[...] Thomas Middelhoff (* 11. Mai 1953 in Düsseldorf) ist ein deutscher Manager. Er amtierte von November 1998 bis Juli 2002 als Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Bertelsmann AG und von Juni 2004 bis Februar 2009 der Arcandor AG (bis 2007 KarstadtQuelle AG).
... Die Trennung zwischen Middelhoff und Bertelsmann im Juli 2002 ging auf Differenzen über die zukünftige Strategie des Unternehmens mit Reinhard Mohn, dem „Firmenpatriarchen“ der Bertelsmann AG, zurück. Strittig war insbesondere die Frage, ob das Unternehmen an die Börse gebracht und damit neues Geld zur weiteren Expansion beschafft werden oder ob die weitere Entwicklung aus dem Cashflow finanziert werden sollte. Weitere Streitpunkte waren auch Fragen der Unternehmenskultur. Middelhoff erhielt eine Abfindung in zweistelliger Millionenhöhe.
... In einem Rechtsstreit mit dem Arcandor-Insolvenzverwalter wurde Middelhoff am 9. September 2013 vom Landgericht Essen unter anderem wegen ungerechtfertigter Boni zur Rückzahlung von rund 3,4 Millionen Euro verurteilt. Middelhoffs Anwalt kündigte Berufung an.
Am 29. November 2013 berichtete Spiegel Online, Middelhoff habe einen Mahnbescheid über 120 Mio. Euro gegen die Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und Hans-Gerd Jauch beantragt. Middelhoffs Anwalt begründete die Forderung mit „Imageschäden“ und „enormen geschäftlichen Schäden“. Die Insolvenzverwalter widersprachen der Forderung. ...
Am 14. November 2014 verurteilte ihn das Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft. Noch im Gerichtssaal wurde wegen Fluchtgefahr ein Haftbefehl erlassen und Middelhoff sofort in Untersuchungshaft genommen. Hintergrund war neben seinem ausländischen Wohnsitz unter anderem der Besitz eines zweiten Reisepasses mit einem Visum für China, den Middelhoff dem Gericht zu verbergen versucht hatte. Das Urteil ist derzeit nicht rechtskräftig. Nachdem die Gerichte zunächst mehrere Haftbeschwerden zurückgewiesen hatten, gewährte das Landgericht Essen Middelhoff Haftverschonung und entließ ihn am 29. April 2015 gegen Stellung einer Kaution in Höhe von 895.000 Euro aus der Untersuchungshaft. ...
Aus: "Thomas Middelhoff" (Stand 09.07.2015)
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Middelhoff#Arcandor ---
[...] 104 Millionen Euro: So viel fordern die Gläubiger von dem ehemaligen Bertelsmann- und Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Dieser scheint nach Berichten von Süddeutscher Zeitung und WDR jedoch Vorkehrungen vor seiner Privatinsolvenz getroffen zu haben. Schon 2011 soll Middelhoff ein Anwesen in Bielefeld an eine Firma übertragen haben, deren Anteilseigner hauptsächlich seine Frau Cornelia und ihre fünf Kinder sind. Weitere Vermögenswerte in Form von Fondanteilen, Aktien und einem Festgeldkonto sollen ebenfalls von seinem Anwalt Hartmut Fromm verschoben worden sein, um diese vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters zu schützen. Insgesamt sollen so Werte von 90 Millionen illegal vor dem 31.03.2015, dem Tag der Privatinsolvenz, "gerettet" worden sein. Thomas Middelhoff ist derzeit wieder auf freiem Fuß – gegen eine Kaution betrug 900.000 Euro.
Nun hat das Amtsgericht Bielefeld am 13. April den Middelhoff-Insolvenzverwalter Thorsten Fuest ermächtigt, alle Übertragungen rückgängig zu machen. Fuest soll Haus und Aktienanteile für die Gläubiger sichern und so Teile der Millionenschulden zurückzahlen. Erst kürzlich hatte der Insolvenzverwalter geklagt, er habe "keinen Cent" mehr bei Middelhoff gefunden, um die rund 50 Gläubiger zufriedenzustellen. Hauptgläubiger sind die Privatbank Sal. Oppenheim, die Sparkasse Köln/Bonn und der Unternehmensberater Roland Berger. Zudem schuldet Middelhoff dem Land Nordrhein-Westfalen noch Steuern in Millionenhöhe.
Middelhoff zeichnete vor seiner Insolvenz alleine und mit seiner Frau acht geschlossene Immobilienfonds über die Privatbank Sal. Oppenheim und den Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch. Sie dienten vor allem Steuerersparnissen für das enorme Vermögen Thomas Middelhoffs. Lange hielten die anderen Fondsgesellschafter wie Madeleine Schickedanz oder die Schuhdynastie Deichmann still, obwohl die Middelhoffs ihren finanziellen Pflichten aus den Beteiligungen schon lange nicht mehr nachkamen.
Nun jedoch haben sich die anderen Anleger bei sechs der Fonds darauf geeinigt, die Middelhoffs aus den Gesellschaften auszuschließen. Sie nutzten dafür einen Passus des Vertragswerks, der es erlaubt, Gesellschafter zu entfernen, die Privatinsolvenz beantragt haben. Im Fall Middelhoff muss nun ein neutraler Gutachter bewerten, wie viel welche Anteile wert sind und ob das Paar Middelhoff noch etwaige Ansprüche durchsetzen kann.
Widerstand kommt zudem von Middelhoff selbst. Seine Anwälte halten die Ausschlüsse für unwirksam und führen an, dass die Verantwortlichen der Oppenheim-Esch-Gruppe bei dem Beschluss der Gesellschafterversammlung befangen waren, weil sich Middelhoff seit 2012 im Rechtsstreit mit der Gruppe befindet.
