frage, warum bestimmte und auch sehr spezifische Schablonen als normal gelten, wird gar nicht mehr gestellt.

Scholl: Du hast die Möglichkeit einer Transclasse-Communio im Vorfeld formuliert: "Wäre es nicht auch an der Zeit, dass die Inhaber:innen bürgerlicher Selbstverständlichkeiten sich der Geschichte ihrer Klasse und deren Spezifika widmen, indem sie zum Beispiel die Illusion des ,bürgerlichen Universalismus' als solche ausweisen, auch in ihrer Genealogie?" Das wäre eine hilfreiche Bewegung, wenn das autosoziobiografische Erzählen tatsächlich eine gewisse gesellschaftliche Schicht zum Nachdenken bringen könnte und dazu, sich selbst und ihre Privilegien zu hinterfragen. Das gilt genauso für Literaturwissenschaft und Literaturkritik. Damit hätten wir unsere Wünsche an die Welt deponiert. (Sabine Scholl, Eva Schörkhuber, ALBUM, 28.8.2022)


Aus: "Haben und Gehabe: "Man möchte nicht auf die Herkunft angesprochen werden"" (28. August 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138553593/man-moechte-nicht-auf-die-herkunft-angesprochen-werden

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mirko burijan, 28. August 2022, 08:25:14

Dank an den Standard, an Scholl & Schörkhuber, an die Alte Schmiede für das Gespräch und dessen Aufzeichnung. Literatur entsteht nur zwischen den Klassen.
Sehr anregend der topos der Rückkehr, muss jetzt endlich die Rückkehr nach Reims lesen.
Immerhin scheinen sowohl Scholl als auch Schörkhuber davon auszugehen, dass es für Autobiographien erzählende Subjekte gibt, deren Position möglich ist, wenn vielleicht auch nicht unbedingt intakt.
Dass man in Österreich in den 1970ern, oder besser gesagt, Nach-1968 den Wunsch, Klassen aufheben zu können, kurzfristig als universell geteilt erleben konnte, gut. Und keine reine Illusion, denn man konnte darüber reden. Voraussetzung dafür war ein Bildungssystem, über dessen Unvollkommenheiten man auch reden konnte. Und dessen Versagen zu diskutieren gerade jetzt wieder wichtig wäre.


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Meise1

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei Politikern eine politische Haltung zu Steuern stärker von der Herkunft als von der Parteilinie bestimmt wird.

Vortrag Prof. Michael Hartmann, 18. Nov. 2019, Wien
Der Blick der Eliten auf die Bevölkerung ist von zwei zentralen Merkmalen geprägt. Erstens: Die große Mehrheit der Eliten ist in der sozialen Rekrutierung – zwei Drittel stammen aus den oberen vier Prozent der Bevölkerung – wie in der konkreten Lebenssituation soweit von der Realität der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie diese nicht mehr angemessen wahrnehmen und beurteilen können. Zweitens: Die Elitemitglieder haben sich durch ihre Herkunft wie durch ihre Position daran gewöhnt, dass die allgemeinen Regeln für sie nur eingeschränkt Gültigkeit besitzen. Kritik an der Sicht der Eliten auf die Bevölkerung muss daher an diesen Punkten ansetzen und nicht an individuellen Charaktermerkmalen der Elitemitglieder wie Freundlichkeit, Arroganz oder Rücksichtslosigkeit. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Elitemitglieder nämlich nicht nennenswert von anderen Teilen der Bevölkerung.
Michael Hartmann ist Professor em. der Technischen Universität Darmstadt. Er hält regelmäßig Vorträge, gibt Medieninterviews und absolviert viele Talkshowauftritte. Jüngste Buchveröffentlichungen sind ,,Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende" (2016) und ,,Die Abgehobenen. Wie die Eliten die Demokratie gefährden" (2018).

https://youtu.be/andVJNQjwFw?t=1671

Michael Hartmann (* 24. August 1952 in Paderborn) ist ein deutscher Soziologe. Hartmann war bis 2014 Professor für Soziologie mit den Schwerpunkten Elitesoziologie, Industrie- und Betriebssoziologie sowie Organisationssoziologie an der Technischen Universität Darmstadt. Er ist seinem Selbstverständnis nach Sozialist und Kritiker der deutschen Gegenwartsgesellschaft. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Hartmann_(Soziologe)

Telgwin - Passend dazu: HASSO PLATTNER
Bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer muss ich Deutschland verlassen.

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/hasso-plattner-ueber-vermoegensteuer-und-digitalisierung-16546451.html

Dank Bourdieu und Hartmann sind die Unterschiede in der Lebensrealität und die daraus resultierenden spezifischen Haltungen und Wahrnehmungen wissenschaftlich gut belegt.
Mit der systematisch verzerrten Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realität augestattet, arbeitet insgesamt die Elite in Politik und Wirtschaft darauf hin, die eigenen Vorteile und so die Ungleichheit zu erhöhen.

Die Mittelschicht und die Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher.
Die Dynamik ist vielfälltig und schon lange am laufen...

"Michael Hartmann: Geld, Macht und Demokratie"
Vortrag von Michael Hartmann im Rahmen des Festivals "Reichtumskatastrophe. Reichtum als Problem" am 6.12.2019. Moderation: Tania Martini
https://youtu.be/HlrtfLqxbGQ?t=1094


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King Sweeny

Das wäre eine hilfreiche Bewegung, wenn das autosoziobiografische Erzählen tatsächlich eine gewisse gesellschaftliche Schicht zum Nachdenken bringen könnte und dazu, sich selbst und ihre Privilegien zu hinterfragen.

Niemand hinterfragt die eigenen Privilegien! Eine Entwicklung hin zu mehr Gerechtigkeit bzw. Gleichheit muss immer von den Unterprivilegierten ausgehen. Alles andere ist sozialromantische Träumerei.


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planck

Einer meiner Freunde ist im Alter von 4 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern fast mittellos aus dem Irak nach Österreich gekommen. Heute ist er Akademiker, Teamleiter in einem großen Konzern, hat eine Familie mit 2 Kindern und ein eigenes Haus. Klar hat er Widerstände erlebt. Aber statt weinerlich Gott und der Welt die Schuld zu geben, hat er sich einfach "nix g'schi..n". Nach den Darstellungen hier wäre seine Biografie unmöglich. Ist es aber gar net. Ich glaube, das Werk dieser Autorinnen ist nicht hilfreich, im Gegenteil.


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herrpeterson

Ich finde diese Klassen-Diskusison mühsam. Das ganze Interview liest sich als wäre es 30 Jahre in einer Schublade gelegen. Ich kenne niemanden, der seinen Hintergrund zurückhält. Meine Eltern haben sich nach dem Krieg aus kompletter Armut hochgearbeitet, zu Arbeitern mit eigenem Haus. Ich konnte darauf aufbauen und habe als erster in der Familie mein Studium abgeschlossen. Ich schäme mich nicht für meinen Hintergrund, im Gegenteil, ich bin stolz darauf.


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Akka Lightguns

Statt unbedingt "oben" dazugehören zu wollen
sollten die Damen ein Selbstbewusstsein entwickeln, das aus ihrer eigenen Persönlichkeit entspringt.
Das larmoyante Klagewerk hilft niemandem.


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Heliocentrix

So wie ich die beiden - durchaus selbstbewussten - Damen verstehe, entspricht es genau ihrer Persönlichkeit oben dazuzugehören. Sonst würden sie das ihren Romanfiguren nicht in den Mund legen.


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Akka Lightguns

Genau das kritisiere ich: deren große Bedürftigkeit nach Anerkennung.


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Mezzanin

Das Märchen der klassenlosen Gesellschaft war notwendig geworden, nachdem der Blutadel vom Geladel verdrängt wurde.

Die Privilegien sollen nicht hinterfragt werden, da diese zuerst gott-, danach nun marktgewollt sind. Die heilige, unantastbare Ordnung wurde von Kommunisten in Frage gestellt und schon war die klassenlose Geselllschaft mit dem Parteiadel an der Spitze da. Wieder eine heilige Ordnung.

Interessant für mich, nach 2facher Migrantenkarriere in verschiedenen Kulturkreisen ist zu sehen, wie einfach die Masse eingelullt werden kann. Eine Gruppe finden, denen es noch mieser geht bzw wo herabgeschaut werden kann und schon fühlen sich die Leute im ärgsten Rattenloch pudelwohl.


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SchonWiederEineMeinung

.... Jeder Mensch lebt eigentlich viele leben. Dort ist er Sohn dort Vater Arbeitskollege Kunde, Nachbar überall anders.


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Condrassil

ich bin im mittleren management und sehe mich bei weitem nicht in der oberklasse. eher untere mittelklasse. die heutige klasseneinteilung stimmt mmn schon lange nicht mehr. es gibt ganz wenige reiche und der rest dümpelt dahin.


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Hewim. 8

Warum ist ein normales Leben Duempeln


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Valletta/Rom – Die süditalienische Insel Lampedusa zwischen Sizilien und Tunesien ist erneut mit einer starken Migrationsbewegung konfrontiert. Innerhalb von 24 Stunden erreichten seit Samstag 46 Boote mit insgesamt 1.000 Menschen an Bord die Insel, wie die Behörden mitteilten. Dabei handelt es sich um einen Rekord. Noch nie hatten an einem Tag so viele Migrantenboote Lampedusa erreicht.

Die eingetroffenen Migranten, die zum Großteil aus Tunesien stammen, wurden im Hotspot der Insel untergebracht, in dem es Platz für maximal 250 Menschen gibt. Rund 340 Migranten trafen auf der Insel Pantelleria zwischen Sizilien und Tunesien ein.

Die private Hilfsorganisation SOS Méditerranée hat indes im zentralen Mittelmeer bei mehreren Einsätzen weitere Bootsmigranten vor dem Ertrinken bewahrt. Die Crew der "Ocean Viking" habe damit fast 470 gerettete Menschen an Bord, wie die Organisation auf Twitter in der Nacht zu Sonntag mitteilte. Die freiwilligen Helfer hätten die Menschen von überfüllten Holz- und Schlauchbooten in der maltesischen Such- und Rettungszone an Bord geholt.

Im sizilianischen Hafen von Messina traf am Samstag das spanische Rettungsschiff "Open Arms Uno" mit 99 Menschen – darunter einige Minderjährige – an Bord, die in den vergangenen Tagen vor der sizilianischen Küste gerettet worden waren, ein. Die meisten Migranten stammen aus Ägypten, Bangladesch, dem Sudan, Nigeria, Marokko, Pakistan, Syrien und dem Tschad, teilten die italienischen Behörden mit.

92 Migranten trafen am Samstag außerdem an Bord eines Segelbootes in der süditalienischen Region Apulien ein. Auch in der Region Kalabrien landeten seit Freitag über 200 Migranten. Unterdessen wartete die deutsche Organisation Resqship mit ihrem Motorsegelboot "Nadir" und fast 60 geretteten Migranten an Bord auf einen sicheren Hafen. Die zivilen Seenotretter mahnten in einem Tweet, dass ihr Boot für die Versorgung so vieler Menschen nicht ausgelegt sei. Die "Nadir" hatte die Menschen am Freitag gerettet. Normalerweise erreicht sie in Seenot geratene Migrantenboote, alarmiert die Behörden oder andere Hilfsorganisationen mit größeren Schiffen.

Unterwegs sind derzeit auch die "Geo Barents" von Ärzte ohne Grenzen und die neu in See gestochene "Humanity 1" der deutschen Organisation SOS Humanity. Die Migranten legen meist von den Küsten Nordafrikas zu der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer ab, um in die EU zu gelangen, wo sie auf ein besseres Leben hoffen. (APA, red, 28.8.2022)


Aus: "Rekordzahl von Flüchtlingsbooten auf Lampedusa gelandet" (28. August 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138605837/rekordzahl-von-fluechtlingsbooten-auf-lampedusa-gelandet


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist eine böse Überraschung, die die Briten am Freitag traf: Um 80 Prozent werden die Energiepreise steigen, verkündete die Regulierungsbehörde der britischen Versorger, Ofgem. Ab Oktober dürfen die Energieunternehmen einem durchschnittlichen Haushalt umgerechnet etwa 350 Euro im Monat berechnen, im Januar wird der Preis voraussichtlich auf 460 Euro im Monat steigen. Derzeit sind es nur etwa 193 Euro. Britische Wohnungen werden mit Gas und Elektrizität geheizt, nicht mit der billigeren Ölheizung. Obwohl Großbritannien nicht direkt von den Lieferungen Russlands abhängig ist, wird Energie auch auf der Insel zu europäischen Marktpreisen abgerechnet.

Die Folge: Immer mehr Bürger sind auf die Unterstützung von Tafeln, genannt Food Banks, angewiesen. Das erlebt auch Coran, die Projektleiterin der Tafel der Stiftung Trussell Trust im Londoner Stadtteil Merton, jeden Tag. Da sei zum Beispiel der alleinstehende Familienvater von zwei Kindern, der einen guten Job gehabt, aber plötzlich einen Schlaganfall erlitten habe. "Es kann jeden von uns treffen", sagt Coran. Sie kenne Familien, die finanziell und psychisch so am Ende seien, dass sie – bis zur Hilfe vom Trussell Trust – nicht einmal eine Matratze für das Bett der Kinder gehabt hätten, sich keinen Kühlschrank, keinen Kocher, nicht einmal passende Unterwäsche für die Kinder haben leisten können. Doch wer keinen Kühlschrank hat, kann von vielen Sonderangeboten nicht profitieren. Einige Leute, die zur Tafel kommen, lehnten mittlerweile Kartoffeln, Reis und Nudeln ab, weil sie nicht kochen und Energie sparen wollen. "Die Armut geht viel weiter und tiefer, als man dies auf der Straße erkennt", sagt Coran. "Und es wird schlimmer."

Bisher hat die Regierung lediglich ein Hilfspaket von 15 Milliarden Pfund beschlossen: Sie zahlt Rentnern eine einmalige Energiezulage von bis zu 300 Pfund. Im Herbst werden zudem alle Haushalte einen Preisabschlag auf ihre Energiekosten von insgesamt 400 Pfund erhalten. Acht Millionen der ärmsten Haushalte bekommen zusätzlich noch 650 Pfund. Aber die Versorgerbetriebe warnen, dass dies angesichts der weiter steigenden Gas- und Elektrizitätspreise nicht reichen werde. Im Winter könnten 30 bis 40 Prozent der Verbraucher in die Energiearmut rutschen, glaubt der Vorsitzende von E.ON, Michael Lewis. Haushalte würden dann mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen. Dabei bleibt es nicht. Auch die Lebensmittelpreise steigen und Sprit ist teurer geworden. Die Inflation wird bis Ende des Jahres nach Angaben der Bank von England auf 13 Prozent steigen.

Vielen sieht man die Armut nicht an. Nach außen scheinen die Leute ihrem normalen Alltag nachzugehen. Aber gleich die erste Rentnerin, die man in Merton auf der Straße anspricht, erzählt, wie es hinter den Kulissen wirklich aussieht: "Es gab Zeiten, da bin ich ins Geschäft gegangen und habe gekauft, was ich brauchte. Aber das ist vorbei", sagt sie. Sie kaufe nicht mehr bei den teureren Supermärkten wie Morrisons, Sainsbury's oder Waitrose. "Mittlerweile bin ich auf dem Niveau angekommen, dass ich zu Poundland gehe", sagt sie. Dort habe sie heute ein Paket Taschentücher für ein Pfund bekommen, sagt sie stolz. Einen Laib Brot unter ein Pfund finde sie jedoch nicht mehr. Die zierliche Frau ist auf die britische Staatsrente von umgerechnet 220 Euro die Woche und eine kleine Betriebsrente angewiesen. "Ich sitze abends im Dunkeln im Zimmer, um Energie zu sparen. Das Licht vom Fernseher muss reichen", sagt sie. Im Winter werde sie sich mit Suppen warmhalten und sich warm anziehen. Es sei gut, dass sie eine harte Kindheit gehabt habe. "Hauptsache, man ist glücklich!", sagt sie.

