[...] Reichtumsporno? Armutsvoyeurismus? Zum Glück nicht. Der ARD-Film "Ungleichland - Wie aus Reichtum Macht wird" ist ein gelungenes Erklärstück zur Globalisierung. ...
Begleitet wird auch, stellvertretend für die Mittelschicht, eine Familie aus Leipzig. Zwei Kinder, Mutter nur Mutter, Vater mit "sicherem Job" bei Siemens. Zu Beginn wollen sie sich noch nach einer größeren Wohnung strecken, finanziell. Am Ende droht, weil der Job doch nicht so sicher ist, der soziale Abstieg. Unverschuldet in die Verschuldung?
Nicht, wenn es nach Gröner geht, der einfach "Gas gibt" und in seinem Leben nur dreimal krankheitsbedingt fehlte (und also einen guten Postboten abgeben würde). Er reißt sich eben, anders als andere, den Allerwertesten auf und zeigt ihn gerne her. Und auch nicht, wenn es nach Christian Freiherr von Bechtolsheim geht. Der Waldbesitzer und Nachfahre der Fugger beschreibt es als seine Aufgabe, das Vermögen vermögender Familien für kommende Generationen zu sichern. Die Frage hingegen, ob er das als Teil des Problems sieht, findet er "frech".
Genau hier, bei der Anhäufung von aberwitzigem Kapital und dessen Sicherung für die Nachfahren, findet der Übergang von Reichtum zu Macht statt. Aus dem Fenster geworfene Millionen landen nämlich immer häufiger bei Vermögensverwaltern wie BlackRock, die über Beteiligungen wiederum Einfluss auf die "Realwirtschaft" und damit die Politik nehmen, ganze Gesellschaften in Schattenverwaltung halten.
Wer reich genug ist, in Köln ein neues Stadtviertel zu bauen, der hat auch die Macht, die Stadt zur termingerechten Erteilung der Baugenehmigungen zu nötigen. Der Reiche kann aber auch, wenn er mitfühlend ist wie Gröner, den goldenen Fußballschuh von Lionel Messi zugunsten "benachteiligter Kinder" versteigern lassen - und die Charity-Veranstaltung von der Steuer absetzen, also vom Staat finanzieren lassen.
"In einer freien Gesellschaft", so die grundsätzliche Fragestellung des Film, "ist es schwer, das Gleichgewicht zu finden zwischen dem Ziel, Anstrengungen Einzelner zu belohnen und dem Wunsch, alle teilhaben zu lassen. Was ist, wenn das nicht mehr gelingt?" Die Antwort liegt auf der Hand, wiegt aber schwerer, wenn Nobelpreisträger Stiglitz sie gibt: "Wenn es nicht gelingt, einen neuen sozialen Vertrag zu schließen, werden die, die verletzt worden sind, die vielen, vielen Menschen, die verletzt worden sind, rebellieren."
Dieser Gefährdung der Demokratie (von links durch Rebellion gegen das System und seine Profiteure, von rechts durch Umleitung des Hasses auf die Schwächeren) begegnen die Macher von "Ungleichland" weniger mit erkennbarer Tendenz in der Berichterstattung. Sie greifen, und das ist eine sympathische Pointe, zu basisdemokratischen Mitteln. Auf Facebook, Twitter oder Instagram ist die Öffentlichkeit aufgefordert, mitzureden und sich gewissermaßen selbst herzustellen.
Im Film kommt, neben der Familie aus Leipzig, auch ein Pförtner zu Wort, der auf einer von Christoph Gröners Baustellen arbeitet. Ein melancholischer und eloquenter Mann, der keinesfalls tauschen möchte mit dem Chef. 2000 Euro verdient er für seine Tätigkeit. Wenn er sie aus dem Fenster wirft, sind sie weg.