Moriz
13.06.2015 20:45 Uhr
Wenn man die Causa Middelhoff in den letzten Jahren verfolgt hat, jetzt noch einmal die Ereignisse liest und die Summen, die dabei verschoben wurden, dann ist es nicht mehr schwer, sondern schlicht unmöglich da nur ansatzweise so etwas wie Mitleid aufzubringen.
Für Middelhoff nicht, für seine Frau nicht und auch nicht für seine Kinder.
Ich habe bislang noch keine Äußerung von ihm vernommen, in der er aufrichtiges Unrechtsbewusstsein kundgetan hätte.
Mein Eindruck ist, dieser Mann lebt gedanklich und mental immer noch komplett in seiner "alten Welt".
Wenn der wirklich immer noch nicht realisiert hat, was ihm da gerade widerfährt, dann ist der für mich ein Fall für eine Therapie, die ihm wieder "real-realistisches Realitätsbewusstsein" beibringt!
...
Aus: "Von wegen Insolvenz - Middelhoff verliert vor Gericht" (13.03.2015)
Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/vermoegen-bei-thomas-middelhoff-sichergestellt-von-wegen-insolvenz-middelhoff-verliert-vor-gericht/11912536.html---
Die Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA ist eine deutsche Bank mit Sitz in Köln. Sie wurde 1789 als Privatbank gegründet und gehörte Angehörigen der Familie Oppenheim. Seit Oktober 2009 ist sie eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit ist die Vermögensverwaltung. ... (Stand 09.07.2015)
https://de.wikipedia.org/wiki/Sal._Oppenheim[...] Er gehe „keiner Tätigkeit“ nach, gibt Christopher von Oppenheim vor Gericht an. Seine Einkünfte: unregelmäßig. Er ordne seinen Besitz, sagt er, „ein komplexes Konstrukt“, was bedeute, dass er Immobilien und Beteiligungen für Verbindlichkeiten abstoße, die ihm durch die Arcandor-Insolvenz entstanden sind. Im Strudel dieser Firmenpleite wäre auch Oppenheim untergegangen, ein Notverkauf an die Deutsche Bank konnte das Geldhaus 2009 retten. Doch die Eigentümerfamilien Oppenheim, Ullmann, Pferdmenges, Marx, Strasoldo und von Wrede, die sich für ihre Geschäfte und ihren großbürgerlichen Lebensstil Geld von der eigenen Bank liehen, sind nun Schuldner des neuen Inhabers. Und bei einigen, so heißt es, übersteigen die Forderungen die hinterlegten Sicherheiten bei Weitem. Es liegt in Trümmern, was über Jahrhunderte das Geheimrezept der Familienbank war, der Zusammenhalt der Stämme, der gesellschaftliche Status.
... Dabei nahm der Sturz seinen Anfang 1989 mit dem größten Deal der Firmengeschichte. Für drei Milliarden D-Mark verkaufte Alfred von Oppenheim die Colonia-Versicherung. Ein Coup. Das verschaffte der Bank die nötigen Mittel zur technischen Modernisierung. Die stille Bindung der Gesellschafter war auf Jahre hinaus gesichert, was Christophers Vater, wie er dem „Spiegel“ sagte, als sein „größtes Verdienst“ betrachtete. Er baute sein Haus in einen spezialisierten Anbieter von Finanzdienstleistungen um und band die edelsten Unternehmerfamilien des Landes an sich. Diese investierten große Summen ihrer Millionenvermögen in zum Teil geschlossene Immobilienfonds, die die Bank gemeinsam mit dem Immobilienentwickler Josef Esch als exklusive Anlagemodelle auflegte. Es finden sich Namen wie die des Schuhimperiums Deichmann unter den Investoren, des Autoteilezulieferers Benteler, der Douglas-Besitzer Kreke, des Verlegers Neven DuMont, des Bankerben Wilhelm von Finck sowie zuletzt des SGL-Carbon-Chefs Robert Koehler. Solche Kunden umwirbt jede Bank. Bei Sal. Oppenheim, dem Traditionshaus, gegründet im Jahr der Französischen Revolution, fühlten sie sich aufgehoben, verstanden von Leuten, die selbst große Privatvermögen besaßen, mit Geld also offenkundig umzugehen wussten.
Nun klagen sie in etlichen Zivilverfahren, nicht angemessen über Risiken aufgeklärt worden zu sein. Darunter frühere Topbanker anderer Institute. Wie gerade vor ihnen Investitionsrisiken verschleiert werden konnten, ist eine pikante Frage. Allerdings haben Gerichte zwei ehemaligen Bankern der Deutschen Bank bereits Recht gegeben. Einer hatte als Zeichner eines Oppenheim-Esch-Fonds hohe Summen in den Kauf und die Renovierung des Karstadt-Hauses in Potsdam gesteckt, das der Konzern dauerhaft mieten sollte. Was der Kläger Axel Pfeil nicht erfuhr, dass die Mietgarantie nur durch verdeckte Zahlungen an Karstadt zugesichert werden konnte. Mit der Pleite des Unternehmens war diese Garantie hinfällig - und der Kläger sah offenbar die Chance, sich seine Geld zurückzuholen. Denn im Übrigen war er auch nicht von der Abmachung zwischen Fonds und Karstadt unterrichtet worden, Einsparungen bei den Baukosten nur unter sich aufzuteilen. Die Investoren blieben außen vor.
