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[Aspekte zum Journalismus... ]

Started by Textaris(txt*bot), January 17, 2011, 12:21:47 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist der deutsche Medienmarkt gespalten. Die Gründe für das ,,innerdeutsche" Ost-West-Gefälle sind kein Geheimnis. Sie liegen hauptsächlich im Nachwende-Kolonialismus der westdeutschen Mehrheitsgesellschaft. Das aktuelle Arbeitspapier der Otto-Brenner-Stiftung ,,30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung" analysiert die Fehlentwicklungen und macht Reformvorschläge.

Die Hauptelemente der aktuellen Schieflage beschreibt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand im Vorwort: kaum Ostdeutsche in den Führungsetagen der wichtigen bundesdeutschen Leitmedien, nahezu totale Dominanz westdeutscher Verlage in den Printmedien, kaum journalistischer Nachwuchs mit ostdeutschem Hintergrund.

Bis Mitte 1990 träumten DDR-Bürgerrechtlicher und andere Oppositionelle noch von einem ,,Dritten Weg" auf dem Mediensektor, einem Modell jenseits von sozialistischem Dirigismus und entfesseltem Turbokapitalismus. Das Interesse der westdeutschen Eliten war indes von vornherein die Expansion auf den neuen Markt, selbstredend zu ihren Bedingungen.

Wie brachial diese Annexion auf dem Printsektor ablief, hat Mandy Tröger in ihrer Studie ,,Pressefrühling und Profit" bereits vor zwei Jahren eindrucksvoll analysiert. Ironischerweise führte die von der Kohl-Regierung geförderte und von der Treuhand exekutierte Politik in kurzer Zeit zu regionalen Zeitungsmonopolen, wie es sie selbst zu SED-Zeiten nicht gegeben hatte. Das Führungspersonal rekrutierten die Verlage (und auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) fast ausschließlich aus dem Westen.

Für Autor Lutz Mükke ist eine Spätfolge dieser Politik, dass ,,die Monopolisierung und Provinzialisierung des Medienangebots im Osten der Republik wahrscheinlich ebenso zur Verschiebung des gesellschaftspolitischen Klimas und zu den Mobilisierungserfolgen populistischer Bewegungen im Osten beigetragen haben wie die mangelhafte Partizipation und Repräsentation Ostdeutscher in überregionalen Leitmedien".

Ein Befund, der indirekt sogar vom Abschlussbericht der Kommission ,,30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" aus dem Hause von Bundesinnenminister Seehofer bestätigt wird. Der konstatiert einen Zusammenhang zwischen der Minderrepräsentation von Ostdeutschen und ihrer Demokratieskepsis sowie der politischen Passivität vieler Ostdeutscher. Als Ursachen werden schamhaft der Elitentransfer von West nach Ost und der ,,Exodus kreativer und leistungsstarker ostdeutscher Eliten" benannt. Was wohl auch mit dem deutlichen West-Ost-Gefälle beim Gehalt zusammenhänge.

Mükkes Fazit: ,,Ausgrenzung, Benachteiligungen und Diskriminierungen sind Gift für das demokratische Gemeinwesen." Das Gegenmittel dazu sei ,,Partizipation". Zu seinen (medien)politischen Handlungsempfehlungen zählen unter anderem:  Diskussion über Quoten für Ostdeutsche, Repräsentanz von Ostdeutschen auch in den öffentlich-rechtlichen Medien, Sonderförder- und Stipendienprogramme für journalistische Initiativen in und für Ostdeutschland.

Lutz Mükke. 30 Jahre staatliche Einheit – 30 Jahre mediale Spaltung. Schreiben Medien die Teilung Deutschlands fest? OBS-Arbeitspapier 45, 2021, 50 Seiten


Aus: "Staatliche Einheit und mediale Spaltung" Günter Herkel  (30. März 2021)
Quelle: https://mmm.verdi.de/beruf/staatliche-einheit-und-mediale-spaltung-72427

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In Deutschland gibt es, der sozialistischer Agitation unverdächtigen Boston Consulting Group zufolge, derzeit 2900 Ultrareiche. Auch das ist kein Kampfbegriff, sondern die Übersetzung des Fachterminus Ultra-High-Net-Worth-Individuals. Dazu werden Leute gezählt, die ein »Finanzvermögen« von mehr als hundert Millionen Dollar besitzen.

Weltweit gibt es von dieser Sorte demnach etwa 60.000, die meisten leben in den USA, dann folgt auf der Rangliste China (ohne Hongkong), Deutschland liegt auf Platz drei.

Diese Ultrareichen sind, anders als sehr viele andere Menschen, hervorragend durch die Coronakrise gekommen: Sie wurden noch reicher. Der Trend ist ungebrochen. Gleichzeitig wächst ihr Anteil am weltweiten Vermögen immer weiter.

Die sozialistischer Umtriebe ebenfalls unverdächtige Bank Credit Suisse berichtete schon 2017, dass das reichste Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile knapp mehr als die Hälfte allen weltweiten Haushaltsvermögens besaß.

Reiche werden also immer reicher, egal, was der Welt an Unbill widerfährt. Und sie werden immer mehr. In Deutschland ist das besonders krass: Hier besitzen die Ultrareichen 20 Prozent allen Vermögens. Weltweit sind es 13 Prozent. https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-wealth-report.html

Es wird von Leuten, die Fans einer möglichst unregulierten Marktwirtschaft sind, gern behauptet, dass reiche Leute eben reich sind, weil sie besonders hart arbeiten. Oder weil sie bereit sind, besondere Risiken einzugehen. Beides ist offensichtlich falsch: Viele deutsche Ultrareiche etwa haben ihr Vermögen geerbt. Und gegen Risiken wie eine globale Pandemie sind sie offenbar hervorragend abgesichert. Wenn es dumm läuft, dann leiden weltweit die Armen am meisten und die Reichen gar nicht.

Dabei ist denen durchaus klar, dass viele ihrer Geschäftsmodelle die Welt auf den Abgrund zutragen. Auch gegen dieses Risiko sichern sie sich gerade ab, etwa mit Festungen für die Zeit nach der Apokalypse. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/apokalypse-so-bereiten-sich-superreiche-auf-das-ende-der-welt-vor-a-1131490.html

In den USA hat die gemeinnützige Journalismusorganisation ProPublica gerade nachgewiesen, dass die vermögendsten Menschen dort – Leute wie Elon Musk, Jeff Bezos, Warren Buffett, Michael Bloomberg – in den letzten Jahren zwar um unfassbare Summen reicher geworden sind, aber gleichzeitig reale Einkommensteuersätze von teils unter einem Prozent genießen. https://www.propublica.org/article/the-secret-irs-files-trove-of-never-before-seen-records-reveal-how-the-wealthiest-avoid-income-tax

Wenn man hierzulande auf Derartiges hinweist, dann reagieren die Freunde der unregulierten Marktwirtschaft gern mit Kampfbegriffen. Insbesondere wird einem dann verlässlich unterstellt, man strebe den »Sozialismus« an, das wird zweifellos auch im Forum zu dieser Kolumne wieder passieren.

... Der enorme Erfolg der reichen Menschen der Welt, das System zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, hat natürlich wiederum viel mit Geld zu tun. Bekanntlich sind in den USA Wahlkämpfe extrem teure Angelegenheiten, maßgeblich finanziert von Megaspendern und Großkonzernen.

In Deutschland war das bislang nicht in der gleichen Form ausgeprägt. Zwar spenden Unternehmen und vermögende Menschen natürlich auch hierzulande Geld an Parteien, aber einen mit großen Mitteln finanzierten Schlammschlachtwahlkampf nach US-Vorbild gab es bei uns bislang nicht.

Das ändert sich gerade. Am Freitag dieser Woche schaltete die Lobbyorganisation »Initiative neue soziale Marktwirtschaft« (INSM), die maßgeblich von der deutschen Metall-, Elektro- und Automobilindustrie finanziert wird, in vielen großen deutschen Zeitungen (unter anderem »FAZ«, »Süddeutsche«, sowohl Print wie online, online auch noch die »Zeit«) großformatige Anzeigen.

Diese Anzeigen zeigen die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock als Moses ausstaffiert, mit zwei Steintafeln, auf denen neun Verbote stehen, die die Grünen sämtlich nicht anstreben, aber das ist ja egal. Daneben steht: »Warum wir keine Staatsreligion brauchen.« Das Anzeigenmotiv sollte offenbar das aus Sicht der deutschen Industrie wünschenswerte Fürchte-Framing vor dem am Wochenende stattfindenden grünen Parteitag setzen.

Allein die Werbeflächen, die der Lobbyverband da eingekauft hat, kosten viele Hunderttausend Euro. Das Motiv selbst bedient antisemitische Klischees, das findet zumindest der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume [https://twitter.com/beauftragtgg/status/1403252282582503424?s=20]. Das Motiv benutzt auch die in rechtsradikalen Kreisen beliebte Unsinnsthese, beim Wunsch nach einer Verhinderung der Klimakrise handele es sich um eine »Religion«. Die »Gesetzestafeln« enthalten neben Strohmann-Behauptungen zum Thema Klimapolitik auch noch andere übliche Talking Points der INSM zu Themen wie Arbeitsmarkt und Steuern.


Zu den offiziellen »Botschaftern« der INSM gehören übrigens auch mehrere Mitglieder der reichsten deutschen Familien. Arend Oetker etwa, Roland Berger, Randolf Rodenstock. Und natürlich stehen hinter den Verbänden, die die Lobbyorganisation finanzieren, weitere deutsche Ultrareiche, denen bedeutende Anteile großer Konzerne gehören.

Die INSM ist schon seit Jahren massiv dabei, mit Pseudo-Information und politischer Einflussnahme wirksamen Klimaschutz in Deutschland zu verhindern, in trauter Eintracht mit den Klimapolitik-Bremsern in der Union und anderen Parteien. Derzeit organisiert die Lobbyorganisation mit der Tageszeitung »Die Welt«, deren Herausgeber Stefan Aust »Zweifel« am menschengemachten Klimawandel hat, eine Reihe von Gesprächsveranstaltungen, die man nur als Wahlkampf-Events für die Union deuten kann. Zeitung, Lobbyorganisation, Partei, Seite an Seite.

Ich kann mich nicht erinnern, dass in der jüngeren deutschen Geschichte jemals eine Lobbyorganisation im Auftrag von Ultrareichen und Konzernen so offen und mit so viel Aufwand versucht hätte, Einfluss auf einen Bundestagswahlkampf zu nehmen.

Die Leute, denen die Krise rein gar nicht geschadet hat, die sogar von ihr profitiert haben, setzen sich jetzt höhere Ziele: Völlig unverhohlen wollen sie mit ihrem Geld darauf Einfluss nehmen, wer in Deutschland regiert. Mit Ad-hominem-Attacken, Diffamierung, Desinformation und sympathieheischendem Augenzwinkern in Richtung rechts außen.

...

Anmerkung: Die INSM hatte die erwähnte Anzeige auch bei SPIEGEL.de schalten wollen, das wurde jedoch abgelehnt. Die Organisation hat aber in der Vergangenheit auch bei SPIEGEL.de wiederholt Reklame geschaltet.


Aus: "Lobbyarbeit vor der Bundestagswahl: Komm, wir kaufen uns einen Kanzler" Aus einer Kolumne von Christian Stöcker (13.06.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/insm-kampagne-gegen-annalena-baerbock-die-hemmungslose-lobbyarbeit-der-reichen-im-wahlkampf-a-c6e17012-1117-47f7-af2f-d1cec5c2bbe5

QuoteAndreas

Nach diesem Artikel sei schon die Frage erlaubt, wo denn welche Erwartungshaltungen lagen? Superreiche und große Unternehmen, selbst der größere, kleiner Mittelstand, beschäftigten sich ständig mit Zukunftsstrategien und damit natürlich auch mit den Möglichkeiten um Entwicklungen im Sinne der Maximierung des Ertrags zu beeinflussen und setzen dann, die ihnen zur Verfügung stehenden notwendigen Mittel ein, die Ziele, möglichst im angestrebten Korridor, zu erreichen. Dazu wird jedes erlaubte Mittel, fokussiert auf die Zielerreichung, genutzt. Die Momentan an Fahrt aufnehmende Klimadebatte und die Debatte der sozialen Gerechtigkeit in den hoch entwickelten Volkswirtschaften, birgt die konkrete Gefahr, dass in vielen Wirtschaftsbereichen, die in den strategischen Ausrichtungen angenommene Übergangsphase nicht mehr vier, fünf Jahrzehnte beträgt, sondern eher zwei, drei. Dies gefährdet zahlreiche derzeit funktionierende Geschäftsmodelle verschiedener Branchen, was zwangsläufig zu Gegenreaktionen auf allen Ebenen führt und natürlich auch auf dem Feld der politischen Beeinflussungsschlachten. Erwähnen sollte man natürlich schon, dass auch probiert wird die Anpassung der Geschäftsmodelle zu beschleunigen.
Die grösste Gefahr, dass sich die Übergangsphase verkürzt, geht in Deutschland von den Grünen aus. Die geringste Gefahr von der Union. Also ist doch klar wer Feind und wer Freund ist und dass dabei nicht Samthandschuhe benutzt werden bzw. auch tief unter der Gürtellinie die Schläge gesetzt werden. Kommen wir zu den Erwartungshaltungen zurück - je höher die Gefahr, dass durch Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse die Klimapolitik auf schnelle Veränderung setzt, gepaart mit den Themen der sozialen Gerechtigkeit, umso heftiger und schmutziger werden die Reaktionen. Das Ganze zielt auf Fragmentierung der politischen Verhältnisse, denn je mehr Parteien gebraucht werden um eine Regierung zu bilden, umso größer sind die entsprechenden Möglichkeit der Beeinflussung.


QuoteSimon

Eigentlich geht auch andersherum mit der Neid­ De­bat­te. Hinter dieser Organisation stehen Vermögende Personen die den Menschen am anderen Ende nicht mal einen Mindestlohn zugestehen wollen, der ein Minimum an Lebensqualität ermöglichen soll !


QuoteMilan

Die Illusion einer demokratischen Entscheidung (Wahlen) und damit aktiver Gestaltungsmöglichkeit ist noch vorhanden. Mal schauen wie lange noch.
Die Richtung bestimmt längst das Schattenkabinett aus externen Beratern im Auftrag der Superreichen.
Die Gewählten und Volksvertreter sind nur noch Protagonisten für öffentliche Veranstaltungen und Verkündigungen.


QuoteAudiatur

,,Jetzt greifen Konzerne und Ultrareiche unverhohlen und mit viel Geld in den Wahlkampf ein."

Bis auf das ,,unverhohlen" gibt es doch seit es Wahlen gibt echt nichts Neues zu berichten ...
Lediglich das ,,Wie" ändert sich von Jahrhundert zu Jahrhundert, nicht jedoch die Tatsache.
Schön, dass dieser äußerst bereichernde Erkenntnis hier ein Artikel gewidmet wird.


...

Textaris(txt*bot)

#72
... Eine unrühmliche Rolle spielen die Medien ...

Quote[...] Man muss sich das einmal vorstellen: Mitten in Europa — und nicht etwa in der Türkei oder in Weißrussland und auch in keinem der anderen Länder des ehemaligen Ostblocks, die in keinem sonderlich guten Ruf stehen, sondern mitten in einer unserer ältesten parlamentarischen Demokratien — sitzt ein Mann seit nunmehr zwei Jahren im Gefängnis, ohne dass er irgendetwas verbrochen hat. Einfach nur deswegen, weil er etwas veröffentlicht hat, was den Mächtigen der Welt, konkret: den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien, nicht in den Kram passt. Und nicht etwa nur in einem einfachen Gefängnis ist der Journalist Julian Assange inhaftiert, sondern in dem berüchtigten Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, wie ein Terrorist oder ein supergefährlicher Mörder. 23 Stunden am Tag befindet er sich in vollkommener Isolation, was eine moderne Foltermethode darstellt.

Und die öffentliche Meinung in Europa — wo man sich sehr schnell darüber empört, wenn der russische Oppositionelle Alexander Nawalny verhaftet wird, wo man sich auch keineswegs ein Blatt vor den Mund nimmt, wenn von Weißrussland ein Flugzeug zur Landung gezwungen wird, in dem der Blogger Roman Protassevich sitzt — die übt sich dabei bloß in einer merkwürdigen Zurückhaltung, die nimmt diese Vorgangsweise weitgehend hin oder schweigt überhaupt dazu. Auch die hohe europäische Politik reagiert nicht, es gibt keine Forderungen nach Sanktionen, es gibt keine Warnungen und Drohungen, wie das mit ziemlicher Sicherheit der Fall wäre, wenn Assange nicht ein von den USA und Großbritannien, sondern von Russland inhaftierter Journalist wäre.

Wie konnte es so weit kommen? Wie ist so etwas überhaupt möglich? Welche Entwicklungen sind es, die dazu geführt haben? Um darüber zu sprechen, fanden sich am 2. Juli, dem Vorabend des 50. Geburtstags des Australiers, der UN-Sonderberichterstatter für Folter, der Schweizer Nils Melzer, sowie sein Vorgänger in diesem Amt, der Österreicher Manfred Nowak, zu einem Hintergrundgespräch in den Räumlichkeiten des Österreichischen Journalist*innen Clubs (ÖJC) in Wien ein. Mitveranstalter war der Schweizer Presse Club. Anschließend gab es eine Präsentation von Melzers Buch "Der Fall Assange. Geschichte einer Verfolgung". Moderiert wurde beides von Fred Turnheim, der bis vor kurzem Präsident des ÖJC war [https://youtu.be/rGLgoaSP11k, LIVE: Diskussion N. Melzer, M. Nowak, F. Turnheim: Pressefreiheit und Rechtsstaat in Gefahr, 04.07.2021].

Mein Blogbeitrag wird sich zu einem großen Teil auf die Informationen beziehen, die bei dieser Veranstaltung (inklusive Fragerunde, die allerdings nicht mehr im unten eingebetteten Video zu sehen ist) sowie in Melzers Buch Thema wurden. In einigen Punkten beruht er auch auf Auskünften, die mir der UN-Sonderberichterstatter dankenswerterweise im Nachhinein zukommen ließ.

Natürlich ging es dabei nicht nur um den inhaftierten Journalisten Assange. Präsent sind bei der Diskussion genauso die Schicksale der Whistleblower Edward Snowden und Chelsea Manning. Sie ,,sind die Leichen im Keller des Westens", wie es schon in der Ankündigung heißt. ,,Ihre Verfolgung und Misshandlung zerstört die Glaubwürdigkeit der westlichen Wertegemeinschaft."

Melzer, Nowak und Turnheim erzählen in einem gemeinsamen Gespräch die Geschichte nach. Vieles von dem, was sie sagen, ist zwar nicht grundlegend neu für diejenigen, die die Weltpolitik in den letzten 20 Jahren kritisch beobachtet haben. Und trotzdem ist es wichtig, diese Dinge immer wieder in Erinnerung zu rufen, weil der öffentliche Diskurs leider nur über ein miserables Langzeitgedächtnis verfügt und allzu vieles blitzesschnell vergisst.

Also lassen die Diskutanten die Ereignisse Revue passieren: Ausgangspunkt ist natürlich 9/11, der Anschlag auf die beiden Türme des World Trade Centers im Jahr 2001, den die Administration des damaligen US-Präsidenten George Bush als Vorwand für ihren ,,Krieg gegen den Terror" und damit für teils massive Einschränkungen der Menschenrechte genutzt hat. Auf dieses Geschehnis gehen letztlich alle weiteren Entwicklungen zurück, in deren Sog auch die europäischen Verbündeten der USA sich weitgehend kritiklos reißen ließen. Es kam zum Einmarsch in Afghanistan, später zur Invasion im Irak.

Damit einher ging aber die Schaffung rechtsfreier Räume. Nowak legt dar, um was für eine einschneidende Zäsur es sich dabei handelt. Die Folter, die grundsätzlich seit der Aufklärung ein geächtetes Instrumentarium gewesen war — das man zwar vielleicht dennoch anwandte, aber ohne dass irgendjemand etwas davon wissen durfte — wurde wieder salonfähig gemacht. Die Regierung Bush verkündete ungeniert, dass sie sich bei der Bekämpfung ihrer Gegner nicht durch den Rechtsstaat behindern lassen würde. Verhör- und Folterzentren außerhalb der USA wurden geschaffen. Man braucht dabei nicht bloß an Guantanamo denken. Ähnliche Einrichtungen wurden vom CIA in verschiedenen Staaten Osteuropas wie Rumänien, Polen und Litauen betrieben. Gleichzeitig wurden Massaker an Angehörigen der Zivilbevölkerung der bekriegten Länder Alltag, ohne dass die Täter Konsequenzen zu befürchten hatten. Dies schon deswegen nicht, weil es bis zum Auftauchen von Wikileaks praktisch kein Bewusstsein in der Weltöffentlichkeit darüber gab, dass solche Dinge überhaupt passieren.   

