• Welcome to COMMUNICATIONS LASER #17. Please log in.

[Menschen in Schichten und Klassen... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 18, 2007, 02:21:01 PM

Previous topic - Next topic

0 Members and 1 Guest are viewing this topic.

Textaris(txt*bot)

#1155
Quote[...] Heute meldetet die taz, dass die Einführung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für den Pflege- und Sozialsektor gescheitert ist. Das trifft laut taz über eine Million Mitarbeitende in diesem Sektor.

Der Grund ist laut taz die Angst seitens der Caritas, dass das aus dem Nationalsozialismus kommende kirchliche Sonderarbeitsrecht aufgeweicht werden könnte. Einwände gegen den Tarifvertrag kamen allerdings auch aus der Diakonie.

Der NDR wurde in einem Beitrag (siehe Artikelliste unten) deutlicher: ,,Tatsächlich zahlten die kirchlichen Arbeitgeber längst quasi nach Tarif. Ihnen ginge es, erklärt Becker, nicht um Probleme mit höheren Kosten. Sie wollten arbeitsrechtliche Sonderprivilegien der Kirchen erhalten. Die Wahrung der tariflichen Selbstbestimmung sei den Kirchen wichtiger, als für soziale Gerechtigkeit in einer Branche zu sorgen, die ihre Beschäftigten bislang nicht verwöhnt hat. Setze ein Tarifvertrag die Standards der Branche, könnte der diese Sonderrechte womöglich eines Tages aushebeln."

Die Diakonie, die einen Tag später, also am 26.02.2021, einen Beschluss zum Tarifvertrag Pflege fassen wollte, hat gekniffen bzw. versteckt sich hinter der Caritas und verzichtet auf einen Beschluss zum Altenpflegetarif. Ein positives Votum der Diakonie hätte zwar nicht ausgereicht, da beide kirchlichen Verbände zustimmen müssen, um den Tarifvertrag in Kraft zu setzen. Aber es hätte den Druck auf die Caritas erhöht.

...


Aus: "Caritas verhindert Tarifvertrag für mehr als 1 Millionen Menschen im Pflege- und Sozialsektor"
25. Februar 2021 - Autor: Sozialethisches AutorenkollektivSchlagwörter Corona, Dienstgemeinschaft, Pflegesektor, Tarifverträge
Quelle: http://verhaengnisvolle-dienstgemeinschaft.de/caritas-verhindert-tarifvertrag-fuer-rund-12-millionen-menschen-im-pflege-und-sozialsektor/

-

"Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Ausgerechnet die Caritas"
Ein allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege schien greifbar – doch jetzt hat sich die Caritas quergestellt. Pflegekräfte sind entsetzt. ... FRANKFURT AM MAIN taz | Caritas – das heißt übersetzt Nächstenliebe. Doch seinem Namen hat der gleichnamige katholische Wohlfahrtsverband am Donnerstag keine Ehre gemacht. Bei der Abstimmung, ob man sich für die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags in der Altenpflege ausspricht, blockierte die komplette Arbeitgeberseite in der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas das Vorhaben. Der Vertrag hätte für mehr als eine Million Beschäftigte verbindliche Löhne vorgesehen. ...
https://taz.de/Tarifvertrag-fuer-Pflegende-scheitert/!5754058/

-

Quote[...] Die katholische Kirche habe sich vom Leben abgemeldet, konstatierte kurz vor seinem Tod ihr solidarischster Kritiker, Heiner Geißler. Der ehemalige CDU-Generalsekretär und Frauenminister, der wie manch andere seinen Altersradikalismus pflegte, als der ihn politisch nichts mehr kostete, machte damals zwei Kernübel aus: die Verengung des offiziellen Katholizismus auf sexualethische Fragen, die es der Amtskirche unter anderem so schwer machte, mit den Skandalen sexualisierter Gewalt in ihrem Umfeld ernsthaft aufzuräumen. Und die Verbeugung vor der ,,Marktideologie", die die katholische Soziallehre, der der ehemalige Jesuitennovize Geißler anhing, verdrängte.

Nimmt man die beiden Ereignisse in den Blick, die die katholische Kirche dieser Tage erschüttern, erweist sich Geißlers Diagnose als geradezu prophetisch. In Köln brechen die Server der Amtsgerichte zusammen, weil sie von Kirchenaustrittswilligen gestürmt werden; Termine sind bis in den April ausgebucht. Für die Unzufriedenen ist mit der neuerlichen Weigerung des dort selbstherrlich waltenden Kardinals Rainer Maria Woelki, das Gutachten des Strafrechtlers Björn Gercke über die Missbrauchstatbestände in seinem Bistum öffentlich zu machen, das Fass endgültig übergelaufen. Vertuschungsversuche und Strafvereitelung werfen ihm inzwischen selbst die eigenen Priester vor und fordern seinen Rücktritt. Die gleichzeitig tagende Deutsche Bischofskonferenz, von den Kölner Turbulenzen überrollt, machte eine unglückliche Figur, doch ihr sind die Hände gebunden, denn so wie der Papst nur von Gott, kann ein Kardinal nur vom Papst abberufen werden.

Just in diese ,,Kernschmelze", wie es der katholische Theologe Thomas Schüller umschreibt, brach die Nachricht des katholischen Wohlfahrtsverbandes Caritas, sich dem von der Gewerkschaft Verdi und der Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) ausgehandelten Tarifvertrag für die Altenpflege (der Freitag 6/2021) nicht anschließen zu wollen, wie eine weitere Brandbombe. Der lange ausgehandelte Versuch, in der Altenpflege nach Jahrzehnten des Lohndumpings und unübersichtlicher Vertragsverhältnisse endlich einen einheitlichen Flächentarifvertrag wie in anderen Branchen zu erreichen, ist damit zunächst gescheitert. Die über 600.000 bei der Caritas Beschäftigten – davon 156.000 in der Altenpflege – hätten das notwendige Quorum erfüllt, das es Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ermöglichen würde, das Tarifwerk für allgemeinverbindlich zu erklären. Die darin festgelegten Einkommen wären schrittweise bis 2023 um ein Viertel gestiegen, die Einkommen zwischen Ost und West angeglichen worden und der derzeit geltende Pflegemindestlohn von demnächst 11,80 Euro beziehungsweise 11,50 Euro hätte sich erledigt. Das Arbeitsministerium hatte das Vertragswerk unterstützt, unter Einbeziehung der Wünsche von Caritas und Diakonie.

Diese Tür wurde von der Caritas nun zugeschlagen. Die Diakonie, der zweite große kirchliche Arbeitgeber, hat, statt ein Signal zu setzen, ohne Not den Schlüssel umgedreht, indem sie gar keinen Beschluss mehr fasste. Beide Wohlfahrtsverbände hatten schon im Vorfeld abwehrend argumentiert, in der Altenpflege überdurchschnittlich zu bezahlen. Die Caritas bekräftigte dies, indem sie zeitgleich Lohnerhöhungen ankündigte.

Die Ablehnungsbegründung liest sich wie ein Abwehrzauber. Die von Verdi und BVAP ausgehandelten Regelungen greifen die bei der Caritas geltenden Differenzierungen zwischen den Berufsgruppen an. Die Ost-West-Angleichungen seien anders eingetütet. Und ,,grundsätzliche Bedenken" bringt der Sprecher der Caritas-Kommission, Norbert Altmann, vor: Ein nicht gegenfinanzierter allgemeinverbindlicher Tarifvertrag mit steigenden Tarifgehältern schade den Pflegebedürftigen, die dann höhere Eigenanteile zu entrichten hätten.

Die ,,grundsätzlichen Bedenken" dürften aber anderswo liegen. Zwar zahlen Caritas und Diakonie teilweise besser als die meisten privaten Träger. Noch. Das könnte sich aber ändern, wenn Beschäftigte in der Altenpflege insgesamt für mehr Einkommen streiken. Bisher verbieten dies das kirchliche Arbeitsrecht und die besonderen Loyalitäts- und Verhaltensgebote für die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Deshalb wünschen sich die Dienstgeber – schon dieser Begriff! – den Erhalt des ,,Dritten Weges" und ,,den Wettbewerb von Tarifwerken", wie es in der Presseerklärung der Caritas heißt. Nichts fürchten sie mehr als die steigende Einflussnahme von Gewerkschaften in ihren Einrichtungen, was sie sich regelmäßig höchstrichterlich bestätigen lassen.

Die Entscheidung gegen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ist also vom unguten Geist neoliberaler ,,Marktideologie", wie Geißler sagen würde, imprägniert. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Brief des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) an die Autorin dieser Zeilen. Im Vorfeld der laufenden Entscheidungen wird formuliert, dass die Kirchen sich den Weg in die Allgemeinverbindlichkeit wohl ,,sehr genau überlegen" werden, weil sie sonst um ihre ,,tarifrechtliche Privilegierung" fürchten müssten. Wer hat da eigentlich wem Unterstützung geleistet? Nur die Kirchen den Privaten, wie man überall liest? Oder auch umgekehrt? Der ehemalige FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle, inzwischen Chef der BPA, zeigt sich jedenfalls sehr zufrieden mit der Entscheidung der Caritas-Kommission.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn hat sekundierte, als er den Pflege-Arbeitgebern in Aussicht stellte, die steigenden Personalkosten über die Pflegeversicherung zu finanzieren, wenn diese sich verpflichten, nach Tarif zu bezahlen. Irgendeinem Tarif? Verdi-Chef Frank Werneke vermutet in einem Interview mit dem Tagesspiegel darin ein ,,Ablenkungsmanöver, um die Allgemeinverbindlichkeit des Flächentarifvertrags zu verhindern". ,,Gefälligkeitstarifverträge mit Pseudogewerkschaften" könnten zu weiteren Dumpinglöhnen führen.

Die Empörung über den Caritas-Beschluss war allgemein, insbesondere die Mitarbeitervertreter in der Caritas-Kommission zeigten sich konsterniert von der ,,mangelnden Solidarität" der ,,Dienstgeber". AWO-Chef Jens Schubert beklagte die vertane Chance, den Fachkräftemangel in der Pflege zu beheben. Und Pflegefrontfrau Silvia Bühler von Verdi bringt es auf den Punkt: ,,Nach dem Klatschen die Klatsche." Nun bleibt den besonders schlecht Gestellten in der Pflege wieder einmal nur die Hoffnung auf die Pflegemindestlohnkommission, die Heil nun erneut einberufen will.

Stolz dürfen die Caritas-Arbeitgebervertreter darauf sein, der katholischen Kirche einen weiteren Schlag versetzt zu haben und zu ihrem galoppierenden Prestigeverlust beizutragen. In ihrer Entscheidung, berechtigte Ansprüche von Arbeitnehmern um besserer Marktchancen willen in den Wind zu schlagen, spricht sich dieselbe ,,Blickverengung" gegenüber den lebensnahen Bedürfnissen aus wie in der Ignoranz gegenüber dem Leid der Opfer sexualisierter Gewalt.

Wie lange eigentlich will sich die Gesellschaft diesen Sonderstatus der Kirchen noch leisten? Wie lange will der Staat als ihr Geldeintreiber fungieren und wie lange Beschäftigte sich einem Dienstgedanken beugen, von dem sich die Kirche längst losgesagt hat?


Aus: "Hirten auf Abwegen" Ulrike Baureithel (Ausgabe 09/2021 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/schaefer-auf-abwegen-1

-

Quote[...] Fast ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland kommt nach 45 Berufsjahren auf eine Rente von weniger als 1100 Euro netto. Wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion mitteilte, erzielten rund 6,3 Millionen Vollzeitarbeitnehmer im Jahr 2019 einen Bruttomonatslohn von unter 2650 Euro. Dies führe nach 45 Arbeitsjahren zu einer Bruttorente in Höhe von unter 1200 Euro, heißt es in der Antwort, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorlag. Nach Abzügen von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sind dies dem Bericht zufolge netto rund 1100 Euro Rente monatlich. Dies entspricht in Deutschland in etwa dem Schwellenwert der Armutsgefährdung.

In der Antwort des Bundesarbeitsministeriums werden demnach etliche Berufsgruppen genannt, die davon betroffen sind. Aufgeführt sind Beschäftigte in Kranken- und Altenpflege, im Gesundheits- und Rettungsdienst, bei Post-, Kurier- und Expressdiensten sowie Hebammen und Verkäufer. Teilzeitkräfte und Menschen, die zwischendurch arbeitslos wurden, seien in den Zahlen nicht mitberücksichtigt.

Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, kritisierte, viele Arbeitnehmer drohten trotz Vollzeitjob in Altersarmut zu rutschen. "Die Löhne sind vielfach zu gering und für das, was man verdient, bekommt man zu wenig Rente", sagte Bartsch den Funke-Blättern.

Es könne nicht sein, "dass bei 45 Jahren Arbeitsjahren mit mittlerem Gehalt eine Rente unterhalb von 1100 Euro netto" stehe, kritisierte der Linken-Politiker. "Das ist das Gegenteil von Anerkennung der Lebensleistung." Bartsch forderte höhere Löhne und eine neue Rentenpolitik. Das Rentenniveau müsse "wieder auf das Niveau wie zu Zeiten Helmut Kohls angehoben werden".

Quelle: ntv.de, spl/AFP



Aus: "Millionen Beschäftigten droht Altersarmut" (Dienstag, 09. März 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Millionen-Beschaeftigten-droht-Altersarmut-article22411431.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] MacKenzie Scott, die Ex-Frau von Jeff Bezos und eine der reichsten Frauen der Welt, ist wieder verheiratet. Ihr neuer Ehemann ist ein Lehrer aus Seattle.

Scott hatte im vergangenen Jahr knapp sechs Milliarden Dollar an Tafeln, Migranten-Initiativen, finanzknappe Colleges und viele andere von der Corona-Pandemie betroffene Einrichtungen gespendet. Bemerkenswert ist nicht nur die riesige Summe, sondern auch, dass Scott ihre Unterstützung an keinerlei Bedingungen knüpfte. Wie sie das Geld verwenden, bleibt den Empfängern überlassen. Das gibt ihnen nicht nur Freiheit, sondern entlastet sie auch von Bürokratie.

"Diese Pandemie hat ohnehin benachteiligte Amerikaner wie eine Abrissbirne getroffen", schrieb Scott in einem Blog-Artikel Anfang Februar. "Die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Einbußen sind für Frauen, People of Colour und arme Menschen schlimmer." Gleichzeitig seien Milliardäre noch reicher geworden, fügte Scott hinzu. Ihren Ex-Mann Bezos erwähnte sie dabei nicht namentlich. Dessen Vermögen wuchs in der Corona-Krise Schätzungen zufolge um nahezu 80 Prozent.

Bezos gilt als reichster Mensch der Welt. Er ist dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge rund 177 Milliarden Dollar schwer. Auch Scott ist Multimilliardärin: Ihr Vermögen schätzt Bloomberg auf 53 Milliarden Dollar - damit liegt sie auf Platz 22 der weltweit reichsten Menschen. Nach ihrer Scheidung trat sie im Gegensatz zu Bezos der Initiative "Giving Pledge" bei und versprach, einen Großteil ihres Vermögens zu spenden.

Bezos' Ehe mit MacKenzie Scott endete 2019 nach 25 Jahren; das Paar hat zusammen vier Kinder. Scott überließ ihrem Ex-Mann 75 Prozent der Amazon-Aktien. Schlagzeilen machte die Scheidung nicht nur wegen der riesigen Summen, um die es dabei ging, sondern auch, weil Bezos einen Erpressungsversuch durch das Magazin "National Inquirer" öffentlich machte, das sich intime Fotos von ihm und einer Geliebten verschafft hatte.

Scotts neuer Ehemann, Dan Jewett, kündigte an, er werde seine Frau dabei unterstützen, den Großteil ihres Vermögens zu spenden. "Durch einen glücklichen Zufall bin ich mit einem der großzügigsten und freundlichsten Menschen verheiratet, die ich kenne", schrieb er in einem Post der Website von "Giving Pledge".

Quelle: ntv.de, jga/AFP


Aus: "Milliardärin Scott ist wieder verheiratet" (Montag, 08. März 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Milliardaerin-Scott-ist-wieder-verheiratet-article22409397.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Frust war groß. "Es ist ein Tiefschlag für uns gewesen, es gab Wirbel und berechtige Empörung" – mit diesen Worten gewährte ein Anwalt von Gaston Glock am Freitag Einblick ins Innere des ansonsten so verschwiegenen Waffenproduzenten aus Kärnten. Der Jurist sagte als Zeuge vor dem Handelsgericht Wien aus und beschrieb Vorfälle von Ende 2018. Damals war zunächst der Vorstand der Glock zuzurechnenden Value Privatstiftung vom Gericht abberufen worden – und zwar auf Basis eines Antrags von Glocks Exfrau, Helga.

Teil jenes Rosenkriegs also, den sich der heute 91-Jährige und die Mutter seiner drei erwachsenen Kinder ab 2011 lieferten und in dem es um Einfluss aufs hochprofitable, 1963 vom Eisenbahnarbeitersohn gegründete Unternehmen bzw. die involvierten Stiftungen ging, um Geld und sonstiges Vermögen. Was dem quasi von Helga Glock verursachten Tiefschlag folgte: Die drei abberufenen Vorstandsmitglieder wurden wieder bestellt und drei neue dazu – für den Fall, dass bei der Wiederbestellung von Glocks Vertrauten etwas schiefgehen sollte. Die Altvorstände zahlten sich – wie sie behaupten mit dem Placet des Stifters und Firmengründers – ihre Honorare bis zum Ablauf ihrer bis 2025 verlängerten Funktionsperiode aus – in Summe ging es bei der Value Privatstiftung um rund 18,7 Millionen Euro.

Und warum ist das heute Thema für die Gerichte? Weil Glock ein Jahr später, am 12. Dezember 2019, den gesamten Sechser-Vorstand dann selbst abberief. Mit der Begründung, die "alten" Vorstandsmitglieder hätten sich das Geld gleich nach Wiederbestellung im November 2018 auf einen Ruck überwiesen und ihm die Vereinbarungen, auf die sie sich berufen, quasi untergeschoben. Dass die drei Neuen – sie standen den Altvorständen nahe – auch ein sechsstelliges Jahreshonorar bekamen, sei so auch nicht ausgemacht gewesen. De facto hätte ja der Altvorstand die Stiftungen weiterführen sollen.

Gegen diese Abberufung von Ende 2019 – und damit wären wir wieder am Wiener Handelsgericht – haben vier Exvorstände geklagt. Es liege kein Grund dafür vor, weder eine Pflichtverletzung des Vorstands, noch ein begründeter Vertrauensverlust Glocks. Wobei die Causa etliche Gerichte auf Trab hält, weil die Ex-Glock-Vertrauten in mehreren Privatstiftungen tätig waren.

Allerdings kommt es noch dicker. Am 22. Jänner 2020 hat Glock eine 42-seitige Strafanzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einbringen lassen. Der Verdacht: schwerer Betrug, u.a. wegen der Auszahlung von 18,172 Millionen Euro an den Altvorstand und Urkundenfälschung. Laut WKStA werden vier Personen als Verdächtige geführt, ein Sachverständiger wurde bestellt. Die Verdächtigen weisen die Vorwürfe zurück. Ihr Anwalt, Georg Krakow, will ebenso wenig Stellung nehmen wie Norbert Wess, der Glocks Seite vertritt. Auch den zivilrechtlichen Streit wollte keiner der beteiligten Anwälte kommentieren.

Die Auseinandersetzung ist jedenfalls ein Ausläufer des Familienzwists im Hause Glock. 49 Jahre waren Gaston und Helga Glock verheiratet, die Scheidung 2011 löste einen veritablen Rosenkrieg aus. Zur Erinnerung: 2011 ehelichte der Waffenfabrikant eine um 52 Jahre jüngere Frau; inzwischen ist Kathrin Glock in einigen der Unternehmen aktiv. Für Aufsehen sorgte sie jüngst im Ibiza-U-Ausschuss, bei dem sie (nach Verhängung einer Beugestrafe) aussagte. Grund ihrer Ladung: Heinz-Christian Strache hatte die Unternehmerfamilie im Ibiza-Video als angebliche Parteispenderin genannt hat – was er später widerrief.

Ihr unkonventioneller Auftritt ("Ich mag Ihre Fragestellung nicht, ich lasse mich nicht wie ein Schulmädchen behandeln") führte zum einen dazu, dass sie ihr Aufsichtsratsmandat in der staatlichen Austro Control verlor, zum anderen dazu, dass sie sich beim Verfassungsgerichtshof über "unsachliche und persönliche Angriffe" durch Neos-Mandatarin Stephanie Krisper beschwerte.

Im Scheidungsstreit Glock vs. Glock hatte eine Heerschar von Juristen und Beratern alle Register gezogen. Einen Riesenerfolg errang Helga Glock in den USA. Dort gelang ihr (der Oberste Gerichtshof, OGH, gestand ihr einen Unterhaltsanspruch zu) via Rechtshilfeverfahren, Einblick in die Bücher von US-Firmen von Glock zu bekommen – das war wichtig, um Vermögensbewertungen anstellen zu können. Glock hatte ihrem Exmann vorgeworfen, Geld vor ihr zu verstecken.

Als höchst unfreundlichen Akt bewertete die Gegenseite, dass Glocks Exfrau in den USA auch eine Klage nach dem Rico Act eingebracht hatte – ein 1970 erlassenes US-Bundesgesetz, das üblicherweise im Kampf gegen das organisierte Verbrechen Anwendung findet. Mit dieser Klage sollte Helga Glock (anders als hier zunächst berichtet) laut Unternehmenssprechern allerdings später abblitzen.*

Bei der Klage gemäß Rico Act schließt sich der Kreis zum aktuellen Prozess. Die Rico-Klage war nämlich einer von mehreren Gründen der Stiftungsvorstände, Helga Glock als Begünstigte der Stiftungen auszuschließen und die damit verknüpften Zahlungen zu streichen. 2016 aber kippte der OGH diesen Beschluss des Stiftungsvorstands, Helga Glock beantragte dessen Abberufung. Das Gericht gab dem 2018 statt. Mit den oben beschriebenen Folgen. (Renate Graber, 13.3.2021)

*Der Artikel wurde am 13.3.2021 um 17 Uhr geändert.


Aus: "Entfremdung: Viel Munition im Streit um Glock-Posten" (13. März 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000125006853/viel-munition-im-streit-um-glock-posten

https://www.derstandard.at/story/2000124382862/glock-blitzte-mit-revision-gegen-beugestrafe-wegen-fernbleibens-beim-u

https://www.derstandard.at/story/2000123507223/kathrin-glock-kritisiert-ministerin-gewessler-wegen-abberufungals-austro-control-aufsichtsraetin

Quote[...] Gaston Hellmut Glock (* 19. Juli 1929) ist ein österreichischer Ingenieur und Unternehmer. Nachdem er ab 1963 selbständig im Kunststoffbereich tätig gewesen war, entwickelte er 1980/81 eine neuartige Pistole, die Glock 17, die 1982 als neue Armeepistole beim österreichischen Bundesheer eingeführt wurde. Glock gründete die Waffenproduktionsfirma Glock GmbH an seinem Wohnort Deutsch-Wagram und wurde in den folgenden Jahren mit seinen Glock-Pistolen vor allem auch auf dem US-amerikanischen Markt kommerziell erfolgreich.  ... In einem im Juli 2017 heimlich gefilmten Video, das im Mai 2019 dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurde, behauptet der damalige FPÖ-Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache, dass Milliardäre wie René Benko, Gaston Glock und Heidi Horten sowie der Glücksspielkonzern Novomatic über einen Tarnverein der FPÖ unter Verletzung der Regelungen zur Parteienfinanzierung in Österreich für den Wahlkampf der FPÖ spenden würden. Alle im Video vermeintlich als Spender genannten Personen und Firmen bestritten noch am selben Tag die Vorgänge.[30][31] ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Gaston_Glock

https://de.wikipedia.org/wiki/Kathrin_Glock



Quote
Gerry Mander

ein witz: treffen sich zwei glock vorstände...


Quote
Bernhard Kubicek

Glock wird übrigens vom Militär in Myanmar genutzt. Also das Land, wo vor kurzen das Militär die Macht ergriffen hat und mit scharfer Munition auf Demonstranten schießt.

https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=List_of_equipment_of_the_Myanmar_Army&oldid=1010912074


Quote
who caries

ja...und?
Eine Firma produziert etwas, das der Markt will und damit werden Menschen getötet. Willkommen in der Realität. ...


Quote
superfanti

Hahaha. Rosenkriege unter Vermögenden. Höchste Lächerlichkeitsstufe.


Quote
Kathi5

Ein Hoch der Leistungsgesellschaft!!!


Quote
cpt. bligh

hier dürften ein paar anwälte eine goldader entdeckt haben. wichtig ist, dass der streit nie beigelegt wird...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Angenommen, Sie eröffnen ein Konto bei einer Onlinebank. Damit das niemand in Ihrem Namen tut und unter Ihrer Identität Geldwäsche betreibt, muss die Bank verifizieren, dass es sich tatsächlich um Sie persönlich handelt. Sie filmen also mit Ihrem Smartphone Ihren Reisepass, halten ihn neben Ihr Gesicht, bewegen vielleicht Pass und Kopf nach Anweisung in bestimmte Richtungen. Wenige Sekunden oder Minuten später kommt die Bestätigung: Sie sind verifiziert.

Auf den ersten Blick mag das so aussehen, als wären Sie der einzige Mensch in diesem Geschäftsabschluss, als hätte der Computer den Bankmitarbeiter vollständig ersetzt. Doch am anderen Ende der Leitung sitzt eine echte Person, die überprüft, ob die Gesichter auf Ausweis und Video zusammenpassen, wie der Bankberater in der Filiale. Nur dass dieser Mensch nicht Ihnen gegenüber, sondern irgendwo auf der Welt sitzt – und jeden Tag hunderte oder tausende Gesichter vergleicht.

Es sind sogenannte Clickworker, die tagtäglich die monotone Fließbandarbeit erledigen, die im Internetzeitalter anfällt: Sie überprüfen gemeldete Postings in den sozialen Medien, tippen Kassabons in Datenbanken ein, schreiben Produkttexte oder erledigen einfache Arbeiten in Photoshop. In der Regel tun sie das in strenger Akkordarbeit, pro Mini-Aufgabe gibt es wenige Cent.

Wie Uber-Fahrer, Paket- oder Essenszusteller sind sie Teil der Gig-Economy, arbeiten also selbstständig Aufträge ab, die ihnen eine Software zuteilt. Für gewöhnlich heißt das: keine Arbeitnehmerrechte, schwankende Einnahmen und kaum soziale Absicherung.

Doch Fahrradkuriere prägen mit ihren bunten Rucksäcken das Stadtbild, vor allem in Corona-Zeiten. Sie schaffen es immer häufiger in die gesellschaftliche Debatte um Arbeitsverhältnisse genauso wie Uber-Fahrer, über die vor allem in Wien seit Jahren hitzig diskutiert wird. Die Clickworker hingegen sitzen isoliert vor ihren Computern, in Indien, den USA, vielleicht sogar im Nachbarhaus. Ihre Arbeit nutzt jeder, ihre Gesichter kennt niemand.

Genau diese Unsichtbarkeit ist das, was die Anthropologin Mary L. Gray kritisiert. Gemeinsam mit dem Informatiker Siddharth Suri prägte sie den Begriff "Ghost Work" – Geisterarbeit. 2019 erschien auch ein Buch unter gleichlautendem Titel, für das sie mit dutzenden Geisterarbeitern in aller Welt gesprochen hat. Mit einigen ist sie noch heute in Kontakt.

"Viele Menschen haben in der großen Rezession vor zwölf Jahren damit begonnen, weil sie offline keine Jobmöglichkeiten mehr sahen", sagt Gray zum STANDARD. Viele von ihnen würden jetzt, in der nächsten Wirtschaftskrise, immer noch im System der Geisterarbeit festhängen. Dazu strömen viele Arbeitslose aus Lockdown-geschädigten Branchen auf die Plattformen. Arbeit gibt es genug: Die Tech-Branche ist eine der wenigen Wirtschaftszweige, die trotz – oder wegen – Corona gut läuft. Dazu setzen viele Institutionen für das Contact-Tracing auf die Arbeit aus der Crowd, so Gray.

Seinen Ausgang fand die Geisterarbeit in den Nullerjahren: Der Online-Versandhändler Amazon, der damals vor allem Bücher verkaufte, wollte seine Produktdatenbank bereinigen: Hunderttausende Produktbeschreibungen mussten mit den richtigen Buchcovers verknüpft und auf Formatierungs- und Rechtschreibfehler überprüft werden. Zunächst heuerte Amazon Leiharbeiter an, später lagerte der Konzern auf die eigens gegründete Plattform Mechanical Turks aus.

MTurks, wie Clickworker die Plattform bald selbst nannten, soll ein Herzensprojekt von Amazon-Gründer und -Boss Jeff Bezos gewesen sein. Amazon, so seine Vision, sollte langfristig nicht nur das Kaufhaus für Produkte aller Art sein. Auch Arbeit sollte für jeden und jede in gewünschter Menge einfach handelbar sein. Von nun an konnten Programmierer nicht nur Codes für Maschinen, sondern auch für Menschen schreiben. Heute sind allein auf MTurks zu jeder Tages- und Nachtzeit tausende Arbeiterinnen und Arbeiter auf Knopfdruck verfügbar, hunderttausende sind registriert. Der durchschnittliche Stundenlohn, so zeigen Studien, liegt dabei häufig unter den gesetzlichen Standards.

Die prekären Arbeitsbedingungen der Gigworker sind den Arbeitnehmervertretungen schon länger ein Dorn im Auge. Bereits 2016 forderten mehrere europäische Gewerkschaften in einer gemeinsamen Erklärung einen Mindestlohn sowie Zugang zu den Sozialsystemen für Crowdworker. Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission Pläne für einen stärkeren Schutz derselben vorlegen.

Der nie abreißende Strom an Miniaufgaben komme vor allem aus zwei Quellen, erklärt Gray. Einerseits wären da Dienstleistungen, wo es wohl immer einen Menschen braucht, etwa Support-Chats oder Telehealth-Anwendungen. Die andere Quelle ist der immer größer werdende Tagging-Markt. Dabei beschriften Menschen auf Bildern bestimmte Gegenstände, tippen abfotografierten Text ab oder transkribieren Audioaufnahmen. Diese Daten werden wiederum an Algorithmen verfüttert, die dadurch immer besser werden. Ziel ist es, dass künstliche Intelligenz diese Aufgaben einmal selbst erledigen kann. Mit jedem Klick kommen die Geisterarbeiterinnen ihrer eigenen Abschaffung etwas näher. Bis es so weit ist, spielen die Menschen Maschine – für User soll es von außen so aussehen, als würde alles vollautomatisch funktionieren.

"Wir überschätzen oft, was sich automatisieren lässt", sagt Gray. Aus dieser Überschätzung ergebe sich dann die merkwürdige Situation, dass sich Menschen als Maschinen ausgeben müssen. Dabei gebe es viele Bereiche, in denen der persönliche Kontakt, Spontaneität und Kreativität wichtig sind, auch wo man es zunächst nicht vermutet. Gerade im Kundenservice wünschen sich viele echte Menschen, etwa wenn die Selbst-Scan-Kassa einmal ausfällt.

"Wir sollten uns nicht davor fürchten, dass Menschen durch Technologie ersetzt, sondern dass sie entwertet werden", sagt Gray. Sie fordert, diese unsichtbaren Geisterarbeiterinnen und Geisterarbeiter durch Wertschätzung sichtbar zu machen und so in die politische Debatte zu holen. "Wenn wir nicht morgen aufhören, soziale Medien zu nutzen, werden wir weiterhin dringend Content-Moderatoren brauchen – so wie wir Leute in der Notrufzentrale brauchen. Wir müssen lernen, die Arbeit dieser Menschen zu schätzen." (Philip Pramer, 11.3.2021)


Aus: "Klickarbeiter: Klick für Klick zum Hungerlohn: Das digitale Prekariat wächst" (11. März 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000124843896/klick-fuer-klick-zum-hungerlohn-das-digitale-prekariat-waechst

Quote
a posteriore

Zum "mechanical turk": es lohnt sich, die Geschichte des Wortes nachzulesen, die gleichzeitig an Nestroy, ETH Hoffmann und Zizek denken läßt. Es erstaunt, dass Bezos einen solch entlarvenden Firmennamen gewählt hat, der zeigt, wie sehr der vermeintliche Fortschritt oft ein Potemkinsches Dorf ist - wie die digitale Fassade nicht ohne Menschen auskommt. So wie mit Drohnen-Phantasien von der Realität des Zustellwesens abgelenkt wurde. Hoffentlich fällt der Firmenname nicht falsch verstandener politischer Korrektheit zum Opfer.


Quote
Reinhold Loecker

Man bezeichnet das auch als Plattformökonomie
Die Plattform, also der Betreiber, zahlt den Klickworkern ein kleines Entgelt und gräbt jenen Unternehmen das Wasser ab, welche ihr Personal ordentlich entlohnen und Steuern und Sozialabgaben entrichten. Eigentlich das, wovon Hayek und Friedman geträumt haben: der Markt (= die besitzende Klasse) beherrscht alles und der Staat steht daneben und schaut drauf, daß von den Hungernden keiner den Reichen was wegnimmt.

...


Quote
( . \/ . )

Als fleißiger Investor sag ich herzlich danke an alle Gig-Worker.
Mehr bekommts aber nicht.


Quote
hew

Naja, eigentlich nichts Neues - früher gab es z.B. Stenotypistinnen, die den ganzen Tag Stenogramme oder Tonbänder abtippten. Solche Jobs sind weitgehend fort - und durch die im Artikel genannten ersetzt.

...


Quote
grayling

Ähhhmm... mit 1-2$ pro Stunde will man auch nicht konkurrieren. So etwas gehört abgestellt.
Es ist wie mit den Polen die in Österreich/Deutschland als Erntehelfer arbeiten...
Vice Versa holen sich die Polen Erntehelfer aus dem asiatischen Raum in großen Fliegern die wieder billiger sind. Irgendwann ist diese Kette dann zu Ende....

Kranke Welt.


Quote
da Wurzensepp

Das ist erst der Anfang. In vielen Berufssparten wird menschliche Arbeit immer weniger wert. Zwischen automatisierten Prozessen des digitalen Plattformkapitalismus bleiben oft nur Krümel, also Fließbandarbeit die ein Algorithmus (noch) nicht gut genug schafft. Aber bereits jetzt kann eine KI mittelmäßige Filmmusik schreiben.
Der heute noch hochbezahlte Banker, Controller, Anwaltsgehilfe, Versicherungsmarkler Verwaltungsassistent usw. wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ausrangiert. Dafür werden hochspezialisierte und gleichzeitg nicht automatisierbare Tätigkeiten eine enorme Aufwertung erfahren. ...



Textaris(txt*bot)

#1159
Quote[...] Wie viel Vermögen braucht man, um zu den Superreichen in seinem Land zu zählen? Auf diese Frage gibt ein neuer Vermögensbericht von Knight Frank, einer der weltgrößten Immobilienberatungen, einige überraschende Antworten. ... In Deutschland gilt [ ]: Ein Bundesbürger braucht ein Nettovermögen von zwei Millionen Dollar (1,7 Millionen Euro), um zu den reichsten ein Prozent der Bevölkerung zu gehören. Deutschland liegt [ ] auf Platz zehn im weltweiten Vergleich. In neun anderen Ländern ist der deutsche Superreiche nur reich. Dort benötigt er ein noch höheres Vermögen.

...


Aus: "Mit diesem Vermögen gehören Sie zu den Mega-Reichen" Martin Greive (12.03.2021)
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/vermoegensvergleich-mit-diesem-vermoegen-gehoeren-sie-zu-den-mega-reichen/26996654.html

-

Quote[...] Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schreibt über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigt sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitet seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Manchmal bestätigen Studien auf traurige Weise das, was ohnehin schon alle wissen. Klar trifft Corona die alleinerziehende Aldi-Verkäuferin härter als den Marketingmanager mit Ehefrau und Kind. Sie lebt in der engen Mietwohnung, er im abbezahlten Haus mit Garten. Sie muss jeden Morgen zur Arbeit, er bleibt im Homeoffice. Sie kann dem Kind kaum beim digitalen Unterricht helfen, weil ihr Zeit und ein iPad fehlen, für ihn ist beides kein Problem.

Die ökonomisch Starken kommen mit der Pandemie besser klar als die Schwachen. Die These, dass Corona die soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft, wird nun durch neue beeindruckende Daten des Wissenschaftszentrums Berlin und anderer Institute belegt. ... Es ist [ ] kein Naturgesetz, dass die untere Hälfte der Deutschen fast nichts besitzt, während die oberen 10 Prozent über gut zwei Drittel des Nettovermögens verfügen. Ebenso wenig ist es Zufall, dass jedes fünfte Kind von Armut bedroht ist. Diese Zustände sind politisch gewollt.

Die Union, die seit fast 16 Jahren die Kanzlerin stellt, stemmt sich verlässlich gegen alle Initiativen, die die Spaltung zwischen Arm und Reich mindern würden – ob es nun eine faire Erbschaftsteuer oder ein höherer Mindestlohn ist. Auch Gerhard Schröders SPD und die Grünen haben in ihrer Regierungszeit Ungleichheit massiv gefördert, indem sie riesige Summen von unten nach oben leiteten und den größten Niedriglohnsektor Europas installierten.

Die Rezepte gegen die Spaltung in Vermögende und Habenichtse sind bekannt. Mit einer stärkeren Besteuerung von Vermögen ließe sich die Reichtumsexplosion zumindest verlangsamen. Es bräuchte eine Abgabenentlastung für Niedrigverdiener und eine solidarische Lohnpolitik in unteren Verdienstklassen. Außerdem steht die kluge Idee im Raum, eine Sozialerbschaft einzuführen, wie sie etwa der Ökonom Thomas Piketty vorschlägt. Jeder Bürger bekäme aus einem aus Steuern gespeisten Fonds ein Startkapital ausbezahlt.

Auch Leute ohne Erbe könnten so in eine Ausbildung oder eine Immobilie investieren. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass die nächste Regierung das Thema ernster nimmt. Die Union wird die Ungleichheit weiter ignorieren. Und SPD, Grüne und Linke scheitern seit Jahren daran, ein vernünftiges Konzept für ein Mitte-links-Bündnis im Bund auf die Beine zu stellen. So versagt jede Partei auf ihre Weise. Aber alle jammern gemeinsam über die AfD, wissend, dass das Gefühl, abgehängt zu sein, eine wichtige Ursache für deren Erfolg ist.


Aus: "Armut ist kein Naturgesetz" Kommentar von Ulrich Schulte (11.3.2021)
Quelle: https://taz.de/Ungleichheit-in-der-Coronakrise/!5752630/

QuoteRudolf Fissner Freitag, 14:34

Die übliche Debatte wieder einmal. Wie verteilt man im Oberdeck der Welt in dem sich DE nun einmal befindet, am "gerechtesten" die Euronen, die mit der Ausbeutung der Welt (Öl, Regenwald, Klima, Arbeitskräfte im Ausland, Hungertod) erwirtschaftet wurden.