Aus solchen Deals spricht nach Ansicht vieler Beobachter die Handschrift des Mannes, der aus einfachsten Verhältnissen stammend zum Zampano der Kölner Klüngelkultur aufstieg und als Schlüsselfigur im Oppenheim-Desaster gilt. Josef Esch, 57 Jahre alt, Immobilienspekulant, Vermögensberater, gelernter Maurer. Das Verfahren gegen ihn wurde gegen Auflage einer Zahlung in Millionenhöhe teilweise eingestellt. Keiner der Oppenheimer wollte ihn belasten. Seine Rolle, ob nun als „Graue Eminenz“ oder als „Erfüllungsgehilfe“ der Bank ist undurchsichtig. Entschieden haben allerdings immer die Banker selbst.
Eschs Aufstieg zum Partner ist eng mit dem so genannten Bauherrenmodell verbunden. Mit ihm entziehen sich vermögende Kunden dem Steuerzugriff des Staates, indem sie ihre Einkommen mit Krediten für Bauprojekte belasten. Etliche solcher Unternehmungen realisiert Esch in den 70er Jahren. Bei Zahnärztekongressen in Davos kommt der Kontakt zu Sal. Oppenheim zustande. Esch überlässt dem Direktor für Vermögensverwaltung seine Kundenadressen. Er darf selbst ein Konto bei der Upper-Class- Bank eröffnen. Einen wie ihn hat man geradezu gebraucht.
Esch ist gut darin, die Vorgaben der Bank zu erfüllen. Vertrauen wächst. Seine Immobilienprojekte werden immer größer. 1993 steigt Sal. Oppenheim in Eschs Holding ein, die zur Oppenheim- Esch-Holding wird. Sie bietet einem erlauchten Kundenkreis ab den 80er Jahren exklusive Beteiligungen an, die durch garantierte Mietzinsen abgesichert sein sollen. Dass deren Höhe vom marktüblichen Preis nicht gedeckt ist, spiele für die Kalkulation keine Rolle, lässt er seine Anwälte vor Gericht argumentieren. Sicherheiten und Verpflichtungen, Zinsen und Mieteinnahmen seien für jedes Projekt so ausbalanciert, dass sich die steuerlichen Vorteile rechnen. So verpflichtet sich etwa die Stadt Köln Mieten für neue Messehallen zu zahlen, die sich lediglich an Eschs Kalkulationen orientieren, nicht jedoch am realen Markt. Sein Meisterstück liefert er mit der Köln-Arena – heute Lanxess-Arena – ab. Annähernd eine Milliarde Euro sammeln Oppenheim und Esch von über 70 Anlegern ein, die durchschnittlich zwölf Millionen Euro einbringen. Denn Esch hat es geschafft, dass in einem Nebengebäude des Hallenstadions das technische Rathaus der Kommune untergebracht ist, so dass Mieteinnahmen auf Jahrzehnte konjunktursicher fließen.
Mit dem engsten Führungszirkel der Oppenheim-Bank verfolgt Esch allerdings andere Ziele. In diesen Kreis steigt Christopher von Oppenheim nach dem Tod seines Vaters 2005 auf. Leider sei er nicht wie jener, nämlich „das Schwergewicht“ gewesen, „der Entscheider, ohne den nichts ging“, sondern sah sich beinahe entmachtet. Bankvorstand Matthias Graf von Krockow versuchte, ihn zur BHF-Bank abzuschieben, die Sal. Oppenheim für 600 Millionen Euro erworben hatte. Informationen bekam er nur spärlich, er wurde nicht automatisch ins Vertrauen gezogen, sondern musste nachhaken. „Ich fühlte mich abgeschnitten.“ Es habe nicht seinem Naturell entsprochen, meint er allerdings, sich gegen die starken Charaktere im Haus durchzusetzen.
So wurde um Einfluss gestritten in der Familie. Graf Krockow vertrat als Sprecher der obersten Gesellschafterebene auch die Interessen des Schlenderhahn-Stamms, dem er durch seine Ehe mit Ilona Baronin von Ullmann angehört. Der direkte Draht zu Esch ließ die Ullmanns immer wichtiger werden. Kritische Stimmen aus dem Gesellschafterkreis, die vor einer „Abhängigkeit“ warnten, wurden abgewimmelt. Aber Baron Oppenheim glaubte, der Machtverschiebung nur dadurch begegnen zu können, dass er bei den Geschäften mitmischte, die die anderen betrieben. So würde er wenigstens wissen, erläutert er, was vor sich ging. Heute nennt er es eine „familienpolitische Maßnahme“. Das "sensible Gleichgewicht" der Stämme wollte "nicht stören".
In der Bank hat sich da längst eine informelle Parallelstruktur für so genannte „Esch-Kredite“ gebildet. Mit ihnen finanzierten Oppenheim-Kunden ihre Fondsbeteiligung. Die Kredite wurden anders als üblich nicht vom Geschäftsführungsausschuss der Bank genehmigt, sondern von den Partnern an der Bankspitze. Selbst hochrangigen Mitarbeitern wurde gesagt, dass es ihnen dafür an Kenntnissen mangele. „Die Kultur des Bankhauses Oppenheim“, sagt ein ehemaliger Abteilungsleiter, sei nicht darauf ausgelegt gewesen, „kontrovers mit einem persönlich haftenden Gesellschafter zu diskutieren“. Für Christopher von Oppenheim ist diese Abschottung der Entscheider unter Umständen sogar geboten: „Wenn man bei solchen Transaktionen das tut, was im Normalfall geschieht“, erklärt er vor Gericht, „nämlich die Fachabteilungen einzuschalten, umfangreiche Informationen einzuholen, Chancen und Risiken abwägen zu lassen, dann sind diese Geschäfte in der Regel schon gestorben, ehe sie ins Leben gerufen werden.“ Die Bankführung wollte „schnell und autonom“ handeln können.