Zwar gab es vorübergehend eine gewisse allgemeine Empörung und wurde eine Handvoll von Soldaten zu geringfügigen Strafen verurteilt, nachdem 2004 der Folterskandal von Abu Ghuraib ans Tageslicht gekommen war. Dabei landeten aber bloß die Harmlosesten der Täter auf der Anklagebank, die ganz kleinen Fische. Um einiges schrecklicher als Mitglieder der US-Armee, so erläutert Nowak, agierten in dieser Hinsicht nämlich die Angehörigen der CIA. Von denen wurde aber ebenso wenig irgendjemand zur Rechenschaft gezogen wie von den Angestellten der im Irakkrieg sehr zahlreich vertretenen amerikanischen privaten Militärunternehmen, die der Aussage der Folteropfer zufolge die Allerschlimmsten gewesen waren.

Einige Jahre später fällte US-Präsident Barack Obama mehr als nur eine verheerende Entscheidung. Ein Teil der amerikanischen Kriegsverbrechen gelangte nun doch an die Öffentlichkeit. In Zusammenarbeit mit Manning veröffentlichte Wikileaks Material, das die Kriegsverbrechen der USA belegte. Das sogenannte Collateral Murder Video wurde davon am bekanntesten. Überdies gab es das Problem mit Guantanamo, das zu schließen Obama vor seiner Wahl vollmundig der Weltöffentlichkeit versprochen hatte. Eine vollständige Schließung ließ sich jedoch nicht bewerkstelligen.

Wie reagierte Obama auf diese beiden Herausforderungen? Zum einen entdeckte er das Drohnenmorden. Zwar hatte es schon unter der Regierung Bush die illegalen Tötungen mittels fliegender Roboter gegeben, aber Obama ordnete eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Einsätze an. Auf seine Veranlassung hin wurden statt wie bisher durchschnittlich zwei Drohnenangriffe im Monat nun fünf in der Woche geflogen. Obama ließ demnach während seiner Regierungszeit im Schnitt 20 derartiger Einsätze im Monat und 240 im Jahr durchführen. Da aber fast jede dieser Militäraktionen gleich mehrere Personen einschließlich Unbeteiligter umbrachte, kann man erahnen, wie viele Menschenleben er auf dem Gewissen hat. Das Drohnenmorden war Obamas Spezialität und seine Alternative zu Guantanamo. Seine Logik war folgende: Leute in Guantanamo inhaftieren und foltern, das schaut nicht gut aus, das macht kein gutes Bild in der Weltöffentlichkeit, das dürfen wir also nicht. Daher — töten wir die Verdächtigen gleich.

So sah also, das möchte ich hier persönlich hinzufügen, der vorgebliche Humanismus des Lieblings der linksliberalen Szene hinter der Kulisse aus, das muss man an dieser Stelle einmal offen aussprechen, und man muss sich nach wie vor darüber wundern, was Obama hat alles tun können, ohne dass es an seinem Image allzu viel gekratzt hat. Nicht nur aber, dass er damit gegen ein grundlegendes Rechtsprinzip der Genfer Konvention verstoßen hat, welches derartige Tötungsbefehle klipp und klar verbietet¹, er hatte damit auch seinem Nachfolger im Amt, Donald Trump, eine Steilvorlage geliefert — der da nicht müde zurückstehen wollte und die Anzahl der Drohneneinsätze gleich auf drei am Tag erhöhte.

Man sieht hieran also, wie die USA im Laufe der letzten 20 Jahre ihre Gewalttätigkeit immer mehr verstärkt haben. Auf der anderen Seite lehnte Obama es aber strikt ab, die von Whistleblowern aufgedeckten amerikanischen Kriegsverbrechen einer ernsthaften gerichtlichen Verfolgung zuzuführen, obwohl hohe Beamte der Uno ihn darauf drängten. Stattdessen tat er etwas ganz anderes: Er ließ die Whistleblower (und da ging es nicht bloß um Manning) so hart verfolgen wie kein US-Präsident vor ihm.

Übrigens ist es auch unwahr, dass, wie oft behauptet wird, Obama Manning schließlich ,,begnadigt" hätte. Deren Strafe wurde lediglich herabgesetzt, aber nach ihrer Freilassung wurde sie sehr bald wieder inhaftiert, bis sie durch einen Selbstmordversuch fast gestorben wäre. Den sogenannten Nürnberger Prinzipien zufolge, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Völkerrecht Geltung erlangten und die auf Kriegsverbrechen Bezug nehmen, hat Obama sich aber, so führt Melzer aus, mit seinem Verhalten selbst schuldig gemacht. Die Anordnung zur Nicht-Verfolgung von Kriegsverbrechen ist selbst ein Vergehen und strafbar.²

Im Grunde ist es also Obama, der vor ein Gericht gehört hätte, und nicht Manning oder Assange, so kann man Melzers Aussagen an diesem Punkt weiterdenken, obwohl er das nicht explizit ausspricht. Denn diese beiden wiederum hätten, so sagt er, für das, was sie getan haben, überhaupt nie zur Rechenschaft gezogen werden dürfen. Assange war ohnehin nie ein ,,Whisteblower" — auch wenn er fälschlicherweise manchmal als ein solcher bezeichnet wird —, sondern ein Journalist, der im Grunde nur das getan hat, was Journalisten tun. Im Fall Manning stelle sich die rechtliche Situation zwar etwas anders dar, räumt Melzer ein, weil es sich hier um ein Mitglied der US-Armee handle, aber wenn Rechtsbrüche oder gar Kriegsverbrechen vorliegen, könne natürlich von einer Bindung an die Schweigepflicht keine Rede mehr sein. Zumal Manning Vorgesetzte auf die Menschenrechtsverletzungen hingewiesen hatte, diese aber keine Konsequenzen daraus gezogen hatten.

Dieselbe perverse Logik, die für Obamas Strategie gegenüber Kriegsverbrechern und Whistleblowern maßgeblich war, ist es aber, die sich im Prozess gegen Assange geradewegs fortsetzt. Und hier ist man sogar einen Schritt weitergegangen. Denn mit dem vorläufigen Urteil eines britischen Gerichts im Auslieferungsverfahren gegen Assange, das am 4. Jänner gefällt wurde, ist genau das eingetreten, was man befürchtete: Auf einmal stehen nicht nur Whistleblower, sondern auch diejenigen, die kraft ihrer journalistischen Tätigkeit als ,,geheim" deklarierte Dokumente entgegen nehmen, explizit unter Strafandrohung, selbst wenn sie damit Verbrechen und Korruption ans Licht bringen.

Das britische Gericht unter dem Vorsitz der Richterin Vanessa Bareitser gab nämlich dem amerikanischen Auslieferungsgesuch in allen Punkten recht. Der einzige Grund, warum es den Antrag abwies, war der schlechte gesundheitliche Zustand des Journalisten. Entgegen aller nachvollziehbaren Logik ließ man jedoch Assange auch dann immer noch nicht frei [https://orf.at/stories/3196259/].

Erst jetzt, ein halbes Jahr nach dem Urteil, hat die britische Justiz die im Jänner sofort eingelegte Berufung der US-Vertretung zugelassen [https://www.spiegel.de/ausland/julian-assange-britisches-gericht-laesst-berufung-gegen-abgelehnte-auslieferung-zu-a-9618727a-0d9e-4a15-aa5c-150a55dbcc9c]. Das ist ein ungewöhnlich langer Zeitraum. Hinter dieser Verzögerung steckt jedoch offensichtlich eine bewusste Strategie. Ein rasches Ende des Prozesses liegt nämlich keineswegs in den Interessen der USA und Großbritanniens. Sobald der Instanzenweg abgeschlossen ist und ein endgültiges nationales Urteil vorliegt, könnten die Anwälte Assanges den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass dieser einer Auslieferung des Journalisten nicht zustimmen würde. Deswegen hat man es von britisch-amerikanischer Seite nun auf ein möglichst langes Verfahren angelegt, das sich über Jahre ziehen wird. Der Prozess wird, wie Melzer sagt, in einer ,,Endlosschleife" gelassen. Oder, wie es die "Berliner Zeitung" recht deutlich formulierte: ,,Wer die Mächtigen kritisiert, verrottet im Knast." Und das ohne rechtsgültiges Urteil.
[https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/julian-assange-wer-die-maechtigen-kritisiert-verrottet-im-knast-li.168969]

Hingewiesen sei hier aber am Rande auch auf das Schicksal des ehemaligen britischen Botschafters Craig Murray. Der Freund von Assange wurde im Mai in einem gleichfalls bizarren Verfahren verurteilt [https://www.nachdenkseiten.de/?p=72388&fbclid=IwAR1uNWsWGVFN-RFzbphi7CWDVWq6HGr0me6sxOf29vjYYsz1-aRyymkqSpQ]. Er war ein Augen- und Ohrenzeuge für vieles, und seine regelmäßigen Blogeinträge waren eine der wenigen gründlichen Quellen für das, was im unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Prozess gegen den Australier wirklich geschah. Man darf eine Absicht vermuten: Aufgrund des Verfahrens gegen ihn war es ihm nämlich nicht möglich nach Spanien zu reisen, wo in einem weiteren Schlüsselprozess seine Aussage von großer Wichtigkeit gewesen wäre. Dort steht David Morales vor Gericht, der Chef jener Sicherheitsfirma, die Assange jahrelang in der ecuadorianischen Botschaft in London für den amerikanischen Geheimdienst ausspionierte.

Und schließlich ist zu erwähnen, dass der US-Anklage jüngst einer ihrer wichtigsten Zeugen auf kuriose Weise abhanden gekommen ist: Der Isländer Sigurdur Ingi Thordarson hat öffentlich eingestanden, dass seine den inhaftierten Journalisten belastenden Aussagen auf einem Gegenschäft mit dem FBI beruhten und frei erfunden waren [https://stundin.is/grein/13627/].

Eine unrühmliche Rolle spielen die Medien, die über all diese Skandale eigentlich laufend, rund um die Uhr, berichten müssten. Das tun sie ganz eindeutig nicht, oft aber lancieren sie außerdem leider Meldungen über Assange, deren grundlegender Duktus schlicht inakzeptabel ist.

Als durchaus sehr charakteristisches Durchschnittsbeispiel nehme ich eine kürzlich veröffentlichte APA-Meldung her [https://www.diepresse.com/6000891/leben-im-fadenkreuz-der-justiz-wikileaks-grunder-assange-wird-50], die wortgleich von mehreren österreichischen Zeitungen wiedergegeben wurde.  ,,Die US-Justiz wirft Assange vor ...", heißt es dort, und dann werden die gegen ihn erhobenen Vorwürfe noch einmal alle wiederholt, die inzwischen bereits x-fach widerlegt worden sind, auf eine Weise, als könnte immer noch etwas Wahres daran sein. Er habe Depeschen ,,gestohlen", er sei ein ,,Spion", er habe Menschenleben ,,in Gefahr gebracht", und dann werden natürlich auch noch die Vergewaltigungssvorwürfe wiedergekäut. Daraufhin heißt es, ebenso schwebend: ,,Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen Journalisten, der mit investigativer Arbeit schlimme Kriegsverbrechen ans Licht brachte."

Nun sehen das nicht einfach nur seine Unterstützer so, sondern das ist er ganz eindeutig, erstens ein Journalist, der für seine publizistische Arbeit überdies mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, und zweitens einer, der Kriegsverbrechen enthüllt hat. Gleich anschließend wird ja sogar in der Meldung selbst das Video mit der Tötung von irakischen Zivilisten in Badgad erwähnt. Was also soll dann dieser unsägliche Wahrheitsrelativismus in der Formulierung an einer Stelle, an der er vollkommen unangemessen ist?

Macht man so etwas im Fall Nawalny? Redet man denn hier vielleicht so: ,,Für die einen ist er ein Oppositioneller, für die anderen hingegen ..."? Oder im Fall Protassevich: ,,Für die einen ist er ein seiner Kritik an der weißrussischen Regierung wegen verfolgter Blogger, für die anderen hingegen ..."? Nein. Warum also hier, im Fall von Assange, plötzlich diese Täter/Opfer-Relativierungen? Es gereicht der APA nicht zur Ehre, solche lavierenden Artikel zu verbreiten. Damit wird abermals nur die seichte Diskussion bedient, was Assange nun selbst für ein Mensch ist, was er womöglich falsch oder richtig gemacht hat, anstatt sich ernsthaft mit der brisanten politischen Materie auseinanderzusetzen.

Diese Meldung ist jedoch prototypisch für viele andere, die in einem sehr ähnlichen Stil gehalten sind. Sie haben oft interessante Ansätze, aber dann verlieren sie sich in dem, was die Umgangssprache ,,Wischi-Waschi" nennt. Und anstatt dass klar und eindeutig für einen von Justizwillkür verfolgten Kollegen Stellung genommen wird, der auf eine Art und Weise inhaftiert ist, die allen Menschenrechten spottet, so dass man meinen sollte, dass es eigentlich kein Wenn und Aber geben dürfte — übt man sich in relativierenden Formulierungen.

Freilich muss man mit einem allzu pauschalen Urteil über die Medien vorsichtig sein. Viele Journalisten machen exzellente Arbeit und halten das Thema am Leben. Hier etwa eine hervorragend recherchierte Arte-Doku, deren einziges Manko in der missverständlichen Titelwahl besteht. Mit "Spionageaffäre" ist nämlich nicht etwa die Tätigkeit von Assange gemeint, sondern seine illegale Überwachung durch UC Global: https://youtu.be/NQrz-J8R9zA (Julian Assange: Chronik einer Spionageaffäre | ARTE Reportage, 06.07.2021)

Was die Politik betrifft, so gibt es zwar immer wieder vereinzelte Abgeordnete verschiedener europäischer Parteien, die sich zu Gruppen zusammenschließen, um gemeinsam Initiativen für Assange zu starten. Leider werden sie dabei aber von der ganz hohen europäischen Politik jämmerlich im Stich gelassen, ohne deren Unterstützung nichts Effektives machbar ist. Man musss sich auf Aufrufe beschränken [https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/bundestag-abgeordnete-fordern-freiheit-fuer-julian-assange-li.168710].

Auf sehr drastische Weise wurde dieses Dilemma im Fall des kürzlich an  Angela Merkel gerichteten "Briefs der 120" [https://assange-helfen.de/] sichtbar, der vom Publizisten Günter Wallraff initiiert und von vielen prominenten Politikern, Journalisten und Künstlern unterzeichnet worden war. Doch obwohl er durchaus einiges an Aufmerksamkeit in den Leitmedien auf sich zog, prallte dieser dramatische Appell an die deutsche Bundeskanzlerin, sich während ihres Besuches in den Vereinigten Staaten beim US-Präsidenten Joe Biden für die Freilassung von Assange einzusetzen, völlig wirkungslos an ihr ab.

Es gibt unzählige Assange-Aktivisten und entsprechende Plattformen, die schier Unglaubliches leisten. Und an ihre Seite hat sich immerhin der UN-Sonderberichterstatter für Folter gestellt. Als die wichtigste derzeit laufende Initiative wird der sogenannte Genfer Appell betrachtet [https://www.change.org/p/geneva-call-to-uk-and-us-free-assange-gva-freeassange?fbclid=IwAR0RieBvGj0XQjr7uGjDFyLqwpVQkkkE9pBau82hB-1_4PCXtxIZuqPIgkY], ein Aufruf zur sofortigen Freilassung des Journalisten, der zwar von den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt in der Schweiz gestartet wurde, den zu unterschreiben aber alle Europäer aufgefordert werden, die am Schicksal von Assange Anteil nehmen, denen Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit nicht gleichgültig sind und die an der Einhaltung der Menschenrechte sowie des Völkerrechts ein Interesse haben.

Auch zu erwähnen ist das Volksbegehren ,,Staatsbürgerschaft für Folteropfer", das für Assange und in allen ähnlich gelagerten Fällen die automatische Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verlangt. Und zusätzlich werden in den großen Städten ganz Europas mit hoher Regelmäßigkeit Mahnwachen für Julian Assange abgehalten und jede Menge anderer Protestaktionen veranstaltet, gerade jetzt zu seinem 50. Geburtstag war dies wieder verstärkt der Fall. Wobei man freilich Realist bleiben muss. Eine Wirkung kann dies alles nur entfalten, wenn die breite Öffentlichkeit für das Thema Feuer fängt. Hier sind die Journalisten, die Medien- und Meinungsmacher gefragt, und darum hat an dieser Stelle auch an sie ein Aufruf zu ergehen, den Geschehnissen um Assange endlich den gebührenden Platz im Diskurs zukommen zu lassen. Der Genfer Appell richtet sich deswegen nicht zuletzt gleichfalls eindringlich an sie. Ihnen muss man bewusst machen, dass es hier um ihre eigene Freiheit geht.

Eine unseren westlichen Wertegrundsätzen entsprechende Lösung könnte freilich dennoch am Ende nur die Politik herbeiführen. Das würde heißen, dass US-Präsident Joe Biden doch noch einlenkt. Oder aber dass, wie Melzer es formuliert, ,,sich Großbritannien plötzlich auf die Rechtsstaatlichkeit besinnt und die Auslieferung ablehnt, weil Assange eines politischen Deliktes angeklagt ist, seine Verfahrensrechte schwer verletzt wurden, die ihm vorgeworfenen Handlungen von der Pressefreiheit geschützt sind und ihn in den USA ein unfairer politischer Schauprozess sowie lebenslange Haft unter unmenschlichen Bedingungen erwarten." Allein damit ist ungeheuer viel auf den Punkt gebracht, was sich jede Relativierung verbietet.

Die Arbeit an diesem Beitrag war bereits weitgehend abgeschlossen, als eine neue Meldung hereinflatterte. Eben die, dass ein britisches Gericht den Berufungsantrag gegen die erstinstanzliche Entscheidung endlich zugelassen hat [https://www.spiegel.de/ausland/julian-assange-britisches-gericht-laesst-berufung-gegen-abgelehnte-auslieferung-zu-a-9618727a-0d9e-4a15-aa5c-150a55dbcc9c]. Der Prozess geht also in die nächste Runde. Fast gleichzeitig wurde aber auch eine andere Neuigkeit publik [https://www.heise.de/news/Bericht-Julian-Assange-muesse-in-den-USA-nicht-in-strenge-Isolationshaft-6131412.html]. Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge hat die US-Regierung Großbritannien versprochen, dass im Fall einer Auslieferung Assange nicht in strenge Isolationshaft in einem Hochsicherheitsgefängnis kommen werde, sondern seine Haftzeit in seinem Heimatland Australien absitzen könnte.

Warum es sich bei diesem Vorschlag nicht etwa um eine humanitäre Anwandlung der US-Regierung, sondern nur um einen neuen fiesen Trick, ja, eine Falle für Assange handelt, das sei hier kurz erklärt. Zum einen verstößt eine solche Abmachung, bevor überhaupt ein Urteil gefällt wurde, gegen alle rechtlichen Gebräuche und dient offensichtlich nur dazu, das Urteil zu beeinflussen. Zum anderen: Was wird den USA schon passieren, wenn sie dann ihr Versprechen nicht einhalten? Im Übrigen sei daran erinnert, dass Melzer bereits vor Monaten vor einem solchen Schachzug der amerikanischen Rechtsvertreter warnte. Darin liege eben der Haken der Begründung, mit der Richterin Baraitser am 4. Jänner den Auslieferungsantrag zurückgewiesen hat, legte er damals schon dar. Dadurch dass der Gesundheitszustand Assanges als einziges Hindernis angegeben wurde, welches einer Auslieferung im Weg stünde, bräuchten die USA im Grunde nur eine Garantie abgeben, dass sie ihn gut behandeln würden, und hätten wieder freie Bahn. Das ist anscheinend so in etwa das, was nun tatsächlich versucht wird.

In einer aktuellen Stellungnahme bezeichnet Melzer folgerichtig das US-Angebot als reine "Augenauswischerei". Eine derartige Überstellung nach Australien könne ja überhaupt erst zur Anwendung kommen, wenn beim Verfahren in den Vereinigten Staaten alle Rechtsmittel ausgeschöpft worden wären, erklärt er, "und das kann 10 Jahre oder mehr dauern".³ Als ähnlich wertlos betrachtet er die Zusicherung der USA, Assange keinen SAMs zu unterwerfen. Hinter diesem Ausdruck verbergen sich die englischen Worte "Special Administrative Measures", was so viel wie "Spezielle Verwaltungsmaßnahmen" bedeutet. Dabei handelt es sich aber nur um das allerhärteste amerikanische Einzelhaftsystem. "Keine SAMs heißt also noch lange nicht keine Isolationshaft." Melzer weiter: "Abgesehen davon: Was ist mit Pressefreiheit, politischem Delikt, Verfahrensverletzungen durch Botschaftsüberwachung und so weiter? Julian Assange gehört überhaupt nicht ins Gefängnis." Dem ist nichts hinzuzufügen. (Ortwin Rosner, 19.7.2021)




Literaturhinweis:

    Nils Melzer, Oliver Kobold: "Der Fall Julian Assange. Geschichte einer Verfolgung". Piper, München 2021.