Bisher haben die beiden Nachfolgekandidaten von Premierminister Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak, nicht erklärt, wie sie den britischen Haushalten in der sogenannten cost-of-living crisis helfen wollen. Dass die Energiepreise eingefroren werden könnten, ist bisher nur ein vager Plan. Johnson forderte die britische Öffentlichkeit vergangene Woche lediglich auf, die Briten sollten die Energiepreise als Opfer für den Krieg in der Ukraine ansehen. Die Menschen in der Ukraine müssten für die Freiheit gar mit ihrem Blut zahlen.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben wenig Verständnis für diese Einstellung. Coran ist schlecht auf die Regierung zu sprechen. Sie erlebt zu viel Armut und zu wenig Unterstützung von der "höheren Schicht dieser Gesellschaft", wie sie sagt. Die Merton Foodbank liegt in einem Stadtviertel Londons, in dem sich Billigsupermärkte wie Costcutter und Poundland neben Wettbüros drängen und Geschäften, in denen Leute ihren Schmuck versetzen können. Manche Sozialwohnung in diesem Viertel wurden nie saniert. Noch heute müssen sich die Bewohner mit alten Elektroheizungen begnügen. "Es gibt Familien, die zahlen 120 Pfund die Woche für Energie. Das wird im Winter auf 300 bis 400 Pfund die Woche steigen", meint Coran. Der von der Regierung gezahlte einmalige Heizkostenzuschlag von 650 Pfund für diese ärmsten Haushalte bringe da nicht viel. "Wo sollen diese Familien 300 oder 400 Pfund die Woche hernehmen?" Die resolute Frau macht sich Sorgen, wie es weitergehen soll.

Seit 2011 ist die Zahl der Tafeln des Trussel Trusts wegen der steigenden Armut in Großbritannien von knapp 80 auf 1.400 Hilfszentren gestiegen. "Wir erklären den Leuten, welche Zuschüsse sie beim Staat beantragen können, wir geben Sprachkurse, klären über Finanzplanung auf. Wir hier in Merton haben in den letzten beiden Jahren 20.000 Haushalte durchgeschleust", sagt Coran.

Zusätzlich zu den Zentren der Stiftung gibt es in Großbritannien noch weitere 1.172 unabhängige Food Banks. Der ehemalige Oppositionsführer der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte einst, es gebe im Großbritannien mehr Food Banks als Filialen von McDonalds, und übertrieb damit nicht.

Das spiegelt die Armut eines Landes wider, in dem ein Großteil der Arbeitsbevölkerung nur noch den Mindestlohn verdient und dies oft nur über sogenannte Nullstundenverträge, die keine festen Arbeitszeiten und keine Absicherung gegen Krankheit oder Berufsunfähigkeit gewähren. Mit Corona haben sich zudem zahlreiche Leute aus dem Berufsleben zurückgezogen, weil sich die Arbeit zu den niedrigen Löhnen für sie – im Vergleich zur staatlichen Unterstützung – nicht lohnt oder weil sie zu krank sind, um zu arbeiten. Dies mag an den Langzeitfolgen von Corona liegen oder aber daran, dass immer mehr Patienten mehr als ein Jahr auf Operationen und Behandlungen im Krankenhaus warten müssen. Nach der Angabe des Armutsberichtes der Joseph Rowntree Foundation lebt fast ein Fünftel der britischen Bevölkerung (22 Prozent) in Armut, also 14,5 Millionen Menschen, davon 8,1 Millionen Erwachsene im arbeitsfähigen Alter und 2,1 Millionen Rentner. Dreißig Prozent der Kinder leben in Armut.

Nicht jeder darf bei der Food Bank auftauchen. Dafür ist ein Erlaubnisschein erforderlich, den die Bürgerämter ausstellen. Diesen Schein erhalten Obdachlose, überschuldete Personen oder Bürger und Bürgerinnen, deren staatliche Unterstützung sich verzögert. Diese Leute dürfen sich dann drei Essenspakete in sechs Monaten abholen. Die Leute sollen bewusst angehalten werden, ihre Situation zu ändern. "Bei Personen, die mental gut drauf sind, klappt das auch. Die sehen wir nie wieder," sagt die Helferin. Aber bei psychischen Problemen sei dies anders.

Südosten der Stadt, beim Hilfszentrum Lewisham Donation Hub, packen Afsahne und Karim Tüten mit Geschirr, einem Bügeleisen, einem Kocher und sogar einem Fernseher zusammen. Das junge Ehepaar kommt aus Kurdistan. Sie sind froh, dass sie noch leben – nicht weil sie die Flucht über den Ärmelkanal überstanden haben, sondern weil ihre Familien im Irak nicht wissen, wo sie geblieben sind. "Wir durften nicht heiraten. Unsere Familien wollten unsere Ehe nicht. Sie hätten uns umgebracht", sagt Afsahne mit einem Hinweis auf drohende Ehrenmorde. Deshalb sind dies auch nicht ihre richtigen Namen. Sie fangen hier in Lewisham neu an – wie vielen Menschen, denen Lawrence Smith, der Gründer der Organisation, hilft. Zu ihm darf jeder kommen, auch ohne Voucher.

Lawrence hat "das Ding", wie er seine Organisation nennt, aufgebaut. Seine Mutter führt eine Hilfsorganisation in Gambia. Dort hat er gesehen, wie man gegen Armut kämpft. Er hofft, dass er sein "Ding" demnächst juristisch als Hilfsorganisation führen darf, denn dann gibt es bessere Finanzierungsmöglichkeiten. Derzeit läuft alles per Spende ab, wie etwa die 150 Paar Schuhe, die ein großzügiger Geschäftsmann anlieferte. Lawrence bekommt kein Geld vom Staat. Aber er versorgt mit seinen 70 Freiwilligen Bedürftige mit Computern, Handys, Mikrowellen, Fernsehern und Fahrrädern. Immer wieder fährt Lawrence los, um Familien zum Beispiel eine Waschmaschine zu bringen, wie Roxanne, einer Mutter mit drei Kindern, die in einer Sozialwohnung lebt. Viele Menschen im Viertel machen mit, spenden, helfen.

Vor dem Zentrum an der Hauptstraße drängen sich die Kunden, stöbern durch Kleidung, warten darauf, Handys zu bekommen. In den Räumen, die fast schon einem kleinen Supermarkt ähneln, sortieren seine Helferinnen die Sachspenden und füllen Shampoo aus Großbehältern in Marmeladengläser ab. In den Regalen stapeln sich Windeln für Erwachsene, Badezimmerutensilien und Bügeleisen, Wasserkocher, Küchenmaschinen und Rasierer. Jason, ein hagerer Mann in hellblauem Hemd, bekommt von einem Mitarbeiter gerade Kopfhörer, damit er es bei dem Lärm in seiner Notunterkunft aushält. Er wurde nach 17 Jahren Gefängnis für eine tödliche Messerstecherei entlassen und will seine Ruhe haben. "Da stand ich auf der Straße, wurde von Wohnung zu Wohnung abgeschoben. Jetzt fang ich neu an", sagt Jason. Lawrence schickt niemanden weg, alle dürfen kommen. Er arbeitet rund um die Uhr, ist glücklich, aber erschöpft. Die traurigen Geschichten seiner Kunden machen ihm zu schaffen, mehr noch, wenn er seinen Mitarbeitern, fast alles Geflüchtete, durch ihre Depressionen helfen muss. Aber er macht weiter.

Coran hingegen hört auf. Nach acht Jahren reicht es ihr. "Unsere Tätigkeit sollte eine Zwischenlösung für wenige Notfälle in der Bevölkerung sein", sagt sie. "Jetzt werden wir vom Staat zu notwendigen Dienstleistern erklärt und übernehmen die Versorgung ganzer Stadtteile." Sie sieht, wie sich der Staat auf die Arbeit der Hilfsorganisationen verlässt, gleichzeitig aber die Spenden zurückgehen. "Die Leute haben kein Geld mehr. Sie können sich die Spenden nicht mehr leisten", sagt Coran. Sie hofft, dass von der Politik für diesen Winter eine Lösung gefunden wird. "Wir sind hier die sogenannte erste Welt und kein Entwicklungsland. Eigentlich sollte es uns ja gar nicht geben", meint sie.


Aus: "Armut in Großbritannien: "Ich sitze abends im Dunkeln, um Energie zu sparen"" Bettina Schulz, London (29. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-08/grossbritannien-armut-inflation-energiekosten/komplettansicht

QuoteJoern.R #32  —  vor 4 Stunden

"Das spiegelt die Armut eines Landes wider, in dem ein Großteil der Arbeitsbevölkerung nur noch den Mindestlohn verdient und dies oft nur über sogenannte Nullstundenverträge, die keine festen Arbeitszeiten und keine Absicherung gegen Krankheit oder Berufsunfähigkeit gewähren."

Während der Proprieratismus...

"Proprietarismus (frz. propriétarisme von propriété, Eigentum bzw. propriétaire, Eigentümer) ist ein durch den französischen Ökonomen Thomas Piketty bekannt gewordener Begriff für ein politisch-ökonomisches System, das die Ungleichheit der Vermögen vergrößert, sowie eine Ideologie, die auf Eigentumsrechte fixiert ist, diese Ungleichheit fördert und ethisch-moralisch rechtfertigt. Nach Piketty hat sich die Welt seit den 1990er Jahren hin zu einem ,,hyper-inegalitären" Zustand entwickelt, einem Zustand maximaler Vermögensungleichheit, wozu Steuer-, Erbschafts- und Aktienrecht sowie der Wegfall der Systemkonkurrenz und der Niedergang der Arbeiterbewegung beigetragen haben, neuerdings auch die Vermögenspreisinflation infolge des Zinsverfalls nach der Finanzkrise 2008. Diese Entwicklung werde durch eine Quasi-Sakralisierung des Eigentums als unantastbares Verfassungsgut gefördert ..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Proprietarismus | https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Piketty

in Großbritannien wie in allen industrialisierten Staaten wie auch im Globalen Süden stets neue Höhepunkte erreicht und feiert. In GB besonders auffällig anhand der extrem hohen Quote des Eigentumbesitzes im Immobilienbereich, welche in den letzten Jahren aber aufgrund immer mehr Menschen nicht zur Verfügung stehenden ausreichenden Kapitals unmöglich wird...
https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-09/grossbritannien-immobilien-immobilienpreise-finanzkrise-altersvorsorge/komplettansicht

zumal das britische Rentensystem, generell das Sozialsystem nur das Allernotwendigste deckt, umfassende (wenngleich auch zunehmend reduzierte) Kompensationsmaßnahmen inegalitärer Einkommens- und Kapitalverteilungen in anderen Ländern deutlich effektiver sind.

Da kann aus den der öffentlichen Hand ebenfalls reduzierten zur Verfügung stehenden Mitteln noch soviel umverteilt werden, in Gänze reicht es nicht aus für eine aus Aspekten der Gerechtigkeit eigentlich notwendige Zuwendung, zumal in GB immer noch die Nachwehen (oder immer noch Wehen(?)) der strikt neoliberal orientierten Ideologie des Thatcherismus durch das Land geistern.

[Thatcherismus ist die Bezeichnung für die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik von Margaret Thatcher, der britischen Premierministerin von 1979 bis 1990. Es handelte sich ursprünglich um einen von der marxistischen Linken verwendeten Begriff, der bereits vor Thatchers Regierungsantritt geprägt wurde. Später übernahmen Anhänger von Thatcher den Ausdruck und versahen ihn mit einer positiven Konnotation.[1] Der Thatcherismus war keine geschlossene Theorie, sondern eine Praxis, die man weder mit dem Attribut konservativ noch mit dem Attribut liberal vollständig beschreiben kann. Im Thatcherismus werden auch traditionelle Werte bzw. im britischen Kontext Viktorianische Werte betont, die in Kontrast zur permissiven Gesellschaft stehen. Mehr als andere wichtige britische Politiker (mit Ausnahme Tony Blairs) zeigte Thatcher auch öffentlich ihren christlichen Glauben und betonte die aus ihrer Sicht zentrale Rolle des Christentums im nationalen Leben.[3] Der Thatcherismus dient – in den Worten von Nigel Lawson – als politische Plattform für eine starke Betonung des freien Marktes, beschränkte Staatsausgaben und Steuersenkungen, gepaart mit britischem Nationalismus.[4] Nigel Lawsons Definition: ,,Freie Märkte, Finanzdisziplin, strenge Kontrolle über die öffentlichen Ausgaben, Steuersenkungen, Nationalismus, ,,Viktorianische Werte" (im Sinne einer Samuel Smiles-Hilf dir selbst-Variante), Privatisierung und ein Schuss Populismus." ... [https://de.wikipedia.org/wiki/Thatcherismus]]


QuoteKaiBrinkmann #26

Eine Arbeitsmarktpolitik, die Nullstundenverträge zulässt und einen viel zu großen Teil der Arbeitnehmer um den Mindestlohn herumvegetieren lässt, schafft solche neoliberalen Exzesse. 15 Milliarden Zuschuss sind nicht wenig und in der aktuellen Krise kann keine Regierung der Welt ihr Volk dauerhaft mit Zuschüssen retten.

Allerdings haben die Tories selbst die Voraussetzungen für den Niedergang von Gesundheits- und Sozialsystem geschaffen und der jahrelange Egoismus der Reichen und die mangelhafte Solidarität zerstören das restliche gesellschaftliche Fundament der Briten. Ein Wunder, dass die Leute in Resignation verfallen und nicht auf die Barrikaden gehen.

Das alles wird bei uns in ähnlichem Maße eintrete, auch wenn wir an manchen Stellen etwas besser aufgestellt sind. Leider gilt das auch für den rechten Rand, der es ähnlich wie Putin kaum erwarten kann, am gesellschaftlichen Konsens zu zündeln. Wenn die Energiepreise weiter explodieren und unsere Ampel weiter die Besserverdienenden schont, wird es auch uns um die Ohren fliegen.


Quoteschmitzblitz #20

Und das wo die Grünen noch nicht einmal an der Regierung in Großbritannien beteiligt sind...