Danach handelten sie auch beim Verkauf einer Frankfurter Immobilie. Mit 51 Millionen Euro hatten die mit Esch verbandelten persönlich haftenden Oppenheim-Gesellschafter in den Fonds eingebracht, der das Grundstück in der Bockenheimer Landstraße für die Bank entwickeln sollte. Das Gebäude sollte Sitz der Investmentsparte werden. Die Bankführung vermietete als Immobilieninvestor also ein Gebäude an ihr eigenes Unternehmen. Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise 2008 wollte sie von Vermietung nichts mehr wissen und betrieb den Ankauf von 95 Prozent ihrer Fondsanteile durch die Bank. Kaufpreis: 130 Millionen Euro. Wie hoch der dadurch entstandene Schaden ist, hat vor Gericht eine Phalanx von Gutachtern aufmarschieren lassen.
Fataler für das Bankhaus war allerdings, dass es sich auf Eschs Spiel mit dem ganz große Geld einließ. Er hoffte, über die Aktienpakete der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, deren Vermögensverwalter er war, Einfluss auf den mit Karstadt fusionierten Konzern zu gewinnen. Über die Motive ist man unter den Beteiligten uneins. Einerseits wollte man offenbar die Karstadt-Immobilien in besten Innenstadtlagen nach dem üblichen Fonds-Modell verwerten. Andererseits ging es schlicht darum, Schickedanz als Großkundin nicht zu verlieren. Und natürlich dürfte eine Rolle gespielt haben, dass Graf Krockow, sein Schwager und Chef im Aufsichtsrat Georg Baron Ullmann und Christopher von Oppenheim sich über eine Esch-Firma Kredite von der eigenen Bank besorgt hatten, um sie an Madeleine Schickedanz weiterzureichen. Verdeckt. Als mit zunehmender Schieflage des Schickedanz-Engagements im Arcandor-Poker die Frage auftauchte, ob die Bank ihre Einlagen bei der Erbin nachträglich absichern sollte, wurde die Kreditabteilung außen vor gelassen. Denn die „neigte zu unkontrollierten Vorstößen“, wie Chef von Krockow gestand. Und das konnte man bei einer Premiumkundin wie ihr nicht gebrauchen. So unterblieb die Absicherung abermals, obwohl sie von den Partnern beschlossen war.
Dazu müsse man wissen, führt Christopher von Oppenheim einmal aus, „dass es bei Sal. Oppenheim üblich war, Kredite auch ohne feste Sicherheiten zu vergeben“. Die Ausfallraten seien gering gewesen. Und als Sicherheit stand ja in diesem Fall er mit seinem Vermögen ein.
Graf Krockow konnte bis Oktober 2008 die Illusion aufrecht erhalten, dass er über die Achse Esch-Schickedanz über die Vorgänge im Konzern bestens unterrichtet sei. Im Grunde beschränkte sich sein Wissen auf das, was ihm Konzernchef Thomas Middelhoff am Telefon mitteilte. Auch dessen Vermögen war in Oppenheim-Esch-Fonds reichlich gebunden. Man fühlte sich offenbar im selben Boot. In seinem Geständnis sagt Graf Krockow, dass es "ein Leichtes" gewesen wäre, sich bei den über den Fortgang der Rettungsbemühungen zu erkundigen. Er hielt es nicht für nötig. Seinen Partnern hatte er gesagt, er kümmere sich darum.
An den Moment, als Christopher von Oppenheim merkte, wie einsam es um ihn wurde, kann er sich gut erinnern. Die Bankenaufsicht ermittelte wegen der Schickedanz-Kredite. Ihre Bürgschaften sollten in irgendeine Form der Besicherung umgewandelt werden. Festgeld oder Kredite, irgendetwas, das man abbuchen konnte. Oppenheim war dafür, doch Graf Krockow sträubte sich. Er ging telefonierend durch den Garten des Barons, suchte mit Esch nach einer Lösung. Schließlich eröffnete er dem verdutzten Partner, dass er nicht mehr die Mittel habe. Und überhaupt habe seine Bürgschaft jemand ganz anderem gegolten. Es würde an Christopher hängen bleiben, CvO, dem Letzten seines Zeichens.
Aus: "Oppenheim-Prozess: 380 Millionen Euro zum Wohle der Bank" Kai Müller (08.07.2015)
Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/oppenheim-prozess-380-millionen-euro-zum-wohle-der-bank/12024540.html---
[...] Die Luxus-Bankiers von Sal. Oppenheim kommen mit einem milden Urteil davon. Nur einer wandert in den Bau, die anderen erhalten Bewährungs- und Geldstrafen. Ein zum wiederholten Mal ertappter Ladendieb muss mit härteren Bußen rechen. Sind es mal wieder die Kleinen, die man hängt, und die Großen, die man laufen lässt?
Die Richterin im Landgericht Köln musste über Angeklagte urteilen, die an ihrer eigenen Großspurigkeit gescheitert sind. Nur zu gern spielten sie die Bankiers der Schönen und Reichen. Die Bilder von Champagner-Empfängen auf Sylt, Poloturnieren und Golfevents, von Zigarre rauchenden Herren und Damen mit großen Hüten, finden sich noch immer im Archiv der Bank. Es war eine schillernde Zeit, in der die Vermögensberater klaglos ihren Dienst versahen und den betuchten Sal.Oppenheim-Kunden das Gefühl vermittelten, dass Adel und Geldadel zusammen ein uneinholbares Team ergaben.