Fußnoten

¹ Es handelt sich hierbei um das sogenannte "Denial of Quarter"-Verbot in Art. 41 Erstes Zusatzprotokoll Genfer Konventionen, welches den Befehl, "keine Überlebenden" übrigzulassen oder auf dieser Basis Krieg zu führen, ausdrücklich verbietet.

² Die Nürnberger Prinzipien bilden vor allem für die Strafbarkeit von Staatsoberhäuptern die Grundlage (Nr. 1., 2., 3. und 7.). Die Strafbarkeit der Nicht-Verfolgung von Kriegsverbrechen stützt sich auf den Grundsatz der Kommandantenverantwortung, der mit dem Yamashita-Urteil des Tokio Tribunals als Völkergewohnheitsrecht anerkannt wurde, vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) beziehungsweise dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) in verschiedenen Fällen bestätigt wurde und in Artikel 28 des Römischen Statuts (= die vertragliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs mit Sitz in Den Haag) wiedergegeben ist. Da dieser Grundsatz anerkanntes Gewohnheitsrecht ist, ist er auch für die USA verbindlich. Es geht dabei wohlgemerkt um eine selbstständige Strafbarkeit des Kommandanten beziehungsweise Vorgesetzten durch Unterlassung seiner Aufsichts- und Durchsetzungspflicht des Völkerrechts. Das heißt: Strafbar ist er in diesem Sinne zwar nicht für die Verbrechen seiner Untergebenen, sehr wohl aber für die Nicht-Durchsetzung des Völkerstrafrechts.

³ Ganz ähnlich schätzt Stella Moris, die Verlobte Assanges, die ja auch Juristin ist, die Lage im "Guardian" ein [https://www.theguardian.com/media/2021/jul/10/us-pledge-that-julian-assange-could-serve-any-jail-sentence-in-australia-is-grossly-misleading-partner-says].



Aus: "Julian Assange: Wie die USA ihre Kriegsverbrecher schützen" Ortwin Rosner (19.7.2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000128052144/julian-assange-wie-die-usa-ihre-kriegsverbrecher-schuetzen

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LazyJones

Und Schweden?

Ich vermisse eine Erwähnung der extrem korrumpierten Justiz in Schweden, die Assange überhaupt erst der Strafverfolgung in der EU ausgesetzt hat.


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Cicero22

Schweden hat im Fall Assange eine gleichermassen traurige wie viele enttäuschende Rolle gespielt. Ich hätte nicht gedacht, dass das in Schweden möglich wäre.


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JohannaHufner

Und Obama habens den Friedensnobelpreis verliehen...


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Liberaler Atheist

Die Liebe der linken Journalisten und Foren Schreiberlinge zu Assange ist einfach nur lächerlich. Bitte einfach nur die sehr präzise Begründung der britischen Richterin lesen, warum dem US-Auslieferungsantrag im Prinzip Recht zu geben ist.


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Markus2001

Die Illegalität des ganzen Verfahrens fängt sich schon damit an, dass Assange nicht mal US-Bürger ist. Wie kann es v Belang sein, dass er gegen ein US-Gesetz v 1917 verstößt? Würde man ihn auch an Russland ausliefern, weil er gegen russische Geheimhaltungsregeln verstoßen hat?


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Chief Bogo

Einmal mehr Vielen Dank Hr. Rosner für einen wichtigen und informativen Artikel über Julian Assange. Danke dass Sie hier dieses Thema immer aktuell behandeln (auch wenn derStandard Ihre Artikel sichtbarer platzieren könnte).
Von all diesen Ungerechtigkeiten zu lesen, den menschenunwürdigen Haftbedingungen, der psychischen Folter, der Unmenschlicheit der Amerikaner und Briten, dem "Friedensnobelpreisträger" Obama (was für ein Hohn!), der Feigheit und Scheinheiligkeit anderer Regierungen, etc, etc... lässt in mir den Zweifel an Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit im größer werden.
Die Öffentlichkeit hat Assange sehr viel zu verdanken. Der Preis den er dafür zahlen muss ist leider immens hoch.


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eigenvector

danke an den autor, dass er diese unerträgliche und verlogene heuchelei des "wertewestens" und dessen medialer unterstützer (aka qualitäts-journalisten), so klar artikuliert. ...


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Girlitz

23 Stunden am Tag befindet er sich in vollkommener Isolation

Und die Politiker der sogenannten freien Welt wissen es, uns schauen zu. Das ist die wirkliche Tragödie.
Die sogenannten Rechtsstaaten pfeifen auf den Rechtsstaat, wenn's ums Eingemachte geht.


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Heinz Elmann

Linke vs Rechte, Russland gegen Amerika, Nawalny gegen Assange.
Wenn da in Lager gespalten wird und diffamiert wird lenkt das vom eigentlichen Thema ab.

Hier geht es um Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte vs Autoritarismus.

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derrotepapst

Ich habe das gerade nochmal gelesen - Wirklich gut zusammengefasst. Und was die Qualität, die Recherche, Faktencheck und auch Standpunkte anbelangt, wesentlich besser als das was man hier auf Titelseiten findet.

Wird leider untergehen.

Die Frage ist was tun? Im Grunde können wir nichts tun. Nur dem Treiben, das immer perverser wird allgemeingesellschaftlich betrachtet, zusehen..mit Ärger oder Zynismus und Spott und Hohn. Ich hab mich für die letzten 3 Optionen entschieden. Sobald ich einen Politiker im TV oder sonstwo von Menschenrechten, Demokratie ET CETERA, sprechen höre, muss ich entweder umschalten oder lachen.


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mkrispin

Mich ueberkommt immer oefter ein Wuergereiz bei sowas


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Textaris(txt*bot)

The broadcast media were almost exclusively reserved for those who supported the adventure.

Quote[...] Everyone is to blame for the catastrophe in Afghanistan, except the people who started it. Yes, Joe Biden screwed up by rushing out so chaotically. Yes, Boris Johnson and Dominic Raab failed to make adequate and timely provisions for the evacuation of vulnerable people. But there is a frantic determination in the media to ensure that none of the blame is attached to those who began this open-ended war without realistic aims or an exit plan, then waged it with little concern for the lives and rights of the Afghan people: the then US president, George W Bush, the British prime minister Tony Blair and their entourages.

Indeed, Blair's self-exoneration and transfer of blame to Biden last weekend was front-page news, while those who opposed his disastrous war 20 years ago remain cancelled across most of the media. Why? Because to acknowledge the mistakes of the men who prosecuted this war would be to expose the media's role in facilitating it.

Any fair reckoning of what went wrong in Afghanistan, Iraq and the other nations swept up in the "war on terror" should include the disastrous performance of the media. Cheerleading for the war in Afghanistan was almost universal, and dissent was treated as intolerable. After the Northern Alliance stormed into Kabul, torturing and castrating its prisoners, raping women and children, the Telegraph urged us to "just rejoice, rejoice", while the Sun ran a two-page editorial entitled "Shame of the traitors: wrong, wrong, wrong ... the fools who said Allies faced disaster". In the Guardian, Christopher Hitchens, a convert to US hegemony and war, marked the solemnity of the occasion with the words: "Well, ha ha ha, and yah, boo. It was ... obvious that defeat was impossible. The Taliban will soon be history."

The few journalists and public figures who dissented were added to the Telegraph's daily list of "Osama bin Laden's useful idiots", accused of being "anti-American" and "pro-terrorism", mocked, vilified and de-platformed almost everywhere. In the Independent, David Aaronovitch claimed that if you opposed the ongoing war, you were "indulging yourself in a cosmic whinge".

Everyone I know in the US and the UK who was attacked in the media for opposing the war received death threats. Barbara Lee, the only member of Congress who voted against granting the Bush government an open licence to use military force, needed round-the-clock bodyguards. Amid this McCarthyite fervour, peace campaigners such as Women in Black were listed as "potential terrorists" by the FBI. The then US secretary of state, Colin Powell, sought to persuade the emir of Qatar to censor Al Jazeera, one of the few outlets that consistently challenged the rush to war. After he failed, the US bombed Al Jazeera's office in Kabul.

The broadcast media were almost exclusively reserved for those who supported the adventure. The same thing happened before and during the invasion of Iraq, when the war's opponents received only 2% of BBC airtime on the subject. Attempts to challenge the lies that justified the invasion – such as Saddam Hussein's alleged possession of weapons of mass destruction and his supposed refusal to negotiate – were drowned in a surge of patriotic excitement.

So why is so much of the media so bloodthirsty? Why do they love bombs and bullets so much, and diplomacy so little? Why do they take such evident delight in striking a pose atop a heap of bodies, before quietly shuffling away when things go wrong?

An obvious answer is the old adage that "if it bleeds it leads", so there's an inbuilt demand for blood. I remember as if it were yesterday the moment I began to hate the industry I work for. In 1987, I was producing a current affairs programme for the BBC World Service. It was a slow news day, and none of the stories gave us a strong lead for the programme. Ten minutes before transmission, the studio door flew open and the editor strode in. He clapped his hands and shouted: "Great! 110 dead in Sri Lanka!" News is spectacle, and nothing delivers spectacle like war.

Another factor in the UK is a continued failure to come to terms with our colonial history. For centuries the interests of the nation have been conflated with the interests of the rich, while the interests of the rich depended to a remarkable degree on colonial loot and the military adventures that supplied it. Supporting overseas wars, however disastrous, became a patriotic duty.

For all the current breastbeating about the catastrophic defeat in Afghanistan, nothing has been learned. The media still regale us with comforting lies about the war and occupation. They airbrush the drone strikes in which civilians were massacred and the corruption permitted and encouraged by the occupying forces. They seek to retrofit justifications to the decision to go to war, chief among them securing the rights of women.

But this issue, crucial as it was and remains, didn't feature among the original war aims. Nor, for that matter, did overthrowing the Taliban. Bush's presidency was secured, and his wars promoted, by American ultra-conservative religious fundamentalists who had more in common with the Taliban than with the brave women seeking liberation. In 2001, the newspapers now backcasting themselves as champions of human rights mocked and impeded women at every opportunity. The Sun was running photos of topless teenagers on Page 3; the Daily Mail ruined women's lives with its Sidebar of Shame; extreme sexism, body shaming and attacks on feminism were endemic.

Those of us who argued against the war possessed no prophetic powers. I asked the following questions in the Guardian not because I had any special information or insight, but because they were bleeding obvious. "At what point do we stop fighting? At what point does withdrawal become either honourable or responsible? Having once engaged its forces, are we then obliged to reduce Afghanistan to a permanent protectorate? Or will we jettison responsibility as soon as military power becomes impossible to sustain?" But even asking such things puts you beyond the pale of acceptable opinion.

You can get away with a lot in the media, but not, in most outlets, with opposing a war waged by your own nation – unless your reasons are solely practical. If your motives are humanitarian, you are marked from that point on as a fanatic. Those who make their arguments with bombs and missiles are "moderates" and "centrists"; those who oppose them with words are "extremists". The inconvenient fact that the "extremists" were right and the "centrists" were wrong is today being strenuously forgotten.


Aus: "Who's to blame for the Afghanistan chaos? Remember the war's cheerleaders" George Monbiot (Wed 25 Aug 2021 07.00 BST)
Quelle: https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/aug/25/blame-afghanistan-war-media-intervention

https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/aug/25/blame-afghanistan-war-media-intervention#comments

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Denn unabhängig davon, ob vermeintliche Eheprobleme oder ,,jede Menge Stress und Überstunden" (Freizeit Vergnügen) die Kanzlerin quälen, besteht der erzählerische Fluchtpunkt fast all dieser Berichte in der existenzialistischen Vision eines biedermeierlichen Schrumpfkonservatismus, wonach Lebensglück sich aus der Kombination von Ehe und gemütlicher Überschaubarkeit ergibt. Mag die geopolitische Nachkriegsordnung zerfallen oder die Klimakatastrophe heraufziehen, man wünscht sich vor allem, dass Merkel ,,mit Ehemann und Freunden ein Glas Wein im idyllischen Ferienhaus in der Uckermark ohne Termindruck genießen" kann (frau aktuell) oder ,,Zeit [hat], neue Rezepte auszuprobieren" (frau aktuell).

Quote[...] Yellow Press - Wer Angela Merkels Erfolgsrezept in Gänze verstehen will, sollte Blättchen wie ,,frau aktuell" oder ,,Freizeit Woche" lesen

Zu den vielfach wiederholten Merksätzen über Angela Merkel gehört, dass sie in ihrer 16-jährigen Amtszeit stets eine ,,Teflon-Kanzlerin" gewesen sei, an der diskursiv schlicht nichts haften bleibe. Genauer besehen erscheint die Sache jedoch komplexer. Zum einen ist es nämlich nicht einfach so, dass Merkel quasi-präsidial über dem politischen Betrieb schwebte und sich jeder Einordnung entzog. Vielmehr beherrschte sie ein intrikates Zurechnungsmanagement, das in der Regel zu ihren Gunsten ausfiel. Das Publikum vermochte ihr bei Erfolgen zu unterstellen, dass diese dank ihrer Sachkenntnis und strategischen Weitsicht zustande kamen, während sie gleichzeitig den Eindruck vermitteln konnte, dass Niederlagen und Fehler nicht wegen, sondern trotz ihr passierten. Oder anders gesagt: Merkel gelang es, für sich eine politische Hermeneutik des Wohlwollens in Anspruch zu nehmen, wodurch man ihr im Zweifelsfall abnahm, dass sie mit den von Andi Scheuer oder Horst Seehofer verantworteten Entscheidungen nichts zu tun hatte.

Die Teflon-Metapher scheint aber auch deshalb unzureichend, weil zum medienpolitischen Kapital der Kanzlerin eine spezifische Form der Authentizität gehörte: ein Habitus der Bescheidenheit, Bodenständigkeit und Uneitelkeit. Nun mag diese medial vermittelte Authentizität ebenso einem inszenatorischen Kalkül folgen, da Merkel darum wissen wird, dass bei ihren regelmäßigen Einkäufen in einem Supermarkt in Berlin-Mitte Handybilder von Umstehenden entstehen, die auf Facebook und Twitter das Porträt einer unprätentiösen Spitzenpolitikerin zeichnen, die Wein und Klopapier bisweilen noch selbst einkauft.

Doch ganz gleich, ob darin nun Berechnung steckt oder nicht, entfaltet dieser Habitus der Bodenständigkeit seine Wirkung. Das erkennt man nicht nur daran, dass er in kaum einem journalistischen Merkel-Porträt unerwähnt bleibt, sondern man sieht es noch deutlicher, wenn man in die tiefsten Niederungen des Boulevards hinabsteigt, die mit dem Begriff des Journalismus nicht mehr adäquat zu fassen sind. Gemeint sind jene dünnen Blättchen wie frau aktuell, Freizeit Woche oder Neue Post, die im Zeitschriftenhandel zu Dutzenden nebeneinander aufgereiht liegen und auf den Titelseiten die immer gleichen, mit Ausrufezeichen versehenen Skandal- und Herzgeschichten von Schlagersängerinnen, Schauspielern und europäischem Adel anreißen, welche sich dann bei der Lektüre als abstruse Irreführungen oder blanke Lügen entpuppen.

In Bezug auf Angela Merkel ist jedoch nicht nur interessant, dass sie als eine der wenigsten Politiker:innen überhaupt regelmäßig in diesen Blättchen vorkommt, das mag man noch mit ihrer Bekanntheit und herausgehobenen Stellung erklären, sondern vor allem, wie sie dies tut. Denn so problematisch diese Postillen freilich auch sind, bekommen sie nicht nur dadurch publizistisches Gewicht, dass sie insbesondere von der wahlentscheidenden Ü-60-Generation ,,gelesen" werden, sondern ihre obskure Machart entstellt auch ein wesentliches Erfolgsrezept Angela Merkels zur Kenntlichkeit. Nur lässt sich dieses vollends erst auf den zweiten Blick erkennen. Auf den ersten erscheint die Kanzlerin in dieser buchstäblichen Yellow Press zunächst mit denselben Themen wie Helene Fischer: Liebe, Krankheit, Arbeit.

Dass es bei dieser ,,Berichterstattung" freilich nicht auf Tatsachen ankommt, zeigt sich exemplarisch schon daran, dass die Freizeit Woche am 23. Juni über die Kanzlerin titelte:  ,,Ihr Mann ist weg! Ist sie bald die einsamste Frau der Welt?" (Anlass: Joachim Sauer wurde in die Turiner Akademie der Wissenschaften aufgenommen), während am selben Tag Die Neue Frau mit der Schlagzeile aufmachte: ,,Ehe gerettet! Sie hat um ihre Liebe gekämpft – und gewonnen" (Anlass: Sauer hatte Merkel zum G-7-Gipfel in Cornwall begleitet). Am 1. September titelte die Freizeit Woche wiederum: ,,Unheilbar krank? So schlecht geht es der Kanzlerin wirklich" (Anlass: Sie leide angeblich an exzessivem Nägelkauen), während frau aktuell vom 4. September auf dem Cover vermeldete: ,,Endlich glücklich! Große Zukunfts-Pläne" (Anlass: Im Ruhestand habe Merkel endlich einmal Zeit für sich).

Praktisch alle anderen Merkel-Schlagzeilen dieser Zeitschriften folgen einem ähnlichen Muster: ,,Überraschender Neu-Anfang" (frau aktuell, 28.08.21), ,,Die Wahrheit über ihre Ehe (Freizeit Vergnügen, 14.09.21), ,,Alles aus! – Droht ihr jetzt ein Leben in bitterer Einsamkeit" (Woche Heute, 28.10.20) oder ,,Bitteres Ende! Sie hat ihr Glück für die Pflicht geopfert" (Neue Post, 20.01.21). Wird an diesen Geschichten zum einen deutlich, dass selbst die mächtigste Frau Europas auf ihre Rolle als Gattin reduziert wird, zeigt sich zum zweiten eine narrative Konstante darin, dass die Kanzlerin, ganz gleich, ob nun von vermeintlicher Zweisamkeit oder Trennungsschmerz die Rede ist, sich auf der Suche nach dem kleinbürgerlichen Glück befindet.

Denn unabhängig davon, ob vermeintliche Eheprobleme oder ,,jede Menge Stress und Überstunden" (Freizeit Vergnügen) die Kanzlerin quälen, besteht der erzählerische Fluchtpunkt fast all dieser Berichte in der existenzialistischen Vision eines biedermeierlichen Schrumpfkonservatismus, wonach Lebensglück sich aus der Kombination von Ehe und gemütlicher Überschaubarkeit ergibt. Mag die geopolitische Nachkriegsordnung zerfallen oder die Klimakatastrophe heraufziehen, man wünscht sich vor allem, dass Merkel ,,mit Ehemann und Freunden ein Glas Wein im idyllischen Ferienhaus in der Uckermark ohne Termindruck genießen" kann (frau aktuell) oder ,,Zeit [hat], neue Rezepte auszuprobieren" (frau aktuell).

Dass Boulevardzeitschriften derlei biedermeierliche Fantasien pflegen, mag an sich nicht sonderlich überraschen, erfüllt in Bezug auf Merkel dann aber doch eine nicht unerhebliche Funktion. Denn im Gegensatz zu Helmut Kohl und Gerhard Schröder, die ihre vermeintliche Bodenständigkeit ostentativ am Wolfgangsee oder in Kleingartenanlagen in Szene setzten, hat Merkel sich dieser medienwirksamen Form der halb-privaten Tuchfühlung verweigert. Dass die Kanzlerin, die biografisch und persönlich stets eine Herausforderung für den männerbündlerischen BRD-Konservatismus war, vom Ü-60-Boulevard dennoch einen Nimbus kleinbürgerlicher Hausfrauen-Solidität verliehen bekommt, ist aus geschlechterpolitischer Perspektive freilich fatal, aus christdemokratischer Binnensicht indes eine Art publizistisches Geschenk.

Roger Willemsen bemerkte 2014 einmal, Angela Merkel sei ,,die Transposition von Helene Fischer auf die Politik". Ähnlich wie Deutschlands Schlagerqueen stehe die Kanzlerin für eine Form der permanenten Unschärfe, die durch totale Reibungslosigkeit einer Depolitisierung der Verhältnisse Vorschub leiste. Daran ist sicher einiges richtig, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Coverzeilen des Rentner-Boulevards in puncto Helene Fischer und Angela Merkel bisweilen austauschbar scheinen. Aber abgesehen davon, dass der viel zu früh verstorbene Willemsen dieses Urteil angesichts von Merkels Agieren in der Flüchtlingskrise womöglich revidiert hätte, scheint die Sache im Grundsatz auch dialektischer.

Merkel konnte ihren vergleichsweise disruptiven Kurs in puncto Migrations- oder Atompolitik gegen parteiinterne Widerstände ja nicht zuletzt auch deshalb durchsetzen, weil ihre persönlichen Zustimmungswerte stets so hoch blieben. Und das hing wiederum damit zusammen, dass ihre persönliche Unschärfe nicht einfach Konturlosigkeit war, sondern vielmehr als eine Art identitätspolitischer Gemischtwarenladen funktionierte. Während die einen in ihr eine christdemokratische Quasi-Feministin erkannten, vermochten andere in ihr eine Sucherin des kleinen (Ehe-)Glücks sehen. Insofern trugen frau aktuell und Co. auf eigentümliche Weise zum vielleicht zentralen Erfolgsgeheimnis Angela Merkels bei: ihrer Wahrnehmung als One-Woman-Volkspartei.