Quotefrancesco sappa #20.4

hey einfacher Bürger ich höre in meiner Umgebung oft so Aussagen wie:"das haben uns alles die Grünen und die linken eingebrockt".Hab auch versucht den Peoples klarzumachen daß es Parteien gibt die uns das mind, 16 Jahre lang eingebrockt haben. Die wollten oder konnten es nicht verstehen."Es sind doch eh alle Parteien gleich"!!!!kam oft als Antwort.Dann blätterte er seine Bildzeitung um.:-(


Quoteambjoernsen #37

Es ist allgemein bekannt, dass das britische Sozialsystem nicht an unseres heranreicht. Für Selbstgerechtigkeit gibt es aber keinen Grund. Zwar werden die Heizkosten für Menschen im Sozialleistungsbezug hierzulande übernommen. Gekniffen sind aber die vielen Millionen Menschen, die knapp über der sozialrechtlichen Bemessungsgrenze liegen. So geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt, der mit Gas heizt, mit Nachzahlungen von über 3.000 Euro zu rechnen hat und das bei drastisch erhöhten laufenden Abschlägen und einer hohen Inflationsrate. Wer da keine entsprechenden Rücklagen hat, für den ist es auch kein Trost, dass es vielen Briten noch schlechter geht. Die Hilflosigkeit der Bundesregierung zeigt sich durch Almosen nach dem Gießkannenprinzip und Sparappelle wie die Nutzung von Wollpullovern im Winter, die kalte Dusche oder den Einsatz des guten alten Waschlappens. Noch haben wir den schönsten Sommer. Auch liegt die Jahresabrechnung des Energieversorgers noch nicht im Briefkasten. Die Energiekrise ist also vorerst für den einzelnen nur abstrakt. Das wird sich ändern. Niemand konnte natürlich voraussehen, dass Putin nicht tatenlos zuschaut, wie der Westen die russische Wirtschaft abwürgt und sich dann weigert, uns weiterhin in vollem Umfang mit billigem Erdgas zu versorgen. Jetzt zahlt bald jeder einzelne den Preis für die Sanktionspolitik des Westens und der Ampel. Die Solidarität mit der Ukraine wird auf eine harte Probe gestellt.


QuoteRiau #41

Der Ultraliberalismus ist doch eine philanthropische (menschenfreundliche) Wirtschaftsphilosophie oder liege ich falsch?


Quotefrancesco sappa #41.1

.....gilt aber nur für die "Leistungsträger" und "besserverdiener/innen":-)


QuoteG.A. Mbusia #42

"Johnson forderte die britische Öffentlichkeit vergangene Woche lediglich auf, die Briten sollten die Energiepreise als Opfer für den Krieg in der Ukraine ansehen. Die Menschen in der Ukraine müssten für die Freiheit gar mit ihrem Blut zahlen."

Nietzsche war blauäugig, als er Moral als Machtmittel allein der Schwächen gegen die Starken beschrieben hat. Es ist viel schlimmer; die Starken wenden sie ebenso an, um das Elend der Schwachen mit Weihwasser zu besprenkeln. ...


QuoteDieHabsburgerin #47

... es gibt 13,8 Millionen ! Armustbetroffene Menschen in Deutschland, wir HABEN schon längst die gleichen Verhältnisse wie in GB..unsere Tafeln melden Aunahmestops und Haben Probleme die vielen Menshcne zu versorgen. Armut ihn Deutschand ist viel zu sehr mit Scham und Schuld belegt. Für weitere Infos gerne den Hashtag IchbinArmustbetroffen googlen und Lesen . #IchbinArmutsbetroffen


QuoteOllec #49

Es ist grauenhaft wie nahezu durch alle westlichen Gesellschaften der Armenbesen durchgeht, überall ist zu lesen" immer mehr reiche und immer mehr arme".
Der Kapitalismus ist meiner Meinung nach am Ende, das wird erhebliche Probleme mit sich bringen die wir uns nicht vorstellen wollen.
Bestes Beispiel ist doch die übergewinn Steuer. Da machen sich Menschen auf Kosten eines ganzen kontinents die Taschen voll, ganze Länder verarmten an allen Ecken und enden und dann kommt ein Lindner um die Ecke und schützt die auch noch.
Die Menschen wollen nicht alles Millionäre oder Milliarde sein, sie wollen ein normales auskömmliches leben wo sie Fair behandelt und entlohnt werden. Das ist doch nicht zuviel verlangt, und die oberen 20% haben soviel Geld wie teils ganze volkswirtschaften nicht, das ist nur noch krank.
Und als i-Tüpfelchen kommt der Klimawandel der uns eh alle ins verderben bringt.
Was wir brauchen ist die sozialökologische Marktwirtschaft.


QuoteZeitabzuhauen #49.1

Dafür haben wir nicht das politische Personal.


QuoteAristocats1 #52

Danke für den Artikel. Das ist Kapitalismus im Endstadium. Die Kapitalisten machen jetzt wahr, was einer der ihren (Warren Buffet) schon vor Jahren so ausgedrückt hat: ",,Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen"

Das Geld ist übrigens nicht weg. Es taucht bei den wirklichen Reichen in unvorstellbaren Größenordnungen wieder auf. Das nennt man die perfekte Strategie der Umverteilung von unten nach oben.


Quoteflaviussilva #52.1

Ich erinnere mich bei Ihren Kommentar eher an gedrucktes Gespräch zwischen einem von sich selbst überzeugten Anglo-Amerikaner (so genau weiß ich es nicht mehr), war bei einem Hedgefonds) und einem Deutschen (Banker), fand noch vor der Finanzkrise (Lehmann Brothers und die Folgen) statt.

Der Anglo-Amerikaner wollte den Deutschen von der Übernahme des dortigen Modells überzeugen. Auf Einwände des Deutschen, dass dies einige Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft mit sich bringen würde, die für entsprechende Leute wohl auch Reaktionen aus der Bevölkerung nach sich ziehen würden. Antwortete der Anglo-Amerikaner, die würden sich an Ungerechtigkeiten schon gewöhnen, sei bei Ihm zuhause ja auch nicht anders. Worauf einige, seiner Meinung, nach nötigen Maßnahmen erfolgten wo in Deutschland um zu setzen seien.

Darauf der Deutsche, er wisse was dann passieren würde, nur ein Detail könne er nicht voraussagen. Erfreut meinte der Anglo-Amerikaner, wenn es nur ein Details gebe, dann könne man ja sofort mit der Umsetzung beginnen, das würde sich schon klären, was ist es denn für ein Detail?

Der Deutsche, Oh ich kann beim besten Willen nicht sagen ob der Mob wo mich dann durch die Straßen zerrt, dabei die Internationale singt oder das Horst-Wessel-Lied.


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Textaris(txt*bot)

#1319
Quote[...] Als Kind einer alleinerziehenden, erwerbslosen Mutter erlebte Francis Seeck schon früh die Auswirkungen der Klassengesellschaft. Heute lehrt Seeck zu Klassismus und sozialer Gerechtigkeit und bietet Antidiskriminierungstrainings an. Obwohl es sich bei Klassismus um eine weit verbreitete Form der Diskriminierung handelt und er durch Studien vielfach belegt ist, fällt die Abwertung erwerbsloser Menschen oder sogar schon von Kindern von erwerbslosen Eltern oder von Eltern mit stigmatisierten Berufen vielen nicht auf. Aufgrund von Klassismus diskriminierten Menschen wird der "Zugang verwehrt", wie auch der Titel des aktuellen Buches von Francis Seeck heißt: der Zugang zu Gesundheit, Bildung, Geld und ein grundlegendes Gefühl von Sicherheit.

Francis Seeck: Die Leistungsgesellschaft ist ein Mythos. Das merken aktuell mit den steigenden Preisen und der aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich immer mehr Menschen. Das sehen wir auch an der Verteilung der Vermögen: In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird mittlerweile fast die Hälfte der Vermögen vererbt. Das ist Vermögen, das nicht durch eigene Lohnarbeit zusammenkommt, sondern über Erbschaften – und ob man Erbe wird oder nicht, das ist Glückssache. In Deutschland besitzen die oberen zehn Prozent 65 Prozent des Gesamtvermögens und die Hälfte der Bevölkerung nur ein Prozent. Dies gilt ebenso für Österreich. Dort besitzen die einkommensärmeren 50 Prozent der Haushalte gemeinsam nur 2,5 Prozent des Gesamtvermögens.

Auch die Möglichkeit, Matura zu machen und zu studieren, hängt in unserem Bildungssystem maßgeblich davon ab, in welcher Familie man geboren wurde – und nicht von der Leistung. Auch von der Klimakatastrophe sind einkommensarme Menschen am meisten betroffen. Die Forschung zu all dem spricht eine klare Sprache: Wir leben in einer Klassengesellschaft.

... Menschen, die von Klassismus nicht betroffen sind, haben ein Gefühl der Sicherheit. Dieses Gefühl haben Kinder aus einkommensarmen Familien nicht.

... Klassismus ist in unserer Sprache verankert. Mit Worten wie "arbeitsscheu" oder "asozial" wurden im Nationalsozialismus jene Menschen für minderwertig erklärt, die im Rahmen der sogenannten Aktion "Arbeitsscheu Reich" in Konzentrationslager eingewiesen und systematisch ermordet wurden. Trotzdem werden die Begriffe noch heute verwendet. Dies liegt auch daran, dass die nationalsozialistische Verfolgung von Bettler:innen, Jugendlichen aus Heimen und wohnungslosen Menschen bis heute kaum aufgearbeitet ist. Nach wie vor gibt es für diese Opfergruppe keine offizielle Gedenkstätte.

Klassismus ist eine ignorierte Form der Diskriminierung, für die viele Menschen gar kein Bewusstsein haben und wo sie die Wirkmacht der Abwertung nicht sehen können. Es wäre Gegenrede wichtig, wenn jemand "Proll" sagt. Aber es fängt auch schon bei Begriffen wie "bildungsfern" oder "sozial schwach" an, die ebenso Vorurteile transportieren.

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Aus: "Francis Seeck über Klassismus: "Es wäre Gegenrede wichtig, wenn jemand 'Proll' sagt"" Interview: Beate Hausbichler (30. August 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138648549/francis-seeck-ueber-klassismus-es-waere-gegenrede-wichtig-wenn-jemand

QuoteNyan Cat

Bei der abwertenden Verwendung des Begriffes Proll/Prolo/Prolet denkt wohl kaum noch jemand an das Proletariat im Marx'schen Sinne. Problematisch dennoch aus ähnlichen Gründen, als wenn man "schwul", "behindert" oder "Spast", die ja auch als Schimpfwörter quasi von ihrer Ursprungsbedeutung entkoppelt sind, verwendet. Das Bild dieser niedrigeren, "wertlosen" Schicht, des "Abschaums" brennt sich ein. Die Alternativbezeichnung "Assi" (Asozialer) ist wegen der NS-Konnotation noch heftiger.
Interessanterweise gibt es für das, was diese Wörter bezeichnen wollen, eben das "Prolohafte", keinen guten wertfreien Begriff. Meine Mutter hat "Klienten" in ähnlicher Weise verwendet, sie meinte es nie abwertend, aber ich habe es als Kind so empfunden.


QuoteMaidli

Ich hatte halb privat mal mit Francis zutun und was ich besonders an ihr geliebt hab, ist dass sie anderen Leuten aus der Unterschicht (dazu zähl ich nämlich definitiv) gern vorgeschrieben hat, welche Worte für Selbstbezeichnungen ok sind und welche nicht und wie Klassismusforschung zu gehen hat. Gottseidank ist das nicht mein Fachbereich gewesen, so dass ich der herrischen Eminenz nicht weiter über den Weg laufen muss, aber für mich als Ex-Heimkind war es erleuchtend zu sehen, wer seinen akademischen Habitus verinnerlicht hat, um nun selbst der Oberlehrer sein zu können.


QuoteHanzelic

Proleten waren in meiner Jugend zwar auch meist Kinder aus der Arbeiterklasse. Aber sie hatten eine andere, viel wichtigere Eigenschaft: sie gingen zu dritt auf einen ein, zwei oder drei Jahre jüngeren los, haben ihn verhaut und gedemütigt. Damit war die Bezeichnung vielleicht falsch, aber der typische Prolo war gewalttätig.


Quotebella_e_saggia

"Klassismus"

Und noch ein Ismus zur Identifizierung von Opfern. Damit haben Soziolog:innen, Pädagog:innen, Journalist:innen, Autor:innen, Kulturwissenschafter:innen und sonst:innen jetzt ein weiteres Thema um über andere zu lamentieren und ihre Empörungsskills zu präsentieren.


Quotesergio mendes

ob man eine erbschaft als glücksfall sieht, hängt wohl vom verhältnis zum verstorbenen ab.


QuoteFrau Arielle

Eine Erbschaft ist ein Sechser in der genetischen Lotterie. Leistungsfreies Einkommen qua Herkunft.


QuoteLalelu-Mond

Was mir hier im Standardforum schon hin und wieder aufgefallen ist, ist, dass man Menschen mit schlechter Rechtschreibung oder Ausdrucksweise abwertet. Wenn man auf Fehler hinweist, ist es etwas Gutes - finde ich. Aber manchmal wird den Menschen fast schon das Recht abgesprochen, dass sie ihre Meinung äußern dürfen (lernen Sie erst Deutsch, machen Sie mal einen Schulabschluss etc.)


QuotePolly Esther

Klassismus beschreibt die Diskriminierung aufgrund von sozialer Herkunft und Position.
Und daran wird sich auch nix ändern. Weshalb sollten das die ProfiteurInnen des Systems auch anstreben?


QuoteVerehrter

Da haben Sie noch nie den Schimpf der oft auch - finanziell gut gestellen -Arbeiter/Handwerker über Akademiker oder Intellektuelle gehört...


Quotestrejdaúr Gustav

Ist es auch Klassismus, wenn man Leute mit Oberschichtgehabe als "Schnösel" bezeichnet?


QuoteMockturtle

>Klassismus hat Auswirkungen auf die Lebenserwartung
Ja genau Klassismus und nicht etwa Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel. Männer mit niedrigem Einkommen haben in Österreich laut Statistik Austria eine 11 Jahre geringere Lebenserwartung als Männer mit hohem Einkommen. Laut Experten sind ca. 50% von diesen 11 Jahren alleine auf das Rauchen zurückzuführen.


Quotestrejdaúr Gustav

Klassismus ist es etwa, der Unterschicht ungeprüft einen höheren Alkoholkonsum zuzuschreiben.
Können wir uns darauf einigen?


QuoteDarktowerX

Nicht ganz :-) ich würde meinen, der Unterschied zwischen Ober- und Unterschicht ist, dass die Oberen erstens die qualitativ besseren Alkoholika und Drogen konsumieren (mit weniger sichtbaren schädlichen Nebenwirkungen) und zweitens aufgrund ihres ungleich flexibleren Lebenswandels (überwiegend keine anstrengende körperliche Arbeit und viel mehr Freizeit) den übermäßigen Alkoholkonsum viel besser sozial verstecken können. Zwei Glaserl Schampus bei der Vernissage und eine Prise geschnupft vor dem Techtlmechtl am WC wirkt halt meist vornehmer als der Genuß einer Bierdose auf der Parkbank...



Quoteecp

Macht doch mal eine Reportage über die vietnamesischen "boat people", die jetzt schon in dritter Generation hier sind. Die hatten anfangs alle Stigmata, die man bei uns haben kann: bettelarm, keine Deutschkenntnisse, keine beruflichen Qualifikationen, die bei uns anerkannt werden, fremde "Rasse". Aber ich glaube nicht, dass sie ihren Selbstwert je aus ihrem Konsum oder dem Beruf der Eltern abgeleitet haben. Für solche Dummheiten sind die ihre kulturell tradierten Werte viel zu leistungsorientiert. In der ZEIT gab's vor ein paar Jahren mal ein Dossier über die unglaubliche Erfolgsgeschichte dieser Menschen.

Nehmt doch mal vietnamesische und chinesische Flüchtlinge als Kontrollgruppe für die hier genannten Formen von Diskriminierung.