QuoteUranus Donnerstag, 22:46

"Die Rezepte gegen die Spaltung in Vermögende und Habenichtse sind bekannt. Mit einer stärkeren Besteuerung von Vermögen ließe sich die Reichtumsexplosion zumindest verlangsamen. Es bräuchte eine Abgabenentlastung für Niedrigverdiener und eine solidarische Lohnpolitik in unteren Verdienstklassen ..."

Radix = Wurzel, Ursache - Warum nicht radikale Fragen stellen? Warum gibt es Niedrigverdienende und Vermögende? Wie entstehen sie? Warum gibt es so gut wie keine Aufstiege? Wie mit dem Fakt umgehen, dass die Reichen unter sich bleiben? Warum meinen, mit den Reichen&Mächtigen über einen fairen Anteil der Kuchenkrumen verhandeln zu können? Was für Fairness ist in einem System zu erwarten, in dem Wenige Eigentümer*innen sind und viele für diese arbeiten und um Arbeitsplatz und Einkommen konkurrieren müssen? Was heißt Gleichheit und wie kann Solidarität entstehen? ...


QuoteGünter Witte Freitag, 09:57

@Uranus Warum ihre Fixierung ( Neid ) nur auf die " Reichen " in Deutschland ?

Schauen Sie mal wo ( oder von wem ) momentan wirkliche Vermögen gemacht werden. Was ist mit Amazon, Google, Facebook, Tesla, usw. die in Deutschland exorbitante Umsätze und Gewinne erzielen und das fast Steuerfrei. Warum besteuern wir Flugbenzin nicht in der selben weise wie Verbrenner und nehmen dieses Geld ausschließlich für Sozialschwächere her ?

Es gäbe genug Möglichkeiten bevor man das geerbte Haus der Oma enteignet und als Volkseigentum nutzt.


QuoteUranus Freitag, 13:41

@Günter Witte Ihre Deutung als Neid weise ich zurück. Sie entspricht typischen Vorhaltens seitens Kapitalismusanhänger*innen, womit sie Gleichheits- und Gerechtigkeitsstreben versuchen abzuwerten und zu delegitimieren. Dabei geht es nicht um Neid sondern um Kampf/Kritik an Herrschaft, Unterdrückung, Abhängigkeiten, Fremdbestimmung u.ä.. Letzteren wäre Herrschaftslosigkeit, Unabhängigkeit, Mitbestimmung, Autonomie, Solidarität u.ä. entgegenzusetzen.

Es ginge nicht darum, nur auf Deutschland zu schauen. Reichtum und Armut sind nicht bloß innerhalb Staaten auszumachen sondern auch zwischen Staaten. Kapitalismus herrscht global. Nun kann mensch schon sagen, dass geringere Ungleichheit besser ist als größere. Es ist weiterhin die Frage zu stellen, ob dies gerecht und ausreichend wäre. Warum sich mit einem bisschen mehr zufrieden geben? Warum nicht an die Wurzel der Ursachen gehen? Warum bspw. den Gegensatz Kapital Arbeit akzeptieren? Warum Armut und damit Reichtum akzeptieren? Warum die Zerstörung der Lebensgrundlagen akzeptieren?

Es geht weniger um "das geerbte Haus der Oma" sondern generell um Ungleichheit, die in Deutschland, wie Ulrich Schulte im Artikel hinweist, so aussieht: "die oberen 10 Prozent [verfügen] über gut zwei Drittel des Nettovermögens [...]."


QuoteSchnurzelPu Donnerstag, 23:10

@Uranus Nicht durch Analyse der Zustände. Da enden sie wieder im Sozialismus.

Ihr Weg führt zu noch mehr Elend.


QuoteSchnurzelPu Donnerstag, 17:40

Bei 7,7 Milliarden Menschen reicht es nicht für alle, außer man betreibt Raubbau, dann geht das noch zehn Jahre.
Das ist auch das Motiv der Reichen - raffen was noch geht. Multimillionäre werden überleben.
Der Rest von uns hat's verkackt. Piketty redet das schön.


QuoteTom Farmer
Donnerstag, 08:58

Politisch gewollt lese ich. Ich glaube, dass das eher gesellschaftlich gewollt ist. Schaun se sich mal die Diskussionen in den Betrieben mit Leiharbeitern (meist Niedriglöhner!) an, Von Integration und Kollegentum ist man da weit entfernt, gewerkschaftlich Organsisierte schaun auf die herab und der eigene Geldbeutel liegt da deutlich näher bei den nächsten Lohnverhandlungen. ... Das echte Reiche immer reicher werden liegt eher an den Firmenbewertungen und Geldanlagestrategien und im Vergleich dazu der Finanzunbildung weiter Teile der Mittelschicht(!).
...


usw.

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Erst gestern hat Sammy den 16. Strich gemacht. Arnold. "Hat sich aufgehangen." Unruhig schaut er nach rechts und links, späht über die Reeperbahn nach der Polizei und fliegenden Flaschen. Nach Junkies, die nicht mehr klarkommen und Ärger suchen. Sammy zählt die Toten seit November. Er kannte die meisten von ihnen, nicht gut, aber alles Leute, mit denen er mal auf der Straße geschlafen hat, Platte gemacht oder "in einem Laden war" – "Kollegen" eben.

Nicht nur Sammy zählt. Der Senat zählt. Die Opposition zählt. Das Straßenmagazin Hinz&Kunzt zählt. Sie alle versuchen, die Ahnung zu beziffern, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie viele hatten: Dass die Pandemie kaum eine Gruppe so hart treffen wird wie die 50.000 Obdachlosen in Deutschland. Während sich die meisten Menschen in Deutschland hinter Haustüren und Bildschirmen zurückzogen, Ladenbesitzer Jalousien runterließen, Wirte Schlösser an sonst dauergeöffnete Kneipen hängten, blieben die übrig, die weder Home noch Office besitzen und keiner Ausgangssperre nachkommen konnten.

Nirgendwo zeigt sich deren Not so deutlich wie in Hamburg. Die Hamburgische Bürgerschaft zählt 13 tote Obdachlose in diesem Winter. Im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor waren es nur fünf. Die Hamburger Rechtsmedizin zählt sogar 17 Todesfälle, manche von ihnen kamen vor ihrem Tod noch ins Krankenhaus. Die Rechtsmediziner fassen die Todesursachen der Verstorbenen so zusammen: "innere Erkrankungen, Verletzungen, Vergiftungen und Unterkühlungen".

Konkret bedeutet das:

Paul nahm sich am 11. Januar das Leben.

Leslaw erlitt auf dem leeren Kiez einen Herzinfarkt.

Jonathan sprang von der Hebebrandbrücke.

Robert starb an einer Alkoholvergiftung.

Thomas an einer Überdosis.

Hamburg steht mit seinen Zahlen bundesweit an der Spitze. Doch die Zahlen sind überall hoch. "Seit den Neunzigerjahren sind nicht mehr so viele Obdachlose den Kältetod gestorben", sagt Werena Rosenke von der Bundesgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe. 22 Menschen sind seit Ende September in ganz Deutschland draußen erfroren. Wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die an anderen Ursachen starben, weiß niemand.

Man weiß nicht mal genau, wie viele Obdachlose eigentlich in Hamburg leben. Laut einer Studie im Auftrag der Sozialbehörde sind es heute rund 2.000, fast genau so viele wie im doppelt so großen Berlin. Die Zahl ist nicht vollständig, aber sie zeigt, dass sich die Zahl der Obdachlosen in Hamburg innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt hat.

Glaubt man den Sozialarbeitern, Ehrenamtlichen und manchen Politikern in Hamburg, sind die jetzt steigenden Todeszahlen ein Symptom für eine zunehmende Verelendung, die weit vor der Pandemie begann. Mitarbeiter der Drogenkonsumräume berichten, dass sich der Gesundheitszustand vieler Süchtiger deutlich verschlechtert habe. Streetworker erzählen von Menschen, die plötzlich schon morgens im eigenen Urin liegen und die schon vor dem Winter kaum mehr Kraft hatten.

Doch warum sterben ausgerechnet seit der Corona-Pandemie mehr Menschen? Egal, wen man in der Stadt spricht, Sozialarbeiter, die Mitarbeiter von Hinz&Kuntz, die Leute der Drogenkonsumstätte, Obdachlose – niemand weiß genau zu sagen, wer die Schuld trägt und wie das Sterben hätte verhindert werden können. Sogar Menschen, die von der Politik die sofortige Öffnung aller Hotels fordern, sind ratlos. Claudia Meister, die Geschäftsführerin des Vereins Hanseatic Help, sagt: "Du hättest alle Hotels der Stadt aufmachen können, Leute wären trotzdem gestorben." 

Um zu verstehen, warum die Pandemie für manche Obdachlose den Tod bedeutet, muss man sich deshalb das komplizierte Geflecht ansehen, aus dem das Elend gemacht ist. In diesem Geflecht spielen verschlossene Kiezkneipen eine Rolle, genauso wie die Minusgrade, die Notunterkünfte, die Flüchtlinge und der Arbeitsmarkt.

In der Nähe der Helgoländer Brücke am Hamburger Hafen, unter der in diesem Winter einer der Obdachlosen starb, liegt die Jugendherberge am Stintfang. Wo sonst laute Jugendliche sitzen, die Wodka und Red Bull in Thermoskannen schütten, wo sich Mädchen heimlich aufs Jungszimmer schleichen, sitzen jetzt unter Flaggen-Girlanden stille Menschen und mit ihnen ihre Geschichten.

Die Solidarität in der Hansestadt war in Anbetracht der zweistelligen Minusgrade im Februar groß. Sie erfasste auch Sven Seidler, den Betreiber der Herberge. Vor wenigen Wochen beschloss er, seine Räume für die Obdachlosen zu öffnen. Seitdem wohnen hier knapp 50 Hamburger Obdachlose. Organisiert haben den Aufenthalt auf Zeit zwei Vereine: Straßenblues und Hanseatic Help. Beide Organisationen finanzieren mit privaten Spenden die Unterkunft, 40 Euro pro Person und Nacht.

Beim Abendessen ist es still an diesem Tag. Gabeln kratzen über die Teller, die Hafenlichter zittern in der Elbe vor der Glasfassade des Speisesaals. Vor den beigen Tischen sitzt an diesem Abend ein polnischer Mann mit Wollmütze, Arme und Beine ineinander verschränkt, als presse die Kälte der letzten Wochen immer noch seinen schmalen Körper zusammen. Eine Flüchtlingsfamilie, die mit zwei kleinen Mädchen und rosa Kinderrucksack am Morgen vor der Herberge stand. Der tätowierte Punkrocker Jochen, "seit 25 Jahren bayerischer Flüchtling". Der Autist Carlos, der sich vor allem fragt, was die Deutschen gegen Karl Marx haben. Die Notariatsfachangestellte Nadine, die Perlen an den Ohren und Narben am Hals hat. Menschen, die meist früh, manchmal erst spät einen Weg nahmen, den keiner von ihnen so geplant hatte.

Und da sitzt an diesem Abend ein junger Mann in weißer Adidas-Jacke, der sich wünscht, dass diese verdammte Einsamkeit aufhört. Und diese Pandemie, wegen der er Job und Wohnung verlor.

Olegs ist ein Nichtbürger. Er hat jüdische, deutsche und russische Vorfahren, wegen derer er bei seiner Geburt in Lettland keine Staatsbürgerschaft bekam. Der einzige Pass, den er besitzt, ist ein "Alien Passport", ein lettischer Pass, der wirklich so heißt, für Menschen ohne Staatsbürgerschaft. "Ich bin ein Alien", stellt er nüchtern fest.

Und so hört sich dieses Leben an: Die erste Nacht auf der Straße erlebte er in einer Winternacht in Lettland, da war er zehn Jahre alt, erzählt er. Sein Vater hatte ihn vor die Tür gesetzt. Seitdem schlägt er sich durch, arbeitete auf Baustellen, reiste nach Salzburg, Tschechien, Paris. Er hatte da ein paar "Aktionen". In Karlsbad raubte er ein Casino aus, und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis. Im Fünf-Sterne-Hotel hatten sie ihn geschnappt. Später ging er dahin, wo sich viele einen Neuanfang versprechen: In Frankreichs Fremdenlegion. Aber davon erzählt er nicht gern. Er sollte nach Syrien, Bomben entschärfen. Aus Protest schnitt er sich die Adern auf. Olegs schiebt seinen Ärmel nach unten, eine Narbe zieht sich quer über den blassen Unterarm. Sie ist der einzige Beleg für das Leben, von dem er berichtet.

Olegs hatte nie ein wirkliches Zuhause, in das er sich hätte zurückziehen können. Und es ist das, wonach er sich am meisten sehnt. Fragt man ihn, wie er sich seine Zukunft vorstellt, sagt er: "Ich will ein ganz normales Leben."

Noch im März war er diesem normalen Leben, von dem er träumt, ganz nah. Er arbeitete auf Baustellen als Stuckateur, erhielt viele Aufträge. Dann aber, ab dem ersten Lockdown im März 2020, habe ihn sein Chef nicht mehr angerufen. Als die Aufträge ausblieben, habe ihn erst seine Freundin verlassen, dann verlor er seine Wohnung. Die Pandemie machte ihn einmal mehr obdachlos. Er musste zurück auf die Straße, zu den "Kollegen", zur Gegend um den Hauptbahnhof. Zurück in das Leben, das er hinter sich lassen wollte. "Ich muss weg von da", sagt er. "Wenn ich wieder in meine alten Schritte steige, passieren immer schlimme Sachen."

In Hamburg landen viele Menschen wie Olegs, die sich ein besseres Leben erhoffen. 2009 hatten laut der Hamburger Sozialbehörde rund 70 Prozent der Obdachlosen eine deutsche Staatsangehörigkeit. 2018 waren es nur noch 36,1 Prozent. Viele von ihnen kamen, um Arbeit zu finden. Doch das ist in der Pandemie so schwer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch Olegs läge in nicht-pandemischen Zeiten vielleicht nicht im Stockbett einer Jugendherberge. Und müsste nicht stundenlang gegen die Einsamkeit anspazieren, bis die Leere der Stunden ihn doch erwischt.

Gerade prekär Angestellte traf die Krise besonders hart. Freiberufler, Selbstständige, Kurzarbeiter, Bauarbeiter. Menschen, die in guten Wirtschaftsjahren instabile Jobs annahmen, mit denen sie über die Runden kamen. Es sind die unverbindlichsten Arbeitsverhältnisse, die zarten Fäden, die bei einem Zittern der Konjunktur als erstes reißen. Die Arbeitsagentur spricht in einem im November veröffentlichten Bericht vom "Corona-Effekt" auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem bei zwei Gruppen stellt sie einen noch stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit als bei allen anderen fest: Bei Ausländern und Personen ohne Berufsausbildung. Der Sozialverband Hamburg warnte schon vor Monaten wegen der Pandemie vor einer steigenden Armut in der Hansestadt.

Die Arbeitslosigkeit, die wegfallenden Aufträge, die erlahmte Wirtschaft macht es den Menschen noch schwerer, aus der Obdachlosigkeit wieder herauszufinden. Die Pandemie wirkt wie ein zäher Strudel, der Perspektiven schluckt. Und sie verlangsamt wichtige Prozesse: das Einreichen von Anträgen, Terminvergaben, das Verstreichen von Zeit. Die Menschen hängen länger im Übergang fest. Drogensüchtige müssen länger auf Entzugsplätze warten. Arbeitslose auf Vorstellungstermine. Auf den Bescheid für Sozialleistungen. Auf eine Zukunft.

Auf den Straßen fehlen freundliche Gesichter und die zugehörigen Institutionen, die das Leben vor der Pandemie für Obdachlose erträglicher machten. Wer den Job verliert und auf der Straße landet, landet nicht auf dem belebten Kiez, sondern streicht an verschlossenen und vernagelten Türen entlang. Der stellt seinen Becher in eine ausgestorbene Fußgängerzone, dem fehlen die leeren Astra-Flaschen der Studenten am Kiosk, die Samstag jetzt Netflix schauen, statt auf der Reeperbahn zu feiern.

Dem fehlen die Orte, die ihn kurz vergessen lassen, dass er ein Übriggebliebener ist. Einer der nicht zu Hause bleiben kann, dem ohne Dach keine Decke auf den Kopf fallen kann. Dem fehlen Momente, die daran erinnern, dass sich Menschen zumindest manchmal auf Augenhöhe begegnen. Wie im Elbschlosskeller, der 24 Stunden geöffnet hatte, ein Ort für alle, für Partygänger, Tänzer, Sexarbeiterinnen, für die Nachbarn, für Sammy und die Leute von der Platte, die sich mal aufwärmen wollten. Ein Ort, an dem vor der Pandemie alle ein bisschen gleicher wurden.

Die wenigen Orte, die für Obdachlose noch geöffnet sind, lassen keine Sekunde vergessen, wo man in der Gesellschaft steht, wie etwa die Notunterkünfte. "Wenn ich nicht so stark wäre und ein inneres Ziel hätte, wäre ich zerbrochen", sagt Jochen.

Er ist Ende 40, Punkrocker und hatte früher einen Iro, "mit dem konntest du Augen ausstechen – brutal". Jetzt glänzt sein kahler Kopf im Licht des Speisesaals der Jugendherberge. Die Buchstaben ACAB an den rechten, PUNK auf den linken Fingern, ein Wettergott auf der Hand, ein Dämon am Hals. Messer im Oberschenkel, Stuhl auf dem Kopf, Ehering auf die Augenbraue. [...] Sein Körper ist eine Kampfzone. Während Menschen wie Olegs nie einen geraden Weg kennenlernten, lebte Jochen schon immer gegen den Bausparvertrag, gegen das Sonntagsessen und den Nine-to-five-Job. Zuletzt hatte er einen Marktstand in der Hippiestadt Christiana in Kopenhagen. Den musste er schließen wegen Corona, er reiste nach Hamburg.

Zwei Wochen schlief er in Notunterkünften, für Jochen ein 14-tägiger Alptraum. Er erzählt, sein Zimmernachbar in der ersten Notunterkunft habe die Krätze gehabt, ein anderer wollte ihn verprügeln, nur weil er ihn bat, die Mandarinenschalen in den Müll und nicht daneben zu werfen. "Die Leute dort saufen, bis alles leer ist, meistens bis fünf Uhr morgens."

Ein paar Mal schütteten sie Bier um sein Bett. Hopfengeruch ist nicht hilfreich bei der Jobbewerbung. "Ich kann die Menschen verstehen, die später draußen erfroren sind. Du hältst es da drin nicht aus." Seit drei Tagen ist Jochen hier in der Herberge am Stintfang, jetzt hat er ein Vorstellungsgespräch als Baggerfahrer.

Theoretisch, also regierungstheoretisch, muss niemand auf der Straße schlafen. Und niemand erfrieren. Die Koalition nannte in den vergangenen Wochen bei den vielen, teils heftigen Diskussionen um die Obdachlosen das Zauberwort "Winternotprogramm". Einige in der Herberge wie Jochen waren in diesem Winternotprogramm. Manche von ihnen schliefen lieber auf der Straße oder in Zelten. 1.400 Betten stellt die Stadt für die mindestens 2.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. Vier-Bett-Zimmer in einer Zeit der Kontaktbeschränkungen.

Eine ungewöhnliche Allianz aus CDU und Linke forderte deshalb Ende Januar die Öffnung der leerstehenden Hotels und Herbergen wie in anderen Städten, etwa in Düsseldorf oder Berlin, um den Menschen Einzelzimmer zu bieten. Doch die Sozialbehörde Hamburg beharrte auf den Notunterkünften, obwohl deren schlechter Zustand nach Ansicht von Sozialarbeitern eine Erklärung sind, warum Menschen auf der Straße erfroren sind.

Auch Sammy, der die Toten zählt, und die anderen Punkrocker von der Reeperbahn meiden die Notunterkünfte. Gegenüber des verschlossenen Elbschlosskellers sitzt zwischen den schmutzigen Matratzen, Penny-Tüten und Wodkaflaschen Inge, Hamburgs selbst ernannte Bordsteinamsel und Königin der Platte unter Kentucky Fried Chicken. Rauchend und hustend schimpft sie gegen das Winternotprogramm. Da, sagt sie, sei es "noch beschissener als hier". Inge hat 35 Jahre Straßen-Expertise und kann Sätze sagen wie: "1986 hatten wir auch 'nen scheiß kalten Winter."   

Sie streicht über ihren zertrümmerten Wangenknochen, irgendwer raucht Crack neben ihr, ein Mädchen mit Sekt unterm Arm schaut im Vorbeigehen zu ihr hinab, und Inge sagt: "Die Menschenwürde ist unantastbar."

Auch wenn später Wolken aufziehen und es abends wieder regnen wird in Hamburg, scheint an diesem Nachmittag die Sonne auf Inges Reich. Die Plattenkönigin beschließt, dass es Zeit für Wodka ist. Neben Inge sitzt "ihre Schwester" Kerstin, die habe dreißig Jahre in der Altenpflege gearbeitet. "Ist das fair?", krächzt Kerstin, die Stimmbänder wie mit Stacheldraht geschliffen. Inge hat noch eindreiviertel Ohren, ein Viertel verlor sie an Nazis. "Aber für was, Schatz? Für was?", fragt sie und lässt den Kopf mit ihrem blassrosa Iro hängen, das Gefieder der erschöpften Bordsteinamsel.

Inge braucht keine halbe Minute, um ihre Geschichte zu erzählen. Sie hatte mal eine Wohnung am Fischmarkt. Die Miete wurde zu hoch, sie suchte Hilfe beim Sozialamt, bekam keine. Dann kürzt sie ab: "Na ja, und so bin ich in der Prostitution gelandet." Sie schaut einem in die Augen: "Solange ich lebe, will ich kein Arschloch sein. Ich bin für alle da." Inge weiß auch nicht, was genau hier draußen schiefläuft. Sie kannte einige der Toten. Tränen steigen ihr in die geschwollenen Augen, wenn sie von ihnen spricht. Eine Freundin von ihr sei im Krankenhaus gestorben. Mit dem Wodka schwappen die Tränen zu Kerstin rüber, die weint und einen Schluck gegen die Traurigkeit nimmt.

Sie spüre die Angst vor Corona auf der Straße. Aber damals hätten auch alle Angst vorm Kalten Krieg gehabt. "Diese Einstellung brauchst du, anders kannst du hier nicht überleben." Und Inge will noch ein bisschen überleben.

Am Abend kommt ein Junge mit schweren Lidern an der Herberge am Stintfang an. Er heißt Khalid, ist afghanischer Flüchtling und wird hier zum ersten Mal seit sechs Nächten Schlaf finden. Auch seine Geschichte ist voller Verzweiflung und Ausweglosigkeit. In dieser Nacht aber wird ihn zumindest der Regen nicht kümmern, der von draußen an sein Fenster prasselt, so wie an die Fenster von Jochen, Olegs und den anderen Obdachlosen.

Zumindest in dieser Nacht kann ihnen wenigstens der Regen egal sein.


Aus: "Obdachlosigkeit in der Corona-Krise: Die toten Kollegen" Marlene Knobloch (14. März 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/obdachlosigkeit-corona-krise-pandemie-armut-strassenleben-tote/komplettansicht

QuotePeleador #20

Danke für den schonungslosen und zugleich liebevollen Blick auf einzelne Menschen, auf die kaum einer schaut. ...


QuoteWaltraud Gundlach #20.1

Ich denke auch nicht, daß niemand auf diese Menschen schaut. Es ist sehr schwer, jemanden zu helfen, der nicht die Kraft aufbringt, mitzumachen. Da hilft dann eben nur Kältebus, Essen ausgeben, Arzt anbieten.

Wer selbst alkoholabhängige Väter oder Mütter als Kind erlitten hat, der sieht diese Krankheit, auch mit noch soviel Liebe, als endlosen Schmerz für jene, die nicht helfen können und dies mitertragen müssen.


Quoteratzeputz le Grand #21

In Hamburg geht das schon seit sehr vielen Jahren so.
Die Stadt der meisten Reichen und es gibt womöglich die meisten leerstehenden
Bürogebäude in dieser Stadt. Mehr muss man fast nicht sagen.

Was in diesem Artikel nicht erwähnt wird:
Die Notunterkünfte sind eher Schlafplätze als ein Ort wo man mal etwas Ruhe
finden kann. Die Leute müssen jeden morgen wieder auf die Strasse, egal ob krank oder Schneesturm, und dürfen erst gegen Abend wieder kommen.
Schon vor der Pandemie war es alles andere als menschenwürdig.


QuoteKoronbock #2

Na ja, manchmal ist es wirklich schwer, diesen Menschen zu helfen. Ich habe früher beim Roten Kreuz mitgeholfen, Obdachlose zu betreuen. Lieder war es manchmal so, dass wir mit Aggression und totaler Verweigerung "begrüßt" wurden. Nicht, dass das die Norm war.
Aber es gibt Obdachlose, die wollen einfach nicht, dass man ihnen hilft, sind stur wie Panzer. Da läuft jedes Hilfsangebot ins Leere. Das gehört auch zur Wahrheit.


QuoteKeine Macht den Verschwörugnsmythen #2.2

Wenn noch eine F-Diagnose ins Spiel kommt, sprich psychische Erkrankung, ist es allerdings auch mit dem Helfenlassen nicht so leicht, wie es nach außen erscheint. Oder auch, weil man mit der Gesellschaft innerlich abgeschlossen hat, was ich mir gut vorstellen könnte bei Menschen, die mehrere Jahre auf der Straße gelebt haben.


Quotejoaber #2.4

"Selbst wenn die Stadt Unterkünfte anbietet, werden die kaum genutzt."

Also mir hat zumindest mal einer erzählt, er würde immer mal wieder in den Unterkünften von Leidensgenossen beklaut werden. Und deswegen nicht mehr dort hin gehen. Er und zwei andere zogen die warmen Abluft-Schächte unserer Firma "hinten" vor.


QuoteMiami-HH #2.5

Das ist absolut richtig.

Ein EX Kollegen meiner Frau war auch "abgerutscht"
War schon immer der Flasche zugeneigt, dann ging die Frau, wenig später der Job und Sie traf ihn im Park mit "Kollegen"
Meine Frau, in der Zwischenzeit als Freelancer Selbständig gemacht, bot ihm an Aufträge zuzuschustern,
Oh ja toll ich melde mich bei dir.
Jahre später auf der Platte verstorben.
Hatte keine Kinder, keine Eltern mehr, keinen Halt gefunden.
Furchtbar.


QuoteDerax #2.6

Ich habe/arbeite schon lange im Gesundheit System. Obdachlose sind arme nette Menschen/Patienten aber ab einem gewissen Level kann man Ihnen von unserer Seite nicht helfen.


Quotenichtimmerdanurmanchmal #2.7

Ja, das stimmt wohl. Aber zur Wahrheit gehört es auch, dass Politik und Gesellschaft diese Menschen egal sind,bzw sie in Augen vieler nicht als Menschen existieren.


QuoteFitnesstante #6

Zur Obdachlosigkeit in diesem Land führen nie äußere Rahmenbedingungen allein, sondern immer nur ergänzt durch einen zentralen Faktor: Psychische Erkrankungen. Zu letzteren zählt auch Alkoholismus.
Das macht es nicht weniger traurig.


QuoteFakten bitte #6.2

Anstatt Vorurteile zu bedienen sollten Sie sich mit den Betroffenen unterhalten. Immer wieder erzählen diese wie Sie obdachlos geworden sind weil Sie Ihren Job verloren und die Miete nicht mehr zahlen konnten. Seit Hartz-IV geht dies sehr schnell. Jeder ist dem Risiko von Sanktionen ausgesetzt die zu Obdachlosigkeit führen können.
Diesen dann auch noch die Verantwortung in Form von Vorurteilen über zu stülpen stellt aus meiner Sicht eine völlige Ignoranz gegenüber der Realtiät dar.
Und dies gilt in beide Richtungen. Sie bedienen nicht nur Vorurteile gegenüber Obdachlosen, sondern auch gegenüber psychischen Erkrankungen.


Quoteatlantik #7

Warum hat es der Staat nicht geschafft, für die Obdachlosen für die Dauer des Lockdowns ein Teil der leeren Hotels anzumieten?
Da wäre sowohl den Hotelbesitzern als auch den Obdachlosen geholfen gewesen.


Quoteatlantik #7.3

"Du hättest alle Hotels der Stadt aufmachen können, Leute wären trotzdem gestorben."

Aber mit größter Wahrscheinlichkeit weniger und für die anderen wäre es wenigstens für einen kurzen Zeitraum weniger Elend gewesen.

"Auch in Hotels hätten Regeln gegolten, halten sich viele Obdachlosen nicht daran?"

Ist das so? Oder ist das ein Vorurteil?


QuoteYoginiMuffin #7.4

Nein, es ist zu vermuten, dass nicht alle mitmachen. Es gibt auch rollende Suppenküchen für Obdachlose und mobile Ärzteteams, und die halten IMMER in Frostnächten Zimmer vor, nicht selten sogar Einzelzimmer in Jugendherbergen oder Pensionen. Doch circa die Hälfte der Angesprochenen nimmt das Angebot nicht an. Die Gründe sind vielschichtig, aber zwingen kann man eben nicht.


Quotelassteskrachen #7.8

Es gibt auch Regeln in Obdachlosenunterkünften, so zB kein Alkohol und keine Drogen. Es ist wohl kein Vorurteil, wenn Süchtige hier die Hilfe nicht annehmen.
In Stuttgart hat eine Pension für Obdachlose geöffnet, allerdings werden hier eher unproblematische Fälle untergebracht.


QuoteClemensinhh #14

Die Wohnungsnot ist ein gewollter Zustand. Und somit ist auch die Obdachlosigkeit ein gewollter Zustand. Die Lobbyarbeit der Immobilien Branche ist wirklich sehr erfolgreich gewesen. Sie haben es geschafft diesen Zustand als einen Natürlichen erscheinen zu lassen. Wir sind wirklich alle sehr, sehr dumm, das wir uns das schon so lange gefallen lassen.


Quotemenschhj #15

Ohne das Ehrenamt wäre die Not sehr viel schlimmer. Kein Ruhmesblatt für die staatlichen Institutionen.


QuoteJebussss #16

Wenn ich am Hauptbahnhof vorbei Fahre und die Obdachlosen vor den Türen der Theater schlafen, mit dünnen Schlafsäcken, bei -10 Grad in der Nacht. Da habe ich mir schon gedacht, dass dies nicht alle Überleben werden.

Es gibt Unterkünfte, viele Obdachlose nehmen diese nicht wahr, aus Angst beklaut oder verprügelt zu werden.


QuoteDardix #16.1

Nicht nur das, einige nutzen auch die Unterkünfte nicht, weil dort ihre Hunde nicht mit reindürfen. Und das ist oft das Einzige, was sie noch haben.


Quoter.schewietzek #24  —  vor 2 Stunden

So macht es übrigens Finnland.


Soziale Gerechtigkeit: "Straßenobdachlosigkeit gibt es in Finnland nicht mehr"
In Finnland ist die Obdachlosigkeit gesunken wie sonst nirgends. Denn jeder Bürger bekommt dort eine Wohnung vom Staat. Könnte das auch in Deutschland funktionieren?
Interview: Elisabeth Kagermeier 1. März 2018
Juha Kaakinen: In Finnland sinkt die Obdachlosigkeit seit den Achtzigern, weil Regierung und NGOs sehr eng zusammenarbeiten. Außerdem ist in der finnischen Gesellschaft tief verankert, dass wir uns um alle kümmern müssen und keiner zurückgelassen wird. Ich denke, jeder Mensch hat ein Grundrecht darauf, einen anständigen Ort zum Leben zu haben.
Aber bis vor zehn Jahren haben wir die Gruppe der Langzeitobdachlosen, die auf der Straße leben, nicht erreicht. Damals gab es vor allem in der Metropolregion Helsinki viele Menschen, die auf der Straße lebten. In einem Park hatten sich Obdachlose kleine Dörfer aus Zelten und Hütten zwischen den Bäumen gebaut und dort in ärmlichen Verhältnissen gelebt.
Jetzt, zehn Jahre später, sieht man in Finnland keine Obdachlosen mehr, wenn man durch die Straßen läuft. Es gibt immer noch Leute, die keine eigene Wohnung haben und zum Beispiel bei Freunden unterkommen. Aber das Phänomen der Straßenobdachlosigkeit gibt es in Finnland nicht mehr.
ZEIT ONLINE: Woran liegt das?
Kaakinen: Wir haben das Prinzip umgedreht: Normalerweise müssen Obdachlose erst ihr Leben auf die Reihe kriegen, um wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. Wir machen das andersherum. Wir geben ihnen eine dauerhafte Wohnung, damit sie ihr übriges Leben wieder in den Griff kriegen können. ...

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/finnland-soziale-gerechtigkeit-grundwohnen-juha-kaakinen-interview

Vielleicht sollte Deutschland bzw. die deutschen Kommunen das Konzept mal übernehmen.


QuoteGimmeldinger #27

Unerklärlich und nicht nachvollziehbar wie menschlich kalt diese Stadt sein kann, obwohl wegen Corona tausende Zimmer in Hotels, Pensionen und Kasernen leer stehen.


Quoteoisisblues_muc #30

Jeder, der hier die Unterbringung in Hotels fordert, möge sich fragen, ob er sein eigenes Hotel dafür vermieten würde. Obdachlose rauchen häufig, haben Alkoholprobleme oder psychische Krankheiten, oder einen Hund.
Schon mal an der Rauch - und Tierverbot in den Hotels gedacht? Wenn jemand wochenlang in einem Hotelzimmer raucht, kann man das danach generalsanieren.
Und liest man, welche Probleme Obdachlose oftmals habe, glaube ich nicht so recht daran, dass das mit dem Nichtrauchen oder -trinken in einem Hotelzimmer funktionieren würde.

Wenn es so einfach wäre, warum finden sich unter den Kommentatoren keine, die einen freien Raum im Winter einem Obdachlosen zur Verfügung stellen?


QuoteMr Pro Evens #28

Einige Kommentare sind wirklich schwer zu ertragen. Ich empfehle jeden, der/die meint, weitergehende Einschätzungen über Obdachlosigkeit zu treffen, einen Realitätscheck. Sprecht mit den betroffenen Menschen! Falls die Hemmungen dafür zu groß sein sollten, empfiehlt sich ein Stadtrundgang der anderen Art:

Hamburg hat viele Seiten – unsere Stadtführer zeigen auf dem Rundgang ,,Hamburger Nebenschauplätze" ein ganz anderes Gesicht der Hansestadt. Harald und Chris führen viele Neu­gierige durch die Innen­stadt, wie sie kaum einer kennt. Sie möchten, dass die Menschen erfahren, wie Wohnungslose leben.
Jetzt Termin buchen
https://www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang/


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Mehr als 70.000 Uber-Fahrerinnen und Fahrer in Großbritannien können künftig mit Mindestlohn, bezahltem Urlaub und anderen Arbeitgeberleistungen rechnen. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit und einer Niederlage vor dem obersten Gericht erklärte der Konzern in einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht, seine Fahrer in Großbritannien künftig nicht mehr als eigenständige Unternehmer, sondern als Mitarbeiter zu behandeln. Uber machte zunächst keine Angaben dazu, ob und inwiefern dies zu höheren Kosten führt. Die Aktie reagierte mit leichten Kursverlusten.

Die Frage, welchen Status Fahrerinnen arbeitsrechtlich haben und welche Leistungen sie von Uber erhalten, ist für das Geschäftsmodell des US-Konzerns elementar. Uber stuft Fahrer bisher als ungebundene Vertragspartner ein, was Geld für Arbeitgeber-Verpflichtungen wie Mindestlohn, bezahlte Überstunden oder Krankheitstage spart. Diese Praxis gibt Fahrern allerdings auch viel zeitliche Flexibilität und die Möglichkeit, parallel für Uber-Konkurrenten wie Lyft tätig zu sein.

Der Londoner Supreme Court hatte im Februar geurteilt, dass Uber-Fahrerinnen und Fahrer in Großbritannien als Mitarbeitende behandeln muss. Das Unternehmen argumentierte zunächst, dabei gehe es um wenige Fahrer, die die App 2016 nutzten. Diese Position stieß aber von Anfang an auf Skepsis.

Auch jetzt machte das Unternehmen klar, dass die neue Einstufung als "Worker" nach britischem Recht keinen Angestelltenstatus bedeute. So hätten die Fahrer künftig zwar Anrecht auf Mindestlohn, bezahlte Urlaubstage und Pensionszuschüsse, aber keine vollen Arbeitnehmerrechte, die etwa Elternzeiten oder Abfindungszahlungen umfassten. Auch in der US-Heimat und anderen Ländern hatte Uber wegen der arbeitsrechtlichen Behandlung seiner Fahrer bereits Rechtskonflikte. In Deutschland sträubt sich das Taxigewerbe ohnehin schon lange gegen jede weitere Öffnung des Fahrdienstmarktes, von der Rivalen wie Uber profitieren könnten.


Aus: "Fahrer von Uber bekommen in Großbritannien mehr Rechte" (17. März 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2021-03/uber-grossbritannien-fahrer-mindestlohn-urlaub-rechtsstreit

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Im Durchsuchungsbeschluss der Thüringer Justiz gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann (CDU) werden die Vorwürfe gegen ihn detailliert benannt. Treffen sie zu, hat er mit Maskengeschäften viel Geld verdient. Hauptmann ist mittlerweile aus seiner Partei ausgetreten.

Der frühere Südthüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann soll mit Maskengeschäften 997.000 Euro verdient haben. Das geht aus dem Durchsuchungsbeschluss der Justiz gegen ihn hervor, der MDR THÜRINGEN vorliegt und über den zuerst Der Spiegel berichtet hatte.

Danach verdächtigt die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft Hauptmann, über seine Beraterfirma mit Sitz im brandenburgischen Zossen Corona-Schutzmasken im Wert von 7,5 Millionen Euro an Käufer vermittelt zu haben. Dafür sollen ihm die Masken-Lieferanten eine Provision von 997.000 Euro gezahlt haben. Exakt diesen Betrag hat die Justiz inzwischen auf einem Hauptmann-Konto einfrieren lassen.

Dem Durchsuchungsbeschluss zufolge steht für die Justiz auch der Verdacht im Raum, dass sich Mark Hauptmann der Geldwäsche schuldig gemacht hat. In dem Dokument ist davon die Rede, dass sich der Tatverdacht der Bestechlichkeit unter anderem aus Geldwäsche-Verdachtsmitteilungen verschiedener Banken ergebe.