Aus:"Ehejahre einer Kanzlerin" Nils Markwardt (22.09.2021)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/nils-markwardt/ehejahre-einer-kanzlerin

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Sozialist | Community

Die bunten Blättchen, die aufgrund ihrer Papierqualität noch nicht mal zur Lokushilfe taugen, versorgt den deutschen Michel und seine Micheline mit den Geschichtchen, die denen so gut gefallen.
Und Merkel spielt dabei offensichtlich eine wichtige Rolle. Wer möchte sich schon mit den drögen Nachrichten z.B. über einen verlorenen Krieg in Afghanistan beschäftigen. Laaaaangweilig.
Viel spannender, wie es bei den Promis hinter der Schlafzimmertür ausschaut. ...


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Textaris(txt*bot)

Die ÖVP-Korruptionsaffäre wurde am 6. Oktober 2021 publik, nachdem die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium und in der Parteizentrale der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) durchgeführt hatte. Am nächsten Tag kam die 104-seitige ,,Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung" der Staatsanwaltschaft mit Nennung aller zehn Beschuldigten, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz, in Umlauf. Kernvorwürfe sind die Delikte Untreue und Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Kurz und Personen aus seinem Umfeld sollen im Jahr 2017 gefälschte Umfragen der Tageszeitung Österreich zugespielt und die Kosten dafür durch Scheinrechnungen dem Finanzministerium verrechnet haben. Die gefälschte, für die ÖVP sehr schlechte Umfrage mit Zustimmungswerten von fiktiv nur 18 % trug zum Rücktritt des damaligen Parteichefs Reinhold Mitterlehner und zur Kür von Kurz als Parteichef bei. ... 17 Chefredakteure von Printmedien des Landes gaben eine Stellungnahme ab: ,,Die in den Justizunterlagen beschriebenen Zustände sind unethisch, unmoralisch und verwerflich. Medienkonsumenten wurden dadurch getäuscht, der Ruf der Medienbranche beschädigt." Sie distanzierten sich von den mutmaßlichen Praktiken des Hauses Fellner. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96VP-Korruptionsaff%C3%A4re

Quote[...] Die Inserate-Affäre in Österreich wirft ein Schlaglicht auf einen bedrohlichen Trend: korrupte Geschäfte zwischen politischen Akteuren und Medienkonzernen

Die Anfang Oktober in Österreich bekanntgewordene Inseratenkorruptionsaffäre der konservativen ÖVP ist natürlich eine Geschichte von Machtstreben, von Gier, Einfluss, Eitelkeit und Geld. Interessanterweise ist sie auch eine fast rein männliche Geschichte von Aufstieg und Fall. Die involvierten Frauen – die Unternehmerin Sabine Beinschab und die Politikerin Sophie Karmasin – fungierten nur als Statistinnen bei den Machtspielen der Männer.

Die Affäre ist aber auch der bisherige Höhepunkt eines Phänomens, das es in dieser radikalisierten Form vielleicht nur in Österreich gibt: Austriazistisch heißt es "Verhaberung", also etwa gegenseitige Begünstigung.

Politologen wie Fritz Plasser sprachen schon vor Jahren von einem neuen "Supersystem" zwischen Medien und Politik, andere von einer "Mediokratie", ich nannte das Phänomen in meinem Buch über die Kronen Zeitung im Jahr 1995 die "strukturelle Kopplung" zwischen Journalisten hier und Politikern und Polizei dort.

Es ist keine Übertreibung, zu sagen: Hans Dichand, der 2010 verstorbene ehemalige Chefredakteur und Herausgeber der Kronen Zeitung, war über Jahrzehnte der geheime Bundeskanzler und -präsident in Personalunion in Österreich.

Der Dokumentarfilm Kronen Zeitung [https://www.hoanzl.at/185-kronen-zeitung-tag-fur-tag-ein-boulevardstuck.html]: Tag für Tag ein Boulevardstück von Nathalie Borgers aus dem Jahr 2011 ist ein historisch ungemein wertvoller Beweis dafür: Unvergessen ist die Schlussszene, in der Hans Dichand und der damalige Bundespräsident Thomas Klestil in der Hofburg Guglhupf essen, sich gegenseitig loben und sich dann zu einem eindeutig ironischen "Für Österreich!" hinreißen lassen. Es geht nämlich nicht um Österreich.

Ein Wiener Journalist berichtet mir glaubwürdig, dass Dichand über die "Ministrabilität" von Regierungskandidaten mitentschieden hat. Mehr noch: "Antrittsbesuche" von neuen Ministern bei Dichand scheinen in Österreich über viele Jahre Usus gewesen zu sein.

Wer dem Chef sympathisch war, um den hat man sich "gekümmert", so der redaktionelle Jargon für wohlwollende Berichterstattung. Wer durchgefallen ist, war meist schon vor den nächsten Wahlen weg.

Die Kronen Zeitung als mächtigstes Boulevardblatt Österreichs arbeitet nach einem klaren Freund-Feind-Schema, das in der wissenschaftlichen Literatur (von Ruth Wodak bis zu Peter A. Bruck) vielfach beschrieben wurde. Dabei geht es nicht um Parteien. Es geht um Personen.

Buckeln Politiker vor dem Boulevard, konkret: gehen sie mit dem Chefredakteur essen und hören sie auf ihn, dann wird positiv über sie berichtet. Wird das Ritual der gemeinsamen Agenda-Besprechung hingegen verweigert, wird man zum neuen Feindbild des Blattes.

Ich habe das als 21-jähriger Freelancer in der Salzburg-Redaktion der Kronen Zeitung erlebt: Der damalige SP-Vizebürgermeister verweigerte das Dinieren mit dem Krone-Boss im Sheraton. Außerdem war seine Politik nicht mehrheitsfähig: Es wurden gesellschaftskritische Künstler, ja sogar die autonome Punkerszene unterstützt.

Auch eine SP-Stadträtin buckelte nicht und war ein rotes Tuch der "Krone". Der damalige SP-Bürgermeister Salzburgs sowie der SP-Landeshauptmann-Stellvertreter hingegen waren Freunde des Hauses: Sie gingen mit dem Chefredakteur essen und kamen daher in den Kommentaren immer als die Guten und Anständigen weg.

Dass die "gegenseitige Begünstigung" nicht bei "wohlwollender Berichterstattung für die Bereitschaft zur Agenda-Abstimmung mit dem Chefredakteur" aufhört, sondern handfest in den Bereich möglicher Datenfälschung und möglicher finanzieller Veruntreuung hineingehen könnte – es gilt für alle Verfahrensbeschuldigten die Unschuldsvermutung –, das ist die mögliche neue Dimension, die sich nach der Lektüre der SMS-, iMessage- und WhatsApp-Nachrichten nach der Enthüllung der Affäre Anfang Oktober auftut.

Bei den vielen Essensterminen von Schmid und Co. wurde also nicht nur vor dem Medienmann gebuckelt und es wurde nicht nur die Agenda für die nächste Zeit besprochen. Das war die Ebene, die ich aus Salzburg kannte.

Nein, es ging offenbar auch darum, dass Zahlen frisiert wurden, dass für die Genese dieser Zahlen Gelder veruntreut wurden, dass eine konzertierte Konstruktion stattfand, um einen politischen Willen einer kleinen Männertruppe durchzusetzen.

Ja, man könnte dies auch einen "Putsch" nennen. Sobald Geld ins Spiel kommt, relativiert sich auch die Macht des Medienmannes. Denn für beide Seiten gilt nun: Wer zahlt, schafft an.

Dass das Boulevardmedium im Prinzip zu solchen Konstruktionen bereit ist, habe ich in meinem Buch über die Kronen Zeitung 1995 beschrieben: Der Chefredakteur plante eine "Versöhnungskampagne" für die Roten, bei der eine Reihe von Storys die SPÖ in gutem Licht erscheinen lassen sollte.

Am Ende der Serie schrieb der Chefredakteur einen Kommentar, der mit den Worten begann: "Der Zufall will es, dass in diesen Tagen im Land ein paar Leute zeigen, was Sozialdemokratie wirklich bedeutet...". Damals hatte ich die Verlogenheit und Scheinmoral dieses Mediums durchschaut, und so kam es zu meiner Diplomarbeit und zu meinem Buch.

Man mag sich salopp fragen: Warum haben Politiker nicht mehr Mut? Warum machen sie diesen entwürdigenden Gang zum Chefredakteur mit? Die Antwort lautet: Sie haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Machen sie das Ritual der Verhaberung mit dem Chefredakteur nicht mit, müssen sie damit leben, dass die Kronen Zeitung und wohl auch andere entsprechende Titel gegen ihre Politik anschreiben.

Das kostet Energie und Zeit, und die Gefahr besteht, zum Loser geframt zu werden, die nächsten Wahlen zu verlieren. Machen sie das Ritual der Verhaberung mit dem Chefredakteur mit, müssen sie sich fortan verbiegen oder können sie ihre politische Agenda nur noch mit Abstrichen verfolgen. Wenn sie Glück haben, gibt es eine Übereinstimmung zwischen den Ansichten.

Es ist genau dieser Mechanismus, der bewirkt, dass Österreichs Politik seit Jahrzehnten vom Populismus, genauer: vom empirisch nicht begründeten Populismus regiert wird. Über Sachthemen entscheiden nicht Umfragen, sondern es entscheidet das Ohr am Volk des Chefredakteurs.

Natürlich kann das auch mal fehlschlagen, es gibt Beispiele für gescheiterte Kampagnen des Boulevards. Aber im Prinzip läuft das Zusammenspiel zwischen Politik und Medien in Österreich so, seit Jahrzehnten. Und es ist ein männliches Zusammenspiel.

Nicht nur die Verhaberungswilligen sind die Freunde. Es gibt noch einen Effekt, den ich in meinem Krone-Buch das "Informanten-Belohnungsprinzip" genannt habe: Der Lieferant von (mitunter vertraulicher, geheimer) Information, das Leak, wird in der Story belohnt, wenn er oder sie es wünscht.

Jener Politiker, der den noch geheimen Amtsbericht an die Redaktion "geleakt" hat, erhält ein Positiv-Zitat, ist oft gar der Held der Story. So kann man nicht nur ablesen, mit wem der Chefredakteur essen war, man kann auch ablesen, von wem die Story stammt.

Die kritische Distanz zur Politik, sie ist in Österreich eine Mär. Sie trifft allenfalls auf die journalistischen "Arbeitsbienen" zu (ich verwende hier einen Begriff eines Krone-Insiders aus dem Buch Das österreichische Format von Peter A. Bruck).

Immer wieder erstaunen Berichte über Naheverhältnisse von Politikern und Medienmachern: Werner Faymann war auffällig eng mit Krone und Fellner-Imperium, man traf sich zur Hochzeit der Faymann-Pressesprecherin mit dem Krone-Chronikchef in Venedig.

Auch bei Faymann wurde wegen Verdachts der Inseratenkorruption ermittelt. Es gab auch damals den Verdacht: Großflächige Inserate für wohlwollende Berichterstattung. Christian Kern urlaubte (vor seiner Kanzlerschaft) mit einem führenden ORF-Moderator. Ex-Grünen-Klubchef Christoph Chorherr urlaubte wiederum mit Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Das Thema ist also in Österreich nicht neu. Neu ist offenbar nur, dass wir nun erstmals private Kommunikation schwarz auf weiß sehen, konkrete empirische Hinweise auf Verhaberung und mögliche Straftaten haben.

Die Geschichtsvergessenheit in den massenmedialen Kommentaren ist indes bedauerlich. Der Spott und die Häme, die vorwiegend von Kommentatoren wie Armin Thurnher ausgehen, ist schier unerträglich: Permanent wird der Eindruck erweckt, als wäre das alles nur ein singuläres Fehlverhalten einer türkisen Boygroup, als wäre es eben nicht ein systemisches Problem Österreichs.

Mit jeder Zeile, mit jedem Untergriff liest man bei Thurnher: Es geht schon wieder nur um Parteipolitik, es wird wieder nur in der Links/Rechts-Schablone gedacht. Nun, davor war die blaue Boygroup rund um Strache, noch früher die um Haider.

Davor waren das Netzwerk Kerns, die Silberstein-Affäre, das Netzwerk Faymanns und das wohl durch und durch fragwürdige Ost-Netzwerk Gusenbauers. Zum "guten Ton" in Österreichs Presse gehört wohl immer auch, nur die eine Reichshälfte zu kritisieren.

Schon während der Silberstein-Affäre war man geneigt, jeden Glauben an die Politik zu verlieren. Ich erinnere mich, dass ich damals vor der ersten "Presse"-Story saß und mir dachte: Ich will nicht, dass meine Kinder in dieser verlogenen Welt groß werden.

Nun ist dieser Gedanke wieder da. Aber diesmal bezieht er sich nicht nur auf die Inseratenkorruptionsaffäre, sondern auch auf den verlogenen Umgang mit dieser, der vorwiegend von SP-nahen Medien betrieben wird.

Ich sage nicht: Es betrifft alle. Alle Politiker sind korrupt. Oder präziser: Um in der Politik Karriere zu machen, muss man korruptionswillig sein. Ich sage nur: Korruption betrifft rot, schwarz, blau und grün gleichermaßen. Und offenbar auch jede politische Ära der Nachkriegszeit. Wir engen die Optik ein, wenn wir das alles als singuläres Problem dieser Tage und einer Partei betrachten. So wird sich strukturell nichts ändern.

Diese Einengung vernebelt den Blick auf das, was wirklich zu Änderungen führen würde: Eine klare Trennung von Politik und Medien gehört wie die Trennung von Staat und Kirche in die Verfassung. Der Einfluss der Parteipolitik auf den ORF muss durch Gesetzesreformen minimiert werden. Die Presseförderung sollte man in dieser Form ganz abschaffen. Aber wer geht schon heiße Eisen wie diese an? Der Kreis schließt sich: zum Buckeln vor dem Boulevard.

Auf Wikipedia gibt es eine Liste aller politischen Korruptionsaffären, offenbar noch nicht für Österreich, nur für Deutschland. Höchste Zeit wird es!

Liste von Korruptionsaffären um Politiker in der Bundesrepublik Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Korruptionsaff%C3%A4ren_um_Politiker_in_der_Bundesrepublik_Deutschland



Aus: "Macht und Medien" Stefan Weber (02. Dezember 2021)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Macht-und-Medien-6280185.html?seite=all

Kategorie:Politische Affäre in der Bundesrepublik Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Politische_Aff%C3%A4re_in_der_Bundesrepublik_Deutschland


Textaris(txt*bot)

#76
QuoteÖzden Terli @TerliWetter

Die entsetzliche Ahnungslosigkeit und Einfältigkeit von solchen Schreibern von Meinungsartikeln hat sich kein bisschen verändert - über Jahre hin nicht.
Ganz neu: Religion und Klimawissenschaft (konträrer geht nicht) gleichzusetzen.

Wow! Große Sache!


Ist der «Klimatismus» eine neue Religion? Die strukturellen Ähnlichkeiten sind verblüffend, trotz dem Ruf nach Wissenschaftlichkeit
Hier wie dort gibt es Propheten, Apokalypse, Schuld – und Hoffnung: was alte Glaubenslehren und die neuen Dogmatiker verbindet.
Josef Joffe (28.01.2022)
https://www.nzz.ch/feuilleton/ist-der-klimatismus-eine-neue-religion-die-strukturellen-aehnlichkeiten-sind-verblueffend-trotz-dem-ruf-nach-wissenschaftlichkeit-ld.1666779


https://twitter.com/TerliWetter/status/1487814886927347713

QuoteJoerg Thoeming @JoergThoeming
Antwort an @TerliWetter

Man kann wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln ...

#Joffe ist da leider nur ein weiterer Leugner der menschengemachten Klimaerwärmung, dem man viel zu viel Reichweite gibt. Aber bei Springerpresse und NZZ wird langsam ein Muster erkennbar - entlarvend ...


QuoteMarie-Luise Braun @MarieLuiseBrau1

Antwort an @TerliWetter

Als Herausgeber der @zeitonline sollte #josefjoffe den Unterschied zwischen Glauben (Religion) und Wissen (Wissenschaft/Klimaforschung) kennen. Interessant ist auch, dass er durchweg von "den" Medien spricht. Dass es da Differenzierungen gibt, sollte er ebenfalls wissen.


...

Josef Joffe (* 15. März 1944 in Łódź/Polen, damals unter deutscher Besatzung ,,Litzmannstadt") ist ein deutscher Publizist, Verleger und Dozent. Er ist seit April 2000 Herausgeber der deutschen Wochenzeitung Die Zeit. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Joffe

Textaris(txt*bot)

"Timothy Snyder erklärt die russische Propaganda in zehn Minuten"
In Politik | Am 30. Januar 2022
In diesem kurzen  Video erklärt der Historiker Timothy Snyder nicht nur, wie die russische Propaganda funktioniert. Er zeigt auch auf, welche Bedeutung der Konflikt für die westlichen Gesellschaften hat.
https://www.ruhrbarone.de/timothy-snyder-erklaert-die-russische-propaganda-in-zehn-minuten/205406#more-205406 | https://youtu.be/a6RgARKEU8k

Timothy David Snyder (* 18. August 1969 bei Dayton, Ohio) ist ein US-amerikanischer Historiker und Professor an der Yale University. Außerdem ist er Permanent Fellow am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Osteuropäische Geschichte und Holocaustforschung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Timothy_Snyder

Textaris(txt*bot)

#78
Quote[...] Die russischen Behörden haben zwei unabhängige Medien wegen ihrer Berichterstattung über den russischen Einmarsch in der Ukraine gesperrt. Wie russische Nachrichtenagenturen am Dienstag berichteten, gab der Generalstaatsanwalt diese Anweisung.

Die russische Medienaufsicht hatte laut den Berichten den Befehl, den Zugang zum Fernsehsender Doschd sowie zum Radiosender ,,Moskauer Echo" zu blockieren. Als Grund gab er demnach an, die beiden Sender verbreiteten ,,absichtlich falsche Informationen "über den russischen Einmarsch.

Doschd bestätigt auf Twitter den Schritt der Generalstaatsanwaltschaft. Der Chefredakteur von ,,Moskauer Echo", Alexej Wenediktow, erklärte im Messengerdienst Telegram, der Sendebetrieb sei eingestellt worden. Die Websites beider Medien konnten am Abend in Russland nicht aufgerufen werden.

Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte am Samstag allen einheimischen Medien die Charakterisierung des Großangriffs auf die Ukraine als ,,Angriff", ,,Invasion "oder ,,Kriegserklärung" untersagt. Sie verlangte, dass die Begriffe aus allen Berichten gelöscht werden, ebenso wie alle Hinweise auf von den russischen Streitkräften getötete Zivilisten.

Bereits damals hatte Roskomnadsor eine Reihe unabhängiger Medien, darunter auch Doschd und das ,,Moskauer Echo" beschuldigt, falsche Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und den Tod von ukrainischen Zivilisten zu verbreiten. (AFP)


Aus: "Russische Behörden sperren zwei unabhängige Medien" (01.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/angeblich-absichtlich-falsche-berichte-russische-behoerden-sperren-zwei-unabhaengige-medien/28120264.html

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Quote[...] RT.DE darf nach einem Verbot der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) nicht senden. RT.DE sendet aber, Tag für Tag und im Sinne der "Militäroperation" Russlands in der Ukraine. Daher hat sich die Aufsichtsbehörde am Dienstag "entschieden, ein Zwangsgeld in üblicher Höhe von 25 000 Euro anzudrohen und sogleich die Festsetzung angekündigt, sollte die RT DE Productions GmbH die Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms ,,RT DE" nicht bis zum 4. März 2022 einstellen", heißt es auf Anfrage des Tagesspiegels. Dieses Zwangsgeld kann immer wieder angesetzt, was RT.DE am Ende des Tages teuer zu stehen kommen könnte.

Gegenstand des Verfahrens der Medienanstalten und damit auch der Zwangsgeldandrohung sei unverändert, dass die RT DE Productions GmbH Veranstalterin des Fernsehprogramms ,,RT DE" sei. Rundfunk ist laut MABB in Deutschland zulassungspflichtig, eine Lizenz wurde jedoch nie beantragt und damit auch nicht erteilt. Die MABB hatte am Tag nach dem Sendestart, also am 17. Dezember 2021, umgehend ein Verfahren eingeleitet und durchgeführt, "so dass die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten (ZAK) am 1. Februar 2022 das Programm beanstanden und untersagen konnte". Was RT.DE aber ignoriert.

Der Umgang mit den russischen Staatsmedien hat nicht nur eine deutsche, sondern auch eine europäische Ebene. Das EU-Verbot von RT und Sputnik wird nach Angaben von Binnenmarktkommissar Thierry Breton die Verbreitung über alle Kanäle betreffen, heißt es in einer dpa-Meldung.. Dies gelte für die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, digitales Fernsehen oder Video-Pattformen, sagte Breton am Dienstag dem französischen Radiosender RTL. Ziel sei, den Zugang der beiden ,,russischen Propagandaorgane" zum gesamten europäischen Markt einzuschränken.

