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[Kunst und die Unfehlbarkeit des Marktes (Notizen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), November 07, 2006, 04:03:21 PM

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Textaris(txt*bot)



http://peekasso.tumblr.com/post/232429544/2 (Found 01/2010)

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Quote... Die Kunst steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts vor einem tiefgreifenden Widerspruch: Sie ist freier und unabhängiger denn je. Dennoch finden Kunstschaffende und Kunstwerke immer seltener Niederschlag im gesellschaftlichen Diskurs. Wie kann eine autonome Kunst ihre Stellung als wesentlicher Teil des Mensch-Seins bewahren in einer durch und durch ökonomisierten Welt? Gibt es eine Alternative zu ihrer Degradierung zum Warencharakter einerseits und ihrer Reduzierung auf eine rein elitäre Innenschau andererseits? ...


Zum Buch: "Frei aber bedeutungslos? Das Dilemma der Kunst im 21. Jahrhundert: Eine ästhetische Spurensuche mit Hanns Eisler"
(Philosophie in der Blauen Eule) Taschenbuch – 4. Januar 2012 von Tina / Bucek  (2012)

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QuoteDer Kunstmarkt ist so global geworden wie sonst nur das Finanzwesen. ..."  (Eva Karcher, 13. Juni 2018)

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Quote"Der Kunstmarkt ist eine Fantasiewelt. Es geht um irreale Werte. Der Glaube an Kunst ist wie in die Kirche gehen.  ..." (Beltracchi)

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Quote[...] Kapitalismus-Kritik im Ausstellungshaus der Deutschen Bank und Antikolonialismus in den schwindelerregenden Höhen eines Bankenhochhauses: In Berlin und Frankfurt treiben gerade zwei Künstler die Widersprüche auf die Spitze. ... Der 63 Jahre alte Julien, in Großbritannien jüngst zum Ritter geschlagen, wurde im vergangenen Jahr mit dem Goslarer Kaiserring ausgezeichnet. Der Künstler und Filmproduzent ist zudem Mitglied der Academy, die die Oscars vergibt. In seinen Arbeiten befasst er sich häufig mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen wie etwa Rassismus oder Migration. "Kapital spielt eine sehr vieldeutige Rolle in der Kunstwelt", sagte Julien bei der Vorstellung der Ausstellung in Berlin. ...


Aus: "Wie eng sind Kapital und Kunst verwoben?" (09.03.2023)
Quelle: https://www.monopol-magazin.de/wie-eng-sind-kapital-und-kunst-verwoben

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Quote... Kapitalisierung, Privatisierung, Fetischisierung, Eventisierung, Trivialisierung, "Schnickschnackisierung". Auch wenn sich ihre Mängelliste mitunter zur kulturpessimistischen Apodiktik verdichtet: Mit "Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld" haben Markus Metz und Georg Seeßlen die überfällige Debatte darüber eröffnet, welchen neuen Höhepunkt die ewige Komplizenschaft zwischen Kunst und Markt inzwischen erreicht hat. ("Kunst in Geiselhaft - Markus Metz, Georg Seeßlen: Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld. – Eine Rezension von Ingo Arend" (12.01.2015))

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Quote" ... Gerade weil aber die Rede von der Kommerzialisierung zur kulturkritischen Binsenweisheit geworden ist, tut es gut, wenn man sich ab und an daran erinnert, dass Kunst traditionell eine andere, ziemlich existenzielle Dimension hat: Da kann es manchmal auch heute noch um die letzten großen Fragen gehen. ..."

Aus: "Schriften zu Zeitschriften: Europäisches Denken im "Merkur" - Tiefer hängen, genauer gucken: Der "Merkur" analysiert die Lage der Kunst im öffentlichen Debattenraum. VON ALEXANDER CAMMANN" (12.02.2008) - Quelle: http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/europaeisches-denken-im-merkur/?src=SZ&cHash=34cff178e4

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Quote[...] APT helps artists with innovative financial planning solutions that are achievable through investment of their artwork. This allows artists to focus more fully on the creative development of their work by reducing some of the financial risk inherent to their profession.


Aus: "An Investment Program Designed Specifically for Artists" (111/2006)
Quelle: http://berlin.aptglobal.org/SiteFiles/1/19/122.asp

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Quote[...] Von Hausswolff ist eine von knapp 50 Künstlern, die sich am Artist Pension Trust (APT) in Berlin beteiligen. Die Organisation wurde vor zwei Jahren in New York ins Leben gerufen und ist jetzt nach Los Angeles und London auch in Deutschland aktiv.

Die Idee des APT ist, dass Künstler, die am Anfang oder in der Mitte ihrer Karriere stehen, eine Möglichkeit haben, für ihre Rente zu sorgen, ohne dass sie dafür Geld zahlen müssen. Stattdessen gibt jeder am Fonds beteiligte Künstler innerhalb von 20 Jahren 20 Werke an den APT ab. Die Firma Mutual Art, die hinter dem APT steckt, kümmert sich um Aufbewahrung und Pflege der Werke, sie leiht sie auch an Galerien aus. Ein Gremium aus Kunstprofessoren, Künstlern und Kuratoren entscheidet, wessen Werke in den Fonds aufgenommen werden und wann der richtige Zeitpunkt ist, die Werke zu verkaufen. Wenn ein Werk verkauft wird, gehen 20 Prozent an Mutual Art, 40 Prozent an den Künstler, die restlichen 40 Prozent werden unter allen Künstlern des Fonds aufgeteilt. So profitieren die Künstler vom eigenen Erfolg, tragen aber auch zur Rente ihrer Kollegen bei.


Aus: "Das geht: Malen für später" Text: Ümit Yoker (brand eins 3/2006)
Quelle: http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=1925&MenuID=8&MagID=71&sid=su662496672750907

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Quote[...] Auch im Kunstsystem hat sich das Dogma von der Unfehlbarkeit des Marktes durchgesetzt: Als erfolgreich gilt allein das, was einen nennenswerten Geld- oder Geltungsgewinn verspricht. Gleichwohl ist die moderne Kunst noch eng mit der Tradition ihrer Autonomie verbunden, und viele staatliche Verfassungen verbürgen ihre Freiheit. So profitiert Kunst weiterhin von dem Image, sie sei ein Refugium selbstbestimmt agierender Personen, die ihrer Meinungsbildung und Urteilsfindung unabhängig betreiben. Diese heute gern als idealistisch abgetane, aber für eine demokratische Kultur unverzichtbare Leitvorstellung droht nun durch einen weiteren Schritt in der Ökonomisierung von Kunst vollends ad absurdum geführt zu werden. Gemeint ist die Etablierung des global angelegten Artist Pension Trust, der zunächst in London, Los Angeles, New York, Mexiko-Stadt und Mumbai sowie seit November 2005 auch in Berlin tätig geworden ist und ständig weitere Dependancen etwa in Bangkok, São Paulo, Istanbul und Peking eröffnet.

In der Öffentlichkeit wird der APT - eine nach dem Recht der British Virgin Islands gegründete Gesellschaft - als innovatives Modell zur Alterssicherung von Künstlern dargestellt. Sie sollen ihre Arbeiten in den Fonds einbringen und darauf hoffen, dass sich durch Wertsteigerungen aufgrund optimierter Nutzungs- und Verkaufsstrategien für sie besondere Gewinne realisieren lassen. Doch tatsächlich besteht die Geschäftsidee des APT wie bei allen so genannten Private Equity Fonds darin, den Investoren eine hohe Rendite zu verschaffen. Folglich darf nicht einfach jeder Künstler bei APT mitmachen. Vielmehr ist vorgesehen, dass pro Dependance von einem regional verantwortlichen Komitee, dessen Mitglieder am Geschäft prozentual beteiligt sind, maximal 250 zumeist jüngere und vorzugsweise bereits von einer Galerie vertretene Künstler ausgewählt werden. Diese sind gehalten, über einen Zeitraum von 20 Jahren dem Fonds in einem vorgegebenen Turnus 20 Kunstwerke als Kapital zu überlassen.


Aus: "Die Wölfe fressen Kreide" Von MICHAEL LINGNE (taz vom 22.5.2006, S. 15)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/05/22/a0149.1/text

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Quote[...] Susanne Prinz, die Direktorin des Berliner Trusts, findet derartige Ängste vor einem ,,Moloch" APT maßlos übertrieben. Prinz versteht sich als Interessenvertreterin der Produzenten und definiert APT als eine Art Künstlerzusammenschluss, dessen organisatorische Aufgaben an Profis delegiert sind.

[...] Folgt man Prinz´ Argumentation, so stehen im Zentrum der Bemühungen die Alterssicherung von Künstlern und der Aufbau einer kuratorisch durchdachten Kunstsammlung: ,,Wir wollen eine Künstlergeneration repräsentieren". Eine Generation fast durchweg junger Künstler, deren Werke zum größeren Teil noch gar nicht da sind. Soll hier ein Hype kreiert werden? ,,Wir fischen nicht im Trüben", gibt Susanne Prinz zu denken, weist auf die kuratorische Basis der Entscheidungen hin und auf die Diskussionen während der Jurysitzungen, die zeitweilig durchaus kontrovers abliefen.

[...] Etwas überspitzt – angesichts von zwanzig abgegebenen Arbeiten in zwanzig Jahren – wirkt Lingners Vergleich der APT-Künstler mit Bauern der Dritten Welt, ,,die nicht durch ,fair trade' geschützt werden" und die gezwungen sind ,,ihre Ernte abzutreten, bevor sie überhaupt gewachsen ist".

[...] Prinz wirft Lingner vor, den Trust als Sündenbock für eine Entwicklung in der Kunst anzuprangern, in der auch wirtschaftliche Prinzipien eine Rolle spielten: ,,Lingner scheint der Vorstellung anzuhängen, es sei obszön, Kunst und Geld in einem Satz zu erwähnen. Ich muss das nicht gegeneinander stellen. Und: Geld per se macht nicht korrupt." Prinz stellt nicht in Abrede, dass sie APT:Berlin zum Erfolg führen will, ,,aber wir wollen Erfolgsmodell sein in dem Sinne, dass sich gute Kunst durchsetzt und nicht etwa ökonomische Faktoren."


Aus: "Artist Pension Trust: Malen statt Zahlen" Von Jens Hinrichsen (28. September 2006)
Quelle: http://www.artnet.de/magazine/features/hinrichsen/hinrichsen09-28-06.asp

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Quote[...] Gefahr droht der Kunst einerseits durch erneuten Machtstabilisierung im Rahmen einer Ästhetisierung und andererseits durch eine politische Funktionalisierung in einen falschen Dienst. Als subversives Element, welches der Kunstbetrieb zu nutzen weiß, das seinem Wesen nach aber über diesen Nutzen hinausgeht, führt die ästhetische Kraft eine Existenz am Rande der Institution, die von ihr lebt. Obwohl sie den Betrieb antreibt, hat sie bis auf die wenigen Ausnahmen der großen Namen nicht viel von ihm. So zeigt das Leben der Kunst heute eine verdrehte Existenz. Mit den Möglichkeiten ausgestattet, eine radikale Kritik der bestehenden Gesellschaft zu leisten, trägt sie zugleich auch zu deren reibungslosen Fortgang bei und manövriert sich dabei selbst in eine Position, die sie zunehmend überflüssig macht.


Aus: "Kunst und Gefahr" Von Wolfgang Bock, ein Beitrag zum Projekt "Thesen zu Kunst und Öffentlichkeit"
Quelle: http://www.kunst-basis.org/texte/kunst_gefahr.htm

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Quote[...]  Jost Hermand ist eine Ausnahmeerscheinung in der Kunstwissenschaft. Er beschreibt und bewertet Kunstwerke vor dem Hintergrund der Geschichte, ihren sozialen Bedingungen und Machtgefügen. Seine Perspektive beschreibt die Kulturgeschichte als einen Prozess der Humanisierung menschlichen Zusammenlebens. Damit unterscheidet er sich von anderen Theoretikern, die ein weniger zeitgebundenes Denken verfolgen und nach überzeitlichen Kriterien suchen, mit denen sich der Ewigkeitsanspruch von Kunstwerken aber auch der lethargische Status quo der Gesellschaft, begründen lässt.
Bevor Hermand den Zustand der Gegenwartskultur beschreibt, widmet er sich der Frage nach der Relevanz der historischen Kunst für den heutigen Betrachter. Wie wird die Kunst vergangener Unrechtsstaaten, wie etwa der antiken Sklavenhaltereien oder mittelalterlicher Notgesellschaften heute angesehen? Hermand findet einen naiven Blick auf das altehrwürdige Milieu, der in jenen Schloss- und Burgtouristen gipfelt, die sich noch den Richtblock des Fürsten unter handwerklichen Gesichtspunkten ansehen können. Das Unrecht vergangener Zeiten verschwindet im Blendwerk der Kunst. Wer genauer hinsieht, wird vieles an Machogehabe, Kriegsverherrlichung und rücksichtsloser Triebhaftigkeit finden und nur selten jemanden, der darauf hinweist.

[...]  Das wir mit diesem historischen Ballast einen derartig leichten Umgang finden, haben wir den Deutungswissenschaften zu verdanken, genauer gesagt jenen Wissenschaftlern, die das Zeitlose anstatt der historischen Umstände suchen, um Kunst zu bewerten. Zeitlos ist nach Hermand vor allem der Verweis auf Kriterien, die aus unserer psychologischen Grundausstattung stammen. Dort, wo die Schönheit, Melancholie oder der Grusel zeitreisender Kunstwerke auch den heutigen Betrachter erschauern lässt, verschwindet die Frage nach der gesellschaftskritischen Haltung des Künstlers. Besonders die bildende Kunst ist anfällig für eine Kunstauffassung, die Hermand mit dem ,,Eintauchen in eine warme Badewanne" vergleicht. Ihre visuelle Erscheinungsform kommt der oberflächlichen Lesart unserer Zeit entgegen, die meist nicht über die ästhetische Hülle hinausgeht. Wenn Kunstkritiker sich von Restaurantkritikern unterscheiden sollen, müssen also andere Qualitäten als das zeitüberspannende Auslösen von Gefühlen in die Betrachtung einbezogen werden.
Hermands Kritik an der Rezeption des historischen Kunstbestandes schließt eine Schilderung des Zustands der Gegenwartskultur an, die vor allem die Entwicklung der Künste in Deutschland nach 1945 im Blick hat. Künstlerische Reformbewegungen, die nach einer besseren Gesellschaft suchten, trafen auf beiden Seiten der politischen Blöcke auf Widerstand. Sie verschwanden in den doktrinären Apparaten der Ostblockstaaten, die an Instrumentalisierung mehr als an Auseinandersetzung interessiert waren. Im Westen behinderte der Totalitarismus-Verdacht, der jeden Realismus sofort der braunen oder roten Diktatur zuordnete, eine realistische Weltsicht in der Kunst. Die ungegenständliche Form erlebte ihre eigentliche Karriere und dient bis heute als ein fragwürdiger Freiheitsbeweis der kapitalistischen Gesellschaft. Verloren ging dabei das Bewusstsein um das Gegenüber einer Gesellschaft, die es zu verbessern gilt. Es wich einem Verständnis des ,,Postismus", welcher besagt, dass wir uns heute in einer Nach-Zeit befinden, in der alles Ringen um die Geschichte ein Ende gefunden hat. Auch die 68er Bewegung beendete ihren Marsch durch die Institutionen kurz nachdem sie dort angekommen war. Das Wort ,,ideologisch" wurde zu der Negativvokabel, in der es heute bedenkenlos verwendet wird.
Um nicht als ideologisch gelesen zu werden, verzog sich die Künstlerschaft auf den Olymp der autonomen Kunst und geht dort seither einer Praxis der eitlen Selbstbespiegelung nach. Jeder Künstler will Star oder Diva sein. Die Inhalte verschwinden hinter den ästhetischen Modehüllen des Zeitgeists, die laufend erneuert werden müssen, um die gesellschaftliche Stagnation nicht durchdringen zu lassen. Auch die Wissenschaften ziehen mit. Jede neue Hülle erhält ihren ,,differenzierten Wissenschaftsjargon". Die hohe Kunst bewegte sich in jenen randständigen Bereich, in dem sie sich heute befindet. ,,Theoretiker sprechen zu Theoretikern in dem vollen Bewusstsein, dass ihnen niemand zuhört."