Wo ist der Arbeiterstolz geblieben?

Die hier empfohlenen Rezepte zielen alle auf das Verdecken oder zumindest Herunterspielen von realen Klassenunterschieden. Wozu soll das gut sein? Man kann doch auch seinen Ehrgeiz darin setzen und stolz darauf sein, dass man trotz schlechterer Startbedingungen gleich gut oder besser mitkommt als die "Gestopften". Das kann im Unterricht durch entsprechende biografische Erzählungen stark gefördert werden, eine Art Heldenkult des Aufstiegs. Der Ausdruck "im zweiten Bildungsweg" hatte früher mal so was Heroisches, und betraf ja auch einmal ziemlich viele SP-PolitikerInnen. Ist dieser Typus schon ausgestorben?


QuoteMarinelli

,, eine Art Heldenkult des Aufstiegs"... Mann, Mann. Haben Sie den Artikel eigentlich gelesen?


QuoteOidaVoda

Da ist schon viel Wunschdenken dabei. Weil wenn die Kinder von "Proleten" ins Bildungssystem eintreten, ist es oft schon zu spät. Die werden schon in den ersten Lebensjahren so verdorben, und oft auch auf ihre "Klasse" eingeschworen, dass es danach kaum mehr einen Aufstieg geben kann - und das manchmal auch gar nicht gewollt ist.

Und was man auch nicht vergessen darf: Wenn man jemanden als Proleten beschimpft, meint man meist nicht seine soziale Stellung oder seinen Beruf, sondern sein Verhalten. Und dafür kann man nun wirklich nicht die Gesellschaft verantwortlich machen.


QuoteDarktowerX

Sie sprechen mir aus der Arbeiterkinderseele! Für mich waren und sind immer diejenigen Leute Proleten, die sich entsprechend ungut aufführen. Das sind meist sogar Leute aus der oberen Mittelschicht, die glauben, sie sind was Besseres. Aber es ist mir immer absurd erschienen, den Begriff des Proleten auf eine bestimmte Einkommensklasse oder Berufsgruppe(n) zu beziehen. Ich kenne hauptberufliche Putzfrauen, die sind vornehmer und eleganter als viele ,,Gstudierte". Und ich kenne Univ. Prof. Prim. Doktoren, die sind sowas von Prolo, weil arrogante A Löcher...Das einzige Klischee, das ich bisher empirisch bestätigen muss: in 90% aller Motorradwerkstätten, die ich bisher besucht habe, trifft man auf Mechaniker, die nicht ins Burgtheater passen ;-)


Quote9xklug

Früher habe ich es mir erlaubt zu dummen Menschen "Idiot" zu sagen. Inzwischen sage ich bildungsfern. Wenn man das auch nicht mehr sagen darf, sage ich dann "Volltrottel"?


QuoteDie Erbse

Endlich wird über das wahre Problem unserer Gesellschaft gesprochen nämlich die ungleiche Verteilung von Chancen ab dem Zeitpunkt der Geburt (bzw. schon davor). Die ganzen künstlich erzeugten Debatten über Transgender, kulturelle Aneignung, Gendersprache, etc. sind doch nur Ablenkung um den Status Quo zu erhalten, Opium für das Volk.


QuoteName der noch frei ist

Proll dürfts mich ruhig nennen, aber wehe ihr ziehts löchrige Jogginghosen an: das is cultural appropriation oida!


QuoteSchattenmacher

... "Proll" hat übrigens relativ wenig mit der Klassenzugehörigkeit zu tun, sondern eher damit, wie sich eine Person gibt. Man kann auch viel Geld besitzen und prollig sein.


Quotedas muss jetzt sein...

Ich hatte heuer gerade erst 2 [] Bewerber. Ein junger Mann, mit 16 mit der Hauptschule fertig, Vater Oberarzt, Mutter "Magistratsbeamtin" (laut Bewerbung). Selbstbewusst, einigermaßen eloquent, aber verschont von jeglicher Bildung. Der andere Sohn einer höheren Führungskraft in unserem Unternehmen. War sich so sicher, dass er genommen wird und wollte die schriftlichen Fragen nicht beantworten. Es hat sich herausgestellt, dass er kaum lesen kann. Ich weiß nicht, wie so etwas passiert. Aber ich denke manchmal, dass gerade die Aussicht darauf, dass die Eltern es schon "richten" werden dem Lerneifer nicht immer zuträglich ist.


QuoteBarrayar

In meiner Kindheit und Jugend war ein Proletarier zu sein kein Schimpfwort sondern etwas positiv besetztes. Stamme natürlich aus einem Arbeitermilieu, da waren eher die Sesselfurzer, Studierten oder die "Nockerln" aus dem Gymnasium die belächelten.


QuoteMinimaximus

"In Deutschland besitzen die oberen zehn Prozent 65 Prozent des Gesamtvermögens und die Hälfte der Bevölkerung nur ein Prozent. Dies gilt ebenso für Österreich."

Jopp. Diejenigen, die bei den Themen öfter mitlesen, wissen, dass ich das schon hunderte Male selber geschrieben hab. Es bewegt sich im Denken nur ganz langsam etwas. Was die Leute hier intellektuell nicht verstehen und was leider wohl wirklich erst einen tiefgreifenderen Bruch braucht: Das hat nichts mit "Kommunismus vs Liberalismus" zu tun. Unser System ist nicht liberal. Wir haben keine soziale Marktwirtschaft. Was wir haben ist "Neo-Feudalismus", ein System das geprägt ist von der Herrschaft einer kleinen sehr vermögenden Schicht mit äußerst starkem politischen Einfluss.


Quoteich bin genervt

Aha, ich soll also das Wort "bildungsfern" nicht benutzen. Es gibt aber einen Unterschied zwischen bildungsfern und bildungsfern. Es gibt nämlich solche, die, wie die Dame es beschreibt, aufgrund von den schwächeren Geburtslotto-Verhältnissen schlechtere Bildung genossen haben und dann gibt's einfach noch Trotteln, die die beste Ausblindung hätten und diese nicht nutzen bzw. ignorant sind und deshalb bildungsfern. Und Person B ist für mich negativ behaftet. Das gilt für anderen Begriffe in dem Artikel auch. Insbesondere Proleten sind oft aus höheren Klassen. ...


QuoteDivebiker

Leider doch:
Jung gegen alt
Linien- gegen Führungskräfte
Facharbeiter gegen Akademiker

Und die Reichen lachen sich halbtot.


QuoteJene Grüne Straßenkatze

Finde gut, dass das wieder angesprochen wird; in den letzten drei Jahrzehnten wurde der Diskurs über Klasse/soziale Schicht kaum geführt. Sowas galt als "Neiddebatte", es wurde mit "sozial schwach" umschrieben, was einfach arm ist, und selbst die akademische Linke fand irgendwann nichts mehr dabei, sich v.a. kulturell schnöselig zu geben und auf ihre ehemalige Klientel, die sie nur noch als "bildungsfern" sah, herabzusehen.

Was es dabei allerdings nicht braucht: Den gespreizten Begriff "Klassismus". Diese -ismen haben sich genauso wie die vielen -phobien verbraucht. Und wir haben gerade beim Thema, dass Oberschichten auf Unterschichten herabsehen, ein reiches Vokabular, das viel besser wirkt als Kunstbegriffe.


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Quote[...] Diese Sorgen möchte man haben: Im Februar scherzte der Finanzvorstand des britischen Mineralölkonzerns bp, Murray Auchincloss, er wisse gar nicht, was er mit dem ganzen Geld anfangen soll, das sein Konzern verdiene. In der Tat sprudeln nicht nur die Gewinne der Energiekonzerne, auch andere Unternehmen melden Rekordumsätze und Profite. So haben die deutschen börsennotierten Konzerne im ersten Quartal so viel wie noch nie verdient. »Allein die 40 Dax-Konzerne kamen auf einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 52,4 Milliarden Euro, das waren gut 20 Prozent mehr als im starken Vorjahr«, stellt das Handelsblatt fest. In dem Bericht heißt es weiter: Dank eines hohen Auftragsbestands und einer immer noch starken Nachfrage gelinge es den meisten Firmen, die höheren Preise mehr als nur weiterzureichen – und rasant steigende Gewinne einzustreichen.

Eine bemerkenswerte Aussage. Denn hier wird im Klartext ausgesprochen, dass die großen Konzerne die bereits seit 2021 ansteigenden Preise nutzen, um ihre Profite zu erhöhen. Darauf hatte die Bundesbank bereits im Dezember 2021 aufmerksam gemacht: Höhere Kosten aufgrund der Liefer- und Transportengpässe würden auf die Verbraucher*innen überwälzt und die Gewinnmargen bei starker Nachfrage ausgeweitet.

Perspektiven, die man in der aktuellen Diskussion über die Inflation selten hört. Klar: Die Energiepreise werden spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine und einem möglichen Gasembargo von den allermeisten als Haupttreiber der derzeitigen Preiserhöhungen ausgemacht. Aber zumindest im Fokus der deutschen Diskussion steht die zaudernde Europäische Zentralbank (EZB), die es viel zu lange versäumt habe, den Leitzins anzuheben. Und die Beschäftigten, die doch jetzt bitte Lohnzurückhaltung üben müssten, weil zu hohe Tarifabschlüsse die sogenannte Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen würden. Demnach würden die Unternehmen auf hohe Lohnabschlüsse mit Preissteigerungen reagieren, die Gewerkschaften mit erneuten hohen Abschlüssen und so weiter und so fort.

Mit der Realität der gegenwärtigen Preissteigerungen hat das nicht viel zu tun. Das hat sogar der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger anlässlich des erstens Treffens zur »konzertierten Aktion« im Kanzleramt nüchtern festgehalten: Löhne seien aktuell kein Inflationstreiber. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung schätzt den Reallohnverlust EU-weit wie für Deutschland für das laufende Jahr auf 2,9 Prozent.

Anstatt über eine Lohn-Preis-Spirale zu reden, wäre es angebracht, über eine Gewinn-Preis-Spirale oder eine Gewinninflation zu reden. In den USA ist schon vor wenigen Monaten eine Debatte über die Rolle der großen Konzerne bei den Preissteigerungen entbrannt. Es wurde sogar ein neues Wort dafür erfunden: Greedflation, abgeleitet vom englischen greed = Gier.

Inflationen können verschiedene Ursachen haben, weshalb in den Wirtschaftswissenschaften zwischen angebots- und nachfrageseitigen Teuerungen unterschieden wird. Die sich ihrerseits auch noch mal differenzieren lassen. So gibt es etwa Lohnkosten-, Kostensteuer- und importierte Kosteninflationen oder auch Marktmacht- oder Gewinninflationen.

In der neoklassisch und monetaristisch geprägten Mainstream-Ökonomie steht die Erklärung im Vordergrund, dass eine Inflation durch eine zu große Geldmenge und damit eine das Angebot übersteigende Nachfrage verursacht werde. Das erklärt auch die Zielscheibe EZB, die nach der Finanz- und Eurokrise viel zu lange eine lockere Geldpolitik betrieben habe.

Das trägt aber kaum zur Erklärung bei, warum die Inflationsraten erst seit letztem Jahr steigen, obwohl die EZB schon seit 2008 eine Niedrigzinspolitik fährt. 2021 war die Hauptursache die anziehende Weltkonjunktur nach dem ersten Coronajahr in Kombination mit gerissenen Lieferketten. Schon im Herbst war in der EU von einer Energiekrise die Rede. Im laufenden Jahr kommen zu diesem Grund die Unsicherheiten für die Energieversorgung infolge des russischen Krieges und der Sanktionspolitik des Westens hinzu.

Ursache für die Teuerungen sind also in erster Linie die gestiegenen Preise für Energie auf den globalisierten Märkten. Hierzulande (und in vielen anderen Ländern) haben wir es mit einer sogenannten importierten Kosteninflation zu tun, da Deutschland auf Energieimporte angewiesen ist. Und da Gas als Rohstoff für zahlreiche Industrien unverzichtbar ist, kommt es ausgehend von Energieunternehmen auf breiter Front zu steigenden Preisen. Denn in einem inflationären Umfeld nutzen auch andere Unternehmen die Gunst der Stunde, die Preise zu erhöhen.

In den USA haben die Unternehmen laut Spiegel-Autor Thomas Fricke im zweiten Halbjahr 2021 mit fast 15 Prozent Gewinnquote nach Steuern so viel Profit gemacht wie seit Anfang der Fünfzigerjahre nicht. »Nach Berechnungen des Economic Policy Institutes ist mehr als die Hälfte des Anstiegs der Preise in den USA auf eine Ausweitung der Profite in den Unternehmen zurückzuführen. Heißt: Hätten die Firmen ihre Gewinne nicht ausgeweitet, wäre die Inflation rein rechnerisch nicht einmal halb so hoch ausgefallen.« Diese lag zuletzt bei 9,1 Prozent [https://www.epi.org/blog/corporate-profits-have-contributed-disproportionately-to-inflation-how-should-policymakers-respond/].

Und in Europa? Nach Schätzungen der EZB kam auch im Euroraum der größte Beitrag zur Inflation Ende 2021 vom Hochschnellen der Unternehmensprofite, so Fricke.

Dass die Konzerne ihre Preissetzungsmacht verstärkt einsetzen können, hat auch mit ihrer Marktmacht zu tun. Je größer diese ist, je weniger Konkurrenz sie haben, desto leichter fällt es ihnen, Preise anzuheben. Und im Zuge von jahrelanger neoliberaler Wirtschaftspolitik, die auf Privatisierung und Deregulierung zielte, sind zahlreiche Märkte von Oligopolen geprägt. Eine Studie des Roosevelt Institute legt diesen Zusammenhang von Preisen, Profiten und Macht nahe [https://rooseveltinstitute.org/publications/prices-profits-and-power/].

Nicht nur die Marktmacht von Konzernen, in Marx´ Worten die Konzentration und Zentralisation des Kapitals, hat sich in den letzten Jahrzehnten vergrößert. Auch die Rolle des Kapitals, das an den Finanzmärkten nach renditeträchtigen Anlagen sucht, ist durch Deregulierung, Privatisierung und eine Überakkumulation im sogenannten produktiven Sektor enorm gestärkt worden. Es strömt immer mehr Kapital an die Finanzmärkte, um dort kurzfristig Profit zu machen. Zum Beispiel auch mit der Spekulation mit Erdöl, Gas oder Nahrungsmitteln [https://www.akweb.de/ausgaben/671/lebensmittel-preise-spekulation-finanzmarkt-auf-der-bullenparty/]. (ak 671)

Schon 2006 hatte ein US-Report [https://www.hsgac.senate.gov/imo/media/doc/SenatePrint10965MarketSpecReportFINAL.pdf] auf eine »Divergenz zwischen dem reichlichen Angebot an Rohöl und Erdgas und den rekordhohen Preisen« hingewiesen und dies zum Teil auf spekulative Geschäfte zurückgeführt. Seitdem hat das Gewicht des spekulativen Kapitals zugenommen, und es dürfte insbesondere auch den Anstieg der Preise für Energie und Nahrungsmittel seit dem 24. Februar verstärkt haben.

Kurz vor der russischen Invasion berichtete etwa die Financial Times unter der Überschrift »Beware the algorithms driving up oil prices« [https://www.ft.com/content/6e24689d-679f-4b45-ac73-dc1ace2ff69e], dass enorm viel Kapital in Finanzwetten fließe, die auf einen Ölpreis von 100 US-Dollar setzten. Zwar sei der Auslöser der steigenden Preise in einer Verknappung des Angebots infolge des drohenden Krieges zu suchen, doch die Explosion der Wetten sei auf die Zunahme des automatisierten und auf Algorithmen basierenden Handels zurückzuführen.