Breton zufolge sollten die Maßnahmen noch am Dienstag in Kraft treten. Zuvor sollten sich am Mittag allerdings die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten mit dem Thema befassen. Anschließend müsste der Beschluss formell in einem schriftlichen Verfahren gefasst werden, ehe er im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden könnte. Dann erst wäre das Verbot in Kraft.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Verbot von RT und Sputnik am Sonntag angekündigt. Damit soll Desinformation und Kriegspropaganda in Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine bekämpft werden. Der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok beschränkten bereits den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU.

...


Aus: "Zur Durchsetzung des Sendesverbots von RT.DE MABB verhängt Zwangsgeld" Joachim Huber (01.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/zur-durchsetzung-des-sendesverbots-von-rt-de-mabb-verhaengt-zwangsgeld/28117772.html

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Quote[...] RT wird im Westen als Propagandainstrument des Kreml gesehen. Zentraler Vorwurf: Der Sender verbreite im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformation mit dem Ziel der Destabilisierung. Laut einer Studie ist RT Deutschland auch Sprachrohr für Covid-19-Verschwörungserzähler – der STANDARD berichtete [https://www.derstandard.de/story/2000130958925/russia-today-deutschsprachiger-ableger-sprachrohr-fuer-covid-19-verschwoerungserzaehler]. Youtube sperrte bereits im September 2021 den deutschen Ableger von RT. Mit 4,6 Millionen Abonnenten zählt der internationale RT-Kanal zu den größten Medienunternehmen auf Youtube. (Oliver Mark, 25.2.2022, Updates am 26. und 27.2.2002)


Aus: "RT und der Krieg: Putins Propagandamaschine läuft auf Hochtouren – auch in Österreich" Oliver Mark (25. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000133650693/r-t

Quote
harvey g, 25. Februar 2022, 20:50:38

RT gehört weg von den Europäischen Kabel- und Satellitensendern
Übers Internet kann man es ja trotzdem noch schauen. Im Sinne der Meinungsfreiheit ist das ja auch okay so. Es ist auch ganz spannend mal bei Russia Today reinzuschauen. Dann versteht man plötzlich woher diese "Putinversteher" ihre Informationen haben. Auf RT klingt das nämlich wirklich alles recht schlüssig. Und es wird auch recht gefällig präsentiert.


Quote
? ? ? ? ? ? ? ?, 25. Februar 2022, 14:05:59

Pluralismus und Demokratie können nur funktionieren, wenn ein gewisses Bildungsniveau herrscht. Dass wissen wir seit Jahrzehnten - getan wurde trotzdem viel zu wenig. Und jetzt lernen wir auf die harte Tour, wie wahr dieser Satz ist, aber halt keider zu spät, denn Zensur wird uns nicht retten, sondern ist nur Wasser auf die Mühlen der Propagandisten.

Bildungsmangel war und ist das Einfallstor für menschenfeindliche Propganda und Bildung das einzige Mittel, das uns davor geachützt hätte.


...


Textaris(txt*bot)

#79
Quote[...] Aus Sicht von Deutschlands größter Journalistenorganisation sollte der Pressekodex des Deutschen Presserats Journalistinnen und Journalisten dazu verpflichten, auf unzureichende Recherchemöglichkeiten im Konfliktfall hinzuweisen.

,,Wenn nur eine von zwei Konfliktparteien die Quelle von Informationen ist, müssen die Leserinnen und Leser das erfahren", sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.
,,Im Krieg gilt: Die Wahrheit stirbt zuerst." Gerade bei bewaffneten Auseinandersetzungen sei das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besonders groß. ,,Dieser Verantwortung müssen wir Journalistinnen und Journalisten gerecht werden."
Der DJV-Vorsitzende erinnert in dem Zusammenhang an den Irak-Krieg, als die US-Truppen mit dem damals neuen Instrument des embedded journalism versucht hätten, die Berichterstattung in ihrem Sinn zu beeinflussen.

...


Aus: "Der Ukraine-Konflikt im Fernsehen ,,Im Krieg gilt, die Wahrheit stirbt zuerst"" (22.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/der-ukraine-konflikt-im-fernsehen-im-krieg-gilt-die-wahrheit-stirbt-zuerst/28092074.html

Textaris(txt*bot)

I thought it was just clumsy phrasing from a couple of reporters under pressure, but soon it became clear that it was, in fact, a media-wide tic.

Quote[...] Vladimir Putin's bloody invasion of Ukraine has sharpened two terrifying realisations. The first is that Putin does not function within the realm of the usual finely balanced checks and balances, sticks and carrots, that the west hoped would contain him and maintain an uneasy truce in Europe. The second is that decades of work since the second world war to learn from the mistakes of the past and fortify against them in the future have failed. Here again, we have not a civil war, but an invasion of a sovereign state in defiance of the rest of the world. Here again, we have images that are only known to us as historical reels, of frenzy and panic as thousands attempt to flee to safety.

But there is a third realisation that appears to shape the perception of too many western journalists justifiably appalled at the defiling of Europe. From the tone of much coverage, this seems uniquely distressing and more alarming to them because the lives of non-Europeans have less value, and their conflicts are contained, far away from us.

I thought it was just clumsy phrasing from a couple of reporters under pressure, but soon it became clear that it was, in fact, a media-wide tic. From Al Jazeera to CBS News, journalists were appalled that this was not happening in "Iraq or Afghanistan" but in a "relatively civilised European city". One said: "The unthinkable has happened. This is not a developing, third world nation. This is Europe." Another reflected: "These are prosperous middle-class people ... these are not obviously refugees getting away from the Middle East. To put it bluntly, these are not refugees from Syria, these are refugees from Ukraine ... They're Christian, they're white, they're very similar."

Ukraine's deputy chief prosecutor, David Sakvarelidze, told the BBC, unchallenged: "It's very emotional for me because I see European people with blue eyes and blond hair being killed."

Daniel Hannan, Telegraph columnist, former MEP, Lord Hannan of Kingsclere; put it more bluntly, writing that those suffering in Ukraine "seem so like us. That is what makes it so shocking ... War is no longer something visited upon impoverished and remote populations. It can happen to anyone." It is, he said: "civilisation in retreat".

This strange account of a history in which wars, conflict and dispossession mostly happened in "third world" and "remote" countries (remote from whom?) is a fiction that has come about as a result of a political and media climate that has stripped the humanity of those seeking refuge so completely it has become a fact, repeated with no self-awareness or shame.

An extremely generous view of these statements is that it is not, in itself, an unusual impulse to care more about, or be affected more, by events happening closer to home than farther afield. Perhaps what these people are really trying to say is something along the lines of "this has not happened in this patch in generations" in order to highlight the abnormality of this particular conflict. There is that.

But there is also much more to it. There is an acceptance that war is natural in other places but an aberration here. That war happens only to the poor and the uncivilised, not the well-off and stable.

...


From: "Let the horror in Ukraine open our eyes to the suffering of war around the world" Nesrine Malik (Tue 1 Mar 2022 12.15 GMT)
Source: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/01/let-the-horror-in-ukraine-open-our-eyes-to-the-suffering-of-war-around-the-world

Topics: Ukraine, Opinion, Vladimir Putin, Refugees, Russia, Europe, comment

Textaris(txt*bot)

Quotesonneleipzig #3

Man sollte das Thema mal ganz anders aufziehen und hier müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen. Wenn es um Flüchtige geht, da wird ganz schnell über Rassismus gesprochen. Das ist aber nur der eine Teil.

Wo sind die Medien wenn es um den Krieg im Jemen geht? Wie oft wurde darüber berichtet im Vergleich zum Krieg in der Ukraine? Ein zwei Artikel hin und wieder im Vergleich zu einem Nachrichtenregen der jetzt die Hälfte der Medien einnimmt.
Wo sind die politischen Reaktionen und die strengen Sanktionen gehen den - beim Jemen - Aggressor Saudi Arabien? Wo sind die Sanktionen gegen Brasilien, weil sie dort die Indigenen und ein ganzes Ökosystem abschlachten?

DAS ist zutiefst widerwärtig. Putin ist der Böse (ist er ja auch, klar), aber dass man das so klar über die Verantwortlichen anderer Kriege sagt, das fehlt mir massiv.

...


Zu: "Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling" (Ein Kommentar von Emran Feroz 4. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/zett/politik/2022-03/rassismus-ukraine-krieg-fluechtlinge-migration

...

Textaris(txt*bot)

#82
QuoteAnton Rainer @antonrainer

Was für ein Verrat an den eigenen Mitarbeiter:innen: Der @DIEZEIT -Mitherausgeber Josef Joffe hat den Chef der Hamburger Warburg-Bank vorab vor kritischer Berichterstattung zum Cum-ex-Skandal gewarnt.

(Via @derspiegel)

3:28 nachm. · 6. Mai 2022



https://twitter.com/antonrainer/status/1522568969420423169

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Quote[...] Der »Zeit«-Mitherausgeber Josef Joffe hat die Hamburger Privatbank Warburg vorab vor kritischer Berichterstattung der Wochenzeitung zum sogenannten Cum-ex-Skandal gewarnt. Das geht aus einem persönlichen Brief hervor, den Joffe im Januar 2017 an Max Warburg schrieb, den Miteigentümer der Bank.

Anlass für den Brief war offenbar eine Beschwerde des Bankers über einen »Zeit«-Artikel aus dem November 2016 [https://www.zeit.de/2016/48/hamburg-privatbank-warburg-cum-ex-geschaeft], in dem es um die umstrittenen Steuertricks des Bankhauses ging. Joffe hebt in dem Brief hervor, er habe sich um »Schadensbegrenzung« für Warburg bemüht: »Ich habe Dich gewarnt, was in der Pipeline steckte«, so Joffe wörtlich.

Seiner »Intervention« sei es zu verdanken gewesen, dass der Artikel »geschoben wurde und die Bank Gelegenheit erhielt, Widerrede zu leisten«. Joffe erinnert zudem daran, dass er den Banker »angefleht« habe, wegen der Vorwürfe »eine exzellente PR Agentur« zu engagieren. Beide Männer verband eine lange Freundschaft.

Auf SPIEGEL-Anfrage bestritt Joffe, Einfluss auf die Berichterstattung genommen zu haben. Er habe der Redaktion lediglich geraten, »der Warburg Bank eine Gelegenheit zu geben, sich zu äußern«. Zugleich habe er Max Warburg animiert, »mit unseren Reportern zu reden«. Die Veröffentlichung sei deshalb um etwa eine Woche verschoben worden.

Nach Joffes Darstellung habe er den Brief geschrieben, weil Max Warburg die Freundschaft beendet hatte. Eine »Zeit«-Sprecherin erklärte auf Anfrage ebenfalls, der Herausgeber habe keinen Einfluss auf die Berichterstattung genommen.

Die Warburg Bank hatte sich im Rahmen der Cum-ex-Praxis zu Unrecht Steuern erstatten lassen. Die Bank bestreitet bis heute Straftaten. Der Bundesgerichtshof entschied indes im vorigen Jahr, die Cum-ex-Praxis sei grundsätzlich illegal. Sie war jahrelang in der Finanzszene verbreitet und brachte den Staat um Milliarden.

Zwei ehemals hochrangige Warburg-Banker wurden inzwischen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Im Hamburger Rathaus will ein Untersuchungsausschuss klären, ob die Stadt die alteingesessene Bank zeitweise zu Unrecht schonte. An diesem Freitag muss der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) als Zeuge aussagen.



Aus: "»Zeit«-Herausgeber warnte befreundeten Banker" Ansgar Siemens (06.05.2022)
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/zeit-herausgeber-josef-joffe-warnte-befreundeten-banker-vor-kritischem-bericht-zum-cum-ex-skandal-a-2594d6ec-bff5-46a2-802b-6b04d6fe2643

Quote

Schöner Einblick in die Welt der ehrbaren hanseatischen Kaufleute.


QuoteJa,Ja, die "Zeit",moralisch mit der süddeutschen die höchste Instanz in diesem unserem Lande, aber es kann (muss) auch Ausnahmen geben.
Da ist dann das Hemd doch näher wie die Hose.


QuoteSowohl Joffe als auch Warburg sind beides schwerreiche Leute. Da gibt es keinen Interessenkonflikt, beide haben die gleichen.


QuoteBurkhardt

Dieser Skandal war dem Bundesfinanzministerium seit 2002 bekannt. Seit 2018 lagen der Öffentlichkeit Berge an Beweisen vor. Der Spiegel veröffentlichte am 19.10.2018 den Artikel "Banker haben uns 55 Milliarden Euro gestohlen – was dahinter steckt". Es war alles bekannt - und niemand, kein Finanzminister des Bundes unternahm etwas. Das waren

- von 2002 bis 2005 = Hans Eichel, SPD
- von 2005 bis 2009 = Peer Steinbrück, SPD
- von 2009 bis 2017 = Wolfgang Schäuble, CDU
- Okt. 2017 - März 2018 = Peter Altmaier. CDU (kommissarisch)
- 2018 - 2021 = Olaf Scholz, SPD.

Jetzt sich nur auf Scholz zu beschränken erscheint etwas .... lächerlich.
Liest man sich diesen Skandal in der Zusammenfassung bei Wikipedia durch (="Dividendenstripping") muss man feststellen, dass spätestens 2011, als die großen Banken wie HypoVereinsbank, Deutsche Bank, HSH Nordbank, Citi Deutschland und möglicherweise weitere Kreditinstitute in den Fokus der Steuerbehörden kamen, die Staatsanwaltschaften 2013 in einer konzentrierten Aktion 130 Büros durchsuchten hätte der damalige Finanzminister aktiv werden müssen.

Und warum wurde er nicht?


Quote

... Das ist unsere ....... Oberschicht..........! ...


Quote

Männerfreundschaft eben! ;-)


Quote

Was so nebenbei auch einiges über die "Unabhängigkeit" der Chefredaktion der "Zeit" offenbart.


Quote

... Man hält halt gegen die Plebs zusammen, so kommt wechselseitig immer etwas für alle Beteiligten dabei rum. ...


Quote... Statt knallhartem Cum-Ex-EnthüllungsJournalismus butterweiches Gemauschel zur Schadensbegrenzung. ...


Quote

" ...Die Bank bestreitet bis heute Straftaten. ..."


Quote... Das zerreißt am Ende die Gesellschaft. ...


Quote

Mich wundert nur das Herr Joffe sowenig Einfluss genommen hat. Aber seine Vorzüge hatte ja die Anstalt 2014 schon hervorgehoben. ;)


Quote

... Die enge Verflechtung von H.finanz und Presse ist aber nur eine V- Theorie...


...

Textaris(txt*bot)

Auch in anderen Kontexten habe man sich gewünscht, Kritik an Kolleginnen, der Zeitung oder dem Verlag lieber zunächst intern zu Gehör zu bringen statt unmittelbar in Tweets.

Quote[...] Hanno Hauenstein ist nicht mehr Leiter des Kulturressorts der Berliner Zeitung. Das bestätigte deren Chefredakteur Tomasz Kurianowicz am Freitag auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. Demnach habe man sich bereits am Donnerstagnachmittag darauf geeinigt, das Ressort entsprechend zu informieren.

Geht es nach Kurianowicz, dem die Entscheidung nach eigenem Bekunden schwerfiel, soll Hauenstein, der den Posten 2021 übernahm, als Kulturredakteur und Autor weiterhin für "seine Themen" zuständig sein. Die Leitung des Ressorts übernimmt alleinig Susanne Lenz, die bisher mit Hauenstein in einer Doppelspitze agierte. Hauenstein selbst war am Freitag für ein Statement nicht zu sprechen.

Vorangegangen war laut Informationen von ZEIT ONLINE eine interne Auseinandersetzung über mehrere Tweets Hauensteins zum Deutschlandbesuch des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. So schrieb Hauenstein im unmittelbaren zeitlichen Umfeld einer Veranstaltung mit Orbán, die der Verleger der Zeitung Holger Friedrich co-moderierte: "for the record: ich halte es nicht für sinnvoll, Viktor #Orbán zu Gesprächen einzuladen."

Bereits zuvor hatte sich Hauenstein zu einem Treffen Orbáns mit Olaf Scholz folgendermaßen geäußert: "Viktor #Orbán ließ die CEU Uni zumachen, greift gegen Presse und NGO's durch, will gender studies verbieten, hasst Muslime, verzerrt Geschichte, und imaginiert eine Verschwörung, in der George Soros zentrale Rolle spielt. Wieso lädt man so jemanden ins Kanzleramt?" Schon dieser Tweet soll für Unruhe in der Redaktionsführung gesorgt haben – immerhin war das Gespräch zwischen Orbán und Friedrich sowie dem Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier zu diesem Zeitpunkt schon angekündigt.

Nun ist Hauenstein auch sonst für Debatten gut, hat pointierte Meinungen speziell zur Politik Israels, zur BDS-Resolution des Deutschen Bundestags oder auch zur Diskussion rund um den Antisemitismus bei der documenta fifteen, die das Kulturprogramm der Zeitung zuletzt erkennbar geprägt haben. Speziell vor diesem Hintergrund ist unklar, ob die Degradierung wirklich nur mit der aktuellen Kontroverse zu tun hat – und also mit dem Moment, in dem Hauenstein mit dem Verleger unmittelbar ins Gehege geriet.

"Ja, es gab Unterschiede im Verständnis der publizistischen Ausrichtung", sagt dazu Chefredakteur Kurianowicz. Das habe sich jetzt erneut gezeigt. Generell habe aber schon länger die Frage im Raum gestanden, ob das Ressort unter Hauenstein, den er als Stimme und Kollegen überaus schätze, bezüglich Genres, Thematiken und Standpunkten nicht zu einseitig geworden sei. Schließlich beschwört Kurianowicz, der die Chefredaktion im Juli 2022 übernahm, die Frage der Loyalität: Auch in anderen Kontexten habe man sich gewünscht, Kritik an Kolleginnen, der Zeitung oder dem Verlag lieber zunächst intern zu Gehör zu bringen statt unmittelbar in Tweets. Zwar gebe es keine konkreten Twitter-Regeln für die Redaktion, doch dadurch hätten sich Stimmen gemehrt, die das Haus durch Hauenstein falsch dargestellt sehen.

Die Frage ist nun noch, wer die konkrete Entscheidung getroffen hat. Auch hier ist Kurianowicz deutlich: "Die Personalentscheidung wurde nicht mit dem Verleger besprochen." Das ist auch deshalb wichtig, weil in der Vergangenheit wiederholt die Frage aufkam, ob dieser Verleger – Selfmademan aus dem Osten, und kein klassischer westdeutscher Zeitungsfürst – sich nicht zu stark ins journalistische Geschehen einmische. Immerhin sind Verlag und Redaktion im Sinne einer unabhängigen Berichterstattung strikt zu trennen. Und auch das ist Kurianowicz wichtig: "Orbán-Kritik ist hier im Haus möglich und erwünscht." So sei auch der gemeinsame Auftritt von Orbán und Friedrich seitens der Redaktion von einem umfassenden und kritischen Artikelprogramm zum Abend selbst sowie zur Politik Ungarns begleitet worden.


Aus: ""Berliner Zeitung": Kulturchef nach Kritik am Verleger degradiert" Johannes Schneider (21. Oktober 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-10/berliner-zeitung-kulturchef-viktor-orban

QuoteWestlicher #2

Danke für den Artikel.

Im wirklichen Leben gibt es Situationen, in denen eine Degradierung eher der Verleihung eines Ordens entspricht...


QuoteSimplicio #4

"hat pointierte Meinungen"

Gut, dass er sie hat, - er muss nicht immer richtig liegen - aber offensichtlich haben das einige nicht so gern.


QuoteSchistist #7

Das muss diese linke Cancel Culutre sein vor der die Rechten immer warnen.


QuoteKikazaru #8

,, Das ist auch deshalb wichtig, weil in der Vergangenheit wiederholt die Frage aufkam, ob dieser Verleger – Selfmademan aus dem Osten, und kein klassischer westdeutscher Zeitungsfürst – sich nicht zu stark ins journalistische Geschehen einmische. "
Ach, aber wenn Verlegerfürst Dr. Ippen die Veröffemtlichung seines Investgativteams zu BILD-Chef Reichelt stoppt, ist das sicher o.k. Schließlich ist Dr.Ippen ja ein klassischer westdeutscher Zeitungsfürst.


QuoteRainmain #13

Ja, jeder Journalist, Redakteur oder Chefredakteur hat irgendwo einen Chef. Soviel zur Meinungsfreiheit.


Quotejjkoeln #13.1

Zeitungen sind "Tendenzbetriebe" da war das schon immer so ...


Quotedidivoelker #15

Was ist das für ein unfähiger Verleger der scheinbar überhaupt nicht kritikfähig ist


Quotealbus123 #15.1

Sie sind da etwas ganz heißem auf der Spur.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ein Gericht in den USA weist eine Klage gegen den saudischen Kronprinzen bin Salman ab. Er soll an der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi beteiligt sein. 

