[...] Jedediah Purdy ist Verfassungsrechtler von der Columbia University.
...
Elisabeth von Thadden: Worüber denken Sie gerade nach, Jedediah Purdy?
Jedediah Purdy: Ich denke darüber nach, wie eine Gesellschaft das Zusammenleben so gestalten kann, dass sie weniger anfällig für eine Krankheit wie Corona wird. Denn was einem von uns schadet, schadet ja allen. Ein Gesellschaftssystem wie das US-amerikanische, das von den Einzelnen fordert, zu individuellen Überlebenskünstlern zu werden und die Pandemie irgendwie allein durchzustehen, verteilt die Ansteckungsgefahr auf sehr ungleiche Weise. Es gefährdet so letztlich jeden. Wir sehen in den USA, was geschieht, wenn eine Gesellschaft, die ja an manche Grausamkeit gewöhnt ist, sich politisch nicht krisenfest macht: Dann ziehen sich die Reichen aus dem Zusammenleben auf ihre Landsitze zurück, die Mittelklasse isoliert sich nach Kräften im Homeoffice und auf dem Rücken der Arbeitenden, die sich den physischen Begegnungen nicht entziehen können, wird die Last abgeladen. Insofern gleicht die Pandemie der Klimakrise: Sie hebt unsere wechselseitige Abhängigkeit und ungleiche Vulnerabilität hervor und dabei sind jene im Vorteil, die ohnehin die Hebel der Macht in den Händen halten. Die Benachteiligten werden dem Virus sozusagen zum Fraß vorgeworfen. Je nachdem, wie die Pandemie politisch gestaltet wird, sind Menschen dann füreinander Feinde oder aber miteinander Problemlösende.
...
Elisabeth von Thadden: Auch für jene Wähler etwa unter den Latinos, die jetzt Trump gewählt haben?
Purdy: Sie wollten sich für nichts anderes als für ihre persönliche Sicherheit entscheiden. Eine Politik, die sich für solidarische Infrastrukturen etwa im Gesundheitswesen einsetzt, wird von der Trump-Wählerschaft für pure Fantasie gehalten: Hirngespinste. Diese Wählerschaft hat sich Trumps Haltung, dass dieses Virus letztlich Schicksal ist, zu eigen gemacht. Das ist eine Form des sozialen Sadismus. Das Leben ist in den Augen dieser Wählerschaft eben hart, und wer etwas anderes möchte als diese Härte, gilt als realitätsfremd. Als jemand, der sich immer nur beklagt, aber nichts hinkriegt.
... Der Nihilismus von Donald Trump verträgt sich auch nach seiner Abwahl offenbar noch gut mit den Institutionen des politischen Systems. Und dessen Eliten scheint es wenig auszumachen, wenn sie die letzte Generation auf einem lebenswerten Planeten sind. Bei allem gebotenen Respekt: Die Haltung des sozialen Sadismus braucht man nicht zu respektieren. Grausamkeit verdient keinen Respekt. Und hinter Trump steht eben nicht die Mehrheit aller Wählerinnen und Wähler. Deshalb bin ich dafür, das gesellschaftliche Gesprächsthema zu wechseln und in der politischen Praxis dafür zu sorgen, dass ein gutes Gesundheitssystem auf die Menschen so überzeugend wirkt wie ein Green New Deal, der den Arbeitsmarkt belebt und die Emissionen runterfährt. Auch die Bürgerrechtsrevolution der Sechzigerjahre hat durch veränderte politische Tatsachen ihre Wirkung entfaltet.
...
Aus: "Jedediah Purdy: "Die Benachteiligten werden dem Virus zum Fraß vorgeworfen"" (21. November 2020)
Quelle:
https://www.zeit.de/kultur/2020-11/jedediah-purdy-corona-krise-gesellschaft-usa-demokratie-columbia-universitaet Luis Tränker #8
ZEIT ONLINE: Auch für jene Wähler etwa unter den Latinos, die jetzt Trump gewählt haben?
Im Grunde genommen zeigt dies doch nur, dass diese Menschen den sog. "American Dream" verinnerlicht haben, wobei man es alleine schaffen soll. Die Latinos, die Schwarzen etc. sind eben keine solidarische Masse, auch das sollte man sehen und anerkennen.
Alex09 #7
Die Ideen des Professors sind sehr interessant und auch auf Europa übertragbar: Auch hier können sich die Privilegierten auf ihre Landsitze zurückziehen und Manager sich im Home Office abschotten. Die Arbeitnehmer aus der "Unterschicht" die als Kassierer, Helfer in der Krankenpflege, Lageristen, Apothekenhelfer usw. arbeiten müssen jeden Tag zur Arbeit pendeln. ...
konne #16
ZEIT ONLINE: Auch für jene Wähler etwa unter den Latinos, die jetzt Trump gewählt haben?