Die Ermittler gehen zudem dem Verdacht nach, dass eine Spende eines Maskenimporteurs in Höhe von 7.000 Euro an den CDU-Kreisverband Suhl unzulässig gewesen sein könnte. Diese Spende soll Teil des Masken-Vermittlungsgeschäfts von Hauptmann mit der Firma gewesen sein. Der Kreisverband hatte diese Spende an die Bundestagsverwaltung überwiesen, nachdem sie öffentlich geworden war.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass sie gegen Hauptmann wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt. Außerdem wurden am Donnerstag Büro- und Privaträume Hauptmanns in Thüringen und Brandenburg durchsucht, ebenso die Südthüringer CDU-Kreisgeschäftsstellen in Suhl, Hildburghausen, Sonneberg und Meiningen. Nach Angaben einer Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft wurden dabei mehrere Speichermedien und Dokumente sichergestellt.

MDR THÜRINGEN hat sowohl Mark Hauptmann als auch dessen Anwalt um eine Stellungnahme zu den jüngsten Vorwürfen gebeten. Bisher liegt eine solche Stellungnahme nicht vor. Hauptmann hatte bisher bestritten, mit Maskengeschäften Geld verdient zu haben. Er hatte auch die sogenannte Ehrenerklärung unterschrieben, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion von allen Mitgliedern nach Bekanntwerden der ersten Maskengeschäfte von Bundestagsabgeordneten eingefordert hatte.

Wie der Thüringer CDU-Landesverband am Freitag mitteilte, ist Hauptmann mittlerweile aus der Union ausgetreten - schriftlich und mit sofortiger Wirkung. Zuvor hatte Generalsekretär Christian Herrgott MDR THÜRINGEN gesagt, dass der Landesvorstand Hauptmann "sehr deutlich" aufgefordert hatte, reinen Tisch zu machen und aus der Partei auszutreten. Anderenfalls sei ein Parteiausschlussverfahren denkbar gewesen.

Zuvor hatte die CDU nach eigenen Angaben seit Bekanntwerden der Vorwürfe keinen direkten Kontakt zu ihm. Hauptmann sei weder telefonisch noch auf anderen Wegen erreichbar gewesen, hieß es. Parteiaustritte gab es nach Angaben des CDU-Generalsekretärs in den zurückliegenden Stunden in Thüringen nicht. Es gebe aber "viel Gesprächsbedarf" in der CDU.

Die Suhler CDU bat die Bürger der Stadt um Entschuldigung für das Verhalten ihres früheren Kreisvorsitzenden Hauptmann. Der Kreisverband schreibt öffentlich bei Facebook, das "offensichtlich kriminelle Verhalten" von Mark Hauptmann sei "unentschuldbar". Auch der Kreisverband forderte Hauptmann dazu auf, unverzüglich aus der CDU auszutreten.

Der Chef der CDU-Fraktion im Suhler Stadtrat, Marcus Kalkhake, schrieb ebenfalls bei Facebook an die Adresse Hauptmanns: "Zurück bleiben deine ehemaligen Weggefährten, welche mit widerlichen Witzen in Sippenhaft genommen werden. ... Und dann, in der Stunde der möglichen Wahrheit, hast du uns noch belogen. Mark, meine Enttäuschung ist grenzenlos. Meine Bindung mit der CDU war zurückliegend bereits erodiert. Du bist mir nun noch in den Rücken gefallen." Auf eine Nachfrage von MDR THÜRINGEN, ob er einen CDU-Austritt erwäge, reagierte Marcus Kalkhake mit den Worten, darauf könne er noch keine Antwort geben.


Aus: "Korruptionsverdacht: Hauptmann verlässt CDU - neue Details zu Masken-Millionen" Ludwig Kendzia und Sebastian Großert, MDR THÜRINGEN (26. März 2021)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/maskenaffaere-cdu-austritt-hauptmann-100.html#sprung0

-

Quote[...] [Die Union] hat mit der irritierenden Bereitschaft einiger Abgeordneter, aus der Coronakrise Geld zu schlagen, eine Affäre am Hals, die so schnell keinen Abschluss findet. Nächste Episode: mutmaßliche Millionenzahlungen eines im Hintergrund politisch hoch engagierten Milliardärs an den früheren CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler.

Nach Recherchen der ,,Süddeutschen Zeitung" soll August Baron von Finck Gauweiler in den Jahren von dessen Mandatszeit im Bundestag mehr als elf Millionen Euro zugewendet haben. Gauweiler arbeitet als Anwalt, er soll Finck beraten haben. Der Politiker zählte jahrelang zu den Spitzenverdienern im Parlament, was allseits bekannt war.

Bekannt war auch, dass er seit zwei Jahren mit dem Rechtsanwalt, Landtagspolitiker und früheren bayerischen Justizminister Alfred Sauter die Kanzlei ,,Gauweiler & Sauter" betreibt; jenem Sauter, der nun wegen Corona-Geschäften im Visier der Münchner Staatsanwaltschaft steht. Bekannt war zudem, dass Gauweiler zu den engen Buddies des Ex-Bankiers Finck gehört, von dem wiederum bekannt war, dass er unter anderem rechtspopulistische Bewegungen förderte, wohl auch die AfD.

Was nicht bekannt war, waren die Millionen, die in Gauweilers aktiver Politikerzeit geflossen sein sollen. Den Grund dafür benennt dieser selbst: das gesetzlich abgesicherte Mandatsgeheimnis, das Anwältinnen und Anwälte zum Schweigen berechtigt und verpflichtet. Es wird auch in den Verhaltensregeln für Parlamentarier berücksichtigt.

Nebenverdienste sind in Stufen anzugeben. Doch wer beauftragt und zahlt, unterliegt keinerlei Anzeigepflicht, geschweige denn das, was für das Geld geleistet wird. Kein anderer Nebenjob von Abgeordneten ist so gut vor Transparenz geschützt.

So werden theoretisch Konstellationen denkbar, mit denen sich finanziell potente Privatpersonen, Verbände oder Unternehmen über Beraterverträge anwaltliche Einflussagenten im Bundestag halten könnten. Eine unschöne Vorstellung, von der man nur hoffen kann, das sie im Fall Gauweiler nicht bereits Wirklichkeit geworden ist. Doch auch klassische Lobbyarbeit wird heute nur allzu gern über die verschwiegenen Kanzleien abgewickelt.

Schweigen zahlt sich aus. Ebenso für die Bundesregierung übrigens, die sich ihre Angelegenheiten oft von Rechtsanwaltsfirmen besorgen lässt und dann auf deren Geschäfts- oder Anwaltsgeheimnis verweist, wenn es eigentlich gilt, die nötige Transparenz herzustellen. So gibt es eine ganze Reihe erfolgreicher Anwältinnen und Anwälte, die parlamentarisches Mandat und berufliche Nebenjob-Mandate in privilegierter, weil vor zudringlichen Informationsbegehren geschützter Stellung vereinbaren können.

Es ist überfällig und uneingeschränkt zu begrüßen, wenn nun mit den Vorstößen zu mehr Sichtbarkeit der Abgeordneten-Nebenjobs auch versucht wird, Anwaltsgeheimnis und Transparenzerfordernisse in einen besseren Ausgleich zu bringen. Über Mandatsbeziehungen wie die, die es zwischen Finck und Gauweiler möglicherweise gegeben hat, sollte das Volk wenigstens in Ansätzen Bescheid wissen dürfen, wenn es seine Vertreterinnen und Vertreter in den Bundestag entsendet. Solche Verbindungen sind ein Politikum. Dass sie nicht eher öffentlich werden und nun als Skandal erscheinen, bringt all jene Abgeordneten in Misskredit, die redlich mit ihren Befugnissen umgehen und weit davon entfernt sind, sich über Nebenjobs von fremden Interessen vereinnahmen zu lassen.

Es wird zunehmend deutlich, dass die Bundesrepublik in Sachen Transparenz ihrer Staatsgewalten erst noch am Anfang steht. ...


Aus: "Wo Geheimnisse an Grenzen stoßen sollten" (26.03.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsanwaelte-im-bundestag-wo-geheimnisse-an-grenzen-stossen-sollten/27046414.html

Quotecervo 13:01 Uhr
Die CSU war schon immer korrumpierbar und August von Finck war immer vorne mit dabei. Dazu gehört auch Ministerpräsident Söder, er ist schon lange wichtiger Teil der CSU. Er sollte zurücktreten. Und Scheuer kann er gleich mitnehmen:

"Wenn der sparsame Milliardär austeilt - August von Finck steckt Millionen in Politiker – einer verbraucht das Geld einfach selbst." (30. Januar 2009)
Wenn es um ihn selber geht, ist der Münchner Bankier und Milliardär August von Finck ein verschrobener Geizhals. Als Auto fuhr er einen VW, bis der Wagen zusammengerostet war. Zur Hochzeit eines seiner Söhne wurde den erstaunten Gästen warmer Leberkäs serviert. Wenn es aber um Politik geht, dann wird er großzügig: Der Bankier spendierte der CSU in den letzten zehn Jahren 3,7 Millionen Euro. Denn Herr Baron ist ein strammer Rechtskonservativer und fürchtet sich vor den Linken.
Deshalb hat er Deutschland längst verlassen. Beim Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung 1998 siedelte der Milliardär, der zu seinen engsten Spezln den Münchner CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler zählt, samt Vermögen in die Schweiz um.
Der scheue Milliardär, der lieber Bauer geworden wäre, will sich als Parteien-Finanzierer ungern outen – auch wenn es das Gesetz vorschreibt. Die CSU-Spenden stückelte er über sein Firmen-Imperium, um anonym zu bleiben. ... "Stoibers Kanzlerkandidatur 2002 hatte Finck mit 1,6 Millionen Euro befördert – bezahlt über fünf Firmen seines Imperiums.[...] Bei der Landtagswahl 2008 zahlten zwei der Firmen eine Woche vor dem Urnengang gut 800000 Euro an die CSU, um den aufwändigen Wahlkampf-Endspurt zu finanzieren." ... Noch großzügiger als zur CSU war Finck allerdings zuvor zu dem Münchner Manfred Brunner. Der ehemalige Hoffnungsträger der FDP und Ex-Stadtrat hatte in den 90er Jahren den Bund Freier Bürger gegründet, um mit seinem Anti-Europa-Kurs das rechte Spektrum anzusprechen. In sechs Jahren gab ihm Finck 4,3 Millionen Euro in bar. Der klamme Brunner aber verbrauchte das Geld für sich selber, deklarierte es als ,,Honorar" und ,,Darlehen". Bis ihm das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung auf die Spur kam. Der ,,rechte Hoffnungsträger" wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Heute lebt Brunner zurückgezogen und hält sich als ,,Berater zu Europafragen" über Wasser.
https://www.abendzeitung-muenchen.de/politik/wenn-der-sparsame-milliardaer-austeilt-art-90421


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bis zuletzt blieb er unter dem Radar. Bill Hwang (56) stand bei vielen Investmentbanken auf der schwarzen Liste, schließlich hatte er schon 2012 einen Hedgefonds schließen und eine Strafe wegen Insiderhandels akzeptieren müssen. In Hongkong hat ihn die Börsenaufsicht sogar lebenslang vom Handel ausgeschlossen. Und doch konnte er auf eigene Rechnung mit gewaltigem Kredithebel ein Multi-Milliardenportfolio aufbauen - und ein Großrisiko für den Finanzmarkt schaffen, das jetzt mehreren Großbanken um die Ohren fliegt. ... Hwang, in seiner Jugend als Sohn eines koreanischen Priesters in die USA gekommen und bis heute Beirat des evangelikalen Fuller Theological Seminary im kalifornischen Pasadena, gehört zu den sogenannten Tiger Cubs (Tigerjungen), den Schülern des Hedgefonds-Pioniers Julian Robertson (88). In dessen Tiger Management stieg Hwang als Aktienanalyst auf und verdiente sich zumindest in einem Jahr einen Sonderbonus als Bestperformer der Firma. ... s gehe ihm nicht nur um das schnelle Geld, sagte er in einem 2018 veröffentlichten christlichen Youtube-Interview. "Es geht um die lange Frist, und Gott hat sicher eine langfristige Sicht." ...

"Faith and Work | Bill Hwang on investing in people" (07.03.2018)
Bill Hwang, CEO and Founder of Archegos Capital Management and Fuller Trustee, shares how his faith influences his business practices and the importance of asking "where can I invest to please our God?" He is interviewed by Tod Bolsinger, Vice President and Chief of Leadership Formation.
https://youtu.be/vnbeQ-WFOUU

...


Aus: "Die Rückkehr des Tigerjungen" (29.03.2021)
Quelle: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/hedgefonds-bringt-credit-suisse-in-bedraengnis-wie-bill-hwang-zum-zweiten-mal-investoren-an-der-nase-herum-fuehrte-a-dc359aa2-ab26-4714-9896-35a774534248

-

Quote[...] Bill Hwang ist wohl nicht das, was man sich unter einem typischen Hedgefonds-Manager vorstellt: Denn für ihn scheint nicht das Geld der grösste Antrieb zu sein, sondern er will mit seinen Investments das Werk Gottes voranbringen. Deshalb engagiert er sich auch für das evangelikale Fuller Seminar in Kalifornien.

Geld hat der 56-jährige Hwang sowieso schon genug verdient. Er kam als Jugendlicher aus Südkorea in die USA und machte dort in der Finanzbranche Karriere. So verdiente er in den Neunzigerjahren mit Deals in Asien ein Milliardenvermögen. Dieses verwaltet er nun mit seiner eigenen Firma Archegos. ...

... Hwangs Spezialität sind riskante Wetten. Er gehört zu den sogenannten Tiger Cubs. Damit sind die Schüler des legendären Hedgefonds-Managers Julian Robertson gemeint. Für dessen Tiger Management arbeitete Hwang, bis sich Robertson vor zwanzig Jahren zurückzog und das Feld seinen Nachfolgern überliess. Hwang fokussierte sich auf Asien und war dort sehr erfolgreich. Doch erhielt seine Karriere 2012 einen Knick. Damals gestand er gegenüber der US-Börsenaufsicht ein, dass der Erfolg auch auf Insiderhandel beruhte. Hwang bekannte sich schuldig und zahlte insgesamt 44 Millionen Dollar – als Busse und als Entschädigung für private Kläger. Hwang schloss danach Tiger Asia und zog sich etwas zurück.

Mit Archegos begann er wieder von vorne. Der Neustart wurde in den Banken zuerst kritisch gesehen. So wurde er von der US-Grossbank Goldman Sachs lange als zu grosses Risiko angesehen, wie die «South China Morning Post» berichtet. Die Bank weigerte sich noch Ende 2018, mit ihm Geschäfte zu machen. Doch habe sich die Meinung von Goldman Sachs wieder geändert, als die Bank gesehen habe, wie lukrativ Hwang als Kunde gewesen sei. Er brachte den Banken mit seiner Firma hohe Einnahmen. Offenbar war er da schon wieder mit mehreren anderen Banken gut im Geschäft.

Denn Hwang soll einen extrem riskanten Kurs gefahren haben, indem er für seine Deals sehr wenig eigenes Geld und sehr viel Fremdkapital eingesetzt habe. So lukrativ das in guten Zeiten ist, so teuer ist es, wenn der Investor sich verspekuliert. Das ist ihm nun mit Wetten auf die Wertpapiere der US-Medienkonzerne Viacom CBS und Discovery, des kanadischen Onlineshop-Anbieters Shopify und der chinesischen Internetriesen Baidu und Tencent Music passiert.

Als Hwang die von den Banken geforderten Sicherheiten nicht mehr liefern konnte, begannen einige Institute letzten Freitag mit dem Notverkauf der Aktien aus dem Archegos-Portfolio, um sich möglichst schadlos zu halten. Die Folge waren heftige Ausschläge an den Börsen und lange Gesichter bei den Banken, die nun herausfinden müssen, wie gross das Loch ist, das Hwang bei ihnen hinterlassen hat.


Aus: "Wer ist Bill Hwang? - Dieser Finanzmanager sorgt für Panik bei den Grossbanken" Jorgos Brouzos (29.03.2021)
Quelle: https://www.zuonline.ch/dieser-finanzmanager-sorgt-fuer-panik-bei-den-grossbanken-231822374496

-

Quote[...] Am Freitag hatte ein Ausverkauf von Aktien in den USA zu markanten Kursverlusten bei einer Reihe von Unternehmen geführt, die einem Insider zufolge mit Archegos in Verbindung stehen. Die Papiere der Medienkonzerne ViacomCBS und Discovery hatten jeweils 27 Prozent an Wert verloren. Die in den USA notierten Anteile der chinesischen Konzerne Baidu und Tencent Music waren im Laufe der Woche um ein Drittel beziehungsweise knapp 50 Prozent abgesackt.

Nach Angaben informierter Kreise hatten die Deutsche Bank, Goldman Sachs und Morgan Stanley im Auftrag von Archegos Aktien im Wert von rund 30 Milliarden Dollar auf den Markt geworfen. Investoren halten systemische Risiken zum jetzigen Zeitpunkt zwar für unwahrscheinlich, zeigten sich allerdings nervös über das Ausmaß der Auflösung von Archegos-Positionen und mögliche weitere Verkäufe.

Das Unternehmen, geführt von Bill Hwang, ging aus dem Hedgefonds Tiger Asia hervor. Der Manager einigte sich 2012 mit der US-Börsenaufsicht SEC gegen Zahlung von 44 Millionen Dollar auf die Einstellung von Ermittlungen zu Insiderhandel. Archegos, auf der Firmen-Internetseite als Family Office bezeichnet, soll Medienberichten zufolge rund zehn Milliarden Dollar verwalten. Hwang war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

...


Aus: "Archegos Capital sorgt für Beben US-Hedgefonds-Ausfall trifft Bankenbilanzen" (Montag, 29. März 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/US-Hedgefonds-Ausfall-trifft-Bankenbilanzen-article22459530.html

-

Quote[...] Welche Auswirkungen es haben kann, wenn ein Hedgefonds sich verzockt, hat Anfang des Jahres das Beispiel von Gamestop einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt [https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/gamestop-anhoerung-in-den-usa-wer-hat-verhindert-dass-die-rechnung-der-kleinanleger-aufgeht/26932936.html]. Die Leerverkäufer von Melvin Capital hatten darauf gesetzt, dass die Papiere des Computerspieleverkäufers an Wert verlieren würden. Als diese dann aber massiv stiegen, stand der Hedgefonds dem Vernehmen nach kurz vor dem Aus – und musste mit Milliardenbeträgen gerettet werden. Nicht wenige hatten damals bereits mit einem großen Crash gerechnet.

Nun steckt ein anderer Fonds in Problemen. Und wieder betreffen die Auswirkungen die gesamte Börse. Der US-Hedgefonds Archegos Capital reißt diesmal vor allem Banken mit in Schwierigkeiten. Die Schweizer Großbank Credit Suisse und die japanische Investmentbank Nomura warnten am Montag vor erheblichen Verlusten durch den Ausstieg aus Positionen bei einem US-Hedgefonds. Sie nannten den Namen des Hedgefonds zwar nicht, doch Finanzkreisen zufolge handelt es sich um Archegos.

Auch die Deutsche Bank ist einem Insider zufolge betroffen, allerdings weniger stark als die Wettbewerber. Das Exposure des Frankfurter Geldhauses sei nur ein Bruchteil dessen, das andere hätten, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur "Reuters" am Montag. Bis Freitagnacht habe die Bank keine Verluste aus den Geschäften mit Archegos erlitten und manage die Positionen.

Die japanische Investmentbank Nomura bezifferte den Verlust auf zwei Milliarden Dollar, die Credit Suisse zufolge könnte der Verlust ,,sehr bedeutend und wesentlich" für das Ergebnis des ersten Quartals sein. Die Schweizer erklärten, ein bedeutender Hedgefonds sei Nachschusspflichten – den sogenannten Margin-Calls – nicht nachgekommen. Das bedeutet, er hätte eigentlich Geld nachzahlen müssen, weil sein eingesetztes Kapital unter den für seine Positionen benötigten Wert gesunken ist. Da der Investor kein Geld nachschoss, seien die Schweizer Großbank und andere Geldhäuser nun dabei, diese Positionen aufzulösen. Haben diese nun an Wert verloren, bleibt die Bank auf dem Minus sitzen.

Am Freitag hatte ein Ausverkauf von Aktien in den USA zu markanten Kursverlusten bei einer Reihe von Unternehmen geführt, die einer mit der Sache vertrauten Person zufolge mit Archegos Capital in Verbindung stehen. Die Papiere der Medienkonzerne ViacomCBS und Discovery hatten jeweils 27 Prozent an Wert verloren. Die in den USA notierten Anteile der chinesischen Unternehmen Baidu und Tencent Music waren im Laufe der Woche um ein Drittel beziehungsweise knapp 50 Prozent abgesackt.

Investoren halten systemische Risiken zu jetzigen Zeitpunkt zwar für unwahrscheinlich, zeigten sich allerdings nervös über das Ausmaß der Verkäufe von Archegos und möglich weitere Veräußerungen. Die Aktien der Credit Suisse stürzten am Montag an der Börse in Zürich um 14 Prozent ab – das ist der größte Tagesverlust seit dem Börsencrash vom Frühjahr 2020 ein.

In Tokio waren die Nomura-Anteile 16 Prozent eingebrochen. Auch an der deutschen Börse konnte man die Auswirkungen spüren: Die Titel der Deutschen Bank fielen in Frankfurt um gut fünf Prozent, konnte sich im Laufe des Nachmittags aber wieder auf ein Minus von nur noch gut drei Prozent erholen. Damit waren sie noch immer der schwächste Wert im Leitindex.

Die Credit Suisse lehnte eine weitergehende Stellungnahme ab und stellte mehr Informationen zu gegebener Zeit in Aussicht. Die Warnung ist erneut ein Rückschlag für die Bank, die erwägt, Investoren zu entschädigen, die vom Zusammenbruch von Fonds betroffen sind, die mit der insolventen Finanzfirma Greensill verbunden sind. Bereits im vierten Quartal 2020 war eine Investition in einen Hedgefonds-Anbieter die Credit Suisse teuer zu stehen gekommen: Das Institut musste den Wert der Beteiligung an York Capital um 450 Millionen Dollar berichtigen. (mit rtr)


Aus: "Ein strauchelnder Hedgefonds stellt die Wall Street vor Probleme" Thorsten Mumme (29.03.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/hohe-verluste-befuerchtet-ein-strauchelnder-hedgefonds-stellt-die-wall-street-vor-probleme/27051650.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf haben wieder einmal Sendezeit gewonnen in ihrer Show Joko und Klaas gegen Pro Sieben, üblicherweise sind es 15 Minuten, die sie frei gestalten können. ... Dieses Mal geht es um den Pflegenotstand. Und Heufer-Umlauf und Winterscheidt füllen nicht 15 Minuten, sondern den gesamten Fernsehabend bis weit nach Mitternacht. Was passt. Schließlich machen die Pflegenden, um die es geht, auch Überstunden ohne Ende. Es ist auch ansonsten ein großer Bruch zu dem, was man vom durchformatierten Fernsehen gewohnt ist.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer begleiten eine gesamte Frühschicht, sie sind so nah dran am Alltag einer Pflegekraft, wie man nur sein kann. Die Pflegekraft heißt Meike Ista, sie arbeitet im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster, und für diese Schicht im März 2021 hat sie sich eine Kamera umgehängt. Sie trägt die Zuschauenden bei sich, man sieht mit ihr, man fühlt mit ihr.

Dass hier eben keine Corona-Station zu sehen ist, sondern eine ganz normale Klinik, die ja weiterlaufen muss, Corona hin oder her, ist eine besondere Stärke der Sendung. Man ist in Echtzeit dabei, wie Ista frühmorgens im Dunkeln anfängt, wie sie die Patientinnen und Patienten besucht. Wie sie Fieber misst, Medikamente einstellt, Blut abnimmt, nach dem Befinden fragt, nach der Nacht fragt, Handschuhe anzieht, Handschuhe abstreift, Hände desinfiziert, zuhört, beruhigt, da ist.

Beim Zuschauen lauert Kopfwehgefahr, nicht nur weil das Bild wackelt, sondern wegen dem, was man erfährt. Im Splitscreen werden Pflegerinnen und Pfleger verschiedenster Kliniken und Heime eingeblendet. Sie erzählen von Kollegen, die 23 Tage am Stück ohne Pause arbeiten, von anderen, die aussteigen, weil sie nicht mehr können. Von der Erschöpfung und vom Frust und davon, dass sie den Beruf nicht tauschen wollen würden, aber unbedingt die Bedingungen. Da ist der Altenpfleger, der beschreibt, wie viel Schönes man zurückbekommt, und die Intensivkrankenschwester auf der Frühchenstation, die sagt: "Ich bin die, die der Mama ihr totes Baby aus dem Arm nimmt."

Sie alle wollen ja gar nichts besonderes. Sie wollen vor allem Anerkennung, und zufrieden nach Hause gehen können.

Immer wieder wird dabei klar: Es geht um Politik hier, ums politische Schleifenlassen. Und auch wenn einer von der Arbeit auf der Corona-Intensivstation erzählt und sagt, dass er lieber nochmal nach Afghanistan würde als dorthin zurück: Der Pflegenotstand war schon vor der Pandemie da, das macht die Sendung jederzeit klar. Wie es eine der Pflegerinnen sagt: "Corona ist nicht schuld daran. Corona ist das Brennglas, das alles in den Fokus gerückt hat."

Die Pflegenden klagen, ja. Aber sie sagen auch, was es bräuchte, bessere Bezahlung, mehr Personal, mehr Respekt. Dass man an die Pflege nicht erst denkt, wenn man sie braucht.

Entsprechend wird der Hashtag #nichtselbstverständlich eingeblendet, und im Verlauf wird die Twitter-Diskussion leicht zeitversetzt in die Sendung aufgenommen. Gleichzeitig bleibt die Kamera bei Meike Ista. Solange die Schicht läuft, führt kein Weg raus aus der Station. Es gibt auch, für einen Privatsender außergewöhnlich, keine Werbeunterbrechung (wenn man von den wiederholten Einblendungen absieht, in denen Joko und Klaas auf ihre Sponsoren hinweisen.)

Die inhaltliche Dringlichkeit wird unterstützt durch die formale. Man muss dableiben, streng in der Perspektive der Fachkraft, statt die oft gesehenen Bilder aus wechselnden Kamera-Blickwinkel geliefert zu bekommen. Das hat den Effekt, dass sich neben Erschütterung noch ein Gefühl breit macht: Respekt vor der Arbeit, und vielleicht sogar Mut. Weil da so viel Grundmenschliches ist.

Was es für jemanden bedeuten kann, dass ein anderer einfach nur da ist und mit einem atmet.

...


Aus: "Joko und Klaas zu Pflegenotstand: "Ich bin die, die der Mama ihr totes Baby aus dem Arm nimmt"" Elisa Britzelmeier (1. April 2021)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/medien/joko-klaas-prosieben-live-1.5253017

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist ein großer Einschnitt für die britischen Royals und Großbritannien. Die BBC spielte die Nationalhymne im Fernsehen - Premierminister Boris Johnson hielt eine live im Fernsehen übertragene Ansprache und würdigte Philip als ,,Stärke und Stütze" der Queen. ,,Wir trauern heute mit Ihrer Majestät der Queen", so der Premier. ... Philips Beitrag zum Fortbestand der Monarchie bestand vor allem in der "beispielhaften Loyalität" für seine Frau, wie der deutsche Queen-Biograph Thomas Kielinger schreibt. ...


Aus: "Prinz Philip im Alter von 99 Jahren gestorben" Sebastian Borger (09.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/stets-zwei-schritte-hinter-der-queen-prinz-philip-im-alter-von-99-jahren-gestorben/27081122.html

-

Quote[...] Prinz Philip, der Duke of Edinburgh, ist tot. Der langjährige Prinzgemahl von Königin Elisabeth II. starb an diesem Freitag im Alter von 99 Jahren.  ...


Aus: "Eine Ära neigt sich dem Ende zu" Bettina Schulz, London (9. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-04/prinz-philip-duke-of-edinburgh-queen-elizabeth-ii-gemahl-nachruf

QuoteFreierRomanist #4  https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-04/britischer-prinz-philip-ist-tot?cid=56635636#cid-56635636

Das trifft mich. Ruhet in Frieden, Eure Königliche Hoheit.


QuoteDie Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden. #1

Er hat immer seine Pflicht erfüllt.


Quotembyrl #1.1

Die von Gott gegebene? :D


-

Quote[....] Zähneknirschend fügte sich Philip in sein Schicksal. Was das Geheimnis einer glücklichen Ehe ausmache, hat er später so definiert: "unterschiedliche Interessen". Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessierte, spielte der Prinzgemahl mit hoher Energie Hockey und Kricket, präsidierte dem WWF, versuchte sich als Maler und Fotograf. ...


Aus: "Queen-Ehemann Prince Philip mit 99 Jahren gestorben" Sebastian Borger aus London (9. April 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000125707947/queen-ehemann-philip-mit-99-jahren-gestorben

Quote
GuteZeiten80erBursche

Ich verbeuge mich in tiefer Demut und falle dabei auf meine Knie!
99% der menschen leben ein völlig uninteressantes leben.
dann gibt es dieses eine prozent.
zu diesen schauen wir auf, zollen respekt, anerkennen ihre leistungen.

prinz philip gehört(e) zu diesen besonderen menschen.
hut ab, ehre, anerkennung.
danke für alles!


Quote
betof

eine legende: "ein toast auf unsere frauen und geliebten, mögen sie nie einander begegnen!"


QuoteLegalize "Kakaoschaum"! Foromat außer Rand und Band. 46

Der Toast ist aber älter, wenn auch nur geringfügig ;-) als der Philip.


Quote
Erna Koch

Dem kann ich, als Frau, nur zustimmen.


Quote
wienerin

Sein bester spruch über sich: Sie sehen hier den erfahrensten Gedenktafel-Enthüller der Welt.



Quote
Hintermoser Hons

Auszug aus Wikipedia

Beispielsweise bemerkte er gegenüber britischen Studenten in China: ,,Wenn Sie länger hier bleiben, werden Sie alle Schlitzaugen bekommen" oder in Papua-Neuguinea: ,,Sie haben es also geschafft, nicht verspeist zu werden". Aborigines in Australien fragte er, ob sie noch mit Speeren aufeinander würfen.

Auch seine Aussagen gegenüber Staatsoberhäuptern waren gelegentlich despektierlich; so sagte er zum Präsidenten von Nigeria mit Verweis auf dessen folkloristisch-landesübliche Kleidung: ,,Sie sehen aus, als wollten Sie gleich zu Bett gehen." Während der Hannover-Messe 1997 begrüßte er Bundeskanzler Helmut Kohl mit den Worten: ,,Guten Tag, Herr Reichskanzler!"

Ein Zeitgenosse der definitiv abgehen wird, Ruhe in Frieden!


Quote
lvm12

Ein überaus sympathischer Herr, ausgestattet mit einem Humor, der bedauerlicherweise nur selten anzutreffen ist.


Quote
Beuteösterreicher

Das ist ein sehr, sehr, sehr, sehr unpassender Vergleich. Im Gegensatz zu Herrn Trump war Prince Philip hochkultiviert und vom Leben und der Fortuna alles andere als geküsst. So eine Kindheit wünschen Sie Ihrem ärgsten Feind nicht.


Quote
Konung

Der Unterschied: Prinz Philip konnten Sie zurückverarschen, dass es nur so kracht, er hat sich - ganz im Gegensatz zu DD - selbst nie ernstgenommen.


Quote
A world to win

Philip hatte Selbstironie, und seine im ersten Eindruck "krassen" Aussagen waren oft eher eine Belustigung über die Absurdität der darin angesprochenen Klischees, keine Bestätigung dieser Klischees. Dafür ist Trump viel zu plump.


Quote
Schubiak

Schade um Ihn, der war unter den ganzen schrägen Vögeln noch der normalste.


Quote
Gabarinza

Großer Mann ...

... mein Lieblingszitat (sinngemäß): ,,Die Küche unserer Mütter und die Schönheit unserer Frauen machten uns zu einer Nation von weltberühmten Seefahrern."

...

-


Textaris(txt*bot)

#1166
Quote[...] Das Aus des Berliner Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgericht hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen – große Erleichterung vor allem in der Immobilienwirtschaft, Frust beim Mieterbund und eher hilflose Appelle des Berliner Senats. ... So sprachen Verbände der Hausbesitzer und Immobilienbranche von der "maximalen Niederlage". Das Gericht habe die Berliner Landesregierung aus SPD, Grünen und Linken "komplett abgewatscht", sagte etwa Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke. "Nun ist Rechtsklarheit für Mieter und Vermieter gleichermaßen geschaffen worden", sagte der Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), Andreas Ibel.  ...

... Die Entscheidung aus Karlsruhe ist bitter", sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Sie sei aber auch "ein lauter Weckruf an den Bundesgesetzgeber, endlich zu handeln und die Mietenexplosion in vielen deutschen Städten zu stoppen!"

... Mieterinnen und Mieter in Berlin müssten nun gegebenenfalls die Differenz zwischen der Mietendeckelmiete und der Vertragsmiete nachzahlen – wenn sie zuvor eine Mietminderung erwirkt hatten. "Dabei sieht sich der Senat auch in der Pflicht, sozial verträgliche Lösungen für Mieter:innen zu entwickeln", sagte Stadtentwicklungssenator Scheel, dessen Vorgängerin Katrin Lompscher (Linke) den Mietendeckel eingeführt hatte.

... Die AfD-Landesvorsitzende Kristin Brinker sprach von einer "schallenden Ohrfeige mit Ansage", Fraktionschef Georg Pazderski von einem Zeichen gegen "sozialistische Verbote".


Aus: "Vermieter begeistert, Mieterbund frustriert, Senat verspricht Hilfen" (15. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-04/mietendeckel-berlin-nachzahlungen-vermieter-mieterbund-bundesregierung

QuotePolitik macht traurig #3

Meine persönliche Meinung - ganz unabhängig vom aktuellen Mietendeckel Thema - ist dass es zur Zeit der Corona-Pandemie eigentlich ein Thema sein sollte Mieten generell zu kürzen oder gar auszusetzen bis die Menschen wieder arbeiten können/dürfen. Jemand der aufgrund der Gesetzeslage nicht arbeiten darf sollte keine Miete zahlen müssen.
Ich frage mich sowieso wie ein Mensch drauf sein muss , im Wissen dass seine Mieter kein Einkommen haben trotzdem Miete zu verlangen. ...


Quotemcurmel #3.1

"Politik macht traurig"

"Ich frage mich sowieso wie ein Mensch drauf sein muss , im Wissen dass seine Mieter kein Einkommen haben trotzdem Miete zu verlangen."

Das einhalten von Zahlungsverpflichtungen von jedem Marktteilnehmer ist eine schlichte Notwendigkeit?
Wenn das nicht mehr gilt, können Sie den Laden hier wirklich besser zusperren und sich ins Ausland absetzen.


QuotePolitik macht traurig #3.10

Sie fordern gerade jemand der durch das Gesetz ein Berufsverbot bekommen hat trotzdem arbeiten soll damit er seine Miete zahlen kann weil er sonst eine Vollkaskomentalität hat?
Verstehe wer will...


Quotemcurmel #3.11

@ Politik macht traurig

"Wie soll eine Zahlungsverpflichtung denn eingehalten werden wenn es per Gesetz nicht erlaubt ist seiner Beschäftigung nachzugehen?"

Im Zweifel gar nicht, nur dann eben auch mit den entsprechenden Konsequenzen.
Ich spreche mich auch nicht grundsätzlich gegen Hilfen aus, nur was Sie vorgeschlagen haben, das man einfach mal sämtliche Zahlungsverpflichtungen aussetzt, ist wirklich gefährlich für den ganzen Wirtschaftskreislauf.


QuoteRagas #3.2

"Das ist unerträglich asozial und so funktioniert keine Gesellschaft."

Leider eben doch. Was meinen Sie, warum Zuschüsse wie Überbrückungshilfen nur die reinen beruflichen Ausgaben (Miete, Strom, Nebenkosten etc) abdecken? Da liegt eine Quersubventionierung der Immobilien-, Telekommunikations- und Energiewirtschaft vor. Selbst die entsprechenden Anteile an Hartz4 sind so gestaltet, dass dem "Jobcenterkunde" zwar kaum noch Teilhabe an Gesellschaft ermöglicht wird andererseits die teils exorbitanten Miete vollständig nach dem örtlichen Mietspiegel zugestanden bekommt.

Aber irgendwo muss die Schere unserer Gesellschaft ja seinen Anfang haben.


Quoteastrolenni #3.13

Letztendlich läuft doch der Coronahilfen-Kreislauf so:

Staat gibt Wirtschaftshilfe an Bürger
Bürger zahlen Miete an Vermieter
Vermieter zahlt Kredit(zinsen) an Bank
Bank gibt Staat Kredit (und würde ohne Niedrigzinsphase, und die ist Corona-unabhängig, dafür Zinsen kriegen)

Letztendlich profitieren am Ende die Banken und Großvermieter, die ohne physische Leistung aus dem ganzen Kreislauf Zinsen bzw. allgemeine Rendite gewinnen, und zwar stärker als je zuvor.


Quotemcurmel #4

Ein positives Signal für alle Marktteilnehmer, egal ob Mieter oder Vermieter. Nun besteht wenigstens die Chance das eine sinnvolle regionale Wohnungsbaupolitik etwas verbessern kann. ...


QuoteIkarus95 #4.3

Wo ist das positive Signal an die Mieter?


QuoteDas grüne Programm #23

Es sind auch die Mieter*innen begeistert, die sich jetzt wieder mit ihrem dicken Geldbeutel die schönen Wohnungen mieten können.


QuoteThelonius Mink #4.1

Die Normalverdiener können ja dann solange unter die Brücke ziehen, bis diese sinnvolle, regionale Wohnungsbaupolitik ihre Segnungen entfalten kann...


QuoteDer Niederbayer #4.5

Wenn die Buden in Berlin so teuer sind, dann zieht doch raus ins Grüne und kauft euch eine Bahncard.


QuoteDieter Bohlen #4.6

Nicht jeder hat Zeit und Lust am Tag 4 Stunden zu pendeln.


QuoteIlloran #4.8

Wäre doch mal ne Maßnahme. Wenn Berlin endlich so weit Gentrifiziert ist, dass es in der Stadt nur noch Banker, Buchhalter und Vermieter gibt die sich gegenseitig über den Tisch ziehen können die ja 4 Stunden aus Berlin rauspendeln aufs Land um dort einzulaufen und sich die Haare schneiden zu lassen.


QuoteLo Manthang #4.10

Mal ehrlich. Hauptsächlich haben vom Mietendeckel doch Leute in hippen Stadtteilen profitiert. Ärmere Menschen hatten davon doch sowieso nichts, da die Miete diesbezüglich noch Platz bis zur Grenze hatte.


QuoteErnst Blache #11

Ein juristisch wohl korrektes Urteil. Nur - als Zeichen ist es fatal. Die explodierenden Mieten in Großstädten sind eine tickende soziale Zeitbombe, die jetzt wieder scharf ist.
Um das grassierende Spekulatentum und seine Folgen einzudämmen wird man irgendwann um die Tabubegriffe Besetzen, Enteignen und Vergesellschaften nicht mehr herumkommen - wenn jetzt nicht endlich drastisch gegengesteuert wird.