Aus: "Das Geld aus dem Fenster werfen" Arno Frank (07.05.2018)
Quelle:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/ungleichland-ard-ueber-globalismus-das-geld-aus-dem-fenster-werfen-a-1206562.html---
[...] Die Befunde der Reportage klingen ernüchternd. Mit 17.000 Euro angespartem Vermögen kann man in Frankfurt am Main 3,3 Quadratmeter Wohnung erwerben. Ein Bauingenieur verdient 1970 Euro netto, ein angestellter Facharzt kommt auf 2780 Euro. Die Einkommen der Mittelschicht stagnieren oder sinken. Die Vermögensverteilung in Deutschland zementiert Ungleichheit. Ein Nachfahre der Fugger betreibt heute ein Family Office für Vermögende und outet sich als Dagobertist: Was man liebt, müsse man auch besitzen, beruft er sich auf Marion Gräfin Dönhoff.
Seit 1990 hat sich das Verhältnis zwischen Finanzvermögen und Realwirtschaft immer weiter auseinander gespreizt. Heute stehen 300 Billionen Dollar Finanzvermögen 80 Billionen Realwirtschaft gegenüber. Der Vermögensverwalter Blackrock verwaltet heute sechs Billionen Dollar, mehr als die addierten Staatseinnahmen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Deutschlands zusammen.
92 Prozent der 1940 Geborenen haben später mehr verdient als ihre Eltern. 40 Jahre später trifft das nur noch auf weniger als 50 Prozent zu. Der Traum, das Kind werde es einmal besser haben, scheint ausgeträumt. Der Immobilienunternehmer Christoph Gröner redet in der Reportage über seine Kinder, als gehörten sie zu seinem Asset Management. In der Rigaer Straße in Berlin streitet er wie ein Straßenkämpfer mit protestierenden Anwohnern eines von ihm entwickelten Neubauvorhabens. Bald, erzählt er, werde er eine neue Partei gründen. Ihn zieht es in die Politik, sein Vorbild scheint Emmanuel Macron zu sein. Argumentativ aber wirkt er unaufgeräumt, von einer kaum gebändigten Aggressivität geprägt.
Gröners Ambitionen scheint entgegenzukommen, dass die unter 30-Jährigen Demokratie nicht mehr für wichtig halten. Zwei Ökonomen halten dagegen: Thomas Piketty resümiert, die Mehrheit der Bevölkerung habe das Gefühl, von den Oberschichten im Stich gelassen zu sein. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz plädiert für einen neuen sozialen Vertrag.
... Der Soziologe Michael Hartmann sagt, in Deutschland gebe es doppelt so viel Milliardäre wie in Frankreich und in Großbritannien. Die Steuerpolitik der letzten 20 Jahre habe die Ungleichheit erheblich befördert. Die Gewinne der Kapitalgesellschaften hätten sich verdreifacht, ihre Investitionsquote aber sei von 50 auf vier Prozent gesunken.
Christian Wrobel (luke123), 08.05.2018 - 09:55
Leider wurden einige Unwahrheiten in der Sendung nicht richtiggestellt
Die Steuerquote hat sich in den letzten 50 Jahren kaum verändert. Der Staat verfügt also im Verhältnis zum BIP heute nicht über höhere Einnahmen als damals. Was sich allerdings verändert hat, das ist die Steuerlast der Arbeitnehmer. Die ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. In Verbindung mit der ebenso deutlich gestiegenen Abgabenlast haben AN in Deutschland die höchste Belastung in allen Ländern der OECD! Und jetzt darf man dreimal raten, welche Steuersätze im Gegenzug gesunken ist? Richtig, die Gewerbe- und die Körperschaftsteuer, die Vermögen- und die Erbschaftssteuer. Diesen Hintergrund hat man leider nur gestreift. Chance vertan.
Anna Lena Maier (al_maier), 08.05.2018 - 09:10
Der narzisstische Besuch der alten Dame
Was treibt einen solchen Menschen an, sich in so eine Sendung zu setzen und Millionen zu zeigen, was für ein asozialer Schnösel man ist ?
Wer für das Psychologiestudium noch ein Anschauungsexemplar für die narzisstische Persönlichkeitsstörung sucht, findet in diesem Herrn Görner ein Musterexemplar.
Auch wenn der Mann baut wie ein Eichhörnchen, man hat solche selbstgekrönten Hobbykaiser schon von einen Tag auf den anderen in der Gosse oder im Knast gesehen, schon lange vor Jürgen Schneider.