[...] Um gesamtgesellschaftliche Fragestellungen geht es kaum noch, sondern vielmehr um philosophisch abgehobene Spitzfindigkeiten, mit denen ,,akademische Lorbeerkränze und Stipendien" anvisiert werden. Künstler wie Akademiker verstehen sich nicht mehr als Anwälte einer gerechten Welt, sondern als ,,Vertreter einer kulturellen Elite", der ,,von Staats wegen noch mehr Freizeit eingeräumt werden soll, um in Ruhe über ihre eigenen Kultur- und Theoriebedürfnisse nachzudenken".

[...]  Was die Kunst seither vernachlässigt, ist die Ansprache an die breite Bevölkerung. Diese bleibt den Massenmedien überlassen, deren ständig strömende mediale Flut den Kulturkonsumenten kaum noch über den Augenblick hinaus denken lässt. ,,Social engineering" nennt man die Erziehung des Fernsehzuschauers zu konsumorientierten Lebensmodellen. Der tägliche Presserummel wird als demokratische ,,Pluralität" ausgegeben, ist aber nichts anderes, als die Gleichschaltung zu einem eindimensionalen Denken.
Hermand beschreibt die Ökonomisierung des Kulturlebens an zahlreichen Beispielen und zeigt, wie sich unter der zersetzenden Wirkung des Geldes kulturelle Werte in die Effizienzfaktoren der Warenproduktion verdinglichen. Kunst und Wissenschaft hat der Trend zur Ökonomisierung wie alle anderen Bereiche des Lebens erfasst.
Soll die Kunst überhaupt noch eine Chance haben, so muss diese sich einer gesamtgesellschaftlichen Kritik verschreiben und der Vereinnahmung durch den Markt widersetzen. Nur wer eine utopisch hoffnungsvolle Perspektive im gesellschaftlichen Sinne hat und seine Arbeit als eine Didaktische versteht, der kann laut Hermand auch heute noch bedeutende Kunst hervorbringen. Die Kunst der Zukunft soll dem ästhetisch wie historisch denkenden Menschen ,,sinnliche Gratifikation und ideologische Schubkraft" geben. Alle andere Kunst aber darf immer noch darauf hoffen in aller Zukunft aufbewahrt zu werden: als schlechtes Beispiel für eine degenerierte Gesellschaft der Vergangenheit.


Aus: "Jost Hermand ,,Nach der Postmoderne"" Rezension, Wolfram Höhne (Jost Hermand ,,Nach der Postmoderne", Böhlau-Verlag, 2004)
Quelle: http://www.kunst-basis.org/index.html?http%3A//www.kunst-basis.org/texte/jost_hermand.htm


Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] Die Neue Leipziger Schule ist schon längst zu einer weithin bekannten und sehr besonderen Marke auf dem internationalen Kunstmarkt avanciert. Die Positionen dieser Kunstströmung der modernen Malerei sind besonders bei Kunstsammlern mit ihren Kunstsammlungen und Kunstmäzenen von Stiftungen aus aller Welt ausgesprochen begehrt. Beispielsweise bestätigt dies das "The Wall Street Journal" am 08.12.2006 über den Kunstboom der figurativen Maler der Neuen Leipziger Schule, mit ihren Absolventen der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (Wächterstraße 11, 04107 Leipzig).
Das gilt natürlich ebenfalls für die hellfarbigen erotischen Porträts mit jungen Mädchen, Aktgemälde z.B. "Madonna mit Kind" und Erotika mit einem Rückenaktbild eines jungen Mannes in Acryl- und Ölfarben auf Leinwand von Diana Achtzig. Die Kunstsammler können wieder in der Kunstgalerie Berlin Achtzig für zeitgenössische Kunst in der Weißenhöher Str. 14 in 12683 Berlin Biesdorf unter der neuen künstlerischen Leitung vom Galeristen Dietrich Willerscheid neue Liebespaar Bilder kaufen. [...] Mit dieser besonderen Kapital und -Wertanlage glücklich zu wohnen, sollte uns alle interessieren! Hochwertige Kunstwerke der Neuen Leipziger Schule von der Malerin und Bildhauerin Diana Achtzig zu kaufen, und in den eigenen Wohnräumen zu zeigen, bedeutet, dass die Diebe eben keine leichte Beute mehr haben werden. Oft bleiben diese wundervollen Kunstwerke hängen und stehen. Die Besitzer können ihre Kunstkäufe auch noch von der Steuer absetzen, als Einrichtung für ihren Kundenbereich im Büro oder in ihren privaten Arbeitszimmern im Home Office und sie genießen diese Acrylbilder täglich!

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Aus: "Kunst der Neuen Leipziger Schule kaufen!" (Kunstgalerie Berlin Achtzig - Diana Achtzig - Neue Leipziger Schule - aus Biesdorf, 3. März 2023)
Quelle: https://www.berliner-woche.de/biesdorf/c-kultur/kunst-der-neuen-leipziger-schule-kaufen_a374264

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Quote[...] Als Allesfresserin hat der verstorbene Heiner Müller einmal die kapitalistische Wirtschaftsordnung bezeichnet. Dem Berliner Dramatiker war nicht entgangen, dass sich an jeder konsumkritischen Protestbewegung irgendwann der Kommerzkrake mit seinen Saugnäpfen festklebt und die politischen Inhalte mitsamt dem Idealismus auslutscht. Denn mit Friedenslogos und Che-Guevara-T-Shirts können Konzerne ebenso gut Geld verdienen wie mit Designerklamotten.

Die Konzeptkünstlerin Josephine Meckseper hat genau hingeschaut, wohin die Attribute diverser Gruppierungen von der RAF der siebziger Jahre bis zu Autonomen und Globalisierungsgegnern wandern. In ihren Arbeiten verquickt sie gezielt die Sprachen von Werbung und Produktdesign mit den szenetypischen Abzeichen dieser Subkulturen. So inszeniert Meckseper das Abrutschen des Politischen in Lifestyle und gelackten Glamour - und offenbart, dass genau in diesem Glamour wieder Politik steckt. Oder zumindest politische Kunst.


[...] Zeitgeschichte speichert sich im Outfit: Auf einem Sockel steht ein Paar Sandalen als Denkmal für den unbekannten Hippie, mit einem Bundeswehrparka grüßen Friedensdemos und Hausbesetzungen. Ein anderes politisch aufgeladenes Stück Textil ist der Palästinenserschal: früher ein wichtiger Bestandteil des linksalternativen Dresscodes, wurde er später zum Accessoire auch unpolitischer Jugendlicher, und neuerdings wickeln sich Neonazis das Arafat-Tuch um den Hals. Protestkulturen erleben ihr Revival wie Modestile, und doch glaubt die Künstlerin in jüngster Zeit eine neue Verflachung zu erkennen. Wie Karneval, sagt sie, seien ihr die Demonstrationen von Heiligendamm vorgekommen. "Mit Aktivismus hatte das für mich nicht mehr viel zu tun."

Ein Genuss ist die Ausstellung nicht nur, weil sie so hintersinnig Alltagskultur seziert, sondern auch, weil die luftig-hellen Arrangements selbst da wachhalten, wo sich die Künstlerin inhaltlich wiederholt. Trotzdem bleibt am Ende eine Frage: Kann sich die Zeitgeistkritikerin an den Haaren ihrer eigenen Arbeit aus dem Konsumsumpf ziehen? Oder anders formuliert: was macht der allesfressende Kapitalismus mit einer Josephine Meckseper? - Wie es aussieht, hat er schon fleißig angefangen, sie zu verdauen. Der britische Werbemogul Charles Saatchi soll rund ein Dutzend ihrer Arbeiten angekauft haben. Und gesponsort wurde die Stuttgarter Ausstellung von der Firma Hugo Boss.


Aus: "Die Warenwelt verdaut ihre Kritiker" Von Georg Leisten (14.07.2007)
Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1468897?_suchtag=2007-07-14


Textaris(txt*bot)

#2
Quote[...]  Rund 200 teilweise prominente Künstler haben einen vom Bundesverband Musikindustrie verfassten offenen Brief an Angela Merkel unterzeichnet, in dem die Bundeskanzlerin aufgefordert wird, sich für den Schutz des geistigen Eigentums einzusetzen und das Thema "zur Chefsache" zu machen. Anlass des offenen Briefs, der am morgigen Freitag als ganzseitige Anzeige in der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der tageszeitung erscheinen soll, ist der von der World Intellectual Property Organization (WIPO) ausgerufene "Tag des geistigen Eigentums", der am Samstag (26. April) ansteht.

"Als Komponisten und Musiker, Schriftsteller und Verleger, als Schauspieler und Filmemacher begrüßen wir es sehr, dass mit diesem Tag das Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums gestärkt werden soll", formuliert der Bundesverband Musikindustrie. "Denn leider müssen wir täglich mit ansehen, wie das Recht auf einen angemessenen Schutz unserer Werke missachtet wird. Vor allem im Internet werden Musik, Filme oder Hörbücher millionenfach unrechtmäßig angeboten und heruntergeladen, ohne dass die Kreativen, die hinter diesen Produkten stehen, dafür eine faire Entlohnung erhalten."

Allein in Deutschland seien im vergangenen Jahr über 300 Millionen Musikstücke illegal aus dem Internet heruntergeladen worden, heißt es weiter. Dies sei zehnmal mehr, als legal verkauft worden seien. Mehrere Millionen Menschen würden sich regelmäßig aus "Internet-Tauschbörsen und anderen illegalen Quellen" im Netz bedienen. "Und obwohl damit nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Allgemeinheit durch Steuerausfälle und Arbeitsplatzverluste geschädigt werden, schaut der Staat bisher nahezu unbeteiligt zu", kritisieren die Verfasser. Nachdem sich die Bundeskanzlerin in China bereits vorbildlich für die Interessen der deutschen Industrie beim Thema Produktpiraterie eingesetzt habe, solle sie dies auch in Deutschland für mehr Respekt vor dem Schutz geistigen Eigentums tun.

In Anspielung auf geforderte Überwachungsmaßnahmen seitens der Provider stellen die Autoren des offenen Briefs die Behauptung in den Raum, allein 70 Prozent des Internetverkehrs in Deutschland entfielen auf "die – leider meist illegale – Tauschbörsennutzung". Und weiter: "Aber während beispielsweise die milliardenschwere Telekommunikationsindustrie massiv von der Nutzung illegaler Inhalte profitiert, verweigert sie beim Schutz geistigen Eigentums die Verantwortung." Als europäische Musterschüler in Kampf gegen illegales Filesharing werden Frankreich und England angeführt. So sollen etwa in Großbritannien ab 2009 gesetzliche Vorgaben für Provider gelten, nach denen Internet-Nutzern bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen der Zugang gesperrt wird.

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören unter anderem die Filmregisseure Sönke Wortmann, Bernd Eichinger und Faith Akin sowie die Schauspieler Til Schweiger, Renan Demirkan und Detlev Buck. Mit dabei sind auch Musikgruppen wie Tokio Hotel, Monrose, Söhne Mannheims und Juli sowie die Sänger Udo Lindenberg, Reinhard Mey, Peter Maffay, Roger Cicero und LaFee. Unterstützung kommt auch von der Moderatorin Barbara Schöneberger, dem Produzenten Ralph Siegel, dem Komponisten Wolfgang Rihm, der Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz und dem Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder. (pmz/c't)


Aus: "Offener Brief: Bundeskanzlerin soll Künstlerrechte schützen" (24.04.2008)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/Offener-Brief-Bundeskanzlerin-soll-Kuenstlerrechte-schuetzen--/meldung/106992

Quotedreaddy2, 25. April 2008 04:25

Irgendwie lustig...

Nicht, dass ich jemals etwas von besagten Leuten herunterladen würde
oder die Illegalität dieses Tuns in Frage stelle, aber wenn ein
Haufen auch trotz Filesharing sehr sehr gut verdienender Millionäre
verzapfen, dass die zu großen Teilen Schüler, Studenten und Leute für
die 30 Euro nicht mal eben aus dem Geldbeutel gezückt sind, doch mal
ihren Krams zahlen sollten...
Egal ob das Recht auf ihrer Seite ist, ich würde mich beim
Unterschreiben von diesem geistigen Eigentum Brief recht schäbig
fühlen.
Aber ein Angehöriger einer Branche, die es unter Kundenbindung
versteht, seit Jahren potentiellen Kunden mit Gefängnis zu drohen um
sie zum kaufen zu motivieren, sieht das vermutlich nicht so.

...



QuoteTonikaparallele, 25. April 2008 07:04

Ein Stück Zeitgeschichte

Sollte es auch weiterhin dabei bleiben, dass sich die Zeiten ändern,
dann könnte dieses Dokument irgendwann mal ganz interessant werden.
Es sagt mE viel aus über die Zeit, in der wir heute leben. Vor allen
Dingen für Musikwissenschaftler, aber nicht nur. Ich jedenfalls fühle
mich an die DDR-Musikwissenschaft erinnert, was einerseits an den
offensichtlichen Lügen im Text und andererseits am Quatsch-Begriff
"Geistiges Eigentum" liegt. Stellte die DDR-Musikwissenschaft alle
(echte, "gültige") Musik als Produkt des Volkes hin und blendete den
Künstler als Individuum völlig aus, so wird heutzutage Musik allein
als Wirtschaftsgut gesehen. Das ist sie zwar zweifellos u.a. auch,
aber doch nicht *nur*. Anders ausgedrückt: Gerade so, wie man in der
DDR auf Biegen und Brechen alle persönliche künstlerische Äußerungen
entweder als dekadenten Quatsch abtun oder der sozialistischen
Ideologie einverleiben musste (Lieder eines unglücklich Verliebten
als Ausdruck der "allgemeinen sozialen Misere"), so wird in unserer
Zeit alles nur noch im Hinblick auf Verwertbarkeit und Gewinn gesehen
und dabei vieles ausgeblendet. Man riecht den Schweiß.


Quotep_kater, 24. April 2008 19:53

Geldgier vs. Freiheitsrechte

Das ist ja nichts Neues, sozusagen die Grundlage einer
kapitalistischen Demokratie im Spannungsfeld der Interessen. Aber es
gibt den Moment, indem eine Demokratie in eine Diktatur umkippt. Zum
Beispiel dann, wenn zur Durchsetzung der Geldgier Einzelner die
totale Überwachung eingeführt wird. Frage: Kann einem Künstler egal
sein, ob er in einer Demokratie oder einer Diktatur lebt? Ich finde
nicht. Diesen Künstlern ist es aber egal. Wenn sie damit leben
können...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zur Retrospektive des Starkünstlers Takashi Murakami in Frankfurt gehört ein eigens eingerichteter Louis-Vuitton-Shop. Mode und Kunst verbindet derzeit die autoritäre Sprache des Marketing.

Am Wochenende eröffnet die große Retrospektive des japanischen Starkünstlers Takashi Murakami in Frankfurt am Main, die das dortige Museum für Moderne Kunst vom Museum of Contemporary Art in Los Angeles übernommen hat. Höhepunkt der Schau ist ein eigens im Museum eingerichteter, temporärer Louis-Vuitton-Shop. Denn Murakami, das künstlerische Allroundtalent, das unter anderem als Kurator, Herausgeber, Event-Manager, Moderator einer Radioshow und Kolumnist einer Tageszeitung tätig ist, erachtet die Annahme eines substanziellen Unterschieds zwischen Kunst und anderen Luxusgütern für absurd. Unter dieser Prämisse versüßte er denn auch im Jahr 2003 den Vuitton-Kunden die obligatorische hässlich-braunbeige Monogramm-Bag höchst erfolgreich mit einer bonbonfarbenen "Cherry Blossom Line".

[...] Pinault ist der Herr über das Luxusgüterimperium PPR, zu dem Gucci, Yves Saint Laurent, Bottega Veneta und Fnac gehören, und er sammelt Koons. Aillagon ist nur einer unter vielen anderen Figuren im Netzwerk des Magnaten, die finanzielle Erlöse in ästhetische Dividende ummünzen und umgekehrt. Daran ändert der Einwand wenig, dass Pinault kein Spekulant sei, der seine Werke weiterverkaufe, wenn deren Notierung steige. Wie immer bedeuten autoritäre Strukturen eben Stillstand und Konformität. Die 23,6 Millionen Dollar, für die im November 2007 Koons stählernes "Hanging Heart" bei Sothebys versteigert wurde, und von dem auch Pinault eine der fünf Versionen besitzt, sind nichts anderes als die Garantiesumme für Jeff Koons nachhaltige künstlerische Bedeutung.

