[...] London. Das Vermögen der 1.000 reichsten Briten ist auf ein Rekordhoch geklettert: 518.975 Milliarden Pfund (637.217 Milliarden Euro) besitzen sie zusammen laut einer Liste der „Sunday Times“. Das sind gut 15 Prozent mehr als vor einem Jahr. ...
Aus: "Großbritanniens Superreiche vermögend wie nie - Queen auf Platz 285 " (18.05.2014)
Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/grossbritanniens-superreiche-vermoegend-wie-nie-queen-auf-platz-285-2841133.html-.-
[...] Hamburg - Während weite Teile Europas unter der Euro-Krise leiden, sind Wachstum und Beschäftigung in Deutschland robust. Dennoch sind die Vermögen hierzulande so stark konzentriert wie nirgendwo anders in der Euro-Zone. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
2012 lag der Gini-Koeffizient, der die Vermögensverteilung in einem Land misst, bei 0,78. Damit liegt Deutschland vor Griechenland oder Italien - Länder, in denen nach gängiger Vorstellung extremer Reichtum auf bittere Armut trifft. Dass die Reichen in Deutschland reicher und die Armen ärmer werden, bestätigt die Studie aber nur teilweise: In den vergangenen zehn Jahren verharrte die Ungleichheit etwa auf gleichem Niveau. ....
Aus: " Vergleich in der Euro-Zone: Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland am größten" (26.02.2014)
Quelle:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-in-deutschland-ungleicher-verteilt-als-im-rest-der-eurozone-a-955701.html-.-
[...] Wichtiger zur Erklärung der anhaltend großen Ungleichheit hierzulande als all diese eher individuellen Gründe sind aber die niedrige Chancengleichheit und geringe soziale Mobilität in Deutschland. In kaum einem anderen europäischen Land ist es so schwierig für Menschen aus sozial schwächeren Schichten, sich in die oberen Einkommensgruppen hochzuarbeiten. Es ist ein Skandal, dass in einer sich "sozial" nennenden Marktwirtschaft 70 Prozent der Akademikerkinder die Universität besuchen, aber nur 20 Prozent der Kinder von Eltern ohne akademischen Abschluss. ...
mr_murdock
15. März 2014 19:12 Uhr
Zielsicher daneben
Der Autor hat in diesem Beitrag wirklich zielsicher an einer der wichtigsten Ursachen für die Ungleichheit der Vermögen in Deutschland vorbeigeschrieben:
Die zunehmende Entkopplung der Lohnentwicklung vom Anstieg der Produktivität. Die Gewinne, die durch das Produktivitätswachstum in den letzten Jahrzehnten generiert wurden, gingen vornehmlich in die Taschen der Unternehmen bzw. ihrer Anteilseigner, während Arbeitnehmer sich in Zurückhaltung üben sollten - um ihren Arbeitsplatz nicht zu gefährden natürlich.
Aus: "Kein Wohlstand für alle" (15. März 2014)
Quelle:
http://www.zeit.de/2014/11/ungleichheit-vermoegen-bildungspolitik-altersvorsorge-.-
[...] [2014 sorgte seine Veröffentlichung Capital in the Twenty-First Century (französisch 2013: Le Capital au XXIe siècle) weltweit, vor allem in den USA für sehr große Aufmerksamkeit. [http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Piketty] ]
... Das Buch ist nicht nur eine Abhandlung über die Geschichte der Verteilung von Einkommen und Vermögen, sondern es entwickelt auch eine Erzählung, die sich in die Zukunft fortschreiben lässt. In den Industrieländern hat sich demnach die Verteilung seit der industriellen Revolution gespreizt. Das lag nicht daran, dass die Arbeiter gegenüber den Managern ins Hintertreffen gerieten. Wichtiger als die Verteilung innerhalb der Arbeitseinkommen war das zunehmende Gewicht der Einkommen aus Kapital: der Zinsen und Dividenden, Mieten und anderer Einnahmen aus Eigentum. Das Kapital ist nämlich immer und überall deutlich ungleicher verteilt als das Volkseinkommen. Und wenn es schneller wächst als die Wirtschaft, wird eine Gesellschaft irgendwann ungleicher.