Christian Borgelt (borgelt), 08.05.2018 - 07:04
Umverteilung: Geldpolitik und Cantillon-Effekt
Beim Thema Ungleichheit scheint wieder einmal allen nur staatliche Umverteilung von oben nach unten (von reich zu arm) einzufallen. Sinnvoller wäre, herauszufinden, wieso es denn in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten zu einer fortschreitenden Umverteilung von unten nach oben (von arm zu reich) gekommen ist, damit man die Ursachen beheben kann. Ein wichtiger Ausgangspunkt hätte hier das Ungleichgewicht von Finanz- und Realwirtschaft sein können. Wesentlich ist nämlich der durch die Geldpolitik der Zentralbanken (Geldmengenausweitung durch Herabdrücken der Zinsen unter das Marktniveau) bewirkte Cantillon-Effekt (nach Richard Cantillon, 1680-1734), durch den diejenigen, die neu geschaffenes Geld zuerst erhalten (Banken, Großunternehmen, Staat), auf Kosten derjenigen profitieren, bei denen es zuletzt ankommt (Arbeitnehmer). Bekämpfen könnte man diesen Effekt durch eine Rückkehr zu "gesundem Geld" ("sound money"), das nicht staatlicherseits inflationierbar ist, z.B. ein Goldstandard.
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Aus: "Ungleich vor dem Gesetz?" Hans Hütt (08.05.2018)
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik-hart-aber-fair-ungleich-vor-dem-gesetz-15579461.html---
[...] Gröner beklagt in seinem Brief bundesweite Attacken gegen sein Unternehmen "wegen unseres Engagements in der Rigaer Straße". Zitat: "Fahrzeuge von uns und unseren Partnern werden angezündet, ein Wachmann wurde krankenhausreif geschlagen, wir und unsere Partner sind regelmäßig das Ziel von Anschlägen, teilweise unter Inkaufnahme von Personenschäden."
Die Übergriffe setzt er in Zusammenhang mit der Situation vor Ort. Denn als Aufhänger für sein Schreiben verweist Gröner auf die Auseinandersetzungen Ende Mai in der Rigaer Straße, als mehrfach Polizisten massiv angegriffen wurden.
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Aus: "Der Brief des Investors: Christoph Gröner, die Rigaer Straße und der Rechtsstaat" Thomas Frey (09.06.2017)
Quelle:
http://www.berliner-woche.de/friedrichshain/politik/der-brief-des-investors-christoph-groener-die-rigaer-strasse-und-der-rechtsstaat-d126764.html---
[...] „Ich bin ein Kerl, ich hab Eier“, sagt Bauunternehmer Christoph Gröner (49). Der 1,95-Meter-Mann (95 kg) ist einer, der noch höher hinauswill und dabei nicht klein beigibt. Den Steglitzer Kreisel kann er nach langem Ringen mit 330 Wohnungen bestücken. Aber sein Projekt im und ums frühere Postscheckamt am Landwehrkanal mit 711 Wohnungen, Kita, Hotel und Gewerbe hakt.
„Planungsverfahren werden mutwillig hinausgezögert“, wirft Gröner dem Bezirksamt Kreuzberg vor. „Vor dem Jahr 2020 werden wir da keine Wohnungen haben.“ Wenn überhaupt.
... Gröner kennt kein Pardon mehr, fühlt sich von der Politik nicht hinreichend unterstützt. Auf seiner Baustelle in der Autonomen-Hochburg Rigaer Straße (Friedrichshain) haben ihn schon Vermummte umringt, ein Wachmann wurde zusammengeschlagen, Firmenfahrzeuge abgefackelt – und kürzlich wurde sogar topfschlagend sein Büro in Wilmersdorf besetzt.