QuoteIngwerknolle #11.1

Offensichtlich besteht kein Interesse daran gegenzusteuern.
Berlin wird also das neue London.

Diejenigen, die was daran ändern könnten betrifft es ja eh nicht. Sie profitieren noch davon.


QuoteKalbshaxeFlorida #12

Na Mensch, dann kanns jetzt mit der Gentrifizierung ja so richtig losgehen. Super Entscheidung auch mitten in Zeiten von Corona.


Quotepeter.linnenberg #13

"Sie sei aber auch "ein lauter Weckruf an den Bundesgesetzgeber, endlich zu handeln und die Mietenexplosion in vielen deutschen Städten zu stoppen!"

Früher hat der Staat Sozialwohnungen gebaut. Dann hat er immer mehr davon an grosse Investoren verkauft. Und dann wundert man sich, dass die Mieten steigen? ...


QuoteErnst Blache #13.1

Sie haben sowas von Recht. Wohnen ist eine Grunddaseinfunktion. Es ist in Großstädten aber zu einem reinen Wirtschaftsmodell verkommen.


QuoteErnst Blache #15

"Nur der Bund habe das Recht, so etwas wie einen Mietendeckel vorzuschreiben, nicht eine Landesregierung wie der Berliner Senat." - Nun gut, dann ist jetzt der Bund in der Pflicht. Und zwar schnellstens. Es muss dringend etwas gegen diesen Mietenwahnsinn unternommen werden.


QuoteFliederblüte #15.1

Der Bund hat das Recht. Daraus folgt aber keine Pflicht.


QuoteKreuzberger-10999 #24

Ich finde der Großteil der Mietshäuser in den Großstädten sollten in genossenschaftliches Eigentum übertragen werden und dem Gewinnstreben von
Spekulanten und Fonds entzogen werden.
Genossenschaften könnten viel besser langfristig Planen und vernünftig modernisieren um die Bausubstanz zu erhalten.

Die durch Spekulanten und Fonds hoch getriebenen Mieten sind ein sozialer Sprengstoff.
Hier werden Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kindergeld sowie Kaufkraft von Konsumenten in Form von überhöhten Mieten in die Taschen der Reichen umgeleitet.

Ich wohne in einem Gründerzeitbau in Berlin, der der vor 15 Jahren von Privat für 4-5 Millionen an Spekulanten verkauft wurde. Jetzt soll für 20 Millionen weiterverkauft werden.
Seit 30 Jahren wurde an dem Haus nichts gemacht, das Dach, die Fenster, der Keller - undicht, der Farbe im Hausflur abgeblättert. Allein die Wohnungen wurden von den Mietern mit jeweils 20.000 - 30000 Euro renoviert, auf eigenen Kosten Bäder und Küchen eingebaut.
Mittlerweile ist der Investitionsrückstau so groß, man müßte "Millionen" in das Haus stecken, das nur eine "Luxussanierung" lohnt, dann mit Neumieten von geschätzt 16-18 Euro, um die Kosten für den Hauskauf und die Sanierung zu bezahlen.

Der Markt regelt eben nicht alles zum Besten.

Eigentum ist nicht nur Spekulationsmasse sondern auch Verpflichtung, sich um den Erhalt zu kümmern.


QuoteBummerrang #28

Die nun also laut Verfassungsgericht rechtswidrig gekürzten Mieten müssen selbstverständlich zurückerstattet werden. Alles andere wäre ja Diebstahl.
Wenn die Mieter kein Geld haben, dann sollen Sie eben dorthin ziehen wo es günstiger ist. Habe ich mit meiner Familie auch gemacht.
Man kann doch nicht erwarten, dass andere für den eigenen Lebenstil zahlen. ...



QuotegEd8 #32

"Deutschland brauche nun einen "echten Konsens für das gemeinsame Schaffen von mehr bezahlbaren Wohnungen"."

Wie der aussieht, kann schon fast prognostiziert werden: "Leider kann es keinen Konsens geben, demnach müssen die Mieten der Nachfrage angepasst werden, Sie wissen schon, der Markt..."


QuoteEdelfeder #46

Die Berliner haben wirklich geglaubt, sie können Politik gegen das Kapital machen. Diese naiven Kinder!


...

-

Quote[...] Während viele Berliner Mieter:innen nach dem Aus des Mietendeckels vor finanziellen Problemen stehen, ist die Freude auf Seite von Vermieter:innen groß. Das haben einige Mieter:innen nun Schwarz auf Weiß: Mit ,,Zu früh gefreut" beginnen E-Mails, in denen sich ihr Vermieter, wie berichtet, an sie gewandt hat. Zunächst hatte der Checkpoint darüber berichtet.

Mittlerweile liegen dem Tagesspiegel weitere dieser Schreiben vor. Sie stammen von der Schöneberger Hausverwaltung Blaczko GmbH & Co. KG. In den ähnlich lautenden Nachrichten verlangen die Absender spätestens bis zum 23. April 2021 jegliche Mietminderung zurückzuzahlen.

,,Sollten wir bis dahin nicht die vollständige Nachzahlung ihres Mieternkontos (sic!) erhalten haben, werden wir dies unverzüglich an unseren Rechtsbeistand übergeben, was ihnen weitere Kosten verursachen wird", schreibt das Unternehmen nach dem Karlsruher Richterspruch vom vergangenen Donnerstag.

Bei dieser Drohung belässt es der Vermieter nicht. Im darauf folgenden Absatz empfiehlt die Hausverwaltung den Bewohner:innen, das Mietverhältnis ,,so schnell wie möglich zu beenden", garniert mit dem Zusatz: ,,solche Mieter brauchen wir nicht", sowie grinsenden Emojis. Beendet werden die Nachrichten allesamt mit ,,FY". Womöglich als Kurzform von ,,Fuck You" gemeint.

Aus Sicht des Vermieters disqualifiziert die Mieter:innen offenbar, dass sie die Einhaltung des damals gültigen Mietendeckels eingefordert hatten. Mehrere Bewohner:innen berichten übereinstimmend, vom Eigentümer nie die gesetzlich vorgeschriebene Aufstellung der neuen Miethöhe nach dem Mietendeckel erhalten zu haben. Die Zahlung habe man letztlich nach eigener Berechnung selbstständig gesenkt, ohne darauf je eine Reaktion des Vermieters erhalten zu haben.

Bei der Hausverwaltung machten sie sich damit offenbar unbeliebt. In weiteren E-Mails des Unternehmens, die wohl intern bleiben sollten und versehentlich an Bewohner:innen versendet wurden, heißt es in roten Lettern ,,mieter (sic!) geflaggt!", also gewissermaßen auf eine Liste gesetzt, das sollte heißen: Diese Mieter:innen müsse man ,,loswerden".

Unter den Mietparteien sorgen die Drohungen für Angst. ,,Es fühlt sich nicht gut an, so zu wohnen", sagt ein Bewohner eines Hauses in Kreuzberg. Die Mieter:innen des Hauses beratschlagten nun gemeinsam, wie man weiter handeln wolle.

Sie überlegten, juristisch gegen die Hausverwaltung vorzugehen. Diese reagierte auf Anfrage des Tagesspiegels nur ausweichend und orthografisch falsch: ,,wie kommen sie darauf uns diese fragen zu stellen?" Man kommuniziere nur mit Mieter:innen, hieß es auf erneute Nachfrage.

Verallgemeinern lässt sich der Fall auf andere Vermieter:innen jedoch nicht. So hat etwa Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia angekündigt, keine Rückzahlungen von seinen Mieter:innen zu verlangen.


Aus: "Vermieter droht mit Kündigung – weil Bewohner Mietendeckel genutzt hatten" (18.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/zu-frueh-gefreut-vermieter-droht-mit-kuendigung-weil-bewohner-mietendeckel-genutzt-hatten-/27107862.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Mehr als 570.000 Minderjährige haben derzeit Schulden beim Staat – für die sie meist gar nichts können. Wie das Bundesarbeitsministerium in einer Antwort auf eine FDP-Anfrage ausführt, belaufen sich die Forderungen mit Stand Anfang April auf 192,1 Millionen Euro. Sie entstünden meist dann, wenn Eltern "mehr Sozialleistungen beziehen als gesetzlich vorgesehen", sagte die FDP-Politikerin Judith Skudelny und forderte Reformen.

Schulden beim Staat entstehen etwa zum Beispiel dann, wenn Eltern eine neue Arbeitsstelle zu spät anzeigen und dann zu hohe Sozialleistungen beziehen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld. Schuldenträgerinnen und -träger sind bei kinderbezogenen Leistungen allerdings nicht die Eltern, sondern die Kinder – geltend gemacht werden die Forderungen dann bei deren Volljährigkeit.

Die Zahl der betroffenen Minderjährigen sowie die Höhe der Forderungen gingen zuletzt zwar zurück. Dem Ministerium zufolge waren 2020 gut 743.000 Minderjährige betroffen, die dem Staat fast 274 Millionen Euro schuldeten. Doch das seien "immer noch erschreckend hohe Zahlen", kritisierte Skudelny. Da die Kinder für die Versäumnisse ihrer Eltern nichts könnten, seien die Schulden eine "nicht zu rechtfertigende Last auf die frisch in die Volljährigkeit gestarteten Kinder".

Zwar kann die Schuldenlast auf das bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandene Vermögen reduziert werden. Das erfordere jedoch den Klageweg, und viele fingen zudem "aus Unwissenheit über die rechtliche Lage mit der Rückzahlung durch Kleinstraten an", beklagte Skudelny.

Das seit Januar geltende automatische Informationsschreiben an junge Menschen zur möglichen Reduzierung der Last sei "keine Lösung des grundsätzlichen Problems", sagte die FDP-Politikerin. Kinder sollten grundsätzlich "nicht für das pflichtwidrige Verhalten ihrer Eltern haften".


Aus: "Mehr als 570.000 Minderjährige haben Schulden beim Staat" (15. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-04/sozialleistungen-kinder-minderjaehrige-schulden-eltern

QuoteZakalwe #7

Im Schnitt also 337 Euro Schulden pro Fall. Grundsätzlich scheint es mir falsch, den Kindern die Schulden aufzuhalsen, aber lassen sich die Dimensionen dennoch etwas genauer aufschlüsseln? Wie schlimm ist es in den ärgsten Fällen, was ist der Median?

Natürlich sind auch 337 Euro viel, wenn man fast nichts hat.

...


Quoterobien #24.2

Hat jedes der betroffenen Kinder 340 € Schulden beim Start, oder manche 10 € und noch andere 10.000 €?


QuoteSuperkommentator #10

Erstaunlich! War mir bisher völlig unbekannt. Da sage mal noch jemand, jeder habe die gleichen Chancen beim Start ins Erwachsenenalter. (Das sagen immer die Reichen, Glücklichen und Zufriedenen, stimmt natürlich nicht)

Andererseits bedeuten 2020 die 274 Millionen bei 743 Tausend Minderjährigen auch nur etwa im Durchschnitt 370 Euro pro Person. Wahrscheinlich meistens nur ein Versehen oder ein Zeitverzug beim Melden. Wie viel Betrug ist dabei? Das lässt der Artikel offen.

Es bleibt allerdings unklar, warum die Eltern, die diese Leistungen bezogen haben, diese nicht zurückzahlen müssen. Diese haben ja schließlich auch das Geld genommen.
Kinder haften doch normalerweise nicht für Schulden oder Fehlangaben der Eltern, zumal gar nicht klar ist, ob die Eltern das zusätzliche Geld tatsächlich für die Kinder ausgegeben haben.


QuoteVTO #10.1

Zur Erklärung: Da geht es um Leistung, die Eltern im Namen ihrer Kinder bekommen haben (wie Kindergeld) und auch der Anteil im HartzIV-Satz beinhaltet ja auch immer einen Anteil von Minderjährigen, die im Haushalt leben. Der Staat ist ja auch verpflichtet Fehlbeträge wieder zurück zu holen und das wollen wir ja auch. Wenn die Eltern nicht zurückzahlen können (weil unter der Pfändungsfreigrenze), darf der Staat nicht an sie ran.


QuoteWilli Röntgen #13

Kleiner Klischeesprenger (die Besserwissenden lesen besser nicht weiter)

Ich kenne den Fall eines Jugendlichen dessen Mutter komplett bettlägerig ist und die Sozialleistungen bezieht.
Nun kommt der Staat und pfändet sein Konto bis auf kleine Reste.
Der Rat an ihn war, es solle sich eine eigene Wohnung suchen, dann wäre er frei.

...





Textaris(txt*bot)

Quote[...] Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) gibt es einen Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und der Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken oder daran zu sterben. In der zweiten Welle der Corona-Pandemie in Deutschland sei die Zahl der Todesfälle in finanziell schwachen Regionen des Landes am stärksten gestiegen, wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf das RKI berichtet. Das Sterberisiko durch Corona sei dort um 50 bis 70 Prozent höher gewesen als in wohlhabenderen Regionen.

Nach den Daten des RKI aus der zweiten Welle sei auch das Risiko, sich zu infizieren, ungleich verteilt. So lag der Inzidenzwert unter den 60- bis 79-Jährigen in vergleichsweise armen Regionen bei rund 190. Bei finanziell besser gestellten Seniorinnen und Senioren im gleichen Alter lag die Inzidenz bei etwas mehr als 100. Bei den über 79-Jährigen wird der Inzidenzwert in finanziell benachteiligten Regionen bei mehr als 450 bezeichnet. Bei wohlhabenderen Menschen im selben Alter lag er bei rund 250.

...


Aus: "Mehr Infizierte und Tote unter finanziell Benachteiligten" (17. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-04/soziale-ungleichheit-robert-koch-institut-corona-erhoehtes-risiko

QuoteRadikaleMitte #2

Wundert nicht in einer asozialen Gesellschaft, wo viele Forist*innen das Kippen des Mietendeckels als Erfolg für die Mieter verordnen.


QuoteBembelsche #15

Oft seien das Berufe mit niedrigen Löhnen, etwa an Supermarktkassen, in der Pflege, in Großküchen, Fabriken und Lebensmittelverarbeitung.

Genau das ist es nämlich. Das wird auch gerne von denen ausgeblendet, die hier immer meinen, Covid-19 sei vor allem ein Problem bestimmter Bevölkerungsgruppen (sprich: Ausländern).


QuoteClemenules #15.1

Wird gern ausgeblendet. Die machen die Drecksarbeit, leben kürzer, bekommen deswegen weniger Rente. Eine morbide Stütze des Staates. Die Mittel- und Unterschicht.


QuoteTeilzeit-Forist #17.1

"Mehr Bildung = mehr Einhaltung der Corona-Regeln und höhere Impfbereitschaft."

Naja, bei der Bereitschaft zum impfen mag das stimmen. Aber bei der Einhaltung der oft schwachsinnigen Corona-Regeln ist Bildung eher hinderlich.


Quotemekhanik #17.2

Ist ja schön dass Sie sich als gebildeter Mensch etwas besser und überlegen fühlen,Ihre Aussage wiederspricht leider meiner Realität als ehemaliger Realschüler (also"ungebildet")der jetzt als Fahrradmechaniker arbeitet.Da kommen immer noch Leute aus ALLEN Bildungs- und Gesellschaftsschichten in den Laden und müssen über die Masken- und Abstandspflichten belehrt werden!Das hat auch etwas mit Respekt zu tun, der wird uns "ungebildeten" ja oftmals weniger entgegengebracht, ...


QuoteWolf Raoul #17.4

Das stimmt halt einfach nicht, dass ,mehr Bildung' dazu führt, dass die Regeln eingehalten werden. Erlebe ich in der Realität so nicht. 'Mehr Bildung' sollte man mal genauer definieren. Ich kenne Menschen, die sind derartig speziell ausgebildet, dass sie.. ach egal, lassen wir das.


Quotepinkelefant #19

Finanziell benachteiligten Menschen einfach 100 Euro mehr zu geben, löst doch das strukturelle Problem nicht. Also nichts gegen die Zahlung an sich, auch das hilft diesen ein wenig weiter, tut das gerne.
Aber das strukturelle Problem bleibt doch bestehen. Man wird damit nicht beengte Wohnverhältnisse in Mietskasernen lösen können und genau die Geringverdiener müssen ja weiterhin zur Arbeit gehen, weil diese Jobs per Home-office nicht machbar sind.
Die ärmeren Menschen werden egal, was für eine Krise es gibt, immer diejenigen sein, die darunter am meisten leiden. Die Besserverdiener werden immer besser damit klarkommen. Das sind einfach zwei verschiedene Lebensrealitäten. ...


QuoteJohnnie Walker #21

Die meisten Menschen leben halt nicht in einer Villa im Grünen, mit 3 Premium PKW in der Garage und dem nötigen finanziellen Polster, die Arbeit für Monate ruhen zu lassen.

Stattdessen wohnen sie beengt in Wohnblocks, wo die wenigen Aufzüge regelrecht überquellen, fahren im dichtbesetzten ÖPNV zur Arbeit, üben Berufe aus mit häufigen Kunden- und/oder Patientenkontakt und benötigen häufig Kontakte zur Familie, Freunden, Nachbarn um den harten (Arbeits)Alltag zeitlich, teilweise finanziell und seelisch zu bewältigen.


Quotecasbavaria1970 #21.1

Ich weiss ja nicht wo sie wohnen .... aber "überquellende Aufzüge" habe ich auch in Wohnblocks noch nicht erlebt, die Öffis sind bei uns halb leer ausserhalb der Schulzeiten und häufige Kontakte zu Nachbarn usw. hat man aufgrund der derzeitigen Bestimmungen schlicht zu unterlassen. Da sehe ich nicht, warum jemand in einer schlechteren sozialen Lage mehr Kontakte braucht, als ein Single mit Studium, der seit Monaten alleine im Homeoffice sitzt und inzwischen depressiv ist aufgrund fehlender Kontakte (und da kenne ich inzwischen einige) - aber auch die halten sich an die Kontaktbeschränkungen.


QuoteJuJuMila #26

Ist doch logisch. Wenn man arm ist, ist Corona wirklich die kleinste Sorge die man hat. Das sind die Lebensrealitäten und nicht irgendwelche Inzidenzen und Ausgangssperren.


QuoteDas grüne Programm #28

Wie ist die Definition von ,,finanziell Benachteiligten"? Wer hat diese Leue benachteiligt?


QuoteJuJuMila #28.1

Ihre finanzielle Situation....


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Geldvermögen privater Haushalte hat 2020 ein Rekordhoch von 6,95 Billionen Euro erreicht. Wie das Geld verteilt ist, geht aus den Daten der Bundesbank nicht hervor. Trotz der Corona-Krise sind die Menschen in Deutschland in der Summe so reich wie noch nie. Das Geldvermögen der privaten Haushalte in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen sowie Ansprüchen gegenüber Versicherungen belief sich Ende 2020 auf den Rekordwert von 6,95 Billionen Euro, wie die Deutsche Bundesbank mitteilte. Das waren 211 Milliarden Euro oder 3,1 Prozent mehr als im dritten Quartal 2020. Wie das Geld verteilt ist, geht aus den Daten nicht hervor.

"Im Einzelnen standen hinter der Zunahme des Geldvermögens insbesondere der Anstieg von Bargeld und Einlagen in Höhe von insgesamt 74 Milliarden Euro sowie die Bewertungsgewinne bei den Aktien und sonstigen Anteilsrechten (61 Mrd.)", erläuterte die Bundesbank.

... Wie schon in der Vergangenheit nutzen die Menschen die Niedrigzinsen, um sich billig Geld zu leihen, insbesondere über Wohnungsbaukredite. Nach Abzug der Schulden stieg das Geldvermögen um 187 Milliarden auf rund 4,99 Billionen Euro. Die Bundesbank berücksichtigt bei der Berechnung Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere und Ansprüche an Versicherungen. Immobilien, die seit Jahren teils kräftige Wertsteigerungen verzeichnen, werden dabei nicht erfasst.


Aus: "Menschen in Deutschland so reich wie noch nie" (16. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-04/deutsche-bundesbank-corona-krise-geldvermoegen-haushalte-deutschland-rekordhoch

QuoteRiikkoseven #1

Deutschland geht es gut, das ist ein Grund zur Freude! Nach dem ersten Absatz aufgehört, nach dem es heißt, aus den Daten geht es nicht hervor wie das Geld verteilt ist. Man kann sich das aber schon denken :)


QuoteMa.Weber #7

Wenn in einem Raum drei einjährige Kleinkinder und ein 99-Jähriger sind, ist das Durchschnittsalter auch fast 28 Jahre.


Quoteregelaltersrentner #7.1

Bei mir kommen 25,5 Jahre heraus, kann auch sein, dass meine Rechnung falsch ist.


QuoteBlue-Ice #7.2

Das ist doch "fast" 28 :)


QuoteQuerflöte #7.5

Und der Median?


QuoteDer Blonde #7.6

Der Median ist 1


Quotekannverstan #10

Vermögensverteilung in Deutschland
Florian Diekmann, DER SPIEGEL: 45 Superreiche besitzen so viel Vermögen wie die halbe deutsche Bevölkerung - DER SPIEGEL - Wirtschaft. Abgerufen am 27. September 2020.
https://de.wikipedia.org/wiki/Verm%C3%B6gensverteilung_in_Deutschland#cite_note-:0-45


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wir wollen die Virologen mit der Deutung der Lage nicht allein lassen. Deshalb fragen wir in der Serie "Worüber denken Sie gerade nach?" führende Forscherinnen und Forscher der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, was sie in der Krise zu bedenken geben und worüber sie sich nun den Kopf zerbrechen. Die Fragen stellt Elisabeth von Thadden. Der Soziologe Jens Beckert, 53, leitet das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Imaginierte Zukunft" (2018).

ZEIT ONLINE: Worüber denken Sie gerade nach, Jens Beckert?

Jens Beckert: Ich denke darüber nach, dass sich in der Pandemie zeigt, wie schwer sich Deutschland damit tut, soziale Ungleichheit wahrzunehmen und also auf der Grundlage von faktischen Unterschieden darüber zu diskutieren, welche gezielten Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 politisch zu ergreifen wären.

ZEIT ONLINE: Was ist daran deutsch?

Beckert: Als die Pandemie ausbrach, habe ich in den Vereinigten Staaten gearbeitet und dort zweierlei miterlebt: Zum einen, wie genau sich die amerikanische Gesellschaft, datengestützt und evidenzbasiert, selbst beobachtet und kennt. Daran fehlt es in Deutschland, wir verfügen über viele entscheidende Daten einfach nicht und tasten uns politisch daher durch den Nebel. Zweitens aber ist es auffällig, dass Deutschland über soziale Unterschiede kaum nachzudenken gelernt hat, während die USA, aber auch Großbritannien, einen facettenreichen Diskurs über die Klassengesellschaft und den Rassismus führen.

ZEIT ONLINE: Woran liegt das?

Beckert: Deutschland hängt immer noch der verbreiteten Vorstellung an, eine nivellierte Mittelstandsgesellschaft zu sein, wie es der Soziologe Helmut Schelsky in den Fünfzigerjahren ausgedrückt hat. Oder auch, mit dem Wort von Ulrich Beck aus den Achtzigerjahren, dass es einen funktionierenden Fahrstuhl-Effekt gibt, durch den jeder gesellschaftlich nach oben gelangen kann. In der heutigen Bundesrepublik herrscht das Bild einer Gesellschaft vor, die eine Einheit bildet. Diese Illusion gibt es in den USA nicht und das zeigt sich auch in der Pandemie. In den USA wurde gleich breit diskutiert, dass die People of Color, die Geringverdiener und die sozial Ausgeschlossenen viel stärker durch die Pandemie betroffen waren. Dies feuerte auch die Proteste von Black Lives Matter an, ein deutlicher Steuerungsauftrag an die Politik, dem Joe Biden nun nachkommt.

ZEIT ONLINE: In Deutschland schützt ein Sozialstaat die Schwachen dafür besser. Besteht deshalb weniger Grund für öffentlichen Alarm über Ungleichheit?

Beckert: Die soziale Tragik ist hierzulande besser abgefedert, ja. Doch die Öffentlichkeit hat kaum und erst spät davon gehört, wie ungleich das Virus in der Gesellschaft sein Unwesen treibt und deshalb auch die notwendigen Schutzmaßnahmen nicht nach den Lebenswelten differenziert: Migranten, Geringverdiener, Bildungsferne sind deutlich stärker von der Infektionsgefahr und schweren Verläufen betroffen. So ungenügend die Datenlage ist, so sicher lässt sich diese Unterschiedlichkeit doch feststellen. Wenn unter Virologen von Herdenimmunität die Rede ist, dann möchte ich als Soziologe entgegnen: Unsere Gesellschaft ist keine einheitliche Herde. Die Schlussfolgerung hätte daher schnell lauten müssen, dass bestimmte Stadtteile oder Unterkünfte, in denen viele Geringverdienende und Zugewanderte auf engem Raum leben, präventiv geschützt werden. Die besonders Gefährdeten sollten gezielt zuerst mit Masken, mit Tests, mit gezielten Informationen ausgestattet werden und möglichst auch durch privilegiertes Impfen.

ZEIT ONLINE: Ein solcher Schritt würde öffentlich vermutlich schnell als Diskriminierung anderer Art wahrgenommen. Denn tatsächlich sind die Inzidenzen in bayrischen und thüringischen Kleinstädten auch dramatisch hoch, es spielen also weitere Faktoren eine Rolle ...

Beckert: Die politische Pandemiebekämpfung ist auch deshalb so mutlos, weil sie über diese sozial unterschiedlichen Faktoren fast nichts weiß. Das Wort wird von der Virologie geführt. Dieser virologisch bestimmte Diskurs aber enthebt uns der präzisen Frage danach, wo wie genau gehandelt werden könnte. Auf dem bayrischen oder thüringischen Land mag die Geselligkeit und Vertrauensseligkeit bei den Infektionen eine Rolle spielen, das ließe sich ja erforschen, aber die Dramatik liegt darin, dass wir es eben nicht wissen. Wir stehen ratlos vor ziemlich weißen Landkarten. Die vorliegenden Daten aus der Kontaktverfolgung werden wohl nicht ausgewertet, und die Datenerhebung ist zu einseitig oder zu sporadisch. So entstehen vor allem Impressionen, Meinungen, Vorurteile. Und ungenaue, zumal verspätete Inzidenzzahlen sind als Daten für politisches Handeln eben nicht hinreichend. In den USA wusste man hingegen schnell, welche Lebenswelten es besonders trifft, und über zielgenaue Maßnahmen wurde entsprechend debattiert.

ZEIT ONLINE: Warum hat Deutschland mit seinen vielfältigen Spitzeninstitutionen und hervorragend finanzierten Forschungseinrichtungen keine tragfähige Datengrundlage zum Infektionsgeschehen, die dem ohnmächtigen Stochern im Nebel endlich ein Ende setzen könnte?

Beckert: Von Anfang an galten in dieser Pandemie fast nur die Virologen als Experten, auf die es ankam. Die empirischen Sozialwissenschaften sind kaum systematisch in die politische Entscheidungsfindung einbezogen worden. Doch es gibt auch eine Schwäche der Sozialwissenschaften selbst, die einfach nicht schnell genug und politikorientiert genug reagiert haben. Das liegt auch an den Unterschieden in den Traditionen: In den Vereinigten Staaten, auch in Großbritannien, haben die Sozialwissenschaften viel stärker ein Selbstverständnis, empirisch gestützte Analysen zur Lösung sozialer Probleme zu liefern. In London wurde die angesehene London School of Economics einst eigens gegründet, um politische Reformprozesse sozialwissenschaftlich informiert zu unterstützen. An solchen Institutionen fehlt es in Deutschland weitgehend.

...


Aus: ""Unsere Gesellschaft ist keine einheitliche Herde"" Interview: Elisabeth von Thadden (17. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2021-04/soziale-ungleichheit-corona-krise-jens-beckert-soziologie/komplettansicht

QuoteWeidenwind #2

Ich sehe ein Problem darin, dass der Diskurs stets von Akademikern geführt wird. Diese Schicht verurteilt die Arbeiterschicht in ihrem Denken, Handeln und Fordern und hält sich für die alleinigen Kenner der Wahrheit, evidenzgestützt, versteht sich. Die Akademikerschicht stellt aber nicht die Gesamtbevölkerung dar. ...


Quotemarinat #2.2

So, so - die Akademiker (Klasse, Clique, Gruppe?) verurteilt die Arbeiterschicht (-klasse?).
Na denn, dann lassen wir mal den Skoda-Vertragsarbeiter die Klimamodelle zusammenschrauben. Oder den Hemdenverkäufer neuartige Lithiumbatterien entwerfen.

Mein Gott - wenn eine "Schicht" weiß, dass Wahrheit nicht zu haben ist, wie ein Frühstücksei, dann doch wohl eher die Akademikerinnen - die wissen, dass man Hypothesen nicht zum Laufen gebrauchen kann. Konsens, wie vorgegangen werden soll? Dann befragen Sie 60 Millionen und bilden dann den Mittelwert - aber von was?



QuoteWeidenwind #2.3

Weniger Arroganz derer, die Deutungshoheit für sich gepachtet haben.


QuoteKhen #2.4

Ich fühlte mich da unwillkürlich auch an die Attitüde in der DDR und UDSSR erinnert, die Akademikern ja auch ziemlich misstrauisch gegenüber standen.
Und wo halt lieber der Sohn des parteitreuen Schweinebauers als der des Physikprofessors an die Uni gelassen wurde, weil nur ersterer den richtigen gesellschaftlichen Hintergrund hat.
Das macht keine Aussage über die tatsächliche Eignung der beiden, ist aber ein gutes Beispiel für das Missverständnis, das hinter diesem Misstrauen gegenüber Akademikern steht.
Schon alleine die Prämisse, dass Akademiker grundsätzlich auf die Arbeiter herabsehen, ist problematisch. Genauso gut könnte ich einwenden, dass es in die entgegengesetzte Richtung auch nicht besser aussieht...


QuoteBowler #2.9

Das Problem ist ja nicht, dass nur Akademiker den Diskurs führen. Das Problem ist m.E. ehr, dass Nichtakademiker sich selten bis überhaupt nicht mit den richtigen Fragen beschäftigen.


Quoteeschwenk #2.49

Und wer definiert, was die "richtigen Fragen" sind?
Ja, das ist durchaus ein Teil des Problems.


QuotePurple Overkill #2.51

Wir können es auch anders herum angehen: Warum schafft es Otto Normalverbraucher nicht, die richtigen Fragen zu stellen? ...


Quotesummer 2011 #2.19

... Es fehlen Mitglieder aus nicht-akademischen Berufe. In meiner Partei wurde sogar über eine Nicht-Akademiker*innen-Quote diskutiert. Da sehr viele Kandidat*innen auf den Listenplätzen Akademiker*innen sind.


Quotewulewuu #80

Offensichtlich lebe ich in einer anderen Welt als Herr Beckert, denn ich kenne fast nur Menschen, die sich sehr bewusst sind, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Sehr viele jüngere Menschen, z.B. die Generation meiner Kinder, erfahren am eigenen Leib, dass sie ohne die Hilfe der Eltern und Großeltern kein nicht prekäres Leben führen können, dass es ihnen ohne eine Erbschaft unmöglich sein wird, irgendwann eine Eigentumswohnung, geschweige denn ein Haus erwerben zu können, wenn sie denn Kinder haben. Da wird sich vieles ändern, doch glaube ich kaum, dass die USA und GB ein Vorbild sein werden.


QuoteÜberzeugtes Individuum #2.25

"Ich sehe ein Problem darin, dass der Diskurs stets von Akademikern geführt wird."

Das ist allgemein ein gewaltiges Problem in heutigen politischen Diskussionen.

Da wird der unterbezahlten Kassiererin oder Pflegerin als Fortschritt für die Frauen verkauft, dass der Milliardär seine Tochter in den Aufsichtsrat setzt. Yeah, Feminismus, Schwester!

Gleichzeitig werden marginalisierte Menschen verschiedener Hautfarben oder Geschlechter im Kampf um die Krümel gegeneinander aufgehetzt, damit sie sich nicht fragen, wer eigentlich den Kuchen isst. Als ob es keine armen Weißen oder Männer gäbe.


QuoteMiene Baya #12

Dass in Ländern mit weniger sozialem Ausgleich weniger über soziale Ungleichheit diskutiert wird als in solchen mit halbwegs funktionierendem Sozialsystem ist jetzt keine wirkliche Überraschung ...


QuoteLukaste #24

Als diplomierter Sozialwissenschaftler habe ich in 40 Jahren Politengagement die Erfahrung gemacht, dass die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften in der öffentlichen Diskussion so gut wie gar nicht präsent sind. Insofern stimme ich dem Kollegen Beckert vollständig zu.

Der einzige prominente Politiker, der das ändern wollte, war Willy Brandt vor einem halben Jahrhundert. Beim guten Willen ist es dann auch bei der SPD geblieben.

Diese Ignoranz von Öffentlichkeit/Politik/Medien/Bildungswesen hat vor allem systemimmanente Ursachen: die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften stehen nämlich im krassen Gegensatz zu dem, was uns als sozialer Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand verkauft wird. ...


Quotebrechreiz #24.2

... Die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften SOLLEN nicht gehört werden, weil sie den politischen und medialen Rahmenerzählungen über unsere Gesellschaft zuwiderlaufen. Das stört die normativen Diskurse, zu denen auch manche Artikel auf ZON beitragen ("Die Menschen in Deutschland sind reich.").
Das Volk will anscheinend belogen werden. Genauso wie man in den USA der Erzählung vom "American Dream", vom Aufstieg, glaubt/glaubte/glauben soll...


Quotebromfiets #24.3

Hierzulande dominiert die ökonomisierte Sichtweise auf Basis der Neoklassik. Alles wird bis ins kleinste mathematisiert. Dass man dafür sehr ungewöhnliche Annahmen treffen muss, wird geflissentlich verschwiegen.


QuoteHugo4206 #24.7

Das "Volk" würde lieber nicht belogen werden, ist aber mittlerweile zu arm und dumm, um mehrheitlich öffentliche Medien zu konsumieren und zu finanzieren. Auch ZON ist halt seiner zahlenden Klientel - den Werbenden - verpflichtet.


QuoteRunkelstoss #25

Zweitens aber ist es auffällig, dass Deutschland über soziale Unterschiede kaum nachzudenken gelernt hat.

Weil das in Deutschland ein Thema ist, über das nicht diskutiert werden soll.
Folgende Vermeidungstrategien habe ich im Lauf der Jahre gesammelt:

1. aber die DDR...
2. es gibt keine Unterschiede
3. selber Schuld...
4. das geht garnicht anders


Quotebromfiets #25.1

5. "Kommen Sie doch nicht mit dieser Neiddebatte!" (insbesondere bei Debatten um Vermögensabgaben).


QuoteRunkelstoss #25.2

Danke!


Quotehumboldt_redivivus #29

Armut macht krank. Die USA können in dieser Hinsicht kein Vorbild sein. Es ist fast zynisch, wenn man schreibt: die haben zwar die Daten, aber sie tuen eben nichts. Nirgendwo sind in einem reichen Land die Gegensätze so gross wie ausgerechnet in den USA. Herr Beckert hat allerdings Recht, wenn er darauf hinweist, dass Schelsky perdu ist. Auch bei uns. ABER: Hierzulande besteht das Problem eher darin, dass das Verhalten bestimmter Gruppen eben auch höhere Inzidenzen hervorruft. Was wäre wohl los in Deutschland, wenn Soziologen einmal untersucht hätten, welche Milieus in den Krankenhäusern deutlich überrepräsentiert sind und behandelt werden müssen? Es ist politischer Wille, dass solche Daten eben nicht erhoben werden. Einfach Armut als Grund anzuführen greift zu kurz. Beengte Wohnverhältnisse, kultuelle Bräuche und sonstiges Sozialverhalten müssen zusammen gesehen werden.


Quotebromfiets #29.1

Es war jahrzehntelang selbst bei renommierten US-Medizinern eine gängige Annahme, dass Afro-Amerikaner wesentlich gesünder wären, als Weiße. Das schlossen sie aus der Tatsache, dass Afro-Amerikaner wesentlich seltener zum Arzt gingen. Irgendwann fiel aber jemandem auf, dass die seltenen Arztbesuche auch andere Gründe haben könnten.


QuoteKrimskrams #40

Zum wiederholten Male: Solange wir nicht das Problem der sozialen Ungleichheit gelöst haben, können wir auch so manch anderes Problem nicht lösen, z.B. die Klimakrise. Und das hat NICHTS mit Sozialismus oder Kommunismus zu tun, sondern nur mit gerechter Verteilung und Würde.


QuotePrediction.Algorithm #41

"Zweitens aber ist es auffällig, dass Deutschland über soziale Unterschiede kaum nachzudenken gelernt hat, während die USA, aber auch Großbritannien, einen facettenreichen Diskurs über die Klassengesellschaft und den Rassismus führen."

Wau, selten so eine schonungslose Selbstreflektion gelesen. In Deutschland ist es eher unüblich, über so etwas öffentlich zu debattieren. Wir eine Klassengesellschaft? Never! Stattdessen: "Deutschland geht es gut." Pfui, Sie Nestbeschmutzer!

Und wenn dann auch noch Migrationshintegrund reinspielt... Ich meine, man muss sich das doch mal reinziehen: bis in die 2010er haben noch weite Teile der Union es abgestritten, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die türkische Minderheit wurde über einen einfach unglaublich langen Zeitraum als Fremdkörper empfunden. Die Interessen dieser Menschen waren für die deutsche Politik lange Zeit nicht existent. Das Akzeptieren des Nebeneinanders und Miteinanders war für die Mehrheitsgesellschaft eine extrem schwere Geburt.

Ein facettenreicher Diskurs über die Klassengesellschaft und den Rassismus in Deutschland? Ein sehr emotionales Thema, auf welches die Mehrheit der Bevölkerung durch das Prisma eines empfundenen Schuldvorwurfs schaut. Da hinken wir den USA um Jahrzehnte hinterher.


Quotebromfiets #57

"Deutschland hat im Gegensatz etwa zu den USA kaum gelernt, über soziale Unterschiede nachzudenken, sagt der Soziologe Jens Beckert. Das zeige sich nun in der Pandemie."

Doch, das hat Deutschland sehr wohl "gelernt". Allerdings auf Basis falscher Theoriekonstrukte wie der Neoklassik. Demnach gäbe es Arbeitslosigkeit nur, weil die Löhne oder Sozialleistungen zu hoch oder die Leute Leute faul wären und staatliche Eingriffe jeglicher Art würden die Effizienz des Marktes gefährden. Daher wäre ein schlanker Staat mit niedrigen Steuern anzustreben. All das waren primäre Ziele der Agenda 2010


QuoteQuittenmus #58

Wenn man/frau nicht ganz naiv und blauäugig ist und mit offenen Augen durch die Gesellschaft geht, dann weiß man/frau, dass es auch in Deutschland massive soziale Ungleichheit gibt. Auch wenn man/frau die Schulbildung in der DDR Zeit hatte. Da gab es ein Fach, in dem auch die Kapitalismuskritik behandelt wurde. Sehr vereinfacht: es gibt wenige Menschen, die Kapital anhäufen und einen Teil Menschen, die von abhängiger Lohnarbeit leben oder eben keinen Job haben. Nach der "Wende" haben wir "Ossis" das alles genauso vorgefunden. Ich will das alles gar nicht bewerten, was besser oder schlechter ist. Auf jeden Fall genieße ich jetzt vor allem, dass man/frau sagen kann, was einen bewegt ... im Unterschied zu früher. Also ich schätze jetzt sehr unsere demokratischen Verhältnisse. Auch in meiner Arbeit im psychosozialen Bereich sehe ich täglich die gesellschaftlichen Unterschiede ... leider gibt es sie! Man/frau muss sie nur sehen wollen und nicht die Augen davor verschließen!