... Das Gewicht des Kapitals nimmt fast überall zu, und dieses Vermögen konzentriert sich weiter in den Händen von wenigen. Das geschieht nicht nur, weil die Reichen oft höhere Renditen mit ihrem Kapital erzielen als die kleinen Sparer, sondern mehr noch, weil die Vermögen an eine sinkende Zahl von Kindern vererbt werden.
An dieser Stelle wagt Piketty die Prognose: Wenn wir den Kapitalismus nicht verändern, dann wird die Ungleichheit in diesem Jahrhundert weiter zunehmen, und der soziale Frieden wird zerstört werden. Das System entzieht sich seine eigene Basis. Aus all dem folgert Piketty: Weil der Kapitalismus aus sich heraus keine befriedigende Antwort auf diese bedrohliche Entwicklung findet, müssen die Staaten handeln, und zwar am besten gemeinsam.
... Längst hat Thomas Piketty die Arm-Reich-Debatte verändert. Das Wissenschaftsmagazin Science hat dem Thema gerade eine ganze Ausgabe gewidmet. Die New York Times debattiert sogar die Ungleichheit in der Kunstwelt. Und selbst Ökonomen, die lange gar nichts davon wissen wollten, stürzen sich in den Streit.
Die größte Herausforderung trifft dabei die liberale Seite. Will sie die These wachsender Ungleichheit nicht verwerfen und etwas an den Umständen ändern, braucht sie eine Antwort, die den Staat nicht aufbläht. Sie kann also nicht einfach Ja sagen zu höheren Steuern, wohl aber zu einem veränderten Steuersystem, in dem zum Beispiel die Sätze auf hohe Erbschaften und hohe Kapitalerträge steigen – und in dem gleichzeitig Arbeitnehmer durch sinkende Abgaben mehr vom Brutto haben.
In Paris verabschiedet Thomas Piketty den Besucher mit seinem Merksatz: "Die Konzentration von Vermögen ist auf Dauer entscheidender als die Konzentration von Einkommen." Und der Besucher denkt: Kann gut sein, aber welche Schlüsse man daraus zieht, ist jedem selbst überlassen.
maniak
29. Mai 2014 16:16 Uhr
Wie dogmatisch die neoliberale Ökonomie doch ist, zeigen diese Angriffsversuche auf die Ehre eines Mannes, der eine unbequeme Wahrheit bewiesen hat und ausspricht, eine, die die mit der Wirtschaft zu stark verschränkte liberale Ökonomie als existenzbedrohend wahrnehmen muss.
Ich jedenfalls lasse mir weder von der Financial Times noch von irgendeinem anderen Wirtschaftsmagazin erzählen, dass diese eine unabhängige Meinung vertreten.
Piketty hat recht, und das behält er auch, wie man es dreht und wendet, wie absurd, menschenverachtend und zynisch ein Hans-Werner Sinn oder wer auch immer dagegen versucht zu argumentieren. Sie alle ignorieren doch das Hauptproblem der westlichen Welt: Die Wirtschaft dient nicht mehr dem Volk, sondern das Volk der Wirtschaft. Die Wirtschaft ist ja nicht einmal mehr durch die ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen mehrheitlich repräsentiert, wenn man bedenkt, was die Finanzmärkte für einen Anteil am BIP bestreiten! ...
iboo
29. Mai 2014 17:11 Uhr
Ist das nicht alles seit der 0ccupy-Bewegung bekannt?
Oder auch schon vorher, da entsprechende Datenreihen ja auch schon vorher publiziert wurden. Mir war die wachsende Kluft, die sich insbesondere seit der Jahrtausendwende ausweitet, jedenfalls schon vor ein paar Jahren aufgefallen, so dass ich schon etwas überrascht bin, dass jetzt plötzlich alle überrascht sind. Aber vielleicht hat Pikkety nun zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte gefunden, um die Leute aufzuwecken - immerhin.
