• Welcome to COMMUNICATIONS LASER #17. Please log in.

[Notizen zur Pressefreiheit... ]

Started by Textaris(txt*bot), May 13, 2006, 06:42:32 PM

Previous topic - Next topic

0 Members and 1 Guest are viewing this topic.

Textaris(txt*bot)

#245
Quote[...] SYDNEY taz | Journalisten hinter Gittern – nur weil sie ihre Pflicht erfüllt haben, die Öffentlichkeit zu informieren. Was nach Alltag in einer Diktatur klingt, könnte auch in Australien zur Realität werden. In der Stadt Melbourne müssen sich derzeit 18 Journalistinnen und Journalisten und 12 Medienunternehmen vor dem Obergericht des Bundesstaats Victoria verantworten. Ihnen drohen Haft oder hohe Geldbußen, weil sie im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den Kurienkardinal George Pell gegen eine richterliche Verfügung verstoßen haben sollen.

Ein Richter hatte den Medien verboten zu berichten, dass der katholische Kleriker und Papstverbündete am 11. Dezember 2018 schuldig gesprochen worden war, in den neunziger Jahren zwei Chorknaben sexuell missbraucht zu haben. Von der Verfügung betroffen waren alle Medien, die in Australien zugänglich sind – also auch Medien, die über das Internet zugänglich sind. Das hatte unter australischen Journalisten für Wut und unter internationalen Journalisten für Verunsicherung gesorgt. In Zeiten von Digitalisierung, wo jedes Medienunternehmen mit einer Webseite weltweit verfügbar ist, bedeutete das theo­retisch, dass weltweit niemand über den Fall hätte berichten dürfen.

Damit sollte verhindert werden, dass die Geschworenen in einem bereits geplanten zweiten Prozess gegen Pell beeinflusst werden. Pell, der alle Vorwürfe stets zurückgewiesen hatte, wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der zweite Prozess wurde wegen ungenügender Beweise abgesagt. Nach einer Berufung und 13 Monaten hinter Gittern wurde Pell im April freigesprochen. Der frühere Finanzminister des Vatikans und enge Vertraute von Papst Franziskus lebt inzwischen wieder in Rom.

Laut Experten sind solche Verfügungen im australischen Rechtssystem nicht unüblich. Trotzdem hielten sich verschiedene Medien nicht an die Anordnungen. Vor allem im Ausland wurde über das Urteil berichtet und Pells Name genannt. Die Medien bewiesen, dass solche Verbote in Zeiten globaler Vernetzung kaum durchsetzbar sind. Australische Publikationen zeigten sich empört über den Entscheid: Die Melbourner Tageszeitung Herald Sun bedruckte die Titelseite mit dem Vermerk ,,Zensiert". Die Welt lese ,,eine sehr wichtige Geschichte", aber die eigene Zeitung müsse ihren Lesern ,,Details dieser bedeutsamen Nachricht" vorenthalten. Ein anderes Medienportal ging weiter: Es verwies auf eine ausländische Publikation mit dem Hinweis auf ,,die Geschichte, über die wir nicht berichten können".

Aber es gab auch Verteidiger des richterlichen Entscheids. Verschiedene Journalisten zeigten – nicht immer öffentlich – Verständnis. Pells Anwalt hätte im geplanten zweiten Prozess geltend machen können, die Geschworenen seien befangen, hätten sie vom ersten Urteil erfahren. ,,Die Gefahr bestand, dass der Prozess dann platzt", so ein Kommentator damals. Auch in Australien gilt für Beschuldigte die Unschuldsvermutung.

Der Prozess gegen die Journalisten und Verlagshäuser nun verstärkt unter Medienschaffenden das Gefühl, dass ihre Freiheit zu berichten immer weiter beschnitten wird. Die Regierung von Premierminister Scott Morrison habe durch die drastische Verschärfung von Sicherheits- und Antiterrorgesetzen in den letzten Jahren die Arbeitsbedingungen insbesondere für investigative Journalisten erschwert, sagen Kritiker. ,,Reporter und Whistleblower leben in wachsender Angst vor Strafverfolgung, Polizeirazzien und teuren Prozessen", schreibt die Interessengemeinschaft ,,Your Right to Know", der alle Verlage und Journalistenverbände angehören.

Im letzten Jahr machten Polizeirazzien beim Fernsehsender ABC und bei einer Journalistin der Tageszeitung Daily Telegraph weltweit Schlagzeilen, nachdem die Reporter für die Regierung potenziell peinliche Informationen veröffentlicht hatten. Die Razzien wurden jüngst vor Gericht als unzulässig verurteilt. Your Right to Know fordert ,,fundamentale Rechte" und ,,Ausnahmen" für Journalisten von Gesetzen, ,,nach denen sie im Gefängnis landen würden, nur weil sie ihren Job machen".

Reporter ohne Grenzen kommt zu dem Schluss, australische Journalisten würden sich der ,,Zerbrechlichkeit der Pressefreiheit" immer bewusster, ,,in einem Land, in dem das Grundrecht keine solche Freiheit garantiert und nicht mehr als eine,implizierte Freiheit politischer Kommunikation' anerkennt". Die australische Regierung missbrauche das Argument ,,der nationalen Sicherheit", um ,,investigative Reporter einzuschüchtern".


Aus: " Prozess gegen Kardinal in Australien: Der, der nicht genannt werden darf " Urs Wälterlin (11.11.2020)
Quelle: https://taz.de/Prozess-gegen-Kardinal-in-Australien/!5723821/

// [https://taz.de/Australien-Kurienkardinal-Pell-ist-frei/!5677401/] (7.4.2020)

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wegen ihrer Arbeit im Journalismus sitzen weltweit laut einer Erhebung mindestens 387 Männer und Frauen im Gefängnis - einige von ihnen haben einfach nur über Corona berichtet. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit hervor, die die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) am Montag veröffentlicht hat.

Mehr als die Hälfte dieser Inhaftierten verteilt sich demnach auf nur fünf Länder: China, Saudi-Arabien, Ägypten, Vietnam und Syrien. 54 Journalisten gelten den Angaben zufolge derzeit als entführt, 4 seien 2020 verschwunden.

Mehr als 130 Medienschaffende in allen Teilen der Welt seien seit dem Frühjahr wegen ihrer Berichterstattung zur Corona-Krise willkürlich verhaftet worden, so Reporter ohne Grenzen, ,,viele nur für Stunden oder wenige Tage, andere für Wochen. Aktuell sind noch mindestens 14 von ihnen im Gefängnis". Regierungen in allen Teilen der Welt versuchten, ,,eine unabhängige Berichterstattung über die Corona-Krise und ihre Folgen zu unterdrücken". Mehr als 370 meist kürzere Verhaftungen gab es in Belarus seit der umstrittenen Präsidentenwahl.

,,Die sehr hohe Zahl inhaftierter Journalistinnen und Journalisten weltweit wirft ein grelles Schlaglicht auf die aktuellen Gefahren für die Pressefreiheit", sagte die Vorstandssprecherin der Organisation, Katja Gloger. ,,Viel zu viele Regierungen reagieren auf Proteste, Missstände oder eine Krise wie die Covid-19-Pandemie mit Repressalien gegen die Überbringerinnen und Überbringer der schlechten Nachrichten. Hinter jedem einzelnen dieser Fälle steht das Schicksal eines Menschen, dem Strafprozesse, lange Haft und oft Misshandlung drohen, weil er sich Zensur und Repression nicht gebeugt hat."

Zum Stichtag 1. Dezember saßen dieses Jahr nur zwei Medienschaffende weniger im Gefängnis als zum selben Zeitpunkt 2019, als diese Zahl das dritte Mal in Folge deutlich gestiegen war und mit 389 einen Höchststand erreicht hatte. Allein die Zahlen inhaftierter Journalistinnen und Journalisten in China (117 Inhaftierte), Saudi-Arabien (34), Ägypten (30), Vietnam (28) und Syrien (27) summieren sich auf 61 Prozent aller Fälle weltweit.

42 der derzeit inhaftierten Medienschaffenden weltweit (11 Prozent) sind Frauen. Das sind 35 Prozent mehr als vor einem Jahr. Besonders viele Journalistinnen (jeweils 4) sitzen in Belarus und im Iran im Gefängnis.

Fünf Journalisten drohte zum Stichtag 1. Dezember akut die Vollstreckung ihrer Todesstrafen: Vier von ihnen sind in der Gewalt von Rebellen im Jemen, den Blogger Ruhollah Sam ließ die Justiz im Iran am Samstag (12. Dezember) hinrichten. (dpa)


Aus: "Jahresbilanz der Pressefreiheit: Über 130 Journalisten wegen Corona-Berichterstattung inhaftiert" (14.12.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/jahresbilanz-der-pressefreiheit-ueber-130-journalisten-wegen-corona-berichterstattung-inhaftiert/26714064.html

Textaris(txt*bot)

#247
Quote[...] Die chinesische Bloggerin Zhang Zhan ist von einem Gericht in Shanghai zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil erging bei einem nur kurzen Gerichtstermin, wie einer ihrer Anwälte mitteilte. Sie war in dem Verfahren beschuldigt worden, "Streit geschürt und Unruhe gestiftet" zu haben. Während der Zeit des harten Corona-Lockdowns von Wuhan war Zhang Zhan vor Ort in der zentralchinesischen Millionenmetropole, in der die weltweite Covid-19-Pandemie begonnen hatte.

Mehrere Wochen lang produzierte sie dort kurze Online-Videos: In diesen Mini-Reportagen sprach sie unter anderem über Alltagsprobleme in Krankenhäusern, über Korruption in staatlichen Stellen und andere Missstände während des Covid-Lockdowns in Wuhan. Im Mai war die studierte Juristin von der chinesischen Polizei festgenommen und inhaftiert worden.

Zhangs Gesundheitszustand ist nach Angaben ihrer Anwälte "extrem schlecht". Wie die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" berichtete, musste sie im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht werden. Sie war im Juni in einen Hungerstreik getreten und wurde zwangsernährt. Sie habe "bestürzt" gewirkt, als das Urteil gegen sie ergangen sei, sagte Zhangs Anwalt Ren Quanniu nach dem Prozessende. Ihre Mutter habe bei der Verlesung des Strafmaßes laut geschluchzt. Seine Mandantin glaube, dass sie im Gefängnis sterben werde.

Als er sie vergangene Woche besucht habe, habe sie gesagt, dass sie es "bis zum Ende" ablehnen werde zu essen, falls sie eine hohe Strafe erhalte, sagte Ren. "Es ist eine extreme Methode des Protests gegen diese Gesellschaft und diese Lebenswelt." Ein weiterer Verteidiger sagte, Zhang fühle sich "psychisch erschöpft". Jeder Tag sei "wie Folter" für die 37-Jährige.

Zhang ist nur eine von mehreren so genannten Bürgerjournalisten, die von den chinesischen Behörden in den vergangenen Monaten zum Schweigen gebracht wurden. Seit dem Frühjahr wurden in China zahlreiche ähnliche Fälle bekannt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte die chinesische Führung auf, unrechtmäßig inhaftierte Journalisten freizulassen. Die Probleme, die es in China gebe, würden nicht einfach dadurch verschwinden, dass man Journalisten und Aktivisten einsperre, erklärte die China-Expertin von Human Rights Watch, Wang Yaqiu.

2020 hat sich die Lage für Journalistinnen und Journalisten in China erneut massiv verschlechtert. Quasi alle Medien in China stehen unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei. Diese versucht vermehrt, ihr Narrativ vom perfekt abgelaufenen Corona-Management auch im Ausland zu verbreiten - zum Beispiel durch geschönte Social-Media-Berichte auf Facebook und Twitter und durch die Arbeit staatlicher chinesischer Medienagenturen. Diese versuchen etwa in Europa, mit unkritischen Berichten über Chinas Covid-Management Sendezeit und Einfluss zu erlangen.

Auch für ausländische Journalistinnen und Journalisten ist die Arbeit in China in diesem Jahr deutlich schwieriger geworden. Einschränkungen, Verfolgung und Belästigung durch Sicherheitsbehörden haben zugenommen. Mehr als ein Dutzend ausländische Reporter hat Chinas Führung 2020 ausgewiesen. Neue Auslandskorrespondentinnen und -korrespondenten lässt die kommunistische Führung de facto nicht mehr einreisen. Auch in Deutschland warten mehrere Journalisten seit Monaten vergeblich auf entsprechende chinesische Pressevisa.

Zunehmend schwieriger wird auch die Lage für chinesische Journalisten, die für ausländische Medienunternehmen in China arbeiten. Anfang Dezember nahm die Polizei in Peking eine Mitarbeiterin der US-Nachrichtenagentur Bloomberg fest. Der Vorwurf: Sie habe die nationale Sicherheit gefährdet.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen listet China auf ihrer Rangliste der Pressefreiheit ganz hinten, auf Rang 177 von 180 Staaten weltweit. Weniger Pressefreiheit als in China gibt es demnach nur in Eritrea, Turkmenistan und Nordkorea.

Aus: "China Vier Jahre Haft für Corona-Bloggerin" Steffen Wurzel, ARD-Studio Shanghai (28. Dezember 2020)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/china-prozess-bloggerin-101.html

Textaris(txt*bot)

Die Pentagon-Papiere (United States-Vietnam Relations, 1945–1967: A Study Prepared by the Department of Defense, kurz Pentagon Papers) sind ein ehemals geheimes Dokument des US-Verteidigungsministeriums. Die Teil-Veröffentlichung der Papiere 1971 durch die New York Times und die Washington Post deckte auf, dass die US-Regierung unter Johnson sowohl Öffentlichkeit als auch den Kongress über den Vietnamkrieg jahrelang systematisch belogen hatte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Pentagon-Papiere

-

Quotebataisk #1

Das waren noch Zeiten als Journalisten wie es Neil Sheehan war,Regierungshandeln noch kritisch begleiten konnten.Heute landen sie dafür unter Umständen im Knast.Neil Sheehan könnte ein Vorbild für seine Kollegen sein aber diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.


Quoteder_hasan #3

"Sheehan, der selbst mehrere Jahre aus Vietnam berichtet hatte, erhielt im Jahr 1971 von einem Beamten aus dem US-Verteidigungsministerium rund 7.000 Dokumente, die später als Pentagon Papers bekannt wurden."

Also etwas ähnliches wie bei Assange. Damals hat man dafür den Pulitzer-Preis bekommen, heute drohen 175 Jahre.


Kommentar zu: "Pentagon Papers: Reporterlegende Neil Sheehan ist tot - Der "New York Times"-Journalist und Enthüller der Pentagon-Papiere ist gestorben. Sheehan deckte auf, dass die USA den Vietnamkrieg früher als zugegeben geplant hatten. " https://www.zeit.de/kultur/2021-01/neil-sheehan-pentagon-papers-new-york-times-reporter-tod

...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wegen des Vorwurfs, Proteste gegen den autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko organisiert zu haben, sind zwei Journalistinnen in Belarus zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Die Reporterinnen Katerina Bachwalowa und Daria Tschulzowa seien wegen der Anführung von "Gruppenaktionen, die in grobem Maße gegen die öffentliche Ordnung verstoßen", schuldig gesprochen worden, teilte ihr Arbeitgeber, der unabhängige Fernsehsender Belsat, mit.

Die beiden Journalistinnen waren am 15. November festgenommen worden. Bei der Festnahme filmten sie von einem Appartement aus die gewaltsame Auflösung einer Demonstration, die zu Ehren eines Tage zuvor getöteten belarussischen Oppositionellen stattfand. Die beiden Angeklagten plädierten auf nicht schuldig.

In Belarus gab es seit der Präsidentschaftswahl im August immer wieder Massenproteste gegen Staatschef Lukaschenko. Die Opposition beschuldigt ihn des massiven Wahlbetrugs, die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Die belarussischen Sicherheitskräfte gingen mit großer Härte gegen die friedlichen Demonstranten vor; nach Massenfestnahmen sind deren Proteste derzeit weitgehend verstummt.

Nach Angaben des belarussischen Journalistenverbands BAJ wurden im Zuge der Proteste im vergangenen Jahr auch 477 Medienschaffende festgenommen. Die führenden Köpfe der Opposition sind entweder in Haft oder im Exil. Lukaschenko hat bisher lediglich vage Verfassungsänderungen in Aussicht gestellt, deren Stoßrichtung unklar blieb.


Aus: "Haftstrafen für zwei Journalistinnen in Belarus" (18. Februar 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-02/belarus-journalistinnen-haft-alexander-lukaschenko-proteste-berichterstattung-gewalt

QuoteDarko Durmitor #5

Ich hoffe, die Damen lassen sich das eine Lehre sein. In Zukunft bitte nur noch hübsche Homestories über Luka und seine Generäle...


QuoteDogwalker #9

Wer Proteste - bzw. deren gewaltsame Auflösung - filmt ,organisiert diese?
Die belarussische Justiz gibt sich in ihren Begründungen wirklich keine Mühe mehr. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Leipzig, am Abend des 7. November 2020. Es ist dunkel, die Menschen sind zu einer Masse geworden. Sie schreien, fuchteln mit den Armen. Flaschen fliegen, Feuerwerkskörper explodieren. Plötzlich durchbricht eine Gruppe aggressiver De­mons­tran­t:in­nen die Polizeikette. Die Be­am­t:in­nen sind überfordert, die Masse am Toben. Mittendrin stehen Jour­na­lis­t:in­nen – von Zeitungen, von öffentlich-rechtlichen Sendern, freischaffend.

Einige von ihnen pressen sich mit dem Rücken gegen einen Polizeiwagen, der den einzigen Schutz im Chaos zu bieten scheint. Sie suchen einen Ausweg, aber sind umzingelt: In allen Richtungen sammelt sich der Mob, die Polizei schaut zu, wie er grölend über die Straße zieht. Die Jour­na­lis­t:in­nen werden beschimpft, als ,,GEZ-Huren" oder ,,Volksverräter." Sie werden geschubst, bespuckt, bedroht.

Es ist eine Demonstration der selbsternannten Querdenker, einer Mischung aus Hippies in Pluderhosen, Esoteriker:innen, Reichsbürger:innen, Familien und Senior:innen, aber auch Führungskadern rechter Parteien, Jungnazis, Hooligans, organisierter Rechtextremer aus ganz Deutschland. Sie eint der Hass auf die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung.

Vor den Augen der Polizei werden an diesem Tag zahlreiche Me­di­en­ver­tre­te­r:in­nen angegriffen, später berichten sie von Schlägen ins Gesicht, Griffen in die Kamera, physischen und verbalen Bedrohungen. Mindestens ein Journalist wurde zu Boden geprügelt und am Boden liegend auf den Kopf geschlagen.

Mittendrin steht an diesem Abend Andrea Röpke. Röpke, 56, ist mehrfach ausgezeichnete freie Journalistin und schreibt seit Jahren über die extreme Rechte, auch für die taz. Sie kennt die Netzwerke, Organisationen und Personen wie kaum eine andere in Deutschland. Und sie kennt die Arbeit auf Demonstrationen, die Anfeindungen, die Bedrohungen.

Doch auch sie steht an diesem Abend fassungslos vor der Masse – ,,in der Falle sitzend", wie sie es zwei Monate später beschreibt. ,,Es war kurz davor, dass der gesamte Mob prügelt und nicht nur Einzelne", sagt Röpke. Die unvorbereitete und unterbesetzte Polizei habe die Jour­na­lis­t:in­nen ,,zum Freiwild" werden lassen. An ein Wunder grenze es, dass nicht mehr passiert sei.

43 Angriffe auf Medienvertreter:in­nen zählt die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) allein für diesen Tag. Ein Gewerkschaftssekretär, der die Demo miterlebt hat, sagt, die Gewalt und Bedrohungen gegen Jour­na­lis­t:in­nen hätten an diesem Abend eine neue Qualität bekommen.

Der Abend in Leipzig fügt sich ein in einen Trend: Die Gewalt gegen Jour­na­lis­t:in­nen hat 2020 massiv zugenommen. Die Bundesregierung hat im Januar auf eine Kleine Anfrage der Grünen geantwortet: 252 Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen habe es im Jahr 2020 gegeben. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Darunter waren Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Brandstiftung, Raub. 144 der Angriffe waren rechts motiviert, 42 links. Die meisten passierten in Sachsen, gefolgt von Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Auch andere Organisationen beobachten, dass die Zahl der Angriffe zugenommen hat. Reporter ohne Grenzen zählte so viele Angriffe wie nie zuvor. Bei ihrer Gewerkschaft meldeten sich mittlerweile fast wöchentlich Journalist:innen, um von Übergriffen zu berichten, sagt Monique Hofmann, die Bundesgeschäftsführerin der dju, der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union innerhalb der Großgewerkschaft Verdi.

Am vergangenen Wochenende passierte das in Kassel, Würzburg und Dresden. Am Wochenende davor in Hannover und München – immer am Rande von Coronademos. Man kann fast sagen: Da, wo derzeit gegen Coronamaßnahmen demonstriert wird, werden Jour­na­lis­t:in­nen bedrängt.

Was bedeuten diese Zahlen? Warum wächst die Feindseligkeit gegenüber Medien in Deutschland? Und welche Auswirkungen hat das auf die Demokratie, für die die freie Presse unverzichtbar ist?

Es gibt noch eine Zahl aus dem Jahr 2020, die überraschend ist. Sie beschreibt das Vertrauen in die Medien. Rund zwei Drittel der Deutschen halten die Berichterstattung der Qualitätsmedien für glaubwürdig. Das ist so viel wie nie seit 2015. Damals begann Infratest Dimap im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks, regelmäßig das Vertrauen in Medien zu erheben.

Die jüngste repräsentative Studie dazu aus dem vergangenen Herbst ergab Rekordwerte: 80 Prozent der Deutschen halten den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk für sehr vertrauenswürdig, Tageszeitungen werden von 74 Prozent als glaubwürdig eingestuft. Vier von fünf Befragten finden die Coronaberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ,,gut" oder ,,sehr gut".

Wie kann es sein, dass mehr Menschen denn je den Medien vertrauen, Jour­na­lis­t:in­nen aber gleichzeitig auf so viel Gewalt und Ablehnung stoßen wie noch nie?

Um das zu verstehen, muss man genauer dahin schauen, wo die Gewalt tatsächlich passiert: auf Demonstrationen und im Netz.

,,Lügenpresse" ist dafür der zentrale Begriff. Er hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Damals waren es vor allem erzkonservative Katholiken, die mit dem Wort jene liberal, demokratisch gesinnte Presse denunzieren wollten, die im Zuge der März-Revolution entstanden war. Schon damals hatte der Begriff einen antisemitischen Grundton. Das Wort trug sich weiter durch die zwei Weltkriege, verschwand nach 1945 aber weitgehend, zumindest aus der bundesrepublikanischen Debatte.

Seit den 2000er Jahren haben vor allem neonazistische Kreise das Wort wieder entdeckt. Im Oktober 2014 riefen hunderte Neonazis und Hooligans bei einer gewalttätigen Demonstration der ,,Hooligans gegen Salafisten" immer wieder: ,,Lügenpresse auf die Fresse". In der breiten Bevölkerung fand der Begriff aber kaum Verwendung – bis Januar 2015. Eine Auswertung der Google-Anfragen zeigt, dass die Suche nach dem Wort ,,Lügenpresse" in diesem Monat sprunghaft anstieg. Gesucht wurde er vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Es war der Beginn der Pegida-Proteste und ihrer Ableger.

Der vorbestrafte Pegida-Chef Lutz Bachmann, der sich selbst damit brüstete, ,,Leser-Reporter" der Bild-Zeitung gewesen zu sein, war einer derer, der den Begriff Ende 2014 in Dresden säte. Pegida machte die Ablehnung der etablierten Medien zu einem ihrer großen Themen. ,,Lügenpresse" stand auf Plakaten, an Wänden und auf Aufklebern, schallte durch die Straßen. Die Behauptung, die Medien wären staatsgeleitet oder würden Lügen verbreiten, fand Anklang, der Hass auf Jour­na­lis­t:in­nen wuchs.

Der Hass heute ist ein anderer als zur Zeit der 68er, in der der Axel-Springer-Verlag im Fokus von Angriffen stand: Springer kontrollierte damals mehr als 70 Prozent der Tageszeitungen in Westberlin und hatte eine Meinungsmacht, die viele heftig kritisierten. Springer-Journalisten nannten die Protestierenden in ihren Kommentaren und auf den Titelseiten ,,Polit-Gammler", ,,langbehaarte Affen" und ,,Rote SA". Die Bild-Zeitung schrieb, man solle die ,,Drecksarbeit" gegen den ,,Terror der Jung-Roten" nicht allein der Polizei überlassen, und illustrierte den Artikel mit einem Foto von Rudi Dutschke. Kurz danach wurde Dutschke niedergeschossen.

Mehrere tausend Demons­trant:in­nen riefen daraufhin zum Boykott und zur Enteignung von Springer auf, sie blockierten den Vertrieb der Bild-Zeitung und verbrannten einzelne Ausgaben. Vier Jahre später deponierten Mitglieder der Roten Armee Fraktion eine Rohrbombe im Axel-Springer-Hochhaus in Hamburg.

In den Jahren nach 1968 entstand auch die taz, als ein Versuch, dem Springer'schen Meinungsmonopol etwas entgegen zu stellen. ,,Die TAZ wird Säure werden müssen, um gesellschaftliche, politische und persönliche Verkrustungen wegätzen zu können", stand in der ersten Ausgabe im April 1979 – ein Duktus, den man heute eher auf den Blogs und in den Chats von Rechten und organisierten Neonazis findet.

Die Gewalt gegen Medienschaffende heute ist anders als die der 68er Bewegung. Sie richtet sich nicht mehr gegen ein konkretes Medium, einen Verlag oder Sender. Sie kann alle treffen, die mit Kamera oder Mikro als Jour­na­lis­t:in­nen erkennbar am Rande einer Demo stehen.