Die völlig überdimensionierte Investition in den damals schon maroden Karstadt-Nachfolge-Konzern Arcandor und dessen Pleite setzte diesem Treiben ein Ende. Weil die Topbanker in einer eigenen Glitzer-Welt lebten und daneben weder die Kreditvergabe noch das Risikomanagement in ihrer Bank im Griff hatten, schlitterten sie mit Arcandor in den Abgrund.
Sie zogen dabei ein traditionsreiches Geldhaus mit nach unten, sie vernichteten Arbeitsplätze, sie verschleuderten ein wenig von dem Vermögen ihrer außerordentlich betuchten Kunden, und sie verloren letztlich auch ihr eigenes Geld als persönlich haftende Gesellschafter. Darin besteht ihre Schuld.
Die kriminelle Energie eines Bankers vom Schlage Gerhard Gribkowsky, der sich bei der BayernLB am Verkauf der Formel eins bereicherte, hatte bei Oppenheim niemand. Und auch die Zocker-Gene, mit denen Banker die Pleite von Lehmann und damit die schwerste Krise ihrer Branche heraufbeschworen – diese Zocke-Gene waren in der Oppenheim-Führungsetage in Köln weniger ausgeprägt als anderswo.
Deswegen ist das milde Urteil gerechtfertigt. Es geht nicht um Sippenhaft für einen Berufsstand, in dem viele immer wieder über die Stränge schlagen, sondern es geht um eine Bewertung der Taten dieser Angeklagten. Und das ist der Richterin gelungen.
Aus: "Die Großen lässt man laufen?" Oliver Stock (09.07.2015)
Quelle:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/kommentar-zum-sal-oppenheim-urteil-die-grossen-laesst-man-laufen/12033414.html---
[...] Egal, ob der eine oder andere der Verurteilten in die nächste Instanz zieht oder nicht: Das wahre Ausmaß ihrer Schuld können Bewährungsstrafen und selbst Haftstrafen jedoch kaum angemessen sühnen.
Die Geldmanager haben durch haarsträubendes Managerversagen eine der einst größten Privatbanken Europas in den Notverkauf getrieben. Und sie haben mit ihrem Lebens- und Managementstil die bösesten Unterstellungen bestätigt, die der Klasse der Hochvermögenden gerade in Deutschland immer wieder gemacht werden. ...
Die Gründe für den dramatischen Niedergang von Sal. Oppenheim konnte und wollte der Strafprozess nicht ermitteln. Aber indem sie zu Prozessbeginn erst mal die Zuständigkeiten und Abläufe in der Bank ausleuchtete, hat Richterin Grobecker die haarsträubende Führungsunkultur ins Licht gezerrt, die bei Sal. Oppenheim Einzug gehalten hatte:
• Persönlich haftende Gesellschafter, die die Ratschläge ihres Fachpersonals ignorierten.
• Aufseher, die solange weg- statt hinsahen, wie ihre jährliche Gewinnbeteiligung floss.
• Top-Bankiers, die ihre E-Mails nur sporadisch lasen und es als Zumutung empfanden, regelmäßig in Luxemburg, wohin sie die Bank Mitte 2007 offiziell verlegt hatten (man ahnt, warum), zu Vorstandssitzungen zusammen zu kommen.
• Fondsgeschäfte, bei denen getrickst und getäuscht wurde, damit die Anleger bloß keinen Verdacht schöpften, dass mancher hochtrabende Renditeplan niemals aufgehen konnte.
Angesichts der Personals, das die Bank leitete, war all das nicht einmal überraschend. Als da waren:
• Mit Christopher von Oppenheim ein Erbe und einziger Namensträger, der offenbar nie Bankier werden wollte und die Rolle als Vorstand mehr schauspielerte als tatsächlich ausübte.
• Mit Matthias von Krockow ein Institutsleiter, der sich in Geltungssucht und Selbstüberschätzung einem Bankfremden völlig auslieferte, nämlich Esch.
• Mit Dieter Pfundt ein Investmentbanking-Chef, der mit seinen aggressiven Methoden ein immer größeres Rad drehte (am Ende wenig erfolgreich, übrigens), sich ansonsten aber bequem heraushielt und so das Kollektivprinzip im Vorstand Lügen strafte.
• Mit Friedrich Carl Janssen ein Risikochef, der als gestandener Wirtschaftsprüfer vieles hätte besser wissen müssen, dem aber wohl die Kraft fehlte, seinen Kollegen die simpelsten Prinzipien des Bankmanagements einzubimsen.
All das zeigt, was auch in noch so stolzen Familienunternehmen passieren kann, wenn sich ein überbordendes Selbstbewusstsein, genährt von vergangenen Erfolgen, paart mit einer übermäßigen Gier nach noch mehr Geld und furchtsamen Aufsichtsgremien, die sich mit einem "Wir wissen, was wir tun" abspeisen lassen.
... Zum eklatanten Managementversagen kommt der nicht gerade kleine Beitrag der Oppenheim-Banker zum Imageverlust der Klasse der Hochvermögenden. Fast jedes Klischee wurde bedient: Man leistete sich ein eigenes Schloss, eine eigene Fluglinie, feierte rauschende Partys, und finanzierte einen guten Teil dieses feudalen Lebensstils mit Krediten, die man sich zu Vorzugskonditionen von der eigenen Bank hatte ausreichen lassen.
Sinnbild dieses Neureichengehabes war der Zigarre paffende Sal.-Oppenheim-Aufsichtsratschef Georg Baron von Ullmann. Als die Deutsche Bank Sal. Oppenheim übernahm, standen die Ex-Gesellschafter, die von Oppenheims, von Krockows und von Ullmanns, mit fast 750 Millionen Euro im Soll. Die tonangebenden Gesellschafter benutzten die Bank wie einen Selbstbedienungsladen.