Aus: "Die Wahrheit über Arm und Reich" (DIE ZEIT Nº 23/2014)
Quelle:
http://www.zeit.de/2014/23/thomas-piketty-umverteilung-kapitalismus/-.-
[...] Pikettys Thema ist die Ungleichheit. Seit Jahren sammelt er Daten über das Geld der Welt, insbesondere über das der Reichen. Das ist nicht einfach; denn so omnipräsent und wirkmächtig sich das Kapital zunehmend erweist, so wenig untersucht ist es. Seit Jahren arbeitet er mit seinen Kollegen an einer Datensammlung, die die finanziellen Verhältnisse der Reichen abbildet. Er hat diese Erkundungen auch in historischen Epochen unternommen, in seinem Buch kann Piketty also eine historische Anatomie des Kapitals vornehmen, mit ausführlichen, nahezu philosophischen Betrachtungen zu Themen wie Rente, Steuern und anderem mehr.
Er versteht die Wirtschaftswissenschaften im Unterschied zu seinen Kollegen nicht als eine der hohen Mathematik verwandte schöne Kunst, sondern als Sozialwissenschaft, der es darum gehen sollte, mit realen Daten reale Probleme zu erörtern oder gar zu lösen. „Mir kam es immer mehr auf das Urteil der Kollegen in den Geschichtswissenschaften oder der Soziologie an als auf jenes der Wirtschaftswissenschaftler, die, obwohl – oder gerade weil – sie alle anderen Wissenschaften ignorieren, von nichts etwas verstehen.“
Was er herausgefunden hat, ist leicht zu verstehen, aber schwer zu beweisen und von nicht abzuschätzender Tragweite, denn es widerlegt die neoliberale Lehre, die uns nun schon so viele Jahrzehnte regiert. Es ist das Bild einer Lawine: Einmal ausgelöst, vermehrt sich die Masse des Kapitals schneller, als der Arbeitnehmer rennen kann. Wenn der Staat oder die Geschichte nicht regulierend eingreifen, wächst das Kapital immer schneller als alles andere, insbesondere der Ertrag der Arbeit. Das bürgerliche Leistungsprinzip ist dann ausgehebelt, wie jetzt schon in den südeuropäischen Ländern oder in Russland. Es ist egal, ob ihre Kinder eine gute Schule besuchen, sich Mühe geben, eine gute Stelle bekommen – wenn die Eltern nicht bereits reich sind, ist der soziale Aufstieg eine komplizierte und äußerst unwahrscheinliche Sache.
Auf unsere Zeit bezogen, bedeutet dies, dass die Lasten, die zur Aufrechterhaltung unseres Lebensstandards als Kulturnation und Sozialstaat zu tragen sind, künftige Arbeitnehmer erdrücken werden. Und der Einfluss jener, die ihr Geld schlicht geerbt oder auf unmoralischen, ja, illegalen Wegen vermehrt haben, der Oligarchen und der Steuerhinterzieher, ist stärker als die matte politische Repräsentanz der ausgebrannten Mittelschichten. Öfter mal müde und abgespannt, volle Arbeitstage und doch regelmäßig zu Gast im Dispo? Dann empfiehlt sich diese Lektüre von „Capital au XXième siècle“, um zu kapieren, dass es mit individueller Work-Life-Balance, mit Coaching und Duftkerzen an der Badewanne allein nicht zu ändern ist.
Dass wir die jetzige Entwicklung, die Ausweitung der Schere zwischen Arm und Reich als Rückschritt verstehen, ist darauf zurückzuführen, dass die vergangenen Jahrzehnte eine historische Ausnahme waren. Die Abmilderung der sozialen Spannungen, der Aufstieg der Mittelklassen und das Maßhalten der Reichen verdankten sich nicht allein weiser Steuerung großer Männer, sondern historischer Kontingenz. Kurz gesagt, waren es der Zweite Weltkrieg und die Folgen, die zu einer historischen Ausnahmesituation führten, in der das Kapital nicht schneller wuchs als beispielsweise der Ertrag der Arbeit.
Doch nun kündigen sich die alten Verhältnisse wieder an, die aus den Romanen des neunzehnten Jahrhunderts, von Balzac und Jane Austen, die Piketty immer wieder zitiert. Bloß dass diese Dynamik zu Beginn unseres Jahrhunderts weitaus stärker wirkt, weil sie sich global entfaltet.