Wenn man bedenkt, wie lange Clement Greenberg, der Frontman der New York School, den Abstrakten Expressionismus als einzige gültige Kunst propagieren konnte, und weiter bedenkt, was ein Kunstkritiker wie er schon gegen die geballte Macht der weltweit 200 größten Sammler ist, dann ahnt man, was droht. Diese Sammler gehören mehrheitlich dem Verwaltungs- oder Stiftungsrat renommierter Museen an und verfügen damit über ein sicheres Instrument, ihre Schätze im Kontext einer institutionell abgesicherten, kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst gewürdigt zu sehen. Damit ist sowohl die Wertsteigerung ihrer Kunsterwerbungen auf lange Zeit hin garantiert wie der Verdacht des abgekarteten Spiels und Insidergeschäfts einigermaßen wirksam zerstreut.

Was freilich mit dem Einzug der Leihgaben ins Museum nicht verschwindet, ist die Konformität des internationalen Kunstsammelns. Sie riecht nach Rückversicherung, wobei schwer zu sagen ist, ob nur die fragwürdige Kompetenz und Autorität der Sammler kaschiert werden soll, oder ob es sich schon wesentlich um eine Anlagestrategie handelt, nach dem Motto: Der herrschende Geschmack im Kunstbetrieb ist der Geschmack der Herrschenden. Damit jedenfalls befindet man sich auch schon mittendrin, im Louis-Vuitton-Shop von Takashi Murakami. Denn so, wie sich die wohlhabenden Damen die gerade angesagte Trophy-Bag von Louis Vuitton gönnen, so bedienen sich die betuchten Herren - ja, auch das verweist auf die autoritären Strukturen, Kunstsammeln ist noch immer ein männliches Geschäft - aus der "Sommerkollektion" von Neo Rauch, von der er erst kürzlich in einem Interview sprach.

Glauben die Damen, sie hätten mit dem Label schon ein gültiges Fashion Statement gemacht, heften sich die Herren den Titel des internationalen Kunstsammlers an die Brust, indem sie mit der immer gleichen Künstlerfolge von Jeff Koons, Luc Tymans, Andreas Gursky, unbedingt noch Jonathan Meese oder wahlweise Daniel Richter aufwarten. Am Ende sind die Garderoben so uniform wie die Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst von Miami bis Berlin. So aufregend hat man sich das Crossover von Mode und Kunst immer vorgestellt. Störende Gegenentwürfe kommen dank der Marketinginstrumente der Corporate Culture erst gar nicht ins Spiel. Denn als Form einer weiterreichenden Markenbildung drängt sie die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Werk selbst erfolgreich in den Hintergrund.

Wie schon das deutsche "Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichnungen" weiß, kann "niemals ein Produkt die Marke selbst sein. Was also produktbedingt geformt ist, stellt gleichzeitig nicht die Marke des Produkts dar." Ganz dieser Definition entsprechend wird denn auch anlässlich von Jeff Koons Versailles-Auftritt auf einer ganzen Zeitungsseite des Figaro wohl über die Gästeliste des Galadinners (u. a. die Schauspielerin Fanny Ardant, Schlankmacher Karl Lagerfeld, Albert von Monaco und Gloria, Fürstin Thurn und Taxis etc. etc.), nicht aber über die Ausstellung selbst debattiert. Sensationsheischend ist der Ton hier wie dort, wo die Kunstberichterstattung Damien Hirsts Sothebys Auktion verteidigt und feiert.

Tatsächlich steht die abenteuerliche Aktion mehr für die Marke Hirst als die sattsam bekannten Schmetterlingsbilder, Arzneimittelschränke oder in Formaldehyd eingelegten Tierkadaver seines Werks. Ebenso wie das breite Netzwerk von Fürsprechern und Celebrities aus der Mode- und Unterhaltungsindustrie der Wertschätzung von Jeff Koons mehr Gültigkeit gibt als jede Expertise des wenig mondänen professionellen Personals der Institutionen des Kunst- und Kulturbetriebs. Ihm fehlt das nötige Prestige, das heute aus Kaufkraft statt aus Kennerschaft erwächst. In der unübersichtlichen Lage am Anfang des 21. Jahrhunderts ist Geld der Humus, in dem die neofeudalen, autoritären Strukturen wurzeln, die das Marketing, dessen Ziel ja die "Gewinnung des öffentlichen Vertrauens" ist, wie schon Hans Domizlaff sein 1939 publiziertes "Lehrbuch zur Markentechnik" betitelte, zur neuen Leitwissenschaft machen. Ob freilich mit Vertrauen und Sicherheit in Kunst und Mode etwas gewonnen ist, bleibt zu fragen. Denn womöglich werden sie der Gegenwart doch nur auf ungesichertem Terrain ästhetisch habhaft.


Aus: "Kunst und Publicity: Das Diktat der Marken" (26.09.2008)
VON BRIGITTE WERNEBURG
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/kuenste/artikel/1/das-diktat-der-marken/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die vor allem privat finanzierte Kulturwirtschaft der USA leidet stark unter der Wirtschaftskrise. Der "Boston Herald" zitiert Bob Lynch, Chef von "Americans for the Arts". Lynch erklärte, dass rund 10.000 Organisationen - etwa 10 Prozent aller Kulturinstitutionen des Landes - ihre Aktivitäten entweder bereits aufgegeben haben oder kurz vor dem Kollaps stehen.

Eine Studie von "Americans for the Arts" aus dem Jahr 2007 hat, so der Online-Infodienst "codexflores", gezeigt, dass nichtgewinnorientierte Kulturinstitutionen in den USA Wirtschaftsaktivitäten im Umfang von 166 Milliarden Dollar generieren und rund sechs Millionen Arbeitsplätze schaffen. Sie finanzieren sich durchschnittlich zur Hälfte aus Billettverkäufen, zu 40 Prozent aus privaten Zuwendungen und zu 10 Prozent aus staatlichen Zuschüssen.

Branchenkenner gehen davon aus, dass sich die Situation sogar verschlimmern wird, weil zahlreiche Organisationen noch von Budgets zehren, die im vergangenen Sommer definiert worden sind, als die Zeiten noch besser waren. Die Chefs der grossen Kulturinstitutionen haben deshalb begonnen, bei der Obama-Verwaltung und dem Kongress für eine Unterstützung in Milliardenhöhe zu lobbyieren.




Aus: "Die Kultur und die Wirtschaftskrise - Zehn Prozent der US-Kulturinstitutionen sind erledigt" (2. Februar 2009)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2009/02/02/1033649.html


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Quote[....] Der schöpferische Verstand ermöglicht es, Originale, Unverwechselbares zu schaffen und zudem aus Vorhandenem durch reine Geisteskraft neue Kombinationen zu entwickeln. Ein Superkapitalismus, bei dem man nur mit geistigen Rohstoffen und geringstem Materialeinsatz eine Sache mit einem massiven Mehrwert versehen kann.

Dazu braucht man Leute, für die es zum Alltag gehört, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Man braucht, kurz gesagt, Kunstunternehmer. Und Unternehmer, die verstehen, dass sie von Künstlern jede Menge darüber lernen können, wie man durch reine Geisteskraft mehr Werte schafft.

Die österreichische Kulturmanagerin Doris Rothauer gibt in ihrem Buch "Kreativität & Kapital" den Kammerton der neuen Wirtschaft wieder: Künstler werden zu "Vorbildern für die Umgestaltung der Arbeitsgesellschaft". Und die Kreativität wird vom "künstlerischen Mythos zum wirtschaftlichen Imperativ". Nur, so fügt die Autorin hinzu, die Künstler und ihre Welt spielen eigentlich in der Gesellschaft keine Rolle. Das liege da ran, dass viele Künstler nicht aus ihren engen Vorstellungen herauskämen. Sie blieben unter sich. Und umgekehrt würden Wirtschaft und Politik die Künstler nur "symbolisch" wahrnehmen.

[...] Jemand, der sich mit Kunst schmückt, die nicht nötig, sondern eigentlich immer Luxus ist, zeigt seine Leistungsfähigkeit. "Wer sich für 7000 Euro ein Ölgemälde übers Sofa hängen kann", sagt der Kulturwissenschaftler Martin Tröndle, Professor an der Zeppelin University in Fried richshafen, "macht allen klar: Ich muss mich nicht mehr abstrampeln. Ich kann es mir leisten. Ich habe den Ernst des Lebens im Griff. Ich kann mehr als andere." Dieser Unterschied beeindruckt - und fordert Künstler wie Publikum immer weiter heraus. Denn beeindruckend ist vor allem, was andere nicht haben. Das wird auch in Thorstein Veblens berühmter Studie "Die Theorie der feinen Leute" aus dem Jahr 1899 bestätigt. Für die reichen Ostküsten-Bürger galt: Je neureicher, desto mehr Kunst muss ins Haus. Daran hat sich nichts geändert.


[...] Gründer, Künstler und Kunstunternehmer Christian Smretschnig betreibt ein Unternehmen namens "M-ars" - einen Kunstsupermarkt. Dort gibt es Kunstwerke von 9,99 bis 899 Euro. Von der Stange sozusagen, ohne große "Mystik". Was nach vier Wochen nicht verkauft wird, "wird ausgelistet so ist das eben", sagt Smretschnig in klarem Kaufmannston. Anfangs habe er sich "wüst beschimpfen lassen müssen - , Das tut man nicht' war noch die harmloseste Variante". Mittlerweile kommen bis zu 100 Leute pro Tag in sein Geschäft. Berührungsängste hat keiner mehr.

[...] Smretschnig gehört zu einer jungen Künstlergeneration, die den alten Beuys-Satz von "Kreativität = Kapital" verstanden hat. Sie klagen nicht, sie trauern nicht um die guten alten Zeiten, die es für sie nie gegeben hat, sondern sie gehen mit Zuversicht in eine Welt, in der sie, die Heiteren, ernst genommen werden. "Wir ersetzen großes Kapital durch mehr Kreativität", sagt Smretschnig selbstbewusst, "und wir tun das, weil wir wollen, dass uns die Leute zuhören und uns bemerken."

Auch Martin Tröndle kann das bestätigen: "Die jungen Künstler haben die alten Vorurteile vielfach schon überwunden. Sie verstehen sich als Unternehmer, sie sagen, Ich muss mir erst einen Markt schaffen'."

...


Aus: "Das Kunststück" Wolf Lotter (brand eins 12/2009 - SCHWERPUNKT: KUNST)
Quelle: http://www.brandeins.de/aktuelle-ausgabe/artikel/das-kunststueck.html


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#6
Quote[...] Ein Gespenst geht um in Europa, seit der US-Ökonom Richard Florida vorgerechnet hat, dass nur die Städte prosperieren, in denen sich die "kreative Klasse" wohlfühlt. "Cities without gays and rock bands are losing the economic development race", schreibt Florida. Viele europäische Metropolen konkurrieren heute darum, zum Ansiedelungsgebiet für diese "kreative Klasse" zu werden. Für Hamburg hat die Konkurrenz der Standorte mittlerweile dazu geführt, dass sich die städtische Politik immer mehr einer "Image City" unterordnet. Es geht darum, ein bestimmtes Bild von Stadt in die Welt zu setzen: Das Bild von der "pulsierenden Metropole", die "ein anregendes Umfeld und beste Chancen für Kulturschaffende aller Couleur" bietet. Eine stadteigene Marketing-Agentur sorgt dafür, dass dieses Bild als "Marke Hamburg" in die Medien eingespeist wird. Sie überschwemmt die Republik mit Broschüren, in denen aus Hamburg ein widerspruchfreies, sozial befriedetes Fantasialand mit Elbphilharmonie und Table-Dance, Blankenese und Schanze, Agenturleben und Künstlerszene wird. Harley-Days auf dem Kiez, Gay-Paraden in St. Georg, Off-Kunst-Spektakel in der Hafencity, Reeperbahn-Festival, Fanmeilen und Cruising Days: Kaum eine Woche vergeht ohne ein touristisches Megaevent, das "markenstärkende Funktion" übernehmen soll.

Wir sagen: Aua, es tut weh. Hört auf mit dem Scheiß. Wir lassen uns nicht für blöd verkaufen. Liebe Standortpolitiker: Wir weigern uns, über diese Stadt in Marketing- Kategorien zu sprechen. Wir wollen weder dabei helfen, den Kiez als "bunten, frechen, vielseitigen Stadtteil" zu "positionieren", noch denken wir bei Hamburg an "Wasser, Weltoffenheit, Internationalität", oder was euch sonst noch an "Erfolgsbausteinen der Marke Hamburg" einfällt. Wir denken an andere Sachen. An über eine Million leerstehender Büroquadratmeter zum Beispiel und daran, dass ihr die Elbe trotzdem immer weiter zubauen lasst mit Premium-Glaszähnen. Wir stellen fest, dass es in der westlichen inneren Stadt kaum mehr ein WG-Zimmer unter 450 Euro gibt, kaum mehr Wohnungen unter10 Euro pro Quadratmeter. Dass sich die Anzahl der Sozialwohnungen in den nächsten zehn Jahren halbieren wird. Dass die armen, die alten und migrantischen Bewohner an den Stadtrand ziehen, weil Hartz IV und eine städtische Wohnungsvergabepolitik dafür sorgen. Wir glauben: Eure "wachsende Stadt" ist in Wahrheit die segregierte Stadt, wie im 19. Jahrhundert: Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb.

Und deshalb sind wir auch nicht dabei, beim Werbefeldzug für die "Marke Hamburg". Nicht dass ihr uns freundlich gebeten hättet. Im Gegenteil: uns ist nicht verborgen geblieben, dass die seit Jahren sinkenden kulturpolitischen Fördermittel für freie künstlerische Arbeit heutzutage auch noch zunehmend nach standortpolitischen Kriterien vergeben werden. Siehe Wilhelmsburg, die Neue Große Bergstraße, siehe die Hafencity: Wie der Esel der Karotte sollen bildende Künstler den Fördertöpfen und Zwischennutzungs-Gelegenheiten nachlaufen – dahin, wo es Entwicklungsgebiete zu beleben, Investoren oder neue, zahlungskräftigere Bewohner anzulocken gilt. Ihr haltet es offensichtlich für selbstverständlich, kulturelle Ressourcen "bewusst für die Stadtentwicklung" und "für das Stadt-Image" einzusetzen. Kultur soll zum Ornament einer Art Turbo-Gentrifizierung werden, weil ihr die die üblichen, jahrelangen Trockenwohn-Prozesse garnicht mehr abwarten wollt. Wie die Stadt danach aussehen soll kann man in St. Pauli und im Schanzenviertel begutachten: Aus ehemaligen Arbeiterstadtteilen, dann "Szenevierteln", werden binnen kürzester Zeit exklusive Wohngegenden mit angeschlossenem Party- und Shopping Kiez, auf dem Franchising-Gastronomie und Ketten wie H&M die Amüsierhorde abmelken.

Die Hamburgische Kulturpolitik ist längst integraler Bestandteil eurer Eventisierungs- Strategie. Dreissig Millionen Euro gingen an das Militaria-Museum eines reaktionären Sammlerfürsten . Über vierzig Prozent der Ausgaben für Kultur entfallen derzeit auf die "Elbphilharmonie". Damit wird die Kulturbehörde zur Geisel eines 500-Millionen-Grabes, das nach Fertigstellung bestenfalls eine luxuriöse Spielstätte für Megastars des internationalen Klassik- und Jazz-Tourneezirkus ist. Mal abgesehen davon, dass die Symbolwirkung der Elbphilharmonie nichts an sozialem Zynismus zu wünschen übrig lässt: Da lässt die Stadt ein "Leuchtturmprojekt" bauen, das dem Geldadel ein Fünf-Sterne-Hotel und 47 exklusive Eigentumswohnungen zu bieten hat und dem gemeinen Volk eine zugige Aussichtsplattform übrig lässt. Was für ein Wahrzeichen!

Uns macht es die "wachsende Stadt" indessen zunehmend schwer, halbwegs bezahlbare Ateliers, Studio- und Probenräume zu finden, oder Clubs und Spielstätten zu betreiben, die nicht einzig und allein dem Diktat des Umsatzes verpflichtet sind. Genau deshalb finden wir: Das Gerede von den "pulsierenden Szenen" steht am allerwenigsten einer Stadtpolitik zu, die die Antwort auf die Frage, was mit städtischem Grund und Boden geschehen soll, im Wesentlichen der Finanzbehörde überlässt. Wo immer eine Innenstadtlage zu Geld zu machen ist, wo immer ein Park zu verdichten, einem Grünstreifen ein Grundstück abzuringen oder eine Lücke zu schließen ist, wirft die Finanzbehörde die "Sahnelagen" auf den Immobilienmarkt – zum Höchstgebot und mit einem Minimum an Auflagen. Was dabei entsteht, ist eine geschichts- und kulturlose Investoren-City in Stahl und Beton.