QuoteNicora #66

Als richtig empfinde ich die These, dass Teile der Gesellschaft in der Anschauung zur gutsituierten Mittelschicht und Karrierechancen für jedermann aus den 50er Jahren stecken geblieben sind. "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing´nicht ihre Lieder". Ein Auszug aus einem alten Lied. Diese Einstellung - vielleicht auch Angst vor Nähe zu den "anderen" - hat sicherlich zu einem Tunnelblick geführt. Jedoch ist diese Erkenntnis nicht neu und dazu brauchte es auch keine Pandemie. Das Elend war schon immer da und wurde immer größer. Wegsehen war üblich, vornehm gesagt: man will sich ja nicht einmischen. Es ist nach wie vor unverändert der Blick auf die eigene Anschauung gerichtet und wenn der erlauchte Kreis auch immer kleiner wird, so spielt das für dieses Klientel keine Rolle. Die Blase ist ihre Heimat. Dem Land geht es sehr gut, weil es ja MIR und meinem Kreis gut geht. Früher wurde sofort jemand ausgegrenzt, sobald das Unternehmen pleite ging oder der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand. Eine Veränderung wird es geben, da bin ich positiv gestimmt. Allerdings wird es noch eine Weile dauern - vorausgesetzt natürlich, wir stehen wirtschaftlich so gut da wie behauptet und es wird keine riesige Welle der Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Armut geben. Es wäre schon einiges gewonnen, würde dieser Satz "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied" aus den Köpfen verschwinden und die Erkenntnis wachsen, dass dem eben nicht so ist. Die Pandemie kann da zum Lehrstück werden.




...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Glaubt man den Aktienindizes, hat die US-Wirtschaft sogar schon jetzt volle Fahrt aufgenommen. Nach einem deutlichen Knick zu Beginn der Covid-Krise im vergangenen Jahr verzeichnet der S&P-500-Index wieder Rekordwerte und steht aktuell bei knapp 4.170 Punkten. Doch der Aufschwung hat einen Haken: Der Boom kommt größtenteils den Wohlhabenden zugute. Den reichsten zehn Prozent der US-Bevölkerung gehörten zu Beginn der Krise mehr als 87 Prozent der Aktien. Allein Jeff Bezos, dessen Unternehmen Amazon stark von der zunehmenden Nachfrage an gelieferten Waren profitierte, steigerte sein Vermögen seit Ausbruch der Pandemie von 113 auf 157 Milliarden Dollar – die Zahl der Milliardäre in den USA wuchs um 30 Prozent. Für die Reichen im Land wirkt es schon jetzt, als hätte es nie eine Krise gegeben.

Das gilt auch für Besserverdiener, die während der Pandemie kaum von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Laut einer Datenerhebung mehrerer US-Universitäten sank die Beschäftigtenrate im Hochlohnbereich anfangs zwar um fast elf Prozent, hat sich aber mittlerweile wieder nahezu auf Vorkrisenniveau eingependelt. Viele gut bezahlte Bürojobs waren kaum betroffen: Statt in den Hochhäusern der Innenstadt arbeitete man eben von zu Hause aus. Größere Entlassungswellen gab es kaum.

Doch der überschaubaren Zahl der Krisengewinner stehen Millionen Verlierer gegenüber. Wie so häufig handelt es sich dabei vornehmlich um die Armen im Land. Vor allem der Stillstand im Hotel- und Gastgewerbe hat zu einem Einbruch der Beschäftigtenzahlen im Niedriglohnsektor geführt, der bis heute nicht abgeklungen ist. Um zeitweise mehr als 37 Prozent sank die Beschäftigtenzahl bei den Arbeitnehmern, die weniger als 27.000 Dollar im Jahr verdienen. Und noch immer liegt sie knapp 30 Prozent unter dem Vorkrisenniveau, denn viele Bundesstaaten öffnen ihre Wirtschaft nur langsam – zudem gingen laut Daten der National Restaurant Association mehr als 110.000 Gastronomiebetriebe während der Pandemie pleite.

Und mit der Arbeitslosigkeit kam für viele US-Amerikaner die Armut. Unter den Menschen, die lediglich einen High-School-Abschluss erreicht haben, stieg die Armutsrate von 16,7 Prozent im vergangenen Juni auf 21,8 Prozent im Februar. Im vergangenen Herbst gingen Bilder von langen Autoschlangen vor den Essensausgaben um die Welt, weil Millionen Menschen in den USA sich kaum mehr Lebensmittel leisten konnten. Immerhin verabschiedete der Kongress in den vergangenen 13 Monaten insgesamt drei Hilfspakete, die neben einem erhöhten Arbeitslosengeld unter anderem auch jeweils Einmalzahlungen für die meisten US-Haushalte, Räumungsmoratorien für Mieter sowie einen Tilgungsstopp für Hausbesitzer vorsahen. Mit den entschiedenen Maßnahmen des US-Kongresses konnten zumindest kurzfristig Massenräumungen und Obdachlosigkeit verhindert werden, die den Nachgang der Finanzkrise von 2008 geprägt hatten.

Die soziale Not ist dennoch groß. Laut Daten der Bundesregierung hatten 29 Prozent der US-Haushalte Ende März Probleme, laufende Ausgaben zu bezahlen. Besonders betroffen sind Minderheiten. Während "nur" 23 Prozent der weißen Haushalte darüber klagten, in den vergangenen sieben Tagen Probleme beim Bestreiten der üblichen Ausgaben zu haben, waren es bei schwarzen Haushalten 42 Prozent und in Latino-Haushalten sogar 43 Prozent. Das im März verabschiedete 1,9 Billionen Dollar schwere Hilfspaket von US-Präsident Joe Biden könnte dabei helfen, die Not zu lindern. Und das gilt vor allem für arme Familien. Befristet auf zunächst sechs Monate sieht der American Rescue Plan eine Steuervergünstigung für Kinder in Höhe von 250 bis 300 Dollar vor, die armen Familien direkt ausgezahlt wird. Außerdem gibt es erneut eine 1.400-Dollar-Einmalzahlung für die meisten Haushalte, eine Verlängerung des Räumungsstopps für Mieter und Zuschüsse zum oft geringen Arbeitslosengeld der Bundesstaaten.

... Während die Wirtschaft wächst, dürften Niedrigverdiener am erwarteten Boom also kaum teilhaben. Das gilt vor allem in jenen – meist republikanisch dominierten – Bundesstaaten, die nicht ohnehin schon eigene, höhere Mindestlöhne beschlossen haben. Zudem hat die Covid-Krise zu einer Verlagerung von festen Arbeitsplätzen hin zur sogenannten Gig Economy geführt. Dazu gehört etwa die Essensauslieferung, die über große Plattformen wie Grubhub oder Uber Eats abgewickelt wird. Wegen der grassierenden Pandemie bestellen immer mehr Menschen ihr Essen online. Für viele Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor war solche Gelegenheitsarbeit im vergangenen Jahr die einzige Möglichkeit, Einkommen zu generieren. Laut einer Umfrage des Zahlungsabwicklers daVinci Payments wuchs der Sektor 2020 um knapp ein Drittel auf ein Gesamtvolumen von etwa 1,6 Billionen Dollar – doch knapp Dreiviertel der fast 70 Millionen Beschäftigten verdienten dabei weniger als 15.000 Dollar im Jahr. Die Verlagerung auf die Gig Economy bedeutete für einige Haushalte ein Zusatzeinkommen, aber nur knapp zwei Drittel der Umfrageteilnehmenden ging gleichzeitig einer anderen Vollzeittätigkeit nach. Der Rest musste und muss sein Einkommen allein über die Onlinegelegenheitsjobs erwirtschaften.

Die Verlagerung auf die weitgehend unregulierte Gig Economy ist besorgniserregend, weil die Beschäftigten dort meist keinerlei Arbeitsschutz genießen, geschweige denn Krankenversicherungsleistungen oder andere Zusatzvergünstigungen. In Kalifornien entschieden sich die Wählerinnen und Wähler im vergangenen November per Volksabstimmung dagegen, Gig-Beschäftigte als Arbeitnehmer einzustufen. Uber, Lyft und andere Unternehmen hatten 200 Millionen Dollar in Kampagnenarbeit investiert. Die Entscheidung im bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA dürfte wegweisend sein für den künftigen Umgang mit denen, die in diesem Sektor ihr Geld verdienen. Viele US-Bürgerinnen und -Bürger haben sich spätestens in der Pandemie daran gewöhnt, sich Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs liefern zu lassen – sie dürften die Branche weiter antreiben. Verbesserungen für die Beschäftigten erscheinen dabei fraglich.

...


Aus: "US-Wirtschaft und Corona: Ein Aufschwung nur für die Wohlhabenden" Eine Analyse von Jörg Wimalasena, New York (17. April 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-04/us-wirtschaft-corona-krise-boom-aktienmarkt-reichtum-armut-soziale-ungleichheit/komplettansicht

QuoteAlphard #24

"Ein Aufschwung nur für die Wohlhabenden"

Wie überraschend!

/zyn off


QuotePoweropi #6

Ich verstehe die Fixierung "der Zeit" auf die USA nicht. Als ob es in Deutschland anders wäre. Zugegeben es gibt ein besseres Sozialsystem in Deutschland und mit Hartz IV bekommen Meschen nicht genug Geld zum Leben, aber zuviel zum sterben.
Auch der DAX der sein Tief im letzten Jahr im April mit rund 10.000 Punkten hatte steigt von einem Rekord zum nächsten, aktuell ca 15.500 Punkte.Warum wird nicht berichtet wieviele 450 €uro Jobs weggefallen sind?
Warum wird laufend über überschuldete Amerikaner berichtet und nicht über überschuldete Deutsche oder Europäern?


Quotemwossi #15

Wenn auch nicht so ausgeprägt, in der Tendenz haben wir doch in D und EU ähnliche Prozessse. Sozialdarwinismus vom Feinsten, gekoppelt mit extremem Neoliberalismus, da kommen tolle Sachen bei raus.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Rund zwölf bis 20 Personen leben in selbstgebauten Hütten, Zelten und in Wohnwagen auf einem Gelände der Deutschen Bahn hinter dem Berliner Ring-Center. Der Konzern kündigte eine Räumung an, es formieren sich Proteste, Politiker:innen schalteten sich ein – nun soll es lediglich eine "Aufräumaktion" werden.

"Wir mussten feststellen, dass die Fläche der DB Netz AG unberechtigt als Stellplatz für Fahrzeuge, als Lagerplatz diverser Materialien und illegalen Mülls genutzt wird", heißt es in einem Schreiben der DB Netz AG vom 31. März 2021, gerichtet an die "Nutzer der Fläche" mit der Adresse Containerbahnhof 1. Der Zettel wurde vor Ort ausgehängt und liegt dem Tagesspiegel vor.

Gemeint sind obdachlose Menschen, die sich bereits seit Jahren auf dem Gelände befinden. Mit der Zeit ist eine Art Lager entstanden hinter dem Einkaufszentrum an der Grenze von Friedrichshain und Lichtenberg, an der S-Bahnstation Frankfurter Allee.

Dort steht auch die riesige Traglufthalle "HalleLuja" von der Stadtmission. Jeden Winter werden hier mehr als 100 obdachlose Menschen während der Kältehilfe-Saison untergebracht. Das fiel jedoch in diesem Jahr aus. Als Grund nennt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dass der Infektionsschutz nicht gewährleistet werden könne. Im Dezember hatte es einen Corona-Ausbruch in der Halle gegeben.

Daher hatten der Bezirk und die Stadtmission entschieden, ein Hostel zur Unterbringung zu nutzen. Lediglich im Februar wurde die Traglufthalle für eine Nacht geöffnet, als ein Obdachlosenlager an der Rummelsburger Bucht geräumt wurde. 

In dem Schreiben kündigte die Bahn die Räumung des Lagers am Ring-Center für Montag, den 19. April, um 8 Uhr an. Auf Nachfrage teilte ein Bahnsprecher am vergangenen Freitag, drei Tage vor der angekündigten Räumung, zunächst mit, diese sei mit dem Bezirk und den Sozialträgern abgestimmt worden, ebenso mit der Landes- und der Bundespolizei. Das Betriebsgelände werde als Lager für Baumaterialien genutzt, der Zutritt sei auch wegen des nahen Zugverkehrs verboten.

Nachdem sich am Freitag jedoch die Sozialarbeiter von Karuna einschalteten, nahm die Bahn von den Räumungsplänen Abstand. Ein Karuna-Sprecher sagte dem Tagesspiegel, man habe mit der Bahn am Freitag verhandelt und erwirkt, dass es am Montag keine Räumung geben wird, diese bis zum 14. Juni ausgesetzt wird und es bis dahin ein Räumungsmoratorium geben solle.

Wenige Stunden später bestätigte die Bahn-Pressestelle dies auf Nachfrage: "Am Montag wird es eine Aufräumaktion vor Ort geben. Die dort lebenden Menschen und ihre provisorischen Hütten bleiben unberührt." Auch die Sozialarbeiter werden vor Ort sein. Man wolle in den nächsten Tagen Gespräche führen, um zu einer guten Lösung zu finde, hieß es von der Bahn.

Die Sozialarbeiter sollen am Montag mit den Obdachlosen sprechen und sie bitten, sich andernorts aufzuhalten oder in eine Unterkunft zu gehen, wenn möglich. Die Wohnwagen der Obdachlosen sollen möglichst auf das Gelände mit der Traglufthalle gebracht werden.

Eine Sprecherin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bestätigte, dass es seit Anfang der Woche Gespräche mit der Bahn über das Lager und die Fläche gibt. Das bezirkliche Sozialamt habe allerdings versuchen wollen, die Angelegenheit anders, und nicht durch eine Räumung, zu lösen und habe dazu um Zeit bei der Bahn gebeten. Doch diese habe mitgeteilt, dass die Fläche dringend frei werden müsse, sagte die Sprecherin des Bezirksamts.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) twitterte am Freitag, Karuna habe das Thema "erfolgreich gelöst". Der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg spricht sich in einem Schreiben an Frank Sennhenn, dem Vorstandsvorsitzenden der DB Netz AG, dafür aus, "die Räumung im Interesse der sozialen Belange auszusetzen". Ohnehin sei geplant, den Standort mit der Traglufthalle zu einem "Safe Place" für Obdachlose auszubauen, so Schlüsselburg weiter, hierzu sei jedoch mit der Deutschen Bahn noch keine Einigung erzielt worden.

Die Idee eines "Safe Place" in Berlin gibt es schon lange. Ein Ort, an dem obdachlose Menschen selbstverwaltet leben können. Eine Wiese gegenüber des Ring-Centers an der Frankfurter Allee im Bezirk Lichtenberg ist hierzu im Gespräch, wie der Tagesspiegel exklusiv berichtete. Hier gibt es ebenfalls noch keine Beschlüsse. Lichtenbergs Sozialstadtrat Kevin Hönicke (SPD) ist zunächst mit Anwohnenden im Gespräch. 

Ein weiterer möglicher Ort für die Ansiedlung eines Safe Place ist ein Parkplatz am S-Bahnhof Lichtenberg. An diesem hatte die Bahn bereits im letzten Jahr eine Lagerstätte von obdachlosen Menschen räumen lassen.

Gegen die zunächst angekündigte Räumung des Obdachlosenlagers auf dem Gelände der DB Netz AG hinter dem Ring-Center könnte es am Montag Proteste geben. Thorsten Buhl, ehemaliger Linke-Politiker aus Friedrichshain-Kreuzberg, meldete eine Kundgebung mit 100 Personen bei der Polizei an. Andere Gruppierungen wollen gegen 10 Uhr vor Ort aktiv sein.

Buhl ist weiterhin Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und hat die Partei "Offene Liste Friedrichshain" (Ofl) aus der Rigaer Straße heraus in diesem Jahr gegründet.

Buhl war nach den Vorgängen um die Räumung des Obdachlosenlagers an der Rummelsburger Bucht aus der Linke-Fraktion ausgetreten. Ebenso störte ihn, dass die Linke zu wenig gegen die Räumung des queer-feministischen Hausprojekts in der Liebigstraße 34 unternahm und sich nicht eindeutig für das Projekt positionierte.


Aus: "Camp-Räumung hinter dem Berliner Ring-Center verschoben" Robert Klages (18.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/deutsche-bahn-kuendigt-aufraeumaktion-an-camp-raeumung-hinter-dem-berliner-ring-center-verschoben/27103992.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Wohnungskrise steht erst am Anfang. Sieben Monate haben Journalistinnen und Journalisten in 16 europäischen Großstädten gemeinsam recherchiert. Das Ergebnis: Die Ursachen der Krise sind gewaltig, die neuen Akteure auch – und die Folgen für die Menschen kaum absehbar.

[Fehlende Datenvisualisierungen nur im Original Artikel... ]

In London ist seit einigen Jahren ein seltsames Phänomen zu beobachten. Wenn es dunkel wird, gehen in besonders begehrten Wohnlagen in Covent Garden oder Chelsea nur noch vereinzelte Lichter in den Fenstern an. Die Wohnungen gehören einer kosmopolitischen Elite, die in mehreren Städten Immobilien besitzt und sie nur bei ihren seltenen London-Aufenthalten braucht. Finanziell lohnt sich das trotzdem. Denn es sind gute Anlageobjekte – selbst unbewohnt.

Auch Paris leert sich abends. Weil es als lukrativer galt, Büros in der Innenstadt zu betreiben, sinkt dort die Zahl der Wohnungen. Weitere 114.000 wurden zu möblierten Apartments für Touristen umgebaut. Auch die stehen in der Pandemie leer.

Auf der anderen Seite des Spektrums liegt Berlin. In der europäischen Hauptstadt der Selbstverwirklichung, wo 83 Prozent zur Miete wohnen, galt der Erwerb einer eigenen Wohnung lange als unlukrativ, unnötig oder zumindest spießig. Mit steigendem Durchschnittseinkommen wird auch Berlin zur Eigentümerstadt, argumentieren viele. So, wie es in Dublin, Madrid oder Oslo schon seit Generationen normal ist. Doch eine europaweite Recherche zeigt: Das könnte ein Trugschluss sein.

... Möglicherweise sind nicht Madrid und Oslo die Vorboten für Berlin, sondern umgekehrt. Berlin mit seinen Wohnungskonzernen, gescheitertem Deckel und dem wütenden Volksbegehren ist kein Relikt, sondern ein erster Vorgeschmack auf das, was kommt: ein europäischer Wohnungsmarkt, eine europäische Wohnungskrise – weitreichend verknüpft mit dem Finanzmarkt. Berlin ist das Labor dafür. Und das hat etwas mit den leeren Wohnungen in London und den leeren Büros in Paris zu tun.

In den letzten sieben Monaten hat ein Rechercheverbund die Wohnungsmärkte in 16 europäischen Städten verglichen. Wir wollten wissen, welches jeweils die größten privaten Wohnungsfirmen der Stadt sind, ob ähnliche Entwicklungen erkennbar werden und ob es Firmen gibt, die bereits europaweit agieren. Das Rechercheprojekt namens ,,Cities for Rent" wird koordiniert unter dem Dach von ,,Stichting Arena for Journalism in Europe" und gefördert vom Investigative Journalism Fund for Europe.

Das Ergebnis: Zwar zeigt sich, dass der Wohnungsmarkt in jeder teilnehmenden Stadt weit unterschiedlicher strukturiert ist als zunächst angenommen. Doch auch wenn es europaweite Megakonzerne für Wohnungen bisher noch nicht gibt: Es bilden sich gerade die ersten heraus. Ihr Vorgehen ist in den verschiedenen Städten ähnlich. Und die Politik ist in allen Städten ähnlich ratlos. Die Marktkräfte, die dahinterstecken, sind überall dieselben. Und sie werden durch die Pandemie beschleunigt.

... Erstens wächst in allen 16 Städten die Bevölkerung in den letzten Jahren – teils sehr stark. Einzige Ausnahme: Athen. Zweitens: In allen Städten steigen die Mieten, selbst im schrumpfenden Athen. Laut Eurostat-Index lagen die Mieten europaweit 2020 um 14 Prozent höher als 2010, die Kaufpreise um 26 Prozent.

Im selben Zeitraum sind zwar auch die mittleren Einkommen gestiegen, in vielen Metropolen aber weniger als im Rest des Landes, während die Wohnungskosten hier stärker steigen. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung beträgt die Mietsteigerungen in Berlin 64 Prozent von 2010 auf 2019 bei Bestands- und 51 Prozent bei Neubauten. In Neukölln wurden laut Immoscout24 von 2007 und 2018 sogar 146 Prozent Steigerung bei den Angebotsmieten verzeichnet.

... Einen europaweiten Städtevergleich bei den Mieten gibt es kaum. Denn es gibt kein europäisches Vorgehen. Das höchste statistische Amt Eurostat kann nichts weiter tun, als die Städte um freiwillige Meldung zu bitten. Das tun wenige. So sind die einzigen Vergleichszahlen meist Investment-Berichte, das Wissen über den Markt ist exklusiv. Selbst EU-Parlamentarier berichten, dass auch keine genauen Informationen haben, welche Konzerne wo in Europa wie aktiv auf dem Wohnungsmarkt sind.

Dazu kommt drittens, dass der Anteil der Haushalte, die zur Miete wohnen in den 16 Städten weit über dem nationalen Durchschnitt liegt. Einzige Ausnahme ist Dublin, wo gerade einmal 23,9 Prozent der Bevölkerung zur Miete wohnen. Doch auch dort wird es immer schwerer zu kaufen. Nur noch 15 Prozent der Bevölkerung in Dublin geben in einer Eurostat-Umfrage an, es sei gut möglich, eine Wohnung zu finden. Damit liegen die Eigentumsstadt Dublin und die Mietstadt Berlin fast gleichauf. Die Tatsache, dass viele Menschen sich immer größere Wohnungen wünschen, verschärft das Problem.

... Real Capital Analytics, eine der wichtigsten globalen Analysefirmen für Immobilientransaktionen, sammelt weltweit Informationen zu großen Wohnungskäufen. Das Unternehmen hat für diese Recherche alle großen Immobiliendeals in den 16 Städten ausgewertet.

2007 lag die Summe der großen Käufe (mindestens zehn Wohneinheiten pro Kauf) bei 17,3 Milliarden Euro. 2009 fielen die Investitionen während der Finanzkrise auf knapp acht Milliarden. Seither explodieren sie. 2019 wurden 66,9 Milliarden Euro in Mietwohnungen investiert. Selbst im Corona-Jahr 2020 gingen die Investitionen nur leicht zurück. Platz eins bei den Investitionen: Berlin.

... Insgesamt 42 Milliarden Euro wurden von 2007 bis 2020 für große Wohnungsdeals in Berlin und Umland ausgegeben, mehr als in Paris und London zusammen. Im Gegensatz zu London kam der Großteil der Investitionen in Berlin noch aus dem Inland. Die Analyse der Herkunftsländer grenzüberschreitender Investitionen zeigt jedoch: Die Investitionen globalisieren sich langsam. Platz eins belegen die USA. Aber auch Deutschland, Frankreich, England und Schweden investieren viel grenzüberschreitend. Katar und Russland sind auch mit dabei. Und je mehr mitbieten, desto höher steigen die Preise.

... ,,Ich glaube, inzwischen ist es absolut eindeutig, dass die Wohnungskrise alle in Europa betrifft, nicht nur eine kleine Gruppe von Menschen", sagt Kim van Sparrentak, Mitglied des EU-Parlaments für die niederländischen Grünen. Sie hat an einem Bericht zur Wohnungssituation mitgearbeitet. Die Krise sei das Ergebnis einer europäischen Politik, die immer nur gefragt habe, wie sich der Markt stärken lasse, sagt sie. Tom Leahy, Senior Analyst für Immobilientransaktionen bei Real Capital Analytics seziert die Situation weit nüchterner: Dem wirklich großen Anlagekapital gehen die wichtigsten Anlageoptionen aus.

Er sagt, der Immobilienmarkt nach der globalen Finanzkrise sei ein völlig anderer als der davor. Wenn man wirklich hohe Mengen von Geld anlegen müsse, beispielsweise als milliardenschwerer Pensionsfonds, kann man nicht das ganze Geld in Aktien oder Währungen investieren. Zu hoch die Schwankungen, zu groß das Risiko. Ein wichtiger Teil des Geldes von Pensionsfonds, Vermögensverwaltungen und reichen Family Offices wurde daher klassischerweise in risikoarme Staatsanleihen investiert. Da die Europäische Zentralbank die Finanzkrise allerdings letztlich damit beendete, den Leitzins auf null zu setzen, gibt es für viele Staatsanleihen nur noch minimale Zinsen, oft sogar Negativzinsen. So werden Investitionen in Immobilien noch attraktiver.

... Wohnungen waren für diese Anlageformen lange nicht so beliebt, sagt der Analyst: ,,Wenn du vorhast, in den nächsten zwei Jahren 600 Millionen Euro für europäische Wohnungen auszugeben, musst du sehr viele kaufen." Gewerbeimmobilien, Büros oder Shoppingcenter waren deshalb das Investitionsobjekt der Wahl. Doch der Zuwachs beim Onlineshopping führt zu leer stehenden Läden, Homeoffice stellt die Bürowüsten infrage. Eine Wohnung hingegen brauchen alle. Und trotz Krise würden 90 Prozent der Mieten weiterhin bezahlt, sagt der Analyst, gestützt von staatlichen Hilfsprogrammen. Damit leisten Wohnungen als Investition: regelmäßige, sichere Rendite.

Die Popularität der Städte und das häufigere Umziehen führt auch dazu, dass Leute durchschnittlich längere Zeit in ihrem Leben mieten, erzählt Tom Leahy, der seine erste eigene Wohnung einige Tage nach dem Interview kaufen wollte. Er hat sich kürzlich die Käufe der 50 größten Investment Manager weltweit angeschaut, Blackstone, Allianz und Generali zum Beispiel. Letztes Jahr gingen demnach 30 Prozent ihrer Immobilieninvestitionen in den Wohnungsmarkt, 2007 waren es nur um die zehn Prozent. Aus Leahys Sicht ist Deutschland deswegen ein reifer Markt. Dem andere folgen werden.

... Der Geldstrom in den Wohnungsmarkt wird zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung. Weil die Wohnungspreise steigen, können sich weniger Leute eine leisten. Die, die es noch können, werden aus Angst vor hohen Mieten trotzdem versuchen, eine zu kaufen, was den Preis noch weiter steigert. Also wohnen langfristig wahrscheinlich eher mehr Leute zur Miete. Und das macht Wohnungen aus Investmentsicht noch rentabler.

Das ist die Sicht von oben. Am Boden, bei den Leuten, wo die Wohnungen nicht Investment heißen, sondern Zuhause, führt die Kapitalverschiebung zu tiefen Rissen im Stadtleben. Denn bevor Wohnungen erst zu Paketen von Hunderten, dann Tausenden geschnürt, renoviert, vermietet und weitergehandelt werden können, sind oft diejenigen im Weg, die darin wohnen.



Aus: "Mietmarktlabor Berlin: Wie internationale Investments den Wohnungs­markt umwälzen" (28. April 2021)
Benedikt Brandhofer, José Miguel Catalatayud, Sidney Gennies, Adriana Homolova, Hendrik Lehmann,
Manuel Kostrzynski, David Meidinger, Moritz Wienert, Helena Wittlich, Nikolas Zöller
Quelle: https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/mietmarktlabor-berlin-wie-internationales-investment-den-mietmarkt-veraendert/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Frankreich hat erneut ein Fall von "Bossnapping" für Aufmerksamkeit gesorgt: Wütende Mitarbeiter eines Renault-Werks in dem bretonischen Ort Caudan hielten einen Tag lang Manager des Autokonzerns fest, um gegen den geplanten Verkauf der Fabrik zu protestieren. Sie werfen Renault "Verrat" vor. Inzwischen sind die Manager wieder frei, wie die Gewerkschaft CGT am Mittwoch bestätigte.

"Sie wollten nicht diskutieren", beklagte der örtliche CGT-Vorsitzende Maël Le Goff. "Es bringt nichts, mit Leuten zu reden, die dazu keine Lust haben". Rund hundert der 350 Mitarbeiter hatten das Werk am Dienstagmorgen besetzt und fünf Manager bis in die späten Abendstunden festgehalten.

Renault protestierte scharf gegen die Werksbesetzung, die am Mittwoch weiter anhielt. Die Gießerei in Caudan stellt seit 1965 unter anderem Motoren- und Auspuffteile her, soll aber im Zuge einer weltweiten Umstrukturierung verkauft werden.

Renault hatte im vergangenen Sommer den Abbau von weltweit 15.000 Stellen bekannt gegeben. Der Konzern war bereits vor der Corona-Pandemie in der Krise und verzeichnete 2020 einen Rekordverlust von acht Milliarden Euro. Die französische Regierung hat 50 Millionen Euro zugesagt, um Mitarbeiter der schwer angeschlagenen Autobranche umzuschulen.

In Frankreich gibt es immer wieder Fälle von "Bossnapping". Betroffen waren in der Vergangenheit unter anderem Werke von Sony und dem US-Technologiekonzern 3M. (AFP)


Aus: "Wütende Mitarbeiter halten Werkschefs einen Tag lang fest" (28.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/bossnapping-bei-renault-in-frankreich-wuetende-mitarbeiter-halten-werkschefs-einen-tag-lang-fest/27139322.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Christoph Butterwegge sollte den Reichen mal etwas über Armut erzählen. Vor Corona. Im vornehmen Kölner Villenviertel Hahnwald, wo sich Unternehmer, Entertainer und Fußballtrainer wie Christoph Daum niedergelassen haben. Butterwegge hielt bei der Charity-Veranstaltung einen Vortrag über Kinderarmut, als er fertig war, sagte die Hausherrin: ,,So, jetzt gehen wir aber mal raus in den Garten."

Butterwegge staunte: Der Garten war ein Park, die Garage so groß wie ein Zweifamilienhaus. ,,Da können Sie sich nur mit Corona anstecken, wenn der Gärtner es ins Haus trägt."

Hahnwald muss in diesen Tagen herhalten zur Illustration dramatischer Pandemieunterschiede in Köln: In Hahnwald gab es tagelang keine Neuninfektionen, die Inzidenz lag bei 0 – während im Norden der Rheinmetropole, im Stadtteil Chorweiler, die 7-Tage-Inzidenz auf 543 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner kletterte.

... Intensivmediziner begrüßen den Einsatz mobiler Impfteams in sozialen Brennpunkten. ,,Auf den Intensivstationen liegen überdurchschnittlich viele Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten, Menschen mit Migrationshintergrund und sozial Benachteiligte", sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivbettenregisters (Divi) , Christian Karagiannidis, der ,,Rheinischen Post". Die Stadt Köln hat nun die Impfreihenfolge für die Stadtteile mit hohen Inzidenzen mit Genehmigung des Landes aufgehoben.

...


Aus: "Soziale Spaltung durch Corona am Beispiel Köln - ,,Der Fehler ist doch: Man hätte nicht jahrzehntelang zündeln dürfen"" (02.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/soziale-spaltung-durch-corona-am-beispiel-koeln-der-fehler-ist-doch-man-haette-nicht-jahrzehntelang-zuendeln-duerfen/27149524.html

Quoteteckelchen 01.05.2021, 16:36 Uhr

Ich frage mich, was es "den Reichen" nutzt, durch steigende Lebenshaltungskosten und stagnierende Löhne immer mehr Elend zu produzieren?
Wer will in so einem Land leben? Oder sitzt man in der Villa schon auf gepackten Koffern?


QuoteWestpreussen 01.05.2021, 18:00 Uhr
Antwort auf den Beitrag von teckelchen 01.05.2021, 16:36 Uhr
@teckelchen

Ich frage mich, was es "den Reichen" nutzt, durch steigende Lebenshaltungskosten und stagnierende Löhne immer mehr Elend zu produzieren?

Zu den Reichen zählen auch Unternehmer. Und die sind sehr wohl an steigendem Wohlstand aller interessiert. Denn wer sollte sonst deren Produkte und Dienstleistungen kaufen? Die wenigen Reichen? Oder die Chinesen und Inder?

Blickt man auf die Entwicklung der letzten 75 Jahre, dann lässt sich feststellen, dass der Wohlstand stetig gestiegen ist. Eine bundesdeutsche Arbeiterfamilie hatte in den 1960er Jahren in etwa den Lebensstandard eines heutigen "Hartz-IV-Haushalts". Kein qualifizierter Industriearbeiter (zum Beispiel bei VW) wollte deshalb im Jahr 2021 mit dieser Generation tauschen.


Quotesoftride 01.05.2021, 19:39 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Westpreussen 01.05.2021, 18:00 Uhr

    zum Beispiel bei VW

Na klar - man nehme das Beispiel der mit am Besten verdienten Menschen und projeziere das auf Alle.
Vielleicht mal den durchschnittlichen qualifizierten Industriearbeiter nehmen. Da sieht es dann schon anders aus.
Passt nur nicht so recht in die eigene Agenda...


QuoteKeppler2022 01.05.2021, 16:31 Uhr

Das ist das Ergebnis konzertierten Politik von CDU und SPD.
Immobilien und Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand wurden erfolgreich verschleudert. Vorwand zum Raubzug war hier die Staatsverschuldung und die Schaffung eines schlanken Staates.


QuoteDeutsch-Europaeer 01.05.2021, 17:55 Uhr


... Dank Kanzler Kohl wurde am 01.01.1990 das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben. Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen waren bis dahin von der Körperschafts-, Gewerbe- und Vermögensteuer befreit, ebenso von der Grunderwerbsteuer und Ermäßigungen gab es bei der Grundsteuer. Insbesondere nach der Finanzkrise 2008/09, erreichten die Verkäufe öffentlicher Wohnungsbestände ihren Höhepunkt, nachdem internationale Investoren den Immobilienmarkt als sichere Kapitalanlage entdeckt hatten. Zwischen 2009 und 2014 stieg das Transaktionsvolumen von 3 Mrd. auf 25 Mrd. Euro. Der Wohnungsmarkt geriet so in den Fokus [von] aus- und inländischer Investoren. Dazu trug auch die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne bei, die ab 2002 von der rot-grünen Bundesregierung gewährt wurde. Danach können Unternehmen und auch Immobilien steuerfrei gehandelt werden, ohne dass die enthaltenen stillen Reserven – Differenz zwischen Buch-/Bilanzwert und Verkaufspreis – nachversteuert werden müssen. Die Wohnungen sind dadurch gänzlich zu einer Ware geworden.


Quoteredshrink 01.05.2021, 18:56 Uhr
Die soziale Spaltung kann auch wirklich nur in Deutschland-geht-es-gut ein überraschendes Thema sein. Seit Jahrzehnten weisen Unmassen von Daten darauf hin, dass Gesundheit stark abhängig von sozialer Stellung ist. Im Ausland wird es diskutiert, wenngleich es auch dort nicht zur Besserung der Situation beiträgt. Man tröstet sich mit dem Mantra der "Chancengleichheit", während Vermögen immer ungleicher verteilt ist.

Und dennoch, auch Türken können sich informieren; auch ihre Netzwerke könnten zur Aufklärung über Covid beitragen. Oder Klimaschutz. Viele Zuwanderer sind auch informiert und schützen sich und andere. Andere eben nicht. Beengte Lebensräume spielen eine Rolle, aber ganz sicher nicht die einzige. In Berlin gibt es auch viele Quartiere, wo viele "weiße" und arme Leute wohnen, in 70er Jahre Plattenbauten, dicht an dicht. Dort explodieren die Infektionszahlen nicht so wie in Neukölln. Es geht nicht um Schuld; ich weine über jeden, der in der Pandemie leidet. Aber muss die Leute auch nicht infantilisieren. Es steht jedem frei, hetzerische Medien zu konsumieren oder auch nicht.


Quotejjber 01.05.2021, 18:16 Uhr

... Jahrzehntelang wurde in Funk und Presse das Ideal von H-IV gepredigt, höhere Löhne meist zu Teufelszeug erklärt, indem man wirren Studien der deutschen Ökonomie-Scharlatne - auch Wirtschaftsweise genannt - nahezu kritiklos folgte.

Das Gesundheitssystem und Daseinsvorsorge wurden als zu teuer und ineffizient verschrien. Studien zur schlechteren Gesundheit und kürzeren Lebenserwartung von Armen wurden beiläufig erwähnt, Konsequenzen keine. Hauptsache die schwarzen-Nullen standen. ...


...

Textaris(txt*bot)

#1176
Quote[...] Spargel ernten, Salat pflanzen oder Rhabarber schneiden: Hunderttausende Saisonkräfte sind dieses Frühjahr wieder in der deutschen Landwirtschaft unterwegs. Sie dürfen in diesem Jahr 102 Tage ohne Sozialversicherung arbeiten. Auf so viele Tage hat der Bundestag die Versicherungsbefreiung Mitte April mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD ausgeweitet. Vorher galt die Versicherungsfreiheit für 70 Arbeitstage.

Die Verlängerung sei nötig, um die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln sicherzustellen, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. "Andererseits wird durch die geringere Personalfluktuation das Infektionsrisiko verringert", so eine Ministeriumssprecherin. Grüne und Linke kritisieren das. Sie fordern statt verlängerter Ausnahme eine komplette Abschaffung der Sozialversicherungsbefreiung. Derzeit sind viele Saisonarbeiter nur verpflichtend unfallversichert. Kranken- und Rentenversicherungspflicht besteht nicht.

Die Gewerkschaft IG BAU und das gewerkschaftsnahe Beratungsprojekt Faire Mobilität kritisieren die Bedingungen scharf. Sie fordern insbesondere eine Krankenversicherungspflicht. "Ich finde das inakzeptabel, gerade in Pandemiezeiten", sagt Oskar Brabanski von der Fairen Mobilität in Nürnberg. Bemerkenswert: Zumindest einfache Krankenversicherungen gibt es schon für weniger als 50 Cent pro Tag und Arbeiter.

"Diese Versicherungen reichen aber nicht aus. Da ist fast alles ausgeschlossen", sagt Reinhard Steffen von der IG BAU NRW. Es ist ohnehin unklar, wie viele Landwirte diese Versicherungen überhaupt abschließen. Der Bauernverband geht von einer hohen Quote aus. Gewerkschaftsvertreter Steffen hat einen anderen Eindruck - und das legen auch Stichproben des WDR nahe.