Und auch das ist anders als in den Jahren nach 1968: Heute geht die Gewalt gegen die Presse vor allem von rechts aus. Rund 60 Prozent der Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen im vergangenen Jahr waren rechts motiviert, nur etwa 15 Prozent links. Das zeigen die Zahlen der Bundesregierung. Andere Erhebungen kommen auf einen noch höheren Anteil von rechtsmotivierten Angriffen auf Medien.

Andrea Röpke sagt, seit den Anti-Asyl-Demos von Pegida und ähnlichen Bewegungen sei eine andere Mischung an Menschen auf der Straße. Die bürgerlichen De­mons­tran­t:in­nen würden sich von rechtsextremen Hooligans nicht distanzieren. ,,Die finden es anscheinend okay, wenn sich Gewalttäter aus der rechten Hooliganszene an ihre Spitze stellen und sind sich nicht zu schade, nachzurücken und selbst Gewalt auszuteilen." Das konnte man auch auf den großen Anti-Corona-Demos im vergangenen Jahr beobachten. Da mischte sich die organisierte Rechte mit einem vermeintlich bürgerlichen Milieu.

Auch Röpke wird immer wieder von Menschen bedroht, die sich außerhalb einer organisierten Neonazi-Szene bewegen. 2019 hat sie gemeinsam mit Andreas Speit das Buch ,,Völkische Landnahme" herausgebracht. Sie schreibt darin über die nicht klassischen rechtsextremen Hooligans, eher ,,fest verankerte Bildungsbürger" wie Röpke sagt, ,,junge Siedler, rechte Ökos".

Es gibt ein Video eines rechten Youtubers von einer Buchvorstellung Speits im Oktober 2020. Etwa zehn Menschen stehen im Kreis vor dem Veranstaltungsort, sie singen alte deutsche Volkslieder. Das Video blendet über, eine Hand hält das Buch von Röpke und Speit, die andere zündet es an. Etwa eine Minute lang sieht man dabei zu, wie das Buch langsam verbrennt, im Hintergrund der Gesang der Völkischen. Bücherverbrennung im Jahr 2020.

,,Das ist eine Ansage", sagt Röpke. Mit über einem Dutzend Abmahnversuchen und diversen Klagen von einer umstrittenen Kanzlei sollte die öffentliche Diskussion erschwert werden – bislang ohne Erfolg. Die Post der rechten Kläger kam teilweise sogar an ihre Privatadresse. Für Röpke ein gezieltes Vorgehen. ,,Sie wollen zeigen: Wir wissen, wo du wohnst."

Solche Ansagen bekommen auch andere Journalist:innen, die zu rechten Netzwerken recherchieren, nach Hause geschickt. Einen vergammelten Schweinekopf im DHL-Paket, eine Drohung mit roter Farbe an die Haustür geschrieben, Erpresserbriefe, unterschrieben mit ,,Staatsstreichorchester" oder ,,NSU 2.0".

Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit, das ECPMF in Leipzig, dokumentiert die Entwicklung der Pressefreiheit in Deutschland. Bereits vergangenes Jahr kamen die For­sche­r:in­nen in einer Fünf-Jahres-Bilanz zu dem Schluss: ,,Angriffe auf die Presse sind inzwischen der Normalzustand." Demonstrationen, zeigt die Studie, sind in Deutschland der gefährlichste Ort für Journalist:innen.

Auch die in dieser Woche erschienene Studie ,,Feindbild Journalist" des ECPMF zeigt einen neuen Rekord im Hinblick auf die Zahlen der politisch motivierten Übergriffe auf Journalist:innen. 69 Angriffe zählen sie im Jahr 2020 – ein Anstieg um das Fünffache im Vergleich zum Vorjahr und so viel wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung vor sechs Jahren. 71 Prozent der Angriffe erfolgten auf ,,pandemiebezogenen Veranstaltungen."

Die Studie zählt 31 Angriffe mit rechtem Tatzusammenhang, fünf mit linkem und 33, die politisch nicht eindeutig anhand der Rechts-Links-Skala verordnet werden können. Ein Effekt der ,,breiten Allianz aus Verschwörungsgläubigen, Reichsbürger:innen, Neonazis und Esoteriker:innen."

Lutz Kinkel ist Geschäftsführer des ECPMF und selbst Journalist. Er beobachtet die Entwicklungen mit Sorge. Kinkel sagt, er sei ,,fassungslos, mit welchem eliminatorischen Elan" der radikalisierte Diskurs und insbesondere die Hetze im Netz passiert. Will er beschreiben, was da passiert, zitiert er einen polnischen Journalisten: ,,The pleasure to hate." – Die Lust am Hass. Die Presse, so Kinkel, werde zunehmend nicht mehr als demokratisches Element gesehen.

,,Durch die digitale Transformation sind Journalistinnen und Journalisten keine Gatekeeper mehr", sagt Kinkel. Jeder könne sich im Netz äußern, Jour­na­lis­t:in­nen entschieden nicht mehr über die Auswahl und Aufarbeitung von Informationen für die Öffentlichkeit, stattdessen würden von allen Seiten Informationen verbreitet. ,,Das ist zwar erstmal begrüßenswert, fördert aber auch eine massive Ausbreitung von Desinformation."

Fake News, also bewusst hergestellte Falschnachrichten, haben zunehmend auch einen Anteil an der Meinungsbildung in Deutschland. Verschwörungsideologien, Hetze gegen Minderheiten, das ,,System" und die Presse sowie NS-Verherrlichung erreichen durch Chatgruppen immer mehr Menschen.

Und dort bleiben sie nicht. Ein Beispiel: Am 2. Februar postet ein Nutzer in einer Gruppe des Messengerdienstes Telegram namens ,,Verschwörungen" den Link zu einem Artikel von infranken.de. Das Onlineportal gehört zur Mediengruppe Oberfranken. In dem Artikel geht es um einen 48-Jährigen, der an Corona gestorben ist. Auf Facebook hatte ein Nutzer bezweifelt, dass der Mann an Corona gestorben sei.

Screenshots dieser Aussagen werden in der Telegram-Gruppe geteilt. Dazu kommentiert ein Mitglied der Gruppe: ,,ZUR HÖLLE MIT EUCH IHR ELENDEN SCHMIERFINKEN VON DER LÜGENPRESSE! ZUR HÖLLE." Darunter postet er die Anschrift, Telefonnummer und Mailadresse der Redaktion und schreibt: ,,Lasst das Bombardement beginnen Freunde!" (Zeichensetzungsfehler im Original).

Die Telegram-Gruppe hat mehr als 50.000 Mitglieder. In den Tagen nach dem Aufruf erreichen die Redaktion sehr viele Anrufe und Mails, schreibt der Redaktionsleiter von infranken.de auf taz-Anfrage. Persönliche Besuche und ,,Bombardements" erreichen die Redaktion nicht. Woher die vielen Anrufe kommen, das weiß die Redaktion zunächst nicht. Erst durch die taz-Anfrage erfährt der Redaktionsleiter von dem Aufruf in der Telegram-Gruppe.

Beispiele wie diese gibt es viele in den vergangenen Monaten, überall in Deutschland. Sie stehen nicht für die große Gewalt, aber für einen Anfang. Sie sind eine Art Gift, das langsam in die Redaktionen hinein läuft. Die Geg­ne­r:in­nen der freien Presse finden Wege, die Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Medien zu beschäftigen, sie von ihrer Arbeit abzuhalten, subtile Drohungen auszusenden.

Dass das gerade in den vergangenen Monaten passiert, ist kein Zufall, glaubt Lutz Kinkel vom ECPMF. Corona und die Querdenkenbewegung wirkten als ,,Brandbeschleuniger" für die Hetze gegen Journalist:innen. Das bestätigen auch die offiziellen Zahlen: Von den 252 Straftaten gegen Journalist:innen, die die Bundesregierung 2020 gezählt hat, fand ein großer Teil am Rande der Anticoronademos statt, wie in Leipzig im November 2020.


Aus: "Pressefreiheit in Gefahr: Unter Druck" Anne Fromm, Sarah Ulrich (27.3.2021)
Quelle: https://taz.de/Pressefreiheit-in-Gefahr/!5758599/

QuoteDarioBerlin
Montag, 14:08

Jeder Querdenker und viele andere auch sind einfach von der Politik und Presse enttäuscht und ich gehöre dazu, auch wenn ich kein Querdenker bin. Es gibt so Dinge die kann man nicht verstehen, warum sind Spahn und Scheuer noch im Amt z.b.? Erst wird einem erzählt, Masken bringen nicht viel in der Pandemie und dann sind sie plötzlich Pflicht usw., die Kuriositäten in der Politik sind unermesslich und die Presse ist ein Kontrollorgan der Politik. Als Bürger hat man nur oft das Gefühl, daß man von dieser nicht wirklich geschützt wird. Umstände werden einfach zu wenig von der Presse kritisiert. Man erwartet, daß man geschützt wird und die Medien helfen Ungerechtigenkeiten aus der Welt zu schaffen. Das passiert aber oft einfach nicht, aber man bekommt sehr schnell das Gefühl manipuliert zu werden. Und wenn man der Presse und der Poltik nicht vertrauen kann, kommt man dann auf die wildesten Gedanken und ist einfach anfällig für "alternative" Meinungen! Das müsste eigentlich jedem klar sein - allein schon die Überschrift dieses Artikels suggeriert mir persönlich aber Scheinheiligkeit! Als ob man die Wahrheit gar nicht Wissen will....


Quoteuvw
Montag, 05:23

Jetzt mal von allen Glaubensrichtungen abgesehen - wer hier in der Runde fühlt sich von den "Qualitätsmedien" gut informiert? Was nehmen wir denn mal als Messlatte? Assange? Ok, lieber nicht.

Was aber, wenn man an genau der Geschichte zu Recht ein vollständiges Versagen der Medien reihum festmacht? Da muss man nicht Pegida angehören, um zum gleichen Ergebnis zu kommen, auch wenn man mit denen nichts zu tun haben will. Während der Pegida-Ansatz dann gewaltbereit ein "verpisst euch" ist, ist die Fragestellung der zivilisierteren Vertreter "Wo wart ihr, als wir euch brauchten? Eure Agenda scheint mittlerweile eine andere zu sein, als euer Berufsethos und Funktion im Staat es gebietet, und eure Privilegien hergeben." Weniger gewalttätig, aber ein genauso vernichtendes Urteil, wohlverdient.

Das rechtfertigt keine gewaltsamen Angriffe auf Journalist:innen, klar. Das ist nur ein Symptom, dass ein ehemals vorhandenes diffuses Vertrauensverhältnis ernsthaft beschädigt ist. Die Journalistenszene hat ihren Anteil daran.


QuoteIngo Bernable
Montag, 10:32

@uvw Ich sehe hier zwei Fehlannahmen. 1.) Sie beziehen sich auf die Berichterstattung zu Assange (wobei mir selbst da unklar bleibt worin genau der Vorwurf besteht) und schließen daraus ein allgemeines Versagen der Presse und unterstellen eine "Agenda". Einen Einzelfall zu verallgemeinern ist aber methodisch unsauber. 2.) Die Annahme einer vermeintlich homogenen "Journalistenszene". Tatsächlich gibt es doch eine sehr breit aufgestellte Medienlandschaft mit Publikationen von ganz rechts bis ganz links.


QuoteGünter Witte
Sonntag, 06:23

Warum die Überraschung das jetzt mehr Journalisten angegriffen werden ?

Seit Jahren gibt es eine Verrohung der Gesellschaft, angriffe auf Sanitäter, Feuerwehr und freiwillige Helfer sind täglicher Standard, es wird gejubelt wenn Polizisten angegriffen und verletzt werden und dann soll es für solche Hirnverbranden ( gleich welcher Politischen Ausrichtung ) plötzlich Grenzen geben wenn es um Journalisten geht ?? Es gibt halt keine Rechtfertigung für Angriffe auf irgendwem.


QuoteVolker Birk
Sonntag, 15:11

@Günter Witte Es ist nicht so selten, dass Rufmord mit Gewalt beantwortet wird.

Klar, damit verliert der Gewalttäter bei allen Menschen, die Gewalt wie ich ablehnen. Es ist eben nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit, wenn einem nichts Klügeres mehr einfällt.

Aber bei dem Hass, der in vielen Medien von viel zu vielen Journalisten regelmässig gesäht wird, ist das wohl unausweichlich.

Demokratie lebt vom Diskurs, vom Auseinandersetzen mit Meinungen, die man selbst ablehnt. Wenn man andere nur verächtlich macht, statt ihnen argumentativ zu begegnen, ist das genau genommen auch nur eine Form von Gewalt. Sie trägt mit zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Und wenn ich mir die tiefe Spaltung beispielsweise der US-Gesellschaft anschaue, dann wünsche ich mir für unsere Besseres. Ich hoffe, dass es in naher Zukunft wieder gelingt, sich argumentativ und nicht abwertend oder gar gewalttätig zu begegnen.


QuoteKaboom
gestern, 10:45

@Volker Birk Nun, wenn Protestierende demnächst wieder anfangen, Kontakt mit der realen Welt aufzunehmen, wird die Berichterstattung sich ebenfalls ändern. Bei den Fakten-resistenten Menschen, die sich selbst zu Querdenkern erklärt haben (vermutlich das erste Mal überhaupt, das sowas passiert), ist da aber wohl Hopfen und Malz verloren.

Ein paar Belege:
- Das Geschwafel von der "Kanzler-Diktatur"
- Die lächerliche Behauptung, es gäbe gar kein Sars-CoV-2
- die ebenso lächerliche Behauptung, Kinder würden an den Masken sterben
- Corona-Teststäbchen seine krebserregend (ROTFL)
usw. usf.

Denn: Es gibt in diesem Land ein Recht auf MEINUNGSFREIHEIT. Was es nicht gibt, ist ein Recht auf FAKTENFREIHEIT


QuoteMartin_25
Montag, 05:35

@Volker Birk Genau richtig. Wenn man schon hier in der TAZ die Beschreibung der Demonstanten liest, und gar nicht vorkommt, wie viele normale friedliche Menschen mit gutem Fachwissen und demokratischer freiheitlicher Einstellung dabei waren, dann kann ich gut verstehen, dass mancher das Recht aufs eigene Bild geltend macht, oder auf vorangegangene Schmähung (Leugner, verschwurbelt, Esotheriker, Nazi, Wirrkopf, unbelehrbare etc) auch mit Schmähungen reagiert.

Warum bringen die Medien es nicht fertig über Tatsachen ausgewogen zu berichten? Warum müssen da immer wieder Kampagnen sein? Warum wird immer unreflektiert eine Regierungsposition nachgebetet. Es gab doch genug Berichte z.B. bei der G20 Demo, wo festgestellt wurde, dass die Berichterstattung vielfach sehr einseitig erfolgt. Aber jetzt die Krokodielstränen. natürlich ist es für TAZ Reporter bitter, wenn sie mit anderen bei eine Demo in den selben Topf gesteckt werden.


Quoteermi k.
Montag, 21:28

@Martin_25 Woher rührt der Hass? - das lese ich im untertitel. Und deswegen, nur deswegen, lese ich auch den ganzen artikel, bis zum schluss.

Aber die obengenannte frage wird nicht ansatzweise beantwortet, nicht einmal ein klitzekleiner versuch wird unternommen... Wie enttäuschend!


QuoteKarl Kraus
Montag, 11:36

@Martin_25 Warum sollte man bei dem, was die Querdenker überall, inhaltlich redundant und vollkommen ungestört absondern, zu irgendeinem wohlwollenden Ergebnis und freundlicher Berichterstattung kommen? Und warum soll man dauernd berichten, wenn jemand nicht gewalttätig ist?? Das erscheint mir doch eher selbstverständlich. Das Problem wird im Artikel so klar beschrieben, dass ich den Verdacht habe, Sie verwechseln "ausgewogen" damit, auch abwegige, widerlegte und potenziell gefährliche "Meinungen" ständig zu wiederholen. Dass in den Printmedien und im Fernsehen vieles extrem unterrepräsentiert ist, ist trivial und schon wegen der Masse an relevanten Themen unvermeidlich. Wer da permanent Absicht hinter vermutet, ist entweder ein Aluhut oder sollte sich weiterbilden.


QuoteCass
Samstag, 23:23

Wie sagte doch ein Reporter im Jahr 2020

"Man kriegt nicht grundlos einen auf die Mappe"


QuoteKaboom
Montag, 09:58

@Cass Wie sagte noch Heinrich der Verschleimte: Herr lass Hirn vom Himmel regnen.


QuoteHerr L.
Samstag, 22:11

Vermutlich fühlen sich die wütenden Menschen medial und politisch nicht ausreichend wahrgenommen und repräsentiert. Wurde nicht auch mal die taz deshalb gegründet?


QuoteKaboom
Montag, 09:59

@Herr L. Vermutlich kommen die "wütenden Menschen" einfach nicht damit klar, dass andere Leute eine andere Meinung haben wie sie selbst.


QuoteHerr L.
Montag, 10:57

@Kaboom Vermutlich ja.


QuoteWeber
Samstag, 11:50

Die Bedrohung von Journalisten kann NICHT hingenommen werden - eine freie Presse ist ELEMENTAR für eine offene, demokratische Gesellschaft.
Doch der Blickwinkel der Autorinnen ist m.E. zu eng, er hat systematische Blindstellen.
Der 'Hass', der hier aufbricht, kann nicht verstanden werden - und damit auch nicht effektiv 'therapiert' werden, wenn Anamnese und Diagnose der gesellschaftlichen Problematik nicht gerecht werden, weil sie unterkomplex sind.
Gegenwärtig geht der 'Hass' auf unsere Institutionen, auf unser 'System', auf dessen 'verdeckte Strukturen', auf die 'westliche Zivilisation', auf 'Aufklärung' und 'Liberalismus', auch der Haß auf Bevölkerungsgruppen ('alte, weiße Männer') NICHT NUR vom rechten Rand aus, sondern auch von identitätspolitischen Akteurinnen.
Von Ideologien und Akteurinnen, die theoretisch und praktisch die 'offene Gesellschaft' und das für diese elementare Konzept der freien Meinungsäußerung auf einem 'Marktplatz der Ideen' negieren.
Identitätspolitische Theorie(n) und Praxis sind eine eigenständige des Hasses in unserer Gesellschaft, ja, sie stehen in Wechselwirkung mit dem Hass von der rechten Seite, schaukeln sich wechselseitig hoch.
Identitätspolitische Theorie(n) und Praxis sind in hohem Maße illiberal und autoritär bis totalitär.
Viele, die sich ihr verschreiben, blenden dies aus, weil sie glauben, daß ihre guten Zwecke alle Mittel rechtfertigen - aber: der Zweck kann keine Mittel heiligen, im Gegenteil: die (illiberalen) Mittel kontaminieren den Zweck.
Gut gemeint, ist nicht gut gemacht.
Es waren nicht nur rechtsextreme Ideologien, die das 20. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Massenmorde gemacht haben: es waren in hohem Maße auch linke Ideologen, die die Massengräber ausgehoben haben: von Stalin über Mao bis zu Pol Pot. Und alle waren sie davon überzeugt, nur das Gute zu wollen.
Die Autorinnen mögen über ihre eigene mögliche Verstrickung in totalitäre Ideologien reflektieren.


Quotemats
Sonntag, 09:45

@Weber "Identitätspolitische Theorie(n) und Praxis sind in hohem Maße illiberal und autoritär bis totalitär."

Ach so? Und Journalisten sind dann schon allein daran, wie sie das Mikrophon halten, als Akteure identitätspolitischer Theorie und Praxis zu erkennen? Und dann muss man ihrem schwelenden Hass mit Hass und Gewalt begegnen?
Wissen Sie, wenn es eine Erzählung gegeben hat, die in praktisch allen totalitären Systemen des 20. Jhs. propagiert wurde, dann ist es die Erzählung vom Feind, der die Bevölkerung zersetzen und unterjochen will, ihre Werte zerstören und durch andere ersetzen will, der das Land und seine Menschen hasst, so dass man gegen diese Feinde zum Schutz und Wohl der Bevölkerung mit Gewalt reagieren nicht nur darf, sondern *muss*.
Gottseidank gibt's jetzt wieder einen Feind der Gesellschaft, gegen den man sich wehren muss, und zur Not natürlich auch mit Gewalt.


QuoteGerhard Krause
Samstag, 11:45

Ist doch klar, dass diese, aus meiner Sicht zumindest teilweise gelenkten, Idioten Widerspruch nicht dulden. Würden Journalisten in das identische Horn blasen und würden die Idioten dies wissen, wären diese Journalisten willkommen.


QuoteReinhardt Gutsche
Samstag, 10:27

Zitat: ,,Durch die digitale Transformation sind Journalisten keine Gatekeeper mehr". Jeder könne sich im Netz äußern, Journalisten entschieden nicht mehr über die Auswahl und Aufarbeitung von Informationen für die Öffentlichkeit, stattdessen würden von allen Seiten Informationen verbreitet. ,,Das fördert eine massive Ausbreitung von Desinformation."

Themen-Setting und Wording in den Redaktionen erstellen nicht die einzelnen Journalisten sondern die Entscheider in den Chefetagen der Verlage. Das war nie anders. Das Hauptproblem ist nicht die Digitalisierung, sondern die unter den finanziellen Zwängen rigorose Schrumpfung der Redaktionen und zunehmende Zentralisierung und Hierarchisierung der Nachrichtenströme. Narrative und Wording bei den relevanten Themen werden zusehends homogenisiert. Von Meinungspluralismus, ein Essential einer pluralistischen Gesellschaft, ist immer weniger zu spüren. Konformistisches ,,Image making" (Chomsky) im Wording-Gleichschritt mit kaum wahrnehmbaren Unterschieden hat die Raison d'être der freien Presse als Vierte Gewalt zunehmend verdrängt.

Was die ,,massive Ausbreitung von Desinformation" anbetrifft, so hat schon Hannah Arendt die Politik selbst als deren Hauptquelle ausgemacht: ,,Gezielte Irreführungen und blanke Lügen als legitime Mittel zur Erreichung politischer Zwecke kennen wir seit den Anfängen der überlieferten Geschichte. Wahrhaftigkeit zählte niemals zu den politischen Tugenden, und die Lüge galt immer als ein erlaubtes Mittel in der Politik." (,,Lying in Politics", 1971) In ihrem berühmten Essay analysiert sie die geheimen ,,Pentagon-Papers", die den gigantischen Schwindel der US-amerikanischen Vietnam-Politik offenlegten. Die berühmte Glaubwürdigkeitslücke (credibility gap) habe sich ,,plötzlich in einen Abgrund verwandelt". Die gesamte ,,Infrastruktur der amerikanischen Außen- und Innenpolitik" beruhe auf einem ,,Flugsand unwahrer Behauptungen aller Art, von Täuschungen und Selbsttäuschungen".

Wie der Herr, so's Gescherr


QuoteKarl Kraus
Sonntag, 21:40

@Reinhardt Gutsche Also druff?

Nie war es einfacher, Quellen jeglicher Couleur zu lesen. Sie zu bewerten erfordert natürlich gewisse Fähigkeiten. Z. B. Geduld, Selbstreflexion und Offenheit. Und die Fähigkeit, Informationen mehrfach zu checken und wissenschaftlich zu denken. "Die Medien" gibt es übrigens nicht (mehr).


QuoteHerbert Meyer
Samstag, 10:10

So richtig an die Frage, warum denn jetzt auf einigen Demos die Presse Ziel von Aggression wird, geht der Artikel leider nicht. Ich denke, Giovanni di Lorenzo trifft da einen Punkt:

"Bei diesem Kulturkampf geht es um Fragen, die das Selbstverständnis aller freien Medien berühren: ob im Prinzip schützenswerte Minderheiten auch Mehrheiten majorisieren dürfen, ob Haltung zur Gesinnung erstarren kann, wann die Tugend der journalistischen Einordnung in Belehrung und Missionierung umschlägt."

Die, die da marschieren haben Angst, noch mehr abgeben zu müssen: materiell wie auch die Anerkennung ihres Lebensentwurfs. Diese Forderung nach "check your privilges" ist für die eine Zumutung, die ahnen dass sie ohnehin schon Verlierer einer gesellschaftlichen Entwicklung sind, die klassische männliche Rollenbilder entwertet.

Wenn Medien nicht mehr in der Lage sind, partei- und lagerübergreifend einen Austausch zu organisieren und stattdessen darauf setzen, möglichst störungsfrei die eigene politische Klientel zu bedienen, dann betreiben auch sie die Spaltung der Gesellschaft – und am Ende die der eigenen Leserschaft.
https://www.zeit.de/2021/09/pressefreiheit-journalismus-gesellschaft-spaltung-politik/seite-2


QuoteSchnurzelPu
Samstag, 10:39

@Herbert Meyer "Diese Forderung nach "check your privilges" ist für die eine Zumutung, die ahnen dass sie ohnehin schon Verlierer einer gesellschaftlichen Entwicklung sind, "

Diejenigen, die mit dieser Forderung kollidieren sind bereits Verlierer einer globalen Entwicklung.

"check your privilege" kommt schließlich nicht aus den afrikanischen Hütten. Es kommt von privilegierten in der Ersten Welt, die in die Elite drängen.

Statt nun diese Elite in Frage zu stellen, unterstützen linke und liberale Medien diese Forderung von Menschen, die im Vergleich zum weißen Top-Manager diskriminiert werden, die aber im Vergleich zum weißen Arbeiter in den USA oder in Sachsen privilegiert sind. Daher diese Wut auf die Medien. Für Querdenker aus Schwaben gilt ihr Ansatz sicherlich. Aber auch da, die Querdenker im Westen sind vermutlich nicht unbedingt obere Mittelschicht.


...