Wir haben schon verstanden: Wir, die Musik-, DJ-, Kunst-, Theater- und Film-Leute, die kleine-geile-Läden –Betreiber und ein-anderes-Lebensgefühl-Bringer, sollen der Kontrapunkt sein zur "Stadt der Tiefgaragen" (Süddeutsche Zeitung). Wir sollen für Ambiente sorgen, für die Aura und den Freizeitwert, ohne den ein urbaner Standort heute nicht mehr global konkurrenzfähig ist. Wir sind willkommen. Irgendwie. Einerseits. Andererseits hat die totale Inwertsetzung des städtischen Raumes zur Folge, dass wir – die wir doch Lockvögel sein sollen – in Scharen abwandern, weil es hier immer weniger bezahlbaren und bespielbaren Platz gibt. Mittlerweile, liebe Standortpolitiker habt ihr bemerkt, dass das zum Problem für euer Vorhaben wird. Doch eure Lösungsvorschläge bewegen sich tragischer Weise kein Jota außerhalb der Logik der unternehmerischen Stadt. Eine frische Senatsdrucksache etwa kündigt an "die Zukunftspotenziale der Kreativwirtschaft durch Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erschließen". Eine "Kreativagentur" soll zukünftig u.a. "Anlaufstelle für die Vermittlung von Immobilienangeboten" sein. Wer sich die Mieten nicht leisten kann, muss sich als "künstlerischer Nachwuchs" einsortieren lassen und bei der Kreativagentur um "temporäre Nutzung von Leerständen" ersuchen. Dafür gibt es sogar einen Mietzuschuss, allerdings nur, wenn "die Dringlichkeit des Bedarfs und die Relevanz für den Kreativstandort Hamburg" gegeben sind. Unmissverständlicher kann man nicht klarstellen, was "Kreativität" hier zu sein hat: Nämlich ein profit center für die "wachsende Stadt".

Und da sind wir nicht dabei. Wir wollen nämlich keine von Quartiersentwicklern strategisch platzierte "Kreativimmobilien" und "Kreativhöfe". Wir kommen aus besetzten Häusern, aus muffigen Proberaumbunkern, wir haben Clubs in feuchten Souterrains gemacht und in leerstehenden Kaufhäusern. Unsere Ateliers lagen in aufgegebenen Verwaltungsgebäuden, und wir zogen den unsanierten dem sanierten Altbau vor, weil die Miete billiger war. Wir haben in dieser Stadt immer Orte aufgesucht, die zeitweilig aus dem Markt gefallen waren – weil wir dort freier, autonomer, unabhängiger sein konnten. Wir wollen jetzt nicht helfen, sie in Wert zu setzen. Wir wollen die Frage "Wie wollen wir leben?" nicht auf Stadtentwicklungs- Workshops diskutieren. Für uns hat das, was wir in dieser Stadt machen, immer mit Freiräumen zu tun, mit Gegenentwürfen, mit Utopien, mit dem Unterlaufen von Verwertungs- und Standortlogik.

Wir sagen: Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen. Wir stellen die soziale Frage, die in den Städten heute auch eine Frage von Territorialkämpfen ist. Es geht darum, Orte zu erobern und zu verteidigen, die das Leben in dieser Stadt auch für die lebenswert machen, die nicht zur Zielgruppe der "Wachsenden Stadt" gehören. Wir nehmen uns das Recht auf Stadt – mit all den Bewohnerinnen und Bewohnern Hamburgs, die sich weigern, Standortfaktor zu sein. Wir solidarisieren uns mit den Besetzern des Gängeviertels, mit der Frappant-Initiative gegen Ikea in Altona, mit dem Centro Sociale und der Roten Flora, mit den Initiativen gegen die Zerstörung der Grünstreifen am Isebek- Kanal und entlang der geplanten Moorburg-Trasse in Altona, mit No-BNQ in St. Pauli, mit dem Aktionsnetzwerk gegen Gentrifizierung und mit den vielen anderen Initiativen von Wilhelmsburg bis St. Georg, die sich der Stadt der Investoren entgegenstellen.

...


Aus: "Not In Our Name, Marke Hamburg!"  (Inititative ,,Not In Our Name, Marke Hamburg!" (2009))
Quelle: http://www.buback.de/nion/



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Quote[...] Und wie legen Galeristen ihre Preise fest?

Don Thompson: Auf jeden Fall nicht nur, indem sie sich überlegen, was ein Künstler wert sein könnte. Die Preise spiegeln auch das Ansehen des Kunsthändlers: Wenn ein Superstar-Händler wie Larry Gagosian in New York ein Werk anbietet, dann erzielt es das Doppelte oder Dreifache dessen, was ein normaler Händler verlangen könnte. Das Werk ist allein dadurch schon teurer, dass die berühmte Galerie Teil seiner Geschichte wird.


[...] Sie haben das Prinzip der Preisentwicklung auf dem Kunstmarkt mal mit einer Sperrklinke verglichen. Was muss man sich darunter vorstellen?
Don Thompson: Eine Sperrklinke ist ein Zahnrad, das sich nur vorwärts bewegt, nie rückwärts. Auf die Preise in der ersten Liga des Kunstmarkts übertragen bedeutet das: Aufwärts geht es immer, runter nie. Die Preise, die auf Auktionen für Werke eines bestimmten Künstlers verlangt werden, fallen nie.

Wie geht das?
Don Thompson: Auf Auktionen richtet sich der Schätzpreis nach den bisher erzielten Erlösen. Ein hoher Erlös bei einer Auktion führt zu höheren Schätzpreisen bei der nächsten, was wiederum einen höheren Verkaufspreis nach sich zieht. Aber wenn ein Werk zwei- oder dreimal unter dem Schätzpreis bleibt, wird der betreffende Künstler in Zukunft einfach nicht mehr angeboten, er gilt dann intern als gescheitert. Das erfährt natürlich die Öffentlichkeit nicht, aber es hat zur Folge, dass auf großen Auktionen nur noch die Künstler vertreten sind, deren Preise steigen.

Und was passiert mit Künstlern, deren Preise nicht steigen?
Don Thompson: Tja ... Wenn eine Spitzengalerie nacheinander zwei Ausstellungen hat, bei denen die Werke eines bestimmten Künstlers nicht alle verkauft werden, lässt der Galerist eher den Künstler fallen als seine Preise. Schließlich beruht das Geschäft einer Galerie auf dem impliziten Versprechen an die Sammler: Was ihr bei mir kauft, steigt im Wert.

Welche Künstler sind Ihrer Meinung nach am deutlichsten überteuert?
Don Thompson: Es gibt eine ganze Reihe von Malern aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, deren Werke eine Zeit lang in Mode waren und Preise um die 12 000 Euro erzielten, die aber mittlerweile vergessen sind und jetzt nur noch für hundert Euro verkauft werden können.

[...] Preis und Wert hängen bei einem Künstler wie Pollock also nicht unbedingt zusammen?
Don Thompson: Im Kunstmarkt wird gern der künstlerische Wert eines Werks mit seinem Verkaufspreis gleichgesetzt. Dabei handelt es sich ja nur um eine kurzfristige Einschätzung. Der Preis ist das, was jemand morgen oder übermorgen für ein Kunstwerk zahlen könnte. Der Wert ergibt sich daraus, wie die Gesellschaft das Werk ein oder zwei Generationen später beurteilt, also nach ästhetischen und kunsthistorischen Kriterien.

[...] Und woran liegt es, dass die Superstars der zeitgenössischen Kunstszene es ganz nach oben geschafft haben?
Don Thompson: Am oberen Ende des Kunstmarkts, das etwa ein Prozent ausmacht, ist Branding das A und O: Der Künstler, der Händler, das Auktionshaus funktionieren nur als Marken, das gilt auch für die Museen und die Sammler, die mit den Werken eines Künstlers zu tun haben. Namen wie Koons oder Hirst oder eben auch Saatchi sind heute fast so gängig wie Modelabels oder Fußballvereine.

Soll heißen, die Inhalte sind weniger wichtig als der Eindruck?
Don Thompson: Ein Mitarbeiter des Auktionshauses Bonhams in London hat mir mal gesagt: »Unterschätze niemals die Unsicherheit eines Käufers, der zeitgenössische Kunst kaufen will.« Die Käufer verlassen sich auf bekannte Markennamen von Auktionshäusern, Galeristen und Künstlern, weil ihnen selbst die Urteilsfähigkeit abgeht. Wenn Sie sagen können, »Das Spot Painting von Damien Hirst habe ich bei einer Auktion von Sotheby's gekauft«, wird niemand Ihr Urteil infrage stellen, denn das sind alles etablierte Markennamen, die Qualität bedeuten. Sie signalisieren damit, dass Sie als Sammler auf der Höhe der Zeit sind – und viel Geld haben.

Sind Auktionshäuser und Kunstsammler also einflussreicher als Kunstkritiker?
Don Thompson: Kunstkritiker haben so gut wie keinen Einfluss auf den Markt. Die Kunstgeschichte wird von Sammlern geschrieben. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, dass Gustav Klimt zu diesem einen Prozent an der Spitze gehört. Aber dann kam 2006 der Unternehmer Ronald Lauder – der übrigens auch Präsident des New Yorker Museums of Modern Art ist – und zahlte den damaligen Rekordpreis von 135 Millionen Dollar für das Porträt von Adele Bloch-Bauer.

Laien erscheint das alles längst wie ein virtuelles Spiel mit Zahlen, die mit tatsächlichen Werten nichts mehr zu tun haben.
Oh nein, die Preise sind alles andere als virtuell. Wirtschaftlich gesehen spiegeln sie einfach das wieder, was ein Käufer zu zahlen bereit ist. Punkt. [...]

...


Aus: ""Ein Drittel der zeitgenössischen Kunstwerke wird nie wieder die Preise von 2008 erzielen""
Aus einem Interview mit Don Thompson Von Malte Herwig
Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/31707


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Quote[...] Buy a positive review written by the renowned art critic and successful artist Conny Blom. For only 300 Euros you will get an approximately 2500 letters long, appreciative review of your artwork or exhibition. Conny Blom has written for the Swedish newspapers Helsingborgs Dagblad, Göteborgsposten and Nordvästra Skånes Tidningar, and the bilangual art magazine Heterogenesis. Alongside this and his highly praised artistic career he has also been teaching art theory at two Swedish art schools, and curating several exhibitions.

When contracted Blom will look at the material you provide and write a positive, personalized review, which will then be signed and delivered to you by mail. Blom's reputation will assure credibility and the document will make a nice addition to your C.V.


From: "Buy a Positive Review" (2003)
Source: http://www.connyblom.com/buy1.html

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EXAMPLE REVIEW:

Quote[...] Buy a Positive Review
Conny Blom at Art Moscow 2003
April 22-25


Certainly one of the most interesting art projects shown at this years Art Moscow is Swedish artist Conny Blom's "Buy a Positive Review". Blom's work often deals with the downsides of the capitalistic society and does so without becoming moralizing and pragmatic. He offers no simplified resolutions but always manages to bring urgent topics into the light with a certain twist that may make you look at things in a different way in the future. Blom carries out his projects with a great humanistic and social pathos.

Earlier this year he addressed patent and copyright issues with a much discussed computer installation at the highly praised international exhibition "Cultural Terrorism" at Galleri Valfisken in Simrishamn, Sweden. Together with the other participating artists Heath Bunting, Minerva Cuevas and Anna Brag, Blom made this the most relevant and interesting exhibition in Sweden so far this year. At "Cultural Terrorism" the theme was given, but now at Art Moscow the fair itself becomes the subject. In a country still young in it's capitalistic system the fair concept might be seen as something of a symbol of blatant commercialism turning art into numbers and dollar signs. A strange Market where success means shaking the right hands and kissing the right ass more than providing thought provoking works of art.

In "Buy a Positive Review" Conny Blom plays with his background as a renowned art critic and art historian while simultaneously questioning the possibility of objective critique. The idea is simple. For 300 Euro any artist, gallery owner or curator can buy a personalized, positive review of work and/or exhibitions. Blom will look at the art in question and then write in appreciative terms. The signature on the review assures that the opinions within the text really are Blom's, but at the same time it transforms the paper into an artwork and hence to something quite ambiguous. Blom slides smoothly between the roles as an art critic and an artist making his work into an effective mix of forceful satire and investigative contemporary art. What at the surface might seem only to corrupt Blom's credibility, turns into a full fledged attack on both art critics and the art business in general. Definitely a multilayered work by one of the most interesting Swedish artists right now.


From: "Buy a Positive Review - Conny Blom at Art Moscow" (2003 April 22-25)
Source: http://www.connyblom.com/buy2.html


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QuoteEs wird weniger Kunst von niedrigem Niveau gekauft, weil der Markt schrumpft.

(Klaus Biesenbach)


Aus: "These 9: Die Wirtschaftskrise hat die Kunst gerettet" (Gesellschaft/Leben  | Heft 53/2009)
Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/32047

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Quote[...] "Die ökonomischen, emotionalen, ethischen und ästhetischen Probleme sind jedoch bis heute einer Verflüssigung nicht viel näher gekommen. Und so, wie die in ein übergreifendes Herrschaftssystem eingebettete Religion als Kirche in ihr emotionales Gegenteil geführt wurde – von deren inneren Schau als Befreiung zur veräußerlichten, bloßen Form als Unterdrückungs- und Machtinstrument, hat sich auch die Funktion der Künste für die Gesellschaft gewandelt, Museen sind heute Staats- und Markt-Kathedralen ökonomischer, und damit politischer, Kräfte.

Mit ihnen schreibt man die Geschichte des Kapitals auf perfideste Weise fort. Sie repräsentieren nicht mehr Erkenntnisse der philosophischen, sozialen und ästhetischen Reflexion, sondern ein Wertesystem von Shareholder Values, und könnten auch ,,Dow Jones Memorials" oder ,,Gebäude zum Dax" genannt werden. D.h. auch: der Begriff postmoderne Willkür ist schon wieder ein Gespenst, denn willkürlich ist da nichts. Nur sind es nun die Werte des angeblich freien Marktes, die den Tausch eines vermeintlich bohemiantischen Lebensgefühls gegen Börsenaktien tauschen lassen. Abstraktionswert Geld gegen einen seiner Inhaltlichkeit, Geschichtlichkeit und Geistigkeit beraubten Geschmackswert.

[...] Geschmacksfragen sind im heutigen Jargon Fragen der Schichten und Zielgruppen – Also doch: Klassenfragen. Aber die Hoffnung, die in der Kunst sich manifestiert, ist auf freie Entfaltung des frei entfalteten Individuums gerichtet, daß sich seiner gesellschaftlichen Bedingt- und Verhältnismäßigkeiten sensibel und intelligent bewußt ist.

[...] Es ist das Ringen um Freiheit und Ausdruck, daß in jeder Gesellschaft ständig bedroht ist. Besonders dann, wenn art bzw. kunstferne Kategorien ihre erkenntnistheoretischen und praktischen Ergebnisse negieren und als Frage von Angebot und Nachfrage in ein heuchlerisches System transformieren. ..."


Aus: ",,Wie lange wollen Sie noch beim ersten Schritt bleiben?" (Joseph Beuys) – Modelle operativer Kunst zwischen Avantgarde und Anarchismus Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Politik"
Von Gunnar F. Gerlach (jst-gfg-gfok 1996)
=> http://medienwatch.wordpress.com/modelle-operativer-kunst-zwischen-avantgarde-und-anarchismus-uberlegungen-zum-verhaltnis-von-kunst-und-politik/


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Quote[...] Es gibt inzwischen unzählige Preise und Stipendien für Kuratoren, auch das Goethe-Institut hat kürzlich ein Residency-Programm für Jungkuratoren in New York initiiert: Mit der Unterstützung eines großen Autokonzerns darf der Auserwählte ein Jahr lang den Goethe-Ausstellungsraum Ludlow Space in Manhattans Lower East Side bespielen.

... Aus der unendlichen Masse von Kunstwerken und Künstlern wählt der Kurator die Perlen aus und präsentiert sie uns in Ausstellungen. Der Kurator hat die Macht der Entscheidung, er hat die gleiche Funktion wie ein DJ, er sorgt für die richtige Mischung und entdeckt für uns die neuen heißen Trends.

... Gut 150 verschiedene Kunstbiennalen soll es inzwischen geben, aber weil es dennoch weitaus mehr Kuratoren als Ausstellungen gibt, wird heute alles mögliche kuratiert, von Magazinen über Filmabende, von Modenschauen bis zu Blogs, selbst Podiumsdiskussionen.