Die Alternative seien befristete Arbeitsverträge. "Wir wollen, dass dieser Missbrauch endlich beendet wird", sagt auch Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Es gebe schon heute Betriebe, die ihre Kräfte vernünftig anstellten - doch diese seien die Verlierer, weil Mehrkosten bei hohem Preisdruck entstünden. Der Deutsche Bauernverband widerspricht. Viele Saisonkräfte wollten gar nicht länger arbeiten als für den versicherungsfreien Zeitraum. Denn sonst müssten sie die üblichen Lohnabzüge in Kauf nehmen.

Viele Landwirte sparen offenbar auch bei der Unterbringung. "Wir sind sprachlos, schockiert. Selbst wenn in Rumänien die Bezahlung schlecht ist, die Lebensbedingungen sind anständiger. Hier ist es schlimmer als im Schafstall", sagen Konstantin und Nikolai. Nach einem Streit mit ihrem Bauern im Rheinland mussten sie nach nur fünf Tagen wieder abreisen. Erst mit Hilfe der Gewerkschaft IG BAU rückte der Landwirt ihren Lohn und die Papiere raus.

Ein Grund für den Streit: Eine heruntergekommene Containerunterkunft. Zum Schlafen hatten sie billige Matratzen, und trotz Nachtfrostes gab es nur einen kleinen Elektro-Heizlüfter, wie WDR-Recherchen für das Magazin Plusminus zeigten. Auf Fotos der beiden ist eine dreckige Dusche, eine Toilette und ein Herd zu sehen - angeblich für mehr als zehn Saisonkräfte. Der Bauer wollte sich dazu nicht äußern.

Gerade im Corona-Jahr 2021 gibt es klare Regeln für die Saisonarbeit. Etwa dürfen maximal zwei Personen pro Container untergebracht sein. Reinigungspläne sind vorgeschrieben. Und auf dem Feld gilt überall dort Maskenpflicht, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

Die Saisonkräfte kommen sich während der Arbeit auf einigen Höfen trotzdem sehr nahe - und zwar ohne Maske. Die möglichen Folgen: ein Corona-Ausbruch wie zuletzt auf einem großen Spargelhof in Niedersachsen. Dort steckten sich 130 der insgesamt fast 900 auf dem Hof getesteten Personen an. Corona-Ausbrüche seien aber "sehr bedauerliche Einzelfälle", heißt es dazu vom Deutschen Bauernverband. Regelmäßige Testungen und andere Hygienemaßnahmen würden wirken. "Aus jetziger Sicht ist eine weitere Anpassung der Infektionsschutzregeln nicht erforderlich", heißt es vom Verband.

Ein Corona-Risikofaktor scheint bereits die Anreise zu sein. Die Vorschrift ist, dass die Erntehelfer einen maximal 48 Stunden alten Test aus der Heimat brauchen - oder aber einen frischen Test spätestens zwei Tage nach Ankunft. Das führt dazu, dass offenbar viele Erntehelfer in vollbesetzen Kleintransportern über die Grenze kommen - und zwar ungetestet.

Das Recherche-Team fragte rumänische Transportunternehmen an, getarnt als potenzielle Erntehelfer. Das Ergebnis: Von zehn Unternehmen wollte keins einen Negativtest für die Fahrt haben. Und auch an der Grenze scheint es höchstens stichprobenartige Kontrollen zu geben, wie der WDR von rumänischen Fahrern erfuhr.


Aus: "Erntehelfer in Deutschland: Kein Schutz, keine Versicherung?" Philip Raillon, Dirk Bitzer und Traian Danciu, WDR (13.05.2021)
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/erntehelfer-krankenversicherung-101.html

-

Quote[...] Agnieszka wusste, dass die Spargelernte Knochenarbeit ist. Auch, dass sie nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst zwei Wochen in Arbeitsquarantäne musste, hatte man ihr gesagt. Aber nach mehr als einem Monat in Isolation hat sie genug: "Wir werden wie Sklaven behandelt, nur vom Hotel zur Arbeit gebracht und zurück."

Ihre Kollegin Ilona weigert sich zu arbeiten. "Ich will nach Hause fahren", sagt sie. Nun wartet sie auf ihrem Zimmer. Ihre Mitbewohnerinnen arbeiten weiter, daher hat Ilona Angst, dass sie das Virus in die Unterkunft einschleppen. Es wäre nicht nur gefährlich, sondern könnte ihre Quarantäne nochmal verlängern.

1011 Menschen arbeiten derzeit auf dem Spargelhof von Heinrich Thiermann im niedersächsischen Kirchdorf. Vor allem hunderte Polen und Rumänen. Ende April, als die Arbeitsquarantäne begann, waren 47 Arbeiter infiziert. Bis heute sind es bereits 131 Personen.

DW sprach mit sechs polnischen Arbeiterinnen, die am Telefon von der Lage hinter dem verriegelten Tor des Hofs erzählt haben. Ihre Namen wurden im Text geändert. Die DW hat auch Kontakt zu dem Unternehmen aufgenommen. Nach der ersten Veröffentlichung des Artikels auf Polnisch bestätigten weitere Beschäftigte die von uns beschriebenen Zustände. Die Aussagen machen deutlich, wie die Ungleichheiten auf den europäischen Arbeitsmärkten die Verbreitung des Coronavirus begünstigen können.

Am 30. April verfügte das Gesundheitsamt Diepholz eine zweiwöchige Quarantäne bei Thiermann GmbH. "Aufgrund des diffusen Infektionsgeschehens innerhalb des Betriebs ließen sich die engen Kontaktpersonen zu den nachweislich Infizierten nicht klar definieren", erklärt Mareike Rein, Sprecherin des Landkreises. Mit anderen Worten: das Virus war überall.

Sogar verheirateten Paaren, die in anderen Teilen des Hofs arbeiten, wurde es verboten, sich zu treffen. Sicherheitspersonal wurde angestellt, um die Quartiere zu bewachen. Mittag- und Abendessen werden serviert. Erst vor wenigen Tagen wurde ein effizientes System zum Einkaufen eingerichtet.

Da die Zahl der Neuinfektionen aktuell wieder sinkt, entschied das Gesundheitsamt, die Betriebsquarantäne aufzuheben - jedoch nicht für alle: Für rund 200 Erntehelfer, die als Kontaktpersonen gelten oder mit Infizierten in derselben Unterkunft gewohnt haben, wurde sie bis zum 18. Mai verlängert.

Weder das Unternehmen noch das Gesundheitsamt teilten auf Anfrage der DW mit, wie viele Menschen im Krankenhaus behandelt werden. Die Arbeiter, mit denen wir sprechen konnten, berichten von möglicherweise bis zu fünf Personen, eine von ihnen soll schwer an COVID-19 erkrankt sein.

Die Thiermann GmbH sagt, dass alle Mitarbeiter versichert sind. Es entstehen "keine Kosten bei Krankheit und sie erhalten eine Lohnfortzahlung", sagte Sprecherin Anke Meyer der DW. Eine der infizierten Frauen erzählte hingegen, dass sie auch während der Krankschreibung für die Unterkunft bezahlen muss.

Arbeitsquarantäne bedeutet, dass die Arbeiterinnen ihre Unterkunft nur zum Zweck der Arbeit verlassen dürfen. Selbst ein Ausbruch stoppt die Produktion nicht. So wie auf dem Bauernhof von Henrich Thiermann. Er ist einer der größten Spargelproduzenten in Deutschland. Auf seinen Feldern ernten jedes Jahr Hunderte Arbeiter aus Osteuropa Tonnen "des weißen Goldes" von Deutschland.

Laut Thiermann ist die Situation unter Kontrolle. Nach dem Ausbruch versicherte er in einem ersten Interview mit der lokalen "Kreiszeitung", dass der Betrieb über ein Hygienekonzept verfüge, welches dem Grundsatz "zusammen leben und zusammen arbeiten" folge. Die Mitarbeiter würden zweimal pro Woche getestet und die Sicherheitskräfte überprüften die Quartiere, damit "eine Durchmischung unterbunden wird".

Marzena wäre vielleicht noch gesund, wenn die Aufteilung gut funktionieren würde. Aber sie und ihre Mitbewohnerin arbeiteten an zwei unterschiedlichen Spargelsortierbändern. Zuerst wurde die Kollegin krank, danach sie selbst.

Sie seien in einer Gruppe von 50 Personen zur Arbeit geführt, und dann in kleinere Gruppen von je zwölf Menschen aufgeteilt worden. "Es wird nicht darauf geachtet wer zusammen wohnt", sagt sie. "In der Sortieranlage besteht keine Möglichkeit, Abstand zu halten", die Maschine arbeite schnell, man müsse in Bewegung sein, um Kollegen zu helfen. "Wir arbeiten Hand in Hand".

Unsere Gesprächspartnerinnen erzählen auch von Schutzmaßnahmen im Betrieb. In diesem Jahr wohnen nur zwei oder drei statt acht Personen in einem Zimmer. Die Vorarbeiter achten wohl auch darauf, Schutzmasken zu tragen und Abstände einzuhalten. Die Firma teilt mit, dass unter anderem Arbeitsbereiche vergrößert, Arbeitsprozesse optimiert und reichlich FFP2-Masken bestellt wurden.

Warum war dann der Ausbruch so massiv? "Sie hätten uns schon nach den ersten Fällen durchtesten müssen, und nicht erst als die Plage ausgebrochen ist", sagt Agnieszka. Wie die meisten Saisonarbeiterinnen kam sie in der ersten Aprilhälfte auf den Hof. Den ersten Schnelltest habe sie erst drei Wochen später, am 28. April, bekommen.

Wann wurden denn die ersten Fälle entdeckt? In einem weiteren Artikel der "Kreiszeitung" bestätigte Thiermann das Datum des ersten Ausbruchs: 18. April 2021. Die Sprecherin des Landkreises bestätigte der DW die ersten Meldungen in der Woche vom 19. bis 25. April. Die polnischen Arbeiterinnen sprechen selber auch von ersten positiven Fällen am 18. April. "Schon seit Beginn der Saison wurden Schnelltests für alle Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt", sagte Thiermann in dem Artikel. "Nicht alle Beschäftigte haben das Angebot angenommen. Als es am 18. April zu der ersten Infektion kam, begannen wir mit regelmäßigen Testungen und wurden dann, als vermehrt positive Fälle auftraten, am 29. und 30. April mit den PCR-Reihentestungen vom DRK und Gesundheitsamt des Landkreises Diepholz unterstützt." Aber von dem Tag der Entdeckung der ersten Fälle bis zur Reihentestung der gesamten Belegschaft hatte das Virus etwa zehn Tage Zeit, um sich auszubreiten.

"Es war wie im Horrorfilm", erinnert sich Barbara an den 28. April, den Tag der Durchtestung. Sie sagt, dass Frauen mit positiven Testergebnissen bis 23 Uhr draußen warten mussten, bis sie in ein anderes Hotel gebracht wurden. "Andere weinten, weil sie nach Hause wollten, aber nicht mehr durften", erzählt sie.

Noch in derselben Nacht beschlossen etwa hundert Frauen aus einer Unterkunft zu streiken. Die nächsten zwei Tage gingen sie nicht zur Arbeit. Aus Angst vor dem Virus, aber auch weil sie bessere Löhne forderten. Heinrich Thiermann sei zu Ihnen gekommen, habe mit den Vorarbeitern gesprochen, sei aber nicht auf die Forderung eingegangen, erzählen zwei Frauen.

Einige Personen nutzten die Verwirrung und flohen nach Polen ohne Bezahlung. Die Thiermann GmbH antwortet nicht auf die Frage, ob diese Personen ihren Lohn erhalten werden. Von den Arbeiterinnen hören wir, dass die Firma sich weigert sich, sie zu bezahlen.

In den Arbeitsverträgen, deren Kopien der DW vorliegen, lesen wir von Bezahlung "in einem Bonussystem unter Beibehaltung des Mindestlohns" (aktuell 9,50 brutto pro Stunde). Die Arbeiter sprechen lieber vom Nettolohn. Für sie ist es wichtig, wie viel sie mit nach nach Hause bringen können. Dieser Satz schwankt jedoch täglich. Zuletzt sei es 6,80 Euro netto pro Stunde, sagen zwei Angestellte. Pro Tag werden 9,80 Euro für die Unterkunft und Mittagessen abgezogen.

Um in diesem System gutes Geld zu verdienen, muss man so viele Stunden wie möglich schuften: deswegen arbeitet man 7 Tage in der Woche, manchmal 11 Stunden am Tag.

Nach zwei Tagen kehrten aber immer mehr Frauen zur Arbeit zurück. "Sie haben auf unsere Forderung nicht reagiert, weil sie wussten, dass wir nicht weg können", sagt eine von ihnen. Außerdem mussten sie jeden Tag weiter für ihre Unterkunft bezahlen.

Mitarbeiter, die nach Polen zurück möchten, stehen vor einem Dilemma: "Wenn sich eine Kollegin am Band infiziert, wird meine Quarantäne verlängert", erklärt eine Arbeiterin. Unter ihnen sind auch einige, für die die verlängerte Quarantäne bis zum 18. Mai gilt. Aus der geplanten Heimreise schon an diesem Freitag (13. Mai) wird vorerst nichts.

Barbara, die dieses Jahr zum ersten Mal zu Thiermann kam, erinnert sich an ihre entschlossene Haltung: "Ich habe gehört, dass es schwer sei, aber ich habe keine Angst vor der Arbeit", sagt sie. Nach ein paar Wochen auf dem Bauernhof schwört sie: "Nie wieder. Nicht unter diesen Bedingungen, nicht für dieses Geld".

Trotzdem kommen jedes Jahr viele zurück. "Unser Plan ist jedes Jahr der gleiche: Kommen, Geld verdienen und so schnell wie möglich zurück fahren", sagt Agnieszka.

In diesem Jahr macht ihnen die Pandemie einen Strich durch die Rechnung.


Aus: "Deutschland - Spargelernte: Corona-Quarantäne für Erntehelfer" Grzegorz Szymanowski  (13.05.2021)
Quelle: https://www.dw.com/de/spargelernte-corona-quarant%C3%A4ne-f%C3%BCr-erntehelfer/a-57510474

Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Das am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossene neue Klimaschutzgesetz sorgt in der Wirtschaft für Skepsis und Ablehnung. "Die hektische Verschärfung der nationalen Klimaziele erhöht die Unsicherheit für Wirtschaft und Verbraucher", monierte BDI-Chef Siegfried Russwurm.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, kritisierte die Klimapolitik der Bundesregierung als überhastet und unrealistisch. Dass sich exakte CO2-Werte für 10 oder 15 Jahre im Voraus planen ließen, "ist eine Illusion, die dort aufgebaut wird", sagte sie auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel in München. Die Fehler bei der Energiewende sollten jetzt nicht bei der Verkehrswende fortgeführt werden.

Auch aus der Chemieindustrie kam Kritik. "Es fehlt der Plan, mit welchen konkreten Maßnahmen Treibhausgasneutralität verlässlich umgesetzt und gleichzeitig die Industrie vor Wettbewerbsnachteilen geschützt werden kann", monierte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Der Weg zu den neuen Klimazielen bleibe im Nebel.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte das geänderte Klimaschutzgesetz als "Meilenstein" gelobt, das der Wirtschaft mehr Planungssicherheit ermögliche. Mit dem Gesetz werde die Wirtschaft nicht abgewürgt, sondern umgebaut und modernisiert, betonte Bundesumweltschutzministerin Svenja Schulze (SPD).

Die Bundesregierung beschloss neben dem Klimaschutzgesetz auch ein Klimapakt mit zusätzlichen acht Milliarden Euro zur Finanzierung weiterer Klimaschutzmaßnahmen. Wichtigster Bestandteil ist ein Investitionspaket mit der Industrie, der den Einsatz von grünem Wasserstoff beschleunigen und die Stahl- und Chemieindustrie klimaneutral machen soll. Die Begeisterung dafür hält sich in Grenzen. Die Große Koalition habe einen Pakt mit sich selbst geschlossen, heißt es aus Wirtschaftskrisen, berichtet das "Handelsblatt".

Besonders die Haus- und Wohnungseigentümer lehnen den Klimapakt ab. Der Grundstückseigentümerverband Haus & Grund reagierte entsetzt auf die geplante Aufteilung der Kosten des CO2-Preises auf Mieter und Vermieter. "Dass Vermieter nun 50 Prozent der von den Mietern verursachten CO2-Kosten tragen müssen, ist nicht akzeptabel", sagte Präsident Kai Warnecke.

Der Vermieter habe keinen Einfluss darauf, wie viel der Mieter heize oder an Warmwasser verbrauche, erklärte Warnecke. Das Geld, das der Vermieter für den CO2-Preis in der Folge ausgeben müsse, werde künftig für energetische Sanierungen fehlen, meinte er. Die Mehrkosten würden die Vermieter an die Mieter weitergeben und die Mieten erhöhen Der Eigentümer-Verband "Haus und Grund" kündigte eine Verfassungsklage gegen die Verteilung der CO2-Kosten an.

Der Mieterbund hatte gefordert, dass der CO2-Preis für Heizungen vollständig von den Vermietern getragen wird. Wegen der CO2-Bepreisung zahle ein Mieter bei mittlerem Energieverbrauch 65 Euro mehr im Jahr, warnte Melanie Weber-Moritz, Chefin des Mieterbunds. Auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hatte sich am Dienstag um eine kostenmäßige Überlastung der Mieter gesorgt. "Klimaneutralität für Wohnungen wird nur mit erheblichem finanziellem Aufwand und umsetzbar sein."

Nach Einschätzung der Boston Consulting Group dürften ab 2023 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden. Ab diesem Datum müssten pro Jahr doppelt so viele Gebäude energetisch saniert werden wie bisher. Zudem müsse sich der jährliche Zubau von Wind- und Solaranlagen bis 2030 verdoppeln. Um die Emissionen in der Energiebranche um zusätzlich 67 Millionen Tonnen zu verringern, müssten der Kohleausstieg schon 2030 statt 2038 kommen.

Der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW), die den größten Anteil der zusätzlichen CO2-Einsparungen leisten muss, zeigte sich deshalb ebenfalls unzufrieden. Besonders bei der nötigen Beschleunigung des Ausbaus von Wind- oder Solarenergie komme die Regierung nicht voran. "Aktuell klemmt es überall: Investitionen in den Ausbau der Windenergie an Land stocken, weil Flächen fehlen und Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern", kritisierte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. "Wir brauchen außerdem Strategien für einen echten Photovoltaik-Boom", forderte sie.


Aus: "Kritik am Klimaschutzgesetz Hausbesitzer drohen mit Verfassungsklage" (13.05.2021)
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wirtschaft-uebt-kritik-am-klimapakt-101.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Zahl der Seniorinnen und Senioren, die Grundsicherung im Alter beziehen, ist im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert gestiegen. Ende 2020 waren laut Statistischem Bundesamt mehr als 564.000 Rentnerinnen und Rentner in Deutschland auf die staatliche Grundsicherung angewiesen – der höchste Wert zum Jahresende seit Einführung der Leistung 2003. Ende 2019 waren es noch rund 2.000 Menschen weniger. Vor allem Frauen sind demnach auf Grundsicherung angewiesen. So erhielten Ende 2020 knapp 315.000 Frauen und 249.000 Männer die Leistung.

Nach heutigem Berechnungsstand wäre ein Stundenlohn von 12,21 Euro nötig, um eine Rente zu erreichen, die so hoch ist wie die im Schnitt bewilligte Grundsicherung, wenn man dabei nicht auf Grundrente angewiesen sein will. Das geht aus der Regierungsantwort auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Linke fragte, welcher Bruttostundenlohn notwendig wäre, um nach 45 Jahren Vollzeitarbeit eine Nettorente von 835 Euro zu erreichen. Das ist der Betrag, der Betroffenen Ende 2020 im Schnitt als Bedarf für Grundsicherung gewährt wurde. Die Antwort des Arbeitsministeriums zeigt dabei deutlich die Wirkung der Anfang 2021 eingeführten Grundrente – der rechnerisch nötige Stundenlohn sinkt dadurch um 4,94 auf 7,27 Euro.

Mit der Grundsicherung wollte die damalige rot-grüne Koalition "verschämter Altersarmut" entgegenwirken. Sie orientierte sich an den Regelsätzen der zuvor bezahlten Sozialhilfe. Die Grundsicherung muss als eigenständige Sozialleistung beantragt werden. Bei der Grundrente dagegen muss niemand einen Antrag stellen – die Rentenversicherung prüft automatisch, ob ein Anspruch besteht.

Da auch nach Einführung der Grundrente Menschen auf Grundsicherung angewiesen sind, wird nicht mehr die gesamte gesetzliche Rente als Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet. Empfängerinnen und Empfänger mit Erwerbs- oder Kindererziehungszeiten haben einen Freibetrag von 223 Euro. Zusammen mit den 835 Euro durchschnittlichen Grundsicherungsbedarfs ergibt das damit ein Nettoeinkommen von 1.058 Euro bei einem Einpersonenhaushalt. Um eine solche Nettorente im Alter zu erreichen, wäre rechnerisch ein Stundenlohn von 14,37 Euro nötig, heißt es in der Regierungsantwort auf die Linken-Anfrage.

Das Ministerium von Ressortchef Hubertus Heil (SPD) betonte allerdings, "dass aus der Höhe einer Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich nicht auf eine Bedürftigkeit in der Grundsicherung im Alter geschlossen werden kann". Denn nicht berücksichtigt seien dabei weitere Alterseinkommen – etwa durch private Vorsorge – oder höhere Einkommen etwa eines Ehepartners oder anderer Mitglieder des Haushalts.

Laut Alterssicherungsbericht 2020 betrugen die Haushaltsnettoeinkommen aller Ehepaare und Alleinstehenden im Alter ab 65 Jahren 2019 im Schnitt 2.207 Euro. Seit 2015 sind sie um 14 Prozent gestiegen. Fast alle Seniorenhaushalte bekamen Geld aus den Alterssicherungssystemen – Ehepaare im Schnitt monatlich 2.711 Euro, Alleinstehende 1.716 Euro. Knapp die Hälfte aller Seniorinnen und Senioren hat dazu zusätzliche Einkünfte.

Der Linke-Rentenexperte Matthias W. Birkwald forderte einen höheren gesetzlichen Mindestlohn, um Rentenlücken zu schließen. "Die neuen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zeigen, dass wir von einem angemessenen Mindestlohn aktuell sehr weit entfernt sind", sagte er der dpa. Die Grundrente gleiche die Rentenlücke zwar aus. "Es sind aber zu viele Menschen von ihrem Bezug ausgeschlossen." Grundrente bekommt, wer mindestens 33 Jahre Beiträge aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflege aufweist und mehr als nur ergänzendes Einkommen etwa durch Minijobs hatte.

Die derzeitige Lohnuntergrenze von 9,50 Euro und die ab Juli vorgeschriebenen 9,60 Euro schützten nicht vor Altersarmut. Der Mindestlohn soll nach bisheriger Rechtslage bis 1. Juli 2022 auf brutto 10,45 Euro steigen. Dann soll er durch die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiter an die Tariflohn-Entwicklung angepasst werden. Birkwald forderte die Anhebung des Rentenniveaus und die Anhebung des Mindestlohns auf 13 Euro. Grüne und SPD wollen im Fall eines Sieges bei der Bundestagswahl den Mindestlohn auf zwölf Euro anheben. Die CDU hatte diese Pläne kritisiert.

Für eine Besserstellung der Geringverdienenden forderte Birkwald, dass sich Deutschland an einem Entwurf für eine EU-Mindestlohnrichtlinie orientieren solle. Als Richtschnur ihrer im Herbst vorgelegten Vorschläge sieht die EU-Kommission, dass Geringverdienende überall in der EU mindestens 50 Prozent des Durchschnittslohns oder 60 Prozent des sogenannten Medianlohns im eigenen Land bekommen sollen. Heil hatte die Vorschläge im Oktober begrüßt.


Aus: "Zahl der Senioren in Grundsicherung steigt auf Höchstwert" (24. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-05/rente-grundsicherung-senioren-grundrente-lebensunterhalt

QuoteThinkThrice #2

Das hat natürlich ÜBERHAUPT nichts mit einem jährlich sinkenden Rentenniveau bei Neu-Rentnern bei gleichem Einkommen wie Vorjahres-Neurentnern zu tun.
Warum sollte es auch?


QuoteHansi Bärchen #2.1

Ist die Frage nicht schon Agenda2010-Blasphemie?


QuoteBratan187 #2.3

"Ist die Frage nicht schon Agenda2010-Blasphemie?"

Die Agenda 2010 wurde vor mehreren Legislaturperioden umgesetzt und hat auch seinen Zweck mal mehr mal weniger gut erfüllt.
Die Union hatte nun 16 Jahre Zeit für Reformen.


Quote1971koepi #21

Quatsch! Deutschland geht es so gut wie nie. Der ausgeweitete Niedriglohnsektor hat uns da hin katapultiert wo wir hingehören, ganz nach oben. Hört auf uns diesen Erfolg kaputtzureden.


Quotebernd5667 #36

Vielen Dank an Gerhard Schröder, Peter Hartz, Walter Riester Gerd Rürup.
Dank Eurer Politik geht es uns heute im Durchschnitt allen besser.


QuoteBruceWayneInteressierts #36.3

Bitte nicht vergessen - Arbeitslosenquote Deutschland:
1998 - 12,3 % (Ende Ära Kohl)
2020 - 6,5 %

So manche Weichenstellung durch Rot/Grün scheint funktioniert zu haben. Auch wenn man sicher über einiges diskutieren kann.


Quote1971koepi #36.7

Die zwei Heinis von der IZA schreiben 2005 ein Loblied auf die Agenda2010.
Lobbyismus pur. 'Neue soziale Marktwirtschaft' lässt grüßen.


QuoteCharles B #40

Und wen da noch nicht das große Kotzen überkommt, der braucht sich nur noch mal die Nachricht vor Augen führen, dass die Milliardäre ihr Vermögen im letzten Jahr verdoppelt haben.


QuoteDer Kampf gegen die Dummheit hat gerade erst begonnen #40.2  —  vor 3 Stunden

Sie schreiben: "Nachricht vor Augen führen, dass die Milliardäre ihr Vermögen im letzten Jahr verdoppelt haben"
Korrekt wäre die Darstellung, dass aufgrund stark einbrechender Kurse und Unternehmenswerte zunächst ein sehr großer Vermögensverlust zu Buche stand, der dann ab dem zweiten Quartal 2020 wieder dank der Erholung aufgeholt wurde. Wenn ich zunächst 50% verliere und dann 100% Gewinne, dann bin ich wieder bei der Ausgangsposition. Sie sollten also nicht nur isoliert die 100% Gewinn betrachten.


Quotesommertunnel #44

Leider sehe ich viele Frauen, welche die Fehler ihrer Mütter wiederholen, ein paar Jahre Hausfrau, dann Teilzeit mit maximal 20 Wochenstunden. Woher soll die Rente kommen? Um weitläufig auf den Ehemann zu bauen werden zu viele Ehen geschieden.


QuoteSofia Peters #52

Seit langem ist klar: DIE DEUTSCHEN RENTEN SIND ZU NIEDRIG!
Dies stellt übrigens auch die OECD seit Jahren fest: Deutschland - der Exportweltmeister hat eines der niedrigsten Rentenniveaus aller 27 EU-Länder (siehe: Pensions at a Glance 2017 und 2019).
Durchschnittsrentner in D. 1.040 € - dagegen in Österreich 1.820 € -in der Schweiz 2.010 €!
Eine ernsthafte Diskussion warum die Pensionen der Beamten und Politiker ein Vielfaches dessen betragen und wie man in Großstädten mit 1040 € zur echt kommt, sucht man vergebens - sowohl in der Presse als auch bei den Talkshows - geschweige denn im Bundestag.
Dadurch das Politiker ihre Rente nicht aus dem allgemeinen, gesetzlichen Rentensystem erhalten, findet auch eine Entsolidarisierung mit den 17 Millionen Rentnern statt. Der Bezug zu denen, die die Politiker vertreten sollten geht noch mehr verloren.
Es ist auch völlig hanebüchen weshalb die SPD unter Schröder zusammen mit CDUCSU und Grünen die gesetzliche Rente dermaßen beschnitt, die Beamten und Politiker-Pensionen und Diäten jedoch in immer neue Höhen trieb.
Richtig grausam wird es, wenn ma folgende Tatsachen einbezieht:

Median-Vermögen:
Deutschland: 35.000€
Italien: 91.000€
Frankreich: 101.000€

Wohneigentumsquote:
Deutschland:51%
Italien: 72%
Frankreich: 65%

Rentenniveau (% des mittleren Nettoeinkommens):
Deutschland: 48,1%
Italien: 93,2%
Frankreich: 74,5%

Renteneintrittsalter:
Deutschland: 67 Jahre
Italien: Frauen, 58 Jahre, Männer, 62 Jahre
Frankreich: 62 Jahre


QuoteLelyveld #52.3

... Hoeren Sie auf mit dieser Neiddebatte.


QuoteMubahay #61

"Der Stundenlohn, der für eine vergleichbare Rente nötig ist, liegt über dem Mindestlohn"

Das ist jedem Politiker seit Jahren bekannt!


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Berliner CDU hat am Mittwoch vor dem Berliner Abgeordnetenhaus ihre erste größere Wahlkampagne gestartet. Mit einer Plakataktion will Landeschef und Spitzenkandidat Kai Wegner zum Widerstand gegen das Enteignungsvolksbegehren ,,Deutsche Wohnen und Co enteignen" aufrufen. Die Groß-Plakate sollen an 100 Standorten in der Stadt verteilt werden.

,,Massenenteignungen schaffen keine einzige neue Wohnung und senken keine Miete - kosten den Steuerzahler aber Milliarden", sagte Wegner am Mittwochvormittag. Stattdessen würden die Christdemokraten auf einen Dreiklang aus einer Neubauoffensive in allen Preissegmenten, sozialen Leitplanken und einem Berliner Mietergeld setzen. ,,Diesen Dreiklang wollen wir in einem Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen umsetzen", sagte Wegner.

Den von der SPD ausgehandelten Deal mit der Vonovia bezeichnete selbst der CDU-Kandidat nur als ,,ersten Schritt". Wegner sagte: ,,Er darf aber nicht auf den Rückkauf von 20.000 Wohnungen verkürzt werden, sondern muss unter anderem Maßnahmen zur Begrenzung von Mietsteigerungen, zur Ankurbelung des Neubaus und zur Vermeidung von Obdachlosigkeit enthalten."

Die Bürgerinitiative für die Enteignung großer Wohnungskonzerne hat unterdessen schon 197.000 Unterschriften gesammelt. Das teilte die Landeswahlleitung am Mittwoch nach dreimonatiger Sammlung mit. Auf dem Papier hat die Initiative damit das Quorum von 175.000 Unterschriften für einen Volksentscheid bereits erreicht.

In der Praxis jedoch noch nicht: Denn laut Wahlleitung liegt die Quote der ungültigen Unterschriften nach Prüfung in den Bezirkswahlämtern bei 29,9 Prozent. Knapp 140.000 eingereichte Unterschriften wurden dort bereits überprüft. Die Initiative will in den kommenden vier Wochen deshalb mindestens 250.000 Unterschriften sammeln.

Die Initiative sieht sich nach der Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia bestätigt. Mit-Initiator Rouzbeh Taheri sagte dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint in einem Interview: ,,Erst mal ist die Nachricht eine Freude für uns, weil wir einen Dax-Konzern in die Knie gezwungen haben. Die Deutsche Wohnen flüchtet zu Vonovia aus Angst vor einer Mieter-Initiative."

Die Zugeständnisse der Vonovia an seine Mieter und das Land Berlin sieht Taheri als nicht ausreichend an. ,,Die Zugeständnisse sind für uns ein Teil-Erfolg, aber bei Weitem nicht genug. Die Konzerne können sich für eine Weile einen Schafspelz überziehen, werden dadurch aber nicht zu Vegetariern."

Zuvor hatte Vonovia auf einer Pressekonferenz am Dienstag angekündigt, die Mieten in den kommenden drei Jahren jeweils um maximal ein Prozent zu erhöhen, danach bis 2026 maximal um die Rate Inflation. Außerdem sollen 20.000 Wohnungen, überwiegend in den Außenbezirken, an das Land Berlin verkauft werden. Grüne und Linke kritisieren die SPD dafür, den Deal ohne vorherige Absprache und klare Regeln über die Bühne gebracht zu haben. (mit dpa)


Aus: "Berliner CDU startet Anti-Enteignungs-Kampagne" Julius Betschka (26.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/dw-enteignen-sammelt-fast-200-000-unterschriften-berliner-cdu-startet-anti-enteignungs-kampagne/27224814.html

Quotecheckpoint 19:48 Uhr
Ja, diese Strategie ist folgerichtig. Wer wie die CDU 800.000,- Euro Spenden von Christoph Gröner in Empfang nimmt, kann sich "natürlich" nicht gegen die Interessen der Immobilienwirtschaft stellen.

...


-

Quote[...]  Christoph Gröner sagt, er will wirtschaftsfreundliche Politik unterstützen. Die CDU nennt ihn einen ,,guten Mann". ... Die Spendensumme ist ein warmer Regen für die Berliner CDU, kann sie doch davon etwa ein Drittel ihres Etats für das Wahlkampfjahr abdecken. Gleichzeitig platzt die Veröffentlichung in eine Zeit, in der die Partei durch die windigen Geschäfte mehrerer Bundestagsabgeordneter mit Corona-Masken unter mächtigem Druck ist.

Doch warum spendet Christoph Gröner so viel Geld? Will er sich damit politisches Wohlwollen erkaufen?

,,Wir Unternehmer sind mächtiger als die Politik. Weil wir unabhängig sind." Das sagte Gröner in dem dreiteiligen Film ,,Die Reichen und die Mächtigen: Wer regiert Deutschland?", den der Westdeutsche Rundfunk im Jahr 2018 ausstrahlte. Dazu gefragt, sagte Gröner: ,,Ja, ich würde gerne in die Politik gehen. Ich gründe gerade eine Partei."
Heftige Kritik von SPD und Grünen

Daraus wurde, soweit bekannt, nichts. Aber die Aussagen haben sich eingeprägt. Zum Beispiel bei SPD-Chef Raed Saleh. Auf Anfrage der Berliner Zeitung wiederholte er am Freitag, was er vor einigen Wochen zu dem Thema schon einmal gesagt hat: ,,Herr Gröner wollte eine eigene Partei gründen, jetzt hat er für die Berliner CDU 800.000 Euro bezahlt." ...

Seine Spende an die CDU erklärt Christoph Gröner nun mit der ,,Überzeugung, dass nur bürgerliche und wirtschaftsfreundliche Politik Berlin helfen kann, die aktuelle Situation zu verbessern", wie er in einer Stellungnahme schreibt, die der Berliner Zeitung vorliegt. Politische Arbeit und politische Vielfalt seien gerade in der Hauptstadt wichtig. ,,Und gerade die demokratischen Parteien brauchen heute unsere Unterstützung, um Extremismus, Hass und Ideologien vorzubeugen."

Im Übrigen empfinde er in seiner Rolle als Unternehmer gesellschaftliche  Verantwortung, so Gröner. Sein Schwerpunkt sei die Kinder- und Jugendhilfe. Allein 2020 habe er persönlich mehr als eine Million Euro an verschiedene soziale, karitative und kulturelle Vereine und Initiativen gespendet.

Für CDU-Generalsekretär Stefan Evers ist Christoph Gröner ,,ein guter Mann", wie er am Freitag auf Anfrage der Berliner Zeitung sagt. Er habe Gröner als einen Unternehmer erlebt, der ,,ein klares Bild von der Stadt" habe. Gröner störe sich an der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft und suche das Verbindende.

Das passt durchaus zur Berliner CDU. Die sieht vor allem bei der Bau- und Wohnungswirtschaft seit Jahren beinharte Ideologen im Senat am Werk. Statt Konfrontation wie Mietendeckel oder Enteignungsinitiative müsse die gesamte Branche an einen Tisch geholt werden. Es müsse mehr gebaut werden, nach Vorstellungen der CDU übrigens auch mehr günstige Wohnungen.

Doch natürlich weiß auch Evers, dass Großspenden immer heikel sind – und solche von jemandem wie Gröner erst recht. Selbstverständlich habe er genau geprüft, ,,ob einer von uns irgendwo irgendeinen Bebauungsplan von ihm entscheiden könnte". Evers fand nichts. Und nicht nur deswegen sagt er: ,,Wir als CDU sind ganz mit uns im Reinen, sonst hätten wir es nicht gemacht."

...


Aus: "Warum spendet ein Bauunternehmer der CDU fast eine Million Euro?" Elmar Schütze (12.03.2021)
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/warum-spendet-ein-bauunternehmer-der-cdu-fast-eine-million-euro-li.145773

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sie wird einmal viele Millionen erben. Das weiß Marlene Engelhorn seit zwei Jahren. Damals teilte ihre mittlerweile 94-jährige Großmutter ihre Erbschaftspläne mit. Seither überlegt die Enkelin, wie sie 90 Prozent ihres Anteils loswird: Sie will fast ihr gesamtes Erbe spenden, "weil in Österreich Vermögen und damit Macht und Lebenschancen wahnsinnig ungerecht verteilt sind", sagte die Wiener Germanistikstudentin unlängst in der ORF-Sendung Aktuell nach eins: "Ein Prozent der Bevölkerung hält 40 Prozent des Vermögens. Ich werde dazugehören – und ich habe dafür nicht arbeiten müssen." Sie trage "die Verantwortung, dies radikal zu ändern und einen Beitrag zu leisten, der sinnvoll ist".

Es geht, wie der Falter schreibt, um einen zweistelligen Millionenbetrag. Das Vermögen von Erblasserin Traudl Engelhorn-Vechiatto, die in der Schweiz lebt, beläuft sich laut Forbes aktuell auf 4,2 Milliarden Dollar. Die aus Wien stammende Witwe des 1991 verstorbenen Peter Engelhorn, der Gesellschafter des Pharmaunternehmens Boehringer Mannheim (heute Roche) war, ist selbst aktive Mäzenin, die sich mit ihren vier Töchtern massiv für Kultur und Wissenschaft, da vor allem im Bereich Biotechnologie und Life-Sciences, engagiert.

Enkelin Marlene sieht in dem Anteil, der davon an sie gehen wird, einen "riesigen Handlungsspielraum", den ihr ihre Oma eröffne, der aber auch auf "schierem Geburtenglück" basiere, weshalb sie "radikal teilen" will. Eigentlich sollte der Staat "das oberste Prozent in die Pflicht nehmen".

Dafür kämpft sie mit gleichgesinnten jungen Reichen sowie mit den Millionaires for Humanity, die höhere Steuern für ihresgleichen fordern. Sie sagt dort: "Wir brauchen eine Umverteilung von Reichtum, Land und Macht, und wir brauchen einen transparenten und demokratischen Prozess – für mich bedeutet das: Vermögenssteuern."