2019 hatte die Commodity Futures Trading Commission, die die Future- und Optionsmärkte in den USA reguliert, festgestellt, dass etwa 80 Prozent der Energiegeschäfte durch automatisierte Eingaben ausgeführt würden (sechs Jahre zuvor lag der Anteil noch bei 65 Prozent). Das Problem: Algorithmus-gesteuerter Handel stütze sich weniger auf sogenannte Fundamentaldaten, sondern auf kurzfristige Marktbewegungen. Was eine Befeuerung des Herdenverhaltens zur Folge habe – und mit heftigen Preisschwankungen in die eine wie die andere Richtung einhergehen könne. Menschliche und computergestützte Handelsstrategien seien immer stärker miteinander verflochten, was zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen könne, »erst recht, wenn es zu Schocks kommt, wie wir sie in der Ukraine erleben könnten«.

Hinzu kommt: Die Energiemärkte in Europa wurden seit 1998 liberalisiert. Anstatt auf langfristige Lieferverträge wurde auf Spotmärkte gesetzt. Diese orientieren sich an globalen Preisen. Folge: Die Preise schwanken häufiger, weil jetzt auch lokale oder regionale Ereignisse an den Handelsmärkten umgehend abgebildet werden. Früher hätten Ereignisse in den USA oder China kaum eine Rolle für den europäischen Gasmarkt gespielt, erklärt Sven Jordan vom Gasunternehmen Wingas in der Wirtschaftswoche [https://www.wiwo.de/finanzen/boerse/gashandel-so-bildet-sich-der-erdgaspreis-nach-putins-exportdrosselung/28468804.html]. Für auf kurzfristige Investments ausgerichtete Finanzinvestor*innen sind volatile Preise gut, weil so die Gewinnmargen höher ausfallen.

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Aus: "Warum steigen die Preise?" Guido Speckmann (16. August 2022 |ak 684 )
Quelle: https://www.akweb.de/politik/inflation-lohn-preis-spirale-warum-steigen-die-preise/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] HAMBURG taz | Das Punker-Camp auf Sylt soll aufgelöst werden. Wie die Kreisverwaltung Nordfriesland mitgeteilt hat, soll ein Antrag auf Verlängerung negativ beschieden werden. ,,Wir mussten sorgsam abwägen zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den Grundrechten der Anwohner, der Einwohner und der Urlaubsgäste, die durch das Protestcamp beeinträchtigt wurden", sagt Kai Mintrop von der Versammlungsbehörde.

Dass es die Punks nach Sylt zog, hat seinen Ursprung im 9-Euro-Ticket und einer interpretationsfähigen Äußerung des Geschäftsführers von Sylt Marketing, Moritz Luft. Der hatte laut Hamburger Morgenpost Anfang Mai gesagt, die Insel sei ,,nicht optimal gerüstet für das 9-Euro-Ticket und den zu erwartenden Ansturm". Viele verstanden das so, dass Leute, die sich die Tour zur Insel normalerweise nicht leisten würden, der Insel fern bleiben sollten. Die Leute kamen erst recht, auch einige Punks.

Als dann auch noch Finanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang Juli eine mondäne Hochzeit auf der Insel feierte, machte sich eine Gruppe Punks zur ersten Protestaktion auf – allerdings vor dem falschen Hotel. Mitte Juli zogen mehrere Hundert De­mons­tran­ten unter dem Motto ,,Sylt entern! Make The Rich Pay" von Westerland nach Kampen. Und seit Anfang August existierte das Protestcamp der Punks im Rathauspark mit dem Ziel, die Vermögensverteilung und die Privilegien der Wohlhabenden infrage zu stellen.

Ein einen knappen Monat genehmigtes Protestcamp müsse reichen, findet jetzt die Kreisverwaltung. Anwohner hätten sich zunehmend beschwert – über das Grölen und Streiten im Camp, das Klirren, der mit Flaschen befüllten Einkaufswagen und auch darüber, dass Leute ,,ihre Notdurft in einer Telefonzelle, im Gebüsch sowie einer Garageneinfahrt verrichteten", statt die bereitgestellten Klohäuschen zu nutzen.

,,Bis zu einem gewissen Grad müssen Anwohner Lärm und andere Nachteile durch Protestcamps und Demonstrationszüge hinnehmen", sagt Mintrop. Das habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Es habe aber auch Grenzen festgelegt – sowohl zur Art der Beeinträchtigung als auch der Dauer.

Die Teilnehmer hätten ihre Anliegen nun vier Wochen lang in der Öffentlichkeit vertreten können und viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, argumentiert die Verwaltung. ,,Damit haben die Protestierer ihr Grundrecht verwirklicht und den Zweck der Versammlung erreicht." Den Anwohnern und Urlaubern könnten deshalb keine weiteren Eingriffe in ihre Grundrechte durch das Camp mehr zugemutet werden.

Der Kreis verweist beispielhaft auf die Beschwerde einer Touristin, deren Ferienwohnung direkt neben dem Rathauspark lag und die nachts keinen Schlaf fand – ,,nie", wie sie dem Kreis schrieb. Damit sei das Grundrecht des Gastes auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt worden. Die Störung der Nachtruhe verletze überdies das Grundrecht auf Eigentum, das gelte auch für die Nutzung privater Grundstücke als Klo.

Die Punks wollen den negativen Bescheid des Kreises nicht hinnehmen. ,,Wir werden auf jeden Fall Widerspruch einlegen", kündigt deren Sprecherin Lara an. Dass die Beschwerden ihre Gründe haben, leugnet sie nicht. ,,Wir haben eine Nachtruhe, an die sich nicht gehalten wird", sagt sie. ,,Wir sind da auch gestresst." Viele Leute seinen nur einen Tag zum Camp gekommen, darunter auch eine Menge Sauftouristen, die dann in die Büsche gemacht hätten. ,,Da kann man nicht hinterhersein", sagt Lara.

Am Mittwoch hätten sich die Punks mit Vertretern der Behörden zusammengesetzt, berichtet sie. In den kommenden zwei Tagen werde nicht geräumt. Mit der Polizei sei eine bessere Kommunikation vereinbart worden. Die Punks und die Polizei seien daran interessiert, dass alles friedlich bleibe.


Aus: "Protest auf der Reichen-Insel: Sylt will Recht auf ruhige Urlaube" Gernot Knödler, Hamburg-Redakteur (31. 8. 2022)
Quelle: https://taz.de/Protest-auf-der-Reichen-Insel/!5875043/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es war kein üblicher Vortrag, den Douglas Rushkoff an einem geheimen Ort, mitten in einer Wüste in den USA, gehalten hatte. Angelockt von einer "morbiden Neugier und Geld", fand sich der Autor und, nach eigener Beschreibung, "marxistische Medientheoretiker" gemeinsam mit fünf superreichen Männern aus dem Tech-Business in einem Raum wieder. Nachzulesen ist das im Buch "Survival of the Richest", von dem ein Auszug im "Guardian" erschienen ist [https://www.theguardian.com/news/2022/sep/04/super-rich-prepper-bunkers-apocalypse-survival-richest-rushkoff].

Wer macht das Rennen bei Quantencomputern? Bitcoin oder Ethereum? Das Publikum war nicht gekommen, um zuzuhören, sondern Fragen zu stellen. Und diese beschäftigten sich bald mit Grundsätzlichem. Könne man in Neuseeland oder Alaska besser mit den Folgen des Klimawandels leben? Wie lange sollte man in einem Survival-Bunker unabhängig von der Außenwelt überleben können? Wie sichert man sich die Loyalität der eigenen Sicherheitsleute?

Er warb eifrig für gemeinschaftliche Anstrengungen und Kooperation, um die kollektiven Chancen für alle zu erhöhen. Wer von seinen Wachen auch in Zukunft Einsatz erwarte, solle sie schon heute wie Freunde behandeln. Man müsse auch in Menschen und Beziehungen investieren, nicht nur in Munition und Elektrozäune. "Sie rollten ihre Augen ob dieser Aussagen, die für sie geklungen haben mussten wie Hippie-Philosophie", berichtet Rushkoff.

Trotz ihres Reichtums seien diese Leute eigentlich nicht die Gewinner der Zukunft. Denn für sie bestehe ein "Sieg" mittlerweile darin, genug Geld verdienen zu können, um sich gegen den Schaden isolieren zu können, den sie mit ihren Geschäften verursachen. Gedanklich lebten sie bereits in einer Zeit, in der es für sie darum gehe, der selbstgemachten Apokalypse irgendwie zu entkommen.

Nachdem Rushkoff einen ersten Text über sein Erlebnis in der Wüste veröffentlicht hatte, meldeten sich schnell verschiedene Anbieter, deren Zielgruppe Vermögende auf der Suche nach solchen "Auswegen" sind. Einer von ihnen ist J. C. Cole, dereinst Leiter der US-Handelskammer in Lettland. Er arbeitet an Rückzugsorten im Umland von New York. Im Ernstfall seien diese innerhalb von drei Stunden erreichbar. Es handelt sich um kleine Landwirtschaftsgemeinschaften, die sich mit ihrem Ertrag selbst versorgen können sollen – bewacht von ehemaligen Elitesoldaten.

Das Sicherheitskonzept hat er sich von Botschaften abgeschaut. Neben Wachpersonal soll es Zäune, Warnschilder, Hunde und Überwachungskameras geben, die durch Abschreckung einer gewalttätigen Auseinandersetzung vorbeugen sollen. Für eine Investition von drei Millionen Dollar bekommt Coles Klientel nicht nur Zugang zu einer solchen Hochsicherheitsanlage, sondern auch Anteile an einer Firma, American Heritage Farms, die mit kleineren Landwirtschaftsbetrieben auf lokaler Ebene Hungerkrisen verhindern soll, wenn größere Lieferketten zusammenbrechen. Die Gewährleistung einer solchen Versorgung soll letztlich auch der Sicherheit der Farmbewohnerinnen und -bewohner zugutekommen.

Andere Anbieter plagen sich allerdings nicht mit solchen Sorgen. Ihr Fokus liegt darauf, dass sich die Klientel gar nicht erst mit moralischen Dilemmata befassen muss. Sie bieten Untergrundanlagen zu verschiedenen Preisen und mit unterschiedlicher Ausstattung an. Ein breites Portfolio hat etwa das texanische Unternehmen Rising S Bunkers. Für 45.500 Dollar kann man sich hier einen mit dem Notwendigsten ausgestatteten "Überlebensraum" mit rund neun Quadratmeter Fläche bestellen. Wer ein etwas größeres Budget hat, bekommt für 8,3 Millionen Dollar einen Luxusbunker inklusive Pool und Bowlingbahn.

Die Firma Vivos hat sich auf den Umbau ehemaliger Munitionslagerstätten aus dem Kalten Krieg spezialisiert. Organisiert sind diese wie Hotelanlagen. Die Kundschaft wohnt in eigenen Suiten. Man teilt sich aber Essensräume, Fitnessstudio, Kino, Pool und sonstige Annehmlichkeiten mit den anderen Bewohnern.

Das schweizerische Unternehmen Oppidum will sich sogar speziell um das langfristige psychische Wohlergehen seiner reichen Kundschaft kümmern – etwa mit Wiesen und Weingärten, die mit künstlichem Sonnenlicht und simuliertem Tag-Nacht-Wechsel am Leben erhalten werden sollen. Selbst wenn "draußen" der Zusammenbruch droht, soll im Bunker der Vermögenden das Leben unbeeinträchtigt weitergehen.

Die langfristige Umsetzbarkeit solcher Projekte darf man freilich in Zweifel ziehen. Untergrund-Landwirtschaft in abgeschotteten Anlagen wirft eine Reihe an Problemen auf, die sich nicht einfach lösen lassen. Der Verlust einer Ernte oder gar des Saatguts lässt sich nicht einfach kompensieren. Das gilt auch, wenn man eine solche Anlage stattdessen auf einer privaten Insel errichtet, auch wenn es dort zumindest echtes Sonnenlicht gibt. Und auch sonst ist es eine massive Herausforderung, einen solchen Ort komplett unabhängig von der restlichen Welt zu erhalten, insbesondere wenn man zahlreiche Annehmlichkeiten abseits des bloßen Überlebens gewährleisten möchte.

Dieser Beschränkungen müssten sich eigentlich auch schwerreiche Tech-Investoren bewusst sein, schlussfolgert Rushkoff. Ihnen müsse es also um etwas anderes gehen als einfach nur technische Lösungen. Ihre Anmerkungen seien auch sehr politisch gewesen, gespickt mit Begriffen wie "Individualität", "Souveränität", "Governance" und "Autonomie".

Sie arbeiten wohl an einer Art "Isolierungsformel", um herauszufinden, ob es möglich sei, so viel Geld zu verdienen, dass sie nicht nur im Fall einer Apokalypse die "ultimative Exit-Strategie" wählen und den Rest der Menschheit hinter sich zurücklassen können. (gpi, 5.9.2022)


Aus: "Luxuslounge und Swimmingpool: Die Überlebensbunker der Superreichen" (5. September 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138804890/luxuslounge-und-swimmingpool-die-ueberlebensbunker-der-superreichen

QuoteGundula7793

Was für ein Schwachsinn


Quote02myschkin

Das kostet jeden mittellosen Buddhisten nur ein müdes Lächeln.


QuoteWilfried Apfalter

"Wer von seinen Wachen auch in Zukunft Einsatz erwarte, solle sie schon heute wie Freunde behandeln. Man müsse auch in Menschen und Beziehungen investieren, nicht nur in Munition und Elektrozäune."

Mal ganz was Neues ...


QuoteLemmata

Lustig wie Superreiche händeringend versuchen sich von den diversen apokalyptischen Folgewirkungen genau jenes Systems das sie reich gemacht hat zu isolieren. Meine Vermutung ist ja eher, dass das erste was flöten geht (egal in welcher Art von Apokalypse), jegliche Art von Finanzinstrumente sein wird. Ich weiß nicht ob dann noch wer gewillt ist deren Pool im Bunker zu reinigen. Mir scheint da in der Risikoanalyse was daneben gegangen zu sein. Just saying!


QuoteSuffcomandante Markus

Der Markt regelt sogar die Apokalypse


QuoteNethan

Mal ehrlich - wäre ich mega Reich ich hätte wahrscheinlich auch ein Chalet in den Schweizer Alpen - eine Hütte in Tahiti/Hawaii/Tonga/Azoren...
So eine Superyacht natürlich auch und in 30 Jahren gibs wohl auch eine Koje auf einer Raumstation von Musk zu kaufen...
Egal ob es Sinn macht oder nicht - Dort könnte man sogar einen dritten Weltkrieg womöglich überstehen falls es nicht ganz dick kommt.

Einen Bunker mit Lebensmitteln und Wein für 10 Jahre sowieso...


Quoteaggsteiner

10 Jahre, und dann?


QuoteSpeedsmile

Die Reichen sind wie Schafe die das ganze Leben vor dem Wolf Angst haben und dann doch vom Hirten geschlachtet werden. Sie sollen glücklich an Ihren Bunker Glauben....