Dass die allermeisten Hochvermögenden in diesem Land auf Protzereien verzichten, ihre Unternehmen verantwortlich führen und, meist mehr leise als laut, ihre beträchtlichen Mittel auch gesellschaftlich sinnvoll einzubringen versuchen, ist nur deshalb einer Erwähnung wert, weil der Gegensatz dieser - leider zu oft schweigenden - Vermögenden-Mehrheit zu Charakteren wie den Kölner Ex-Bankiers so krass erscheint.
Dass diese nun die Quittung bekommen haben für ihre geschäftlichen und privaten Ausschweifungen, dürfte nicht wenige ihrer einstigen Klassen-Kameraden freuen. Mehr gesellschaftlicher Absturz ist kaum vorstellbar.
Verdient ist er allemal.
Aus: "Eine Bank als Selbstbedienungsladen" Aus Köln berichtet Christoph Neßhöver (09.07.2015)
Quelle:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/urteile-im-sal-oppenheim-prozess-a-1042820.html---
[...] Sabine Rau zählt nicht zu jenen exponierten Wirtschaftsfiguren, die den offenen Kampf gegen Sal. Oppenheim aufgenommen haben - von der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz über den früheren Karstadt-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff bis zum Schuhhändler Heinz-Horst Deichmann, dem früheren VW-Chef Carl Hahn und dem Erben Wilhelm von Finck junior. Die Hochschullehrerin sieht sich vielmehr als Vertreterin der größten Gruppe von Gläubigern, die viel Geld mit den Immobilienfonds rund um den schillernden Vermögensverwalter und Immobilienunternehmer Josef Esch verloren haben. „Von denen halten fast alle den Mund, weil sie sich fürchterlich schämen“, sagt Rau. „Viele haben sogar nachgezahlt bis an die Schmerzgrenze.“ ...
Jens Frisch 5 (frischer) - 31.01.2013 13:14
Wer mit dem Teufel ins Bett geht braucht sich nicht wundern, wenn er am nächsten morgen Mundgeruch hat.
Der Esch-Oppenheim Fonds hat neue Messehallen gebaut, die ca. 120 Millionen wert sind.
Jedoch müssen die Kölner Bürger bis zu 360 Mio. € zahlen - auf 30 Jahre gestreckt.
Im Oktober 2009 stellte der Europäische Gerichtshof die Rechtswidrigkeit der Vergabe des Messebaus an den Oppenheim-Esch Immobilienfonds fest: Der werte Herr Esch hatte so ziemlich jeden wichtigen CDU und SPD Politiker der Stadt geschmiert. ...
...
Aus: "Millionärin prangert die Deutsche Bank an" Joachim Jahn (30.01.2013)
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/ehemalige-sal-oppenheim-kunden-millionaerin-prangert-die-deutsche-bank-an-12045265.html---
[...] Nach 126 Verhandlungstagen in über zwei Jahren steht vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen die früheren persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim kurz vor dem Abschluss. Bis zuletzt verwahrten sich Matthias Graf von Krockow, Christopher Freiherr von Oppenheim, Friedrich Carl Janssen und Dieter Pfundt gegen den Vorwurf der gemeinschaftlich begangenen Untreue. Sie, sowie der Bauunternehmer Josef Esch, der sich nur noch wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz verantworten muss, sind still geworden. Die Schlussplädoyers der Verteidigung übernimmt eine Armada von Advokaten, jetzt schlägt die Stunde der Staranwälte.
... Zu verurteilen seien schlussendlich zwei pflichtwidrige Entscheidungen der Banker, die damit einen Schaden von über einhundert Millionen Euro zu verantworten hätten: Der Ankauf von Anteilen an einer Frankfurter Grundstücksgesellschaft und die Beteiligung an der Arcandor AG im Jahre 2008 ("Die Angeklagten wussten, was sie wollten, und sie kannten die damit bekannten Schwierigkeiten"). Dennoch offenbarte das fünfstündige Plädoyer nicht nur entscheidende Indizien für pflichtwidrige Verstöße gegen Vermögensbetreuungspflichten, es skizzierte auch die eigenwillige Arbeitsweise der Protagonisten, welche eine finanzielle Erfolgsgeschichte sondergleichen generierte. Angefangen bei der Einsetzung des Josef Esch als Bauherrn und Generalunternehmer, über die Entwicklung fragwürdiger Steuersparmodelle für die höchstvermögende Kundschaft, hin zur Auflegung zahlreicher geschlossener Immobilienfonds im Rahmen der komplexen Esch-Oppenheim-Holding.
Esch war es auch, welchem die Millionenerbin Madeleine Schickedanz später ihr Vermögen anvertrauen sollte (1). Im Rahmen immer neuer Kredite wurde sie ab 2001 zur Großaktionärin des damaligen Karstadt-Quelle-Konzerns gemacht, die entsprechenden Geschäftsbeziehungen wurden über die Oppenheim-Bank abgewickelt, so die Staatsanwaltschaft. Der sukzessive Niedergang von Karstadt, bzw. Arcandor besiegelte 2008 nicht nur das Engagement von Schickedanz, sondern in der Folge auch das Schicksal der mittlerweile in Luxemburg residierenden Oppenheim-Bank. Das Risikomanagement hatte versagt.