Bei der in Berlin angesiedelten Guerrilla Foundation, die Initiativen unterstützt, "die auf einen umfassenden systemischen Wandel in ganz Europa hinarbeiten", wird die angehende Philanthropin als "intrepid intern" (unerschrockene Praktikantin) geführt, die neben der Uni Sprachunterricht gibt und in Schulen LGBTQI+-Workshops abhielt.

Zudem hilft sie als Obfrau des 2014 gegründeten Vereins Holzkiste in der Republik Moldau Menschen mit weniger Geburtsglück: 260 Familien konnte die Gruppe mit Brennholz, Kleidung und Winterschuhen buchstäblich "Wärme spenden". 150 Euro "reichen" für Holz für einen ganzen Winter. (Lisa Nimmervoll, 29.4.2021)


Aus: "Marlene Engelhorn: Von einer, die ihr Millionenerbe teilen will" Lisa Nimmervoll (29. April 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126244498/marlene-engelhorn-die-ihr-millionenerbe-teilen-will

Quote
Denk_Mal 29. April 2021, 07:18:39

Ich finde diese Entscheidung hat Respekt verdient und ist ein Zeichen dafür, dass Menschen ihre Verantwortung in einer ungleichen Gesellschaft erkennen können. Ich hoffe sie bleibt bei ihrer Entscheidung wenn es soweit ist.


...

Quote[...] Die 29-jährige Wienerin erklärt, warum sie mindestens 90 Prozent ihres Erbes spenden und keinesfalls als Philanthrokapitalistin à la Gates und Co enden will

Interview: Lisa Nimmervoll (23. Mai 2021)

STANDARD: Sie werden einmal sehr viel Geld erben – und sagen schon jetzt: Will ich nicht, so viel brauche ich nicht, ich will fast alles spenden. Warum?

Engelhorn: Das ist in meinen Augen keine Frage des Wollens, sondern eine Frage der Fairness. Ich habe nichts getan für dieses Erbe. Das ist pures Glück im Geburtslotto und reiner Zufall. Die Menschen, die das eigentlich erarbeitet haben, hatten in der Regel wohl nicht sehr viel davon. Es kommt somit eigentlich aus der Gesellschaft, und dorthin soll es zurück. Als die Ankündigung kam, habe ich gemerkt, ich kann mich nicht so recht freuen, und ich habe mir gedacht: Etwas stimmt nicht, es muss was passieren! Mir fällt da immer Bertolt Brecht ein: "Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich." Dann habe ich begonnen, mich ernsthaft damit zu beschäftigen. Das reichste Prozent der österreichischen Haushalte besitzt fast 40 Prozent des gesamten Vermögens. Individueller Reichtum ist in unseren Gesellschaften strukturell mit kollektiver Armut verknüpft. Da wollte ich nicht mitmachen.

STANDARD: Dieses Vermögen Ihrer Familie bildet ja doch auch in gewisser Weise zumindest ein Stück weit auch die Leistung Ihrer Vorfahren ab, die etwas gegründet und viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Können Sie das irgendwie auch anerkennen oder sagen Sie: Die Relationen stimmen einfach nicht. Es ist einfach zu viel, was den Eigentümern geblieben ist, und zu wenig, was die arbeitenden Menschen davon bekommen haben?

Engelhorn: Mein voraussichtliches Erbe spiegelt in keinster Weise wider, was eine Einzelperson geleistet haben mag oder nicht. Da kann ein Manager in seinem Büro die besten Entscheidungen treffen, auf ihn allein kommt's nicht an. Wenn es niemanden gibt, der die Produkte erfindet, erarbeitet, rumtüftelt, verkauft, dann gibt's keinen Gewinn. Wir arbeiten in unserer Gesellschaft arbeitsteilig, anders würde es gar nicht funktionieren, und dass einige so viel erwirtschaften können, wie andere durch Erwerbsarbeit niemals bekommen, spiegelt nur wider, dass wir manche Arbeiten als wertvoller erachten. In der Regel ist das die Arbeit von jenen, die ohnehin schon reich sind, und von sich behaupten, ihre Arbeit sei wichtiger. Dann liegt das Geld meist seit Jahren in Anlagen herum und wird von alleine mehr, da muss man nur warten, während andere Menschen jeden Tag arbeiten und besteuert werden.

Wer 11.000 Euro Nettoeinkommen pro Jahr hat, zahlt 20 Prozent Steuern – und dann bekomme ich wahrscheinlich ein Vermögen von mehreren Millionen und muss nichts dafür zahlen. Dabei habe ich nichts dafür getan. Und das soll richtig sein so? Ich bin wahnsinnig privilegiert, ich bin dafür dankbar, ich bekomme dadurch auch viel Freiheit. Auch die Freiheit, mir die Zeit zu nehmen, mich damit auseinanderzusetzen. Das ist ein Riesenluxus, aber auch eine Verantwortungsfrage, und meine Verantwortung ist, dass ich der Gesellschaft etwas zurückgebe. Wenn der Status quo ist, dass man mit Eigentum machen kann, was man will, fast alles, dann darf ich das auch – und ich will es teilen, weil ich mich als Teil der Gesellschaft sehe.

STANDARD: Was sagt eigentlich Ihre Großmutter dazu, dass Sie öffentlich verkünden, Ihr Erbe zu verschenken, noch bevor Sie es überhaupt bekommen haben?

Engelhorn: Meine Großmutter eröffnet mir damit einen riesigen Handlungsfreiraum, den ich jetzt nutzen möchte, um den einen öffentlichen Diskurs ein wenig aufzumachen: Ich habe für das Geld keinen Tag gearbeitet und zahle für den Erhalt keinen Cent Steuer. Das kann es doch nicht sein. Besteuert mich endlich! Salopp formuliert: Wenn's bis dahin keine Erbschafts- oder Vermögenssteuer gibt, mache ich mir halt selber eine. Und wenn das dabei hilft, viele Menschen für gerechtere Steuern zu begeistern, war es jeden Cent wert.

Mir wäre wichtig, dass man das Thema einmal an einem Beispiel ausdiskutieren kann, und mein Beispiel bietet sich an: Wenn Reiche immer im Verborgenen bleiben, dann bleibt eben auch die himmelschreiende Ungerechtigkeit abstrakt. Auch stellvertretend für viele andere in meiner Lage, die selber nicht in die Öffentlichkeit wollen, von denen ich aber viel Zuspruch erhalte.

STANDARD: Dieser Schritt in die Öffentlichkeit hat ja auch einen Preis. Nicht umsonst legen viele Reiche größten Wert auf Anonymität und Privatsphäre. Wie gehen Sie mit Neid oder sonstigen Angriffen, aber auch "Bettelbriefen", die Sie sicher bekommen, um?

Engelhorn: Ich lebe trotzdem sehr bequem. Wenn Vermögen gerecht verteilt wäre, hätten wir das Problem in der Form gar nicht, dann gäbe es keine "überreichen" Menschen, die systematisch einen Teil der eigenen Identität verbergen.

Ganz wichtig: Ich bekomme keine "Bettelbriefe". Mir schreiben Menschen in unglaublich schwierigen Lebenssituationen, die sich ein Herz fassen und sich an mich wenden. Diese Bitten um Unterstützung sind voller Respekt, und auch wenn es mir leid tut, dass ich ihnen Absagen schicke, es sind auch viel zu viele, so ist der Punkt doch der: Es sollte nicht meine Aufgabe sein. Menschen sollten sich nicht meinem Willen oder Wohlwollen ausliefern müssen. Irgendwer hat diese Menschen mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen. Ich würde sagen, die Gesellschaft, die Politik, die das nicht anders geregelt hat, wäre da in die Verantwortung zu nehmen. Wobei da auch die Frage ist: Wer macht die Politik und wer kann sich Einfluss auf sie kaufen? Das können Menschen wie ich.

STANDARD: Wie?

Engelhorn: Ich könnte ja auch nicht in die Öffentlichkeit gehen mit meinen Anliegen für mehr Steuergerechtigkeit, sondern in ein Hinterzimmer laden. Ich könnte es mir ganz leicht machen und mit großzügigen Spenden dafür sorgen, dass eine Partei tut, was mir wichtig ist. Da wäre ich bei weitem nicht die Erste, und solange wir diese Praxis nicht abstellen, ist klar: Meine Stimme ist mehr wert als ihre. Mit Demokratie hat das aber nichts mehr zu tun. Das ist neofeudalistisch. Wer das akzeptiert, sogar gut findet, jedenfalls aber an der extremen Vermögenskonzentration nichts ändern will, ist im Kern kein echter Demokrat. Für mich geht es aber genau um diese demokratische Verantwortung und gesellschaftliche Verbundenheit. Es ist banal: Wir müssen füreinander da sein in einer Gesellschaft, weil sonst sind wir keine Gesellschaft.

STANDARD: Sie sind beim internationalen Netzwerk "Millionaires for Humanity", das im Vorjahr in einem offenen Brief die Regierungen um höhere Steuern für ihresgleichen gebeten hat: "So please. Tax us. Tax us. Tax us. It is the right choice. It is the only choice. Humanity is more important than our money." Wie viel sollte man den Reichen über Vermögenssteuern wegnehmen?

Engelhorn: Mit Wegnehmen hat das nichts zu tun. Wieso fragen wir nicht, wo das Geld herkommt? Wer hat es erwirtschaftet? Ein Mensch ganz allein? Alexandria Ocasio-Ortez, demokratische US-Kongressabgeordnete, hat es wunderbar gesagt: "Every billionaire is a policy failure." Jeder Milliardär ist ein politisches Versagen. Es ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, herauszufinden, wie wir das regeln. Die Konzepte müssen wir als Gesellschaft diskutieren. Es gibt ja Expertinnen und Experten dafür. Thomas Piketty etwa, der französische Ökonom, meint, fünf Prozent des Staatshaushalts sollten aus Vermögens- und Erbschaftssteuern lukriert werden, und daraus sollte jede Person zum 25. Geburtstag 120.000 Euro als kollektives Erbe erhalten.

STANDARD: Pikettys Modell sähe eine extreme Steuerprogression vor. Für Vermögen oder Erbschaften in Höhe des 10.000-Fachen vom Durchschnittsvermögen wären 90 Prozent Steuern zu entrichten. Mit 200 Millionen von einem Zwei-Milliarden-Vermögen lasse sich immer noch gut leben, sagt er.

Engelhorn: Da hat Piketty verdammt recht. Sein Vorschlag hat im Blick, dass Geld eben mehr ist als die Möglichkeit, Dinge zu kaufen. Mit Geld kommt Handlungsfreiheit: Mit so einer Rücklage traut man sich eher, ein Unternehmen zu gründen oder Kunst zu machen. Oder aber man kann es sich locker leisten, eine Partei über Spenden zu finanzieren oder kauft sich die größte Zeitung eines Landes. Es geht immer um Lebenschancen, aber am Ende ist es eben auch eine Machtfrage.

Wieso ist es der Alleinerzieherin mit Teilzeitjob zumutbar, dass sie auf ihr geringes Einkommen mindestens 20 Prozent Steuern zahlt, und jemand wie ich bekommt ein Vermögen geschenkt? Einfach so. Null Prozent Steuern. Das ist unfair. Man kann auch teilen, und das tut gut. Es hat mit Verantwortung und Respekt zu tun, und, ein kitschiges Wort, das mir aber am Herzen liegt: Nächstenliebe. Ich wünsche mir, dass es auch meinem Nachbarn gut geht, einfach so, weil er ein Mensch ist.

STANDARD: Sie bereiten sich jetzt systematisch darauf vor, wie Sie Ihr angekündigtes Erbe am besten oder am "sinnvollsten" teilen können. Wie wollen Sie das machen und welche Kriterien sind für Sie dabei wichtig?

Engelhorn: Hier fängt das Problem an. Ich darf mir das ganz allein überlegen, was mit dem Geld passiert. Die Gesellschaft sollte sich aber nicht darauf verlassen müssen, dass einzelne Superreiche ihr gegenüber wohlwollend eingestellt sind, das ist Neofeudalismus: gönnerhaft von oben herab spenden. Ich tausche mich mit anderen aus, lerne, so viel ich kann, schaue mir an, was funktioniert und was nicht. Für mich ist der Einsatz für Steuergerechtigkeit sehr wichtig, denn die Frage, wie wir Reichtum und damit Macht verteilen, berührt das Herz der Demokratie.

STANDARD: Inwiefern?

Engelhorn: Jede Demokratie kann extrem konzentrierten Reichtum nur bis zu einem gewissen Punkt ertragen. Die Frage, wie wir damit umgehen, dass manche Menschen zu reich sind, wie etwa auch in meinem Fall, also nicht nur über Vermögen, sondern potenziell über extrem viel Macht verfügen, ist doch eine, die nicht verschwindet, nur weil wir sie nicht stellen.

Noch bin ich nicht reich, ich würde mir wünschen, dass es nicht meine Entscheidung ist, wie viel ich abgebe. Mein Wunsch wäre, dass wir das dann als demokratische Gesellschaft transparent ausverhandelt haben und dass wir uns das holen, was zu viel ist. Nicht im Sinne von Wegnehmen, sondern weil wir uns einig sind, wie viel zu viel ist in einer und für eine Demokratie. Und wie wir es teilen wollen, weil wir wissen, wo es gebraucht wird.

Wir können ja an dieser Demokratie weiterbasteln. Es gibt gute Ideen wie etwa die Bürgerräte in Irland zur Abtreibungsgesetzgebung oder zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder den Klimakonvent in Frankreich. Partizipativer wäre auch wichtig, weil unsere repräsentative Demokratie so designt ist, dass in der Regel mittelalte bis alte weiße Herren mit akademischem Abschluss im Parlament sitzen. Im Parlament sitzt ein einziger Arbeiter, obwohl jeder vierte Beschäftigte in Österreich Arbeiter oder Arbeiterin ist. Welches Volk wird da vertreten? Auch da sollten wir ansetzen, damit diese Macht breit zugänglich wird und alle mitentscheiden dürfen, wie die Gesetze gemacht werden, nach denen wir regiert werden. Dann hätten wir wahrscheinlich auch andere Gesetze und andere Verteilungsfragen.

STANDARD: Ein Weg für Menschen, die sich selbst als "zu reich" empfinden, ist Philanthropie, was "allgemeine Menschenliebe" bedeutet. Sind Menschen wie Bill und Melinda Gates, die mit 46,8 Milliarden Dollar die größte Privatstiftung der Welt verwalten und sich etwa der Bekämpfung von Malaria und Kinderlähmung widmen, oder MacKenzie Scott, Exfrau von Amazon-Gründer Jeff Bezos, die im Corona-Jahr 4,2 Milliarden Dollar an 384 Hilfsorganisationen gespendet hat, Vorbilder für Sie?

Engelhorn: Philanthropie als Übergangsphase, bis wir bei der Vermögenssteuer sind. (lacht) Nein, auf gar keinen Fall. Davon will ich mich ganz dringend distanzieren. Wenn Privatpersonen so viel geopolitische Macht bündeln, ist das hochproblematisch, undemokratisch und brandgefährlich. MacKenzie Scott hat in kürzester Zeit das, was sie so großzügig hergegeben hat, über ihre Kapitalerträge aus ihren Amazon-Anteilen wieder erwirtschaftet, und Amazon, wissen wir, beutet Menschen und Klima systematisch aus. Das ist total unehrlich.

Es kann nicht sein, dass man zuerst weltweit an allen Ecken und Enden Steuern spart und dann demonstrativ wohltätig wird und einen Bruchteil des Vermögens spendet. Ganz oft sind diese Stiftungen nichts anderes als eine Möglichkeit, Vermögen zu verschleiern. Da wird mit einem winzigen Teil des Kapitals ein bisschen wiedergutgemacht, was diese großen Anlagen an Mist verbocken. Das ist Philantrokapitalismus. Es ist einfach nicht in Ordnung, dass wir abhängig sind vom Wohlwollen der Superreichen.

STANDARD: Von Fjodor Dostojewski stammt der Satz: "Geld ist geprägte Freiheit." Was löst er bei Ihnen aus?

Engelhorn: Ja, mit Geld kann man sich Freiheiten erkaufen, man ist frei von Hunger oder Not, zumindest für eine kleine Weile. Aber Dostojewski hat das in den "Aufzeichnungen aus einem Totenhaus" geschrieben, er war selbst politischer Häftling in einem sibirischen Lager, wo er Zwangsarbeit verrichten musste. Was er gemeint hat, hat nichts mit dem zu tun, was meine finanzielle Lage darstellt. Der Satz, der besser zu mir passt, ist: "Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind."

STANDARD: Er stammt vom anarchistischen deutschen Schriftsteller Erich Mühsam, der 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde. Aber was bedeutet Geld an sich für Sie?

Engelhorn: Ich will nicht leugnen, dass Geld notwendig und hilfreich sein kann, sonst würde ich ja auch die Macht von Geld leugnen, wenn es in unvorstellbarer Größenordnung da ist. Sie wissen, eine Münze hat zwei Seiten. Welche ist die richtige: Kopf oder Zahl? Mir bedeuten Menschen einfach grundsätzlich mehr als Geld, darum will ich es teilen.

STANDARD: Wo ziehen Sie für sich persönlich die Grenze, wo Sie sagen, bis da erfüllt Geld auch für mich die Funktion, mir gewisse Freiheiten und ein gutes, materiell nicht prekäres Leben zu ermöglichen? Wie viel gestehen Sie sich selbst zu?

Engelhorn: Ich will mindestens 90 Prozent abgeben. Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Das sind wichtige Fragen, vor allem politische Aufgaben. Ich persönlich bin schon abgesichert, und ich bin mir auch nicht zu schade, zu arbeiten. Momentan stecke ich alles, was ich an Arbeitskraft habe, in die Auseinandersetzung mit diesem Thema und den Einsatz für Steuergerechtigkeit und hoffe, dass das irgendwann gegessen ist, weil die Politik auf ihren Souverän hört: Umfragen zeigen uns ja, die Mehrheit der Menschen findet die Idee, Superreiche zu besteuern, gar nicht schlecht. (lacht) Und wenn das geschafft ist, gehe ich arbeiten. Das wird vielleicht nicht superleicht sein, weil ich dann eine Lücke im Lebenslauf habe. Aber es ist mir wichtig, dass ich mir mein Geld erarbeite wie jeder andere auch.

STANDARD: Glauben Sie, dass Sie ohne Geld oder mit viel weniger Geld freier und/oder glücklicher wären? Oder ist das der romantisch-stilisierte Selbsttrost derer, die nicht reich sind?

Engelhorn: Geld allein macht weder meine Freiheit noch mein Glück aus. Ich brauche natürlich auch Geld, um abgesichert zu sein, um meine Ausgaben zu decken, um ein angenehmes Leben zu haben. Aber das Wichtigste ist: Geld kauft mir keine ehrlichen Beziehungen und keinen Respekt. Das muss ich mir als Mensch erarbeiten, und das will ich auch. Und ich will nicht, dass mir da Geld im Weg steht, quasi als Mauer zwischen mir und den anderen, und ich ihnen deshalb nicht nah sein kann in anderen Belangen.

STANDARD: Was, wenn Sie Ihren großen Erbverzicht in ein paar Jahren vielleicht bereuen und sagen: "Ach, hätte ich doch damals nicht ..."?

Engelhorn: Ich habe das für mich persönlich konsequent zu Ende gedacht. Ich setze mich dafür ein, dass ich als Teil der Gesellschaft einen Beitrag leisten darf. Ich will teilen. Punkt.

STANDARD: Zum Schluss noch Frage Nummer fünf aus Max Frischs Fragebogen zum Thema Geld: "Wie viel Geld möchten Sie besitzen?"

Engelhorn: Gerade so viel, dass ich meine Grundbedürfnisse gut abdecken kann und die eine oder andere Freude.

Marlene Engelhorn (29) studiert Germanistik an der Uni Wien, konzentriert sich derzeit aber vor allem darauf, sich inhaltlich und strukturell darauf vorzubereiten, ihr künftiges Erbe einmal fast zur Gänze möglichst sinnvoll umzuverteilen. Dazu vernetzt sie sich mit gleichgesinnten Vermögenden und jungen Erbinnen und Erben, die sich für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Macht einsetzen, etwa die Millionaires for Humanity. Aktuell arbeitet sie als Volontärin bei der Guerrilla Foundation mit Sitz in Berlin, die Initiativen unterstützt, die auf einen umfassenden systemischen Wandel in Europa hinarbeiten.


Aus: "Millionenerbin Marlene Engelhorn: "Besteuert mich endlich!"" Lisa Nimmervoll (23.5.2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000126792517/millionenerbin-marlene-engelhorn-besteuert-mich-endlich

Quote
Gerhard_L

Sie nervt - Sie kann doch einfach anonym spenden. Warum muss sie uns mit ihrer offensichtlichen Geltungssucht nerven?


Quote
XredrumX

Haben Sie das Gelesene nicht verstanden, oder habens das Interview erst garnicht gelesen?


Quote
Fehlfarbe

solche postings wie ihres nerven. weil sie nicht kapieren worum es geht. es geht darum politische forderungen sichtbar zu machen. eine andere art von gesellschaft zur diskussion zu stellen. das tut man für gewöhnlich nicht im stillen kämmerlein.



Quote
inDubeo
23. Mai 2021, 07:28:18

... Ich kann gar nicht glauben, dass ich das gerade gelesen habe. Die Einstellung im teilweise vermögenden Freundeskreis ist eher..."naja die sind ja selber Schuld dass nix ham..bin ja nicht die Caritas" Oder "Warum soll ich Steuern zahlen, da hat ja schon mal wer Steuern gezahlt"


Quote
Atlantico1

Was ich nicht verstehe, sie redet über ein Vermögen, über das sie heute noch nicht verfügt.


Quote
Isegrim1

So sind die Linken.


Quote
senf & co

Zu dieser zukünftigen Erbin war doch erst kürzlich ein Artikel im Standard.
Solange die Frau M.E. noch gar nichts geerbt hat, weil die Erblasserin noch lebt und es sich ja auch noch anders überlegen könnte, ist alles nur Effekthascherei und leeres Gerede. Selbstinszenierung. Mal sehen, wenn es soweit ist, falls sie tatsächlich nennenswerte Werte erbt und was sie dann wirklich macht.
Sie könnte aber auch Verantwortung übernehmen und die Vermögenswerte positiv administrieren, anlegen, Projekte gestalten - was halt alles Arbeit bedeutet.


Quote
die guten waren schon weg

Sie hat eine Debatte angestossen. Haben sie schon mehr zu dieser Thematik beigetragen?


Quote
praetor vertigo

Seriously? Die hat keine Debatte angestoßen, die gab es schon lange vor ihrer eigenen Geburt.


Quote
die guten waren schon weg

Und, haben sie vor einer Woche mit jemandem darüber diskutiert?


Quote
praetor vertigo

Letzte Woche glaube ich nicht (könnte aber trotzdem sein), aber heuer schon mindestens 10-12 mal. Die Argumente wiederholen sich ohnehin.


Quote
die guten waren schon weg

Wenn sie nichts neues beitragen können müssen sie sich ja nicht beteiligen. Aber werfen sie nicht jemand anderem vor, dass er sich für ein wichtiges Thema engagiert.


Quote
praetor vertigo

Wenn für Sie eines der Argumente neu ist, dann haben Sie eben die letzten Jahre verschlafen oder sich schlichtweg nicht für das Thema interessiert. Aber werfen Sie nicht jemand anderem vor, das er die Leier schon hundert mal gehört hat und verkaufen Sie das Vorbringen selbiger Argumente zum tausendsten Mal nicht als relevante Leistung.


Quote
die guten waren schon weg

Sie hatten nichts zu sagen ausser dass sie von der Debatte gelangweilt sind. Und das ist halt für alle anderen belanglos.


Quote
Ehlogisch

Österreich funktioniert eben so - Das Land ist klein, die wirtschaftliche und politische Elite sind recht schnell auf Du und Du und wenn es auch noch eine Regierungspartei gibt, die alles für die Reichen tut, geht alles klar. Lukas Resetarits nennt ja die ÖVP zurecht Milliardärsgewerkschaft.


Quote
ETRO

Sie erklärt gut das Problem mit den Philantropen. Wird leider sehr oft nicht verstanden.


Quote
Retusche

Die Tragödie ist, dass man zwar ihr Geld besteuern kann,
Es wäre aber noch schöner wenn auch von ihren Gedanken etwas auf fruchtbaren Boden fallen würde.
Für mich ist das einer der "politisch reifsten" Menschen von denen ich je gelesen habe.


Quote
Linker Träumer

Wieviel haben ihr die linken Träumer für das Interview gezahlt?


Quote
DrHugo_Z_Hackenbush

Na, nicht kreativ genug Gutmensch zu
verwenden? Immerhin ist linker Träumer Ihr Profilname.


Quote
DerPhilo

Meine Tochter sagt mir, dass ihr Sweatshirt auch nicht gerade von H+M stammt. Was kostet so ein Nobelshirt? 150 oder 200 Euro???? Sachdienliche hinweise.....


Quote
Retusche

Es scheint mir dass sich ihre Tochter ganz offensichtlich intellektuell nicht ganz mit Frau Engelhorn messen kann.


Quote
Warumbloß

Wie kindisch kann man eigentlich noch sein? Wollen Sie nicht lieber ins Krone-Forum wechseln ...


Quote
weizard


Möglicherweise nur als Denkanstoss gemeint...

Die Kommentare mancher Poster wirken überheblich, neidisch, gehässig und werden auch persönlich angriffig . Als grundsätzliche Überlegung gelten die Aussagen von Frau Engelhorn allemal, wenn man bedenkt, wie rasch heutzutage Reichtum ohne *harte Arbeit* entstehen kann! Siehe z. B. Börsenspekulation, absurde Unternehmensbewertungen, fiktive Währungen etc.


Quote
DerGorg

Faszinierend- die Frau sollte Politikerin werden, da sie Intelligenz, Bildung und Integrität mitbringen dürfte und ein unglaublich gutes Vorbild darstellt, auch wenn es leider äusserst unwarscheinlich erscheint, dass unser oberstes Prozent sich ihrem Besispiel anschließen wird.


Quote
Gerd 5775

Mein Gott, wo sind die Politiker, die Frau Engelhorns Ansichten mit Herzblut vertreten?


Quoten--n

Dass ich sowas heutzutage in Österreich lesen darf, das berührt mich jetzt tatsächlich.


...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Versandhändler Amazon ist zu einer Fragerunde des EU-Parlaments, bei der der Konzern seine umstrittenen Geschäftspraktiken erklären sollte, einfach nicht erschienen. Politiker reagierten fassungslos. "Dass Herr Bezos unsere Einladung ignoriert und nicht einmal einen Vertreter entsendet, ist ein Akt unfassbarer Arroganz und eine Missachtung von demokratischen Institutionen", sagte der sozialpolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament, Dennis Radtke, gerichtet an Amazon-Firmengründers Jeff Bezos.

In der öffentlichen Anhörung wollten sich die Parlamentarierinnen ein eigenes Bild davon machen, inwiefern kritische Medienberichte über die Überwachung von Arbeitern bei Amazon zutreffen und ob Praktiken des Konzerns eventuell arbeitsrechtswidrig seien. Zu Beginn der Anhörung hieß es, Amazon habe angekündigt, später schriftlich auf eingereichte Fragen zu reagieren.

Der Konzern steht seit Jahren in der Kritik, Arbeiterinnen systematisch auszubeuten. Laut Berichten von ehemaligen Angestellten und investigativen Reportern werden Mitarbeiter in Paketzentren teils auf Schritt und Tritt elektronisch überwacht, bekommen minimale Löhne und genießen kaum Rechte. Der Versuch, eine Gewerkschaft zu gründen, scheiterte jüngst – unter anderem, weil Amazon die Initiative mit einer harten Gegenkampagne unterwanderte.

Zudem gilt Amazon als marktbeherrschend und das alarmiert Kartellwächter in der ganzen Welt. Im US-Bundesstaat Washington, D. C., klagte die Staatsanwaltschaft den Konzern im Mai an, sich wettbewerbsfeindlich zu verhalten. Amazon würde es Anbieterinnen verbieten, ihre Produkte auf anderen Plattformen günstiger anzubieten. Auch in Deutschland prüft das Bundeskartellamt die Marktposition des Onlinehändlers. Indes hat sich in den USA eine Koalition kleinerer Konkurrenten gebildet, die Amazons Zerschlagung fordert.

Amazon selbst erklärte am Donnerstagabend, es halte sich an geltende Regeln: "Wir respektieren das Recht unserer Mitarbeiter, einer Gewerkschaft oder einer anderen rechtmäßigen Organisation ihrer Wahl beizutreten oder auch nicht beizutreten – ohne Angst vor Repressalien, Einschüchterung oder Belästigung."


Aus: "Amazon ignoriert Anhörung im Europaparlament" (28. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2021-05/amazon-eu-parlament-anhoerung-arroganz

QuoteTomBuilder #2

Spontan hätten die Abgeordneten ja eine Alternative gehabt: 5 Dinge per same-day-Lieferung bestellen und die Paketboten dann zu befragen ;-)
Wäre bestimmt lustig und durchaus auch erhellend gewesen, oder?


QuoteDer Niederbayer #4

Ich habe auch schon mal Einladungen abgelehnt, wenn ich keine Lust hatte.
Das wäre wohl eher ein öffentliches Tribunal als eine Anhörung geworden.


QuoteCyclohexatrien #4.2

Ihnen ist aber schon klar was Sie sagen wenn Sie die Meinung kundtun, Konzerne der Wirtschaft könnten ja nach Lust demokratisch legitimierten Institutionen gegenüber Rechenschaft ablegen, oder auch nicht?


QuoteDer Niederbayer #4.7

"Und wenn schon. Es gibt allen Grund Amazon bis in die Unendlichkeit zu kritisieren, oder nicht?"

... Ihnen persönlich mag das Geschäftsmodell von Amazon nicht gefallen und vielleicht gefällt es auch einigen Parlamentariern nicht, aber das ist kein Grund es zu kritisieren.
Zugegeben, Amazon nutzt die gesetzlichen Möglichkeiten bis ins kleinste Detail zum eigenen Vorteil aus, aber das ist absolut legitim und nichts was man beanstanden könnte.

Wenn die Parlamentarier also etwas kritisieren wollen, dann sollten sie in den Spiegel sehen. Diese Leute haben die gesetzliche Grundlage geschaffen, auf deren Basis Amazon operiert.


QuoteDieter Bohlen #4.10

Lieber Herr Niederbayer,

Amazon schmeißt nagelneue Produkte weg, überwacht seine Mitarbeiter auf Schritt und Tritt, zerstört den Einzelhandel, kommt seiner gesellschaftlichen Pflicht nicht nach und "spart"Steuern uvm. Soso, es gibt also keine Gründe Amazon zu kritisieren?...


Quoteoskarschmitt #5

Wer zahlt, schafft an. Oder; wer das Geld hat, hat die Macht. Das sollten die EU Abgeordneten doch wissen.


QuoteBullit #5.3

Na wenigstens sind Sie so ehrlich Ihre Einstellung gegenüber demokratischen Institutionen klarzulegen. Sie sind also der Auffassung, dass man nur genug Geld braucht und Demokratie und demokratische Institutionen überflüssig sind.


Quoteoskarschmitt #5.5

Sie können sich ihre Unterstellungen schenken. Machen Sie lieber mal die Augen auf. Dann wissen Sie warum die Megacons kaum Steuern zahlen und warum die Politik nach deren Pfeife tanzt.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Jeff Bezos, Elon Musk, George Soros: Sie zählen zu den Reichen in den USA – und zu jenen, die in den zurückliegenden Jahren kaum oder gar keine Einkommenssteuer in den USA gezahlt haben. Das geht aus einem Bericht der Nonprofit-Journalistenorganisation ProPublica hervor. Die Recherche basiert nach Angaben der Plattform auf anonym zugespielten Daten der US-Steuerbehörde IRS zu den Einkommen, Vermögen und Steuerabgaben der reichsten US-Amerikanerinnen und -Amerikaner.

Die Informationen zeigen dem Bericht zufolge nicht nur, welch geringe Beiträge viele extrem Wohlhabende – gemessen an ihren immens hohen Vermögen – an den Fiskus zahlen, sondern auch, wie sehr sie von legalen Steuerschlupflöchern profitieren können.

Wie ProPublica an die vertraulichen Steuerdaten gekommen war, enthüllten die Investigativjournalisten nicht. IRS-Chef Charles Rettig bestätigte bei einer Senatsanhörung in Washington, D. C., dass es "eine Untersuchung gibt". Man werde ermitteln, wie die Daten in die Öffentlichkeit gelangen konnten. Die unautorisierte Weitergabe vertraulicher Regierungsinformationen sei illegal, teilte eine Sprecherin des Finanzministeriums mit.

ProPublica stellte in ihrem Bericht unter anderem die Bundeseinkommenssteuern der 25 reichsten Amerikaner für die Jahre 2014 bis 2018 ihren Vermögenszuwächsen gemäß der Forbes-Milliardärsliste gegenüber und kam zu dem Schluss, dass sich de facto lediglich eine Abgabenquote von im Schnitt 3,4 Prozent ergeben habe.

Demnach habe Amazon-Chef Bezos in den Jahren 2007 und 2011 gar keine Einkommenssteuer gezahlt. Auch Tesla-Chef Musk habe im Jahr 2018 sämtliche Einkommenssteuerzahlungen vermieden. Der Milliardär und frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, der Investor Carl Icahn sowie der Philanthrop und Investor George Soros gehören demnach zu jenen, die im großen Stil Steuervermeidungsstrategien angewandt hätten.

Die Recherche zerstöre den "grundlegenden Mythos des amerikanischen Steuersystems: dass jeder seinen gerechten Anteil beiträgt und die reichsten Amerikaner das meiste zahlen", heißt es in dem Bericht. Ein Sprecher von Soros sagte zu ProPublica, der Investor sei zwischen 2016 und 2018 keine Einkommenssteuer schuldig gewesen, weil er Verluste mit seinen Investments gemacht habe. Bloomberg und Icahn gaben an, sie hätten sämtliche Steuern gezahlt, zu denen sie verpflichtet gewesen seien.

Unternehmer Warren Buffett, der sich immer wieder öffentlich für höhere Steuern für Spitzenverdiener ausspricht, zahlte laut ProPublica von 2014 bis 2018 die geringsten Steuern von den 25 Superreichen. In diesem Zeitraum habe Buffett sein Vermögen um 24,3 Milliarden Dollar erhöht, aber nur ein Einkommen von 125 Millionen Dollar beim Fiskus angegeben und letztlich 23,7 Millionen an Steuern gezahlt. Damit ergebe sich eine "wahre Steuerquote" von 0,1 Prozent.

In einer ausführlichen Erklärung teilte Buffet nach den Veröffentlichungen von ProPublica mit, dass er vorhabe, quasi sein gesamtes Vermögen für wohltätige Zwecke zu stiften. Er glaube, dass sein Geld so nützlicher für die Gesellschaft sei. Buffett bekräftigte aber auch seine Unterstützung für ein faireres Steuersystem zum Abbau von Vermögensungleichheiten in der Bevölkerung. Bezos war laut ProPublica nicht bereit, Stellung zu beziehen. Musk habe auf eine Anfrage lediglich mit "?" geantwortet und dann nicht mehr reagiert.

Die Enthüllungen zeigen den Effekt einer lange bekannten und umstrittenen Eigenschaft des Steuersystems auf. So ergibt sich der Reichtum von Milliardären anders als bei den meisten US-Bürgerinnen und -Bürgern meist weniger aus ihren Einkommen, sondern aus den Wertsteigerungen von Vermögen wie Aktien. Die werden aber – außer ihren Dividenden – erst bei einem Verkauf besteuert. Zudem kann die Steuerlast etwa durch Kredite oder Investmentverluste kleingerechnet werden.


Aus: "Reichste US-Amerikaner zahlten laut Enthüllungsbericht kaum Steuern" (9. Juni 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-06/propublica-recherche-steuerdaten-superreiche-einkommenssteuer-usa-steuerbehoerde

QuoteBeckmonk #73

Diese Milliardäre leisten doch schon sooooo viel für die Gesellschaft, für uns alle! Arbeiten 16, ach was, 24 Stunden am Tag, nur damit die Niedriglohnjobber überhaupt Arbeit haben. Und klar ist doch, dass der Staat mit den Steuergeldern ja nur Schindluder treibt, etwa Sozialleistungen finanziert, Bildung, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung... Die Herren Bezos, Musk und wie sie alle heißen mögen, reißen sich für uns Pöbel den Ar.. auf ...


QuoteMarktplatzprobe #2

"Demnach habe Amazon-Chef Bezos in den Jahren 2007 und 2011 gar keine Einkommenssteuer gezahlt."

Es ist pervers, dass jeder Paketbote mehr Einkommenssteuer zahlen muss als der reichste Mann der Welt.


QuoteLadogamann #2.1

... und dass es für die Steuerbehörde offenbar wichtiger ist, wie "die Daten öffentlich werden konnten", als den Grund für dieses Missverhältnis klar zu benennen.


QuoteAntonia02 #5

Es ist ganz normal dass Normalverdiener liebend gerne 40% abgeben und dann nochmal beim shoppen 19%, da haben die in Diskussionen auch meistens garnichts gegen. Im Gegenteil, sie verteidigen meistens Reiche wenn es darum geht sie fair zu besteuern, warum? Ich weiß es nicht :D



Quoteoskarschmitt #8

Dafür zahlen diese Leute, die ja eher zu den Halbgöttern zählen, die Wahl des Präsidenten und beeinflussen mit Stiftungen die Politik.
Wird bei uns auch nicht viel anders sein.


QuoteGoldgelbe Herzblume #8.1

Und das in demokratischen Ländern. ...


QuoteGlobalPlayer5001 #50

" Musk habe auf eine Anfrage lediglich mit "?" geantwortet und dann nicht mehr reagiert."

Cooler Move!


QuoteKarl Lauer #50.2

Haha, supergeil wie das Gemeingut geplündert wird :-D


QuoteHugo Henner #55


In Amerika hat eben alles Dimensionen, die ein Normalbürger einfach nicht mehr nachvollziehen kann. So auch dieser Steuerbetrug der Reichsten, die dann noch häufig für ihr Sozialengagement öffentlich geehrt werden.


QuoteU8888 #81

Auch in Deutschland gibt es unglaubliche Fälle von Steuervermeidung und Steuerbetrug.
Ich empfehle dazu den Bericht "Der Milliardenraub" in derARD-Mediathek, ausgestrahlt vor 2 Tagen, betreffend die Cum-Ex-Geschäfte.
Zwar haben alle schon einmal etwas vom Wirecard-Skandal oder Cum-Ex-Geschäften gehört; aber die wenigsten wissen, was tatsächlich abgelaufen ist.
Es ist einfach unglaublich, was geschehen ist und wie lange es gedauert hat, bevor Regierungen und Behörden trotz Hinweisen tätig geworden sind. Skandalös ist auch, wie die Banken und Steuerberatungsgesellschaften auf die Steuergesetzgebung Einfluss genommen haben.