Ich kenne eine Kubanerin, die nicht gerade sehr gut in florida lebt und Trump gewählt hat. Ihr Sohn lebt in Deutschland und sagte ihr dass sie es nicht machen solle und gab ihr reichlich ARgumente. Die Mutter wählte schliesslich Trump. ...
ecatepec12 #16.3
Vielleicht ist sie ja nicht verblendet. Vielleicht hat sie nach der Flucht aus Kuba erkannt, dass das Überleben Privatsache ist. Dass das Modell Kuba auch nicht gerade toll ist und sie sich durchgeboxt hat. Ein Sohn großgezogen hat, der ihr jetzt erzählt, was man wählen soll...sitzt wahrscheinlich im Home Office, während Mutter an der Front ist.
heined #18
In jedem Menschen existieren zwei Seiten der Persönlichkeit, eine Gute und eine Schlechte. Trump erlaubt seinen Anhängern ihr inneres Schwein raus zu lassen, so wie er das vorlebt. Für manche mag das befreiend wirken, aber im Grunde weiss die andere Hälfte ihrer Persönlichkeit, dass es falsch ist, Kinder in Käfige zu sperren und Nazis zu loben. Bidens Aufgabe wird es nun sein, das zivilisierte Ich möglichst vieler dieser Aufgehetzten zu erreichen.
Man erkennt Politiker eigentlich immer daran, welche Seite der Menschen sie ansprechen.
W-S #19
Warum sollten Latinos oder Afroamerikaner alle die selbe politische Meinung haben? Auf die Idee kommen sie doch bei den Weißen auch nicht.
r.schewietzek #20
Eine Politik, die sich für solidarische Infrastrukturen etwa im Gesundheitswesen einsetzt, wird von der Trump-Wählerschaft für pure Fantasie gehalten: Hirngespinste. Diese Wählerschaft hat sich Trumps Haltung, dass dieses Virus letztlich Schicksal ist, zu eigen gemacht. Das ist eine Form des sozialen Sadismus.
Ja, das ist es ...
gruebler1836 #22
Man sollte sich langsam aber sicher von der ganzen Trump-Geschichte lösen.
Die USA haben 328 Millionen Bürger, von denen nicht mal die Hälfte gewählt haben.
Die Trumpisten haben mit 73 Millionen gegenüber 80 Millionen Biden-Wählern verloren und damit in den USA nicht mehr zu regieren, das ist halt nun mal so in einer Demokratie. Und wenn der Ober-Spinner endlich das Weiße Haus geräumt hat und wieder sowas wie Normalität ins Regieren eintritt, werden vielleicht auch einige Trump-Wähler aufwachen und merken, dass des Trump-Kaisers neue Kleider in Wirklichkeit nackter Wahnsinn waren, die nach Außen getragenen Ideen eines Irren, denen weiter nachzueifern sich nicht auszahlt. ...
Molsheim #27
"Diese Wählerschaft hat sich Trumps Haltung, dass dieses Virus letztlich Schicksal ist, zu eigen gemacht. Das ist eine Form des sozialen Sadismus."
Ich würde das eher als sozialen Masochismus bezeichnen.
Gerrit Haase #27.1
Sado-Maso ...
delastro #30
Wer kann sich denn mit 859 Euro Rente in Deutschland echte ffp2 Masken kaufen? Wohl keiner. Nachgemachte ohne Prüfzeichen kosten in der Apotheke pro Stück ca. 4-5 Euro für drei mal tragen. Amerika ist überall.
Gerrit Haase #37
Sich selbst dem "Schicksal" auszuliefern ist kurzsichtig und dumm, also fatalistisch, womit ich bei der Kernkompetenz dieser intellektuell unzureichend ausgestatteten Trump-Wählerschaft bin: Fatalismus. ...
...
-
[...] Der Hamburger Moderator Jörg Pilawa musste in diesem Jahr den Familienurlaub auf seiner kleinen Insel vor Kanada streichen. "In diesem Jahr ging es wegen Corona leider nicht. Das Ausklinken fehlt schon", sagte Pilawa in Hamburg. Ihm habe die Ruhe und Abgeschiedenheit auf der rauen Insel ohne fließendes Wasser und Strom in diesem Jahr als Ausgleich sehr gefehlt. "Wir hacken dort Holz und sammeln Regenwasser. Strom liefert die Sonne und für den Notfall gibt es einen Generator. Wir leben dort sehr rudimentär. Man ist sehr in der Natur und mit der Natur. Aber das brauche ich ganz einfach, weil ich in meinem Job wahnsinnig viel herumkomme und dabei so etwas Elementares wie Natur nicht stattfindet."