... Ein bedeutender Kurator kann aus ein bisschen Leinwand Gold machen: Promoviert er einen unbekannten Künstler, dann vervielfacht sich nicht nur dessen sozialer, sondern auch der ökonomische Wert auf geradezu märchenhafte Weise. Anders als im Markt der Musik, des Filmes oder des Buches entscheidet letztlich nicht eine große Menge von Käufern über Erfolg und Scheitern, sondern eine relativ kleine Gruppe. Sie bestimmt, wie viel ein Kunstwerk von Jeff Koons oder Anselm Reyle wert ist. Und so werden die erfolgreichen Kuratoren hofiert, von den Sammlern, von den Galeristen, von den Künstlern.

... Die Macht der Geschmacksverstärker zeigt sich auch in der großen Spannung, mit der Sammler, Händler und Kritiker die Listen der teilnehmenden Künstler für die großen Biennalen erwarten – die Biennalen und die Documenta, das sind die Loveparades der Kuratoren.

... Selbstverständlich unterscheiden sich die Kuratoren, es gibt verschiedene Typen und Mischformen. Viele von ihnen sind Autodidakten – der klassische Kustos, der wissenschaftlich arbeitende Mitarbeiter eines Museums, macht nur einen geringen Prozentsatz aus. Verbreiteter ist der Tausendsassa, der möglichst viel kennenlernen und zeigen will, der selten aneckt und ein guter Netzwerker ist. Daneben gibt es auch den Politisch-Kritischen, der mit einem gewissen Pathos die Sache der Peripherie, der Randständigen vertritt, und den Inneneinrichter, der dem Reichen die passende Sammlung für die Wohnung in Chelsea zusammenstellt. Der historisch arbeitende Kurator wiederum gräbt die Vergessenen aus und will die Migration der Formen durch die Geschichte nachzeichnen. Und es gibt den Künstler-Kurator, also den Künstler, der seine Kollegen ausstellt. Doch nicht nur er, auch eine große Zahl der übrigen Kuratoren versteht sich mehr oder minder als Künstler. Schließlich wurde mit dem erweiterten Kunstbegriff zugleich die Ausstellung zum Medium, der Kurator also zum Mitautor eines Gesamtkunstwerks. Der Kurator ist, so das Selbstverständnis, Teil des Produktionsprozesses. Und so ist er – erst recht in einer Kunst, die sich um das sogenannte Prozessuale dreht – nicht nur Geschmacksverstärker, sondern heimlich auch Schöpfer.

...


Aus: "Die Macht der Geschmacksverstärker" Tobias Timm (12.5.2011)
Quelle: http://www.zeit.de/2011/19/Kunst-Kuratoren


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Quote[...] Es geht um die (Un)Möglichkeit von Kunst – selbstverständlich wollen die beiden Musiker nur Geld verdienen, um sich ihren ,,eigentlichen" Projekten widmen zu können – um die Brutalität eines Arbeitsalltages, den man zusätzlich zur Fremdbestimmung noch als Freiheit empfinden soll, um eine totale Gesellschaft, die kritisches Denken in Kreativwirtschaft überführt.

... Das Hamburger Publikum dankte mit viel Gelächter, Szenenapplaus und anhaltendem Beifall. Allerdings hinterlässt einen selbst der Abend ... nicht so verstört, dass es am nächsten Tag unmöglich wäre, einen Text zu schreiben. ... Die Möglichkeiten der Kunst sind begrenzt.


Aus: "Vom gutgelaunten Grauen" Hanning Voigts (12.03.2012)
Quelle: http://www.freitag.de/kultur/1210-vom-gutgelaunten-grauen


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Quote[...] Hannover wirbt [ ] mit bunten, runden Figuren im Stadtbild, genannt Nanas und geschaffen von der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Warum schaffen es die Nanas in die Broschüren mit den touristischen Highlights und nicht Kurt Schwitters ,,Kathedrale des erotischen Elends"?

,,Niki des Sant Phalles Popart ist kommerziell und populär, sie lässt sich gut vermarkten", sagt Christian Nolte, Geschäftsführer der Hannover Marketing und Tourismus GmbH. ,,Typographie, Gestaltungstechnik und Collage sind wesentlich komplexere Ausdrucksformen, die sich dem vorbeischlendernden Betrachter nicht sofort erschließen", sagt er. ,,Da ist es nicht so leicht."

...


Aus: "Berühmt im Verborgenen" von Klaus Irler (20.06.2012)
Quelle: https://www.taz.de/125-Jahre-Merz-Kunst/!95699/


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Quote[...] Wer aus seinem Werk ein Produkt machen will, der wird vom Künstler zum Lieferanten oder Dienstleister, es ist gut, das nicht zu vernebeln, das ist eine Voraussetzung für den Erfolg. Eine andere Voraussetzung ist, dass ein Produkt entwickelt wird, das überhaupt vermarktbar ist.


Aus: "Kunstwerk oder Ware?" Jörg Friedrich (12.08.2012)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/37/37321/1.html


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Quote[...] Der Businessansatz etabliert sich peu à peu auch an anderen Kunsthochschulen: An der Freien Akademie der Bildenden Künste in Essen gehören Managementkurse zum Studienangebot, an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe nennt man es gleich "Professionalierungsseminar". Hier lernen Studenten, wie man seine Preise gestaltet, wie der deutsche Ausstellungsbetrieb funktioniert, wie man einen Katalog aufbaut, aber auch wie man seine Arbeiten am besten lagert. Meist handelt es sich um kurze, punktuelle Seminare. Am umfassendsten aufgestellt ist sicher das Zentrum für Internationales Kunstmanagement CIAM, das einen fachübergreifenden Masterstudiengang anbietet. Allerdings ist die 2005 von vier Düsseldorfer und Kölner Kunsthochschulen gegründete Einrichtung akut von der Schließung bedroht.

Bei Künstlern gibt es eine natürliche Scheu vor der Business-Seite ihrer Arbeit. "Es gibt eine rhetorische Regel in unserem Geschäft", erklärt Hauffe. "Wir agieren ökonomisch, dürfen aber nicht darüber reden. Sonst verkauft sich Kunst nicht." Doch das "merkantile Element" hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt, sagt Karin Lingl, Geschäftsführerin des Bonner Kunstfonds, der bildende Künstler finanziell unterstützt. "Bei den Abschlussausstellungen der Meisterklassen vor 15 Jahren lagen nicht einmal Preislisten aus", sagt sie, heute seien die Rundgänge dagegen eher "PR-Shows".

... Karin Lingl rät Künstlern, Atelierverbände zu gründen und gemeinsam Ausstellungen zu organisieren - auch wenn sie letztlich auch Konkurrenten sind, sei die Multiplikatorenwirkung enorm.

Denn nur so generiert man die Aufmerksamkeit, die man braucht, um etwa irgendwann auf den großen Kunstmessen vertreten zu sein, auf der Art Basel mit ihren internationalen Ablegern zum Beispiel, auf der Art Cologne und der eher kleinere Kunstmesse Karlsruhe. "Die meisten Künstler werden von Galerien durchgesetzt", sagt Friederike Hauffe. Doch das wird immer schwieriger, wie eine aktuelle Studie zeigt: In Deutschland vertreten 700 Galerien 11.000 Künstler und machen zusammen 450 Millionen Euro Umsatz. Aber allein 80 Prozent davon erwirtschaften nur die 15 Prozent der umsatzstärksten Galerien.

Das Idealbild, das man von Künstlern gerne zeichnet, ist das eines Seismografen für soziale Entwicklungen. Entsprechend das Bild, das die Kunstbranche derzeit abgibt. Es geht, wie überall, um den Warenwert.


Aus: "Malen nach Zahlen" Von Anne Haeming (28.01.2014)
Quelle: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/hauptberufliche-kuenstler-muessen-unternehmerisch-denken-a-945440.html


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Quote[...] Der Homo oeconomicus ist verbindliche Wirklichkeit geworden und die ganze Welt nur noch mithilfe der drei Ws zu verstehen: Wirtschaft, Wettbewerb, Wachstum. Wer vom Geld und seiner Zirkulation für einen Augenblick schweigen möchte, der muss sich das leisten können.

... Nicht mehr um Zukunft und Transzendenz geht es in der zu Kreativwirtschaft und Entertainment verkommenen Kultur, sondern um das Generieren von Marktwerten. Unter solchen Bedingungen wird Kultur nicht zum Gegenüber, sondern zur Karikatur der Ökonomie.

... Der Kapitalismus, das ist nun mal seine Art, will wachsen und wuchern. Ökonomisierung, Kapitalisierung und Privatisierung müssen immer mehr Bereiche des Lebens erfassen, und es muss immer fundamentaler werden. Daher gilt es, die Fähigkeiten und Instrumente von Menschen, über ihre Alltagsinteressen und ihren Überlebenskampf hinaus zu sehen, zu hören und zu tasten, unter das Diktat der Ökonomie zwingen.

...  Es geht ums Prinzip, nämlich um den Systemwechsel der Kultur. Wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihren Wirtschaftsseiten von Kultur spricht, dann nennt sie die Adressaten nur ,,Kunden", an deren ,,Bedürfnissen" eine ,,staatlich alimentierte" Kultur ,,vorbei produziere". Das ist die konsequente Strategie einer Kaste, die Kultur privatisieren will.

Aber hey, vielleicht vertun sich die neuen Herren der Welt. Vielleicht lässt sich die Kultur gar nicht so leicht in ihrem Sinne umbauen und der Beginn des Widerstands der Kultur gegen das Freihandelsabkommen ist auch der Beginn eines politischen Widerstands dagegen. Man sollte sie nicht unterschätzen, die gute alte Kultur.


Aus: "Auf zum letzten Gefecht" Kommentar von Georg Seesslen (20. 04. 2014)
Quelle: http://www.taz.de/Schlagloch-Freihandel-und-Kultur/!136979/




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#17
Quote[...]  Vielleicht hat Helge Achenbach geahnt, dass er irgendwann einmal in Untersuchungshaft landen würde. Auf dem Titel seiner Autobiografie, die vergangenes Jahr im Hatje Cantz Verlag erschien, prangt eine Nahaufnahme von ihm vor grauem Hintergrund, die stark an einen mugshot erinnert, an eines jener Fotos, die nach der Festnahme von den Verdächtigen gemacht werden. So, wie wir es hier auf dieser Seite zeigen, hat sich der bekannteste deutsche Kunstberater, der Unternehmen wie die Allianz, Audi, Telekom, Mercedes-Benz und VW auf seiner Klientenliste stehen hat, für sein Buch in Szene gesetzt. Jetzt ist aus der Inszenierung des selbst ernannten "Kunstanstifters" Ernst geworden.

Seit gut drei Wochen sitzt Achenbach, geboren 1952 in Weidenau, in Untersuchungshaft, in einer nur wenige Quadratmeter großen Zelle der JVA Essen. Bei der Rückkehr aus Brasilien, wo er die Hotelanlage der deutschen Fußballnationalmannschaft mit Kunst ausgestattet hatte, wurde er am Düsseldorfer Flughafen festgenommen. "Er soll einem Unternehmer, der Kunstobjekte und Oldtimer als Geldanlagen kaufen wollte, die von ihm (Achenbach) beschafften Objekte unter Vorspiegelung von höheren Einkaufspreisen als tatsächlich verausgabt weitergegeben haben" – so drückt es etwas umständlich die Staatsanwaltschaft Essen aus.

Bei dem Unternehmer handelt es sich um Berthold Albrecht, einen Erben des Aldi-Nord-Imperiums, der 2012 im Alter von 58 Jahren starb. Die Familie Albrecht hatte im April 2014 Strafanzeige gegen Achenbach gestellt, nachdem sie durch einen Tipp und nach eigenen Ermittlungen auf Ungereimtheiten gestoßen war. Laut Strafanzeige, von deren Inhalt diesen Dienstag zuerst das Handelsblatt berichtete, soll für die Familie Albrecht ein Schaden von 18 Millionen Euro entstanden sein. Als die Untersuchungshaft Achenbachs vergangene Woche publik wurde, antwortete die Sprecherin der Achenbach Kunstberatung GmbH auf Fragen der ZEIT mit einer Presseerklärung der Familie: "Die von Frau Babette Albrecht erhobenen Behauptungen beruhen offenbar auf rein persönlichen Motiven. Es ist hinlänglich bekannt, dass Herrn Achenbach und Herrn Berthold Albrecht bis zu dessen Tode eine engere freundschaftliche Beziehung verband. Herr Achenbach ist zuversichtlich, dass sich bei der weiteren Sachaufklärung herausstellen wird, dass die von Frau Babette Albrecht erhobenen Vorwürfe unberechtigt sind und Herr Achenbach Herrn Berthold Albrecht keinerlei Schaden zugefügt hat." Fragen wollte die Sprecherin Achenbachs nicht beantworten, nicht einmal den Namen von dessen Verteidiger nennen.

Berthold Albrecht hatte Achenbach im Jahr 2009 näher kennengelernt. Der Art Consultant arbeitete wie ein Kommissionär für Albrecht, er kaufte für den überaus vermögenden Unternehmer entweder persönlich oder über dessen Firma Achenbach Kunstberatung mehr als zwanzig Kunstwerke und erhielt als Provision jeweils fünf Prozent des Einkaufspreises. So soll er etwa beim Kauf von zwei Gemälden Roy Lichtensteins im April 2010 fünf Prozent des Nettopreises in Höhe von 4.450.000 Millionen Euro in Rechnung gestellt haben. Unter anderem über die Firma State of the Art AG vermittelte Achenbach auch mehrere Oldtimer im Millionenwert an den Aldi-Erben, wobei hier drei Prozent Provision vorgesehen waren.

Kunstberater werden von Sammlern nicht nur aus Anonymitätsgründen, sondern vor allem auch deshalb eingeschaltet, um einen möglichst niedrigen Preis mit den Galeristen auszuhandeln. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet in diesem Fall aber, dass Achenbach weitaus höhere Einkaufspreise in Rechnung gestellt habe, als er selbst bei den Galerien und Auktionshäusern gezahlt habe. Rechnungen sollen manipuliert worden sein, es wird nicht nur wegen Betrugs, sondern auch wegen Urkundenfälschung ermittelt.

Beim Kauf eines Gemäldes von Picasso etwa soll er zusätzlich zur Provision fast zwei Millionen Euro auf seinen Einkaufspreis aufgeschlagen und somit auch eine höhere Provision und eine höhere Mehrwertsteuer kassiert haben. Eine auf einem Computer gefundene Liste soll beweisen, dass Achenbach systematisch die an Albrecht weitergegebenen Preise zuvor erhöht hatte. Insgesamt vermittelte der Händler zwischen 2009 und 2011 Kunstwerke und Autos im Wert von gut 120 Millionen Euro an Albrecht. Schon an der rechtmäßigen Provision allein hätte Achenbach also Millionen Euro verdient.

Die Familie Albrecht ist bekannt für ihre Scheu vor der Öffentlichkeit, eine Strafanzeige gegen Achenbach hätte sie wohl nicht gestellt, wenn sie und ihre Anwälte sich ihrer Sache nicht sehr sicher gewesen wären. Mit hoher Wahrscheinlichkeit muss die Witwe Albrecht bei einem etwaigen Prozess vor Gericht aussagen. Sie will, so hat es den Anschein, dem Treiben des Helge Achenbach ein Ende bereiten.

Der Fall könnte in den kommenden Wochen noch weitere Kreise im Kunstbetrieb ziehen. Achenbach, der seine Unschuld beteuert, hat die besten Beziehungen zu den Eliten in Wirtschaft, Medien und Politik. Die von ihm mitbegründete Sammlung Rheingold kooperiert mit mehreren öffentlichen Museen. Auf der Website seiner Kunstberatung wirbt Helge Achenbach mit den guten Netzwerken zu den öffentlichen Häusern: "Mit ihren fundierten Kenntnissen stehen uns hinsichtlich der Einschätzung, Beurteilung und Empfehlung Museumsdirektoren der bedeutendsten internationalen Museen zur Seite."

Auch die Auflösung der Firma Berenberg Art Advice, die Achenbach und der ehemalige Kunstversicherer Stefan Horsthemke 2011 zusammen mit einer Hamburger Privatbank gründeten, erscheint nun in einem neuen Licht. Ein Kunde dieses Unternehmens, ein Industrieller aus Süddeutschland, soll ebenfalls von Achenbach um 1,2 Millionen Euro geschädigt worden sein. Die Berenberg Bank beendete im Juli 2013 die Zusammenarbeit mit dem Kunsthändler und Stefan Horsthemke fristlos. Gegenüber der ZEIT begründete ein Berenberg-Banker den Ausstieg aus dem Kunstmarktgeschäft, zu dem auch ein Kunstfonds gehören sollte, damals folgendermaßen: "Das ist eine andere Welt, die teilweise schon suspekt ist."