Textaris(txt*bot)

#251
Quote[...] Ach! Was Sie nicht sagen! Staatliche Malware wird gegen Journalisten eingesetzt? Gar nicht gegen Terroristen? Na also DAMIT konnte ja wohl NIEMAND rechnen! ...


Quelle: https://blog.fefe.de/?ts=9e0a4ca9 (Sun Jul 18 2021)

"Revealed: leak uncovers global abuse of cyber-surveillance weapon"
Spyware sold to authoritarian regimes used to target activists, politicians and journalists, data suggests
Human rights activists, journalists and lawyers across the world have been targeted by authoritarian governments using hacking software sold by the Israeli surveillance company NSO Group, according to an investigation into a massive data leak.
The investigation by the Guardian and 16 other media organisations suggests widespread and continuing abuse of NSO's hacking spyware, Pegasus, which the company insists is only intended for use against criminals and terrorists. ...
https://www.theguardian.com/world/2021/jul/18/revealed-leak-uncovers-global-abuse-of-cyber-surveillance-weapon-nso-group-pegasus


-

Quote[...] Hunderte Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle weltweit sind Medienberichten zufolge offenbar Opfer umfassender staatlicher Abhöraktionen geworden. Das ergaben Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) , sowie von "Zeit", NDR, WDR und 15 weiteren Redaktionen aus zehn Ländern.

Wie die Medien am Sonntag berichteten, sollen Geheimdienste und Polizeibehörden mehrerer Länder die Spähsoftware eines israelischen Unternehmens missbraucht haben, um damit die Mobiltelefone der Betroffenen anzuzapfen.

Die internationale Recherchegruppe konnte eigenen Angaben zufolge ein Datenleak mit mehr als 50.000 Telefonnummern auswerten, die mutmaßlich seit 2016 zum Ziel möglicher Überwachungen durch Kunden des israelischen Unternehmens NSO Group wurden. Das von der Firma entwickelte Programm namens Pegasus gilt dem Bericht zufolge unter Experten als das derzeit leistungsfähigste Spähprogramm für Handys und ist als Cyberwaffe eingestuft worden.

Es ist demnach in der Lage, infiltrierte Mobiltelefone in Echtzeit auszuspähen und die Verschlüsselung von Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Signal zu umgehen. Zu den betroffenen Telefonnummern zählen laut Bericht die Nummern von zahlreichen Journalisten weltweit.

Darunter sind laut "Guardian" auch Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen AFP, Reuters und AP, der Zeitungen "New York Times", "Le Monde", "El País" und der Sender Al-Dschasira, Radio Free Europe und CNN. Insgesamt konnten demnach mehr als 180 Nummern von Journalisten ausgewertet werden.

Wie die "Washington Post" berichtete, standen auf der Liste auch die Nummern von Staatsoberhäuptern und Ministerpräsidenten, Mitgliedern arabischer Königsfamilien, Diplomaten und Geschäftsleuten. Wer die Auftraggeber der möglichen Ausspähungen waren, sei aus dem Leak nicht eindeutig hervorgegangen.

Dem Bericht zufolge wurden nicht alle Nummern gehackt. Mit Hilfe forensischer Untersuchungen seien in 37 Fällen versuchte oder erfolgreiche Angriffe mit Pegasus auf den Handys von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten sowie Geschäftsleuten nachgewiesen worden. Das Unternehmen NSO Group verkauft das Programm den Angaben zufolge nur an staatliche Behörden und zum Zweck der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität.

Die NSO Group teilte auf Anfrage der Medien mit, sie habe "keinen Zugang zu den Daten der Zielpersonen" ihrer Kunden. Die Erfassung der Nummern könne "viele legitime und vollständig saubere Anwendungsmöglichkeiten haben, die nichts mit Überwachung oder NSO" zu tun hätten.

Zu den Journalisten, auf deren Handys laut Bericht Spuren erfolgreicher Pegasus-Angriffe nachgewiesen wurden, zählen zwei Reporter des ungarischen Investigativmediums Direkt36. Die Recherche lege den Verdacht nahe, dass diese Angriffe von staatlichen Stellen in Ungarn ausgeführt wurden, berichtete das Recherchekollektiv. Die ungarische Regierung habe diesem Vorwurf auf Nachfrage nicht widersprochen.

In Frankreich wurde dem Bericht zufolge unter anderem eine bekannte Reporterin von "Le Monde" ausgespäht. Eine Analyse der Daten und weitere Recherchen sprechen demnach dafür, dass diese Angriffe von Marokko ausgegangen seien. Die marokkanische Regierung teilte auf Nachfrage des Recherchekollektivs mit, es sei nicht erwiesen, dass es eine Geschäftsbeziehung zwischen Marokko und dem Unternehmen NSO Group gebe.

Zu den Betroffenen zählt laut den Recherchen auch Hatice Cengiz, die Verlobte des ermordeten saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi. Ihr Handy sei vier Tage nach dem Mord an Khashoggi mit der Schadsoftware Pegasus angegriffen worden. Die NSO Group teilte dazu mit, die Technologie des Unternehmens habe "in keiner Weise" mit dem Mord an dem Journalisten in Verbindung gestanden. (AFP)


Aus: "Hunderte Journalisten und Aktivisten Ziel von Spähsoftware" (18.07.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/datenleak-mit-telefonnummern-ausgewertet-hunderte-journalisten-und-aktivisten-ziel-von-spaehsoftware/27432830.html

-

Quote[...] Das Cyber-Unternehmen NSO versuchte, seine Spähsoftware auch in Deutschland zu verkaufen. Sogar einem Innenminister führten die Israelis vor, was sie alles können.

... Neben dem BKA interessieren sich auch die Geheimdienste für diese Art der Spähsoftware. Die großen internationalen Akteure wie die US-amerikanische NSA, das britische GCHQ oder der chinesische Nachrichtendienst haben eigene Programme entwickelt. Aber schon Mittelmächte im  Geheimdienstmilieu wie etwa Franzosen oder Spanier schaffen es kaum noch, die ständigen technischen Neuerungen eines Handymarktes nachzuvollziehen, der mittlerweile Tausende verschiedener Telefonmodelle umfasst. Sie haben einerseits eigene Labore, in denen IT-Experten nach Schwachstellen forschen. Weil das aber nicht ausreicht, kaufen sie andererseits Wissen auf dem Graumarkt ein. Eine dieser Mittelmächte ist der Bundesnachrichtendienst (BND).

... NSOs Programm Pegasus ist in der Szene bekannt dafür, gleich drei oder vier Schwachstellen hintereinander auszunutzen, es ist so leistungsfähig und ausgefeilt wie kaum eine andere Lösung auf dem Markt. Eine Superwaffe. Aber der Versuch der Israelis, dem BND die komplette Pegasus-Suite zu verkaufen, war dem Vernehmen nach nicht erfolgreich. Auch im Bundesamt für Verfassungsschutz blitzen die Verkäufer demnach ab.

... Für die Deutschen konnte Pegasus schlicht zu viel. Eine Schmalspurversion wiederum wollte NSO nicht verkaufen. Zudem hatte die Bundesregierung Bedenken, ob heimlich der israelische Geheimdienst Mossad mitlesen kann, was das BKA alles überwacht. NSO dementiert das. Aber in der deutschen Regierung überwogen die Bedenken.

Ein paar Monate danach sprachen die Israelis auch bei den Cyber-Experten im bayerischen Landeskriminalamt (LKA) vor, ein zweiter Besuch folgte nach Angaben des bayerischen Innenministeriums im Sommer 2019. Schließlich empfing der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am 24. September 2019 eine NSO-Delegation. "Zielrichtung des Gesprächs war die Vorstellung des Portfolios der NSO Group", sagte Herrmanns Sprecher. Aber am Ende kaufte auch die bayerische Polizei nicht.

Die ZEIT und die Süddeutsche Zeitung haben sämtliche Innenministerien der Länder und des Bundes angefragt, ob sie Pegasus einsetzen. Die Bundesländer gaben an, NSOs Software nicht bei den Polizeibehörden zu benutzen. Für die Verfassungsschutzbehörden verweigerten die Landesregierungen grundsätzlich jede Antwort.

Das BKA hat sich mittlerweile seinen eigenen Bundestrojaner gebastelt, eine Art Pegasus ultralight. Die deutsche Version hat im Vergleich zum fliegenden Pferd aus Israel nur einen Flügel ­und hinkt etwas – aber dafür ist sie rechtsstaatlich einwandfrei.


Aus: "Überwachungsaffäre: Die Superwaffe und die Deutschen"  Kai Biermann und Holger Stark (19. Juli 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/ueberwachungsaffaere-spionage-software-pegasus-einsatz-deutschland-bundeskriminalamt-handydaten-rechtsstaat/komplettansicht

QuoteDarth Nihilus #3

Momentan steht man noch vor einer Wand von Demintis. Von der ungarichen Regierung und vom israelischen Anbieter. Mal sehen ob die alle von Vlad gelernt haben: ausdauernd genug weiter dementieren, dann verläuft das alles im Sand.


QuoteVeganes Hack #3.1

Das ist doch "Autocrats' Playbook" 1.01 ...


QuoteGerry10 #5

Hmm....was ich nicht ganz verstehe, geht denn nach den Enthüllungen von Snowden, niemand davon aus das sein/ihr Telefon nicht fürs abhören verwendet wird?
Kann man als Journalist, Oppositionspolitiker, Regimekritiker etc. wirkich so naiv sein?


Quoteistdasnochnormal #5.3

Wenn man sich damit beschäftigt hat, was Snowden vor knappen 10 Jahren aufgedeckt hat, dann sollte man sich dessen bewusst sein, dass ALLES, was man im Netz macht, für Sicherheitsbehörden abgreifbar ist.
Und das war vor 10 Jahren.


QuoteDer vierte Reiter #11

Des Diktatoren Freude ist das gefahrlose ausspionieren unliebsamer Personen.
Das Programm vereinfacht den späteren Zugriff, wie auch das Sammeln notwendiger Informationen, um die Personen 'aus dem Verkehr' zu ziehen.
Die Büchse der Pandora scheint weit offen zu stehen. ...


QuoteDiesDasVerschiedeneDinge #12

Also bei aller Kritik an Chinas Social-Credit-System und Co.: China sagt seiner Bevölkerung wenigstens, dass sie "ausspioniert" wird.

Im Westen klopft man sich hingegen für die Menschenrechte auf die Schultern, diffamiert Chinas Kontrollwahn und holt sich nach diesem Rant 'ne israelische Cyberfirma ins Haus, die dabei hilft, unbemerkt Leute auszuspionieren.

Na gut.


QuoteIch muss mal #16

Wen das ganze überrascht, muss in den letzten Jahren sehr blauäugig durchs digitale Leben gestolpert sein. ...


...

-

"Angriff auf die Pressefreiheit: Ungarische Journalisten mit Spähsoftware überwacht" (18. Juli 2021)
Handydaten zeigen: Reporter aus Ungarn wurden mit Cyberwaffen attackiert. Die ungarische Regierung behauptet, alles sei nach Recht und Gesetz abgelaufen.
Von Astrid Geisler, Kai Biermann, Sascha Venohr und Holger Stark
https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-07/pressefreiheit-ungarn-ueberwachung-journalisten-spionage-software-pegasus-cyberwaffe/komplettansicht

-

"Dienste beobachten Jour­na­lis­t*in­nen: Kein Einzelfall" Jessica Ramczik (30. 7. 2021)
Tim Mönch ist professioneller Fotojournalist. Sächsische Staatsschützer sammeln trotzdem Daten über ihn – weil sie ihn als Linksextremisten sehen.
https://taz.de/Dienste-beobachten-Journalistinnen/!5787868/

Textaris(txt*bot)

(kontextwochenzeitung.de, Wolfgang Frommlet) Bei der Freude über die Verleihung des Friedensnobelpreises an die philippinische Journalistin Maria Ressa und den russischen Journalisten Dmitri Muratow komme ein Thema zu kurz, findet Wolfgang Frommlet: "Weder RSF [Reporter ohne Grenzen] noch überregionale Zeitungen sowie ARD und ZDF erwähnen einen der mutigsten Journalisten und Whistleblower der letzten 15 Jahre: Julian Assange. Er wird im wörtlichen Sinne totgeschwiegen."
https://bildblog.de/131830/oesterreich-vs-oesterreich-assange-totgeschwiegen-kessel-sternenstaub/

Quote[...] Die Zahlen sind erschreckend: Lediglich zwölf Länder kann die internationale Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF für Reporters sans frontières) auf ihrem "Barometer der Pressefreiheit" 2021 als "gut" bezeichnen. 28 JournalistInnen und Medienschaffende wurden ermordet, 459 saßen in Haft. Zu Recht bezeichnet deshalb Christian Mihr von RSF die Verleihung des Friedensnobelpreises an die philippinische Journalistin Maria Ressa und an den russischen Journalisten Dmitri Muratow als ein Zeichen für den Schutz der Pressefreiheit.

Doch weder RSF noch überregionale Zeitungen sowie ARD und ZDF erwähnen einen der mutigsten Journalisten und Whistleblower der letzten 15 Jahre: Julian Assange. Er wird im wörtlichen Sinne totgeschwiegen. Sein Zustand – seit über zwei Jahren Isolationshaft im Londoner Schwerverbrechergefängnis Belmarsh – ist lebensbedrohlich. Das Londoner Gericht lehnte die von den USA geforderte Ausweisung (noch unter Donald Trump) aus gesundheitlichen Gründen ab, ebenso jedoch auch eine Freilassung auf Kaution mit der Auflage, sich regelmäßig zu melden. Auch unter Präsident Joe Biden gilt Assange als Verbrecher, die USA gingen in Revision. In den USA drohen Assange 175 Jahre Haft. Biden ignoriert Dutzende von internationalen Appellen von Ärzten, von internationalen wie amerikanischen Medien und Journalistenvereinigungen sowie die mehrfachen Vorwürfe von Nils Melzer, dem UNO-Sonderberichterstatter für Folter (Kontext berichtete: https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/535/todesstrafe-in-raten-7580.html). Die Geschichte dieser politischen Verfolgung ist ein Skandal für eine demokratische Gesellschaft.

Von "Mut und Tapferkeit" ist bei Maria Ressa und Dmitri Muratow in vielen Glückwünschen die Rede. Zu Recht. Sechs Kollegen von Muratow bei der russischen Oppositionszeitung "Nowaja Gaseta" wurden seit 2000 ermordet – eine der bekanntesten: Anna Politkowskaja –, andere in der Haft schwer verletzt. Maria Ressa berichtet furchtlos über die schweren Menschenrechtsverletzungen unter dem Drogenkrieg von Präsident Rodrigo Duerte. Auf die Redaktion des von ihr gegründeten Online-Nachrichtenportals "Rappler" wurde ein Chemie-Anschlag verübt, Ressa selbst war bereits mehrfach inhaftiert. Der Friedensnobelpreis an die beiden ehrt stellvertretend ebenso bedrohte, inhaftierte und mutige JournalistInnen in der Türkei, auf Haiti, im Iran, in Saudi-Arabien, Simbabwe oder Brasilien. "Ein Stachel für die philippinische Regierung" bedeute die Auszeichnung an Maria Ressa, meinte Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen".

So sehr dies für die Entscheidung des schwedischen Nobelkomitees spricht, umso mehr spräche dies dafür, dass der Friedensnobelpreis 2021 gedrittelt worden wäre. Denn Julian Assange ist, bei allem unbestrittenen Respekt für die beiden Preisträger, der bedeutendste und mutigste Whistleblower des zeitgenössischen Journalismus. Aber eben nicht in einem autokratischen Regime in Osteuropa oder in einer Diktatur in einem Land des Südens. Assange gründete 2006 Wikileaks, veröffentlichte das "war diary", 10.000 Seiten an Brutalität nicht zu überbietender Dokumente über amerikanische Kriegsverbrechen, über die Folter Unschuldiger auf Guantanamo, über politische Erpressung und Korruption der USA. Die USA haben beschlossen, an ihm ein Exempel zu statuieren, sie haben die politische Exekutive in Ecuador, Schweden und Großbritannien erpresst und die Justiz in London ist der Handlanger des amerikanischen Rachefeldzugs – nicht die Kriegsverbrechen der USA sind ein Verbrechen, sondern wer wagt, sie aufzudecken.

Assange in diesem Friedensnobelpreis mitauszuzeichnen, wäre ein "Stachel für die amerikanische Regierung" gewesen. Weltweit wäre Joe Biden an einer Stellungnahme und möglicherweise an einer Einstellung des Auslieferungsverfahrens nicht mehr vorbeigekommen. Dies dürfte dem schwedischen Nobelkomitee bewusst gewesen sein und diesen Affront, darf man vermuten, wagte es nicht.

Die Bekanntgabe des Friedensnobelpreises für demokratischen Journalismus fällt mit einer besonderen investigativen Leistung zusammen, sehr verwandt dem Whistleblowing von Julian Assange: "Yahoo News" veröffentlichten am 26. September, unter anderem basierend auf Aussagen ehemaliger amerikanischer Top-Beamter, dass Donald Trumps CIA Direktor Mike Pompeo Wikileaks zum Ziel von "offensive counterintelligence" erklärt hatte und der Plan bestand, Assange zu entführen (und in die USA zu überstellen) oder schon in London umzubringen. Yahoo belegt, dass die Firma UC Global, zuständig für die Sicherheit der ecuadorianischen Botschaft, in die sich Assange geflüchtet hatte, mit dem CIA zusammenarbeitete und die Aufgabe hatte, ihn zu kidnappen und zu ermorden. Der besondere Skandal dabei ist, dass ein australischer Staatsangehöriger entführt und ermordet werden sollte und dies in Canberra bis heute unter den Tisch gekehrt wird.

Nach den veröffentlichten ehemaligen Geheimplänen standen auf der Liste des CIA auch Glenn Greenwald, Begründer des linken "Intercept Magazins" und ehemaliger Kolumnist des "Guardian", sowie die Dokumentarfilmerin Laura Poitras. Die Verfasser dieser Investigationen sind bekannt – Zach Dorfman, Sean D. Naylor und Michael Isikoff. Sie sind jedes denkbaren Journalistenpreises würdig. Doch sie werden so wenig einen bekommen wie Julian Assange. Der gesamte CIA Plot verursachte in den britischen Medien keinen Aufschrei. Die einst progressive BBC berichtete in einer kleinen Meldung; "Channel 4", ansonsten führend, wenn es um die Verteidigung der Pressefreiheit geht, kein Wort; nicht anders in der Mehrheit deutscher Tageszeitungen gleich welcher Couleur und in ARD sowie ZDF. Julian Assange wurde erfolgreich "als Paria dämonisiert", wie es die britische Zeitung "The Independent" am 1. Oktober formulierte. Die amerikanischen Vorwürfen, Wikileaks habe das Leben von US-Agenten gefährdet, lassen sich laut "The Independent" übrigens nicht belegen. In einem Gerichtsverfahren 2013, so die Zeitung, hätten 120 US-Geheimdienstoffiziere nicht einen einzigen Mitarbeiter nennen können, der deshalb im Irak oder in Afghanistan getötet worden sei.

Dies alles beeindruckt die konservative britische Innenministerin Priti Patel nicht. Sie arbeitet an einer Verschärfung des "Official Secrets Act", nach dem Journalisten, Whistleblower und "leaker" schneller der Spionage angeklagt und bis zu 14 Jahren inhaftiert werden können.


Aus: "Julian Assange wird totgeschwiegen" Wolfram Frommlet| (13.10.2021)
Quelle: https://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/550/julian-assange-wird-totgeschwiegen-7780.html

Textaris(txt*bot)

QuoteStephan Anpalagan @stephanpalagan
·
Laut Berichten von Amnesty International wurde Zhang Zhan während der Haft gefoltert und misshandelt. Zhang Zhan befindet sich nun im Hungerstreik. Sie wiegt knapp 40 Kilo, wird künstlich ernährt und schwebt in akuter Lebensgefahr.

1:13 nachm. · 29. Nov. 2021


https://twitter.com/stephanpalagan/status/1465292812551917568


Zhang Zhan, die im Dezember 2020 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie in den Sozialen Medien über Chinas Umgang mit dem Ausbruch der Coronapandemie berichtet hatte, befindet sich aus Protest gegen ihre Inhaftierung im Teil-Hungerstreik. (12. November 2021)
https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/china-zhang-zhan-journalistin-in-lebensgefahr-2021-11-12

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ein Berufungsgericht in London hat die Ablehnung des US-Auslieferungsantrags für den Wikileaks-Gründer Julian Assange aufgehoben. Das teilte ein Richter am Londoner High Court mit. Der Rechtsstreit geht damit in die höchste Instanz zum britischen Supreme Court. Assange muss nun damit rechnen, doch noch an die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden.

Im Januar hatte ein Londoner Gericht das Auslieferungsbegehren der USA abgelehnt. Begründet wurde die Entscheidung mit Assanges angegriffener psychischer Gesundheit und den zu erwartenden Haftbedingungen. Die USA legten Berufung ein. 

Aus US-Sicht sind bei der Gerichtsentscheidung falsche Schlüsse zu Assanges Gesundheitszustand und dessen Suizidrisiko gezogen worden. "Herr Assange hatte jeden Grund, bei seinen Symptomen zu übertreiben", hieß es damals. Die USA sicherten zu, im Falle einer Inhaftierung nicht wie befürchtet "Spezialmethoden" anzuwenden sowie einer Verlegung von Assange in ein australisches Gefängnis zuzustimmen.

...


Aus: "Gericht hebt Auslieferungsverbot für Julian Assange an die USA auf" (10. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-12/gericht-hebt-auslieferungsverbot-fuer-julian-assange-an-die-usa-auf

QuoteJaguarCat #28

Die von der Verfassung garantierte Meinungs- und Redefreiheit endet in den USA also dort, wo man über wahre Gewaltakte der US-Truppen berichtet. Immerhin werden Regimekritiker und Oppositonelle noch nicht vergiftet wie in Russland. Dennoch: Heute ist ein schlechter Tag für die Pressefreiheit.


QuoteIWNN #33

Jetzt werden wir noch genauer sehen, was "westliche Wertegemeinschaft" tatsächlich bedeutet.


QuoteDELLikat #33.1

Na das gleiche wie bei Edward Snowden versteht sich. ...


...

Quote[...] Ausgerechnet am internationalen Tag der Menschenrechte kippt das Gericht in London das Auslieferungsverbot für Julian Assange in die USA. Das ist ein schlechtes Signal für die Pressefreiheit und für die Fähigkeit westlicher Demokratien, mit Whistleblowing umzugehen.

Man kann über die Einordnung der Person Assange streiten, aber: Das britische Urteil droht infrage zu stellen, wie sicher sich Journalistinnen, Verleger und Whistleblowerinnen fühlen können, wenn sie geheime Dokumente veröffentlichen, staatliche Missstände anprangern, Unbequemes zutage befördern. Und das ist gefährlich. 

Der Londoner High Court hat am Freitag entschieden, dass Assange nun doch in die USA ausgeliefert werden könnte. Die USA hatten gegen ein Auslieferungsverbot vom Januar Berufung eingelegt, dieser gaben die britischen Richter jetzt statt.

Richter Timothy Holroyde sagte, die jüngsten Zusicherungen der US-Regierung zur Behandlung, die Assange in den USA erhalten werde, räumten die Bedenken aus, die das Gericht gehabt habe: "Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die USA die Zusicherung nicht in gutem Glauben getätigt hätten", hieß es in dem Gerichtsurteil.

Im Januar hatte ein britisches Gericht die Auslieferung zunächst abgelehnt, aufgrund von Assanges psychischem Gesundheitszustand: Es bestehe das "beträchtliche" Risiko, dass sich Assange im Gefängnis das Leben nehmen könnte.

Dagegen hatten die USA Berufung eingelegt und bei der Verhandlung im Oktober zugesagt, Assange vor oder nach einem Prozess nicht in strenge Einzelhaft zu nehmen – wenn er sich denn nicht noch etwas zu Schulden kommen lasse. Sie haben angeboten, Assange könne auf Antrag eine mögliche Strafe auch in Australien absitzen, würde Zugang zu gesundheitlicher Behandlung erhalten und nicht im Hochsicherheitsgefängnis ADX Florence inhaftiert. Assanges Verteidiger wiesen all das als zu vage zurück, verwiesen auf die Suizidgefahr und auf einen Bericht, demzufolge die CIA ein Mordkomplott gegen Assange geschmiedet haben soll.

Mit dem heutigen Urteil ist noch immer keine endgültige Entscheidung gefallen: Das Gericht wies einen Richter einer untergeordneten Instanz an, den Auslieferungsantrag zur Prüfung an die britische Innenministerin zu senden, die auch noch über die Auslieferung entscheiden muss. Doch Assanges Vertreter werden wohl auf jeden Fall in Berufung gehen: Assanges Verlobte Stella Moris kündigte bereits an, die Entscheidung "zum frühestmöglichen Punkt" anfechten zu wollen. 

Das juristische Tauziehen, zu dem sich der Fall derzeit entwickelt, darf aber nicht davon ablenken, um was es im Kern geht: In den USA soll dem WikiLeaks-Gründer mit Spionagevorwürfen der Prozess gemacht werden, im Falle einer Verurteilung drohen ihm dort bis zu 175 Jahre Haft.

Der Fall Assange ist kompliziert und vielschichtig, weil sich seit über zehn Jahren Erzählung über Erzählung legt. Einerseits hat Assange in den vergangenen Jahren viele Sympathien verspielt, etwa mit der Rolle von WikiLeaks im US-Wahlkampf 2016. Und auch zum Beispiel die lang gezogenen und am Ende nie vor Gericht verhandelten Vorermittlungen wegen Missbrauchsvorwürfen gegen Assange in Schweden haben sein Bild in der Öffentlichkeit beeinflusst. Andererseits wirft das Vorgehen der britischen Justiz ihm gegenüber nach Einschätzung von Beobachtern rechtstaatliche Fragen auf. Und auch rund um sein jahrelanges Ausharren in der ecuadorianischen Botschaft gab es immer wieder Berichte über Ausspähungen und Komplotte gegen ihn.