QuoteLusu #81.1

Es geht aber im Artikel nicht um illegalen Steuerbetrug.


QuoteFarmerGeorge #81.2

Aber im Beitrag von U8888.


QuoteLusu #81.3

Der sich aber auf den Artikel bezog. Siehe das Wort "auch". Und dieser Bezug ist falsch weil es im Artikel nicht darum geht.


QuoteMcLovin. #85

Schon traurig, wie wenige Menschen hier in den Kommentaren den Unterschied zwischen Vermögen und Einkommen kennen.


Quoteanstaendiger #85.1

Buffett sein Vermögen um 24,3 Milliarden Dollar erhöht, aber nur ein Einkommen von 125 Millionen Dollar beim Fiskus angegeben und letztlich 23,7 Millionen an Steuern gezahlt. Damit ergebe sich eine "wahre Steuerquote" von 0,1 Prozent.
---
0,1% Steuern...

Ich zahle zwar keine 23,7 Millionen aber VIEL VIEL VIEL mehr Steuern von meinem Hungerlohn als die Superreichen - das kotzt mich schon seit Jahren tierisch an.


Quote1971koepi #85.4

Da fällt mir noch ein. Gründen Sie zusätzlich eine Stiftung, der Ihr Unternehmen gehören soll. Dann können Sie die Unternehmensgewinne tatsächlich über die Stiftung auch fast steuerfrei entnehmen lassen.


Quote1971koepi #85.5

Ach, noch was. Durch die Wohltaten Ihrer Stiftung können Sie sich als Mäzen und Gönner feiern lassen. Sie sind dann überall ein gern gesehener Gast und können sich vor Einladungen kaum retten. Das spart nochmal.

Alles ganz legal und ohne böse Absichten.


QuotePeterWackel #86

"Das Geld für wohltätige Zwecke zu spenden ist nützlicher für die Gesellschaft als Steuern zahlen."
-Warren Buffet

Ich kann nicht mehr.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Etwa 50 Beschäftigte des Lieferdienstes "Gorillas" haben am Mittwochabend ein Warenlager des Unternehmens in Berlin-Mitte blockiert. Tagsüber hatten sie gestreikt. Mit der Aktion wollten sie gegen die Entlassung eines Fahrers protestieren und bessere Arbeitsbedingungen einfordern. Dazu aufgerufen hatte eine gewerkschaftsnahe Gruppe.

"Wir wollen Santiago zurück!", riefen die Beschäftigten. Santiago ist ein Fahrer, der vor Kurzem entlassen wurde. Schon seit einer Weile hatte es unternehmensintern Kritik an den Arbeitsbedingungen gegeben. Die Entlassung brachte das Fass für einige offenbar zum Überlaufen.

Das "Gorillas Workers Collective" wirft Gorillas schon seit Monaten vor, die Fahrer:innen auszubeuten und die Gründung von Betriebsräten zu behindern. Die Gruppe arbeitet mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sowie der anarchistischen Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) zusammen.

"Eigentlich gefällt mir die Arbeit bei Gorillas", sagte einer der Protestierenden dem Tagesspiegel. Doch es gebe Missstände, um die sich die Geschäftsführung nicht kümmere. Häufig würden Angestellte bereits in der Probezeit gekündigt. Die Chefs würden sich vor allem für eine möglichst schnelle Expansion ihres Unternehmens interessieren und jede Kritik abbügeln. Seinen Namen möchte der junge US-Amerikaner lieber nicht in der Zeitung lesen. Er habe gehört, dass bereits Beschäftigte wegen Protesten entlassen worden seien. "Ich möchte weiter bei Gorillas arbeiten, aber ich möchte auch, dass es Verbesserungen gibt", sagte er. 

Im Gebäude befanden sich allerdings auch Angestellte, die sich nicht am Streik beteiligten. Doch auch sie konnten nicht arbeiten. Die Streikenden hatten den Eingang des Gorillas-Gebäudes mit ihren Elektrofahrrädern blockiert. Lieferungen waren nicht möglich. Der stellvertretende Geschäftsführer Harm-Julian Schumacher versuchte die Situation zu klären und schaffte eigenhändig die Räder beiseite. Doch auch das nützte nichts. Die Streikenden setzten sich einfach kurzerhand vor die Tür und versperrten sie somit weiterhin. 

Die Polizei war mit mehreren Mannschaftswagen vor Ort. Schumacher sprach mit den Beamten und sagte ihnen, dass er nicht wolle, dass die Situation eskaliert. Die Blockade wurde nicht aufgelöst. Gegen 21.50 Uhr gab das Management auf und schloss das Lager.

Die Streikenden jubelten. Die meisten sprachen Englisch miteinander. Bei Lieferdiensten arbeiten überdurchschnittlich häufig junge Migrant:innen. Am Nachmittag hatten die Streikenden bereits ein Lagerhaus in der Charlottenstraße blockiert. In einer Telegram-Gruppe war dazu aufgerufen worden.

Gorillas liefert Lebensmittel in Rekordzeit. Die Kund:innen bestellen Produkte wie Brot, Käse oder Chips über eine App. Die Preise sind handelsüblich, hinzu kommt lediglich eine Liefergebühr von 1,80 Euro. Zehn Minuten später steht ein Fahrer oder eine Fahrerin mit der Einkaufstüte vor der Tür. Gegründet wurde Gorillas im März 2020 von den Berliner Unternehmern Jörg Kattner und Kagan Sümer. Schon nach wenigen Monaten wurde der Unternehmenswert auf über eine Milliarde Dollar beziffert. Das hatte so schnell noch kein deutsches Start-up geschafft.

Zu Jahresbeginn konnte Gorillas über 240 Millionen Euro von Investoren einsammeln. Das Unternehmen expandiert sowohl in Deutschland als auch international, neben Berlin ist es unter anderem auch in Köln, Hamburg, Amsterdam oder New York aktiv. Doch der Markt für Lieferdienste ist hart umkämpft. In Deutschland konkurriert Gorillas zum Beispiel mit den Start-ups Flink und Bringoo, außerdem Branchenriesen wie Rewe oder Edeka. Die liefern zwar langsamer. Doch Delivery Hero bringt gerade seinen eigenen Express-Bringdienst Foodpanda nach Deutschland. Der soll in nur sieben Minuten liefern können.


Aus: "Fahrer legen Lagerhaus des Lieferdienstes ,,Gorillas" lahm" Christoph Kluge (10.06.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/streik-bei-berliner-millionen-start-up-fahrer-legen-lagerhaus-des-lieferdienstes-gorillas-lahm/27272278.html

Quoteinterstellar2 13:46 Uhr
Ein Ausbeuterladen.

Laut Manager Magazin verdienen die Fahrerinnen und Fahrer 10,50 Euro pro Stunde. ...

... Das Gorillas Workers Collective hatte zuvor immer wieder die Arbeitsbedingungen beim Lieferdienst kritisiert. Unter anderem wird über hohen Zeitdruck und die schwere Last vieler Lieferungen geklagt. Die Fahrerinnen und Fahrer verdienen 10,50 Euro pro Stunde. Die Konflikte werden wohl anhalten: Gorillas verliert laut internen Unterlagen mit jeder Bestellung Geld – und will die Auslieferungskosten künftig senken, um profitabel zu arbeiten. ...
https://www.manager-magazin.de/unternehmen/tech/gorillas-streik-und-blockaden-beim-lebensmittellieferdienst-in-berlin-a-1515500c-4c6d-4b2b-9c89-1bb85823bfe5


QuoteKaypakkaya 13:32 Uhr
Ich finde es äußerst unsolidarisch von den Beschäftigten, dieses tolle neue Start-up mit ihren unverantwortlichen Aktionen einfach so in Verruf zu bringen.

Immerhin gibt es dort doch überhaupt einen Lohn, vermutlich sogar noch Sozialleistungen etc. pp. - davon können die angeblich selbständigen Kuriere der zahlreichen Zentralen nur träumen.


QuoteAnti_Troll 13:05 Uhr
Wenn ich schon sehe, dass die Fahrer die ganzen Sechserpacks und Lebensmitteln mit diesen riesigen Rucksäcken transportieren müssen...
Als ob es keine dafür passenden Lösungen geben würde, mit denen man sich nicht den Rücken in 2 Jahren schrottet.

Das Konzept mit den 1.80 Euro Lieferkosten dürfte der Gewinnung von Kunden geschuldet sein, dafür werden erst einmal Investorengelder verbrannt. Die Idee ist wohl, möglichst viele dieser kleinen Warenlager (nur 1000 Produkte) dezentral einzurichten, so das die Fahrer nicht weit fahren müssen.
Das gab es vor 30 oder 40 Jahren schon mal - als kleinen Laden um die Ecke. Der hat allerdings keine Fahrer mit miesen Arbeitsbedingungen nötig gehabt.
Innerhalb der 10 Minuten muss auch nicht nur die Lieferung erfolgen, vorher muss auch noch die Ware von den Pickern zusammengesucht werden.

Das alles braucht wirklich kein Mensch tatsächlich. Außerdem mieft es hier nach Schein-Selbstständigkeit, vorgetäuschten Mini-Jobs bei Vollzeit usw..


Quoteprokrastes 12:37 Uhr
In der "Zeit" vom 2.6.2021 ist ein interessanter Artikel zu diesem neuen Konzept der "gig economy".

https://www.zeit.de/2021/23/gorillas-start-up-berlin-lieferdienst-supermarkt-kurier-arbeitsbedingungen (leider hinter Paywall)
https://www.zeit.de/arbeit/2021-05/lieferdienst-gorillas-selbstversuch-essen-fahrrad (leider auch hinter Paywall)

Zusammengefasst: Eine besonders widerwärtige Art der Ausbeutung.


...

...

Textaris(txt*bot)

Quote[...]

Sein Vorgänger trat gleich in mehrere Fettnäpfchen und ließ die Queen sogar warten. Nun kann US-Präsident Joe Biden zeigen, ob er die Hof-Etikette besser beherrscht als Donald Trump: Nach den Beratungen beim G7-Gipfel im englischen Cornwall ist Biden mit First Lady Jill am Sonntag bei der britischen Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor eingeladen. Eins steht jetzt schon fest: Bei dem Treffen wird sehr genau beäugt werden, ob und welche Fauxpas sich die Bidens leisten. Das höfische Protokoll sieht ein paar klare Regeln vor: [ ] Sobald der wohl mächtigste Regierungschef der Welt auf die Queen trifft, geht es schon los. Als Mann hat sich Biden vor der Queen zu verbeugen. Ein tiefer Diener muss aber nicht sein, ein Senken des Kopfes genügt. Von Jill Biden hingegen wird ein leichter Knicks erwartet. ... Der Queen zur Begrüßung die Hand schütteln oder sie gar herzlich umarmen, wäre ein No-Go. Sie darf nicht berührt werden. Die frühere First Lady Michelle Obama leistete sich hier im April 2009 mal einen Fehltritt, weil sie der deutlich kleineren Königin die Hand auf die Schulter legte. ...


Aus: "Die Bidens bei der Queen : Wo die peinlichen Fehltritte lauern" (12.06.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/leute/joe-biden-bei-queen-elizabeth-ii-wo-die-fettnaepfchen-stehen-a-94eed3b1-f8a4-4913-b92b-dc537c6e86a8

QuoteListkaefer

Befremdlich. Wir befinden uns im 21.Jahrhundert. ...


QuoteOlivia_q

Die Obsession mit Hofetiquette ist peinlich, nicht etwaige ,,Fehler". ...


QuoteChristian

Wir sollen alle noch "Ehrfurcht" haben vor dem ganzen Zirkus, der da veranstaltet wird: bei der Queen, bei den Kirchenleuten, ... Tolles 21. Jh.!


QuoteTEW

Royaler und klerikaler Mummenschanz. Vor dem braucht man als demokratischer Bürger des 21. Jahrhunderts weder Ehrfurcht noch Respekt zu haben ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Deutschland gibt es, der sozialistischer Agitation unverdächtigen Boston Consulting Group zufolge, derzeit 2900 Ultrareiche. Auch das ist kein Kampfbegriff, sondern die Übersetzung des Fachterminus Ultra-High-Net-Worth-Individuals. Dazu werden Leute gezählt, die ein »Finanzvermögen« von mehr als hundert Millionen Dollar besitzen.

Weltweit gibt es von dieser Sorte demnach etwa 60.000, die meisten leben in den USA, dann folgt auf der Rangliste China (ohne Hongkong), Deutschland liegt auf Platz drei.

Diese Ultrareichen sind, anders als sehr viele andere Menschen, hervorragend durch die Coronakrise gekommen: Sie wurden noch reicher. Der Trend ist ungebrochen. Gleichzeitig wächst ihr Anteil am weltweiten Vermögen immer weiter.

Die sozialistischer Umtriebe ebenfalls unverdächtige Bank Credit Suisse berichtete schon 2017, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile knapp mehr als die Hälfte allen weltweiten Haushaltsvermögens besaß.

Reiche werden also immer reicher, egal, was der Welt an Unbill widerfährt. Und sie werden immer mehr. In Deutschland ist das besonders krass: Hier besitzen die Ultrareichen 20 Prozent allen Vermögens. Weltweit sind es 13 Prozent. https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-wealth-report.html

Es wird von Leuten, die Fans einer möglichst unregulierten Marktwirtschaft sind, gern behauptet, dass reiche Leute eben reich sind, weil sie besonders hart arbeiten. Oder weil sie bereit sind, besondere Risiken einzugehen. Beides ist offensichtlich falsch: Viele deutsche Ultrareiche etwa haben ihr Vermögen geerbt. Und gegen Risiken wie eine globale Pandemie sind sie offenbar hervorragend abgesichert. Wenn es dumm läuft, dann leiden weltweit die Armen am meisten und die Reichen gar nicht.

Dabei ist denen durchaus klar, dass viele ihrer Geschäftsmodelle die Welt auf den Abgrund zutragen. Auch gegen dieses Risiko sichern sie sich gerade ab, etwa mit Festungen für die Zeit nach der Apokalypse. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/apokalypse-so-bereiten-sich-superreiche-auf-das-ende-der-welt-vor-a-1131490.html

In den USA hat die gemeinnützige Journalismusorganisation ProPublica gerade nachgewiesen, dass die vermögendsten Menschen dort – Leute wie Elon Musk, Jeff Bezos, Warren Buffett, Michael Bloomberg – in den letzten Jahren zwar um unfassbare Summen reicher geworden sind, aber gleichzeitig reale Einkommensteuersätze von teils unter einem Prozent genießen. https://www.propublica.org/article/the-secret-irs-files-trove-of-never-before-seen-records-reveal-how-the-wealthiest-avoid-income-tax

Wenn man hierzulande auf Derartiges hinweist, dann reagieren die Freunde der unregulierten Marktwirtschaft gern mit Kampfbegriffen. Insbesondere wird einem dann verlässlich unterstellt, man strebe den »Sozialismus« an, das wird zweifellos auch im Forum zu dieser Kolumne wieder passieren.

... Der enorme Erfolg der reichen Menschen der Welt, das System zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, hat natürlich wiederum viel mit Geld zu tun. Bekanntlich sind in den USA Wahlkämpfe extrem teure Angelegenheiten, maßgeblich finanziert von Megaspendern und Großkonzernen.

In Deutschland war das bislang nicht in der gleichen Form ausgeprägt. Zwar spenden Unternehmen und vermögende Menschen natürlich auch hierzulande Geld an Parteien, aber einen mit großen Mitteln finanzierten Schlammschlachtwahlkampf nach US-Vorbild gab es bei uns bislang nicht.

Das ändert sich gerade. Am Freitag dieser Woche schaltete die Lobbyorganisation »Initiative neue soziale Marktwirtschaft« (INSM), die maßgeblich von der deutschen Metall-, Elektro- und Automobilindustrie finanziert wird, in vielen großen deutschen Zeitungen (unter anderem »FAZ«, »Süddeutsche«, sowohl Print wie online, online auch noch die »Zeit«) großformatige Anzeigen.

Diese Anzeigen zeigen die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock als Moses ausstaffiert, mit zwei Steintafeln, auf denen neun Verbote stehen, die die Grünen sämtlich nicht anstreben, aber das ist ja egal. Daneben steht: »Warum wir keine Staatsreligion brauchen.« Das Anzeigenmotiv sollte offenbar das aus Sicht der deutschen Industrie wünschenswerte Fürchte-Framing vor dem am Wochenende stattfindenden grünen Parteitag setzen.

Allein die Werbeflächen, die der Lobbyverband da eingekauft hat, kosten viele Hunderttausend Euro. Das Motiv selbst bedient antisemitische Klischees, das findet zumindest der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume [https://twitter.com/beauftragtgg/status/1403252282582503424?s=20]. Das Motiv benutzt auch die in rechtsradikalen Kreisen beliebte Unsinnsthese, beim Wunsch nach einer Verhinderung der Klimakrise handele es sich um eine »Religion«. Die »Gesetzestafeln« enthalten neben Strohmann-Behauptungen zum Thema Klimapolitik auch noch andere übliche Talking Points der INSM zu Themen wie Arbeitsmarkt und Steuern.


Zu den offiziellen »Botschaftern« der INSM gehören übrigens auch mehrere Mitglieder der reichsten deutschen Familien. Arend Oetker etwa, Roland Berger, Randolf Rodenstock. Und natürlich stehen hinter den Verbänden, die die Lobbyorganisation finanzieren, weitere deutsche Ultrareiche, denen bedeutende Anteile großer Konzerne gehören.

Die INSM ist schon seit Jahren massiv dabei, mit Pseudo-Information und politischer Einflussnahme wirksamen Klimaschutz in Deutschland zu verhindern, in trauter Eintracht mit den Klimapolitik-Bremsern in der Union und anderen Parteien. Derzeit organisiert die Lobbyorganisation mit der Tageszeitung »Die Welt«, deren Herausgeber Stefan Aust »Zweifel« am menschengemachten Klimawandel hat, eine Reihe von Gesprächsveranstaltungen, die man nur als Wahlkampf-Events für die Union deuten kann. Zeitung, Lobbyorganisation, Partei, Seite an Seite.

Ich kann mich nicht erinnern, dass in der jüngeren deutschen Geschichte jemals eine Lobbyorganisation im Auftrag von Ultrareichen und Konzernen so offen und mit so viel Aufwand versucht hätte, Einfluss auf einen Bundestagswahlkampf zu nehmen.

Die Leute, denen die Krise rein gar nicht geschadet hat, die sogar von ihr profitiert haben, setzen sich jetzt höhere Ziele: Völlig unverhohlen wollen sie mit ihrem Geld darauf Einfluss nehmen, wer in Deutschland regiert. Mit Ad-hominem-Attacken, Diffamierung, Desinformation und sympathieheischendem Augenzwinkern in Richtung rechts außen.

...

Anmerkung: Die INSM hatte die erwähnte Anzeige auch bei SPIEGEL.de schalten wollen, das wurde jedoch abgelehnt. Die Organisation hat aber in der Vergangenheit auch bei SPIEGEL.de wiederholt Reklame geschaltet.


Aus: "Lobbyarbeit vor der Bundestagswahl: Komm, wir kaufen uns einen Kanzler" Aus einer Kolumne von Christian Stöcker (13.06.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/insm-kampagne-gegen-annalena-baerbock-die-hemmungslose-lobbyarbeit-der-reichen-im-wahlkampf-a-c6e17012-1117-47f7-af2f-d1cec5c2bbe5

QuoteAndreas

Nach diesem Artikel sei schon die Frage erlaubt, wo denn welche Erwartungshaltungen lagen? Superreiche und große Unternehmen, selbst der größere, kleiner Mittelstand, beschäftigten sich ständig mit Zukunftsstrategien und damit natürlich auch mit den Möglichkeiten um Entwicklungen im Sinne der Maximierung des Ertrags zu beeinflussen und setzen dann, die ihnen zur Verfügung stehenden notwendigen Mittel ein, die Ziele, möglichst im angestrebten Korridor, zu erreichen. Dazu wird jedes erlaubte Mittel, fokussiert auf die Zielerreichung, genutzt. Die Momentan an Fahrt aufnehmende Klimadebatte und die Debatte der sozialen Gerechtigkeit in den hoch entwickelten Volkswirtschaften, birgt die konkrete Gefahr, dass in vielen Wirtschaftsbereichen, die in den strategischen Ausrichtungen angenommene Übergangsphase nicht mehr vier, fünf Jahrzehnte beträgt, sondern eher zwei, drei. Dies gefährdet zahlreiche derzeit funktionierende Geschäftsmodelle verschiedener Branchen, was zwangsläufig zu Gegenreaktionen auf allen Ebenen führt und natürlich auch auf dem Feld der politischen Beeinflussungsschlachten. Erwähnen sollte man natürlich schon, dass auch probiert wird die Anpassung der Geschäftsmodelle zu beschleunigen.
Die grösste Gefahr, dass sich die Übergangsphase verkürzt, geht in Deutschland von den Grünen aus. Die geringste Gefahr von der Union. Also ist doch klar wer Feind und wer Freund ist und dass dabei nicht Samthandschuhe benutzt werden bzw. auch tief unter der Gürtellinie die Schläge gesetzt werden. Kommen wir zu den Erwartungshaltungen zurück - je höher die Gefahr, dass durch Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse die Klimapolitik auf schnelle Veränderung setzt, gepaart mit den Themen der sozialen Gerechtigkeit, umso heftiger und schmutziger werden die Reaktionen. Das Ganze zielt auf Fragmentierung der politischen Verhältnisse, denn je mehr Parteien gebraucht werden um eine Regierung zu bilden, umso größer sind die entsprechenden Möglichkeit der Beeinflussung.


QuoteSimon

Eigentlich geht auch andersherum mit der Neid­ De­bat­te. Hinter dieser Organisation stehen Vermögende Personen die den Menschen am anderen Ende nicht mal einen Mindestlohn zugestehen wollen, der ein Minimum an Lebensqualität ermöglichen soll !


QuoteMilan

Die Illusion einer demokratischen Entscheidung (Wahlen) und damit aktiver Gestaltungsmöglichkeit ist noch vorhanden. Mal schauen wie lange noch.
Die Richtung bestimmt längst das Schattenkabinett aus externen Beratern im Auftrag der Superreichen.
Die Gewählten und Volksvertreter sind nur noch Protagonisten für öffentliche Veranstaltungen und Verkündigungen.


QuoteAudiatur

,,Jetzt greifen Konzerne und Ultrareiche unverhohlen und mit viel Geld in den Wahlkampf ein."

Bis auf das ,,unverhohlen" gibt es doch seit es Wahlen gibt echt nichts Neues zu berichten ...
Lediglich das ,,Wie" ändert sich von Jahrhundert zu Jahrhundert, nicht jedoch die Tatsache.
Schön, dass dieser äußerst bereichernde Erkenntnis hier ein Artikel gewidmet wird.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] 36 Millionäre aus Deutschland und Österreich fordern in einem Appell eine höhere Besteuerung von Millionenvermögen. In einem Schreiben, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt, heißt es: "Wir sind Vermögende und setzen uns für eine höhere Besteuerung von Vermögen ein." Die "Ungleichheit in Deutschland und international" nehme seit Jahrzehnten zu. Unter der Corona-Krise litten besonders Arme, "während manche Vermögende und Unternehmen zu den Krisengewinnern gehören und in der Krise noch reicher geworden sind."

Konkrete Vorschläge der Initiative sind unter anderem die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Vermögensabgabe und striktere Regeln gegen Steuervermeidung. Die bevorstehenden Wahlen böten "eine einmalige Gelegenheit", die Orientierung von Vermögen am Wohle der Allgemeinheit zu stärken, heißt es. Unterzeichnet haben den Appell unter anderem der IT-Firmengründer Ralph Suikat, Antonis Schwarz, Erbe der Schwarz Pharma AG, und die Unternehmenserbin Stefanie Bremer (Pseudonym).

Einige der Unterzeichner hatten auch schon im vergangenen Jahr eine ähnliche, internationale Kampagne der Hilfsorganisation unterstützt. Daran hatten sich unter anderem die Disney-Erbin und Filmemacherin Abigail Disney und Jerry Greenfield, Mitgründer der Eismarke Ben & Jerry's, beteiligt. Dabei ging es, darum dass Vermögende weltweit stärker an den Kosten für die Folgen der Corona-Pandemie beteiligt werden sollten. Erforderlich zur Finanzierung des Wiederaufbaus seien "dauerhaft höhere Steuern für die reichsten Menschen auf diesem Planeten, für Menschen wie uns", hieß es.

Die Debatte um die Besteuerung großer Vermögen war zuletzt durch Enthüllungen aus den USA angeheizt worden. Danach zahlten die 25 reichsten Amerikaner im Schnitt gerade einmal 3,4 Prozent echte Steuern pro Jahr. Wie der Steuerexperte des Ifo-Insituts, Andreas Peichl, dem "Spiegel" sagte, seien solche Fälle auch in Deutschland denkbar. Der Spielraum wohlhabender Menschen bei der Steuergestaltung sei in Deutschland sogar noch größer als in den USA und anderen Industrieländern. In den USA etwa betrage der Unterschied zwischen den Brutto-Jahreseinkünften und dem am Ende tatsächlich versteuerten Einkommen 12 Prozent, im OECD-Schnitt seien es 10, in Deutschland über 20, sagte Peichl. "Das heißt: Bei uns haben Reiche viel mehr Möglichkeiten, sich arm zu rechnen."

Unternehmer hätten im vergangenen Jahr enorme Vermögenszuwächse erlebt, so Peichl. "Solange dieses Vermögen aber angelegt ist, etwa in Aktien, zahlen sie darauf keinen Cent Steuern. Belangt wird nur das tatsächliche Einkommen. Das ist in Deutschland ganz genauso." Diese nicht realisierten Vermögensgewinne zu besteuern hält der Forscher für keine gute Lösung. Schließlich müsste es der Gesetzgeber dann auch erlauben, nicht realisierte Verluste gegenzurechnen. Viel sinnvoller sei es, endlich Steuerschlupflöcher zu schließen.

Auch die gerade von den G-7-Staaten beschlossene globale Mindestbesteuerung von Unternehmen sei eine gute Maßnahme. Würden Firmen überall mit mindestens 15 Prozent besteuert, wäre es laut Peichl zumindest unmöglich, Steuersätze auf null zu reduzieren. "Aber 15 Prozent sind immer noch nicht viel, vor allem viel weniger als die knapp 50 Prozent Spitzensteuersatz, die für hohe Einkommen in Deutschland vorgesehen sind."

Quelle: ntv.de, mbo


Aus: "Millionäre fordern höhere Steuern" (Samstag, 12. Juni 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Millionaere-fordern-hoehere-Steuern-article22614716.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Hälfte aller Haushalte in größeren Städten zahlen mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete. Konkret sind es 4,1 Millionen Mieter, deren Wohnungskosten damit ,,die Grenzen der Leistbarkeit" überschreiten, wie es in einer aktuellen Studie der Humboldt-Universität im Auftrag der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung heißt. Alles in allem lebten 2018 4,4 Millionen Haushalte oder 53 Prozent der Mieter in zu kleinen oder im Verhältnis zu ihren Einkommen zu teuren Wohnungen. Für die Studie wurden Mikrozensusdaten für die Jahre 2006 bis 2018 in den 77 größten deutschen Städten ausgewertet.

Selbst wenn ein Teil der sozialen Wohnversorgungsprobleme durch eine bessere Verteilung des vorhandenen Wohnraums gelöst werden könnte, was indes eine eher theoretische Erwägung ist, blieben noch 1,5 Millionen Haushalte, die nicht mit bezahlbaren und angemessenen Wohnungen versorgt würden. ,,Dieser ,harte Kern' der Wohnungsnot betrifft über 18 Prozent aller Mieter*innenhaushalte in den Großstädten – vor allem kleine Haushalte und Einkommensklassen mit geringen Einkommen", schreiben die Wissenschaftler und empfehlen ,,die Absenkung von Mietpreisen, den Neubau von sehr günstigen Wohnungen oder Einkommenssteigerungen bei Haushalten mit geringen Einkommen".
Grundlage der Analyse ist die Einschätzung, dass Bruttowarmmieten, also Mieten plus Betriebs- und Heizkosten, von bis zu 30 Prozent des Haushaltseinkommens als ,,leistbar" gelten. Darüber liegende Belastungen überforderten die Haushalte ,,und verstärken insbesondere bei Mieter*innen mit geringen Einkommen das Armutsrisiko".

Im Untersuchungszeitraum verringerte sich die durchschnittliche Mietbelastungsquote von 31,2 Prozent auf 29,8 Prozent. Dieser überraschende Befund erklärt sich mit den Einkommen, die stärker gestiegen sind als die Wohnkosten. Die inflationsbereinigten mittleren Einkommen erhöhten sich in den 77 Großstädten um 16 Prozent, die ebenfalls inflationsbereinigten Bruttowarmmieten aber nur um 7,5 Prozent. Die Steigerung der Nettokaltmieten lag mit knapp elf Prozent in deutlich darüber.

,,Von einer Entspannung ist die Wohnversorgungslage jedoch weit entfernt", schreiben die Humboldt-Wissenschaftler. Für 2,2 Millionen Haushalte, das entspricht gut einem Viertel, lag die Mietbelastungsquote bei über 40 Prozent des Einkommens, und 998.000 Haushalte (11,9 Prozent) mussten sogar mehr als die Hälfte des Einkommens für die Wohnung aufbringen. ,,Eine Ursache für den großen Anteil an Haushalten mit hohen oder sehr hohen Mietbelastungsquoten ist die ungleiche Einkommensentwicklung in deutschen Großstädten."

Konkret stieg der Anteil von Haushalten mit Einkommen unterhalb der Grenze der Armutsgefährdung (weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens) von 15,9 Prozent (2006) auf 17,5 Prozent (2018). Gleichzeitig gibt es mehr Haushalte in der höchsten Einkommenskategorie (über 140 Prozent des Medianeinkommens), der Anteil dieser Gruppe erhöhte sich von 24,4 Prozent auf 25,7 Prozent. ,,Weil die Einkommenssteigerungen der letzten Jahre ungleich verteilt waren, leben immer noch knapp die Hälfte der Mieter*innen (49,2 Prozent) in zu teuren Wohnungen", heißt es in der Studie.

Die strukturell bedingten Versorgungslücken konzentrierten sich vor allem auf Einpersonenhaushalte und Haushalte mit geringen Einkommen: In den Mietpreisklassen bis zehn Euro je Quadratmeter (warm) – das entspricht Nettokaltmietpreisen von unter 7,35 Euro je Quadratmeter – reduzierte sich das Versorgungsangebot zwischen 2006 und 2018 um mehr als 500 000 Wohnungen. Das entspricht einem Rückgang von über 30 Prozent. Dagegen gibt es im oberen Preissegment (mehr als 15 Euro Warmmiete) einen Zuwachs des Angebots um 16 Prozent auf 535.000 Wohnungen. Am größten sind die Versorgungsdefizite in Berlin, Hamburg, München und Köln, wo selbst bei hypothetischer Optimalverteilung des Wohnraums jeweils zwischen 220 000 und knapp 65 000 bezahlbare Wohnungen fehlen.


Aus: "Mietenentwicklung in Großstädten: Wenn Wohnen arm macht" Alfons Frese (15.06.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/mietenentwicklung-in-grossstaedten-wenn-wohnen-arm-macht/27285966.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Mehrere Medien haben nach eigenen Angaben und nach gemeinsamer Recherche sogenannte Pushbacks von Migranten an der kroatischen Grenze zu Bosnien-Herzegowina dokumentiert. Bei Pushbacks handelt es sich um illegale Zurückweisungen von Migranten, nachdem diese die Grenze zu einem Land bereits übertreten haben.

Der ,,Spiegel" hat nach eigenen Angaben gemeinsam mit Lighthouse Reports, dem Schweizer SRF, dem ARD-Studio Wien und der kroatischen Zeitung ,,Novosti" solche Aktionen an der Grenze gefilmt. Ein Zusammenschnitt des Videomaterials wurde am Mittwochabend von mehreren der beteiligten Medien online veröffentlicht.

Die Aufnahmen sollen zeigen, wie kroatische Polizisten und Grenzschützer Migranten aus Kroatien und damit aus der EU zurück in bosnische Wälder schicken.

Die Migranten, darunter auch Kinder, berichten den Journalisten in dem Video unter anderem, dass sie geschlagen worden seien. Zudem seien ihnen in Kroatien die Handykameras zerstört worden, damit sie keine Aufnahmen der Geschehnisse machen können.

Über Pushbacks an der kroatischen Grenze, einer Außengrenze der EU, wird immer wieder berichtet. Die kroatische Regierung teilte nach Angaben des ,,Spiegel" zu den neuen Aufnahmen mit, dass es sich um legale Einreiseverweigerungen direkt an der Grenze handele. Nach Angaben des ,,Spiegel" haben die angetroffenen Migranten berichtet, dass sie zum Teil schon tief ins kroatische Territorium vorgedrungen waren. (dpa)


Aus: "Neue Filmaufnahmen zeigen illegale Zurückweisungen von Migranten" (24.06.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/wurden-sie-an-dereu-aussengrenze-geschlagen-neue-filmaufnahmen-zeigen-illegale-zurueckweisungen-von-migranten/27358132.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Frankfurt – Eine der Schlüsselfiguren im Cum-Ex-Steuerskandal um anrüchige Geschäfte mit Dividendenpapieren ist in der Schweiz festgenommen worden. Der Steueranwalt und vormalige Finanzbeamte Hanno Berger, der sich vor fast neun Jahren nach der Durchsuchung seiner Kanzlei in die Schweiz abgesetzt hatte, sei nach Angaben der dortigen Behörden festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft am Freitag und bestätigte damit einen Bericht des "Handelsblatts". Das Landgericht Bonn hatte Haftbefehl gegen den heute 70-Jährigen erlassen, nachdem er der Ladung zu einem Prozess dort nicht gefolgt war.

Die Schweizer Behörden bestätigten, dass Berger bereits am Mittwoch im Kanton Graubünden auf einen Auslieferungsantrag aus Deutschland hin festgenommen worden sei. Er wolle aber nicht nach Deutschland gebracht werden. "Das Auslieferungsverfahren ist nun beim Bundesamt für Justiz (BJ) hängig", hieß es in der Mitteilung des Justizministeriums.

Bergers Anwalt Kai Schaffelhuber sagte gegenüber Reuters, er glaube nicht, dass sein Mandant letztlich ausgeliefert werde. "Die Schweiz ist nicht dumm." Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte seinen Umzug in die Schweiz als Flucht ausgelegt, weil das Land wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefere.

Berger gilt für die Generalstaatsanwaltschaft als geistiger Vater des Betrugssystems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden zweimal vom Finanzamt erstatten ließen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende herum untereinander Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch.

Der 70-Jährige hat die Vorwürfe stets bestritten und erklärt, das Vorgehen sei ein legales Steuersparmodell. Berger sollte eigentlich seit dem vergangenen Jahr vor dem Landgericht Wiesbaden stehen, hatte sich aber krank gemeldet und wollte nicht nach Deutschland kommen.

Sein Anwalt sagte, Berger leide unter anderem an Bluthochdruck und Kniebeschwerden. Ihm gehe es den Umständen und seinem Alter entsprechend gut. In der Vergangenheit hatte Berger erklärt, er würde an einem Verfahren persönlich teilnehmen und notfalls durch alle Instanzen gehen.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte bereits 2017 Anklage gegen Berger und fünf ehemalige Händler der Unicredit-Tochter Hypovereinsbank (HVB) wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben. Im Januar ließ auch das Landgericht Bonn eine Anklage gegen den Steuerexperten zu und stellte einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus. In Bonn hatten 2020 zwei ehemalige Händler Bewährungsstrafen erhalten. Sie hatten in dem Cum-Ex-Prozess umfassend ausgesagt und nach Einschätzung des Gerichts zur Aufklärung beigetragen.

Durch die Geschäfte rund um den Stichtag für die Auszahlung von Dividenden soll dem deutschen Fiskus ein Milliardenschaden entstanden sein. Berger persönlich wird Steuerhinterziehung im dreistelligen Millionenvolumen zur Last gelegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte im Frühjahr erklärt, bei den Geschäften könnte es sich auch um gewerbsmäßigen Bandenbetrug handeln und nicht nur um Steuerhinterziehung.

Für die Cum-Ex-Transaktionen seien Absprachen unter zahlreichen Beteiligten notwendig gewesen, um die Geschäfte aufeinander abzustimmen, hieß es in einem Beschluss zu einer Beschwerde Bergers gegen den Haftbefehl. Auf Bandenbetrug stehen bis zu zehn Jahre Haft. Das OLG hatte seinen Umzug in die Schweiz als Flucht ausgelegt, weil das Land wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefert.

In Österreich wurden Ermittlungen im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften im Herbst 2020 ausgeweitet. (red, Reuters, APA, 9.7.2021)


Aus: ""Geistiger Vater" des Cum-Ex-Betrugssystems in Schweizer Bergdorf festgenommen" (9. Juli 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000128092474/geistiger-vater-des-cum-ex-betrugssystems-in-schweizer-bergdorf

https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/cum-ex/cum-ex-skandal-steueranwalt-hanno-berger-in-der-schweiz-festgenommen/27407474.html

https://www.derstandard.at/story/2000127097357/cum-ex-skandal-deutscher-ex-banker-zu-haftstrafe-verurteilt

https://www.derstandard.at/story/2000122947355/us-investmentbank-lehman-brothers-will-cum-ex-profite-zurueckzahlen

https://www.derstandard.at/story/2000119153674/medienbericht-razzia-beim-deutschen-bankenverband-wegen-cum-ex

https://www.derstandard.at/story/2000099557295/cum-ex-skandal-kostete-oesterreich183-mllionen-euro

""Cum-Ex": Gigantischer deutscher Steuerskandal" (20. Juni 2017)
Mit betrügerischen Deals soll der Staat über Jahre hinweg um bis zu 30 Milliarden Euro geschädigt worden sein
https://www.derstandard.at/story/2000059506847/cum-ex-gigantischer-deutscher-steuerskandal

Quote
QuatschBudenFlüchtling


"anrüchige Geschäfte"

Was soll dieser Euphemismus?
Es handelt sich um bandenmäßig organisierten schweren Betrug, dessen weitgehende Nichtaufklärung sich anscheinend bestimmter politischer (unschuldsvermutet korrupter) Strukturen verdankt.


Quote
Hofer1002

Die meisten Nutznießer in den Cum Ex Fällen hatten bereits so viel Geld oder so gutes Einkommen dass sie ein herrliches Leben führen konnten. Warum die jede kleinste auch noch so verwerfliche Chance nutzen um noch mehr zu haben werde ich nie verstehen.


Quote
rueben nase

... _das_ sind die wahren Asozialen!


Quote
Hujum

Selbstverständlich ist das Bandenbetrug.

Wie das OLG richtig feststellt, braucht es für Cum Ex einen beachtlichen Aufwand an Planung und Koordination. Da steckt kriminelle Energie und ein bandenartiges Netzwerk dahinter, das ist kein "normaler" Steuerbetrug. ...


...