...


Aus: "Kunstberater Achenbach: Ein paar Millionen zu viel?" Tobias Timm (DIE ZEIT Nº 28/2014)
Quelle: http://www.zeit.de/2014/28/betrug-helge-achenbach-kunst

Quotemajorfabs
    03. Juli 2014 20:59 Uhr

So so...

Ein Banker sinniert also über die suspekte Welt des Kunstmarktes. Ausgerechnet ein Banker. Das nenne ich bizarr.


QuoteGregor1Samsa
    04. Juli 2014 0:10 Uhr

[Seit gut drei Wochen sitzt Achenbach, geboren 1952 in Weidenau, in Untersuchungshaft, in einer nur wenige Quadratmeter großen Zelle der JVA Essen. Bei der Rückkehr aus Brasilien, wo er die Hotelanlage der deutschen Fußballnationalmannschaft mit Kunst ausgestattet hatte, wurde er am Düsseldorfer Flughafen festgenommen.]

Skandalös: Schlechte Abwehrleistung der deutschen Fußballer hat ihre Ursache in der Auswahl ungeeigneter Kunstwerke für das Mannschaftsquartier. Der DFB wollte nach den Erfahrungen mit Blatter und dem Scheich konsequent jeden Anschein von verdeckter Innenprovision und Kickback vermeiden. Selbstverständlich ein ehrenwertes Vorhaben, aber dies führte leider auch zu Kunstwerken mit negativer Aura und einem zunehmend schwächeren Abwehrverhalten. Das Aus im Viertelfinale ist nicht mehr zu vermeiden. Selbst wenn man jetzt nachträglich viel Geld locker machen würde: A. sind buchstäblich die Hände gebunden.
Meine einzige Hoffnung wäre, dass Freigänger Beltracchi kurzfristig in die Bresche springt und dem deutschen Team mit einem echten Franz Marc zum Erfolg verhilft. 100 Jahre nach 1914 wissen wir, dass Frankreich nur so zu bezwingen ist.


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Markus Metz, Georg Seeßlen
Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld. Ein Pamphlet
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, 496 Seiten

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Quote[...] Der linkshegelianische Akzent soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Argumentation der Autoren schlüssig ist: "Kunst ist ein übler Trick, den Menschen die Trivialitäten ihres Begehrens teuer zu verkaufen." ...


Aus: "Selbstfeier des Geldes - Eine Streitschrift gegen eine Kunst, die nur noch Markt ist" Franz Schuh (DIE ZEIT Nº 42/2014)
Quelle: http://www.zeit.de/2014/42/metz-seesslen-geld-frisst-kunst-pamphlet

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Quote[...] Man darf sich von Metz' und Seeßlens Buch "Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld" keine praktische Einführung in den Kunstmarkt versprechen. Das Autorenduo steht eher für geharnischte Fundamentalkritik zentraler Mechanismen der Kulturindustrie. 2011 ging es in dem ähnlich angelegten Band "Blödmaschinen. Die Produktion gesellschaftlicher Stupidität" um die Rolle der Massenmedien.

Ihr neues Werk heißt im Untertitel dankenswerterweise "Ein Pamphlet". Und stellt einen philosophisch vertieften Aufschrei über die fantastischen Transfersummen von Inkunabeln der Kulturgeschichte dar, von denen regelmäßig die Kunstmarkt-Seiten der Tageszeitungen künden. Insofern lässt es sich als Kultur-Variante von Stéphane Hessels "Empört Euch!" lesen.

Man könnte es sich einfach machen mit dem etwas ausufernden Wälzer. Denn die zentralen Ideen, dass sich die Kunst in Lebensstil und Inszenierung auflöst, dass sie zum "Echoraum der Werbung" und – in erster Linie – zur "Emblematik der neuen Oligarchie" verkommen sei, sind nicht neu. Sie kommen als mit viel Empörung aufgeladenes Echo zeitkritischer Diskurse von Joseph Beuys bis Gilles Deleuze daher.

Seeßlen und Metz erweitern die penible Definitionschirurgie entlang solcher Begriffe wie Symbolwert und Marktwert, wie sie die Frankfurter Kunsttheoretikerin Isabelle Graw mit ihrem Band "Der große Preis. Kunst zwischen Markt und Celebrity" 2008 vorgelegt hat, ins Globalkapitalistische. Dabei scheut das Duo mitunter arg populistische Volten nicht. Vom Kunstbesitz sprechen sie einmal als dem "Schwanzvergleich der Herrschenden".

...  Der renommierte britische Kritiker und mehrfache Museumschef beschimpfte das System der zeitgenössischen Kunst als "glitzerndes Ornament der Amüsement- und Arkaden-Kultur".

Post-Demokratie, Post-Bürger, Post-Kunst. So unhinterfragt, wie Seeßlen und Metz derlei politische Wasserstandsmeldungen benutzen, wähnt man sich in ein Zeitalter jenseits der bürgerlichen Demokratie parlamentarisch-repräsentativen Zuschnitts entführt, ohne es gemerkt zu haben. In dieser Gesellschaftsformation befinde sich "die Kunst" in der Geiselhaft der Superreichen – Banker, Oligarchen, Immobilienhaie – und ihrer willigen Agenten: Galeristen, Auktionshäuser, Art-Consultants.

... Zum einen definieren sie die Kunst selbst als "soziale Maschine, die nie wirklich frei, nie wirklich gerecht und nie wirklich ,solidarisch'" arbeite. Dazu kommt: Die irrwitzige Preisspirale ist in einem System imaginärer Werte nach oben prinzipiell offen. Kunst wird auf ewig immer noch teurer machen, dass sie ein Versprechen auf etwas Unbezahlbares ist.

... Kapitalisierung, Privatisierung, Fetischisierung, Eventisierung, Trivialisierung, "Schnickschnackisierung". Auch wenn sich ihre Mängelliste mitunter zur kulturpessimistischen Apodiktik verdichtet: Mit "Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld" haben Markus Metz und Georg Seeßlen die überfällige Debatte darüber eröffnet, welchen neuen Höhepunkt die ewige Komplizenschaft zwischen Kunst und Markt inzwischen erreicht hat.

Ein Peak, der selbst seinen Akteuren Sorgen macht. Eine Kunstkonferenz der FAZ erörterte vor kurzem vorsichtig "Positionsverschiebungen" in der Kunst. Das Fachmagazin Artnet fragte nach der gerade beendeten Art Basel Miami alarmiert: "Have Art Fairs Destroyed Art?"

Ob sich "die Kunst" tatsächlich nach dem Vorbild von "Occupy Wall Street" aus den Gängen des Systems befreien ließe, wie es die Autoren fordern, bleibt dahingestellt. Dass es gesellschaftlicher Strategien gegen die "Machtverklumpungen" bedarf, ist offenkundig. Das "semiotische Projekt", das sie vorschlagen, um die öffentliche Rede von und über Kunst von dem "Ökono-Sprech" des Marketings zu befreien, wäre schon mal ein Anfang. Die beste Versicherung gegen das – ohnehin obsolete – "Ende der Kunst" ist es immer, ihre ganz eigene Sprache freizulegen.

Ingo Arend in taz 12-01-2015


Aus: "Kunst in Geiselhaft - Markus Metz, Georg Seeßlen: Geld frisst Kunst. Kunst frisst Geld. – Eine Rezension von Ingo Arend" (12.01.2015)
Quelle: http://www.getidan.de/gesellschaft/ingo_arend/66349/markus-metz-georg-seesslen-geld-frisst-kunst-kunst-frisst-geld-eine-rezension-von-ingo-arend

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Quote[...] Seeßlen: In der Moderne hatte die Kunst für die Menschen eine ganz bestimmte Bedeutung, sie war Motor gesellschaftlicher Entwicklung - nicht im pädagogischen Sinne, sondern im Sinne eines lebendigen Dialogs, im Sinne des Subjektbildens, als Vorgriff von Freiheit. Heute haben viele das Gefühl, das könne nicht mehr "ihre" Kunst sein, von der sie sich mehr Freiheit, mehr Wahrnehmung, mehr Sensibilität erhofft haben, wenn diese eigentlich nur mehr ein Ausdruck für Geld ist. In Deutschland liefen Radiowerbespots, man solle doch in Kunst statt in Immobilien oder Aktien investieren. Das war durchaus an jüngere Leute, an Familienväter gerichtet. Dieses Denken, dass Kunst eigentlich eine Ware ist, mit der man ganz großartig spekulieren kann, weil sie sich offensichtlich ein bisschen antizyklisch zu den Krisen verhält, ist nicht mehr nur ein Spiel der Oligarchen, unheimlichen Hintermänner und Superreichen.

STANDARD: Aber wer weiß schon, welche Kunstaktie durch die Decke schießen wird. Kunst kann auch ein Hochrisiko-Investment sein.

Seeßlen: Bei Kunst gibt es ja gar keine Deckung mehr. Denn was ein Kunstwerk wert ist entscheidet ausschließlich derjenige, der damit handelt, oder der, der es haben möchte. Es ist ein rein virtueller Wert, den kann man natürlich auch grenzenlos manipulieren. Das ist einer der wesentlichsten Vorwürfe, die wir in unserem Buch machen. Dass der Kunstmarkt nicht einmal als Markt funktioniert, weil auf dem wird verhandelt, dort regelt Angebot und Nachfrage. Aber es gibt keinen Markt, der derart manipuliert ist – und drastisch ausgedrückt – auch so von krimineller Energie durchsetzt ist wie der Kunstmarkt.

STANDARD: Wie hat Geld die Definitionsmacht über Kunst erhalten?

Seeßlen: Ein Plot-Point dieser Geschichte war vielleicht Andy Warhol, als er seine Business Art ausgerufen hat. Er sagte, Geld verdienen an sich sei auch ein Kunstwerk. Eine geniale und auch ironische Aussage, die den Geist seiner Zeit gut ausgedrückt hat. Bloß: Offensichtlich haben das viele Leute zu wörtlich genommen. Den dialektischen Zusammenhang zwischen Geld und Kunst hat es zwar immer gegeben: Ohne Geld gibt es keine Kunst. Der Künstler braucht Geld, das Verteilen braucht Geld, usw. Aber in der dialektischen Beziehung hat das eine das andere nicht nur enthalten, sondern gleichzeitig auch irgendwie begrenzt. Das heißt, da wo Kunst ist, sollte zumindest nicht nur Geld sein. Die Kunst versuchte, auch einen ökonomiefreien Raum zu schaffen.

STANDARD: Das Museum war lange so ein Ort.

Seeßlen: Aber heute eben nicht mehr. Heute wird selbst in kleinen regionalen Museen, beim Kunstbetrachten hauptsächlich über den Preis geredet. Und vor allem wird im Museum der ökonomische Wert mitinszeniert. Ich erinnere mich an eine Schau, wo man den ökonomischen Wert eines Kunstwerks immer daran erkennen konnte, wie viel Wärter davor standen oder wie groß der Abstand war, den die Besucher einhalten mussten.

STANDARD: Ein schönes Bild. - Nicht nur Markt und Kunst verschmelzen immer mehr, auch privat und öffentlich wird austauschbar: gleichwertig: Private Sammler übernehmen öffentliche Aufgaben – und am besten auch (siehe Fall Essl) umgekehrt.

Seeßlen: Es ist nicht nur eine Gleichwertigkeit, die hergestellt wird, sondern ein Schauspiel der Übernahme von staatlichen, gesellschaftlichen Aufgaben durch Private, durch Oligarchen. Ich habe das Gefühl, es bewegt sich auf einen Normalfall hin: Man sammelt Kunst und wenn man soviel Kunst gesammelt hat, dass man es nimmer dapackt, dann muss der Staat eingreifen, soll aber auch noch dankbar sein. Das ist wie jemand, der sich eine Pyramide baut und dafür verlangt, dass die Sklaven, die sie errichtet haben, vor Dankbarkeit niederknien. Und da kann man sich eben vorstellen, dass ganz viele Leute, die Kunst eigentlich brauchen könnten, von ihr so abgestoßen sind, dass sie sie hassen.

... STANDARD: Der Londoner Kunsthändler Kenny Schachter hat 2012, basierend auf dem offenen Brief des frustrierten Bankers Greg Smith "Why I Am Leaving Goldmann Sachs", eine auf den Galeriebetrieb umgemünzte Satire verfasst: In dem hypothetischen Text eines Galeriemitarbeiters bei Gagosian klagt dieser, er habe die Schnauze voll davon, Leuten minderwertige Kunst zu verkaufen, oder Kunst, die nicht zu ihnen passt. Er kritisiert darin, dass Geldinteressen über die Interessen der Kunst gestellt würden. In der Realität fehlen leider solche "Mir reicht's! Ich mach da nicht mehr mit"-Bekundungen. Warum?

Seeßlen: Die gibt es zuhauf. Die Mehrzahl zieht sich jedoch resigniert vollkommen zurück. Das hat natürlich damit zu tun, wie dieses System funktioniert: mit gegenseitigen Abhängigkeiten, Verträgen, einem Durchsetztsein mit Juristen. Das ist ja ein Haifischbecken. Ganz wenige Dissidenten schaffen es auch noch, eine Öffentlichkeit zu finden. Das war eine unserer Urerfahrungen bei den Recherchen: dass es da ein Gesetz der Omertà (Schweigepflicht der Mafiamitglieder, Anm.) gibt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 9. 9.2014, Langfassung)


Aus: "Seeßlen: "Ein bisschen subversiv und ein bisschen angepasst"" Interview Anne Katrin Feßler (8. September 2014,)
Quelle: http://derstandard.at/2000005313220/Seesslen-Ein-bisschen-subversiv-und-ein-bisschen-angepasst

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Quote[...] Georg Seeßlen: Wenn einige Superreiche Lust haben, ihre Gemälde für immer noch ein paar Millionen Euro mehr hin und her zu schieben, ist das sicherlich nicht das Problem. Problematischer ist, dass der überhitzte Kunstmarkt die allgemeinen Vorstellungen vom Wert der Kunst verändert. Die Frage, was Kunst ist, wird immer häufiger nur in Dollarzeichen beantwortet. Das Geld hat sich eine Definitionsmacht über die Kunst geschaffen. Dadurch geht die Kunst ausgerechnet jenen Menschen verloren, die diese gut brauchen könnten, um ein wenig Glück zu erfahren.

ZEIT: Aber es besuchen doch immer mehr Menschen Kunstausstellungen?

Seeßlen: Mit den größeren Kunstausstellungen verhält es sich wie mit gewissen Alpentälern: Sie gehen kaputt, weil viel zu viele Leute mit viel zu vielen Apparaten sich unbedingt darin amüsieren wollen. Es ist lange her, dass ich in einer solchen Ausstellung das Gefühl hatte, der Kunst auf Augenhöhe, in einem freien Dialog zu begegnen und nicht in einer Art räumlicher TV-Dramaturgie.

ZEIT: Warum steigen die Preise für die ganz teure Kunst immer weiter?

Seeßlen: Wir haben bei der Recherche zu unserem Buch mit vielen Protagonisten des Kunstmarkts gesprochen, und wir bekamen zu dieser Frage eine Mischung aus vernünftigen und völlig irrationalen Gründen geliefert. Nur die Kunst sei eine Ressource, die ihren Wert vollkommen frei bestimmen könne, ohne Rückbindung an Arbeit oder aan demokratische Prozesse der Wertbestimmung, lautet eine Erklärung. Da werde Kapital durch Kunst einfach erfunden – und das ist schon immer der feuchte Traum dieses Finanzkapitalismus gewesen. Eine andere häufige Erklärung verweist auf die oligarchische Szene der Kunstsammler, die sich als Gruppe so verhalte wie Paviane auf dem Affenfelsen. Da würden Bilder nicht aus dem Gefallen am Werk gekauft, sondern als Beweis, dass man noch ein paar Millionen mehr dafür ausgeben könne. Ein drittes Erklärungsmuster sieht eine immer weiter um sich greifende Vernetzung von Interessen in diesem Feld, durch die einige Marktkategorien ausgehebelt werden. Das führe dann zuweilen auch zu Betrugsskandalen ...

ZEIT: Wie etwa jüngst im Fall des wegen Betrugsverdacht in Untersuchungshaft sitzenden, seine Unschuld beteuernden Helge Achenbach.