Doch im Kern bleibt es dabei, dass Assange mit seinen Veröffentlichungen vor gut zehn Jahren infrage gestellt hat, wie viel Transparenz demokratische Regierungen aushalten müssen. Immerhin hat er geheime Dokumente veröffentlicht, die für die USA äußerst unangenehm waren, beispielsweise ein Video, das mutmaßliche Kriegsverbrechen von US-Soldaten im Irak zeigte. Kompliziert ist der Fall, weil es eben zweierlei Vorwürfe gibt: Zum einen wird Assange vorgeworfen, dass er vertrauliche Informationen entgegennahm, auswertete, publizierte. Das Gleiche machen investigative Journalistinnen und Journalisten jeden Tag.

Zum anderen aber gehen die Vorwürfe weiter: Er soll auch eine Rolle bei der Beschaffung dieser Informationen gespielt haben, soll dazu angestiftet haben, in Rechner der US-Regierung einzudringen. Und das geht eben über das hinaus, was Journalisten tun und tun dürfen. Um diese Frage kreist die Debatte um Assange schon seit Jahren. Ob diese Vorwürfe allerdings schwer genug wiegen, um ihn als Spion zu verurteilen, sehen viele als strittig an.

Je weniger haltbar diese Vorwürfe der Anstiftung sind, desto fataler ist das Signal, das von dem Fall Assange und dem Umgang mit ihm ausgehen könnte. Denn das weist weit über die Person Assange und die Plattform WikiLeaks hinaus. Was man schon allein daran sehen kann, dass auch auf die begnadigte Whistleblowerin Chelsea Manning, die WikiLeaks Geheimdokumente zuspielte, massiv Druck ausgeübt wurde: Als sie sich weigerte, gegen Assange auszusagen, wurde sie erneut inhaftiert.

Die Obama-Administration zögerte lange, Anklage gegen Julian Assange zu erheben – eben weil sich in der Folge seiner Verurteilung auch die Frage stellen würde, welche Folgen sich daraus für den Umgang mit den Medien ergeben, die damals als Partner von WikiLeaks Auszüge aus den Geheimdokumenten veröffentlichten, zum Beispiel die New York Times. Unter Donald Trump hingegen holte man den Espionage Act aus dem Jahr 1917 aus der Kiste, um Assange anzuklagen. Bislang scheint Joe Biden diesen Kurs fortführen zu wollen.

Es ist möglich, dass sich das Auslieferungsverfahren noch sehr viel weiter hinziehen wird: Der Fall könnte auch noch vor dem britischen Supreme Court verhandelt werden. Und in letzter Instanz wäre es – trotz Brexit – noch möglich, Assanges Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verhandeln.

In jedem Fall aber wirft das Urteil von heute kein positives Licht darauf, wie westliche Demokratien mit unliebsamen Veröffentlichungen umgehen. Assanges Fall taugt längst schon zur Abschreckung: Je härter er bestraft wird, desto größer ist künftig das Risiko für Quellen und Journalisten, wenn sie versuchen, Missstände aufzudecken.


Aus: "Die Abschreckung" Ein Kommentar von Meike Laaff (10. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/2021-12/julian-assange-wikileaks-auslieferung-usa-grossbritannien-rechtsstreit/komplettansicht

QuoteHartmann von Aua #11

Spätestens seit dem gefälschten Vergewaltigungsvorwurf müsste eigentlich Jedem klar sein, mit welchen Mitteln hier gekämpft wird.
Lieber den Boten töten, als Missstände angehen. ...


QuoteKiri 2 #12

Sehr geehrte Frau Laaff,
ihr Artikel in Ehren,da ist ja auch vieles richtig.

Leider verschweigen sie, daß die deutsche ,auch die linksliberale und liberale Presse,
also auch die ZEIT,die Süddeutsche,Spiegel etc.

in den letzten Jahren die Maßnahmen gegen Assange viel zu unkritisch hingenommen bzw sogar unterstützt hat.

Schon der Vergewaltigungsvorwurf aus Schweden war eine freie Erfindung ,um Assange in Haft nehmen zu können.

Der Kronzeuge gegen Assange, ein ehemaliger Wikileaks Mitarbeiter hat bereits zugeben müssen, daß die Vorwürfe gegen Assange, er habe dazu angestiftet sich in Regierungscomputer einzuhacken, ebenso erfunden sind.

Pinochet hat die britische Justiz bei ihrem Verfahren auf einem Schloß weiterleben lassen und nicht in Haft genommen.Asssange wird nur wegen eines angeblichen Kautionsvergehens widerrechtlich in Haft gehaltener müßte längst auf freiem Fuss sein.

Sie kennen doch auch die Stellungnahme des UNO Beauftragten für Menschenrechte Nils Melzer zu Assange.
Die ZEIT und die gesamte deutsche Presse und Politik hat wieder mal vor den USA gekuscht und ist in Deckung gegangen.
Erst jetzt erinnert man sich, daß auch die Freiheit der Presse und des Journalismus bedroht sein könnte.
Sie alle tragen Mitschuld an dem ,was mit Assange passiert.Schlimm,was mit der chinesischen Tennisspielerin passiert,Aber da hängen sich alle voll rein,da es ja nicht gegen die USA geht.
Das ist erbärmlich.


QuoteHartmann von Aua #12.1

Das ist leider westlicher Journalismus im Jahr 2021.
Wird sich auch nicht mehr ändern, der Drops ist gelutscht.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es melden sich Stimmen, die über vielfältige Konflikte mit ihren Verlegern und weiteren Verantwortlichen in Verlagen sprechen. Sie berichten von Verlegern, die Einfluss auf ihre Geschichten nahmen. Verleger, die nicht geplante Geschichten verlangten oder fertige Texte stoppten. Sie erzählen von Reporterinnen und Reportern, die aus vorauseilendem Gehorsam bestimmte Themen nicht mehr angingen. Aber auch von Redaktionen, die Themen selbst dann umsetzen, wenn ein unangenehmer Anruf des Verlegers von vorneherein klar ist.

Es geht auch um strukturelle Konflikte in Medienhäusern und ihre Auswirkungen auf die innere Pressefreiheit im deutschen Lokaljournalismus: In mindestens zwölf Lokalredaktionen sitzen Verleger und Verlegerinnen auch in der Chefredaktion oder sind mit der Redaktionsleitung verwandt. Mitunter ist der Verleger zugleich Präsident der regionalen Handelskammer und sein Chefredakteur Pressesprecher eines Wirtschaftsvereins.

Die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber für diese Recherche, meist selbst Betroffene, wollen nicht namentlich genannt werden. Einige haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Andere wollen nicht als Nestbeschmutzer wahrgenommen werden. CORRECTIV.Lokal hat sich, wo möglich, Dokumente zeigen lassen, die ihre Aussagen stützen und mit mehreren Personen gesprochen, um die Vorwürfe einschätzen zu können.

[ ... ]

... Hinter diesen Aussagen stehen viele Jungredakteurinnen und -redakteure. Einige berichten CORRECTIV.Lokal von Erlebnissen aus ihrem Volontariat. Sie sind besonders vorsichtig, um ihre berufliche Zukunft nicht zu gefährden. Sie liefern Einblicke in problematische Strukturen, in die eine neue Generation von Journalistinnen und Journalisten hineinwächst und sie daran hindert, sich zu entfalten – in einer Zeit, in der viele Lokalredaktionen Schwierigkeiten haben, überhaupt noch Nachwuchs zu finden und ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.

Die Rückmeldungen zeigen, wie sehr sich Reporterinnen und Reporter mit der inneren Pressefreiheit auseinandersetzen. Es gibt kein Gesetz, das sie schützt, in dem redaktionelle Eingriffe von Verlegern verboten werden. Der Verlag kann sogar die politische Richtung einer Zeitung vorgeben und die Redaktion zur Loyalität verpflichten, weil Zeitungsverlage sogenannte Tendenzbetriebe sind.

...

Was die Recherche auslöste: Die Ippen-Affäre

Am Donnerstag, 14. Oktober 2021, entschied der 81-jährige Zeitungsverleger Dirk Ippen, dass eine Recherche aus seinem Haus nicht veröffentlicht werden darf. Der Mehrheitsgesellschafter nutzte seine Macht, um eine Geschichte über Machtmissbrauch zu stoppen. Zuvor hatte über Monate das hauseigene Investigativ-Team [2] zu Machtmissbrauch gegenüber Frauen durch den damaligen BILD-Chefredakteur Julian Reichelt recherchiert, bei dem sexuelle Beziehungen eine zentrale Rolle spielten. Kaum hatte Ippen die Recherche gestoppt, berichtete die New York Times, am Folgetag auch der Spiegel und zwar gemeinsam mit den Autorinnen und Autoren von Ippen-Investigativ. Reichelt musste nicht einmal 24 Stunden nach der Veröffentlichung der New York Times seinen Posten räumen.

Das Investigativ-Team firmierte zuvor unter Buzzfeed News und wurde erst ein gutes Jahr zuvor von Ippen übernommen. Das Team protestierte einen Tag nach dem Eingriff des Verlegers Ippen in einem Brief an die Geschäftsführung der Gruppe, den das Medienportal Übermedien erstmals öffentlich machte. Darin fand das 4-köpfige Team deutliche Worte und endete mit einem Appell: ,,Wir müssen sicher sein, dass auch im Hause Ippen die Trennung von Redaktion und Verlag gilt."

Es gab einen öffentlichen Aufschrei in der Medienwelt. ,,Verleger haben grundsätzlich die Finger von redaktionellen Entscheidungen zu lassen", äußerte sich Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Und auch der Vorstand der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche äußerte sich deutlich: ,,Ippen hat eine Grenze überschritten und der Pressefreiheit Schaden zugefügt."

...


Aus: "So beeinflussen Verleger die Berichterstattung im Lokaljournalismus" Jonathan Sachse (08. Dezember 2021)
Quelle: https://correctiv.org/aktuelles/ungerechte-arbeit/2021/12/08/so-beeinflussen-verleger-die-berichterstattung-im-lokaljournalismus/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Zahl inhaftierter Medienschaffender ist 2021 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent angestiegen. Zum Stichtag am 1. Dezember waren weltweit mindestens 488 Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, wie eine Zählung der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) ergab. 428 Männer und 60 Frauen aus der Medienbranche seien eingesperrt.

Hauptverantwortlich für den Anstieg seien die Regierungen in Belarus, Myanmar und China. In Myanmar, wo das Militär am 1. Februar 2021 durch einen Putsch die Macht gekommen war, säßen aktuell 53 Journalisten im Gefängnis. Vor einem Jahr waren es noch zwei gewesen. In Belarus, mit Präsident Alexander Lukaschenko an der Spitze, seien es 32 Journalistinnen im Vergleich zu sieben vor einem Jahr.

In Hongkong sei die Lage durch das nationale Sicherheitsgesetz verschärft worden, schreiben RSF, wodurch mindestens zehn Journalisten in Haft säßen. Zuvor sei Hongkong durch seinen Sonderstatus noch ein regionales Vorbild für die Achtung der Pressefreiheit gewesen. Die Autorinnen und Autoren der Studie sprechen hierbei von Ländern, "deren Regierungen dem Wunsch ihrer Bürger nach Demokratie gleichgültig gegenüberstehen".

Der Frauenanteil unter den inhaftierten Medienschaffenden hat sich laut RSF seit 2017 fast verdoppelt. Seien es damals noch etwa 6,6 Prozent gewesen, seien es inzwischen 12,30 Prozent. Insgesamt seien seit Beginn der Zählung noch nie so viele Frauen wegen journalistischer Arbeit eingesperrt gewesen. Belarus habe mit 15 Männern und 17 Frauen sogar mehr weibliche als männliche Medienleute in seinen Gefängnissen.

Die meisten Gefangenen, die wegen Arbeit für die Presse festgenommen wurden, finden sich den Angaben zufolge mit 127 Menschen in China. Es folgen Myanmar mit 53, Vietnam mit 43, Belarus mit 32 und Saudi-Arabien mit 31. RSF griff einige Fälle als besonders besorgniserregend heraus. Zu ihnen zählt der WikiLeaks-Gründer Julian Assange, dem im Falle einer Auslieferung in die USA bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft drohen.


Aus: "Weltweit so viele Journalisten in Haft wie nie zuvor" (16. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-12/reporter-ohne-grenzen-journalisten-gefaengnis


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Gewalt gegen Journalisten und Journalistinnen nimmt zu. Seit der Hashtag #AusgebranntePresse auf Twitter ins Leben gerufen wurde, berichten Medienschaffende von ihren dunkelsten Erlebnissen während der Arbeit. Es beginnt bei Beleidigungen im Netz und reicht bis zu physischer Gewalt.

Eine der Betroffenen, die unter dem Hashtag getwittert hat, ist Sophia Maier, Journalistin bei "stern TV". Sie berichtet häufiger von Demonstrationen für die Sendung. Dort seien "verbale Beleidigungen wie 'Lügenpresse' oder 'Hau ab, du dumme Fotze' eigentlich Standard", erzählt sie t-online. Besonders eine Demo in Berlin im September 2021 sei ihr im Kopf geblieben. "Ein Mann hat sich auf mich gestürzt, mein Handy aus der Hand gerissen und meinte wortwörtlich 'Das nächste Mal bist du fällig'", so die Journalistin im Gespräch mit t-online.

Dadurch, dass sie im Fernsehen vor der Kamera agiert, seien die Beleidigungen viel persönlicher. "Teilweise sind sie auch auf mein Frau-Sein gemünzt". Der antisemitische Verschwörungsideologe Attila Hildmann habe ihren Tweet zu #AusgebranntePresse sowie Videos von ihr auf Demos in Telegram-Gruppen geteilt. Einer der Kommentare lautete: "Diese Schlampe, noch nicht einmal ficken würde ich so eine Dreckshure, man sollte ihr richtig ihre Fresse einschlagen". Maier sieht darin einen enormen Unterschied, was die weibliche Berichterstattung angeht. "Da wirst du schnell mit Sexismus konfrontiert in der Art der verbalen Auswüchse".

Dass besonders Frauen im Medienbereich von sexualisierten Bedrohungen betroffen sind, bestätigt auch Lutz Kinkel, Direktor des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF), im Gespräch mit t-online. Neu seien die Übergriffe auf Journalisten und Journalistinnen allerdings nicht, so der Experte. Gewalttätige Angriffe gebe es verstärkt seit 2015, doch mit der Pandemie und den Corona-Maßnahmen haben die Angriffe gegen Medienschaffende 2021 erneut einen Höhepunkt erreicht.

69 gewalttätige Übergriffe habe es 2020 laut einer Recherche des ECPMF gegeben, das jeden Fall "sorgfältig" überprüfe, so Kinkel. 2021 zählt die Organisation insgesamt 106 Pressefreiheitsverletzungen (bis zum Stichtag 15. Dezember), darunter verbale Bedrohungen und körperliche Gewalt.

Die Zahlen seien nur vorläufig, gibt Kinkel zu bedenken, am Ende könnte die Zahl noch höher sein. Die Schlussfolgerung sei jedoch klar: "Es zeichnet sich ab, dass sich die Feinde des unabhängigen Journalismus im Jahr 2021 weiter radikalisiert haben."

Anfeindungen erlebte auch Julius Geiler, Journalist beim "Tagesspiegel", der ebenfalls unter dem Hashtag #AusgebranntePresse seine Erfahrungen teilte. Seit Beginn der Corona-Proteste habe er viel Hass abgekommen – auf Demos und vor allem im Netz. Im Dezember wurde er zum ersten Mal auch körperlich attackiert, als er eine Neonazi-Gruppe bei einer Protestaktion gefilmt habe. "Kollegen, die versucht haben mir zu helfen, wurden selbst angegriffen, einer davon wurde verletzt", sagt Geiler t-online.

Beleidigungen in Sozialen Netzwerken treffen den Journalisten eigentlich gar nicht mehr, sagt er. Vor allem der Hass von Angesicht zu Angesicht schockiere ihn besonders. "Normalerweise haben viele nur im Netz den Mut und nicht auf der Straße. Doch auf einer Demonstration vor einem Jahr haben mir zwei Teilnehmer in einem Interview mitgeteilt: 'Wenn das alles vorbei ist, wirst du an einem Baum hängen'", so der "Tagesspiegel"-Redakteur.

Solche Vorfälle hinterlassen Spuren: "Das Sicherheitsgefühl nimmt kontinuierlich ab", sagt Geiler. Auch die Journalistin Maier von "stern TV" räumt ein: "Man macht sich schon seine Gedanken. Es gibt Todeslisten, auf denen nicht nur Politiker, sondern auch Journalisten stehen. Es ist eine Minderheit, die hat aber ein riesiges Gewaltpotenzial", sagt sie.

Ist die verdeckte Recherche auf Demos eine Alternative? ECPMF-Direktor Kinkel vertritt dazu eine klare Meinung: "Es widerspricht der journalistischen Ethik, sich zu verstecken. Man sollte offen und geschützt sagen können, dass man Journalist ist". Gleichwohl könne er es Journalisten nicht übelnehmen, wenn sie auf Demos ihren Presseausweis nicht mehr sichtbar über der Kleidung tragen oder statt einer Kamera ihre Smartphones nutzen, um nicht sofort erkennbar zu sein.

Kinkel nennt die Erlebnisse, die Medienschaffende unter #AusgebranntePresse derzeit teilen, "verstörend" und zugleich "ärgerlich", denn: "Es gibt Instrumente, um Journalisten besser zu schützen." Dazu gehörten etwa eine bessere Vorbereitung durch die eigenen Medienhäuser oder Schulungen bei der Polizei, um den Beamten vor Ort klarzumachen, dass Pressevertreter "die Augen und Ohren der Öffentlichkeit" seien – und damit besonders zu schützen seien. Leider gebe es auch bei Polizisten vereinzelt "pressefeindliche Einstellungen", so Kinkel.

Doch nicht nur die Angriffe vor Ort, sondern auch in sozialen Netzwerken nehmen zu. Journalisten von t-online sind ebenfalls davon betroffen: So wird Lars Wienand, Leitender Redakteur Recherche, von führenden Köpfen der Querdenker-Szene in Livestreams und Postings regelmäßig als Feindbild markiert.

Der Rechtsanwalt Ralf Ludwig, einer der engsten Vertrauten von "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg, kündigte etwa mehrmals an,  Wienand in Spanien wegen Volksverhetzung anklagen zu wollen, weil sich dort lebende Deutsche von dessen Berichterstattung angegriffen gefühlt hätten. In einem Telegram-Kanal postet zudem ein bekannter Schwindelarzt der Querdenker-Szene immer wieder Inhalte, die Wienand einschüchtern sollen. Etwa Musikvideos, in denen es etwa heißt: "Lars, Du bist im Arsch."

In anderen Kanälen wird Wienand als "Verbrecher" verunglimpft. Was macht das mit einem, wenn radikale Corona-Leugner sich permanent an einem abarbeiten – stets mit dem Zungenschlag der Bedrohung, man könne auch ernst machen? "Das ist natürlich Unsinn. Aber man grübelt schon manchmal darüber, weil Leute auch anderen Quatsch für bare Münzen genommen haben und durch die ständigen Wiederholungen in ihrem Hass weiter befeuert werden."

Bedrohungen in sozialen Netzwerken oder auf Demonstrationen können erhebliche Folgen für die Berichterstattung. "Erfahrungen von Gewalt, manchmal bis hin zur Traumatisierung, können zur journalistischen Selbstzensur führen", sagt Kinkel vom ECPMF. "Wenn Journalisten nicht mehr auf Demos gehen und von dort berichten, dann entstehen blinde Flecken in der Berichterstattung". Auf lange Sicht gefährde das die Pressefreiheit in Deutschland.

"Wir müssen etwas tun, Demos sind der gefährlichste Arbeitsort für Journalisten", warnt Kinkel und meint damit auch die Politik, die es verschlafen hat, ein entsprechendes Konzept des Presserates für den besseren Schutz von Journalisten – die "Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei – umzusetzen.



Aus: "Gewalt gegen Journalisten - "Wenn das alles vorbei ist, wirst du an einem Baum hängen"" Nora Schiemann und Daniel Mützel (29.12.2021)
Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_91397130/hass-gegen-journalisten-wenn-das-alles-vorbei-ist-wirst-du-an-einem-baum-haengen-.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat eine Reaktion auf die Einschränkungen für den russischen Staatssender RT in Deutschland angekündigt. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur machte er deutlich, dass davon deutsche Journalisten in Russland betroffen sein könnten.

,,Es wird sicher eine Reaktion von russischer Seite geben", sagte Netschajew auf die Frage nach möglichen Konsequenzen für deutsche Medien in Russland. ,,Ich bin kein Orakel von Delphi, aber es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Es gibt so viele deutsche Journalisten in Russland."

Alle diese Journalisten fühlten sich wohl auf dem russischen Medienmarkt, sagte Netschajew weiter. ,,Und wir wollen eigentlich keinen Konflikt. Wir wollen nur, dass unser Sender in Deutschland die gleichen Rechte und Möglichkeiten hat und ruhig arbeiten kann."

Auf die Frage, ob es den deutschen Auslandssender Deutsche Welle treffen könnte, der ein russischsprachiges Programm hat, sagte Netschajew: ,,Es gibt keinen Automatismus. Ich möchte da nichts vorwegnehmen. Ich hoffe immer noch, dass auf RT in Deutschland kein Druck mehr ausgeübt wird."

Mitte Dezember hatte RT sein deutschsprachiges Live-Programm RT DE über verschiedene Verbreitungswege gestartet. Youtube sperrte nach wenigen Stunden den Kanal auf seiner Plattform und berief sich auf Community-Richtlinien. Die Medienregulierer in Berlin leiteten am Tag danach ein Verfahren gegen RT ein. Daraufhin stellte der Satellitenbetreiber Eutelsat kurz vor Weihnachten die Verbreitung von RT DE ein.

Hintergrund der Entscheidung ist, dass deutsche Regulierer keine Rundfunklizenz für die Ausstrahlung erteilt haben. RT beruft sich aber auf eine serbische Sendelizenz. Auch ein früherer Versuch des Senders, über Luxemburg eine Lizenz zu bekommen, war gescheitert.

RT steht im Westen immer wieder als Propagandainstrument des Kremls in der Kritik. Zentraler Vorwurf: Der Sender verbreite im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformationen. RT weist das zurück.

Die Auseinandersetzung um die Ausstrahlung des Programms ist einer von zahlreichen Streitpunkten, die das deutsch-russische Verhältnis belasten. ...


Aus: ",,Es wird sicher eine Reaktion von russischer Seite geben""  Michael Fischer, Jörg Blank (02.01.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/botschafter-netschajew-zu-sendestopp-von-rt-es-wird-sicher-eine-reaktion-von-russischer-seite-geben/27939962.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die radikalislamischen Taliban in Afghanistan stehen im Verdacht, mehrere Kritikerinnen und Kritiker entführt zu haben. Zwei Wochen nach einer Demonstration für Frauenrechte in Kabul gelten fünf Frauen und ein Mann als vermisst. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit Sitz in Genf äußerte sich besorgt. Die Machthaber in Afghanistan hätten zwar eine Untersuchung versprochen, bislang aber keine konkreten Schritte unternommen.

Der UN-Organisation zufolge wurden am 19. Januar eine Frau und ihr Schwager, die an dem Protest teilgenommen hatten, in Kabul entführt. Am gleichen Tag seien in der Hauptstadt vier Schwestern aus einem Haus geholt worden. Es gebe Berichte, dass nach weiteren Teilnehmerinnen gesucht werde. Das UN-Menschenrechtsbüro verlangte die Freilassung der Festgehaltenen und die Verfolgung der Täter. Man erhalte zudem glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen von Aktivisten und früheren Angestellten der Regierung oder der Sicherheitskräfte. Auch Journalisten seien in Gefahr.

Zwei Medienvertreter des TV-Senders Ariana, Waris Hasrat und Aslam Hidschab, werden ebenfalls seit Montagabend vermisst. Das sagte ein Mitarbeiter des afghanischen Privatsenders der Nachrichtenagentur dpa. Aufzeichnungen von Sicherheitskameras zeigten, wie bewaffnete, uniformierte Männer, die Regierungsautos fuhren, die beiden Männer vor den Toren des Sendergebäudes mitgenommen hätten.

Hasrat ist Produzent und Moderator von politischen Sendungen, Hidschab Wirtschaftsreporter. Die Entführung ereignete sich einen Tag nach einer von Ariana ausgestrahlten Sendung, in der ein Gast in einer live übertragenen Debatte die Taliban kritisierte. Der Mitarbeiter von Ariana vermutete, dass die Entführer im Dienst der radikalislamischen Taliban stehen.

Der neu gegründete Journalistenverband Afghan Media Association beschuldigte die Taliban der Entführung. Auch Amnesty International rief die Machthaber dazu auf, die Reporter "bedingungslos und unverzüglich" freizulassen. Die willkürliche Verhaftung sei nicht zu rechtfertigen und stelle eine Bedrohung für das Recht auf freie Meinungsäußerung dar.

Vor der Eroberung Kabuls durch die Taliban galt Afghanistan in der Region als Land mit relativ großer Pressefreiheit. Seit dem Machtwechsel im August sind immer wieder Journalisten eingeschüchtert oder festgehalten worden. Manche berichteten nach ihren Freilassungen von Schlägen oder Folter. Dutzende Medienschaffende haben das Land verlassen.