QuoteThomas-Wien

Denn für sie bestehe ein "Sieg" mittlerweile darin, genug Geld verdienen zu können, um sich gegen den Schaden isolieren zu können, den sie mit ihren Geschäften verursachen.

Das ist ein ganz wichtiger Satz!


Quoteichschonwieder78

Vor allem sollte keiner wissen, wo diese Bunker sind. ...


QuoteGadsenverehrer

Die Arbeiter werden natürlich hingerichtet, wie im alten Ägypten.


Quoteintrada

Es ist halt ein Problem im Kapitalismus, dass die durch finanziellen Reichtum im Machtverhältnis über Nationalstaaten stehenden Personen, gleichzeitig auch noch versuchen sich durch "Exit-Strategien" gänzlich einer Verantwortung zu entziehen.


Quotehurdurbur

Also ich sterbe lieber mit allen anderen beim Versuch, uns gegenseitig zu helfen, als gierig und paranoid mit haufenweise Konserven und Waffen in einem Bunker zu sitzen.


QuoteKronstädter

"Wer von seinen Wachen auch in Zukunft Einsatz erwarte, solle sie schon heute wie Freunde behandeln"

Das bring nichts, wenn jemand mehr bezahlt ist es bei bei Söldnern mit der Freundschaft schnell vorbei.


Quote2Pac .

"Söldner" kommt nicht von "Solidarität"


QuoteGod_of_the_Wind

Da gibts du in deiner Panik Milliarden aus und stellst alles mögliche an Ex Special Forces, Navy Seals etc... als Wachmänner ein.
Nur damit du am Ende von genau selbigen erklärt bekommst, dass deine "Regentschaft" genau so lange dauert wie du ihnen nützlich bist. ^^
Was bringen dir deine Trillionen "US-Dollar" bei einer Apokalypse?...


Quotepewpew

solang der bunker ned auf nem anderen planeten ist is er nicht sicher. raiders, mutantenangriffe und riesenkakalaken sind nicht ohne ;)


QuoteMäci

... und! Vault-Tec hat IMMER Experimente mit den "Bewohnern" vor..


QuoteTuring Oracle

Wer kennts nicht.


QuoteBriaftroga

Die armen Milliardäre. Haben auch Sorgen, wenn auch andere. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Hunderttausende Hausangestellte werden in Spanien rechtlich mit Beschäftigten anderer Sektoren gleichgestellt. Die linke Regierung bewilligte ein entsprechendes Gesetzesdekret am Dienstag in Madrid.

Die Hausangestellten, darunter zum Beispiel Reinigungskräfte, Gärtner und Seniorenbetreuer, bekommen unter anderem Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung. Zudem können sie künftig nicht mehr ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Ab dem 1. Oktober ist der Arbeitgeber zur Anmeldung bei der Sozialversicherung verpflichtet.

Damit werde ,,eine historische Diskriminierung beendet", schrieb Ministerpräsident Pedro Sánchez auf Twitter. Arbeitsministerin Yolanda Díaz erklärte, Spanien sei nun ,,ein besseres Land".

Sie betonte, es handele sich um eine ,,feministische Reform". Die überwiegende Mehrheit der Hausangestellten in Spanien seien nämlich Frauen. Rund ein Drittel sei älter als 55 Jahre, 44 Prozent seien Einwanderinnen und über die Hälfte sei teilzeitbeschäftigt.

Wegen der Diskriminierung von Hausangestellten hatt der Europäische Gerichtshof (EuGH) Spanien erst im Februar gerügt. Der Ausschluss der Hausangestellten vom Anrecht auf Arbeitslosenhilfe verstoße gegen EU-Recht, hieß es.

In Spanien gibt es gut 370.000 offiziell registrierte Hausangestellte. Weitere 200.000 werden nach Schätzungen schwarz beschäftigt. Das neue Gesetzesdekret betrifft auch zahlreiche Deutsche, die etwa auf Mallorca und in anderen Teilen Spaniens Hausangestellte beschäftigen. (dpa)


Aus: ",,Feministische Reform": Spanien verabschiedet Gesetz gegen Diskriminierung von Hausangestellten" (06.09.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/feministische-reform-spanien-verabschiedet-gesetz-gegen-diskriminierung-von-hausangestellten-8613661.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Rund 50 Millionen Menschen weltweit sind einer Studie zufolge moderner Sklaverei ausgesetzt. Die Zahl sei in den vergangenen fünf Jahren deutlich um 25 Prozent gestiegen, heißt es in einem Bericht, den die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die Organisation für Migration (IOM) und die Menschenrechtsorganisation Walk-Free-Stiftung vorgelegt haben. Demnach gibt es 28 Millionen Menschen, die zu einer Arbeit gezwungen werden. 22 Millionen Menschen leben in erzwungenen Ehen und werden dort vor allem als Hausbedienstete ausgenutzt.

Fast ein Viertel der Betroffenen würden kommerziell sexuell ausgebeutet, heißt es in der Auswertung. In dieser Gruppe seien die meisten Frauen. Von denen, die zur Ehe gezwungen werden, seien gut zwei Drittel Frauen und Mädchen. Die Zahl sei innerhalb von fünf Jahren um 6,6 Millionen gestiegen, was teils auf die wirtschaftliche Not durch die Corona-Pandemie zurückzuführen sei.

Während der Großteil der Zwangsarbeit im Privatsektor stattfinde, gebe es auch staatliche Zwangsarbeit. 3,9 Millionen Menschen seien betroffen.

Der Bericht nennt etwa die Region Xinjiang in China. Gerade erst hat das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte einen Bericht vorgelegt, wonach Hunderttausende Uiguren und andere Angehörige muslimischer Minderheiten dort gegen ihren Willen in Lagern festgehalten und zu Arbeitseinsätzen gezwungen werden. China weist alle Vorwürfe zurück.

Auch in Nordkorea und Pakistan gebe es staatlich verordnete Zwangsarbeit, heißt es in dem Bericht. Er nennt zahlreiche andere Länder, in denen etwa Gefangene oder Streikende zu Zwangsarbeit herangezogen werden, darunter Botsuana, Moldau, die Philippinen. Katar wird ebenfalls erwähnt. Dem Land wurden im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 immer wieder Arbeitsrechtsverletzungen von Wanderarbeitnehmer vorgeworfen.


Aus: "UN-Studie: 50 Millionen Menschen weltweit leben in moderner Sklaverei" (ZEIT ONLINE, dpa, KNA, ut, 12. September 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2022-09/un-studie-zwangsarbeit-moderne-sklaverei-ilo

https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-09/xinjiang-menschenrechtsverletzungen-michelle-bachelet-vereinte-nationen

Textaris(txt*bot)

#1324
Quote[...] Der Handwerksverband sieht im Bürgergeldkonzept der Bundesregierung falsche Anreize für Geringverdienende. "Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld", sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der Rheinischen Post.

Viele fragten sich, warum sie morgens um sieben Uhr schon arbeiten sollten, wenn Bürgergeldbeziehende fast das Gleiche bekämen. "Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten – all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nichtarbeiten mehr lohnt als das Arbeiten."

Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung des Bürgergelds in der Hartz-IV-Nachfolge ab 1. Januar 2023 soll an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Der Regelsatz des neuen Bürgergelds soll nach Heils Plänen für alleinstehende Erwachsene monatlich 502 Euro betragen. Damit soll der bisherige Hartz-IV-Satz ab dem 1. Januar 2023 um mehr als 50 Euro erhöht werden.


Aus: "Bürgergeld demotiviert laut Handwerksverband Geringverdiener" (12. September 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-09/buergergeld-hubertus-heil-handwerksverband-kritik

QuoteErich-Mühsam-Gedanke #28

Vorsitzender der Vereinigung, welche seit Jahren die Ausbeutung in Handwerksberufen (z.B. Frisöre)
deckt, warnt vor Demotivation gebeutelter Arbeitnehmer durch berechtigte staatliches Unterstützungsprogramm.


QuoteMainzerin2015 #28.1

Wunderbar zusammengefasst!


QuoteGryf Andra #2

"all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nichtarbeiten mehr lohnt als das Arbeiten."

Dann würde ich sagen, einfach den Abstand wieder herstellen. Allerdings nicht in dem man die Schwächsten der Gesellschaft mit Druck ausbeute. Also einfach Löhne zahlen von denen man Leben kann.


QuoteHHue #1.101

Wenn meine Konkurrenz um Arbeitskräfte das Bürgergeld ist, sollte ich meine Arbeit auf Gestaltung und Bezahlung überprüfen.


Quotedehannes #1.89

Logische Folge wäre, die Gehälter im Niedriglohnsektor zu erhöhen, dann gäbe es auch mehr Anreiz. Die Schere zwischen Arm und Reich wird seit Jahrzehnten größer. Da sind auf der einen Seite extremer Luxus und auf der anderen Seite der ständige Kampf ums Auskommen. Unsere sich gerne als modern sehende Gesellschaft sieht diesbezüglich ziemlich antiquiert aus.


QuoteLumenluchs #1.15

"Mit dem Bürgergeld lohnt es sich im Niedriglohnbereich nicht mehr, zu arbeiten."

... Eine echt üble Schande, dass Menschen 40 Stunden die Woche arbeiten und doch von ihrem Lohn nicht leben können und Aufstocken müssen! Das ist nämlich das eigentliche Problem!


QuoteGreebo #1.44

Ich habe eine Lösung: kein Niedriglohnsektor mehr. Wer keine auskömmlichen Löhne zahlen kann oder will, soll seinen Laden dicht machen.


QuoteRuutu #1

Die allermeisten Menschen wollen arbeiten. Was sie nicht wollen, sind Gehälter aus dem Dumpingsektor, sinnlose, repetitive Tätigkeiten, schlechte Arbeitsbedingungen und von den meisten Arbeitgebern nur als Kostenfaktor behandelt zu werden. Dieses Gejammer könnt ihr euch komplett sparen.


QuoteOne Of Them #1.4

Es gibt mehr als genug Kohle im Handwerk um die Menschen gerecht zu entlohnen und das Bürgergeld wird für mehr Gerechtigkeit sorgen. Gut so


Quoteschelle44 #2.29

Irgendwann gerät aber das System aus den Fugen. Wir werden das wohl in den nächsten Monaten zum Beispiel bei den Bäckern sehen.


Quoteeve online #2.37

"Genau, und einfach höhere Preise von den Kunden verlangen, um das zu refinanzieren!"

mit diesem argument kann man die loehne druecken bis auf 0.
prima, dann wird alles einfach verschenkt ;o).


QuoteNordlicht84 #2.38

Das ist die klassische Argumentation in Deutschland.

Ich frag mich da immer nur, warum gerade Hochlohnländer, wie die Schweiz, Norwegen oder Irland (die im übrigen mal vor 30 Jahren sehr, sehr weit unter Deutschland rangierten) da immer noch das konkurrenzfähig bleiben, wenn die doch noch teurer sind?

Hier mal ein Artikel zum Reflektieren und Nachdenken, in Deutschland gibts Mindestlohn und in Dänemark 60.000€, für die gleiche Arbeit:
Ohne Rumänen oder Bulgaren geht kaum etwas in deutschen Schlachtereien – in Dänemark lockt man dafür Deutsche an. Der Wettbewerb um Beschäftigte verschärft den Arbeitskräftemangel in Grenzregionen. Von Alexander Preker, 24.04.2022
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-fachkraefte-in-daenemark-als-fleischer-60-000-euro-pro-jahr-verdienen-a-4642954f-655b-4200-a702-70214db59084


Quotene Of Them #11

Im Handwerk gibt es genug Geld. Das Problem ist, dass es nur bei wenigen landet.

Ich spreche aus Erfahrung. Dachdecker Ausbildung 2006 im alter von 16 Jahren angefangen. Durchschnitt 390 € Lohn. Sechs tage Woche mindestens 10 Stunden täglich und oft mehr, unbezahlt. Ich musste schließlich die Fehltage, die ich in der Schule verbrachte nacharbeiten ;) . Ohne die Hilfe meiner Eltern hätte ich die Ausbildung finanziell nie Stämmen können. Wie ich in der Firma behandelt wurde, will ich hier gar nicht erst anfangen. Kurz gesagt denke ich heute, dass es vorsätzliche psychische Misshandlung und gezielte Ausbeutung war. Nur damals dachte ich schlicht, dass es normal ist zudem kam noch der gesellschaftliche Druck. Ähnliche berichte auch von anderen Azubis mitbekommen.

Diese Zeit wird mich für immer verfolgen und hinterließ gesundheitliche Schäden. Nach weiteren negativen Erfahrungen im Bauhauptgewerbe bin ich heute sehr froh etwas anderes machen zu können. Der Handwerkermangel ist das Ergebnis purer Gier und Unfähigkeit Menschen anständig zu behandeln.

Es ging mir Persönlich dabei nie ums Geld und wollte einfach nur ein Normales Leben führen, es ging irgendwie immer weiter und es reichte nach einer zeit gerade so fürs leben, aber wie mit Menschen im Handwerk umgegangen wird ist ein absolutes No go und die Reaktion der Handwerksverbands zum Bürgergeld bestätigt meine Meinung umso mehr.

Selbst schuld.


QuoteBilly Budd #11.1

Hört sich nach übler Ausbeutung an und nicht gerade nach Ausbildung. Schultage als Fehltage ?


QuoteOne Of Them #11.2

Das waren die Sprüche die ich mir anhören musste. Lehrjahre sind keine Herrenjahre war die Antwort auf alles. Für Wiederworte hatte ich auch keinen Mut und es wurde einem ständig Angst davor gemacht die Ausbildung zu verlieren. Damals waren Ausbildungen noch rar, zumindest hat man uns das erzählt. Jeder Tag ohne angeschrien zu werden war ein guter Tag.

Ich will natürlich nicht behaupten, dies war überall der Fall. Ich kann nur aus meiner eigenen Blase erzählen.


QuoteKaterchi #11.4

Ich muss leider sagen das ich in einer Ausbildung ähnliches erlebt habe und genau weiß was Sie meinen.


Quotewriteyournamehere #11.5

War bei mir genauso. Die Handwerkslehre war die Hölle. Ich habe danach etwas komplett anderes gemacht und das ist auch gut so!


QuoteJonos #11.6

Das Problem existiert heute so wie vor 20,30,40,50 Jahren.


QuoteDas Fliwatüt #11.7

So habe ich das auch erlebt, als Lehrling wurde man wie dreck behandelt. Das ewige Gejammer yer Arbeitgeberseite ist echt zynisch.


...

Quote[...] Das Handwerk sucht händeringend nach Arbeitskräften. Das wird wohl auch so bleiben angesichts der negativen Signale, die der oberste Repräsentant sendet. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, kritisiert die Höhe des neuen Bürger:innengelds, das die Bundesregierung einführen will.

Der Mann beschwert sich also darüber, dass Schikanen gegen lange erwerbslose Menschen wegfallen, Heizkosten übernommen werden sollen und der Regelsatz für Erwachsene auf 502 Euro im Monat angehoben werden soll. Er behauptet, dass Leute dann keine Motivation zum Arbeiten hätten.

Eine solche Haltung ist angesichts der rasant steigenden Preise nicht nur zynisch, es ist auch einfach falsch. Deutschland hat einen der größten Niedriglohnsektoren Europas. Das funktioniert nur, weil die Leute ein hohes Arbeitsethos haben. Die Menschen hierzulande nehmen die miesesten Jobs mit schlechter Bezahlung und zu prekären Bedingungen an, etwa mit unzumutbaren Arbeitszeiten. Und weil Hunderttausende trotzdem nicht über die Runden kommen, sind sie auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen angewiesen [https://taz.de/Entlastungspaket-der-Ampel/!5844824/].