Gröner glaubt an einen Zusammenhang zwischen dem Widerstand in der Rigaer Straße und dem Schneckentempo bei der Bearbeitung des Post-Projektes. Er ist empört: „Warum interessiert niemanden, dass ich auf dem Postgelände statt 25 sogar 30 Prozent Sozialwohnungen baue? Warum interessiert nicht, dass ich die größte Erdwärmeanlage der Region baue? Es interessiert niemanden, dass wir alles übererfüllen, dass wir ökologisch bauen, kein Styropor an die Fassaden kleben.“
CDU-Fraktionschef Florian Graf (43): „Die Situation ist so verhakt – der Senat sollte das Projekt übernehmen und an sich ziehen.“
Aus: "Blockiert der Bezirk? - Dieser Investor plant eine Vier-Mio.-Euro-Klage gegen Kreuzberg" (21. August 2017)
Quelle:
https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/dieser-investor-plant-eine-vier-mio-euro-klage-gegen-kreuzberg---
[...] "Wenn Sie ein großes Vermögen haben, können Sie es durch Konsum nicht mehr zerstören. Sie schmeißen das Geld zum Fenster raus und es kommt zur Tür wieder hinein", sagt Christoph Gröner, einer der größten deutschen Immobilienentwickler. Er baut in nahezu allen Großstädten Deutschlands Mehrfamilienhäuser, verkauft Eigentumswohnungen und plant ganze Stadtviertel.
"Wir Unternehmer sind mächtiger als die Politik, weil wir unabhängiger sind." Der Film "Ungleichland" begleitet Christoph Gröner in seinem Alltag. Er ist durch harte Arbeit nach oben gekommen und sagt: "Wir leben in der geilsten Gesellschaft der Welt. Hier kann jeder werden, was er will." Aber solch ein Aufstieg gelingt nur wenigen.
In einem der reichsten Länder der Erde geht es ungleich zu. Die Reichen setzen sich ab, die Armen sind abgehängt. Die Mittelschicht kämpft, um den Status zu halten, statt wie früher durch Arbeit und Leistung den Aufstieg zu schaffen. Jüngere Menschen haben heute weniger verfügbares Einkommen als die Generationen davor.
Der Film bereist das "Ungleichland" Deutschland und liefert anschaulich Zahlen und Hintergründe. Die weltweit führenden Forscher und Experten zum Thema Ungleichheit kommen zu Wort, etwa der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, Ökonom Thomas Piketty, oder Brooke Harrington, die intensive Feldforschung bei den Anlegern der internationalen Finanz-Elite betrieben hat.
Branko Milanovic war Chef-Ökonom der Weltbank und zieht eine Bilanz der Globalisierung: Verlierer, sagt er, seien die unteren Mittelschichten der reichen Länder – wie Deutschland. "Diese Menschen verdienen heute das, was sie auch schon vor 20 Jahren verdient haben. Wie vor hundert Jahren", so fasst es Milanovic zusammen, "steht die Menschheit auch heute wieder an einer Kreuzung: Lässt sie zu, dass die wachsende Ungleichheit die Gesellschaften der reichen Länder zerreißt? Oder hält sie dagegen?"
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Aus: "Ungleichland – Wie aus Reichtum Macht wird" (07.05.2019)
Quelle:
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ungleichland-wie-aus-reichtum-macht-wird-folge-2-100.html---
[...]. Jetzt sollen sich sechs „Story“-Filme mit gesellschaftlich kontroversem Stoff beschäftigen. Zum Auftakt der Reihe „Was Deutschland bewegt“ geht es um Langzeitarbeitslose und prekär Beschäftigte. So berichten Knud Vetten und Florian Farken in „Die Schattenseiten des Booms“ von der gängigen Methode, wie der Mindestlohn in der Reinigungsbranche systematisch unterlaufen wird. Wenn die Arbeit nicht in der vorgegebenen Zeit geschafft werden kann, muss nachgearbeitet werden – freilich ohne Bezahlung. „In 70 Prozent der Fälle schafft man es nicht“, sagt die Bereichsleiterin einer Unternehmensgruppe, die 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Thema wird sodann von Frank Plasbergs „hart aber fair“-Talk aufgegriffen, auch das ist Programm.
Zwei weitere Filme behandeln ebenfalls sozialpolitische Themen: „Ungleichland – Wie aus Reichtum Macht wird“ (7. Mai) beschäftigt sich unter anderem mit dem Unternehmer Christoph Gröner, dessen CG-Gruppe in Berlin etwa den Steglitzer Kreisel zum City-Tower umbaut. ...
Aus: "Von Ausbeutung am Arbeitsplatz und Drogen in Berlin" (29.04.2018)
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/medien/neue-ard-montagsreihen-von-ausbeutung-am-arbeitsplatz-und-drogen-in-berlin/21227164.html