Aus: "Mehrere Vermisste nach Demonstration für Frauenrechte" (1. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-02/afghanistan-taliban-kritiker-vermisst-verschwundene-journalisten

Textaris(txt*bot)

#260
Quote[...] Die russische Medienaufsicht verlangt von einheimischen Medien, ihre Berichte über den Krieg gegen die Ukraine nachträglich zu korrigieren. Die Behörde verbietet es ihnen, den Großangriff auf das Land als "Angriff", "Invasion" oder "Kriegserklärung" zu charakterisieren. Solche Begriffe sollten aus ihren Berichten gelöscht werden, ebenso wie alle Hinweise auf von den russischen Streitkräften in der Ukraine getötete Zivilisten, teilte Roskomnadsor mit.

Die Aufsicht lässt damit nur eine Quelle von Informationen zu: "Wir betonen, dass nur offizielle russische Quellen über aktuelle und zuverlässige Informationen verfügen", hieß es weiter.

Die russische Regierung bezeichnet den Krieg gegen die Ukraine als "militärische Sonderoperation" zur "Friedenssicherung". Der Großteil der internationalen Gemeinschaft wertet die Invasion als völkerrechtswidrigen Angriff mit dem von Putin selbst erklärten Ziel, die Existenz der Ukraine als selbstständigen Staat zu beenden. 

Roskomnadsor beschuldigte eine Reihe unabhängiger Medien wie den Sender Doschd, den Radiosender Moskauer Echo, die Zeitung Nowaja Gaseta sowie die Website Mediasona, falsche Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und den Tod ukrainischer Zivilistinnen zu verbreiten. 

Sollten sie sich weigern, entsprechende Berichte sowie alle Begriffe wie "Offensive, Invasion oder Kriegserklärung" zu löschen, werde der Zugang zu den Medien beschränkt, hieß es von der Behörde. Zudem drohte sie mit hohen Geldstrafen. 

Russland schränkt bereits seit einem Jahr die Arbeit unabhängiger Medien, Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsbewegungen stark ein. Vor wenigen Tagen hatte eine Reihe von Medien auf Aufforderung kritische Berichte über die Enthüllungen des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny untersagt. Die Medien korrigierten daraufhin ihre Archive. In den Berichten ging es um Ermittlungen zu einem Luxuspalast am Schwarzen Meer, der Putin gehören soll, was der Präsident jedoch bestreitet.

...


Aus: "Russlands Medienaufsicht verbietet Begriffe wie "Invasion"" (26. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-02/russland-medienaufsicht-verbot-begriffe-ukraine

QuoteDarko Durmitor #1

Neues aus dem russischen ,,Wahrheitsministerium"...


QuoteDeparture #6

Vielleicht schätzen jetzt einige Nasen hier in Deutschland unsere "Lügenpresse" etwas mehr.


QuoteNikolaus12345 #6.1

Sorry, aber für diese "Nasen" ist unsere Presse weiterhin die "Lügenpresse" und Putin hat Recht......


QuoteHeinrich Reisen #6.3

Ich glaube fest daran das von diesen Nasen nur noch ganz ganz wenig übrig sind.


QuoteDreiblum #6.4

Einige können nicht zugeben, daß man sie an der Nase herumgeführt hat.


QuoteSonoIo #12

Wie kommt die Presse in Russland auch auf die verrückte Idee, sich frei und unabhängig zu äußern?! ...


QuoteDreiblum #18

Wer doppelt plus ungute Worte benutzt bekommt einen Urlaub auf Staatskosten.


Quoteeichelhäher #30

Unsere Querdenker können hier erfahren, was eine Lügenpresse ist, was man sagen darf und was nicht. ...


Quotesteppenwolf81 #30.1

Diese Wendehälse stehen wie andere Putinversteher nun vor dem Dilemma, ihre Verehrung für diesen ehrenwerten Despoten angeblich nie ausgesprochen zu haben. Doch es finden sich ganz gewiss neue Argumente, mit denen sie ihre Bubble aufrecht halten können. Wie Putin selbst: eigene Wahrheiten schaffen, dann stimmt auch die gefühlte Realität wieder.


Quoteel americano tranquilo #32

Kriege werden zu Stabilisierungsmissionen, Journalisten berichten nur noch eingebettet, "Desinformation" wird bekämpft.. völlig unbekannt ist mir das jetzt nicht. ...


Quotescg #42

(...),,militärische Sonderoperation" zur "Friedenssicherung".
Das kann man sich auch nicht ausdenken. Wer soll das eigentlich glauben?


QuoteDontPanik #42.1

Niemand wird das glauben und darum geht es auch nicht.
Es ist eine Geste der Unterwerfung ...


...

Quote[...] Die russischen Behörden haben zwei unabhängige Medien wegen ihrer Berichterstattung über den russischen Einmarsch in der Ukraine gesperrt. Wie russische Nachrichtenagenturen am Dienstag berichteten, gab der Generalstaatsanwalt diese Anweisung.

Die russische Medienaufsicht hatte laut den Berichten den Befehl, den Zugang zum Fernsehsender Doschd sowie zum Radiosender ,,Moskauer Echo" zu blockieren. Als Grund gab er demnach an, die beiden Sender verbreiteten ,,absichtlich falsche Informationen "über den russischen Einmarsch.

Doschd bestätigt auf Twitter den Schritt der Generalstaatsanwaltschaft. Der Chefredakteur von ,,Moskauer Echo", Alexej Wenediktow, erklärte im Messengerdienst Telegram, der Sendebetrieb sei eingestellt worden. Die Websites beider Medien konnten am Abend in Russland nicht aufgerufen werden.

Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte am Samstag allen einheimischen Medien die Charakterisierung des Großangriffs auf die Ukraine als ,,Angriff", ,,Invasion "oder ,,Kriegserklärung" untersagt. Sie verlangte, dass die Begriffe aus allen Berichten gelöscht werden, ebenso wie alle Hinweise auf von den russischen Streitkräften getötete Zivilisten.

Bereits damals hatte Roskomnadsor eine Reihe unabhängiger Medien, darunter auch Doschd und das ,,Moskauer Echo" beschuldigt, falsche Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und den Tod von ukrainischen Zivilisten zu verbreiten. (AFP)


Aus: "Russische Behörden sperren zwei unabhängige Medien" (01.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/angeblich-absichtlich-falsche-berichte-russische-behoerden-sperren-zwei-unabhaengige-medien/28120264.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Nach dem Erlass eines neuen Mediengesetzes in Russland stellen mehrere internationale Sender und Agenturen ihre Arbeit in dem Land ganz oder teilweise ein. "CNN wird den Sendebetrieb in Russland einstellen, während wir die Situation und unsere nächsten Schritte weiter bewerten", bestätigte ein Sprecher des US-Senders am Freitagabend auf Nachfrage. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor mitgeteilt, ihre Berichterstattung auf russischem Gebiet zu stoppen. Auch die britische BBC und der kanadische Sender CBC/Radio-Canada beenden zunächst jegliche Form der Berichterstattung auf dem Gebiet der Russischen Föderation.

Russlands Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Freitagabend mehrere Gesetze zur weiteren Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Russland, mit denen unabhängige Medienberichterstattung weiter beschnitten wird. Bis zu 15 Jahre Haft drohen demnach für die Verbreitung von angeblichen "Falschinformationen" über die russischen Streitkräfte. Strafen drohen auch jenen, die öffentlich die Armee "verunglimpfen". Das russische Parlament hatte zuvor einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt.

"Bloomberg News wird die Arbeit seiner Journalisten in Russland vorübergehend einstellen", teilte das Unternehmen mit Sitz in New York am Freitagabend mit. Die Änderung des Gesetzes scheine darauf abzuzielen, jeden unabhängigen Journalisten zu einem Kriminellen zu machen, erklärte Bloomberg-Chefredakteur John Micklethwait. Das mache es unmöglich, "irgendeinen Anschein von normalem Journalismus im Lande fortzusetzen".

"Aus Sorge um das Risiko für unsere Journalisten und Mitarbeiter in Russland haben wir unsere Berichterstattung vor Ort in Russland vorübergehend ausgesetzt", teilte die staatliche Rundfunkgesellschaft Kanadas CBC/Radio-Canada mit. Man sei "sehr besorgt" über die neue Gesetzgebung in Russland. Die unabhängige Berichterstattung über die aktuelle Situation in der Ukraine und in Russland werde dadurch offenbar "kriminalisiert".

Ähnlich äußerte sich die britische BBC am Freitag via Twitter. "Diese Gesetzgebung scheint den Prozess des unabhängigen Journalismus zu kriminalisieren", wird BBC-Generaldirektor Tim Davie in dem Tweet zitiert. "Das lässt uns keine andere Option, als die Arbeit aller Journalisten von BBC News und ihrer Mitarbeiter in der Russischen Föderation zu stoppen, während wir die vollen Auswirkungen dieser unerwünschten Entwicklung untersuchen."

Die Sicherheit der Mitarbeiter gehe vor, fuhr Davie fort. "Wir sind nicht bereit, sie dem Risiko der Strafverfolgung auszusetzen, nur weil sie ihren Job machen." Er sprach allen Mitarbeitern in Russland seinen Respekt aus, "für ihre Tapferkeit, Entschlossenheit und ihre Professionalität".

Das BBC-Nachrichtenprogramm in russischer Sprache werde jedoch von außerhalb Russlands weiter betrieben. Ebenso werde die Berichterstattung aus der Ukraine fortgesetzt. Die BBC bleibe ihrer Verpflichtung treu, unabhängige Informationen einem Publikum in aller Welt zugänglich zu machen, darunter auch Millionen Russen, die den BBC News Service nutzten.

Bereits seit vergangener Woche ist es Medien in Russland verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie "Angriff", "Invasion" und "Kriegserklärung" zu verwenden. Moskau bezeichnet den Krieg als militärische "Spezialoperation".

Am Freitag sperrten die Behörden das Online-Netzwerk Facebook und beschränkten den Zugang zu Twitter. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor begründete die Sperrung von Facebook damit, dass das Netzwerk russische Medien "diskriminiert" habe. Gründe für die Beschränkung des Zugangs zu Twitter gab Roskomnadsor zunächst nicht an. Die Behörde erklärte lediglich, Basis für die Zugangsbeschränkung sei ein Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 24. Februar – dem Tag des Beginns des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Über Facebook und Twitter hatten sich bisher viele Russen abseits der staatlichen Medien über den Einmarsch im Nachbarland informiert. Der Vizepräsident des Facebook-Konzerns Meta, Nick Clegg, erklärte zu der Blockade der Plattform in Russland: "Bald werden Millionen von einfachen Russen von verlässlichen Informationen abgeschnitten sein und zum Schweigen gebracht werden." Er kündigte an, alles zu unternehmen, um die Sperrung wieder aufheben zu lassen.

Die russischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen kritische Medienstimmen seit Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine verschärft. Der unabhängige Radiosender Echo Moskwy (Moskauer Echo) etwa hatte am Donnerstag seine Auflösung bekanntgeben müssen, nachdem er wegen seiner Berichterstattung über die Invasion in der Ukraine mit einem Sendeverbot belegt worden war. Auch der unabhängige Fernsehsender Doschd wurde verboten.

Am Freitag stellte mit der Website Snak ein weiteres unabhängiges Medium seine Arbeit ein. Die unabhängige Tageszeitung Nowaja Gaseta löschte im Internet ihre Berichterstattung über die Ukraine-Invasion.


Aus: "Mehrere internationale Medien stellen ihre Arbeit in Russland ein" (5. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/russland-bbc-fake-news

QuoteEgalite #3

Man könnte auch 24h eine schweigende Moderatorin vor die Kamera setzen und dann sagen: "Sorry, alle anderen Nachrichten wurden vom Staat zensiert.


QuoteCid84 #3.1

Das wäre zu viel Ehrlichkeit.


Quotemr_supersonic #4

Habe gestern eine etwas hysterische Frau erlebt, die vor kurzem noch in Moskau war. Sie behauptete irgendwas, dass Deutschland den Krieg angezettelt hätte.
Wer weiß, in was für einer Parallelwelt die Menschen in Russland leben....ich hoffe, dass die irgendwie aufwachen, bevor es zu spät ist.


QuoteVerbaler Spaltpilz #4.3

Es gibt Berichte und Videos im Dutzend die zeigen wie diese Propaganda schon verfangen hat. Da werden Russen Videos aus Kiew gezeigt, wie die russische Armee Artillerie gegen Wohngegenden einsetzt. Die Leute sagen das wäre doch nur westliche Propaganda um die Naziregierung der Ukraine zu schützen. ...


Quoteautopoietiker2 #12

Es ist schon erstaunlich, wie sich Russland in den letzten 20 Jahren verändert hat. Damals war es, was Journalismus betrifft, fast noch ein freies Land. Inzwischen ist es eines der restriktivsten und unfreiesten Länder der Welt, welches im Prinzip nur noch Staatspropaganda duldet. Wie konnte dies geschehen? Ich schätze mal, es gab ganz viele kleine Schritte. Es fing langsam an, und irgendwann war der Point- of- no-return erreicht, an dem sich die Medien nicht mehr aus den Fängen des Putin-Staates befreien konnten. Ab da wurden dann jegleiche Freiräume ausgeschaltet, bis zur heutigen Situation, in der es nur noch darum geht ein verbrecherisches Regime zu stützen.
Es gab wohl nie den großen Einschnitt, aber ganz viel Drehen an kleinen Schrauben, oft gar nicht mal wahrnehmbar. Und nun lebt man nur noch in der Lüge.


QuoteArkham2 #13

Jetzt bitte als Kontrapunkt zum russischen Vorgehen ein dickes Zeichen für die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit und den armen Assange endlich freilassen. Denn die Abgrenzung von den russischen Praktiken ist ja nicht eben leicht, wenn man selbst auf diesem Gebiet nicht astrein ist (ein Genuss: wie der aserbaidschanische Diktator Alijew im Interview einer BBC-Reporterin, die ihm Missachtung der Meinungsfreiheit vorwirft, den Fall Assange entgegehnhält und sie ins Stammeln und Straucheln bringt). ...


...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Schon vor dem Krieg in der Ukraine galt Russland wahrlich nicht als Paradies für die Pressefreiheit. Rang 150 von 180 belegte das größte Land der Erde zuletzt im Index der Organisation Reporter ohne Grenzen – immerhin noch vor Staaten wie Belarus, China und Nordkorea. Nun aber ziehen die russischen Behörden die Daumenschrauben deutlich an.

Laut einem neuen Gesetz drohen bis zu 15 Jahre Freiheitsentzug für diejenigen, die angebliche "Falschinformationen" über Russlands Armee verbreiten. Facebook und Twitter sind blockiert. Kritische Portale und Sender schließen. Auch mehrere ausländische Medien – darunter ARD, ZDF und die britische BBC – setzen ihre Berichterstattung aus Russland vorübergehend aus.

... Unterdessen schließt der bekannte kritische Radio-Sender Echo Moskwy, die Seite des Portals Meduza ist nicht mehr erreichbar, stellen die Medien Doschd und Znak ihre Arbeit vorerst ein. Selbst das Lifestyle-Magazin "The Village", das viele Großstadt-Hipster vor allem für Café- und Reise-Tipps aufrufen, schließt sein Moskauer Büro. Die Begründungen der Redaktionen lauten ähnlich: Die Angst um die Sicherheit der eigenen Mitarbeiter sei zu groß.

Hintergrund ist, dass Putin am Freitagabend mehrere Gesetze zur weiteren Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Russland unterzeichnete, mit denen unabhängige Medienberichterstattung weiter beschnitten wird. Bis zu 15 Jahre Haft drohen demnach für die Verbreitung von angeblichen "Falschinformationen" über die russischen Streitkräfte. Strafen drohen auch jenen, die öffentlich die Armee "verunglimpfen".

Die in Kriegsberichterstattung erfahrene "Nowaja Gaseta" schreibt am vergangenen Freitag: "Heute hat das russische Parlament eine Militärzensur eingeführt, ohne sie faktisch zu verkünden." Die Zeitung, deren Journalisten in den vergangenen Jahren immer wieder Opfer von Angriffen wurden, erklärt wenig später, unter den gegebenen gesetzlichen Bedingungen nicht mehr weiter über die aktuellen Ereignisse in der Ukraine berichten zu können.

"Wir werden nicht länger in der Lage sein, die Wahrheit über die Kämpfe in der Ukraine zu sagen und beiden Seiten das Wort zu überlassen. Wir werden den Beschuss in den Städten unseres Bruderlandes vorübergehend vergessen müssen", heißt es in einer Stellungnahme der Redaktion von Friedensnobelpreis-Träger Dmitri Muratow.

"Ich bin schockiert. Nicht nur von den Nachrichten, sondern auch von den Nachrichten über die Nachrichten", lässt der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny aus dem Straflager heraus ausrichten. "Bald wird euer Zugang zu Informationen in der Freiheit so sein wie bei mir im Gefängnis. Das heißt: gar keiner."

Repressionen gegen Medienschaffende seien in Russland zwar nicht neu, sagt Schriftstellerin und Journalistin Alissa Ganijewa der Deutschen Presse-Agentur. "Aber es war die Invasion in der Ukraine, die einen Ausgangspunkt bildete für ein schnelles, hyperbeschleunigtes Wachstum von Unterdrückung und Diktatur im Land." Das Verschwinden kritischer Stimmen sei eine "riesige Katastrophe", beklagt die 36-Jährige. "Russland wurde mit echter Zensur bedeckt." Die Folgen seien gravierend: "Millionen von Menschen, die vergiftet sind durch das starke Gift von Putins Propaganda, bleiben nun ohne Gegenmittel zurück."

Vor allem für ältere, nicht Internet-affine Russen wird es zunehmend schwer, sich unabhängig zu informieren. In sozialen Netzwerken veröffentlichen verbliebene kritische Medien Anleitungen zum Einrichten und Nutzen alternativer Verbindungen oder Browser, um ihre blockierten Seiten doch noch aufrufen zu können. Auf Instagram posten Nutzer Listen mit bewährten VPN-Anbietern ("Virtual Private Network") und bieten ihren Mitmenschen Hilfe bei der technischen Umsetzung an.

Zur wichtigsten Social-Media-Plattform ist vor allem für junge Russen Telegram geworden, wo gesperrte Medien ihre Inhalte weiter verbreiten können. Telegram-Mitbegründer Pawel Durow erklärte kürzlich, diese für viele mittlerweile einzige Informationsquelle auch künftig nicht beschränken zu wollen.

Eine 26 Jahre alte Moskauerin, die regelmäßig gegen Putins Vorgehen auf die Straße geht, erzählt, sie habe auf Telegram nun auch ständig die Kanäle von Aktivisten und Juristen im Blick. "Das ist der schnellste Weg, um zu erfahren, was in der Stadt passiert und wie man bei einem Protest nicht in Gefahr gerät." Bei offiziell verbotenen Anti-Kriegs-Demonstrationen sind Bürgerrechtlern zufolge in den vergangenen Tagen landesweit bereits mehr als 8.000 Menschen festgenommen worden.

Autorin Ganijewa zeichnet für die Zukunft ihres Landes unterdessen ein düsteres Bild: "Ich fürchte, dass wir bald eine schreckliche Wahl treffen müssen: entweder schweigen und unsere eigenen früheren Worte zurücknehmen oder ins Gefängnis gehen oder versuchen, in eine innere Emigration zu gehen, in eine Art Parallelsprache."

Die aktuellen Entwicklungen markierten das Ende einer post-sowjetischen Ära mit Hoffnung auf ein freieres Russland, meint sie. "Und plötzlich: Ende, Aus, Stille. Die aktuelle drakonische Realität bedeutet für Journalisten ein Berufsverbot und für Bürger ein Verbot der eigenen Meinung, des Denkens, des Mitgefühls, der Scham, des Gewissens, der Vernunft, der Wahrheit."


Aus: "Auf der Suche nach Fakten: Wie Russen sich jetzt noch informieren" (APA/dpa, 6.3.22)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133877464/auf-der-suche-nach-fakten-wie-russen-sich-jetzt-noch

Quote
homo ökonomicus

Mein Respekt für die Demonstranten!

Heute wurden in Moskau ca. 2.000 Demonstranten*innen festgenommen! Es braucht schon sehr viel Mut, auch zu sehen war, wie Polizisten diese armen Leute mit Schlagstöcken verprügeln ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sender ziehen Korrespondenten aus Moskau ab, weil sie nicht mehr frei berichten können. Die EU verbietet russische Staatsmedien. Wie die Informationsfreiheit im Krieg verloren geht und welche Regeln gelten, erklärt Tobias Keber im Interview.

LTO: Herr Professor Keber, Sie sind Medien- und Völkerrechtler. Was verstehen Sie unter einem "Informationskrieg"?

Prof. Dr. Tobias Keber: Das ist ein schillernder Begriff. Völkerrechtlich ist er nicht abschließend definiert, dennoch spricht man häufig davon, im internationalen Kontext insbesondere von "information warfare". Man kann sich darunter Unterschiedliches vorstellen, grundsätzlich geht es aber um zwei Punkte: Zum einen geht es um die Herrschaft über Inhalte – wer erhält welche Informationen? Zum anderen geht es um Angriffe auf Informations-Infrastrukturen, also zum Beispiel um Hackerangriffe oder militärische Cyber-Operationen. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sehen wir beides, Propaganda und massive Einschränkungen von Informationen in Russland, aber auch ein Hacking-Problem.

LTO: Die Deutungshoheit über das Kriegsgeschehen ist ein zentraler Punkt des Informationskriegs. Ist es geradezu typisch, dass im Kriegsfall Informations- und Meinungsfreiheit verloren gehen?

Prof. Dr. Tobias Keber: Ja, die Informations- und Meinungsfreiheit leiden in bewaffneten Konflikten. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele in der Geschichte. Etwa das sogenannten Rundfunkverbrechen im nationalsozialistischen Deutschland, ab 1939 war es ein Straftatbestand, Feindsender zu hören, es drohten Gefängnis, Zuchthaus oder sogar die Todesstrafe. Ein anderes Beispiel: Beim Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 spielten Radiosender eine große Rolle, sie brachten monatelange Hetzkampagnen. Das sind zwei Extreme, massive Einschränkung freier Kommunikation einerseits, Kriegspropaganda andererseits.


LTO: Russland hat laut Medienberichten inzwischen den Zugang zu Facebook, Twitter und anderen Netzwerken gesperrt, ebenso zu Auslandssendern wie der Deutschen Welle oder BBC. Journalisten drohen bis zu 15 Jahre Haft bei "Falschmeldungen" über das russische Militär. Wie bewerten Sie das?

Prof. Dr. Tobias Keber: Wenn man das an unseren Maßstäben misst: Das sind einschneidende Verletzungen der Informations- und Meinungsfreiheit, Verstöße gegen das Prinzip der Staatsferne und gegen das Prinzip der Programmfreiheit von Medien. Es ist auch eine klare Verletzung von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Demnach sind Einschränkungen der Meinungsfreiheit nur möglich, wenn sie verhältnismäßig sind – ähnlich wie wir es aus Artikel 5 Grundgesetz kennen. Russland hat die EMRK ratifiziert, wenn also etwa eine russische Journalistin in Straßburg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen diese Maßnahmen vorgehen würde, würde sie sicher Recht bekommen.

Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Russland sich vor dem EGMR wegen einer Verletzung der Kommunikationsfreiheiten verantworten muss. So hat der EGMR 2020 in vier Urteilen gegen die Russische Föderation festgestellt, dass die Sperrung von Websites und Medienplattformen in Russland mit dem in Artikel 10 EMRK garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nicht vereinbar war. Die Fälle betrafen unter anderem pauschale Sperrungen von oppositionsnahen Medien. In der Situation jetzt mit dem internationalen bewaffneten Konflikt zwischen der Ukraine und Russland gilt grundsätzlich nichts anderes, denn die Kommunikationsfreiheiten der EMRK werden durch das humanitäre Völkerrecht nicht verdrängt.

Leider hat Putin schon oft bewiesen, dass ihn die Entscheidungen des EGMR überhaupt nicht kümmern.


LTO: Schützt das Völkerrecht die Meinungs- und Informationsfreiheit – gerade im Kriegsfall?

Prof. Dr. Tobias Keber: Wir sind aus unserer westlichen Perspektive leicht geneigt zu glauben, freie Informationen und Meinungsaustausch, der sogenannte free flow of information sei ein universelles Menschenrecht. Aber ganz so einfach ist es nicht. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen, kurz UN-Zivilpakt oder IPbpR, den auch Russland ratifiziert hat, sieht zwar in Art. 19 Abs. 2 Meinungsfreiheit vor, aber aus Art. 19 Abs. 3 wird deutlich, dass weitgehende Einschränkungen möglich sind – Sicherheitsinteressen eines Staates können etwa ein Grund sein.

Diese gegenläufigen Prinzipien sehen Sie auch in der Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag zur Koordination des internationalen grenzüberschreitenden Fernmeldewesens, der von fast allen Staaten der Erde unterzeichnet und ratifiziert wurde. Das Prinzip free flow of information finden Sie dort in Artikel 33 und gleich im Anschluss ist das Gegenprinzip geregelt, nämlich, dass Staaten zum Anhalten von Kommunikation berechtigt sind, wenn diese ihre Sicherheitsinteressen berührt.

LTO: Was gilt für Kriegspropaganda?

Prof. Dr. Tobias Keber: Da müssen wir noch einmal zurück zum UN-Zivilpakt und finden direkt im Anschluss an die individuelle Kommunikationsfreiheit in Artikel 19 eine an die Staaten gerichtete objektivrechtliche Vorgabe. Art 20 IPbpR verbietet die Verbreitung von Kriegspropaganda! Und zwar sehr weitgehend, jede Kriegspropaganda und jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, muss durch Gesetz verboten werden. Das ist unter Medienrechtlern hochumstritten und einige demokratische Staaten wie Dänemark, Finnland, die Niederlande und die Schweiz haben bei Abschluss des Zivilpakts Vorbehalte gegen Artikel 20 IPbpR erklärt, weil sie nicht zuletzt wegen der unscharfen Begrifflichkeit eine zu starke Einschränkung des Meinungsaustausches und damit den in Artikel 19 geregelten Grundsätzen fürchten. Jedenfalls zeigt Artikel 20 IPbpR: Das Völkerrecht nimmt Kriegspropaganda sehr ernst, weil sie wirklich den internationalen Frieden gefährdet.