Seeßlen: Wobei mir solche schillernden Figuren nicht ganz unsympathisch sind. Viel schlimmer sind die Strukturen, durch die auch die Künstler zu Betrogenen werden.

ZEIT: In welcher Hinsicht?

Seeßlen: Jeder Künstler hat eine bestimmte utopische Beziehung zu seinem Werk. Und unsere Hoffnung ist, dass die Künstler nicht nur reich werden wollen, sondern der Welt auch etwas zu sagen oder sogar zu schenken haben. Das Narrativ, dass die Kunst immer schon die Freiheit der nächsten Generation ausdrückt, verschwindet aber. Das neue Narrativ der Kunst – etwa in der Werbung von Banken für Kunstanleihen – ist die Riesenrendite.

ZEIT: Betrifft das nicht nur die globale Spitze des Kunstmarktes?

Seeßlen: Es gibt Galeristen, die man nur als Helden und Heldinnen bezeichnen könnte. Die mit Herzblut und Selbstausbeutung arbeiten, weil sie für die Sache der Kunst brennen. Das Normale dagegen ist der Kompromiss; man versucht, sich zu arrangieren, um eine ökonomische Basis für das zu bekommen, was man eigentlich will: neue Kunst zu entdecken und zu vermitteln. In einem geschlossenen, hegemonialen und intransparenten System sind Kompromisse allerdings vor allem Fallen, die sich oft genug als tödlich erweisen, entweder ökonomisch oder moralisch. Galeristen machen dieselbe Spaltung durch wie die Kunst: Der Graben zwischen den Gewinnern und der Masse des Prekariats wird immer tiefer.

... ZEIT: Die Auktionen seien heute oft Karikaturen des kriminellen Spiels des Finanzkapitalismus, schreiben Sie. Können Sie das belegen?

Seeßlen: Die Vorstellung etwa von der Auktion als offenem Bietgefecht stimmt nicht mehr. Vor den Auktionen werden die teuren Bilder per Garantieabsprachen bereits an Interessenten verkauft. Nur falls dann jemand noch mehr bietet, kommt es zu einem realen Bietgefecht. Dabei wird der Garantiegeber aber an dem Erlös über der Garantiesumme beteiligt, auch wenn er selbst schließlich der Meistbietende ist. Man kann als solcher Spieler nicht mehr verlieren, so als hätte man beim Roulette ein paar Nummern zugeklebt.

ZEIT: Was unterscheidet den Kunstmarkt strukturell vom Film- oder Buchmarkt?

Seeßlen: Das Buchgeschäft funktioniert genau andersherum, der Verleger muss sein Produkt möglichst massenhaft auf den Markt bringen. Alles Elitäre und Exklusive ist ein Zuschussgeschäft. Ähnlich verhält es sich mit dem Autorenfilm, der in den nationalen Kinematografien eigentlich nur künstlich am Leben gehalten wird. In den sechziger Jahren versuchte man auch auf dem Kunstmarkt, Barrieren abzubauen, ein breites Publikum zu finden. Das hat offensichtlich nicht funktioniert, stattdessen wurde die Kunst in der Folge vollkommen als Luxusobjekt fetischisiert.

ZEIT: Warum werden heute Millionensummen etwa für bestimmte Bilder von Richard Prince ausgegeben, die scheinbar völlig mühe- und gedankenlos entstanden sind?

Seeßlen: Sammler der alten Schule, die sich in ihre Salons Bilder der Symbolisten oder Expressionisten hängten, Kunst also, die sie vielleicht sogar anklagte – das waren mutige Menschen. Sie ähnelten Großwildjägern, die Elefantenköpfe sammelten, nach dem Motto: Ich habe mit der Gefahr gespielt und kontrolliere sie. Der traditionelle bürgerliche Sammler spürte die Energie, die in der gefährlichen Kunst steckte, und versuchte sie sich anzueignen. Die Harmlosigkeit der postwarholschen Oberflächenkunst, die, historisch gesehen, auch eine Provokation war, liegt in der Natur eines neuen Sammlertyps, der keine Gefahr mehr sehen möchte, der nur noch die vollständig unterworfene Kunst sammeln will. Kunst, die schon kapituliert hat, bevor er sie in Besitz genommen hat.

ZEIT: Die Reichen und Mächtigen wollen nicht mehr erniedrigt werden von den Künstlern?

Seeßlen: Die Phase, als sich reiche Unternehmer noch ein Bild von Kippenberger kauften anstatt zur Domina zu gehen, ist vorbei. Heute werden Punkte gejagt. Damien Hirst stellte 2012 in den weltweit elf Galeriefilialen von Larry Gagosian gleichzeitig seine Punktbilder aus. Die Sammler, die damals alle Filialen von New York bis Hongkong besuchten, bekamen ein Spot Painting als Gratisdruck. Das ist die völlig unterworfene Kunst.

... ZEIT: Wie könnte eine Revolte gegen die von Ihnen beschriebenen Missstände aussehen?

Seeßlen: Unter den Künstlern gibt es ganz viele Ansätze, das Spiel transparenter zu machen und zu verändern oder sogar woanders neu anzufangen. Sie sind nur fatalerweise, wie bei Künstlern üblich, sehr individualistisch. Sie führen zu einzelnen Überlebensprojekten, aber sie haben keine gesellschaftliche Relevanz. Das hängt damit zusammen, dass auch die Kritik ihre Rolle in diesem Spiel noch nicht ernst genug nimmt. Kritik ist ein Teil dessen, was Kunst in einer Gesellschaft bedeutet. Wenn die Künstler und die Menschen, die tatsächlich Kunst brauchen, wieder zusammenfinden, ist mir überhaupt nicht bange.

ZEIT: Und wer braucht die Kunst?

Seeßlen: Im utopischen Sinne: alle. Subjektiv gesehen: Menschen, die sich um das eigene Leben betrogen fühlen, die das Gefühl der Bremer Stadtmusikanten teilen: Etwas Schöneres und Besseres als das, was wir hier haben, das finden wir allemal. Und dann machen sie sich auf den Weg. Wohin, das weiß man nicht. Die Kunst kann die Menschen in Sackgassen und auf Irrwege führen. Sie kann in Tragödien enden. Aber etwas zu tun ist besser, als es so zu lassen, wie es ist.

ZEIT: Kaufen Sie eigentlich selbst Kunst?

Seeßlen: Nein. Aber ich bekomme sie manchmal geschenkt.


Aus: "Georg Seeßlen: Eine Revolte für die Kunst" Interview: Tobias Timm (DIE ZEIT Nº 35/2014)
Quelle: http://www.zeit.de/2014/35/georg-seesslen-kunstmarkt


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Quote[...] Johnen: Früher gab es eine intellektuelle Rezeption der Kunst. Heute geht es nur noch um Besitz, Selbstdarstellung und Glamour. Der allseits zunehmende Größenwahn hat auch damit zu tun, dass die Sammler für das Kunstsystem immer wichtiger geworden sind und sich selbst auch sehr viel wichtiger nehmen: Sie haben das Geld, die Macht, den Einfluss. Die Museen sind dagegen schon lange außen vor. Und schwierig war es immer, wenn die Künstler dem Geld folgen. ...

QuotePaul Freiburger

Der Jahrmarkt der Eitelkeiten ... Prestige ist wichtiger als die Auseinandersetzung mit der Kunst.



Aus: "Galerist Jörg Johnen: "Es geht nur noch um Besitz"" Tim Ackermann (23. Juni 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/2016/25/kunstmarkt-joerg-johnen-galerist-jeff-wall-andreas-gursky

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Quote[...] "FollowYour Dreams" – diese Aufforderung sprühten nicht nur Mr. Brainwash und Banksy auf ihre Bilder, sie wird jetzt auch vom Kunsthaus Artes verbreitet. Unter dieser Überschrift erzählt das Versandhaus für Kunst in seinem Katalog das Erfolgsmärchen einer Subkultur nach und bewirbt mit gut zurechtgebogenen Verweisen auf die Kunstgeschichte seine Verkaufssparte Urban Art oder Street-Art. Kunden können Druckeditionen, Schablonenbilder, besprühte Objekte und Bildträger mit dem illegalen Straßenflair schon ab 140 Euro direkt nach Hause bestellen.

Noch mehr als in Deutschland floriert dieser Markt in Frankreich, wo etwa das Auktionshaus Digard in Paris regelmäßig transportable urbane Kunst zu relativ niedrigen Preisen versteigert: Für mehrere Tausend Euro lassen sich Leinwände von längst etablierten Sprayern wie Blade, Quik oder Cope 2 aus der alten New Yorker Schule erwerben, weniger als 2000 Euro wurden für Bilder der jungen Street-Art-Künstlerin Indie184 angesetzt, deren Motive auch schon auf Kosmetikkoffern der Marke M.A.C zu sehen waren.

Die Vermarktung dieser Kunstrichtung liest sich überall gleich, und zwar wie ein klassischer Heldenstoff: Jemand aus armen Verhältnissen träumt von einem besseren Leben, kämpft sich mit seinem Talent empor, verliert dabei seine moralischen Werte nicht aus den Augen und kommt durch seine Kunst berechtigt zu Weltruhm.

Die Helden in der Erfolgsstory "urbane Kunst" sind die Graffitikünstler, die vermeintlichen Werte bestehen aus Freiheit, Rebellion und dem Recht auf individuellen Ausdruck. Für die Rolle des mystischen Urhelden muss meistens der verstorbene Künstler Jean-Michel Basquiat herhalten. Auktions- und Verkaufshäuser verbreiten gern die Legende, dass der Künstler anfänglich Graffiti sprühte und aus diesem Milieu heraus Kunstgeschichte geschrieben hat. Käufer sollen glauben, dass die bunten Bilder der aktuell angesagten Urban-Künstler in einigen Jahren ähnliche Wertsteigerungen erleben werden wie die von Basquiat oder Keith Haring. "Follow Your Dreams" ist aber nicht nur ein Werbejingle für Kunstinvestoren, sondern auch für solche Sammler, die sich mit der cool-urbanen Kunst ihr Image verjüngen wollen.

Besonders beliebte Motive im Markt für die Street-Art sind Eistüten und Donuts, Micky Maus und ihre Freunde, attraktive Schauspielerinnen, schnelle Autos, Ponys, das Gesicht von Andy Warhol oder Keith Haring und natürlich der behaarte Kopf Basquiats. Diese figürlichen Partien werden gern mit Tags, heruntergelaufener Farbe, modischen Slogans, Schablonen-Ornamenten oder gesprühten Glanzlichtern umrandet. Der Stil ist nur vermeintlich spontan, schnell und rotzig, bei näherem Hinsehen entdeckt man meistens die Kalkuliertheit und die zeitraubende Raffinesse, mit der das Bild nicht gemalt, sondern designt wurde.

Und so sind diese Kunstwerke oft das komplette Gegenteil zu echter Straßenkunst. Aufgrund der Illegalität entstehen Graffiti auf der Straße oder in U-Bahn-Depots meist unter Zeitdruck, die Sprayer oder Maler arbeiten im Dunkeln, benötigen Leitern, Kletterhilfen oder selbst gebastelte Werkzeuge wie übergroße Farbrollos und Sprühtanks. Viele Sprayer interagieren gezielt mit dem jeweiligen Ort und entwickeln für jede Situation eine andere Variation ihrer Buchstaben. Zusätzlich werden durch verschiedenen Untergrund, durch Mauertypen, Steinsorten, Betonverarbeitungen oder Lackoberflächen die Farbwirkung und die Flächenstruktur zwangsläufig beeinflusst und verändert. Graffiti und Street-Art sind für alle Passanten kostenlos und frei zugänglich.

... Die Motive aus der Street-Art-Galerie finden sich auch auf Kapuzenpullis, Schulordnern, Mäppchen oder trendigen Wodkaflaschen wieder. Firmen wie adidas entwickelten schon vor Jahren eine Urban-Art-App, die Fans durch verschiedene Städte führen soll. Einige Akteure protestierten zwar dagegen, konnten aber nicht verhindern, dass das Image ihrer Schablonen-Kunst sich auch als eine ideale Schablone für die Markenindustrie herausstellte. Das Kunsthaus Artes wirbt nun wiederum damit, dass seine Urban-Art-Künstler bereits Auftragsarbeiten für Skate- und Surfboard-Firmen erledigt haben. Die Industrieproduktion und Werbung als Referenz, anstelle von Museen und namhaften Galerien – das gab es bisher noch nicht im Distinktionssystem der Kunst.

Das Geheimnis des großen Erfolgs der Street-Art liegt auch darin begründet, dass die sich wiederholende, leicht verständliche und durchaus freundliche Bildsprache von Achtjährigen genauso wie von erwachsenen Kunstlaien oder interessierten Kunstkäufern verstanden wird. "Mit seinem knuffigen Gesichtsausdruck und den großen Kulleraugen ist das Pony ein echter Sympathieträger. Es ist stylisch und cool" – das ist kein Werbetext für eine Kinderpuppe, sondern für das gesprühte Logo des Künstlers The Pony.

Und so wird Urban Art zur perfekten Familienkunst. Ihr familienfreundlicher Vorteil: Sie ist leicht nachzumachen, und auch für ihre Rezeption sind weder Vorwissen noch ein höherer Bildungsstand oder eine Aktivierung komplizierter Gefühle vonnöten, außerdem wirbt sie mit politisch und moralisch guten Botschaften. Street-Art – oder Urban Art, die Begriffe werden auf dem Markt von jedem anders definiert und verwendet – ist die absolut netteste Kunstrichtung, die es seit Langem gibt.

Das war nicht immer so, doch spätestens seitdem der Markt sich für Graffiti interessiert, hat ein Domestizierungsprozess der Kunst und ihres Milieus eingesetzt. ...


Aus: "Street-Art: Die netteste Kunst der Welt" Larissa Kikol (21. Juli 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/2016/29/street-art-urban-art-versandhaus