Washington - Der saudiarabische Kronprinzen Mohammed bin Salman kann in den USA nicht wegen der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi belangt werden. Ein US-Bundesgericht hat am Dienstag (6. Dezember, Ortszeit) eine Klage gegen bin Salman abgewiesen. Das Gericht verwies dabei auf eine von der US-Regierung um Joe Biden übermittelte Stellungnahme, wonach der Verklagte amtierender Regierungschef ,,und damit immun" sei.

Zwar habe die klagende Verlobte Hatice Cengiz Khashoggis ,,starke" Argumente vorgebracht, dennoch müsse dem Regierungsstandpunkt gefolgt und die Klage abgewiesen werden, erklärte Richter John Bates.

Cengiz wollte in dem Prozess den Nachweis erbringen, dass Kronprinz bin Salman hinter der Ermordung des Regierungskritikers im Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul stand. Doch die US-Regierung hatte bereits Mitte November dem Richter eine offizielle Stellungnahme übermittelt, wonach bin Salman als Regierungschef Immunität genieße.

Der einflussreiche Kronprinz, der bereits seit Jahren als De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens gilt, war allerdings erst im September zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Gerade diese zeitliche Abfolge bereite ihm ,,Unbehagen", erklärte Richter Bates.

Der kritische Journalist Khashoggi war 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden, wo er einen Termin zur Vorbereitung der Hochzeit mit der aus der Türkei stammenden Cengiz hatte. Nach offiziellen Angaben aus der Türkei und den USA wartete in der Vertretung ein 15-köpfiges Kommando, ermordete ihn und ließ seine Leiche verschwinden. Nach Erkenntnissen des US-Geheimdienstes hatte bin Salman persönlich Khashoggis Ermordung gebilligt.

Nach wochenlangen Dementis erklärte Riad unter internationalem Druck, dass der Gegner bin Salmans ,,bei einem missglückten Einsatz zu seiner Festnahme" getötet worden sei. Der Mord hatte international Entsetzen ausgelöst und die Beziehungen zwischen dem ölreichen Saudi-Arabien und vielen westlichen Ländern erheblich belastet.

Inzwischen ist der Kronprinz aber nicht zuletzt infolge der Energiekrise wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine wieder ein gefragter Gesprächspartner. Im Juli hatte sich auch US-Präsident Joe Biden mit bin Salman getroffen, was er noch vor seiner Wahl abgelehnt hatte. (ktho/afp)

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Aus: "Kronprinz bin Salman kommt davon - US-Richter weist Klage im Khashoggi-Fall ab" Katja Thorwarth (07.12.2022)
Quelle: https://www.fr.de/politik/saudi-arabien-mohammed-bin-salman-kronprinz-anklage-us-richter-immunitaet-91961413.html

Jamal Ahmad Khashoggi (englische Transkription; deutsche Transkription: Dschamal Ahmad Chaschuqdschi; arabisch جمال أحمد خاشقجي Dschamāl Ahmad Chāschuqdschī, DMG Ǧamāl Aḥmad Ḫāšuqǧī, * 13. Oktober 1958 in Medina; † 2. Oktober 2018 in Istanbul) war ein saudi-arabischer Journalist. Er war Direktor der saudi-arabischen Tageszeitung Al-Watan und Medienberater des saudi-arabischen Prinzen Turki ibn Faisal. Khashoggi entwickelte sich zu einem Kritiker des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der de facto über das Königreich herrscht. Ab Sommer 2017 lebte er in den USA und war u. a. Kolumnist der Washington Post, in seinen Texten kritisierte er offen die saudi-arabische Regierung. Ab dem 2. Oktober 2018 galt er als vermisst, nachdem er das saudi-arabische Generalkonsulat in Istanbul betreten und nicht wieder verlassen hatte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Jamal_Khashoggi

QuoteRobert Nitschke

Ein toter Journalist ist eben nicht viel Öl wert. Wer erwartet denn Moral und Menschenrechte?



Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ecken, die einen erschaudern lassen, hat das Internet viele. Für manche muss man umständlich den Tor-Browser installieren oder von Eingeweihten in ein geschlossenes Forum eingeladen werden. Für andere reicht ein Klick auf Youtube.

Eine besonders unansehnliche Ecke heißt ,,Achtung, Reichelt" und ist der Kanal des rausgeschmissenen Chefs der ,,Bild"-Zeitung. Vor neun Monaten lud er sein erstes Werk bei Youtube hoch, mittlerweile sind es mehr als 150. Julian Reichelt monologisiert dort minutenlang in die Kamera, befragt auch Gäste. Das Einschalten lohnt sich, wenn man sich für die Verbreitung von Falschinformationen, Beleidigungen, Leugnung des menschengemachten Klimawandels und DDR-Verharmlosung begeistern kann.

Julian Reichelt hat ein neues Format auf Youtube. ,,Ampel verheizt unseren Wohlstand" lautete der Tenor der ersten Folge. Eine Kritik.
Von Joachim Huber 07.07.2022
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/achtung-reichelt-bei-youtube--mit-klarem-feindbild-links-grun-woke-4345927.html

Julian Reichelt war zu Gast bei ,,Chez Krömer". Vom etwaigen Kokain-Konsum bis hin zum Machtmissbrauch – Talkmaster Kurt Krömer ließ kein Thema aus.
Von Markus Ehrenberg 15.11.2022
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/ex-bild-chef-bei-chez-kromer-sie-machen-sich-zum-willigen-vollstrecker-8876425.html


Die vielen, vielen Verstöße gegen den Pressekodex, die er in seinen Jahren als ,,Bild"-Chef verantwortete, sind Vergangenheit. Für sein Youtube-Format ist der deutsche Presserat nicht zuständig.

Reichelts Sendung kann man sich als ,,Tagesschau" für Grünen-Hasser, Wutbürger und Migrantenphobiker vorstellen. Sie hat schon 300.000 Abonnenten. Unter den Gästen sticht vor allem Gloria von Thurn und Taxis heraus. Die Frau verbreitet groteske Verschwörungslügen, nennt Homosexualität ,,Sünde".

Sie behauptet, die Bundesrepublik sei ein schlimmerer Überwachungsstaat als die DDR – damals habe man ,,zwar auch ein bisschen mitgehört, aber die waren wesentlich toleranter als heute". Sie will den ,,Universitäten sofort das Geld wegnehmen", damit die keine ungewünschten Inhalte mehr lehren. Zwischendurch doziert sie über Schröders ,,Agenda 2008".

Ist Reichelt für den Quatsch seiner Gäste verantwortlich? Wenn Thurn und Taxis die Erderwärmung als ,,großen Schwindel" bezeichnet, fragt Reichelt nicht etwa nach, sondern bedankt sich für ihre ,,brillanten Einschätzungen".

In den frühen Folgen, da hieß seine Sendung noch nicht ,,Achtung, Reichelt", saß der geschasste ,,Bild"-Chef im offenen Hemd im Studio, die Brusthaare schauten raus. Mittlerweile trägt er Schlips, es gibt ein flottes Intro. Verantwortet wird die Sendung von der Rome Medien GmbH, die Reichelt selbst gegründet hat und deren alleiniger Geschäftsführer er ist.

Sein Mitarbeiterstab wächst. Die Firma sitzt in einem Bürogebäude in Berlin-Kreuzberg nahe dem Moritzplatz. Unklar ist, woher Reichelt das viele Geld hat. Es gibt Hinweise auf Kontakte zum Milliardär Frank Gotthardt, Hauptgesellschafter der ,,Kölner Haie". Beide äußern sich dazu nicht.


"Neue Hinweise auf Reichelt-Kooperation mit Milliardär" Jonas Mueller-Töwe, Lars Wienand (16.08.2022)
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_100037914/ex-bild-chef-julian-reichelt-neue-hinweise-auf-kooperation-mit-milliardaer.html

In Reichelts Sendung werden die Postfaschistin Giorgia Meloni bejubelt, eine Kampagne der rechtsextremen Identitären Bewegung gelobt, eine extrem rechte Influencerin als Dauergast engagiert. Letztere bezeichnet sich selbst als ,,stolze Verschwörungstheoretikerin". Es wird behauptet, es sei kein Geld für deutsche Senioren da, weil in Deutschland alles Geld an Migranten verteilt werde.

"Klage gescheitert: Verfassungsschutz darf Identitäre Bewegung weiter beobachten" (13.10.2022)
Die als rechtsextrem geltende Organisation klagte, weil der Verfassungsschutz sie als Verdachtsfall beobachtet. Doch das Gericht sieht verfassungsfeindliche Bestrebungen.
https://www.tagesspiegel.de/politik/klage-gescheitert-verfassungsschutz-darf-identitare-bewegung-weiter-beobachten-8749009.html

Klimaaktivisten unterstellt Reichelt eine ,,wahnsinnige Angststörung", spricht von ,,grünem Terrorismus". Auf einer ebenfalls von Reichelts Rome Medien GmbH betriebenen Webseite werden Transsexuelle verspottet. Als jüngst etwa eine Transgender-Eiskunstläuferin bei der WM-Eröffnungsshow in Finnland stürzte, hielt Reichelts Mitarbeiterin den Auftritt für eine ,,Verhöhnung aller Sportlerinnen" beziehungsweise ,,blanken Hohn für echte Eiskunstläuferinnen". Sie mokierte sich darüber, dass ,,unattraktive und unprofessionelle Männer" bei Frauenwettbewerben antreten.

Der offenkundige Widerspruch, der bei ,,Achtung, Reichelt" immer wieder zu Momenten unfreiwilliger Komik führt: Einerseits scheint der Mann geradezu getrieben zu sein von seiner Wut auf alles Grüne und Linke oder was er dafür hält. Andererseits wirft er ständig anderen Menschen vor, nicht auf Argumente zu schauen, sondern bloß eine Ideologie zu vertreten.

Juristisch hat Reichelt eine bittere Niederlage kassiert. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg ist der ,,Spiegel"-Artikel ,,Vögeln, fördern, feuern", der die Vorwürfe gegen Reichelt und seinen mutmaßlichen Umgang mit jungen Mitarbeiterinnen bei ,,Bild" detailliert beschreibt, wieder online.

»Vögeln, fördern, feuern« - Julian Reichelt muss sich wegen möglicher Verfehlungen gegenüber Frauen verantworten. Der Ausgang hängt auch davon ab, ob die mutmaßlich Betroffenen ihr Schweigen brechen. Von Isabell Hülsen, Alexander Kühn, Martin U. Müller und Anton Rainer
12.03.2021, 12.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 11/2021
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bild-chefredakteur-julian-reichelt-und-die-internen-ermittlungen-voegeln-foerdern-feuern-a-456152ee-eff8-4d8f-9b47-1284b4c36c09

Lesenswert ist auch das ,,Zeit"-Interview, in dem Reichelt bestreitet, er habe Mitarbeiterinnen nach ,,Fuckability" bewertet oder je eine belästigt. Auf die Frage ,,Warum, glauben Sie, haben diese Frauen mit Ihnen geschlafen? Weil Sie so attraktiv sind?" antwortet Reichelt: ,,Darüber habe ich noch nie nachgedacht..."

Enormen Zuspruch erhält Reichelts Kanal aus der Blase der Verschwörungsideologen und Querdenker, was wohl an den inhaltlichen Schnittmengen liegt. In der Show fallen Sätze wie: ,,Wir Weiße sollen uns offensichtlich nicht mehr fortpflanzen", gleichzeitig hole man aber ,,halb Afrika rein".

Die Regierung wolle, dass es den Deutschen wirtschaftlich schlechter gehe. Dies alles nicht etwa auf dem Kanal eines anonymen Telegram-Hetzers, sondern auf der Plattform des Publizisten, der jahrelang die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands leitete.

Im Grunde verhält es sich mit Reichelt wie mit dem Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen: Man wüsste gern, ob der Typ schon so drüber war, als er noch Macht und Verantwortung hatte, oder ob er sich erst nach seinem Rausschmiss blitzradikalisierte.

",,Das ist ehrabschneidend": Maaßen weist Vorwürfe aus CDU zurück" (06.02.2023)
Der frühere Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat in der Debatte um einen möglichen Parteiausschluss aus der CDU Vorwürfe zurückgewiesen, dass er eine rassistische Sprache benutze. ... Das CDU-Präsidium hatte am Montag beschlossen, Maaßen eine Frist zum Austritt bis zum 5. Februar um 12.00 Uhr (MEZ) zu setzen. Sollte Maaßen bis dahin die CDU nicht verlassen haben, werde das Präsidium beim Bundesvorstand die Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens und den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte beantragen. ,,Für seine Äußerungen und das damit zum Ausdruck gebrachte Gedankengut ist in unserer Partei kein Platz", hieß es in dem Beschluss. ... Immer wieder gebrauche der frühere Verfassungsschutzpräsident ,,die Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen". Maaßen verstoße ,,laufend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei". ...
https://www.tagesspiegel.de/politik/das-ist-ehrabschneidend-maassen-weist-vorwurfe-aus-cdu-zuruck-9268101.html



Aus: "Julian Reichelt auf Youtube: Das Krawall-Imperium des geschassten ,,Bild"-Chefs" Eine Kolumne von Sebastian Leber (06.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/julian-reichelt-auf-youtube-das-krawall-imperium-des-geschassten-bild-chefs-9270981.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] BERLIN taz | Es ist doch immer wieder schön, der Geschichte beim Sichwiederholen zuzusehen. ,,This is the most humble day of my life", es sei der demütigste Tag seines Lebens, heuchelte Rupert Murdoch vor ziemlich genau elf Jahren im April 2012 vor der Untersuchungs­kommission von Lordrichter Brian Leveson in London. Damals ging es um diverse Abhör­skandale bei Murdochs Boulevardblatt News of The World. Dessen ­Re­por­te­r*in­nen hatten sich in Telefonate und Mailboxen Dutzender Menschen gehackt, von Mitgliedern der Königs­familie und Fußballprofis bis hin zu Opfern von Gewaltverbrechen.

Jetzt musste sich der 91-Jährige in einem anderen Fall vor dem Supreme Court des US-Bundesstaats Delaware äußern und gab wieder den geläuterten Medienmogul. Diesmal geht es um seinen rechtsaußen agierenden ,,Nachrichten"-Sender Fox News. Der hatte nach den US-Wahlen 2020 den Unterstellungen von Donald Trump breiten Raum gegeben, ihm sei der Wahlsieg durch Manipulation und Betrug ,,gestohlen" worden.

,,Im Rückblick" hätte er sich gewünscht, ,,dass wir das stärker angeprangert hätten", erklärte Murdoch. Aber natürlich habe nicht Fox als Sender das Trump-Narrativ von der manipulierten Wahl transportiert und sich zu eigen gemacht, ,,sondern nur einzelne Moderator*innen".

Geht klar: Wenn seinerzeitiges Spitzenpersonal wie Maria Bartiromo, Lou Dobbs, Sean Hannity und Jeanine Pirro dem durchsichtigen Lügenmärchen von Trump und seinen korrupten An­wäl­t*in­nen bis kurz vor dem Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 munter weiter Zunder geben, hat das mit dem Sender und seiner redaktionellen Linie natürlich rein gar nichts zu tun. Der ,,Dirty Digger" Murdoch hat sich hier mal wieder in seiner eigenen Verlogenheit verlaufen.

Aus den unter anderem von der New York Times veröffentlichen Gerichtsakten geht hervor, dass er selbst Trump zum Trottel erklärte und dessen Obsession, einen vermeintlichen Wahlbetrug zu beweisen, als ,,schlimmes Zeug, das allen schadet", bezeichnet hat.

Murdoch gab auch zu, dass er als Vorstandschef von Fox problemlos die Anweisung hätte geben können, Trump-Anwälte wie Sidney Powell oder Rudy Giuliani nicht vor die Kamera zu lassen und ihre haltlosen Unterstellungen auch noch breit zu diskutieren. ,,I could have. But I didn't", sagte Murdoch: Ich hätte es tun können, habe es aber nicht getan.

Und natürlich sind auch die von ihrem obersten Chef vorgeschobenen Mo­de­ra­to­r*in­nen nicht im Ansatz so verstrahlt, dass sie den von ihnen ventilierten Quatsch für bare Münze genommen hätten. ,,Die ganze Geschichte, die Sidney [Powell] da verkauft hat, habe ich nicht für eine Sekunde geglaubt", erklärte Sean Hannity laut den Gerichtsakten.

Trotzdem hat Fox munter weiter über den angeblichen Wahlbetrug berichtet und dessen Prot­ago­nis­t*in­nen reichlich Sendezeit eingeräumt. Denn es ging nie um Nachrichten, Journalismus oder gar die Wahrheit, sondern wie stets im Murdoch-Reich ums schnöde Geld. Fox wollte schlicht seine Klientel nicht noch mehr vergraulen. Denn das eigentlich treue Publikum des Nachrichtenkanals hatte sich seit Mitte 2020 eh schon ungnädig gezeigt, weil nicht alle bei Fox mehr die unbedingte Unterstützung für Trump zeigten.

Weniger Zu­schaue­r*in­nen bedeuten weniger Einnahmen. Weshalb Fox News Chefin Suzanne Scott noch am 5. Januar 2021 in einem Gespräch mit Murdoch davon abriet, Trumps Niederlage und den Sieg von Joe Biden zuzugeben. ,,Wir müssen vorsichtig sein, dass wir die Zu­schaue­r*in­nen nicht vergrätzen" (,,pissing off the viewers"), so ehrlich steht es jetzt in den Gerichtsakten.

Für Murdoch könnte das sehr, sehr teuer werden. Denn konkret geht es bei dem Verfahren in Delaware um eine Klage des Wahlmaschinenherstellers Dominion. Weil Trump und Konsorten Dominion unterstellten, sie hätten Stimmen für Trump einfach Biden zugeschlagen, laufen aktuell diverse Klagen. Dominion fordert 1,6 Milliarden Dollar von Fox beziehungsweise Murdoch wegen Verleumdung.

Dass erstmals überhaupt so ein Fall vor Gericht zugelassen wurde – die Hauptverhandlung soll im April beginnen –, ist eine gute Nachricht. Möge Rupert verlieren! Eine solche Summe zahlt selbst er nicht mal eben aus der Portokasse.

Das Ganze ist aber auch ein Lehrstück darüber, wo die Abgründe bei kommerziellen Medienunternehmen liegen, die nur aufs Geld und vielleicht noch auf politischen Einfluss aus sind. Murdoch hatte sich Trump schließlich nur an den Hals geschmissen, weil er hier – leider zu Recht – ein gutes Geschäft witterte. Dass dabei als Kollateralschaden mindestens die Demokratie in den USA ein Stück weit unter die Räder gekommen ist, lächelt er dabei kalt weg.

Dass Murdoch sich und Fox jetzt auch noch mit dem ,,First Amendment" und Meinungsfreiheit verteidigt, ist schlicht eine Frechheit. Aber allen Ernstes erklären die Fox-Anwälte, dass die ,,Medienwelt zum Stillstand" gebracht würde, falls Dominion vor Gericht durchkäme, weil so selbst ,,basic reporting" verhindert würde.

In Großbritannien musste Murdoch seinerzeit die Sonntagszeitung News of the World dichtmachen. Auch um FoxNews wäre es nicht schade. Doch nützt solche Symbolpolitik wenig. In London bekam einfach Murdochs werktägliche Boulevardzeitung Sun eine Sonntagsausgabe und macht mit allen miesen Methoden weiter. Und auch für Fox fände sich garantiert leicht Ersatz made by Murdoch.

So taugt das Ganze vor allem als Beleg, warum mit Blick auf Nachrichten, Journalismus und Wahrheit ein öffentlich-recht­liches Mediensystem eine zwar nicht perfekte, aber ziemlich gute Idee ist.


Aus: "Falschaussagen bei Fox News: Es ging nie um Journalismus" Steffen Grimberg (28. 2. 2023)
Quelle: https://taz.de/Falschaussagen-bei-Fox-News/!5915855/

Quotewirklich?

1. Mär, 07:48

Das absurde ist doch eigentlich, dass eine Anklage auf Schadensersatz läuft. Es geht nicht darum dass man die Demokratie untergräbt oder offensichtlich Lügen verbreitet im Namen von Journalismus. Stattdessen ist das einzige was justiziabel ist die Verleumdung einer Firma. Was für ein abgefucktes kapitalistisches Rechtssystem.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Enthüllungsgeschichte der Wochenzeitung "Die Zeit" zeichnet ein negatives Bild, das der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, in den zurückliegenden Jahren von Angela Merkel und den Ostdeutschen gehabt haben soll. Der Bericht fußt nach "Zeit"-Angaben auf internen Dokumenten aus dem Springer-Haus, insbesondere Mails und Chat-Nachrichten aus dem engsten Führungskreis: "Sie zeichnen, ergänzt durch Gespräche mit Insidern und Beteiligten, das Bild eines Vorstandsvorsitzenden, der getrieben von seiner Ablehnung Angela Merkels schien", schreibt die Wochenzeitung.