LTO: Das heißt alle Staaten, die den IpbpR ratifiziert haben – wie Deutschland –, müssen russische Propaganda, die den Angriffskrieg rechtfertigen soll, gesetzlich verbieten?

Prof. Dr. Tobias Keber: Das Problem ist: Was genau ist Kriegspropaganda? Bisher war das eine eher theoretische Frage. Wir haben hier eine Situation, die wir sehr lange nicht mehr hatten, einen Angriffskrieg, eine glasklare Aggression, die schlimmste Verletzung des Völkerrechts – und die wird begleitet mit Propaganda, etwa mit unwahren Behauptungen darüber, die russischstämmige Bevölkerung sei in der Ukraine gefährdet. Sind solche Fake News Kriegspropaganda? Da muss man beobachten wie andere Staaten darauf reagieren. Hier kann sich jetzt die für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht so wichtige Staatenpraxis zeigen.

LTO: Die EU hat Sanktionen gegen die russischen Staatsmedien Russia Today und Sputnik verhängt. Die Sender dürfen ihre Programme nicht mehr ausstrahlen, außerdem ist es etwa App Stores und Internet-Anbietern verboten, den Zugang zu diesen Medien zu ermöglichen. Halten Sie das für richtig?

Prof. Dr. Tobias Keber: Als Medienrechtler sehe ich das kritisch, es ist schon eine sehr weitgehende Einschränkung der Informationsfreiheit, wenn ganze Sender verboten werden. Als Völkerrechtler halte ich es für richtig. Das Gewaltverbot ist der Kern der Nachkriegsordnung der internationalen Staatengemeinschaft. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein so eklatanter Verstoß, wenn man nicht in diesem Fall den Völkerrechtbruch begleitende und ihn rechtfertigende Propaganda verbietet, wann dann?

LTO: Viele Sender, etwa CNN, BBC, ARD und ZDF, ziehen ihre Korrespondenten nun aus Russland ab, weil eine freie Berichterstattung nicht mehr möglich ist. Aus der Ukraine berichten aber weiterhin Kriegsreporter. Wie sind die von den Genfer Konventionen geschützt?

Prof. Dr. Tobias Keber: Man muss hier unterscheiden: Ein Kriegsberichterstatter ist jemand, der nah bei der Truppe agiert – das ist der "embedded journalism", das haben vor allem die US-Amerikaner im Irakkrieg so gemacht. Kriegsberichterstatter sind keine Kombattanten, aber sie bekommen den Status als Kriegsgefangene, falls sie festgenommen werden. Das ist gut, Kriegsgefangene werden durch die Genfer Konventionen besonders geschützt. Grundsätzlich sind Journalisten aus Sicht des humanitären Völkerrechts Zivilisten. Zivilisten sind durch die Genfer Konventionen geschützt – aber im Krieg, naja. Im Zweifelsfall hilft das nicht viel.

LTO: Im Netz kursieren Bilder, die angeblich russischer Soldaten in ukrainischer Kriegsgefangenschaft zeigen. Zu sehen ist etwa, wie einem russischen Soldaten Tee gereicht wird, ein anderer telefoniert weinend mit seiner Mutter, ein weitere bittet vor der Kamera um Verzeihung für die Angriffe. Verifizieren lassen sich die Aufnahmen derzeit nicht. Verstößt die Ukraine damit gegen die Genfer Konventionen?

Prof. Dr. Tobias Keber: Die Behandlung von Kriegsgefangenen regelt die 3. Genfer Konvention. In Artikel 14 ist festgelegt, dass die Gefangenen mit Würde zu behandeln sind, wörtlich heißt es, sie haben "unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und Ehre". Zudem sollen sie gemäß Artikel 13 vor öffentlicher Neugier geschützt werden. Es ist also klar, dass keine entwürdigenden Bilder gezeigt werden dürfen, wie etwa die Folterbilder aus dem US-Gefängnis Abu Ghraib im Irakkrieg. Wenn jetzt einem russischen Soldaten Tee gereicht wird, kann man darüber streiten: Degradiert ihn das? Es ist nicht unbedingt ein Verstoß gegen die Genfer Konvention, zumal sich das in erster Linie an die Konfliktparteien richtet und nicht an jeden Twitter User, der ein bestimmtes Bild retweetet. Aber mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sollte man solche Bilder ganz einfach nicht teilen.


LTO: Tun die großen sozialen Netzwerke wie Meta, Twitter und Youtube genug gegen Propaganda und Fake News? Oder braucht es gerade jetzt eine stärkere staatliche Regulierung?

Prof. Dr. Tobias Keber: Facebook, Instagram und Youtube haben russische Staatsmedien wie Russia Today und Sputnik blockiert, auch Twitter tut das jetzt, nachdem es zunächst staatsnahe Medien nur gekennzeichnet hatte. Die großen Netzwerke haben durchaus reagiert, aber das reicht nicht. Allerdings ist es auch nach wie vor unklar, wie sie am besten mit Desinformation und mit falschen Informationen umgehen sollten. Man braucht hier vor allem definitorische Klarheit. Die Hoffnung ist ja, dass mit dem Digital Services Act (DSA) der Europäischen Union künftig vieles besser wird. Der DSA soll einen klaren Rahmen für die großen Netzwerke abstecken, sodass Fake News und Hatespeech besser bekämpft werden können und Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Ob das so gelingt, bleibt abzuwarten, bisher ist noch nicht klar, wie genau die Regelungen aussehen sollen.


Prof. Dr. iur. Tobias Keber ist Professur für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft an der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart. Promoviert hat er zum Begriff des Terrorismus im Völkerrecht, zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten gehört das internationale Medienrecht.

...


Aus: "Informationsfreiheit im Ukraine-Krieg "Wenn man nicht in diesem Fall Pro­pa­ganda ver­bietet, wann dann?" Interview von Annelie Kaufmann (07.03.2022)
Quelle: https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/informationsfreiheit-ukraine-krieg-voelkerrecht-medienrecht-journalisten-genfer-konvention-bilder-kriegsgefangene-verbot-propaganda/


Textaris(txt*bot)

Quote[....] Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Donnerstag den Eilantrag der RT DE Productions GmbH gegen die Untersagung des Fernsehprogramms RT.DE abgelehnt. Damit wollte die Produktionsfirma das Verbot des deutschsprachigen Angebots von RT - ehemals Russia Today - aushebeln.

Die von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ausgesprochene Beanstandungs- und Unterlassungsverfügung, der eine Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten zugrunde liegt, sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig, teilte die MABB am Freitagmorgen mit.

Neben der EU haben nun auch die britischen Behörden dem russischen Staatssender RT die Sendelizenz entzogen. Der Sendestopp gelte "ab sofort", gab die britische Medienaufsicht Ofcom am Freitag bekannt. Großbritannien folgte damit einem ähnlichen Schritt der EU-Staaten, die den russischen Sender wegen seiner Berichterstattung über den Ukraine-Krieg bereits verboten haben. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete das Verbot als ein weiteres Beispiel für den westlichen "antirussischen Wahnsinn", der die Meinungsfreiheit aushöhle.

Die MABB hatte das Verbot für RT.DE mit der fehlenden Lizenz begründet. In Deutschland herrscht für den Rundfunk das Prinzip der Staatsferne. Da Russia Today und seine internationalen Ableger vom russischen Staat finanziert werden, gäbe es wenig Chancen für die Erteilung einer deutschen Lizenz. Russia Today beruft sich auf eine serbische Lizenz, die allerdings aus Sicht der deutschen Landesmedienanstalten für ein Programm wie RT.DE nicht ausreicht.

,,Dieses medienrechtliche Verfahren ist Ausdruck eines funktionierenden Rechtsstaats", so MABB-Direktorin Dr. Eva Flecken. ,,Rechtsstaatlichkeit ist die Voraussetzung für eine freiheitliche und demokratische Medienöffentlichkeit. Rundfunk in Deutschland braucht eine Lizenz. Darüber kann sich auch RT.DE nicht hinwegsetzen. Ich freue mich, dass das Gericht unser Vorgehen bestätigt." Das Gericht begründet seine Entscheidung nicht nur mit einer Interessenabwägung, sondern bestätigt vielmehr auch die Rechtmäßigkeit der Entscheidung.

Die RT DE Productions GmbH kann gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen. Das Hauptsacheverfahren läuft weiterhin.

Die MABB hatte erst am Donnerstag das Zwangsgeld gegen die RT DE Productions GmbH von 25.000 auf 40.000 Euro erhöht. Das Zwangsgeld wurde angeordnet, weil RT.DE weiterhin über einige Webseiten zu erreichen sei, so die Medienanstalt.

So lange das Programm von RT.DE produziert und ins Internet eingespeist wird, können zudem die Geosperren umgangen werden, mit denen ein Abruf aus der EU sonst unterbunden wird.


Aus: "Verwaltungsgericht bestätigt Verbot von RT.DE" Kurt Sagatz (19.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/schlappe-fuer-russia-today-verwaltungsgericht-bestaetigt-verbot-von-rt-de/28176686.html

-

Quote[...] Ihr nun europaweites Verbot hatten EU-Vertreter damit begründet, es handele sich bei RT und Sputnik nicht um journalistische Medien, sondern um Waffen des Kremls in einem Informationskrieg. Redefreiheit dürfe nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbraucht werden, erklärte etwa EU-Kommissionsvize Vera Jourova.

Bereits im Vorfeld war auch Kritik an den EU-Plänen laut geworden. Zwar handle es sich um ,,Propagandakanäle", dennoch sei ein Verbot ,,nicht zielführend", hatte etwa Reporter ohne Grenzen erklärt. Die negativen Auswirkungen eines solchen Verbots auf die Berichterstattung aus Russland könnten schwerer wiegen als die kurzfristig beabsichtigten Effekte.
,,Wer ,Russia Today' und ,Sputnik' verbietet, wird künftig ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen, die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in, zum Beispiel, Russland zu kritisieren", kritisierte am Tag nach der EU-Entscheidung in der ,,Welt" Deniz Yücel, Präsident des deutschen PEN-Zentrums. Selbst wenn manche Menchen auf Russlands Propaganda hereinfielen, fragt Yücel, ,,besteht die Stärke liberaler Gesellschaften nicht genau darin, auch – pardon my French – allerlei Scheißdreck aushalten zu können?"

...


Aus: "EU-Verbot von RT und Sputnik,,Wir erleben einen Informationskrieg"" Michael Borgers | Stephan Weichert im Gespräch mit Sebastian Wellendorf (03.03.2022)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/eu-verbot-rt-de-debatte-reaktionen-100.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Russlands Medienaufsicht hat die Seiten des europäischen Fernsehsenders Euronews blockiert. Betroffen von der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft ist auch das russischsprachige Angebot des Senders, wie aus Angaben der Behörde Roskomnadsor vom Montag hervorgeht. Als Grund nannte die Nachrichtenagentur Tass "Falschinformationen" von Euronews über die "Spezial-Operation" in der Ukraine, wie der Krieg gegen das Nachbarland in Russland offiziell genannt wird.

Moskau hatte Anfang März ein neues Mediengesetz eingeführt, das angebliche Falschinformationen über die russischen Streitkräfte mit drastischen Strafen belegt. Am Montagnachmittag hatte ein Gericht zudem die beiden bereits blockierten Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram als "extremistisch" verboten. Hintergrund ist eine Entscheidung des US-Konzerns Meta, zu dem Facebook und Instagram gehören, Aufrufe zur Gewalt gegen russische Truppen in der Ukraine zuzulassen.




Aus: "Russland blockiert europäischen Sender Euronews" (22.03.2022)
Quelle: https://www.heise.de/news/Russland-blockiert-europaeischen-Sender-Euronews-6602352.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bern – Das Parlament in Bern hat am Dienstag entschieden, dass es für potenziell Betroffene einfacher wird, eine missliebige Publikation zu verhindern. Dies gegen den Willen der Regierung und der gesamten Schweizer Medienbranche: Verleger, Medienschaffende, das öffentlich-rechtliche Medienhaus SRG und der Schweizer Presserat hatten in einer gemeinsamen Mitteilung vergeblich vor einem drohenden Abbau der Medienfreiheit gewarnt. "Die Änderung öffnet Tür und Tor für das vorschnelle Stoppen missliebiger, kritischer Recherchen", heißt es in der Mitteilung.

Die Mehrheit des Nationalrats, die den Vorschlag am Dienstag mit 99 zu 81 Stimmen genehmigte, sah es aber anders. So sagte die liberale Abgeordnete Patricia von Falkenstein: "Das ist keine Zensur. Es geht darum, dass Menschen oder Unternehmen besser geschützt werden vor widerrechtlichen Angriffen auf ihre Persönlichkeitsrechte."

Bereits vergangene Woche hatte es eine Kommission des Schweizer Parlaments abgelehnt, das Bankengesetz zu entschärfen. Gemäß dem heute geltenden Gesetz drohen Medienschaffenden bis zu drei Jahre Gefängnis, wenn sie vertrauliche Bankdaten publizieren.

Dieser "Maulkorbparagraf" wird auch international kritisiert, so etwa von der Uno-Berichterstatterin für Pressefreiheit, Irene Khan. "Das Gesetz ist ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten", sagte Khan in den Tamedia-Zeitungen. Solche Strafandrohungen würden Medienschaffende zu Selbstzensur verleiten.

Dass dies keine bloße Vermutung ist, zeigte sich diesen Frühling, als die Zeitungen des Schweizer Tamedia-Verlages, die sich sonst regelmäßig an internationalen Netzwerkrecherchen beteiligen, an der Publikation der sogenannten Suisse Secrets nicht mitwirkten. Dabei ging es um Enthüllungen über problematische Kunden der Großbank Credit Suisse – brutale Machthaber, korrupte Politiker, Kriegsverbrecher und andere Kriminelle. (Klaus Bonanomi aus Bern, 10.5.2022)


Aus: "Bern - "Maulkorbparagraf": Schweizer Parlament schränkt Pressefreiheit ein" (10. Mai 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000135598254/maulkorbparagraf-schweizer-parlament-schraenkt-pressefreiheit-ein

Quote
WWH

Geld wirkt ...

Diese Entscheidung des Schweizer Parlaments ist ein Keulenschlag gegen die kritischen Medien und macht deutlich, was den Parlamentarier/inne/n wichtig ist: Geld!!


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Russland (155) hat nach dem Überfall auf die Ukraine die Pressefreiheit im eigenen Land de facto abgeschafft, in der Ukraine (106) starben durch die Kriegshandlungen innerhalb weniger Wochen sieben Medienschaffende.

Gleich viele waren es nur in Mexiko (127)

...


Aus: "Neue Rangliste der Pressefreiheit 2022" (28.04.2022)
Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/reporter-ohne-grenzen-veroeffentlicht-rangliste-2022

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Woche nach dem Verschwinden eines britischen Journalisten und eines Indigenen-Experten tief im brasilianischen Amazonasgebiet sind Medienberichten zufolge persönliche Gegenstände der beiden gefunden worden. Feuerwehrleute hätten in einem Überschwemmungsgebiet am Itaquaí-Fluss im Wasser unter anderem die Krankenversicherungskarte des brasilianischen Experten Bruno Pereira entdeckt, berichtete unter anderem das Portal ,,G1" am Sonntag (Ortszeit) unter Berufung auf die Polizei.

Gefunden wurden demnach außerdem ein Rucksack des Journalisten Dom Phillips sowie Kleidung und Schuhe beider Männer. In der Umgebung des Fundorts, nahe der Grenzen mit Kolumbien und Peru, war den Angaben zufolge ein Boot eines bereits festgenommenen Verdächtigen entdeckt worden. Die Gegenstände, darunter ein Laptop, seien an einen Baum gebunden gewesen, berichteten brasilianische Medien unter Berufung auf einen Feuerwehrsprecher. Im Zuge der Ermittlungen werde in dem Gebiet weiter getaucht.

Phillips und Pereira waren nach Angaben einer regionalen Indigenen-Organisation nicht wie geplant am 5. Juni mit dem Boot in der Stadt Atalaia do Norte im äußersten Westen Brasiliens angekommen. Zuvor hatte Pereira bei der Polizei gemeldet, mehrmals bedroht worden zu sein. Indigene, Familienangehörige, Freunde und Kollegen äußerten sich besorgt, die Suche nach den zwei Vermissten sei schleppend angelaufen und werde nicht entschlossen genug geführt. Das UN-Menschenrechtsbüro forderte die brasilianischen Behörden auf, die Bemühungen zu verstärken.

Bei der Suche nach den beiden Vermissten untersuchten Ermittler im Amazonas-Regenwald am Freitag mögliche menschliche Überreste und einen Ort, an dem offenbar etwas vergraben wurde, wie Feuerwehr und Polizei mitteilten. Am Donnerstag hatten Ermittler bereits Blutspuren im Boot eines festgenommenen Verdächtigen gefunden.

Der 57-jährige Phillips, der als freier Korrespondent regelmäßig für die britische Zeitung ,,The Guardian" schreibt, hatte zusammen mit Pereira im Javari-Tal nahe der Grenze zu Peru für ein Buch über Gewalt gegen Indigene recherchiert. Seit Sonntag werden sie vermisst. In der Region sind Goldgräber, Wilderer und Drogenbanden aktiv. Indigenen-Organisationen zufolge waren die Männer zuvor bedroht worden.

Am Mittwoch hatten die Ermittler den 41-jährigen Amarildo da Costa de Oliveira festgenommen. Laut Polizei wurden bei ihm bei einer zufälligen Kontrolle Drogen sowie Patronen für ein Sturmgewehr gefunden. Zeugen gaben an, den Mann gesehen zu haben, wie er das Boot von Phillips und Pereira verfolgte. Im Boot des Mannes wurden später die Blutspuren gefunden, die nun in einem forensischen Labor in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, untersucht werden.

Pereira, der für die Regierungsbehörde für indigene Angelegenheiten (Funai) arbeitet, erhält regelmäßig Drohungen von illegalen Holzfällern und Bergleuten, die versuchen, in das Land isolierter indigener Gruppen einzudringen. In den vergangenen Jahren hatte die Gewalt in der Region aufgrund der Anwesenheit von illegalen Bergleuten, Jägern und Fischern zugenommen.

Phillips Familie forderte von den brasilianischen Behörden mehr Einsatz bei der Suche nach den beiden Männern. Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro sagte, er ,,bete zu Gott, dass sie lebend gefunden werden" , wobei ,,mit jedem Tag, der vergeht, die Chancen schwinden". Die Expedition der beiden bezeichnete er jedoch als ,,Abenteuer" , auf das sie sich ohne angemessene Begleitung eingelassen hätten. (AFP)


Aus: "Britischer Journalist und sein Begleiter in Brasilien verschwunden" (13.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/persoenliche-gegenstaende-von-vermissten-gefunden-britischer-journalist-und-sein-begleiter-in-brasilien-verschwunden/28414600.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde (RTÜK) hat nach eigenen Angaben die Internetangebote der Deutschen Welle (DW) und des US-Auslandssenders Voice of America in der Türkei gesperrt. Der RTÜK-Vorsitzende İlhan Taşcı schrieb auf Twitter, der Zugang zu den beiden Sendern, die keine Lizenz beantragt hätten, sei von einem Gericht auf Antrag seiner Behörde blockiert worden.

Die Deutsche Welle bestätigte die Sperrung ihrer Websites. Die Angebote seien dort am Donnerstagabend in allen 32 Sendesprachen gesperrt worden, teilte der deutsche Auslandssender mit. Die Deutsche Welle kündigte an, juristisch gegen die Sperre vorzugehen. In den sozialen Medien könnten sich Nutzerinnen und Nutzer informieren, wie eine Zensur umgangen werden kann.

Die türkische Kontrollbehörde hatte von ausländischen Sendern schon vor Monaten verlangt, eine Lizenz für Internetangebote zu beantragen. Die Deutsche Welle hatte daraufhin angekündigt, gerichtlich dagegen vorzugehen. Die Deutsche Welle teilte dazu mit: "Dem war die DW nicht nachgekommen, weil eine Lizenzierung die Zensur von redaktionellen Inhalten durch die türkische Regierung ermöglicht hätte." 

Intendant Peter Limbourg sagte, dies sei dem Chef der Behörde auch persönlich erläutert worden. Beispielsweise seien lizenzierte Medien zur Löschung von Onlineinhalten verpflichtet, die die RTÜK für unangemessen erachte. "Das ist für einen unabhängigen Medienanbieter schlicht inakzeptabel."

Die Aufforderung zur Lizenzbeantragung beruht auf einer 2019 in Kraft getretenen Regelung. Die islamisch-konservative Regierung hat darüber eine weitreichende Kontrolle von Internetplattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten. Türkische Medien stehen zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der islamisch-konservativen Regierung, auch Inhalte im Internet unterliegen starker Regulierung. Regierungsnahe Vertreterinnen haben eine Mehrheit in dem RTÜK-Gremium.

Medienverbände haben die Sperrung kritisiert. Die Regierung des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan scheine ihre "ständigen Angriffe auf unabhängige Medien im Land" nun auch auf ausländische Medien ausweiten zu wollen, sagte der Geschäftsführer von Reportern ohne Grenzen, Christian Mihr, der Nachrichtenagentur dpa. Inzwischen stehe die Medienlandschaft in der Türkei zu fast 90 Prozent unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute.

Auch die Bundesregierung kritisierte die Sperrung. Man nehme die Entscheidung "mit Bedauern zur Kenntnis", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Es obliege der DW als unabhängigem Sender, welche Konsequenzen sie daraus ziehe. Die Sorge über die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei bestehe fort, Deutschland werde sich weiterhin für einen "unabhängigen, faktenbasierten Journalismus" in der Türkei einsetzen.

Medienstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, dass die Bundesregierung das Thema mit den türkischen Gesprächspartnern weiter kritisch erörtern werde. "Unabhängiger Journalismus und der Zugang zu vielfältigen Informationsquellen mit auch unterschiedlichen Meinungen ist eine notwendige Voraussetzung für freie und faire Wahlen", sagte Roth anlässlich der anstehenden Wahlen in der Türkei im Jahr 2023.

Der Journalistenverband DJV forderte die Bundesregierung auf, sich für eine Aufhebung der Sperrung einzusetzen. "Die Sperre der Deutschen Welle ist durch nichts anderes zu rechtfertigen als durch pure Willkür der Erdoğan-Autokratie", kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.


Aus: "Website der Deutschen Welle in der Türkei gesperrt" (1. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-07/deutsche-welle-sperrung-tuerkei

Quotealisören #9

Diktatoren machen das immer so.


QuoteDoc Brown #9.1

Dann ist Deutschland nach dem Verbot von RT auch Diktatur?


QuoteCH-CH #9.2

Die DW mit RT zu vergleichen bzw. gleich zu setzen zeigt Ihre Expertise in diesem Gebiet.


QuoteSool #29

Die Propaganda machen immer nur die Anderen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Kiew/Moskau – Nach Angaben des Internationalen Presse-Instituts (IPI) hat es seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs 910 Fälle von physischer Gewalt, Zensur, Verhaftungen oder andere Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland und der Ukraine gegeben. Russland soll für 80 Prozent der Vorfälle verantwortlich sein. Zumindest zehn Journalisten sind in der Ukraine im Rahmen ihrer Arbeit getötet worden, mehr als 30 wurden verletzt.

In Russland wurden laut den IPI-Daten zumindest 160 Medienvertreterinnen und -vertreter inhaftiert. Häufig traf es Journalistinnen und Journalisten, die über Proteste und Demonstrationen berichteten. Mindestens 187 Mal wurden Nachrichtenseiten aufgrund von unliebsamer Kriegsberichterstattung gesperrt.

"Unsere Daten bestätigen, dass in diesem Angriffskrieg gegen die Ukraine die Medien eindeutig von russischen Streitkräften und Behörden ins Visier genommen werden", wurde IPI-Geschäftsführer Frane Maroevic zitiert. Der Angriffskrieg Russlands fordere einen hohen Tribut von unabhängigen Medienschaffenden in der Region. (APA, 16.2.2023)


Aus: "Über 900 Angriffe auf Pressefreiheit seit Start des Ukraine-Kriegs" (16. Februar 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000143604226/ueber-900-angriffe-auf-pressefreiheit-seit-start-des-ukraine-kriegs


Textaris(txt*bot)

Quote[...] In ihrer Verteidigungsrede vor Gericht  prangerte die Journalistin die Willkürjustiz in Russland an. »Was ist wirklich los in unserem Land?«, fragte sie im Gerichtssaal. »Wenn es einen Krieg gibt, dann nennt den Krieg beim Namen.« Aus welchem Grund sie zensiert werde, könne sie nicht verstehen.

Ponomarenko bezieht sich auf ein viel kritisiertes Gesetz, das in Russland kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine in Kraft getreten war. Auf dessen Grundlage können Medien und Einzelpersonen für die Verbreitung von »Diskreditierungen der russischen Armee« mit hohen Strafen belegt werden. Unter diese Formulierung können praktisch alle Nachrichten fallen, die mit Blick auf den Krieg in der Ukraine nicht die offizielle Kremldarstellung widerspiegeln. Unter anderem das Wort »Krieg« gilt in der Berichterstattung in Russland als verboten – er darf in Moskau offiziell weiter nur als »militärische Spezialoperation« bezeichnet werden.
...