Die Prozesstage im Juni waren den Verteidigern vorbehalten, die ihre Schlussplädoyers hielten. Analog zur Einschätzung der Staatsanwaltschaft wurde immer wieder auf das Jahr 2005 verwiesen: Ein Annus horribilis, an dessen Anfang der Tod des Patriarchen Alfred Freiherr von Oppenheim stand, was zu umfassenden strukturellen und personellen Veränderungen im Bankhaus führte. Im gleichen Jahr scheiterte das Delisting von Karstadt-Quelle, im Sommer übernahm Thomas Middelhoff den Vorstandsvorsitz. Unter seiner Ägide wurde der Konzern als Arcandor AG operativ neu aufgestellt, u.a. durch den Verkauf der begehrten Warenhausimmobilien an den Whitehall-Fonds (Goldman-Sachs), welche in der Folge teuer zurückgemietet werden mussten. Im Laufe seiner Amtszeit sank der Aktienkurs von ca. 10,- Euro im Jahre 2005 auf 1,30 Euro pro Wertpapier im Februar 2009 (2). Vier Monate später wurde in Essen die Einleitung des Insolvenzverfahrens beantragt. Middelhoff wurde im November 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und wegen Fluchtgefahr umgehend inhaftiert. Im April 2015 gewährte das Landgericht Essen Haftverschonung und setzte ihn gegen Zahlung einer Kaution auf freien Fuß.
Dies dürfte den in Köln angeklagten Bankiers erspart bleiben. Rechtsanwalt Dr. Daniel Krause verwahrte sich gegen den Vorwurf, sein Mandant Graf von Krockow habe anmaßend und eigenmächtig gehandelt. Die sich aus dem Aktiengesetz ergebende Rechtswirkung sei ihm nicht bewusst gewesen. Zwar räumte er pflichtwidriges Verhalten gegenüber der Gesellschaft ein, der Pflichtenmaßstab sei jedoch auf luxemburgisches Gesellschaftsrecht abzustellen, wo Sal. Oppenheim ab 2007 residierte. Er appellierte im Hinblick auf die Strafzumessung "eine Entscheidung zu treffen, die dem Grafen eine Perspektive lässt." Die Apologien der anderen Angeklagten ähneln sich in der Argumentationsstruktur frappierend. "Eine Gefängnisstrafe wäre für einen solchen Mann (...) nicht schuldangemessen" postulierte Norbert Scharf, Anwalt des Barons von Oppenheim.
Auch Franz Salditt hob als Verteidiger von Friedrich Carl Janssen hervor, "dass es in seinem Leben einen strafrechtlichen Schatten nicht gegeben hat." Im weiteren Verlauf seines Plädoyers sezierte er die Trennschärfe zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, lotete den Grenzbereich von "grob fahrlässig" bis "bedingt vorsätzlich" aus, stellte dem voluntativen Vorsatzelement die Würdigung der Billigung entgegen. Immer wieder wird auch "hohe Zeitnot" bemüht, die "schwer zu rekonstruierende chaotische Lage." Auch der für den Investmentbereich zuständige Dieter Pfundt habe nicht vorsätzlich gehandelt, räume aber ein, sich geirrt zu haben. Sein Anwalt Felix Dörr plädierte am 19. Juni, dem letzten Verhandlungstag, dementsprechend auf Freispruch. Der Einfluss der Nichtfamiliengesellschafter (Pfundt) sei im Bankhaus ohnehin traditionell deutlich geringer als der Einfluss der beiden adligen Familienstämme Lindenallee (Oppenheim) und Schlenderhan (von Krockow).
"Was der Bank nutzte, nutzte der Familie" (Salditt). Diese verhängnisvolle Verwobenheit mag über zwei Jahrhunderte Gültigkeit besessen haben, durch den eklatanten Niedergang des Hauses ist sie einstweilen geschichtlich überholt. Damit ist die Aufarbeitung der Geschäfte von Sal. Oppenheim allerdings noch lange nicht abgeschlossen. Es stehen zahlreiche Zivilprozesse an, in denen private Fondsanleger nicht erfüllte Renditeerwartungen geltend machen wollen. Auch die strafrechtliche Aufarbeitung scheint sich zu einem Fortsetzungsroman zu entwickeln. So berichtete die Süddeutsche Zeitung am 15. Juni 2015, dass Steuerprüfer und Staatsanwälte 28 Büros und Wohnungen durchsucht hätten, offenbar vor allem von Klienten von Sal. Oppenheim. Die Zeitung spricht von "schwerreichen Familien" und "vermögenden Kapitalanlegern". Der Verdacht: Steuerhinterziehung (3).
Der denkbar größte Schaden dürfte allemal der sein, der juristisch bislang kaum beleuchtet wurde: Der öffentlichen Hand wurden im Zuge zahlreicher Privatisierungen von Wohnungsgesellschaften und Stadtwerken elementare Teile ihrer Daseinsvorsorge entzogen. Beliebtes Modell waren zumeist sogenannte PPP-Vereinbarungen (Public-Private-Partnership), die eigentlich stets nach demselben Muster gestrickt sind: Immer zu Gunsten des Investors, immer zu Lasten der Allgemeinheit. Beteiligt war nicht selten das Bankhaus Oppenheim, so in Berlin, Bonn, Cottbus, Dresden, Gera, Kiel, Cuxhaven, Göttingen, Solingen, Bielefeld und Hanau (4). Auch die nur knapp gescheiterte Privatisierung der 42.000 Wohnungen der Kölner Wohnungsbaugesellschaften GAG und Grubo wurde von der Bank vorbereitet, die für ihr Gutachten drei Millionen Euro kassierte (5). Dies alles waren allerdings "peanuts" im Vergleich zu den großen Immobiliengeschäften, die im Verlauf der 2000er Jahre getätigt wurden. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung mit dem Gesetz zur steuerlichen Freistellung von Veräußerungsgewinnen die Büchse der Pandora geöffnet hatte, wurden etliche geschlossene Immobilienfonds aufgelegt, welche die kommunalen Haushalte noch jahrzehntelang belasten werden.