Bewegt habe den 55-Jährigen im Corona-Jahr auch, dass sogar seine älteren Kinder die Insel vermisst hätten - obwohl es dort kein Internet und keinen Handyempfang gibt. "Das ist wirklich bei uns ein Ritual, das uns in diesem Jahr total fehlt." Die Insel sei sonst auch für das digitale Entgiften sehr wertvoll. "In den ersten zwei Tagen haben wir körperlichen Entzug und laufen über dieses kleine Inselchen und suchen Empfang." Und am Ende des Urlaubes erkenne man nach dem Lesen von 1000 ungelesenen Nachrichten und 2000 verpassten Posts, dass eigentlich nichts gefehlt hat. "Die genialste Reaktion meiner Kinder ist, wenn sie nach dem Durchscannen sagen: "Papa, es ist eigentlich nichts passiert!"
Pilawa ist in dritter Ehe verheiratet und hat vier Kinder. Die kleine Insel - "in einer Viertelstunde ist man rum" - liegt im Atlantik im Osten Kanadas. 2009 hatte er sich mit dem Kauf der 36.000 Quadratmeter großen Insel einen Wunsch erfüllt, den er bereits als 18-Jähriger hatte. "Wir haben es bis heute nicht bereut. Kanada ist schon eine Herzenssache.
Quelle: ntv.de, jhe/dpa
Aus: "Kein Urlaub wegen Corona: Jörg Pilawa vermisst seine Privat-Insel" (Samstag, 12. Dezember 2020)
Quelle:
https://www.n-tv.de/leute/Joerg-Pilawa-vermisst-seine-Privat-Insel-article22230950.html-
[...] Auch im kommenden Jahr werden die Strompreise für private Haushalte deutlich steigen. Haushalte, die auf Hartz IV angewiesen sind, trifft das besonders. Denn auch ohne die Preiserhöhungen sind die staatlichen Leistungen für das kommende Jahr zu gering berechnet.
Zwar erhalten Bezieher von Hartz-IV-Leistungen ab 2021 ein paar Euro mehr. Alleinstehende kommen so auf insgesamt 446 Euro. Davon sind rein rechnerisch 38,32 Euro zur Begleichung der Stromrechnung vorgesehen. Die tatsächlichen Stromkosten eines Singlehaushalts mit einem Verbrauch von 1500 Kilowattstunden belaufen sich im Bundesdurchschnitt jedoch auf monatlich 47,50 Euro Euro. Für Hartz-IV-Empfänger, die Strom in der Grundversorgung beziehen, fällt die Differenz noch größer aus, wie eine Untersuchung des Verbraucherportals Check24 zeigt. Mehr als ein Drittel der betroffenen Haushaltskunden hatte im vergangenen Jahr noch einen solchen Vertrag.
Sozialverbände und Verbraucherschützer kritisieren immer wieder, dass in den Hartz-IV-Regelsätzen der Pauschalbetrag für Strom nicht ausreiche. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bemängelt ihrerseits in einer Untersuchung, dass Betroffenen häufig nicht in der Lage sind, die hohen Stromkosten durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen.
Mit einem Anbieter- oder Tarifwechsel könnten Hartz-IV-Empfänger ihre Kosten senken. Doch ein eigenständiger Wechsel in günstigere Tarife übersteigt in manchen Fällen die Planungskompetenzen der Betroffenen oder ist etwa mit nachteiligen Schufa-Einträgen nicht immer ohne Weiteres möglich. Denn viele Stromanbieter prüfen vor Vertragsabschluss die Bonität der Kunden und behalten sich vor, die Belieferung abzulehnen. Damit bliebe den ärmsten Verbrauchern ein zentraler Weg zu sinkenden Stromkosten versperrt. Sie müssten in der Grundversorgung verharren und zahlten dort die höchsten Strompreise.
Aber auch, wenn der Wechsel zu einem günstigen Versorger möglich ist, hat dies seine Tücken. So hat das Bundessozialgericht jüngst entschieden, dass Jobcenter die Wechselprämie eines Stromanbieters beim Arbeitslosengeld anrechnen dürfen. In dem verhandelten Fall hatte ein Paar einen Sofortbonus in Höhe von 242 Euro erhalten. Das Jobcenter kürzte daraufhin jedoch die Leistungen um 91 Euro. Denn mit dem Sofortbonus, der gleich zu Beginn der Vertragslaufzeit gezahlt wurde, ist ein Einkommen erzielt worden, welches zu berücksichtigen sei, wie das Gericht entschied.
Quelle: ntv.de, awi
Aus: "Regelsatz nicht hoch genug Hartz IV reicht nicht für die Stromkosten" (Sonntag, 13. Dezember 2020)
Quelle:
https://www.n-tv.de/ratgeber/Hartz-IV-reicht-nicht-fuer-die-Stromkosten-article22232293.html