Aus: "Für Ukraine-Berichterstattung: Russische Journalistin muss sechs Jahre in Haft" (15.02.2023)
Quelle: https://www.spiegel.de/ausland/russland-journalistin-maria-ponomarenko-fuer-ukraine-bericht-verurteilt-a-0f82ebf0-8722-43fa-ac4d-5748597c2839


Aktuell Russische Föderation 15. Februar 2023
... Die Journalistin Maria Ponomarenko aus Barnaul in Westsibirien ist zu sechs Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt worden. Ein russisches Gericht befand sie der "wissentlichen Verbreitung falscher Informationen" über die russischen Streitkräfte für schuldig. Ponomarenko hatte unter anderem über den Angriff der russischen Streitkräfte auf das Theater in der ukrainischen Stadt Mariupol berichtet, bei dem zahlreiche Zivilpersonen getötet wurden. Amnesty International fordert die umgehende und bedingungslose Freilassung der Journalistin.  ...
https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/russland-journalistin-maria-ponomarenko-haftstrafe

Textaris(txt*bot)

#272
Quote[...] In Deutschland ist im vergangenen Jahr der höchste Wert an Straftaten gegen Medienvertreter seit Aufzeichnungsbeginn 2016 erfasst worden. Der kriminalpolizeiliche Meldedienst zählte in der Rubrik politisch motivierte Kriminalität 320 Straftaten gegen Medienvertreter, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Das Dokument liegt ZEIT ONLINE vor. Zuerst hat die Welt darüber berichtet.

Unter den 320 Straftaten waren demnach 46 Gewaltdelikte, 41 Nötigungs- und Bedrohungsdelikte, 31 Sachbeschädigungen und 27 Volksverhetzungen. Am Rande von Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen wurden demnach insgesamt 64 Straftaten gegen Journalisten registriert – darunter 15 Gewaltdelikte. Damit ging ein Drittel aller gewaltsamen Angriffe auf Demonstrationen gegen die Corona-Politik zurück.

Wie schon in den vergangenen Jahren setzte sich bei der Zahl der Delikte gegen Medienschaffende ein Anstieg fort. So hatte es im vorvergangenen Jahr 276 Straftaten gegeben, darunter 30 Gewaltdelikte; 2020 waren es 260 Straftaten gewesen (32 Gewaltdelikte), 2019 waren es 104 und im Jahr davor 93 Straftaten. Das geht aus früheren Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linksfraktion hervor.

Binnen vier Jahren hat sich die Zahl der Angriffe auf Pressevertreter damit etwa vervierfacht. Die Straftaten gegen Medienvertreter werden erst seit 2016 statistisch erfasst. Damals hatte die Zahl bei 193 gelegen. Im Folgejahr war sie deutlich auf 85 gesunken.

Am meisten Straftaten registrierten die Behörden vergangenes Jahr den Angaben nach in Sachsen (69) und Berlin (66). Dahinter folgten Bayern mit 40 und Thüringen mit 26 Vorfällen. In Bezug auf die Corona-Proteste 2022 ergibt sich im Ländervergleich ein eindeutiges Bild: Hier lag Sachsen mit 34 Straftaten klar an der Spitze – gefolgt von Thüringen mit acht Übergriffen.

Die medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion Petra Sitte, die die Anfrage gestellt hatte, nannte die Zahlen in der Welt einen "traurigen Höchststand". In Bezug auf die Gewaltdelikte auf Corona-Protesten sagte sie: "Selbst wenn die Anlässe für solche Proteste wegfallen, wird die Radikalisierung und pressefeindliche Haltung bestimmter Gruppen ein anhaltendes Problem sein." Um Medienschaffende zu schützen und freie Berichterstattung zu gewährleisten, brauche es "endlich eine übergreifende Bund-Länder-Strategie".

So verlangt Sitte etwa, die Bundesregierung solle kontinuierliche Lagebilder erstellen und im Melderecht einen "besseren gesetzlichen Schutz für Medienschaffende" gewährleisten. Das Bundesmeldegesetz solle geändert werden, sodass ein Antrag auf Auskunftssperre für Journalisten in der Regel bewilligt würde. Die Dauer der Auskunftssperre solle von zwei auf fünf Jahre verlängert werden.


Aus: "Zahl der Angriffe auf Medienschaffende in Deutschland nimmt stark zu" Leon Holly (12. März 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-03/angriffe-journalisten-gestiegen-hoechstwert-presse

QuoteGL-MV1000 #3

Gegen Pressevertreter, gegen die Polizei, gegen Rettungsdienste, usw. ...


QuoteGerd Ruhlauf #5.1

Auch so eine Absurdität: Leute, die "Lügenpresse" brüllen und dann als Beweis, dass die Medien in Deutschland lügen und Informationen unterdrücken, auf FOX News verweisen. Den Sender, dessen Eigentümer gerade vor Gericht einräumen musste, dass man Lügen verbreitet hat, obwohl man wusste, dass es Lügen sind.

[" ... Fox News hat Trumps Mär verbreitet, die US-Wahl sei maschinell manipuliert worden. Nun steht der Sender vor Gericht. Der Heuchelei ist er schon überführt. Die Chefs und Moderatoren glaubten nämlich selbst nicht, was sie sagten. Die vorgelegten Dokumente zeigen, dass selbst die Hardliner des Senders – Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham – hinter vorgehaltener Hand über die Wahlbetrugs-Hysterie spotteten, die Donald Trump und seine Vasallen, allen voran die Anwälte Rudy Giuliani und Sydney Powell, nach der verlorenen Wahl von 2020 verbreiteten. Powell und Giuliani behaupteten, eine internationale Verschwörung mit Hillary Clinton, George Soros, der CIA und dem (2013 verstorbenen) venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez habe mithilfe von Wahlautomaten Millionen von Trump-Stimmen für Biden umgemünzt.
Unter anderem kamen SMS-Nachrichten von Carlson und Ingraham ans Licht, in denen Carlson Trumps Anwältin Sydney Powell als Lügnerin bezeichnet. Ingraham antwortete, Powell sei total durchgeknallt. ,,Keiner will mit ihr zusammenarbeiten. Ditto Rudy." Ingraham bezeichnete Rudy Giuliani als ,,Idiot". Sean Hannity, die Nummer zwei des Senders nach Carlson, befand, Giuliani ,,benimmt sich wie eine geisteskranke Person". Sogar Rupert Murdoch, zu dessen Medienimperium Fox News gehört, äußerte sich kritisch. Es sei ,,sehr schlecht", dass Giuliani Trump berate. Den Gerichtsunterlagen zufolge hielt Murdoch die Sage von der gestohlenen Wahl für Unsinn. Er brachte am 5. Januar 2021, dem Tag vor dem Sturm aufs Kapitol, sogar ins Gespräch, Ingraham, Hannity und Carlson gemeinsam auftreten und Biden zum Sieger der Wahl erklären zu lassen, um ,,den Trump-Mythos von der gestohlenen Wahl zu stoppen". Dass dies nicht geschah, ist dem Kalkül zu verdanken, das den Senderverantwortlichen seit Langem vorgeworfen wird: Die Hysterie über den vermeintlichen Wahlbetrug zog offenbar Zuschauer. Kleinere Kanäle wie Newsmax und One America Network, die aggressiv die von Powell und Giuliani aufgebrachten Verschwörungstheorien vertraten, hatten nach der Wahl zeitweilig beachtlichen Zulauf, während bei Fox News die Quoten vorübergehend sanken. Wenige Tage nach der Wahl schrieb Fox-News-Präsident Jay Wallace in einer SMS: ,,Der Newsmax-Boom ist etwas beunruhigend – ist echt ein alternatives Universum, aber kann nicht ignoriert werden." Ein anderer Top-Manager schrieb: ,,Solcherart verschwörerische Berichterstattung könnte genau das sein, was der enttäuschte Fox-News-Zuschauer will."
Fox News fiel bei Trump und seinen Fans nach der Wahl in Ungnade, weil der Sender als Erster den entscheidenden Bundesstaat Arizona für Biden ausgerufen hatte und sich von Interventionen aus Trumps Entourage nicht beeindrucken ließ. Trump rief seine Fans auf, lieber Newsmax als Fox News einzuschalten. Rupert Murdoch schrieb daraufhin in einer E-Mail: ,,Wir sollten Trump nicht noch weiter gegen uns aufbringen." Mehrere Journalisten von Fox News wurden den Dokumenten zufolge gemaßregelt, weil sie die Behauptungen von Trump, Powell und Giuliani überprüften und nachwiesen, dass sie falsch waren. Als die Fox-News-Korrespondentin im Weißen Haus ebendies tat, erregte sich Carlson in einer SMS an Hannity darüber, dass solche Faktenchecks ,,messbar das Unternehmen schädigen. Der Aktienkurs fällt. Kein Witz." Unterdessen schrieb die Ge­schäftsführerin von Fox News, Suzanne Scott, dem Murdoch-Sohn Lachlan, der Vorsitzender der Fox Corporation ist, man müsse ,,die Zuschauer wissen lassen, dass wir sie hören und respektieren". Die Zuschauer zu ,,respektieren" wurde unternehmensintern zum Euphemismus fürs Sich-Anbiedern an ein von Verschwörungstheoretikern angestacheltes Publikum, das die Wahrheit nicht hören wollte. ..." Aus: "Lügen, damit die Zuschauer bleiben" Nina Rehfeld, Sedona (20.02.2023), https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/fox-news-wegen-wahlfaelschungsluege-vor-gericht-18692629.html]


QuoteEarl Byrd #6

Wie ist es eigentlich um die Medienkompetenz nicht nur der Jugendlichen, sonder der breiten Bevölkerung in Deutschland bestellt? Und zwar speziell im Bezug auf klassische Medien? Ich vermute, die Vorstellungen darüber, wie Zeitung, Fernsehen und Radio tatsächlich alltäglich gemacht werden, was journalistisches Handwerk wirklich ist, hat mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun.

Ich glaube, kaum jemand weiß, wie Themen gefunden werden, wie Recherche abläuft, Verfikation, welche Rechte die Presse hat - und welche nicht (zum Beispiel zu lügen). Ich wünsche mir eine große Umfrage, um das Bild der Presse in Deutschland detailliert ans Licht zu bringen, und dann Maßnahmen zur Korrektur. Es kann nicht sein, dass die einzige funktionierende politische Kontrollinstanz im Untergang begriffen bleibt.

Einstweilen könnte man schon mal anfangen und der Yellow-Press die Verblödung ihrer Leserinnen verbieten und den Fachzeitschriften (nicht: Special-Interest-Publikumszeitschriften) erklären was sie damit anrichten, wenn sie z.B. Interviews kaufen lassen oder keine Trennung von Redaktion und Anzeigen einhalten. Da ist sehr viel skrupellose Gier im Spiel, die ungeheuer schädlich für das Bild der Presse allgemein ist.


QuoteSotsch #9

Da scheint es, dass das Vertrauen in die Medien und Medienschaffenden stark zurück geht und das Gefühl, das die Berichterstattung unter:
-Haltung journalismus
- verunglimpfung und abschieben in eine radikale Ecke
- falsch wiedergegeben oder einem Worte in den mund gelegt werden.
Da kann man schon die Wut vieler Aktivisten verstehen. Gewalt ist keine Lösung, allerdings muss sich die Medienlandschaft auch fragen ob das click-baiting nicht an der Verantwortung, die den Journalismus begleitet nicht ein Schuss ins eigene Bein ist. Bei corona war der Haltungs journalismus sehr bedenklich und die spät und folge Folgen der neuartigen Arzneimittel (Impfung) noch nicht erforscht.

Wie heist es so schön, ein guter Journalist weis vorher schon was er schrieben will.


QuoteEarl Byrd #9.1

"Wie heist es so schön, ein guter Journalist weis vorher schon was er schrieben will."
Ach heißt es das, ja? Wo denn, wo steht das? Wer sagt das?


QuoteSotsch #9.2

Common sense


QuoteEarl Byrd #9.3

In gewissen Kreisen vielleicht. ...


QuoteBlowed Washed #10

Ich werde diese Veranstaltungen mit gezielten Angriffen auf Journalisten nie verstehen. Wenn ich für ein Anliegen demonstriere, muss mir doch die Presse als gewaltige Verbreitungshilfe meiner Meinung hochwillkommen sein. Nein, man macht sich völlig zum Horst, indem man rumpöbelt anstatt die Hintergründe seines Protestes in eine Kamera zu erläutern, und so eine enorme Reichweitensteigerung zu erzielen. Vielleicht gehts aber auch nur um ein Rumbrüllen in einer Menge von Gleichgesinnten, je blöder desto besser, ähnlich wie bei einem Fussballspiel. Das wäre einem hinterher natürlich eher peinlich, dabei will man sich anschließend nicht in der Tagesschau zuschauen müssen.


QuoteFuchsjux #16

Nichts rechtfertigt Gewalt - aber - die Medien - besonders die öffenltich rechtlichen - haben hierzulande mittlerweile ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem. Und an dem sind auch die Journalisten nicht ganz unschuldig.

Nur ein Beispiel - jedesmal, wenn die Tagesschau die neuen Arbeitslosenzahlen bekannt gibt - verbreitet sie beschönigende Fake-News im Sinne der Regierenden.
Denn gerade Journalisten sollten eigentlich wissen, daß wir zu den ALGI-Empfängern allein knapp 5 Millionen HartzIV-Empfänger im erwerbsfähigen Alter haben. Und viele fallen dazu noch aus der Statistik heraus (Stichwort: Maßnahmen, Frühverrentung uvm.)
Auch die Vetternwirtschaft bei einigen Sendern des ÖR trägt nicht gerade zur Glaubwürdigkeit bei.
Ebenso kann man Journalisten nicht mehr ernst nehmen, die ständig mit Wirtschaft und Politik küngeln oder gar ins Bett steigen. Jüngstes Beispiel - Lehfeldt/Lindner.
Unabhängigkeit und Überparteilichkeit ist hier dann offensichtlich nicht mehr gegeben.
Es ist mehr als offensichtlich, daß kritische Journalisten immer seltener werden, und zwar umso seltener, umso dringender sie eigentlich benötigt werden. So gab es zu vielen Themen eine fast schön beängstigende Einheitlichkeit. Z.B. Coronamaßnahmen (Impfnebenwirkungen, Ausgangssperren), Ukraine oder Migration.
Kritische Stimmen zu "Fachkräftemangel" oder "Bürgergeld" ? (Wieder so ein Euphemismus) Fehlanzeige.
Investigativer Journalismus ist zudem am Aussterben. Ausnahmen gibt es - noch.


QuoteDundoril #16.1

"Nichts rechtfertigt Gewalt - aber -"

Ich hab danach aufgehoert zu lesen, ich hoffe mal es kommt nicht das übliche bashing der oeffentlich rechtlichen um dann doch irgendwie die Gewalt zu rechtfertigen?


Quote1893Pierrot #16.3

Sie haben es richtig gemacht, ich habe leider zu Ende gelesen. Ihre Hoffnung war vergebens, wir wissen ja alle, was "aber" bedeutet...


Quotezehwa #19

"Unter den 320 Straftaten waren demnach 46 Gewaltdelikte, 41 Nötigungs- und Bedrohungsdelikte, 31 Sachbeschädigungen und 27 Volksverhetzungen..."

Traurig genug. Meine kleine Anfrage würde von ähnlichen Delikten gegen Lokalpolitikern handeln. Die "Wirrsinn dasVolk"-Minderheit nervt.


Quoteosedax mycofloris #21

Man muss auch berücksichtigen, dass manche Journalisten extrem dünnhäutig reagieren, sobald sie von jemandem zurückgewiesen werden. Das sind dann diese Bilder in den Fernseh-Politmagazinen, wo der Gefilmte, weil ihm zu nah auf die Pelle gerückt wird, nach der Kamera greift oder das Mikro wegschlägt. Und zack, nächster Fall "Angriff auf Journalisten ". Vielleicht sollten sich einige Medienschaffende einfach ein bisschen mehr zurückhalten, beobachten und dann: "Sagen, was ist".


QuoteBlasius Ölig #22

... Es gibt immer mehr Links- und Rechtsfaschisten die nicht diskutieren wollen und können, sondern andere Meinungen sofort mit Gewalt unterdrücken.


QuoteLudgerle #24

Liegt wohl darin, dass die Kunstweltschaffenden weitgehend nicht mehr als Teil der Gemeinschaft betrachtet werden, sondern als Erfüllungsgehilfen einer Fremdherrschaft.


Quotenaahrt #25

Das Vertrauen in die 'Medienschaffenden' ist halt auch ziemlich zurückgegangen.


Quote1893Pierrot #25.1

Und das rechtfertigt Gewalt?


...

Textaris(txt*bot)

#273
Quote[...] Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am Montag (12.06.) entschieden, Anklage gegen einen Redakteur von Radio Dreyeckland zuzulassen. Dem Journalisten wird vorgeworfen, durch die Verlinkung einer Internetseite weiteres Handeln einer verbotenen Vereinigung unterstützt zu haben.

Der Redakteur, Fabian Kienert, hatte am 30. Juli 2022 auf der Website des freien Radiosenders einen Artikel veröffentlicht [https://rdl.de/beitrag/ermittlungsverfahren-nach-indymedia-linksunten-verbot-wegen-bildung-krimineller], der einen Link auf das Archiv der verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia.org enthielt. Ermittler hatten Mitte Januar zwei Mitarbeiterwohnungen und Redaktionsräume des Freiburger Senders durchsucht.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft war in erster Instanz vom Landgericht Karlsruhe nicht zugelassen worden. Gegen diesen Beschluss hatte die Anklagebehörde Beschwerde eingereicht; nun ist das Hauptverfahren eröffnet.

,,Wir sind sehr befremdet darüber, mit welcher Vehemenz die Justiz in Baden-Württemberg hier gegen Radio Dreyeckland vorgeht", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). ,,Verlinkungen sind Teil jeder seriösen journalistischen Berichterstattung. Relevante Inhalte zu verlinken als aktive Unterstützung dieser Inhalte zu werten, halten wir für abwegig und sogar gefährlich. Sollte die Argumentation des Oberlandesgerichts auch in der Hauptverhandlung Bestand haben, wird das für große Verunsicherung bei anderen Medien führen. Wir glauben und hoffen, dass es nicht dazu kommt. Trotzdem stellt das gesamte Vorgehen gegen den freien Radiosender schon jetzt einen massiven Eingriff in die Pressefreiheit dar."

Das Bundesinnenministerium hatte linksunten.indymedia.org im August 2017 als Teil eines mutmaßlichen Vereins verboten, der strafbare Zwecke verfolge und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte.

RSF hatte dies damals als rechtsstaatlich fragwürdig kritisiert – unter anderem, weil das Ministerium den Weg über das Vereinsrecht wählte und damit die rechtlich gebotene Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umging. Denn das Verbot wurde nicht mit Vereinsaktivitäten, sondern ausschließlich mit Beiträgen auf der Internetplattform begründet. Insgesamt handelte es sich bei linksunten.indymedia.org aus Sicht von RSF, auch strafrechtlich relevanten Inhalten zum Trotz, um ein informationelles Online-Angebot, das dem hohen Schutzstandard der Pressefreiheit unterliegt.


Aus: "Justiz geht gegen freien Radiosender vor" (13.06.2023)
Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/justiz-geht-gegen-freien-radiosender-vor

-

Quote[...] Fünf mutmaßliche Betreiber einer längst verbotenen linksradikalen Internet-Plattform sollen die Vereinigung ,,linksunten" weiter aufrechterhalten haben. Nun haben Ermittler am Mittwoch ihre Wohnungen in Freiburg durchsucht.

Die Beschuldigten – vier Männer und eine Frau im Alter zwischen 32 und 47 Jahren — stehen im Verdacht, weiter für die Plattform ,,Linksunten.indymedia" tätig gewesen zu sein.

So sollen sie das komplette Archiv der vom Bundesinnenministerium schon im August 2017 verbotenen Organisation im Internet wieder veröffentlicht und damit zugänglich gemacht haben.

Das teilten das Landeskriminalamt Stuttgart und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe am Mittwoch mit.

Bei der Durchsuchungsaktion am Mittwoch seien unter anderem Handys, Laptops, USB-Sticks und andere Speichermedien sichergestellt worden. Diese würden nun ausgewertet.

Wie lange das dauere, sei offen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen dauerten an.

Die Vereinigung ,,Linksunten.indymedia" war im August 2017 vom Bundesinnenministerium nach Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg verboten und aufgelöst worden.

Auf der Plattform sei zu linksextremistischen Straftaten aufgerufen worden, hieß es damals zur Begründung.

,,Linksunten.Indymedia" war vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) als bedeutendste Plattform für gewaltbereite Linksextremisten in Deutschland bezeichnet worden.

Anfang 2020 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Klagen des mutmaßlichen Betreiberteams — die gleichen Beschuldigten, deren Wohnungen nun durchsucht wurden — gegen das Verbot zurückgewiesen.

Anfang dieses Jahres scheiterten die fünf auch mit Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie nicht zur Entscheidung angenommen. (dpa)


Aus: "Polizei beschlagnahmt Laptops: Linksradikale sollen verbotene Webseite weiterbetrieben haben" (02.08.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/polizei-beschlagnahmt-laptops-linksradikale-sollen-verbotene-webseite-weiterbetrieben-haben-10252315.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die EU-Staaten wollen die staatliche Überwachung von Journalisten und ihren Gesprächspartnern einschließlich des Einsatzes von Spähsoftware zulassen, wenn die Sicherheitsbehörden dies für nötig halten. Das geht aus Unterlagen zu den Verhandlungen über das geplante Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) hervor, die dem Rechercheteam Investigate Europe und der Redaktion netzpolitik.org vorliegen [https://www.investigate-europe.eu/de/].

Das Gesetzesvorhaben soll eigentlich dazu dienen, Journalisten und Medien gegen die politische Lenkung ihrer Berichterstattung durch Regierungen oder Eigentümer zu schützen. Dadurch ist nicht nur in Polen und Ungarn, sondern auch in vielen weiteren EU-Staaten zusehends die Meinungsfreiheit und Medienvielfalt gefährdet, wie die Autoren des jährlich erstellten Media Pluralism Monitor vom European University Institute in Florenz seit langem warnen [https://www.tagesspiegel.de/internationales/medienfreiheit-in-europa-wie-ungarn-schule-macht-9708110.html].

Unverzichtbar für kritische und unabhängige Berichterstattung ist, dass Journalisten sich und ihre Quellen vor Überwachung schützen können, auch der durch staatliche Behörden. Darum verbietet der Artikel 4 des EMFA-Gesetzentwurfs ausdrücklich Zwangsmaßnahmen gegen Journalisten, um zu erreichen, dass sie ihre Informationsquellen preisgeben. Auch die Überwachung ihrer Kommunikation und der Einsatz von ,,Spyware" auf ihren Rechnern und Telefonen wäre verboten.

Doch im Rat der EU, wo die Vertreter der nationalen Regierungen über die von der EU-Kommission vorgelegten Gesetzentwürfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln [https://www.tagesspiegel.de/politik/gelbe-karte-vom-bundesrat-lander-rugen-mediengesetz-der-eu-kommission-8922832.html], forderte die Regierung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine gewichtige Ausnahme. Sie könnte, wie jüngere EU-Spionageskandale zeigten, die Umkehrung des Gesetzesartikels in sein Gegenteil bedeuten. Die Ausforschung von Journalisten und der Einsatz von Spähsoftware gegen sie soll nämlich, so die Forderung aus Paris, erlaubt sein, wenn es die ,,nationale Sicherheit" erfordert.

Mit eben dieser Begründung hatten in den Vorjahren die Regierungen in Griechenland, Bulgarien und Ungarn auch die Überwachung von Journalisten gerechtfertigt, die über Finanzskandale und Korruption im Staatsapparat berichteten. In allen drei Ländern fanden die Betroffen dann die Überwachungsprogramme ,,Pegasus" und ,,Predator" auf ihren Mobiltelefonen [https://www.tagesspiegel.de/politik/auch-bnd-nutzt-umstrittene-spionagesoftware-pegasus-8014567.html].

In Spanien gingen die Behörden mit der gleichen Technik auch gegen Journalisten vor, die über die katalanische Unabhängigkeitsbewegung berichteten. Das EU-Parlament setzte daher eigens einen Untersuchungsausschuss zum Thema ein und forderte, den Verkauf von Spähsoftware so lange zu verbieten, bis rechtlich klar definiert ist, in welchen Ausnahmefällen der Staat sie einsetzen darf.

Doch das kümmert die EU-Regierungen offenbar wenig. Auch die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der Niederlande, Tschechiens, Luxemburgs und Griechenlands schlossen sich ausdrücklich der französischen Forderung an. ,,FRA, DEU, CZE, NDL, LUX und GRC sprachen sich zu Artikel 4 für eine Bereichsausnahme zur nationalen Sicherheit aus", notierte der deutsche Protokollant der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates am 17. April.

Und keine der übrigen EU-Regierungen legte Widerspruch ein. Darum fügte die schwedische Regierung, die zurzeit den Vorsitz im Rat führt, kurzerhand einen Absatz hinzu, wonach der Schutzartikel 4 ,,nicht die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die nationale Sicherheit" berühre, wie es in der jüngsten Version des Gesetzentwurfes heißt.

Auf Nachfrage erklärte der Sprecher der zuständigen grünen Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, der umstrittene Zusatz solle lediglich ,,sicherstellen", dass die im EU-Vertrag ,,bestimmten Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Bereich der nationalen Sicherheit unberührt bleiben".

Doch das ist irreführend, urteilt der europäische Journalistenverband. Anders als die EU-Verträge ,,enthält der derzeitige Vorschlag des Rates keine Bestimmungen zum Schutz der Grundrechte", hält er dem Argument entgegen. So ganz wohl ist daher vermutlich auch der Ministerin nicht.