Der Handwerkspräsident hat völlig unangemessene Vorstellungen davon, was Leute verdienen sollten, wenn er überzeugt ist, dass Einkommen und die künftige staatliche Existenzsicherung zu nahe beieinanderliegen. Statt sich über das – weiterhin viel zu niedrige – Bür­ge­r:in­nen­geld zu beschweren, sollte er sich für höhere Löhne einsetzen. Das ist im Übrigen das beste Mittel gegen Fachkräftemangel auch im Handwerk [https://taz.de/Arbeitskraeftemangel-in-Deutschland/!5864741/].

Wer zum Mindestlohn schuftet [https://taz.de/Geplante-Erhoehung-des-Mindestlohns/!5827970/], ein niedriges oder mittleres Einkommen bekommt, auf den oder die kommen angesichts der Inflation und der galoppierenden Energiepreise enorme finanzielle Probleme zu. Die Reallöhne sinken. Wieder einmal droht die Krise auf Beschäftigte mit geringen und mittleren Einkommen abgewälzt zu werden. Auch die Ar­beit­ge­be­r:in­nen müssen sich etwas einfallen lassen, um dem etwas entgegenzusetzen – und das muss mehr sein als billige Missgunst gegenüber Armen.


Aus: "Völlig unangemessene Vorstellungen" Kommentar von Anja Krüger (12. 9. 2022)
Quelle: https://taz.de/Kritik-am-Buergergeld/!5877895/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Arbeitslosenquote in Großbritannien ist in den drei Monaten bis Juli auf 3,6 Prozent gesunken. Das teilte das Statistikamt Ons mit. Diese Zahl bedeutet die niedrigste Quote seit dem Jahr 1974 – Analysten haben zuvor mit einer stabilen Quote von 3,8 Prozent gerechnet.

... Die Löhne und Gehälter steigen mit 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weiterhin deutlich – die noch höhere Inflation macht diese Zugewinne aber wieder zunichte. Für August wird ein Anstieg der Teuerungsrate im Vereinigten Königreich auf 10,2 Prozent erwartet. Anfang des kommenden Jahres könnte sie Einschätzungen zufolge auf 18 Prozent steigen.

Dagegen hat die Notenbank zuletzt mit Zinserhöhungen versucht, einzulenken. Wegen der Trauerphase nach dem Tod von Königin Elizabeth II. wurde eine erneute Zinssitzung von kommendem Donnerstag auf den 22. September verschoben.

...


Aus: "Arbeitslosigkeit in Großbritannien auf tiefstem Stand seit 48 Jahren" (13.09.2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-09/grossbritannien-arbeitslosigkeit-beschaeftigung-inflation-energie

Textaris(txt*bot)

#1326
Quote[...] Mit dem Tod seiner Mutter Queen Elizabeth II. erbt König Charles III. auch ein Millionenvermögen – doch als Monarch vermeidet er die Erbschaftssteuer von 40 Prozent.

Zu verdanken hat das Königshaus dies dem früheren Premierminister John Major. Der konservative Politiker begründete diese Regel im Jahr 1993 damit, dass ansonsten die Gefahr bestehe, dass das Vermögen der Royal Family über Generationen hinweg zerstückelt würde. Damit würde die Natur der Institution ,,in einer Weise verändert, die nur wenige Menschen in diesem Land begrüßen würden". In einer Vereinbarung von 2013 hieß es, eine Besteuerung wäre ,,eindeutig unangemessen", da die Vermögenswerte von der Königin als Souverän und nicht als Privatperson gehalten würden.

Die Monarchie benötige ausreichende Ressourcen, um ihre Rolle zu erfüllen und finanziell unabhängig von der Regierung zu sein. Sollten noch andere Erben von der Queen bedacht worden sein, müssten sie für alle Beträge über einer bestimmten Summe Erbschaftssteuer zahlen.  Die Queen ist von der Steuerpflicht befreit. Sie hatte aber 1993 zugesichert, freiwillig Einkommen- und Kapitalertragsteuer zu zahlen. Es wird erwartet, dass König Charles dies ebenso tun wird. Konkret geht es um das Herzogtum (Duchy) Lancaster, das im Besitz der britischen Monarchen ist.

Dazu gehören weitläufige Ländereien vor allem in Mittelengland, aber auch Unternehmen in London. Das Vermögen hatte zuletzt einen Wert von 650 Millionen Pfund (750 Mio Euro), wie aus dem Finanzbericht hervorgeht. (dpa)


Aus: "Sonderregel für den König: Charles III. erbt steuerfrei ein Millionenvermögen" (14.09.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/sonderregel-fur-den-konig-charles-iii-erbt-steuerfrei-ein-millionenvermogen-8640709.html

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Quote[...] Volker ter Haseborg, Chefreporter: Herr Dürheimer, wie sind Sie zum Hoflieferanten der Queen geworden?

Wolfgang Dürheimer: Bentley Motors war schon lange vor meiner Zeit als Bentley-Chairman Hoflieferant des britischen Königshauses. Der Titel königlicher Hoflieferant wird direkt an den Leiter des Unternehmens verliehen. Als ich Vorstandschef von Bentley wurde, wurde ich akkreditiert. Dafür bekam ich eine große, edle Urkunde und durfte auf meiner Visitenkarte das königliche Wappen führen.
... die Queen hat sich in den Jahren, in denen ich dabei sein durfte, auf Bentley konzentriert. Ihr offizielles Auto – das Queen's Car – ist eine Sonderanfertigung von Bentley Motors. Mit etwas erhöhtem Dach, rot-schwarz gehalten, mit dem königlichen Wappen und den Standarten versehen. Davon gibt es zwei Versionen – eine fuhr immer sie, die andere fuhren ausgewählte Staatsgäste. ... Die Karosserie wurde höher gebaut, sodass die Queen mit Hut einsteigen und aufrecht sitzen konnte, ohne damit oben anzustoßen. Die Fensterflächen wurden vergrößert, so dass sie bei repräsentativen Fahrten gut gesehen werden konnte. Der erste Gang wurde so angepasst, dass der Fahrer langsam fahren kann, ohne fortwährend die Kupplung schleifen lassen zu müssen. Die Sitze der Rückbank sind mit Stoff gepolstert. Auch für die Sicherheit der Königin wurde gesorgt, es gab einige Knöpfe und Funktionen, die nicht jedermann kannte. Zu Details möchte ich nichts sagen. ... Das Queen's Car war ein Geschenk von Bentley Motors und der englischen Zulieferindustrie an Her Majesty the Queen. Der Wert ist unschätzbar, denn nur sie und ihr Prinzgemahl wurden darin gefahren. ... Ihre Majestät hat die Autos immer persönlich entgegengenommen und sie hat sie sich genau erklären lassen. Die erste Übergabe fand im Winter 2012 statt, auf Schloss Sandringham House in der Grafschaft Norfolk. Das Auto war ein weitestgehend serienmäßiges Fahrzeug, mit dem sie gerne privat fuhr, wenn sie zum Einkaufen wollte und sich möglichst unerkannt im Verkehr bewegen wollte. ... Wir hatten die erste Übergabe mittags um zwölf Uhr und sind, um alles perfekt vorbereiten zu können, bereits am Abend zuvor angereist. Der persönliche Fahrer der Queen, zu dem wir ein gutes, persönliches Verhältnis pflegten, hat uns bereits etwas vorher auf das Schlossgelände einfahren lassen. Zehn Minuten vor der Übergabe sind wir vors Eingangsportal gerollt. Dann wurden wir angewiesen, wer auf welcher Treppenstufe zu stehen hat – der Chef weiter oben als die Mitarbeiter. Dann haben wir gespannt gewartet. Einer Königin übergibt man nicht jeden Tag ein Auto. Dann schlug die Turm-Glocke zwölf Uhr Mittag, das Portal öffnete sich – und sie stand da. ... Sie strahlte, freute sich. Ich habe ihr zunächst nicht gleich die Schlüssel übergeben, sondern erst einmal zum Thronjubiläum gratuliert – und dann zum neuen Auto. Damit war das Eis gebrochen. Dann haben wir uns das Fahrzeug aus der Nähe angeschaut, das hat eine knappe Stunde gedauert. Sie war sehr warmherzig, freundlich und fahrzeugtechnisch interessiert. Sie hat sich auf die Beifahrerseite gesetzt und alle Knöpfe und Bedienelemente erklären lassen. Sie hat geprüft, ob das Leder der Sitze genauso geworden ist, wie sie es sich gewünscht hat. Das königliche Wappen war die Kopfstützen eingestickt, in die Holzverkleidungen der Türen und der Instrumententafel wurde das königliche Wappen aus Edelmetall eingearbeitet. ... In meinem Büro hängen zwei Bilder, die bei den Übergaben gemacht wurden. Leider darf ich Ihnen das Foto nicht zeigen – sämtliche Fotos wurden mir vom Königshaus nur für den privaten Gebrauch und für das Archiv von Bentley Motors freigegeben. Bei der ersten Übergabe trug Herr Majesty einen Loden-Überwurf in der Farbe des neuen Autos. Möglicherweise wurde ihre Garderobe an diesem Tag auf das neue Auto abgestimmt.

...


Aus: "Autolieferant der Queen ,,Einer Königin übergibt man nicht jeden Tag ein Auto"" Volker ter Haseborg, Chefreporter (14. September 2022)
Quelle: https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/futuremobility/autolieferant-der-queen-einer-koenigin-uebergibt-man-nicht-jeden-tag-ein-auto/28678004.html?wt_mc=zeitparkett

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Quote[...] Auf dem Whitechapel Markt im Londoner East End schieben sich die Menschen von Stand zu Stand. Mütter in Niqab, mit Schleier über Mund und Nase, manövrieren Kinderwägen durch die Menge, Teenager mit angeklebten Wimpern, ihre Hijabs passend zu den Sneakern, bleiben vor den Angeboten stehen. "Alles für ein Pfund!", "Alles für ein Pfund!", rufen die Marktschreier. Über ihren Köpfen hängt ein großes Plakat. Auf Englisch und Bengalisch steht dort: "In liebender Erinnerung an Queen Elizabeth II. Wir beten, dass ihre Seele in Frieden ruhen möge." ...

Dieser Tage wird viel wird darüber diskutiert, wie man die Queen würdigen kann und dabei die brutale Geschichte des British Empire nicht ausradiert, sondern miterzählt: dass Großbritannien auch noch während der Regentschaft von Königin Elizabeth die Unabhängigkeitsbestrebungen vieler Kolonien unterdrückte; dass die willkürlich gezogenen Ländergrenzen, etwa zwischen Israel und Palästina oder zwischen Indien und Pakistan, sich noch heute geopolitisch auswirken, Familien zerrissen und Menschen getötet wurden, unter den Augen der britischen Krone. 

... 2006 emigrierte Abdul aus Sylhet im Nordwesten Bangladeschs nach England, vier Jahre später wurde er britischer Staatsbürger. Seitdem steht auf der ersten Seite seines Reisepasses der gleiche Satz wie in allen britischen Pässen: Im Namen ihrer Majestät werde darum gebeten, dass sich der Besitzer dieses Passes frei bewegen kann: "Her Britannic Majesty's Secretary of State Requests (...) in the name of Her Majesty all those whom it may concern to allow the bearer to pass freely without let or hindrance (...)." Für Abdul war der Umzug nach England der Aufstieg in ein besseres Leben, der Versuch, seinen hier geborenen Kindern mehr Möglichkeiten zu bieten als in Bangladesch, sagt er. Für ihn sei es kein Widerspruch, dass sich viele hier vom Tod ihrer Königin betroffen fühlen – und gleichzeitig die Verbrechen der Kolonialzeit anerkennen. "Die Queen war ja nicht direkt verantwortlich. Während ihrer Regentschaft wurden viele Kolonien auch befreit."

... Whitechapel ist in Großbritannien berühmt und berüchtigt: Der zugehörige Bezirk Tower Hamlets schlägt in den Statistiken Londons noch immer nach unten und nach oben aus: die höchste Armutsrate in der Stadt, die höchste Rate von Kindern, die in Armut aufwachsen. Hier befinden sich aber auch das Royal London, eines der renommiertesten Krankenhäuser und die Whitechapel Gallery, neben der Tate Modern eine der angesehensten Galerien Londons. Und hier wurde Kriminalgeschichte geschrieben: Ende des 19. Jahrhunderts ermordete hier der Serientäter Jack the Ripper elf Frauen. Die Kray-Zwillinge, so etwas wie die Al Capones der britischen Hauptstadt, verewigt in Serien und Büchern, koordinierten in den Sechzigern ihre Raubüberfälle. Vor fünf Jahren kursierten Verschwörungsmythen, dass in dem Bezirk Tower Hamlets in bestimmten "No-Go"-Zonen die Scharia gelte. Dies stellte sich als Fake News heraus. Doch es passte in das Bild und die Zahlen, die manche von dem Bezirk hatten.

... Für die Menschen in Whitechapel ist die Queen, wie für alle anderen im Land, auch eine Konstante gewesen, ihre Präsenz ein konstantes Grundrauschen, ihr Konterfei überall im Alltag sichtbar. Und doch: Das dominierende Thema ist der Tod der Königin hier nicht, wie wahrscheinlich in den meisten Ecken Englands. Zu groß, vermutet Supermarktmitarbeiter Hasim Abdul, ist zurzeit bei vielen die Sorge vor dem Winter, vor den gestiegenen Nebenkostenabrechnungen. Allein die Lebensmittelpreise sollen bis zu 13 Prozent ansteigen. Der Preis von Speiseöl, sagt Abdul, früher noch fünf Pfund, liege jetzt schon bei zwölf Pfund. Er finanziere sein Leben gerade auf Kreditkarte.

...


Aus: ""RIP Liz, you will be missed"" (12. September 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2022-09/london-trauer-queen-elizabeth-ii-whitechapel/komplettansicht

QuoteLucianegon #17

Das Problem ist nicht die Monarchie als Institution, sondern die zugehörige Klasse des "landed gentry", deren Angehörige weiter auf ihren Privilegien sowie ihren über Jahrhunderte vom gemeinen Volk gestohlenen oder sonstwie zusammengeraubten Reichtümern hocken und selbstverständlich keine Veranlassung sehen, hieran etwas zu ändern.

All dies mit freundlicher Unterstützung der Tories und anderer reaktionärer Lobbygruppen.


Quotesensibel #21

Für die derzeitige Regierung kündigen sich große Herausforderungen an, - und das nicht nur wegen der steigenden Energiekosten in London.

Im Norden Großbritanniens verharrt das Land in erschreckenden sozialen Problemen,- jahrelang von allen Regierungen ignoriert, - so dass dort sehr viele Menschen nicht einmal das Nötigste zum Überleben haben.

Die nun sehr hohen Kosten für eine warme Wohnung, - sind nur die Spitze eines Eisberges!

König Charles III wird all das nicht länger ignorieren können, - auch wenn er als Souverän der Krone sich politisch nicht betätigen darf.

Und er wird wissen, - dass durch die Not sehr vieler Menschen in Großbritannien jederzeit erhebliche Unruhen ausbrechen können.

Eine derart große Armut und dauerhaft ungleiche Zustände, - wie sie seit Jahren in Teilen Großbritanniens zu beobachten ist, - verhindert auf Dauer eine gute
Zukunft und Hoffnung für die Menschen.