So realisierte die Oppenheim-Esch-Holding in Köln den Komplex KölnArena/Technisches Rathaus, das Bezirksrathaus in Nippes, die Fernsehstudios in Ossendorf und das Dumont-Carree. Ihr vermeintliches Meisterstück aber war der Neubau der Kölner Messehallen. Weil das komplizierte Dreiecksgeschäft zwischen der Stadt, der Messe Köln und dem Fonds nicht ordnungsgemäß vergeben wurde hat der Europäische Gerichtshof 2009 die Rechtswidrigkeit des Deals festgestellt (6). Tatsächlich räumte der ehemalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeyer, der nach Ende seiner Amtszeit ungeniert in die Geschäftsführung des Esch-Fonds wechselte, schon 2005 ein, dass es keine Ausschreibung, sondern nur eine "Art Ausschreibung" gab (7). Wenige Tage zuvor kam der WDR zu dem Ergebnis, dass die Stadt 360 Millionen Euro hätte sparen können, wenn sie mithilfe eines Kommunalkredits selber gebaut hätte. Der ehemalige Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes sprach von einem starken Stück ("Dann wurde ja der Rat gelinkt, aber nach Strich und Faden"), während der damals amtierende OB Fritz Schramma an dem kostspieligen Geschäft nichts Anrüchiges entdecken mochte. Er verteidigte die Vergabe an den Esch-Fonds mit der legendären Wortschöpfung, diese Angebot sei das "vorzugswürdigste" gewesen (8).
Getreu der lateinischen Binsenweisheit, dass es schwierig sei, darüber keine Satire zu schreiben ("Difficile est saturam non scribere"), verfasste der Kölner Kabarettist Heinrich Pachl das Theaterstück "Köln ist Kasse" welches 2006 uraufgeführt wurde. Ein skrupelloser Investor, ein willfähriger Lokalpolitiker und ein strippenziehender Verwaltungschef stehen im Mittelpunkt dieses bösen Kaleidoskops aus Klüngel und Korruption. "Die Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist quasi Sachzwang" erläuterte Pachl anlässlich seiner Inszenierung, die allein im Kölner Bauturm-Theater über 70 Mal aufgeführt wurde (9). Eine weitere lateinischen Binse, wonach über die Toten nichts, außer Gutes zu berichten sei ("De mortuis nil nisi bene") hinderte Werner Rügemer nicht daran, das Buch "Der Bankier - Ungebetener Nachruf auf Alfred Freiherr von Oppenheim" zu veröffentlichen (2006, Nomen Verlag, FfM). Dieses Buch verdankt seine Popularität vor allen den zahlreichen Prozessen, die von den Oppenheim-Anwälten angestrengt wurden und über die in der NRhZ berichtet wurde.
Es ist trotz einiger Schwärzungen auch heute noch äußerst lesenswert, zumal insbesondere die Aspekte Parteienfinanzierung, Arisierung oder eben die exorbitanten Vermögenssteigerungen juristisch gar nicht erst beanstandet wurden. Auch die abschließende Passage zum Komplex KölnArena/Rathaus ist nach gerichtlicher Prüfung wieder erlaubt: "Die Anmietung des Rathauses durch die Stadt (Köln) beim Investor Esch-Oppenheim auf die 30 Jahre Mietzeit gerechnet, erweist sich mit den Verpflichtungen im Kleingedruckten als ungleich teurer, als wenn die Stadt das Rathaus selbst hätte bauen lassen" (10).
Zusammenfassend kann bilanziert werden, dass es sich bei alledem zuvor Beschriebenen um nichts anderes als dreiste Umverteilung von unten nach oben gehandelt hat. Wenn die gewählten Konstrukte, Schutzmechanismen und Lügengebäude nun sukzessive zerfallen, möchte man Anthony Quinn als Alexis Sorbas zitieren: "Hast du jemals erlebt, dass etwas so bildschön zusammengekracht ist?"
Die Urteilsverkündung beim Landgericht Köln ist für den 9. Juli 2015 angekündigt. (PK)
Michael Scheffer war Mitglied der Initiative "BürgerInnen gegen Esch-Oppenheim" (BEO), die im vergangenen Jahrzehnt durch diverse Publikationen, Demonstrationen und Infoveranstaltungen versucht hat, Politik und Gesellschaft für die oben beschriebenen Aktivitäten zu sensibilisieren.
Quellen:
(1) http://www.zeit.de/2012/05/DOS-Immobilien-Esch
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Middelhoff
(3) http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sal-oppenheim-geldadel-unter-verdacht-1.2522811
(4) Werner Rügemer: Privatisierung in Deutschland, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006, Seite 102
(5) Ebenda, Seite 132
(6) http://www.stadtrevue.de/archiv/archivartikel/2367-erschtternde-bilanz/
(7) http://www.ksta.de/koeln/-ich-habe-mich-als-opfer-gefuehlt-,15187530,13846872.html
(8) WDR-Reihe "die story", Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann: Das Milliarden-Monopoly, 4.7.2005
(9) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10091
(10) http://www.nachdenkseiten.de/?p=2099
Aus: "Eins der größten Wirtschaftsverfahren der Nachkriegszeit geht zu Ende - Die Kölner Herren der Welt"
Michael Scheffer (Online-Flyer Nr. 517 vom 01.07.2015)
Quelle:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21768