In den weiteren Verhandlungen sei es ,,auch unser Interesse, dass hier keinesfalls ein Einfallstor für ungerechtfertigte Beschränkungen der Medienvielfalt geschaffen wird", versichert ihr Sprecher. Wer das Tor wieder schließen wird, sagt Roth allerdings nicht.

Dem griechischen Journalisten Thanasis Koukakis stößt das bitter auf. Im Zuge der Enthüllungen über die unkontrollierte Verbreitung von Spionagesoftware kam heraus, dass auch auf seinem Smartphone im Sommer 2021 das Abhörprogramm ,,Predator" installiert war, während er über Geldwäsche und Korruption bei der griechischen Großbank Piraeus recherchierte. Zuvor hatte er schon erfahren, dass der griechische Geheimdienst ihn überwachte.

,,Mein Fall zeigt, wie einfach es ist, die nationale Sicherheit als Vorwand zu benutzen, um Journalisten und ihre Quellen zu bedrohen", sagt Koukakis. Wenn die EU tatsächlich ein Gesetz beschließe, ,,das ohne externe Kontrolle und öffentliche Überprüfung solche Maßnahmen legalisiert, wäre das sehr enttäuschend. Das wäre nicht das Europa der EU-Grundrechtecharta", warnt er.

Sophie in't Veld, die niederländische Liberale, die im EU-Parlament den Untersuchungsausschuss führte, hält den Plan der EU-Staaten denn auch für eine ,,Katastrophe". Der Begriff der nationalen Sicherheit diene da nur als ,,Blankovollmacht". Tatsächlich bedürfe es eines ,,klaren rechtlichen Rahmens". Das meint auch Katarina Barley, SPD-Abgeordnete und Vizepräsidentin des EU-Parlaments [https://www.tagesspiegel.de/politik/der-grosse-sundenfall-der-eu-vizeprasidentin-des-eu-parlaments-verurteilt-umgang-mit-orban-8736409.html].

Zwar müsse es möglich sein, bei drohenden schweren Straftaten auch die Angehörigen geschützter Berufe wie Journalisten und Anwälte zu überwachen. Aber dafür müsse es immer ,,eine unabhängige Instanz" geben, ,,die in jedem Einzelfall prüft, ob konkrete Verdachtsmomente vorliegen".

Und selbstverständlich müsse es eine spätere Kontrolle geben, ob die Überwachung gerechtfertigt war. ,,Pauschale Ausnahmen ohne weitere Vorkehrungen gehen gar nicht", mahnt Barley.

Genau das aber wollen die EU-Regierungen schon nächste Woche beschließen. Es sei gut möglich, dass eine Mehrheit im Parlament bei den abschließenden Verhandlungen mit dem Rat durchsetze, dass diese Ausnahme doch noch einen strikten Rechtsrahmen bekommt, sagt Barley. ,,Aber sicher ist das nicht."


Aus: " Spähsoftware zur Überwachung von Journalisten: EU plant die ,,Blankovollmacht""      Alexander Fanta, Harald Schumann (17.06.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/spahsoftware-zur-uberwachung-von-journalisten-eu-plant-blankovollmacht-9994678.html

QuoteThorsten
17.06.23 10:47

Da ist (mal wieder) viel Dystopie-Potential drin. Mit der angeblichen ,,Bedrohung der nationalen Sicherheit" lässt sich viel begründen. Es gibt genug Beispiele in der Welt, wo der politische Gegner und/oder kritische Berichterstattung mit Terroristen/Terrorismus gleichgesetzt wird.


Quoterossbob
17.06.23 10:43

    wollen die EU-Staaten die staatliche Überwachung von Journalisten und ihren Gesprächspartnern zulassen.

Dass die sich da alle einig sind - auch das ist eine Offenbarung. ...


...

Textaris(txt*bot)

,,Die Taten, die ihm vorgeworfen werden, haben unsere nationale Sicherheit dem Risiko ernsthaften Schadens ausgesetzt – zum Vorteil unserer Gegner – und menschliche Informationsquellen in große Gefahr gebracht", sagte Blinken.


Quote[...] US-Außenminister Antony Blinken hat die anhaltenden Bemühungen seines Landes um Strafverfolgung von Wikileaks-Gründer Julian Assange verteidigt. Bei einer Pressekonferenz mit seiner australischen Amtskollegin Penny Wong am Samstag in Brisbane warb Blinken um Verständnis für den Standpunkt Washingtons. ,,Die Taten, die ihm vorgeworfen werden, haben unsere nationale Sicherheit dem Risiko ernsthaften Schadens ausgesetzt – zum Vorteil unserer Gegner – und menschliche Informationsquellen in große Gefahr gebracht", sagte Blinken.

Die USA versuchen seit Jahren in einem juristischen Tauziehen die Auslieferung des gebürtigen Australiers aus Großbritannien zu erreichen. Die rechtlichen Möglichkeiten für Assange, sich dagegen zu wehren, sind nun aber weitgehend erschöpft.

Wong machte deutlich, dass sich Canberra für ein Ende der Strafverfolgung einsetzt. Gleichzeitig betonte sie, dass sich die australische Regierung nicht in laufende juristische Verfahren in Großbritannien einmischen kann.

Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Dem 52-Jährigen wird vorgeworfen, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Unterstützer sehen in Assange einen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht brachte.

Seit seiner Festnahme 2019 sitzt Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Zuvor hatte er bereits mehrere Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London verbracht, um einer Festnahme zu entgehen. Zuletzt scheiterte er mit einem Antrag auf Berufung gegen seine Auslieferung vor dem Londoner High Court. Diese Entscheidung soll nun nochmals überprüft werden. Sollte er erneut scheitern, bliebe nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. (dpa)


Aus: "Nationaler Sicherheit geschadet: US-Außenminister Blinken verteidigt Strafverfolgung von Assange" (29.07.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/nationaler-sicherheit-geschadet-us-aussenminister-blinken-verteidigt-strafverfolgung-von-assange-10233976.html

QuoteRichi49
30.07.23 09:39

Schon klar. Ein unglaubliches Unrecht was hier geschieht. Lasst den Mann endlich frei. ...


Quotedemokratur
30.07.23 09:05

    Nationaler Sicherheit geschadet

Wahrheit und Transparenz schadet der nationalen Sicherheit?


QuoteTuniFynn
29.07.23 20:34

    Wong machte deutlich, dass sich Canberra für ein Ende der Strafverfolgung einsetzt. Gleichzeitig betonte sie, dass sich die australische Regierung nicht in laufende juristische Verfahren in Großbritannien einmischen kann.

Diese Aussagen entbehren jeder Klarheit und lassen den Spielraum zuungunsten von Assange erahnen. Australiens Regierung sollte sich für ihren Landsmann einsetzen.
Wenn Assange an die USA ausgeliefert wird, setzen sie damit ein Exempel gegen investigativen Journalismus. Man erinnere sich an den Irak-Krieg, der basierend auf Unwahrheiten mindestens 500.000 Menschen das Leben kostete. ...


Quotejv.zucker
29.07.23 18:05

Na klar. Nicht der völkerrechtswidrige Angriffskrieg ist ein Problem, sondern wenn über Kriegsverbrechen dort berichtet wird.


QuoteGerritredetmit
29.07.23 17:01

Ich möchte die Fans von Julian Assange sehen, wenn er ihre persönlichen und ihrer Verwandten und Freunde Daten, E-Mails und so weiter veröffentlicht hätte, um irgendeine Schweinerei (z.B. eine Schwarzarbeit) aufzudecken ...


Quotejv.zucker
29.07.23 18:06
@Gerritredetmit am 29.07.23 17:01

Sie tun ja gerade so, als ob die NSA Rücksicht auf persönliche Daten nimmt.


Quotemaifeier1950
29.07.23 20:07
@Gerritredetmit am 29.07.23 17:01

Ist das Aufdecken von Verbrechen richtig oder falsch?


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Israel-Gaza Krieg ist der tödlichste Krieg für Jour­na­lis­t*in­nen seit über 30 Jahren. Das sagt das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ). Demnach wurden im ersten Monat des Krieges ,,mehr Jour­na­lis­t*in­nen getötet als in jedem anderen vergleichbaren Konfliktzeitraum, seit das CPJ 1992 mit der Aufzeichnung solcher Todesfälle begann."

Seit dem 7. Oktober starben demnach mindestens 40 Medienschaffende, die über den Krieg berichtet haben: 35 Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und ein Libanese sollen durch Angriffe des israelischen Militärs gestorben sein, vier israelische Jour­na­lis­t*in­nen sollen bei den Massakern der Hamas in Israel getötet worden sein. Insgesamt acht Medienschaffende gelten als verletzt, drei als vermisst, acht verhaftet.

Die Zahlen und Todesursachen erhebt das CPJ auf Todeslisten. Auch die Reporter ohne Grenzen (RSF) haben eine solche Liste, die Zahlen decken sich mit denen des CPJ. Das CPJ und die Intenrationale Journalisten-Föderation (IJF), der Dachverband gewerkschaftlicher Journalistenverbände, zählen 33 bestätigte getötete palästinensische Jour­na­lis­t*in­nen in Gaza selbst.

https://www.ifj.org/media-centre/news/detail/category/press-releases/article/palestine-at-least-thirty-three-journalists-and-media-workers-killed-in-gaza

Zum Vergleich: Das CPJ dokumentierte im gesamten Jahr 2022 weltweit 68 getötete Medienschaffende. Die Organisationen nehmen einen Fall auf die Liste, sobald zwei unabhängige Quellen den Tod bestätigen. Dann klären sie die weiteren Umstände für ihre Datenbank.

https://cpj.org/2023/11/faq-how-cpj-documents-journalist-deaths-in-the-war/

Die Jour­na­lis­t*in­nen werden zu Zahlen auf Todeslisten. Durch die flächendeckenden Bombardements in Gaza sind besonders die palästinensischen Kor­re­spon­den­t*in­nen in Gaza gefährdet. Für sie ist es nicht nur ein Job, für den sie ihr Leben riskieren. Es sind auch ihre Geschichte, Familien und Freund*innen, über die sie berichten, um die sie bangen und trauern. ,,Werden wir jemals in der Lage sein, all diese Gewalt zu dokumentieren?", fragt die Journalistin Hind Khoudary auf X.

Wael Al-Dahdouh ist Büroleiter des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera. Der Sender wird von Katar finanziert und verfügt über das beste Netzwerk an Jour­na­lis­t*in­nen in Gaza. Der 52-Jährige berichtet seit 1998 aus Gaza. Wie Al-Jazeera berichtet, zogen seine Frau Amna, ihre acht Kinder mit Enkeln in eine von Israel als sicher deklarierte Zone, Dahdouh sei in Gaza Stadt geblieben, um zu berichten.

Als er am 25. Oktober live berichtete, habe er am Telefon erfahren, dass seine Frau, sein Sohn und seine siebenjährige Tochter bei einem israelischen Luftangriff getötet worden seien. Berichten des Senders zufolge fuhr er gemeinsam mit seinem Kameramann zu dem Haus, und grub unter den Trümmern nach seinen Familienmitgliedern.

Die Jour­na­lis­t*in­nen dokumentieren den Krieg, trotz gekappter Stromverbindung und bei ausfallendem Internet. Wie die Times of Israel berichtet, hat Israel die Einfuhr von Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff und Medikamenten in den Gazastreifen gestoppt; am 9. Oktober ordnete der israelische Verteidigungsminister eine ,,vollständige Belagerung" Gazas an.

https://www.timesofisrael.com/iaf-hits-gaza-on-unprecedented-scale-strips-power-plant-shuts-down/

Schusssichere Westen und Helme seien teuer, außerdem gäbe es sie nicht in Gaza zu kaufen. ,,Seit vielen Jahren verhindert Israel die Lieferung von Sicherheitswerkzeugen in den Gazastreifen und stuft sie als militärische Ausrüstung oder Material mit doppeltem Verwendungszweck ein, von dem es befürchtet, dass es an die Hamas und andere palästinensische Gruppierungen gelangen könnte", schreibt die saudi-arabische Zeitung Arab News.

https://www.arabnews.com/node/1866451/media

,,Als Journalist und Schriftsteller, der wie durch ein Wunder fünf zerstörerische Kriege mit Israel überlebt hat, weiß ich, dass meine Stimme eine Verbindung zu der Welt ist, die zumindest dazu beitragen kann, unsere Rufe nach Sicherheit zu verstärken", schrieb Mohammad Mhawish aus Gaza-Stadt am 8. Oktober in einem Essay auf der Al-Jazeera Webseite.

Nur eine handvoll internationaler Medien haben Büros in Gaza, darunter die britische BBC sowie die Nachrichtenagenturen Reuters, AP und AFP. Sie sind auf palästinensische oder arabische Jour­na­lis­t*in­nen angewiesen. Aufgrund der Sicherheitslage und weil Israel keine ausländischen Jour­na­lis­t*in­nen unabhängig über die Grenze lässt – das bestätigt auch Der Spiegel.

https://www.spiegel.de/ausland/krieg-in-israel-so-berichten-wir-aus-israel-gaza-und-dem-westjordanland-a-4693bbc5-2bda-4040-a580-76bf8a3948b3

Zuletzt durften nach Angaben des Senders RTL vier ausländische Re­por­te­r*in­nen für knapp drei Stunden embedded mit dem israelischen Militär nach Gaza-Stadt, darunter die RTL- und n-tv Reporterin Raschel Blufarb.

Seit der Blockade, die Israel vor 16 Jahren über den Gazastreifen verhängt hat, könnten Jour­na­lis­t*in­nen das palästinensische Gebiet nur mit Genehmigung der israelischen Behörden betreten, sagt RSF. Die Behörde für Grenzübergänge des israelischen Verteidigungsministeriums hatte das Verbot laut RSF bereits am 12. Mai erlassen.

Mitte Oktober verabschiedete die israelische Regierung eine Dringlichkeitsverordnung, die es ihr erlaubt, ausländische Nachrichtensender vorübergehend zu schließen, wenn sie der Meinung ist, dass diese die nationale Sicherheit gefährden – darunter Al Jazeera. Israel wirft Al-Jazeera vor, anti-israelische Propaganda zu verbreiten. Der Sender sieht sich als Watchdog von Autokraten und Machthabern, finanziert vom katarischen Staat. Im Israel-Palästina Konflikt bezieht der Sender pro-palästinensisch Position.

https://www.srf.ch/news/international/berichterstattung-zu-israel-al-jazeera-riskiert-seinen-ruf

Eine der wenigen Nachrichtenagenturen mit Büros im Gazastreifen ist die französische Agence France-Presse (AFP). Neun palästinensische Jour­na­lis­t*in­nen und eine Webcam in Gaza-Stadt liefern Bilder von israelischen Luftangriffen, die nach Angaben von CNN auf allen US-Nachrichtensendern gezeigt werden.

AFP und Reuters sagen, sie hätten das israelische Militär am 27. Oktober um Sicherheit für ihre Angestellten vor israelischen Angriffen in Gaza gebeten. Doch das Militär antwortete, dass es die Sicherheit nicht garantieren kann.

Um Kriegsverbrechen wie gezielte Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen zu belangen, hat RSF beim Internationalen Strafgerichtshof Klage eingereicht: Wegen Kriegsverbrechen gegen acht palästinensische Journalist*innen, die bei der Bombardierung ziviler Gebiete in Gaza durch mutmaßlich Israel getötet wurden und einem israelischen Journalisten, der am 7. Oktober bei der Berichterstattung über einen Angriff der Hamas auf seinen Kibbuz getötet worden sein soll.


Aus: "Journalisten auf Todeslisten" Julia Neumann (12.11.2023)
Quelle: https://taz.de/Palaestinensische-Reporter-in-Gaza/!5972310/

QuoteMarkus Wendt

Todesliste ist in diesem Zusammenhang ein völlig unmöglicher Begriff, weil er doch assoziiert, dass die Menschen auf diesen Listen individuell ins Visier genommen und getötet worden sind.


Quoterero

@Markus Wendt Dem Hinweis kann ich mich nur anschließen.

Ich war ebenfalls überrascht, wie der Begriff hier verwandt worden ist.


QuoteBen Gel

@rero Wenn dies das Einzige ist, was Ihnen zu diesem Artikel einfällt, ist dies sehr bedauernswert. Der Wert von Menschenleben scheint Ihnen nicht besonders wichtig zu sein. Damit wir, die wir nicht vor Ort sind, eine möglichst breite und gute Berichterstattung dieses Konfliktes bekommen, ist es wichtig, für eine größtmögliche Sicherheit von Journalist*innen zu sorgen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Am Freitagnachmittag einigten sich die Unterhändler des Europäischen Parlaments, des Ministerrats und der Kommission auf ein Medienfreiheitsgesetz. Es enthält eine Anti-Spyware-Klausel, mit der die Gesetzgeber auf die Skandale um Spionagesoftware wie Pegasus und Predator in vielen Mitgliedsstaaten reagieren. Doch das Gesetz ist löchrig. So dürfen Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung "schwerer Straftaten" Staatstrojaner gegen Mediendiensteanbieter sowie deren Beschäftigte und Angehörige einsetzen. In diesem Fall wäre eine Genehmigung und Überprüfung der Überwachungsmaßnahmen durch Richter in regelmäßigen Abständen erforderlich.

https://www.heise.de/news/Pegasus-Spaehsoftware-Ein-Monstrum-das-ausser-Kontrolle-geraten-ist-6291255.html

https://www.heise.de/news/Finale-im-Pegasus-Ausschuss-Missbrauch-von-Spyware-untergraebt-die-Demokratie-8990712.html

Der Begriff der schweren Straftaten ist weit gefasst. Das Parlament hat ihn nach eigenen Angaben auf solche begrenzt, "die in dem jeweiligen Mitgliedsstaat mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden". Auch dieser Zusatz bleibt sehr vage. Frühere Entwürfe sahen vor, den Einsatz von Spionagesoftware bei Ermittlungen wegen Straftaten zuzulassen, die mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht sind. Presse- und Bürgerrechtsorganisationen kritisierten im Juni, dass darunter auch Brandstiftung oder Produktpiraterie fallen würden. Dies sei grundrechtlich problematisch. Laut einem Bericht soll sich der nun vereinbarte Straftatenkatalog vor allem auf Verbrechen wie Terrorismus und Mord konzentrieren. Der konkrete Gesetzestext liegt allerdings noch nicht vor.

https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20231207IPR15742/deal-on-the-eu-media-freedom-act

https://www.euractiv.com/section/media/news/eu-institutions-agree-new-rules-for-media-sector

Für Aufregung im Vorfeld sorgte auch die Forderung des EU-Rates, dass die Sicherheitsbehörden aus Gründen der "nationalen Sicherheit" auch Medienvertreter mit Spionagesoftware ausspionieren dürfen. Diese Klausel haben die Unterhändler, wie von den Volksvertretern gefordert, komplett aus dem Gesetzestext gestrichen. Stattdessen enthält dieser jetzt die Formulierung, dass der Europäische Medienfreiheitsakt (EMFA) die in den EU-Verträgen festgelegten nationalen Zuständigkeiten "respektiert". In der Praxis dürfte dies wenig ändern: Die EU-Länder sind generell für Maßnahmen im Bereich der nationalen Sicherheit zuständig. Sie können also weiterhin eigenständig Regeln für den Einsatz von Staatstrojanern auch gegen Journalisten festlegen.

https://www.heise.de/news/Staatstrojaner-EU-Laender-wollen-Blankoscheck-zum-Ausspionieren-von-Journalisten-9190794.html

https://www.heise.de/news/EU-Staaten-schraenken-Pressefreiheit-im-Namen-der-nationalen-Sicherheit-ein-9194309.html

Immerhin konnten die Abgeordneten eine Klarstellung durchsetzen: Setzen Ermittler komplexe Überwachungssoftware gegen Medienvertreter ein, gilt das Recht der Betroffenen, "über die laufende Überwachung informiert zu werden und gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen". Verleger und Journalisten könnten gegen solche Maßnahmen also klagen. Darüber hinaus können Journalisten und Redakteure grundsätzlich nicht gezwungen werden, ihre Quellen preiszugeben, etwa durch Verhaftung oder andere Sanktionen – etwa ihre Büros zu durchsuchen. Solche Eingriffe sind im Einzelfall jedoch "aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses" und mit Genehmigung einer Justizbehörde zulässig.

Verlegerverbände hatten im Vorfeld auf eine weitergehende "Medienausnahme" gedrängt. Danach hätten etwa Facebook, X und YouTube Inhalte von Medienhäusern in jedem Fall anzeigen müssen. Betreiber sehr großer Online-Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern in der EU müssen laut der Einigung nun unabhängige Medien von nicht unabhängigen Quellen unterscheiden. Privilegierte Presseorgane müssen informiert werden, wenn ein soziales Netzwerk ihre Inhalte löschen oder beschränken will. Sie haben dann in der Regel 24 Stunden Zeit, darauf zu reagieren.

https://www.heise.de/news/Digital-Services-Act-Goldstandard-oder-massiver-Schaden-fuer-die-Wirtschaft-6334005.html

Ist die Plattform nach der Antwort oder bei Nichtäußerung weiterhin der Ansicht, dass der Medieninhalt nicht ihren Bedingungen entspricht, kann sie weiterhin löschen oder einschränken. Hält die Gegenseite die Entscheidung für unzureichend begründet und für einen Verstoß gegen die Medienfreiheit, kann sie zunächst eine außergerichtliche Schiedsstelle anrufen und eine Stellungnahme des geplanten Europäischen Ausschusses für Mediendienste einholen. Diese soll das bisherige EU-Gremium der nationalen Regulierungsbehörden für audiovisuelle Dienste ersetzen.

Mit der Verordnung will die EU vor allem das Problem der direkten Medienbeeinflussung durch Regierungen von Mitgliedsstaaten wie Griechenland, Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und Zypern angehen, die in der Rangliste für Pressefreiheit der Reporter ohne Grenzen auf den hinteren Rängen landen. Deutschland ist dort in diesem Jahr um fünf Plätze auf Rang 21 abgerutscht.

https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2023

Die Länder müssen künftig sicherstellen, dass die Bürger Zugang zu einem breiten Spektrum redaktionell unabhängiger Medieninhalte haben. Sie müssen die redaktionelle und funktionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien gewährleisten, indem sie die Leiter und Mitglieder der Verwaltungsräte in transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren ernennen, die Finanzierungsquellen transparent machen und dauerhaft sichern, die Unabhängigkeit der Medien überwachen und dies in öffentlichen Berichten nachweisen.

Alle Medien sollen Informationen über ihre direkten und indirekten Eigentümer in einer nationalen Datenbank veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, über Einnahmen aus staatlicher Werbung und über staatliche Subventionen zu berichten. Dazu gehören auch Gelder aus Drittstaaten. Um sicherzustellen, dass Medienunternehmen nicht von staatlicher Werbung abhängig werden, müssen öffentliche Mittel für Mediendiensteanbieter oder Online-Plattformen in offenen und diskriminierungsfreien Verfahren auf der Grundlage öffentlicher Kriterien vergeben werden. Die Mitgliedstaaten sind zudem verpflichtet, die staatlichen Werbeausgaben auf eine breite Medienvielfalt zu verteilen.

"Die Einigung markiert einen bedeutenden Meilenstein für die Medienfreiheit und einen großartigen Moment für die Wahrung der Rechte von Journalisten in der EU", betonte die Verhandlungsführerin des Parlaments, Sabine Verheyen (CDU). "Zum ersten Mal wird es im EU-Recht Schutzmaßnahmen geben, um Journalisten und die Medien vor dem missbräuchlichen Einsatz von 'Spyware' zu schützen."

Regulierung habe noch nie zu mehr Medienfreiheit geführt, kritisieren hingegen der Bundesverband Digitaler Publizisten und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP): "Während die Presse mit wirtschaftlichen, regulativen und wettbewerblichen Herausforderungen zu kämpfen hat, schnürt die EU ein Korsett, das keines der Probleme angeht und stattdessen die Pressefreiheit gefährdet." Es werde eine behördliche Überwachung etabliert und "die Zensur legaler Presseveröffentlichungen durch die digitalen Torwächter gesetzlich gebilligt". Rat und Parlament müssen dem Kompromiss noch formell zustimmen.

(hag)



Aus: "EU erlaubt Ausspähung von Journalisten unter Auflagen" Stefan Krempl (17.12.2023)
Quelle: https://www.heise.de/news/Ausspaehung-von-Journalisten-unter-Auflagen-vom-EU-Parlament-gebilligt-9576642.html

Quotedl3led,17.12.2023 12:00

Das nächste Mal wird Rudolf Augstein nicht nach 103 Tagen wieder freigelassen

https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/politische_skandale/pwiespiegelaffaere100.html


Quotesilava, 17.12.2023 13:39

Terrorismus - LOL!

Heutzutage ist der Begriff "Terrorismus" doch schon fast komplett wertlos geworden. Selbst friedlich protestierende Menschen werden schnell mal als Terroristen bezeichnet, wenn sie der Staatsführung nicht passen. Und das greift auch innerhalb der EU schon um sich. Insofern kann jeder (möchtegern) Autokrat sehr gut mit der Einschränkung auf "Terroristen" leben, weil sie ja einfach selbst bestimmen wer ein Terrorist ist und wer nicht.


...

Textaris(txt*bot)

"Jour�na�lis�t:in�nen im Nahost-Krieg:Nachrichtenblockade in Gaza"
Ein Artikel von Christopher Resch, Mohammed Abu Saif, Sami O. Zyara, Ola al-Zaanoun (16.3.2024)
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas ist bisher einer der tödlichsten für Jour�na�lis�t:in�nen gewesen. Ankläger in Den Haag untersuchen Vorwürfe von Reporter ohne Grenzen (RSF).
https://taz.de/Journalistinnen-im-Nahost-Krieg/!5995112/