Dem "Zeit"-Bericht zufolge hat Döpfner in den internen Dokumenten auch über "intolerante Muslime" und Ostdeutsche gelästert. So wird Döpfner unter anderem mit dem Satz zitiert: "Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht." Die Enthüllungsgeschichte der "Zeit" geht auch auf die unterschiedliche Haltung von Döpfner und Friede Springer, der Witwe des Verlagsgründers Axel Springer, gegenüber der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Während die Merkel-Freundin Springer die Ex-CDU-Chefin sehr schätzte, hielt Döpfner sie laut der Zeitung "offenbar für irre oder gefährlich".

So soll Döpfner nach den von der "Zeit" zitierten Dokumenten auch die Intervention Merkels ("Tabubruch") nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der AfD kritisiert haben. Die entsprechende "Bild"-Schlagzeile "Handschlag der Schande" habe Döpfner zwar als "taktisch" richtig, aber inhaltlich "komplett falsch" bezeichnet.

So soll er am 8. Februar 2020 über die Ablehnung der Unterstützung durch die AfD geschrieben haben: "Lieber PDS-Nachfolgeorganisation als Ministerpräsident als die Liberalen. Nur weil ein paar demokratisch gewählte AfD-Wichser ihn gewählt haben. Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M. den Verstand. Sie ist ein Sargnagel der Demokratie. Bald hat die AfD die absolute Mehrheit." Mit "M." könnte laut "Zeit" Merkel gemeint gewesen sein.

Als Merkel und ihre Regierung im März 2020 den ersten Corona-Lockdown planten, soll Döpfner dem "Zeit"-Bericht zufolge "aufgeregte Nachrichten" verschickt haben: "Corona ist eine Grippe gefährlich für Alte und Kranke", schreibt er. Politik und Wirtschaftsführer würden "unsere offene Gesellschaft für immer zerstören". Weiter soll der Springer-Chef geschrieben haben: "Das Ganze ist so surreal. Kollektiver Verstandesverlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute Scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt."

Am 25. März soll Döpfner laut "Zeit" geschrieben haben: "Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33." Ob er damit auf die Machtergreifung von Adolf Hitler 1933 anspielte, kann nur vermutet werden.

Derartige "Reminiszenzen" sollen dem "Zeit"-Artikel zufolge Döpfner nicht fremd gewesen sein. Zu seinen "Lieblingszielen" hätten dabei die Ostdeutschen gehört. So zitiert die "Zeit" Döpfner auch mit dem Satz: "Meine Mutter hat mich immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu Hitler, zu Honecker, ohne Zwischendurch US-Reeducation genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zur AfD."

Bereits in einer Nachricht vom 8. Oktober 2019 soll Döpfner dem "Zeit"-Bericht zufolge "zu 39 Jahren [sic, vermutlich ein Tippfehler, vermutlich waren 30 Jahre gemeint] einen Text zu schreiben, in dem ich die Wiederaufung [sic, vermutlich Tippfehler, vermutlich Widerrufung] der Wiedervereinigung fordere. Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die Ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen DDR eine Agrar- und Produktionszone mit Einheitslohn machen."



Springer-Chef Döpfner wies inzwischen die Vorwürfe zurück. Der "Zeit"-Artikel basiere auf "aus dem Zusammenhang gerissenen Text- und Gesprächsschnipseln", erklärte Döpfner in einer internen Konzernmitteilung. Er habe "natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands".

Der Springer-Vorstandsvorsitzende ging auch auf den Vorwurf ein, er nehme Einfluss auf das Profil von "Bild". Das sei als CEO und Miteigentümer sein Job, sagte Döpfner. Aber über allem stehe die Freiheit der Redaktionen.

Die Zeit,epd (dni,ans)



Aus: "Springer-Chef Döpfner äußerte sich abfällig über Ostdeutsche und Merkel" (MDR AKTUELL, 14. April 2023)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/springer-chef-ossis-merkel-zeit-bild-doepfner-zitate-100.html

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Quote[...] Generell sind Verleger berechtigt, die politische Tendenz ihrer Medien zu bestimmen. Das Problem sieht Pörksen in der Direktheit, mit der Döpfner in das redaktionelle Geschehen eingegriffen haben soll. ,,Die Chefredakteurin der ,Bild'-Zeitung hat sich ja genau gegen diese Intervention und gegen diese Instrumentalisierungsversuche verwahrt. Denn es gibt für Journalistinnen und Journalisten nichts Schlimmeres als diese massive Beschädigung von Glaubwürdigkeit. So eine Aura des Verdachts, der Verdacht, sie könnten im Grunde genommen weisungsgebunden agieren."

Laut dem Medienwissenschaftler gibt es bei Skandalen immer eine Aufschwungs- und eine Deutungsphase. Dabei gehe es um die Frage: Ist das, was als Skandal behauptet wird, tatsächlich einer?

Interessant sei in diesem Fall, dass es keinen langen Kampf um die Deutungshoheit gegeben habe. ,,All die Versuche der Abschwächung haben nicht funktioniert, sondern es war sehr schnell klar: Die Inhalte der Enthüllung sind zu stark", sagt Pörksen. Erwartbar sei nun eine zweite Entscheidungsphase im Prozess der Skandalisierung, in der sich zeigen werde, ob sich die Skandalzone vom Fall Reichelt zum Fall Döpfner nun womöglich zum Fall Springer ausweiten werde. Das könnte auch davon abhängen, wie erfolgreich zwei in dieser Woche geplante Veröffentlichungen werden: Zum einen das neue Buch von Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre, der als Schlüsselroman rund um das Medienhaus Springer erwartet wird. Zum anderen der Spotify-Podcast ,,Boys Club – Macht & Missbrauch bei Axel Springer", in dem es um das System hinter dem ehemaligen ,,Bild"-Chef Julian Reichelt gehen soll.




Aus: "Reicht die Entschuldigung des Springer-Chefs?" (Text: Pia Behme | Bernhard Pörksen im Gespräch mit Antje Allroggen | 17.04.2023)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/doepfner-entschuldigung-chat-nachrichten-springer-bild-100.html

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Der Chef des Springer-Konzerns hat nach viel Kritik an seinen umstrittenen Chatnachrichten um Entschuldigung gebeten. Es handele sich um private Äußerungen. ... Indirekt bestätigte der Springer-Chef in seinem Beitrag für Bild zwar nun, dass bestimmte Formulierungen wie die über Ostdeutsche von ihm stammten. Zugleich will er sie aber als persönliche Aussagen verstanden wissen. "Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben", heißt es in seinem Text.  ... Der 60-Jährige fährt fort: "Wenn ich wütend oder sehr froh bin, wird mein Handy zum Blitzableiter. Ich schicke dann manchmal Menschen, denen ich sehr vertraue, Worte, die 'ins Unreine' gesagt oder getippt sind. Weil ich davon ausgehe, dass der Empfänger weiß, wie es gemeint ist. Und weil ich mir nicht vorstellen kann oder will, dass jemand diese Worte an Dritte weitergibt." Dies sei nun aber geschehen. "Daraus kann man viele Lehren ziehen. Das habe ich getan. ...
https://www.zeit.de/kultur/2023-04/mathias-doepfner-springer-bild-entschuldigung (16. April 2023)

QuoteDirekte Demokratie 1

,,...forderte eine FDP-freundliche Berichterstattung vor der Bundestagswahl."


Quotedemotor

Das Ganze jetzt auf die Ebene persönlicher Verfehlungen und gar Meinungsfreiheit zu verlagern, ist ziemlicher Unsinn. Döpfner und sein Springer Konzern ist ein Hort konservativer, z.T. rechtsnationaler medialer Stimmungsmache. Das wissen seine Leser so gut wie die, die auf diesen populistischen Quark seit Jahrzehnten verzichten. BILD ist ein bedauerlicher und unschöner Teil unserer politischen und gesellschaftlichen Kultur mit grosser Reichweite, der nicht so bald verschwinden wird. Leider wird auch unseriöser Journalismus, der auf Verunsicherung und Desinformation ausgerichtet ist, vom Grundrecht der Pressefreiheit geschützt. Man sollte allerdings darauf achten, wo die Grenzen zur offenen antidemokratischen Polemik überschritten werden. Sonst drohen irgendwann auch bei uns Verhältnisse wie im bildungsfernen Amerika oder im Deutschland der 30er Jahre des vorigen JH.


Quote
My two cent

Das Einzige was Herr Döpfner bedauert ist, dass die Sache irgendwie an die Öffentlichkeit gekommen ist. Ansonsten wird sich wohl kaum etwas ändern. Seine Einstellung ist die, die sie ist. Wer glaubt das Herr Döpfner irgendeinen Wert auf einen journalistischen Wertekanon legt dem ist nicht zu helfen. Der Springer Verlag mit seinem Flagschiff Bild Zeitung ist ein Propaganda Mittel der politischen Einflussnahme. Man fragt sich immer was schlimmer ist, die Puppenspieler oder die Puppen. ...


QuoteBoNT

Im schnelllebigen Medienzirkus des 21. Jahrhunderts wird in vier Wochen niemand mehr davon reden. Isso, auch wenn's eigentlich frustrierend ist.


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Quote[...] Ist die Aufregung um die geleakten Döpfner-Äußerungen ein Momentum? Eines, das über die angebliche oder tatsächliche Relevanz der Mail- und SMS-Verbalien weit hinausgeht? Die Fragmente ohne Kontext, Adressaten und Antworten werden für bare Münze genommen. Hier zeigt sich derMathias Döpfner, wie er wirklich leibt und lebt, denkt und handelt. Seine ausgreifende Publizistik gilt dann nur als matter Abglanz, als eine geschönte, geglättete Ausarbeitung seiner tatsächlichen Überzeugungen.

Schieben wir den skandalisierten und radikalisierten Springer-CEO mal beiseite, taucht eine Grundfrage auf: Besitzt das privat Geäußerte eine größere Relevanz als die öffentliche Äußerung? Spricht eine Person im Privaten ehrlicher, mehr Wahres, hat die Privatlogik eine unwiderlegbare Konsistenz?

Solche Fragen sind mehr als intellektuelles Glasperlenspiel. Sie berühren eine Grundkonstante menschlicher Kommunikation, die grundsätzliche Annahme, dass die Lüge die Ausnahme im Gesagten und Geschriebenen ist, dass das, was gerade der Journalismus wo, wann und von wem auch immer transportiert, so und nicht anders gemeint ist. Der Zeitungsartikel als Antithese zur These ,,Der lügt ja wie gedruckt".

Je mehr aus privaten SMS-, Chat- und Mail-Mitteilungen geleakt, also veröffentlicht wird, desto mehr wird sich der Glaubwürdigkeitsgraben verbreitern. Der Zweifel wird wachsen, das Vertrauen muss erodieren, als wahr und echt und authentisch kann nur noch gelten, wenn öffentliches und privates Denken, Schreiben und Handeln zur Deckung kommen.

Die journalistische Sucht und die individuelle Sehnsucht nach dem Ausleuchten von Hinter-, Schlaf und Gedankenzimmern ist bei Gott nicht neu. Was schon in analogen Zeiten gang und gäbe war, hat in der digitalen Sphäre nur seine Erweiterung gefunden. Mit geleakten Äußerungen glauben wir in die Köpfe der Schreiberinnen und Schreiber schauen zu können. Nicht nur, dass wir das glauben, wir sind überzeugt davon. Das ist der Resonanzboden, auf dem der Döpfner-Skandal wachsen und gedeihen kann: Abgeleitet aus dem Grundsatz, dass einer wie Döpfner (und nicht nur er) zwei Döpfners ist: der öffentliche und der private.

Der Springer-CEO wird dieser Doppelhelix nur entkommen, wenn er den Doppel-Döpfner zusammenschrumpft. Wenn der Leak nichts anderes hergibt als die öffentliche Äußerung. Was für eine Herausforderung - für alle.




Aus: "Weit mehr als nur ein Skandal" Ein Kommentar von Joachim Huber (17.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/weit-mehr-als-nur-ein-skandal-der-aufstieg-des-leaks-zur-wahrheit-9668990.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Keine Überraschung! So lautet die vermutlich häufigste Reaktion auf die Döpfner-Causa am Donnerstagmorgen bei Twitter, dem Lieblingsnetzwerk der Jour­na­list*in­nen. Anlass war eine Recherche der Zeit, die nach eigenen Aussagen E-Mails und Chats einsehen konnte, die Springer-Chef Mathias Döpfner in den vergangenen Jahren an Personen aus dem engsten Führungskreis geschickt haben soll. Viele davon sind voller Rechtschreibfehler, englischer Wörter und lesen sich, als hätte sie jemand in besoffenem Zustand abgeschickt. ,,Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig." Oder eine SMS an den damaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt: ,,Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert."

Aus der Zeit-Recherche ergibt sich das Bild eines mächtigen Mannes, der die Bundespolitik beeinflussen, Angela Merkel absägen und die Ostdeutschen fertigmachen will. Ein Mann, der den Klimawandel eigentlich ganz gut findet, in Trump einen geeigneten US-Präsidenten sieht und die Wahl Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen der AfD unproblematisch findet. Er selbst fasst sein Weltbild in einer Nachricht so zusammen: ,,free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs."

Wer in den letzten Jahren die Berichterstattung der Springer-Medien, allen voran die der Bild, verfolgt hat, wird von diesen Aussagen wahrlich nicht überrascht sein. Döpfners rechtes Weltbild war bekannt. Dass der Mann an der Spitze eines der größten Medienunternehmen weltweit gegen journalistische Grundsätze verstoßen möchte, um Politik zu beeinflussen, ist skandalös – aber leider nicht verwunderlich.

Jetzt mit dem Finger auf diesen einen fiesen Typen zu zeigen, der peinliche denglische Chats voller Fehler an seine Mit­ar­bei­te­r*in­nen verschickt, ist wenig hilfreich. Denn, ob wir Jour­na­lis­t*in­nen das nun wollen oder nicht: Mathias Döpfner ist ein Kollege von uns. Und zwar nicht irgendeiner, sondern ein ziemlich mächtiger. Dass er an der Spitze eines Medienhauses sitzt und seine Macht willkürlich ausleben kann, ist gefährlich – aber er hat sich dort nicht alleine hingesetzt.

In erster Linie liegt die Verantwortung natürlich beim Verlag selbst. An Döpfners steiler Karriere vom Welt-Chefredakteur zum Quasiherrscher über den Springer Verlag ist vor allem Friede Springer, die Witwe von Axel Springer, schuld. Sie übertrug ihm 2019 nicht nur Aktien im Wert von rund 1 Milliarde Euro, sondern auch ihr Stimmrecht.

Seitdem kann Döpfner eigentlich machen, was er will. Zuletzt zeigte sich das in der Reichelt-Affäre. Als Reichelt 2021 Machtmissbrauch und verschiedene Affären mit Mitarbeiterinnen vorgeworfen wurde, stellte Döpfner sich schützend vor ihn. In dem folgenden Jahr erschienen neben Recherchen vom Spiegel auch welche von der Financial Times und der New York Times, die Döpfner eine Mitschuld daran geben, dass Reichelt so lange seine Macht missbrauchen konnte. In diesem Zusammenhang wird eine SMS zitiert, in der Döpfner Reichelt als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den ,,neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Infolge der Recherchen wurde Reichelt gefeuert, Döpfner blieb an der Spitze.

Nicht nur innerhalb des Springer-Konzerns hat Döpfner nichts zu befürchten, auch ansonsten hat er ein gefestigtes Standing in der Branche. Dort wird lieber mit ihm abgekumpelt, als sich von ihm zu distanzieren – und das, obwohl seine Ansichten kein Geheimnis sind. 2016 wurde er Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) – also Cheflobbyist der Journalismusbranche. Auch hierzu hat er sich nicht selbst ernannt, er wurde gewählt.

Nach der Reichelt-Affäre gab es zwar einige, die Konsequenzen forderten: Madsack-Chef Thomas Düffert trat als Vize zurück, die Funke Mediengruppe trat zum Jahresende 2022 aus. Der BDZV nahm eine Entschuldigung von Döpfner damals an und ließ ihn im Amt. Peinlich für die Branche. Erst Ende Mai 2022 kündigte Döpfner dann selbst an, sein Amt abzugeben.

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Aus: "Enthüllung über Springer-Chef Döpfner: Das Monster, das wir schufen" Carolina Schwarz (13. 4. 2023)
Quelle: https://taz.de/Enthuellung-ueber-Springer-Chef-Doepfner/!5924617/

QuotePLAGIATOS

Nach zweitem mal lesen finde ich bereits den Titel unpassend. Als ob keiner genauer hingeschaut hätte und keiner etwas gemerkt hätte.  ...


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Quote[...] Döpfner ist, dank des Wohlgefallens der Springer-Witwe, zum CEO eines global einflussreichen Medienkonzerns aufgestiegen. In manchem erinnert er an Trump: nicht so vulgär, aber ebenso beseelt von der Ideologie der rechten US-Libertären, für die das Ich alles, die Gesellschaft nichts und der Staat der Gegner ist. Mit Trump verbindet Döpfner auch, dass sein größtes Talent ist, sich selbst für absolut großartig zu halten.

Friede Springer hat ihrem Protegé 2019 Aktien im Wert von einer Milliarde Euro geschenkt – mit einem legalen Trick steuerfrei. Dass solche Gaben am Fiskus vorbei möglich bleiben, dafür sorgt der FDP-Finanzminister, dessen Partei von Bild auf Ansage des Verlegers publizistisch unterstützt werden sollte.

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Aus: "Geleakte Chatnachrichten bei Springer: Unser Trump" Aus einem Kommentar von Stefan Reinecke (14. 4. 2023)
Quelle: https://taz.de/Geleakte-Chatnachrichten-bei-Springer/!5925363/

QuoteRicky-13, Samstag, 11:58

taz: "Mit Trump verbindet Döpfner auch, dass sein größtes Talent ist, sich selbst für absolut großartig zu halten."

Der Springer-Chef Döpfner ist ja auch ein großer Fan von Trump. "Mathias Döpfner hatte bei den US-Wahlen 2020 dazu aufgerufen, für den Sieg Donald Trumps zu beten. Im September 2022 berichtete die Süddeutsche Zeitung, der Ex-Präsident habe sich auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social bei Döpfner dafür bedankt. Die Washington Post deckte am 6. September 2022 eine entsprechende E-Mail Döpfners an seine engsten Führungskräfte wenige Wochen vor der US-Wahl 2020 auf. Der Verleger Döpfner hatte zuvor die Existenz dieser E-Mail geleugnet." [Quelle: Wikipedia - 'Süddeutsche Zeitung, The Washington Post']


QuoteCM

Herr Reinecke, Sie äußern sich in Ihren privaten Nachrichten sicher immer sehr ausgewogen, nie empört oder wütend, sondern immer voller abgeklärter Empathie mit jeder und jedem.
Dumm, dass die meisten Menschen Ihren Stand nicht erreichen werden.


QuoteBenedikt Bräutigam
Samstag, 06:22

@CM Erstens: ja, denn es macht einfach keinen Sinn, wenn man "im Privaten" ein jämmerlicher, hasserfüllter und überheblicher Mensch ist, während man offiziell auf "Kunst und Liebe" macht. Zweitens: "Privat?" Sind Mails zwischen Vorstandsvorsitzendem und Chefredakteur privat? Mails mit eindeutigem Bezug auf journalistische Inhalte und mit unverhohlener Einflussnahme? Ne, das ist nicht privat.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Medienbeobachter von Newsguard haben 49 Nachrichten-Websites gefunden, die ausschließlich von KI-Chatbots betrieben werden, wie aus einer am Montag veröffentlichten Analyse hervorgeht. Die Sites weisen eine große Bandbreite auf: Einige sind als aktuelle Nachrichtenseiten getarnt und tragen Namen wie "News Live 79" und "Daily Business Post", während andere Lifestyle-Tipps und Promi-Nachrichten liefern oder gesponserte Inhalte veröffentlichen.

Keines der vorgeblichen News-Outlets verrät jedoch, dass sie von KI-Chatbots wie ChatGPT von OpenAI und möglicherweise Google Bard betrieben werden. Viele der untersuchten Medien gingen erst in diesem Jahr online und fallen vor allem durch Falschmeldungen auf.

Im April veröffentlichte eine Website namens "CelebritiesDeaths.com" einen Artikel mit dem Titel "Biden tot. Harris amtierende Präsidentin, Ansprache um 9 Uhr". Eine andere Seite erfand Fakten über das Leben und die Arbeit eines Architekten als Teil eines gefälschten Nachrufs. Und eine Website namens "TNewsNetwork" veröffentlichte eine unbestätigte Geschichte über den Tod tausender Soldaten im Ukrainekrieg – als Quelle diente ein YouTube-Video.

Bei den meisten dieser Websites scheint es sich um Content-Farmen zu handeln. Dabei handelt es sich um minderwertige Websites, die von anonymen Quellen betrieben werden. Diese dienen allein dem Zweck mit einer Flut an Beiträgen Werbeeinnahmen zu erzielen. Die Websites sind über die ganze Welt verteilt und werden in mehreren Sprachen veröffentlicht, darunter Englisch, Portugiesisch, Tagalog und Thai, so Newsguard.