Es bleibt zu hoffen, - dass der König und sein Thronfolger handeln werden.


QuoteBuntScheck #21.1

Das ist Sache des Parlaments, Kabinetts und der Premierministerin. Nicht des Königs.


Quoteansv #22

Ja, die Queen war schon Queen als die Weltordnung noch eine andere war - es gab Kolonien und es gab Apartheit - wofür man sich in Deutschland damals auch nicht interessierte.

Wer heute in Deutschland alte Großeltern betrauert sollte sich bewusst sein, dass diese ein Nazi-Regime akzeptiert haben. Heute weiß man "nichts gewusst" hats nie gegeben, "nichts gelernt" leider schon.

Und wer dann noch in den Spiegel schaut, kann sich überlegen, was er bis zu einem potenziellen 96sten Geburtstag alles getan haben wird, was man später verurteilen wird.
Nach diesem Blick in den Spiegel könnte man überdenken, ob man unbedingt einstimmen muss, wenn etwas, wovon man eigentlich gar keine Ahnung hat, "auf Twitter trendet".


...

Quote[...] Rund vier Tage lang hatten die Menschen Zeit, am Sarg der Queen vorbeizudefilieren. Doch die öffentliche Aufbahrung ist beendet. Die Frau, die sich als Letzte in Westminster Hall von der Monarchin verabschieden konnte, heißt Chrissy Heerey. Für sie war es "einer der Höhepunkte meines Lebens".

Bis zu 24 Stunden sollen Trauernde in der Schlange gestanden haben, um der Queen am geschlossenen Sarg die allerletzte Ehre zu erweisen. Doch seit Montagmorgen ist es mit dem öffentlichen Abschied vorbei. Um 6.30 Uhr Ortszeit (7.30 Uhr deutscher Zeit) endete die Aufbahrung in der zum Parlament gehörenden Westminster Hall. Im Anschluss wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten von Elizabeth II. in die Westminster Abbey gebracht, wo um 12 Uhr ein Trauergottesdienst mit etwa 2000 geladenen Gästen stattfindet.

Schätzungsweise bis zu 750.000 Menschen hatten in den vergangenen vier Tagen angestanden, um einen Blick auf den Sarg zu erhaschen. Und wie immer in solchen Fällen: Irgendwer muss der oder die Letzte in der Schlange sein. Im Falle des öffentlichen Abschieds von der Queen hört sie auf den Namen Chrissy Heerey.

Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie sich Heerey am frühen Montagmorgen vor dem geschlossenen Sarg in der Westminster Hall verbeugte. "Ich war die letzte Person, die der Queen ihren Respekt erwiesen hat, und es hat sich wie ein echtes Privilege angefühlt, dies zu tun", sagte das Mitglied der britischen Luftwaffe anschließend. "Es ist einer der Höhepunkte meines Lebens", fügte Heerey hinzu.

Der BBC sagte Heerey, letztendlich am Sarg der Queen zu stehen, habe sich "sehr surreal" für sie angefühlt. "Ich konnte nicht glauben, dass ich da war", erklärte sie. "Ich fühlte mich einfach nur sehr geehrt, dass ich die Chance hatte, dort hinzugehen, sie zu sehen und mich zu verabschieden." Tatsächlich nutzte Heerey die Chance sogar zweimal: In den vergangenen Tagen hatte sie schon einmal angestellt, um am Sarg vorbeizugehen.

Die BBC interviewte auch die vorletzte Person vor dem Sarg, Sima Mansouri. Die aus dem Iran stammende, aber in London lebende Frau erklärte, sie und Heerey seien fortan "für immer Freunde", nachdem sie sich erst in der Schlange kennengelernt hatten. Heerey sei wegen ihrer Rolle als Schlusslicht in der Reihe "etwas nervös" gewesen, so Mansouri. "Aber ich habe ihr gesagt: Mach dir keine Sorgen. Ich gebe dir Rückendeckung. Ich bin hier."

Quelle: ntv.de, vpr


Aus: ""Ein echtes Privileg": Sie war die letzte Trauernde am Sarg der Queen" (19.09.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/leute/Sie-war-die-letzte-Trauernde-am-Sarg-der-Queen-article23597623.html

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QuotePhilip Proudfoot @PhilipProudfoot

The BBC should now do 11-days of nonstop documentaries and features on republicanism, the crimes of the British empire,the dangers of unaccountable elites, and working-class history. For balance.

8:56 nachm. · 19. Sep. 2022


https://twitter.com/PhilipProudfoot/status/1571936300093112324

Textaris(txt*bot)

Quote[....] Überpünktlich ist der Hamburger Verfassungsschutz diesmal zur Stelle: Schon einen Tag, bevor die Ak­ti­vis­t:in­nen von ,,Hamburg enteignet" mit ihrer Volksinitiative an den Start gehen, bemüßigt sich das Landesamt noch schnell mit einer Warnung: Da mischen gewaltorientierte Linksextreme mit, liebe Bürgerinnen und Bürger, lasst bloß die Finger davon!

Auf plumpe, aber perfide Weise versucht der Hamburger Verfassungsschutz letztlich nicht nur die Initiative, sondern die Idee von Vergesellschaftung zu diskreditieren – zum Wohle der Profiteure der seit Jahren herrschenden Mietpreiskrise. Die Behörde wird damit zum Klassenkämpfer von oben.

Schließlich mischt sie sich damit in den demokratischen Willensbildungsprozess ein: Was hilft gegen die seit Jahren steigenden Mietpreise in Hamburg? Was ist noch vom Bündnis mit der Immobilienwirtschaft zu halten, das der rot-grüne Senat so preist? Ob die Ziele der Volksinitiative politisch richtig sind und die vorgeschlagene Umsetzung eine kluge ist – darüber lässt sich trefflich streiten.

Klar ist doch aber, dass das Grundgesetz derlei Vergesellschaftungen vorsieht. Und um die legitime Forderung geht es schließlich – egal, wer sich dafür einsetzt. Was also hat sich der Verfassungsschutz hier einzumischen?

Die Antwort ist entsprechend offenkundig: Linke Politik, die ein Problem radikal, nicht nur oberflächlich angehen will und das Gemeinwohl statt des Profits Einzelner im Blick hat, bekämpft der Verfassungsschutz. Da kann er noch so häufig behaupten, dass es den teilnehmenden ,,linksextremistischen Gruppen" doch gar nicht um bezahlbaren Wohnraum gehe. Dass sie vielmehr ,,Kapital aus den Nöten der Menschen" schlagen wollten. Doch wer spricht hier vom Kapital? Diesmal der, der sich zum Büttel dessen macht.


Aus: "Warnung vor ,,Hamburg enteignet": Verfassungsschutz im Klassenkampf" Kommentar von André Zuschlag (15.9.2022)
Quelle: https://taz.de/Warnung-vor-Hamburg-enteignet/!5877684/

"Berlin als Vorbild: Hanseatische Enteignung" (15.9. 2022)
Die Volksinitiative ,,Hamburg enteignet" startet: Profitorientierte Wohnungskonzerne mit mehr als 500 Wohnungen sollen vergesellschaftet werden. ... Alle privaten, profitorientierten Wohnungskonzerne auf dem Hamburger Markt sollen enteignet werden, wenn sie mehr als 500 Wohnungen besitzen. In der Summe dürfte es damit um bis zu 100.000 Wohnungen gehen. Das entspricht rund zehn Prozent aller Wohnungen in der Stadt. ...
https://taz.de/Berlin-als-Vorbild/!5877683/

QuoteOskar Wilde

Erstmal vorweg: Es gab in Deutschland einen sehr grossen Bestand an Wohnungen in öffentlicher Hand. Sie gehörten der Bahn, Post, Bund, Bundeswehr, Ländern und Kommunen.
Dieser Wahungsbestand wurde jedoch durch die SPD- Schröder Regierung abgeschmolzen, verkauft und privatisiert.
Dadurch konnten diese Wohnungskonzerne erst entstehen, vorher gab es sie nicht in Deutschland. ...


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Student:innen in Potsdam müssen ab dem Start des Wintersemesters mehr für einen Wohnheimplatz bezahlen. Für ein Zimmer in einem der Häuser in der Landeshauptstadt steige die Miete zum Wintersemester um 30 Euro pro Monat, sagte die Sprecherin des Studentenwerks Potsdam, Josephine Kujau. Als Grund für die Erhöhung nannte das Studentenwerk Potsdam die rasant steigenden Energiekosten. Auch in den anderen Universitätsstädten des Landes Brandenburg steigen die Mieten in den Wohnheimen.

Die Durchschnittsmiete sei nach der Preisanpassung mit 283 Euro pro Monat aber immer noch günstig, so Kujau. Ein Blick in gängige Immobilienportale bestätigt dies: Für ein WG-Zimmer werden auf dem freien Markt in den meisten Angeboten 500 bis 600 Euro verlangt, einzelne Anbieter wollen sogar bis zu 800 Euro haben.

Wegen Energiesparmaßnahmen werden die Wohnheime nicht nur teurer, sondern auch kälter. ,,Wir sind derzeit in Abstimmung, was mögliche Temperaturoptimierungen angeht", so Josephine Kujau. Sie empfiehlt den Bewohnern der Häuser die Kampagne ,,Flip the switch" (,,Drücke den Schalter") des Deutschen Studentenwerks, die Tipps zum Energiesparen gibt. Das Studentenwerk Frankfurt (Oder) plant Anpassungen der Heizzeiten und -kurven. Die Heizperiode werde man maximal auf die Zeit zwischen dem 15. September und 15. Mai verkürzen, sagte ein Sprecher.

Während in Frankfurt (Oder), Cottbus und Senftenberg nach Angaben des Studentenwerksprechers voraussichtlich alle Bewerber einen Wohnheimplatz erhalten werden, könnten die Zimmer in Eberswalde knapp werden. Noch deutlich schlechter ist die Situation in der Landeshauptstadt: Laut Kujau stehen in Potsdam knapp 1000 aktiven Bewerbungen nur rund 550 Wohnheimplätze gegenüber, von denen die meisten bereits vergeben sind.

Seit Montag ist die Online-Vergabe des Studentenwerks freigeschaltet. Für einen Wohnheimplatz in Golm, Eiche oder Babelsberg können sich Studierende noch bis Mittwoch um 24 Uhr anmelden. Im Rahmen des Vergabeverfahrens steht laut Homepage ein Kontingent von etwa 60 Wohnplätzen zur Verfügung.

Die meisten freien Plätze sind einer aktuellen Liste zufolge noch im Wohnheim in der Stahnsdorfer Straße in Babelsberg verfügbar, für männliche Studenten gibt es dort noch 22 Plätze in Wohngemeinschaften mit je zwei bis drei Bewohnern. Wer einen Platz erhält, bekommt einen Bescheid und kann am 6. Oktober einziehen. Das digitale Verfahren ersetzt den Tag der freien Vergabe, bei dem zuvor Studenten teils vor dem Studentenwerk campierten und stundenlang warteten, um einen Platz zu ergattern.

Die soziale Lage der Studenten hat sich laut Kujau generell verschlechtert. So habe das Potsdamer Studentenwerk von Januar bis August dieses Jahres bereits 75-mal je eine Einmalhilfe aus seinem Notfonds von 300 Euro ausgezahlt, im Vorjahreszeitraum seien es knapp 30 Auszahlungen gewesen. Auch gebe es mehr Studenten in Teilzeit - in der Hoffnung, Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu haben. Viele Studierende hätten zudem mehrere Nebenjobs.


Aus: "Energiekrise belastet Studenten: Wohnheimplätze in Potsdam werden teurer - und kälter" Oliver Gierens (dpa), Sandra Calvez (20.09.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/potsdam/landeshauptstadt/energiekrise-belastet-studenten-wohnheimplatze-in-potsdam-werden-teurer-und-kalter-8664097.html


Textaris(txt*bot)

#1329
Quote[...] Das deutsche Seenotrettungsschiff ,,Humanity 1" hat mit knapp 400 Migranten an Bord die Zusage erhalten, in Süditalien anlegen zu dürfen. Wie die Berliner Organisation SOS Humanity am Dienstag mitteilte, wurde ihr der Hafen von Tarent (Taranto) in der Region Apulien zugewiesen. Dies habe bei den 398 im Mittelmeer geretteten Menschen zwar für ,,freudige Erleichterung" gesorgt, weil manche bereits rund zwei Wochen auf dem Schiff verbracht hätten.

Zugleich aber kritisierte die NGO, dass der zugeteilte Hafen 42 Stunden Fahrtzeit entfernt sei. Die ,,Humanity 1" war vor der Südküste Siziliens gekreuzt, ehe sie sich auf den Weg nach Apulien machte.

,,Die Situation ist prekär, Wasser- und Essensversorgung wurden stark rationiert, das Wetter soll wieder schlechter werden", twitterte die deutsche Organisation. Während die ,,Humanity 1" einen Hafen ansteuerte, wartete das spanische Rettungsschiff ,,Open Arms Uno" auf eine entsprechende Erlaubnis aus Italien.

Nach Angaben der Crew sind an Bord 402 Migranten sowie eine Leiche, die bei einer Rettungsaktion auf einem Holzboot zwischen Überlebenden entdeckt worden war.

Zivile Rettungsschiffe müssen oft tagelang warten, ehe ihnen von Italien ein Hafen zugeteilt wird. Sie werfen Rom Schikane und Verzögerungen vor. Für die Behörden wiederum ist es dem Vernehmen nach oft schwierig, einen Hafen zu organisieren - muss dort doch die Aufnahme der Migranten und Flüchtlinge samt Registrierung und medizinischen Tests vorbereitet werden. Nach Angaben der Retter antwortet das EU-Land Malta seit langem gar nicht mehr auf Anfragen.

Viele Menschen wagen immer wieder von Nordafrika aus die gefährliche Überfahrt über das zentrale Mittelmeer, weil sie sich in der EU ein besseres Leben erhoffen. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen dabei allein in diesem Jahr 1039 Migranten ums Leben oder werden vermisst. Rom registrierte 2022 mehr als 68.200 Migranten, die an Italiens Küsten ankamen - im Vorjahreszeitraum waren es gut 43.200. (dpa)


Aus: " ,,Wasser- und Essensversorgung stark rationiert": Deutsches Seenotrettungsschiff mit knapp 400 Migranten darf in Italien anlegen" (20.09.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/wasser-und-essensversorgung-stark-rationiert-deutsches-seenotrettungsschiff-mit-knapp-400-migranten-darf-in-italien-anlegen-8666599.html

"Ehemalige Sea-Watch 4 künftig als Humanity 1 für SOS Humanity im Einsatz" (19.08.2022)
Die zivile Seenotrettungsorganisation SOS Humanity hat heute Vormittag im spanischen Vinaròs ihr neues Rettungsschiff Humanity 1 getauft. Es handelt sich um die bisherige Sea-Watch 4, die die Organisation Sea-Watch nach mehr als zwei Jahren erfolgreicher Rettungseinsätze an SOS Humanity übergeben hat. Initiiert und finanziert wurde der Erwerb des ehemaligen Forschungsschiffs Poseidon aus Kiel Anfang 2020 durch das zivilgesellschaftliche Bündnis United4Rescue. Die Humanity 1 soll noch im August in den Rettungseinsatz im zentralen Mittelmeer starten.
https://sea-watch.org/seawatch-4-humanity-1/