Besonders streng fällt das Urteil Pikettys über die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten aus, wo sich die politische Klasse, was die Vermögensverhältnisse betrifft, längst und wohl unwiderruflich in einer ganz anderen ökonomischen und sozialen Sphäre bewegt als jene, die sie zu repräsentieren hätte. Er weist nach, dass das einstige Land der Pioniere nur noch die Rentiers belohnt, und befürchtet, es könne zum stagnierenden alten Kontinent der neuen Weltordnung mutieren, in dem Dynastien wie die der Bushs und Clintons alternierend regieren und die großen Trends bestenfalls moderieren.
Pikettys wahres Engagement aber gilt Europa. Wir leben, seine Arbeiten zeigen es, auf einem der reichsten Flecken der Erde. Dass die öffentlichen Kassen leer, die politische Gestaltungsmacht schwach und die supranationale Zusammenarbeit kapriziös erscheinen, das ist allein ein Produkt der Politik der gegenwärtigen Regierungen, die alle ein Interesse daran haben, Europa schwächer dastehen zu lassen, als es ist.
Und fiskalisch, das betont er, ist unser Teilkontinent ein echtes Sieb: Luxemburg, Monaco, die Schweiz, die britischen Kanalinseln – wer seine Steuerlast minimieren will, muss nicht mal in irgendeinen Oligarchenstaat ziehen, er kann dies mitten in Europa tun und die Vorteile einer Zivilisation genießen, ohne dafür den angemessenen Anteil beizutragen. Für Piketty ist dies: reiner Diebstahl.
Dabei spart er allerdings auch nicht mit Kritik am staatlichen Umgang mit eingenommenen Geldern. Die Erfordernisse der Modernisierung und zur Transparenz politischen Handelns sind gerade vielen Verantwortlichen unter den Linken noch nicht genügend im Bewusstsein, klagt er. Er macht es sich nie einfach und bemüht sich geradezu obsessiv, pragmatisch und im Sinne des Common Sense zu formulieren. Am Ende des Buches aber gestattet er sich eine Utopie: eine progressive Steuer auf das Kapital, weltweit harmonisiert erhoben. Technisch und juristisch wäre das problemlos zu machen, politisch natürlich nicht.
... Pikettys Buch zeigt nebenbei auch, dass wir im intellektuellen Austausch zwischen Deutschland und Frankreich zurückgefallen sind. Hans Hütt, gelegentlich Autor auch in dieser Zeitung, wies auf den Umstand hin, dass Piketty in Deutschland erst auf dem Umweg über Amerika rezipiert wurde, die Originalausgabe blieb weitgehend unbemerkt. Und die deutsche Ausgabe steht noch in weiter Ferne, sein deutscher Verlag C.H. Beck will dieses so wichtige Werk erst irgendwann 2015 in deutscher Übersetzung herausbringen – so kann es zu keiner europäischen Debatte kommen.
Piketty ist müde, der plötzlich hereinbrechende Ruhm ruft auch Gespenster auf den Plan. Er muss sich mit seiner durchdachten, sozialdemokratisch-popperianischen Anthropologie des Kapitals plötzlich gegen den Vorwurf verteidigen, ein gefährlicher Linksradikaler zu sein, sein Wikipedia-Eintrag ist ein Tummelplatz der Trolle. Er macht sich mit einem aggressiv wirkenden Espresso aus einem kleinen braunen Plastikbecher Mut. Bevor wir uns verabschieden, äußert er noch einen Wunsch: „Könnten Sie bitte deutlich machen, dass ich ein optimistisches Buch geschrieben habe? Wir in Europa, wir haben alles, was wir brauchen. Wir müssen es halt nutzen.“
Aus: "Zu Besuch bei Thomas Piketty: Der neue Star der Intellektuellenszene" Nils Minkmar (07.05.2014)
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zu-besuch-bei-thomas-piketty-der-neue-star-der-intellektuellenszene-12927888.htmlhttp://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/globale-ungleichheit-376/