Viele der gefakten Newsseiten erzielen Einnahmen durch Werbung für "Gastbeiträge". Das heißt Werbekundinnen und –kunden können gegen eine Gebühr Erwähnungen ihres Unternehmens auf den Websites bestellen, um ihr Suchranking zu verbessern. Andere scheinen zu versuchen ein Publikum in den sozialen Medien aufzubauen, wie etwa "ScoopEarth.com". Die Seite veröffentlicht Biografien von Prominenten und hat auf Facebook mittlerweile 124.000 Anhänger.


Mehr als die Hälfte der Websites verdient ihr Geld mit klassischen programmatischen Anzeigen. Dabei wird der Platz für Anzeigen auf den Websites automatisch mithilfe von Algorithmen gekauft und verkauft. Laut Newsguard wirft das vor allem in Bezug auf Googles Chatbot Bard Bedenken auf: Google könnte Bard dazu nutzen das eigene Werbemodell zu stützen. Gordon Crovitz, Co-Chief Executive Officer von Newsguard forderte, dass Unternehmen wie OpenAI und Google darauf achten sollten, ihre Modelle so zu trainieren, dass sie keine Nachrichten fälschen.

"Die Verwendung von KI-Modellen, die dafür bekannt sind, dass sie Fakten erfinden, um Websites zu erstellen, die nur wie Nachrichten aussehen, ist Betrug, der sich als Journalismus ausgibt", so Crovitz.

OpenAI hat gegenüber "Bloomberg" erklärt, dass es eine Mischung aus menschlichen Prüfern und automatisierten Systemen einsetzt, um den Missbrauch des Sprachmodells zu erkennen. Dies umfasse in schweren Fällen die Sperrung von Nutzern. Ein Google-Sprecher gab an, dass man Werbeanzeigen auf betrügerischen Websiten entferne. Aber er betonte auch, dass von einer künstlichen Intelligenz generierte Inhalte kein Verstoß gegen die Anzeigenrichtlinien darstellen. (red, 1.5.2023)


Aus: "49 Nachrichtenseiten werden von einer KI betrieben und verbreiten Falschmeldungen" (1. Mai 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000146016478/49-nachrichtenseiten-werden-von-der-ki-betrieben-und-verbreiten-falschmeldungen

https://www.newsguardtech.com/special-reports/newsbots-ai-generated-news-websites-proliferating/

QuoteThe Alien

Sobald es eine zuverlässig funktionierende "Fact Check" AI gibt, wär mir das in der heutigen postfaktischen Idiocracy ein Abo wert.
Es wird immer mühsamer, unter den ganzen Fakes und Meinungen und Ideologie getriebenen Desinformationen, mit endlichem Aufwand, die Fakten und unterliegenden Datenquellen zu finden.

Nicht nur zwischen Reich und Arm, auch zwischen Homo Sapiens und den Homo Eher-doch-nicht-Sapiens (postfaktische Idiocracy der domestizierten Nutzmenschen in Massenhaltung) geht die Schere immer weiter auf, wie es scheint.


QuoteWerner_MAX

Hat ja nicht lange gedauert... bis der Abschaum der Menschheit die neueste Technologie für ihre tief kriminellen Machenschaften nützt. ...


QuoteF800GS

Der Großteil der Bevölkerung ist heute schon überfordert und die wenigsten habe die Zeit sich umfassten und integer zu informieren.
Die KI wird eine mächtige Waffe werden ... Wenn ich heute ein Jugendlicher wäre, würde ich mit Sorge in die Zukunft sehen.


QuoteBriaftroga

Und?

Goldenes Blatt, Freizeit Revue usw. machen das seit Jahren wöchentlich


QuoteLinksfuß

Und wer bislang darauf vertraute, dass die Bekannte eines Freundes dessen Schwiegermutter deren Arbeitskollegin bestätigt, dass ...

... denen war und ist eh nicht zu helfen.


Quotedasichbinichodr

Bis vor Kurzem dachte ich noch, allgemein Wissen wird durch die Befähigung zu Wissen wo man sich Informationen herholt ersetzt werden. Die KI Schwemme zeigt aber sehr gut auf wie wichtig persönlich vorhandenes Wissen und logisches Denken ist um Gelesenes und Gesehenes einzuordnen und verifizieren zu können.


QuoteImmer 1x mehr als du

während andere Lifestyle-Tipps und Promi-Nachrichten liefern oder gesponserte Inhalte veröffentlichen
Früher hiess das "Yellow Press" und war genauso verlogen.


QuoteBA.2

Da weiß man aber woran man ist.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Vor 13 Jahren entdeckte der Fernsehkoch Jamie Oliver was im Essen. Oliver führte in seiner Sendung vor, dass in Schulkantinen und in den Burgern großer Fast-Food-Ketten nicht nur echtes Hackfleisch verwendet wird, sondern auch eine billige Ersatzmasse aus Tierresten, die sonst in Hundefutter oder im Müll landen. Sie werden vom Fett befreit, mit Chemikalien wie Ammoniakwasser versetzt, um Bakterien abzutöten, durch den Fleischwolf gejagt – und zack, sieht es fast aus wie normales Hackfleisch und kann untergemischt werden. Der Name, den Kritiker wie Oliver für diese so preisgünstige wie eklige Pampe prägten: Pink Slime, rosa Schleim.

Olivers Sendung und Berichte des US-Senders ABC sorgten damals dafür, dass McDonalds und andere Pink Slime aus ihren Produkten verbannten. Nun, da die Leute wussten, was da für Schleim in ihrem Essen war, wollten sie damit nichts mehr zu tun haben.
Jahre später taucht der Begriff Pink Slime jetzt wieder auf. Diesmal geht es nicht um Fleisch, sondern um einen Nährstoff der Demokratie: um Journalismus. Pink-Slime-Seiten werden Websites genannt, die so tun, als seien sie seriöse Nachrichtenseiten, tatsächlich aber im Dienst von Lobbygruppen, geheimen Geldgebern oder radikalen politischen Akteuren stehen. Gemeint sind also nicht Donald Trumps Propagandaschleuder Truth Social oder deutsche Portale wie Tichys Einblick und Multipolar. Diese machen aus ihrer Weltsicht und ihren Absichten schließlich kein Geheimnis. Bei Pink-Slime-Seiten handelt es sich hingegen um böswillige Nachahmungen, um pseudojournalistischen Schleim, der die Öffentlichkeit verklebt wie der Pink Slime die Hamburger.
Die Website bostontimes.org zum Beispiel setzt bevorzugt Lügen über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in die Welt wie jene, Selenskyj habe bei einer Reise nach Argentinien in seinem Flugzeug Kokain geschmuggelt. In ihrer Selbstbeschreibung behauptet die vermeintliche Boston Times, sie sei bereits seit 1972 ein "Leuchtfeuer der journalistischen Integrität" im "Herzen von Massachusetts". Blöd nur, dass es die Website erst seit Januar 2024 gibt. Und blöd auch, dass im pseudoaltehrwürdigen Logo des Fantasiemediums Blödsinnslogans wie "The Jubinldress of Jecelolyatcye" oder "Truth and Uboutelicy" zu lesen sind. Offensichtlich KI-generierter Wortmüll, der darauf setzt, dass schon niemand so genau hinsehen wird.

Das Neue an diesen Seiten ist nicht, dass sie es auf Desinformation angelegt haben. Das kennt man schon seit Jahren von Social-Media-Accounts, Telegram-Channels und so weiter. Neu ist, dass sich die Desinformationsunternehmer nicht mehr mit solchen Störfeuern von der Seite zufriedengeben. Sie greifen jetzt direkt das geschwächte Herz der politischen Öffentlichkeit an: den Journalismus selbst. Erst dessen Krise macht ihren Erfolg möglich.

1.179 Pink-Slime-Seiten hat die Organisation NewsGuard in den USA gezählt, wie die Financial Times berichtet. Andere Zählungen gehen von mehr als 1.600 aus. 1.200 echte Nachrichtenseiten von regionalen Medien gibt es im Land. Auf jede seriöse Seite kommt also schon eine gefälschte, bald dürfte sich das Verhältnis ganz umgedreht haben. Denn in den USA sterben pro Woche mittlerweile zwei bis drei regionale Zeitungen, seit 2005 hat die Zahl der Journalisten im Land um zwei Drittel abgenommen. Die "Nachrichtenwüsten", wie Medienforscher das nennen, breiten sich längst über das Land aus. Pink-Slime-Seiten füllen diese Lücke.

"US local news swamped by 'pink slime' as political influence ramps up"
Dark money-funded outlets that mimic regional news sites are becoming more sophisticated ahead of November election
Hannah Murphy in San Francisco April 3 2024
https://www.ft.com/content/ce6f8b43-8b0f-4081-a13c-47e58640253e

KI verbilligt die Herstellung der Inhalte, Experten rechnen damit, dass die Zahl und die Professionalität solcher Seiten vor der US-Wahl im November noch rasant zunehmen werden. Schon jetzt werden allein über 1.000 Pink-Slime-Seiten, die regionale Nachrichtenportale imitieren, vom Netzwerk Metric Media betrieben, hinter dem nach Recherchen von Forschern ein erzkonservativer Ölmilliardär, ein Verleger und ein Berater der republikanischen Partei stecken sollen. Diese Seiten adaptieren die rechten Lieblingsthemen (angeblicher Wahlbetrug, illegale Einwanderung, LGBTQ+) für ein regionales Publikum und in einer Einseitigkeit, die keine annähernd seriöse Redaktion zulassen würde.

In Europa verbreiteten wiederum russische Fake-News-Schleudern im vergangenen Herbst beispielsweise maßgeblich das Gerücht, in Paris hätten Geflüchtete aus der Ukraine eine Bettwanzenplage ausgelöst. Und in Deutschland tauchten schon 2022 Dutzende Websites auf, die das Layout großer Medienmarken wie Welt, und Spiegel imitierten und russische Propaganda verbreiteten.

Wie viel Schaden solche Websites anrichten, ist bisher kaum zu messen. Klar aber ist: Je regelmäßiger öffentliche Debatten mit den Begriffen und entlang der Fronten eingespielter Kultur- und Identitätskämpfe geführt werden, desto eher sind Menschen bereit, alles zu glauben, was ihre Meinung stärkt – egal, wie unseriös die Quelle ist. Gegen Wokeness kommt dann jedes noch so dubiose Infohäppchen recht. Auch viele seriöse Medien werden längst als Akteure in diesen Kämpfen wahrgenommen und gelesen, statt als deren aufklärende Beobachter. Die Neutralitäts- und Objektivitätsvermutung ist bei vielen Leserinnen und Lesern eh schon großflächig ramponiert, da werden die Pink-Slime-Seiten nur als weitere parteiische Stimme hingenommen.
So sorgen KI, Journalismuskrise, Polarisierung und mangelnde Medienbildung im weltweiten Superwahljahr für einen perfekten Desinformationssturm: Von flood the zone with shit, der berühmten Strategie des einstigen Trump-Strategen Steve Bannon, zu flood the zone with slime.

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Aus: "Pink-Slime-Journalismus: Der große Schleimangriff" Lenz Jacobsen (6.4.2024)
Serie: Politisch motiviert
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2024-04/pink-slime-journalismus-online-desinformation-demokratie-usa

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Vertrauen in die deutschen Medien ist erneut gesunken. Dies zeigen neuste Zahlen und Daten aus einer Langzeitstudie des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; diese werden jährlich vorgelegt. Demnach stimmten insgesamt 25 Prozent der befragten Erwachsenen "voll und ganz" beziehungsweise "eher" der Aussage zu, dass die Themen, die einem selbst wichtig seien, in den Medien "gar nicht ernst" genommen würden. 29 Prozent antworteten auf die Aussage mit "teils teils", für 46 Prozent trifft sie eher nicht oder überhaupt nicht zu.

"Die Wahrnehmung einer Kluft zwischen Medien und Publikum ist vergleichsweise weitverbreitet", heißt es in der Studie. Dass sich Menschen von der Art und Weise, wie Medien Themen und Meinungen darstellen, nicht repräsentiert fühlen, trifft demnach längst nicht mehr nur auf den "harten Kern der Zynikerinnen und Zyniker" zu.

Damit nähert sich das Medienvertrauen langsam wieder dem Vor-Corona-Niveau an. Während der Pandemie war das Vertrauen in die deutschen Medien besonders hoch – auch, weil es in der Krise akut und besonders viel Informations- und Orientierungsbedarf gab. Ein solcher Effekt lässt sich demnach für die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine oder in Israel und Gaza nicht beobachten.

Die Frage, ob die Kritikerinnen und Kritiker sich zu Recht entfremdet fühlten, klammerten die Studienautoren aus. Sie legten ihren Fokus auf den subjektiven Eindruck der Befragten.

Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Institutionen schneiden die Medien beim Vertrauen nicht besonders schlecht ab, eher im Mittelfeld. Im Jahr 2023 vertrauten 44 Prozent der Menschen in Deutschland den Medien. Diese liegen damit deutlich vor der Politik und den unter anderem durch Missbrauchsskandale in die Krise geratenen Kirchen (jeweils 17 Prozent) sowie vor den Unternehmen (18 Prozent). Die Bundeswehr schloss 2023 hingegen erstmals zu den Medien auf (43 Prozent). Vor den Medien lagen die Justiz (59 Prozent) und die Wissenschaft (69 Prozent).

Die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen läuft schon seit 2015. Für die aktuellen Ergebnisse wurden im November und Dezember 2023 telefonisch 1.200 Menschen ab 18 Jahren bundesweit befragt. Sie gilt damit als repräsentativ für diesen Teil der Bevölkerung.


Aus: "Ein Viertel der Deutschen fühlt sich von Medien nicht repräsentiert" (17. April 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2024-04/medienvertrauen-studie-mainz-kluft-repraesentation

QuoteDtekrvttkdjdj

Welche Signifikanz hat eine tel. Befragung einer Stichprobe von 1200 Menschen in Deutschland?


QuoteSBR70

Bitte wer sind denn "die Medien". Das ist eine dermaßen pauschale und undifferenzierte Fragestellung - was will man denn da als Antwort erwarten? ...


Quoteriefloch

... Schon "früher" hatten Zeitungen eine Ausrichtung. In der FAZ haben sie auch in den 60er Jahren keine progressiven Artikel zum Umweltschutz gelesen.

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QuoteEckbert_286

Bei diesen Umfragen würde mich immer interessieren, was das denn für Themen sind, bei denen sich ca. 25 % der Deutschen nicht repräsentiert fühlen in den Medien. Wenn das nämlich dieselben 20 - 25 % sind, die sich einen Kaiser und/oder Führer herbeisehen, ist es doch gar nicht schlecht, wenn die Medien diese Geisteshaltung nicht widerspiegeln.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/deutschland-etwa-25-prozent-der-jungen-wuenschen-sich-einen-starken-fuehrer-a-1254614.html


Quotesryke

Ich kann auch nicht so viel mit "die Medien" anfangen. Es gibt doch eine sehr diverse Medienlandschaft da draußen. Ich konsumiere hauptsächlich ZON und FAZ. Und wenn mir die Leserkommentare auf ZON zu viel werden, schaue ich mir zum seelischen Ausgleich die Kommentare auf WELT an, um mich zu vergewissern, dass doch nicht alle Menschen in diesem Land vegan oder/und grün wählend sind.

Eine Sonderstellung hat natürlich der ÖRR. Vermutlich setzen viele "die Medien" mit dem ÖRR gleich.


QuoteHenry C. Chinaski

Lesen Sie die Kommentare im Focus. Dort werden Sie keine Anhänger von rot /grün finden...


QuoteSkipper63

Ja klar, weil die Medien uns nicht die faktische Wahrheit erzählen, sondern eine Erzählung, die ihnen passt. Da werden Fakten weg gelassen oder herunter gespielt, siehe Gaza.

Es gibt im Netz genug sehr objektive progressive Nachrichtenkanäle, wo man ehrlicher und objektiver informiert wird und wo Gästen harte und direkte Fragen und Nachfragen gestellt werden!


QuoteFheingheist

Das Gute und gleichzeitig das Problem am Netz ist, da finde jeder seine Wahrheit.


Quoteriefloch

Wie schon gestern/vorgestern in einem Beitrag erwähnt: Das Hauptproblem ist das Internet aus meiner Sicht, aus 3 Gründen:

1. Zum einen gibt es eine Reizüberflutung für den Leser. Immer mehr Informationen kommen über immer mehr Kanäle hinein. Wenn im Minuten-Stakkato auf den sozialen Netzwerken und Zeitungsportalen Pressemeldungen hereinkommen, weiß man oft gar nicht mehr woran man ist. Wer weiß schon noch, welche Meldung man vor einer Stunde gelesen hat, welche Informationen diese hatte? Eingeprägt wird sich nur noch die "heftigste" Nachricht des Tages.

2. Die zweite Ebene betrifft die Seite der Medien. Früher hatten Journalisten einen ganzen Tag Zeit um zu recherchieren. Der Artikel wurde geschrieben und am nächsten Tag stand es weitgehend ausformuliert und detailreich in der Zeitung. Heute gibt es aufgrund des Internets mehr Medien und auch mehr einzelne "Journalisten", also Blogger, Videotuber, Twitterer, usw, die alle auch gewissermaßen publizieren. Dadurch sinkt die Qualität, in immer schnellerer Zeit (bevor die Konkurrenz etwas veröffentlicht) müssen immer mehr Informationen stehen. Daraus folgt, dass diese schnell fehlerhaft sind. Die Fehler werden aufgedeckt und die Leute denken "der Journalist lügt bewusst!".

3. Zudem das Problem der Finanzierung. Emotionale, provokative Themen bringen Klicks, die bringen Einnahmen. Nüchterner, sachlicher Journalismus wird nicht angeklickt. Journalisten sind also angehalten, zu übertreiben, Debatten anzuheizen.


Quote2b is 2do

Wer ist "die Medien"?
ZON, FAZ, FR, taz, BILD, WELT, NIUS, RT?

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QuoteWESSIBEAMTER

Die Berichterstattung ist für 25 Prozent der Bevölkerung egal. Die glauben halt nur das, was ihnen passt.


QuoteSBR70

Jeder glaubt das, was er glauben will. Nicht nur 25% der Bevölkerung.


QuoteTordenskjold

Die neue deutsche Weinerlichkeit, gepaart mit Medieninkompetenz und den Einflüssen der "Lügenpresse"-Propaganda. Man kann "Meinung" nicht mehr ertragen - es sei denn, es ist die eigene. Widerspruch im Rahmen einer kontroversen Debatte wird als "canceln" denunziert. Man fühlt sich schnell wie "Jana aus Kassel"...

Presse kann und darf Meinung und muss nicht zwanghaft versuchen "neutral" zu sein. Was waren das für Zeiten, als die Journalisten sonntagsvormittags in "Der Internationale Frühschoppen" sich bei Weißwein und Fluppen leidenschaftlich in die Haare kriegten und niemand mangelnde "Neutralität" beweinte.

Heute bejammert man eine angeblich "gespaltene" Gesellschaft und wer sich erdreistet mal einen rauszuhauen, dem wird sofort "Ideologie" vorgeworfen. Das ist der neue Meinungsterror aus der Mitte. Immer schön "neutral" berichten, bloß keine abweichende Meinung präsentieren.

Dazu kommt die Medieninkompetenz: Menschen können "Bericht" nicht mehr von "(Gast-)Kommentar" unterscheiden. Menschen verstehen Richtungen, Hintergründe und politische Zuordnung von einzelnen Publikationen nicht mehr. Statt sich zu freuen, dass wir so viele verschiedene Medien konsumieren können, beklagt man, dass die alle "ideologisch motiviert" nicht das Gleiche schreiben, sagen, senden...

Der traurigste Auswuchs ist Diether Nuhr. Der schwadroniert über "Cancel Culture" und kritisiert die öffentlich rechtlichen Medien. In den öffentlich rechtlichen Medien, die ihn dafür fürstlich entlohnen...


QuoteErnst Acht

In einer Gesellschaft die immer diverser wird ist ein viertel welches sich nicht durch die Medien repräsentiert fühlt durchaus kein besonderer Wert. Was mir eher Sorge macht ist die Medienkompetenz der Deutschen. Ich lese von Menschen die Objektivität fordern und damit die Abwesenheit einer ihnen ungenehmen Meinung bezeichnen bzw erwarten, dass ihre Lebewelt genau so abgebildet wird wie sie diese leben.

Am problematischten halte ich das generieren von Filterblasen in den sozialen Medien weil einem dadurch vermittelt wird es gäbe eine Realität die meiner ähnlich ist. Das erwachen in den normalen Medien ist dann meist mit erschrecken verbunden weil dort auch andere Meinungen und Sichten präsent sind und man selbst nur einen Teil des Meinungsspektrums abbildet.

Generell würde ich mir eine Entanonymisierung der sozialen Medien wünschen um die Akteure besser zu erkennen.


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