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Quote[...] Vor gut einem Jahr erhielt ich den Anruf eines entfernten Bekannten, der in einem Medienberuf arbeitet. Er hatte sich daran erinnert, dass ich ,,irgendetwas mit Kunst" machen würde, da er gerade den Gedanken hege, ein Bild zu erwerben und dazu gerne meine Meinung hören würde. Es interessierte ihn dann aber wenig, dass ich die zu Debatte stehende noch relativ junge Künstlerin nicht kannte, noch ging es darum, das Werk selbst ästhetisch zu beurteilen. Vielmehr wollte er von mir wissen, wie sich denn der Kunstmarkt in den nächsten Jahren entwickeln würde. Also ob sich der für das Bild aufgerufene Preis mittelfristig als Investment herausstellen könne. Es ging um eine Summe von 5.000 Euro.
Ich habe ihm natürlich stark zum Kauf der Leinwand geraten. Kunst kaufen mache vor allem glücklich. Anderes könne man in einem derart niedrigen Preissegment kaum prognostizieren. Auch ist ein Wertzuwachs ja eher theoretisch, da die aus einem Atelier oder einer Primärmarktgalerie gekaufte Werke im seltensten Fall privat weiterverkauft werden können, also in der Regel im Moment des Kaufs im Preis effektiv radikal verfallen. Aber wirklich bemerkenswert an dieser Episode empfand ich den sozusagen abstrahierten Blick von außen auf den Kunstbetrieb. Eine Branche, in der die Unterschiede zwischen kommerziellen Galerien und gemeinnützigen Institutionen, zwischen Kunstvermittlung und Anlageberatung, zwischen Repräsentation (Besitz) und Rezeption (geistige Inbesitznahme) aufgehoben schienen. Hier hatte sich die in letzter Zeit intensiv behandelte Diskurshoheit des Marktes geradezu klischeehaft manifestiert. 1
Unter dem Eindruck einer weitreichenden Kommerzialisierung des Kunstbetriebs forderte Peter Weibel bereits 2011 eine Aufspaltung zwischen der reinen Marktkunst und der sogenannten freien Kunst. Die wachsende Ungleichheit zwischen den verschiedenen Segmenten des Kunstbetriebs solle in bewusster Analogie zu der Auseinandersetzung zwischen den Nord- und Südstaaten Amerikas in Form eines ,,Bürgerkriegs" ausgetragen werden, mit dem Ziel, die ,,Sklaven des Kunstmarktes" zu befreien.2 Ein Gespräch darüber im Haus am Lützowplatz am 27. April 2016, an dem auch Julia Voss teilnahm, brachte leider keine Klärung über den tatsächlichen Frontverlauf. Beide Welten sind zu eng miteinander verflochten und auch weiterhin voneinander abhängig. Doch gibt es derzeit kein anderes Thema, das sich bei der Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst derart aufdrängt und zu einer eigenen Haltung herausfordert.
Auf den Kunstmarkt strömten in den letzten zwanzig Jahren als Folge der Globalisierung und der anhaltenden Niedrigzinspolitik verschuldeter Staaten enorme Geldsummen. Parallel zur wachsenden Konzentration großer Vermögen und zunehmender sozialer Ungerechtigkeit hat das Segment der zeitgenössischen Kunst (sowohl absolut, als auch relativ zu anderen Marktsegmenten) stetig expandiert. Wie verändert dieses Geld die Wahrnehmung, die Verbreitung und die Produktion von Kunst? Welchen Wert kann Kunst unter dem Einfluss eines neoliberalen Verwertungs- und Optimierungsdenkens noch für die Gesellschaft haben?
Marktbeteiligte verweisen bei diesen Fragen gerne auf die geschichtliche Zwangsläufigkeit der Prozesse: Auf das Stifterwesen im Mittelalter, das die Kirchen als öffentliche Orte mit Kunst ausstattete, auf den Beginn des gewinnorientierten Kunsthandels im Holland des 17. Jahrhunderts, auf die astronomischen Preise von mittlerweile vergessenen Salonmaler im 19. Jahrhundert, oder auf das Aufbrechen der traditionellen Sammlerstrukturen in den 1980er Jahren durch das neue an der Wall Street gewonnene Geld. Auch schon früher wurden horrende Preise für die symbolische Ware Kunst nach dem Motto aufgerufen: ,,Ein Kunstwerk ist so viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu zahlen." Aber noch nie stand diese Information derart im Zentrum der Aufmerksamkeit und noch nie wurden auf dieser alleinigen Basis Künstlerkarrieren kreiert, also völlig unabhängig von und parallel zur angestammten Deutungsmacht der Kritik und den Institutionen. So können auch immer mehr Künstlerinnen und Künstler von ihrer Arbeit leben, trotz des systemischen Scheiterns von bis zu 98% der Absolventen von Kunsthochschulen. Dies ist sicher auch eine Folge der aus Amerika importierten Aufweichung der Definition von Kunst durch den demokratischeren Begriff ,,Kreativität", auf den sich auch Werbetexter und Manager bei ihrer Arbeit berufen können.
Im Zuge der umfassenden Professionalisierung des Kunstbetriebs und seiner globalen Zirkulationsmechanismen ist ein neuer Künstlertyp entstanden und ein neue Art von vermarkteter Produkt-Kunst (in abstrakter 2D-Version als ,,Zombie-Formalism" bekannt), die auf die bei Messen herrschenden Wahrnehmungsmuster zugeschnitten ist und vor allem als soziales Distinktionsmerkmal seine Wirkung entfaltet. Die Unsummen die zum Teil dafür ausgegeben werden, sind dabei die eigentliche Botschaft. Nirgendwo sonst lässt sich der eigene Reichtum besser zur Schau stellen als im Gestus (scheinbarer) Verschwendung. Tatsächlich geht es bei dem Spiel um satte Geldvermehrung, getragen von dem kalkulierenden Habitus einer neuen, aus der Finanzwirtschaft stammenden Sammlerschicht, für die es keine Probleme bereitet, ihr ,,Portfolio" (= Sammlermappe) von Zeit zu Zeit umzuschichten und Werke mit Gewinn weiterzuverkaufen. Die an Strukturen von Aktien- und Fondshandel angelehnte Internetseite art­rank.com ist davon ein sprechendes Zeugnis. Michel Houellebecq ließ 2010 in seinem Roman ,,Karte und Gebiet" den Protagonisten konstatieren: ,,Wir sind an einen Punkt gekommen, wo der Markterfolg sämtliche Theorien ersetzt." In diesem Kontext ist Alex Da Cortes Sammlerbeleidigung von Ivanka Trump geradezu als Kunstaktion zu bewerten.3
Was die Folge von Profitdruck und Kommerzialisierung auf eine kulturelle Branche sein kann, lässt sich an der Filmwirtschaft beobachten. Wachsende finanzielle Risiken führen zum stetigen Wiederaufguss von bewährten Formaten. Genau diese aktuell ermüdende Inhalts- und Innovationslosigkeit des Systems Kunst hat wohl auch Chris Dercon motiviert, das Fach zu wechseln, wie er in einem jüngst erschienene Interview bekannte: ,,Die bildende Kunst ist zurzeit sehr schwach, ergeht sich in Wiederholungen und Klischees, saugt andere Disziplinen in sich auf, aber gibt nichts zurück: Kunst und Mode, Kunst und Kino, Kunst und Wissenschaft."4 Lasst uns auf Besseres hoffen.


1 Vgl. dazu Isabelle Graw, Der große Preis: Kunst zwischen Markt und Celebrity Culture, Köln 2008; Georg Seeßlen und Markus Metz, Geld frisst Kunst – Kunst frisst Geld: Ein Pamphlet, Berlin 2014; Hanno Rauterberg, Die Kunst und das gute Leben: Über die Ethik der Ästhetik, Berlin 2015; Julia Voss, Philipp Deines (Illustrator), Hinter weißen Wänden: Behind the White Cube, Berlin 2015; Wolfgang Ullrich, Siegerkunst: Neuer Adel, teure Lust, Berlin 2016.

2 ,,Ich plädiere für den Sezessionskrieg zwischen Kunst und Markt", Peter Weibel im Gespräch mit Peter Laudenbach, in: Brand eins, Ausgabe 12/2011

3 Zu einem Instagram-Foto von Ivanka Trump, die darauf vor einem seiner Werke posiert, schrieb der in Philadelphia lebende Künstler: ,,Dear @Ivankatrump please get my work off of your walls. I am embarrassed to be seen with you." Mittlerweile ist dieser viral gegangene Kommentar, der auch auf der Wikipedia-Seite von Alex da Corte angeführt ist, gelöscht.

4 Zitiert nach: Swantje Karich, ,,Wie kaputt ist Berlin wirklich?" in: Die Welt, 6.12.2016



Aus: "Über den Wert künstlerischer Arbeit - Über die immer weiter zunehmende Dominanz des Marktes" Marc Wellmann (2017)
Quelle: http://www.vonhundert.de/2017-03/753_wellmann.php

https://de.wikipedia.org/wiki/Marc_Wellmann



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Quote[...] Warum stehen Menschen gebannt vor Jeff Koons Skulpturen? Sind sie angerührt von der Aura des Werks? Nein, sie sehen das Preisschild.

Es gibt Leute, die sich darin gefallen, Reichtum, oder auch nur schon überdurchschnittlichen Wohlstand, für moralisch verwerflich zu halten. Aber warum eigentlich? Geld ist der Motor hinter den Dingen. Und, seien wir ehrlich, je mehr davon, desto besser. Ganz besonders gilt das für den zeitgenössischen Kunst- und Kulturbetrieb. L'art pour l'art? Das ist lange vorbei. Genauso wie das einsame Genie passé ist, das zu seinem Werk in tiefer Beziehung steht und den Rest der Welt für nichts achtet. Kunstwerke werden heute vermarktet wie nie zuvor, mitsamt ihren Schöpfern.

Die Kunst geht nach Brot. Kein Autor, kein Musiker, kein Künstler kommt mehr ohne perfekte Website, beeindruckendes CV und professionellen Social-Media-Auftritt aus. Kein Werk macht seinen Weg zum Erfolg ohne ein vielstelliges Mindestauktionsgebot. Heldenhafte Van-Gogh-Künstlertypen mit nihilistischem Approach allein halten den Kunstbetrieb nicht mehr am Laufen. Erfolg ist alles, genauer: Geld ist alles. Der materielle Erfolg eines Werks – er ist Antriebskraft, höchste Autorität und damit die letzte Aura einer entzauberten Welt.

Die Aura – sie wird immer noch und allzu oft bemüht. Meistens wird der Begriff gedankenlos dahingeraunt. Von der Bedeutung des Wortes ist die Aura zunächst einmal ein zartes Lüftchen, ein leiser Atem von etwas, ein aussergewöhnlicher Dunstkreis um ein Objekt oder einen Körper herum. Aura ist etwas, was Glanz und Schimmer verleiht, was unseren Blick fesselt. Eine Aura haftet allen Dingen an wie ein elektromagnetisches Feld. Sie ist an einem Gegenstand das, was wir, wie Walter Benjamin sagt, nur fassen können, wenn wir uns in der richtigen Distanz zu ihm befinden. Eine vor uns liegende Landschaft kann eine Aura haben, eine antike Statue, aber auch ein Passant, der auf der Strasse an uns vorbeigeht – und das «Original» in der Kunst.

Vom Ende der Aura hat Benjamin 1936 in seinem Essay «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» gesprochen. «Was ist eigentlich Aura?», fragt er und fährt fort: «Ein sonderbares Gespinst aus Raum und Zeit: einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag.» Für Benjamin ergab sich die Aura eines Kunstwerkes aus seiner Einmaligkeit und aus dem Umstand, dass es in einer ganz anderen Zeit gemacht wurde, dass es in einem uns fremden Lebenszusammenhang entstand. Aura, das verstand Benjamin als die Spannung aus der Gleichzeitigkeit von Hiersein und Von-woanders-Herkommen.

Walter Benjamins Gegenwart, das waren die frühen dreissiger Jahre. Fahrig und beschleunigt seien sie, schreibt er, und technisch sehr versiert. Und eben dadurch, dass es nun von einer eigentlich einzigartigen Ansicht, wie ein Gemälde sie uns gibt, Dutzende, Hunderte oder Tausende von Kopien gebe, durch die Fotografie und die Beschleunigung der Bilder im Film, kurz: durch die Massenmedien gehe uns die richtige Distanz zu den Dingen verloren. Und das bedeute: die Aura der Dinge werde zerstört. Ausser – und hier knüpft Benjamin an Charles Baudelaire an – ausser, dem Künstler gelinge es, seine flüchtige, innere Vision eines Dings oder eines Körpers in ein «Werk» zu übersetzen.

Die Aura kann, so Benjamin, auch aus den Tiefen des kapitalistischen Systems selber zustande kommen, und zwar durch den blossen Verkauf, etwa eines Kunstwerks. Es gab und gibt wohl keine Künstler, die das so meisterlich beherrschen wie Damien Hirst und Jeff Koons. Seit Jahren produzieren sie immer wieder dieselben Punkte und Ballons – und die Kunstwelt springt darauf an. Käufer stellen Checks aus und bezahlen Unsummen.

Die Aura ist eine ästhetische Präsenz, der kraft ihrer Einzigartigkeit Autorität, ja vielleicht sogar Macht zukommt. Doch unsere Gegenwart ist weitestgehend entzaubert. Gibt es noch etwas, was eine Aura hat? Der Papst? Ein abgetakelter Monarch? Ein Kunstwerk jedenfalls nur, wenn es einen mehr als stattlichen Preis erzielt. Stellen wir uns einerseits einen leicht vergilbten Watteau an einer Wand im Schloss Versailles vor, einen etwas verlotterten Beuys mit Fetthut und Filzweste oder schlicht den Namen «Rauschenberg». Stellen wir uns anderseits Leonardo DiCaprio vor, wie er in einem Tesla vorfährt, einen Bulgari-Diamanten in der Vitrine einer Bijouterie auf der Place Vendôme oder das Plakat mit Leonardo da Vincis «Salvator Mundi» an der Fassade des Christie's- Headquarters in New York – wovor stehen wir gebannter, ergriffener?

Künstler, die ihr Selbstverständnis daraus ziehen, sich dem System zu widersetzen, sind am Verschwinden. Baselitz zum Beispiel, die verstorbene Amy Winehouse und, ja, man muss sie nennen, die Trias Weinstein-Spacey-Polanski. Mit ihnen geht selbst im Film, der die ihm fehlende Aura einst mit dem «Star» wettmachen konnte, die letzte auratische Verschränkung von Künstler und Werk verloren. Spätestens seit Weinstein und #MeToo ist klar: Rebellisches Posieren und archaisches Macho- und Geniegehabe reichen nicht mehr aus. In einer auf politische Korrektheit getrimmten Welt hat dieses Modell des Künstlers ausgedient. Es wird überholt vom Gefälligkeitskünstler, der nur ein Ziel kennt – den grösstmöglichen Profit.

Die Gegenwartskunst steht im Begriff, das letzte bisschen Aura zu verlieren, das ihr vielleicht noch anhaftet. Mit dem unverbindlichen Perlweisslächeln, das auf Hochglanz polierte Jungautoren, -maler oder -musiker zur Schau tragen, lässt sich nicht einmal mehr ein Bausparvertrag gewinnen. Um ja genug Likes auf Social Media zu kassieren, entziehen sich Künstler jedem politischen Engagement und vermeiden es tunlichst, eine Meinung zu haben, die allenfalls politisch riskant sein könnte. Sie geben brav instagramartige Belanglosigkeiten von sich, die nur einen Wunsch verraten: um jeden Preis zu gefallen.

«Eine Firma zeigte kürzlich Interesse daran, meine Aura zu kaufen», schrieb Andy Warhol, «sie wollten nicht ein Werk von mir.» Er habe gar nicht begriffen, was die eigentlich wollten. Das war natürlich reine Koketterie. Niemand hat das ambivalente Spiel von Reproduktion, Aura und Geldwert besser verstanden als Warhol. Trotzdem trug er den Willen zum Geld nicht so auffällig zur Schau wie die heutigen Gefälligkeitskünstler, die wie Drehbuchautoren hinter ihrem Werk verschwinden – was genau die Aura unmöglich macht, die sie sich zu generieren bemühen.

Die Aura ist zerstört, und es gibt nur etwas, was sie heute noch herstellen kann: der Geldwert, der sich in der Kunst repräsentiert. Er kann dem Verhältnis von Künstler, Werk und Betrachter noch ein Moment verzauberter Distanz und Entrücktheit verleihen. Denn Wohlstand macht sorglos charmant, hebt das Ich aus Arbeitszwängen und Alterungsprozessen heraus, macht es schwebend: Wenn ich reich bin, entstamme ich einer anderen Welt, einer besseren Wirklichkeit, komme aus einem verzauberten Jenseits, das auf der Erde kurz aufblinkt – ich verfüge über Aura.

Leonardo da Vincis «Salvator Mundi» ist mit einem Preis von 450 Millionen Dollar das teuerste je verkaufte Kunstwerk. Das Auktionshaus Christie's pries es bereits Wochen vor der Auktion mit grossem Brimborium an. Als es zur Besichtigung ausgestellt war, hatte man unter dem Bild eine Kamera installiert, die jeden Besucher filmte. Die auf der Website von Christie's veröffentlichte Videostrecke zeigt Menschen, die vor dem Kunstwerk beten, tranceartig-verzückt hin und her schwanken, weinen. Ihre Ergriffenheit erinnert an Gefühlsausbrüche, wie man sie aus Talkshows am Fernsehen kennt. Aber was ist es, was diese Leute zum Weinen gebracht hat? Gibt es sie doch noch, die Aura des Kunstwerks, das weither zu uns kommt und auf fast mystische Weise im Hier und Jetzt Präsenz markiert? Vielleicht, aber wahrscheinlich war das Weinen eher Ausdruck der Verzückung angesichts der überwältigenden Kombination aus einem ätherischen Bild und dem dazugehörigen Preisschild. ...



Aus: "Die Aura des Kunstwerks ist tot. Es lebe der Reiz des Geldes" Sarah Pines (19.6.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/die-aura-des-kunstwerks-ist-tot-es-lebe-der-reiz-des-geldes-ld.1395285


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Quote[...] Luxusmarken verkaufen billig wirkende Produkte für viel Geld. Damit verfolgen sie eine Strategie, die sich in der Kunst bewährt hat.

Im heutigen Kunstbetrieb funktioniert nichts besser als ein hoher Preis. Wird er dann auch noch für ein Werk verlangt, das eigentlich ganz simpel und profan aussieht – ein schnell hingepinseltes Bild oder eine Skulptur aus Müll –, weckt das erst recht die Vermutung, das Werk müsse einen tieferen Sinn haben.

Das bestätigt die Theorie, die der Philosoph Boris Groys vor zwanzig Jahren entwickelte: dass es für das kulturelle Überleben von Artefakten entscheidend sei, ihnen eine geheime Bedeutung unterstellen zu können. Je mehr sie unter Verdacht gerieten, ihren wahren Sinn zu verbergen, desto länger und hartnäckiger beschäftige man sich mit ihnen. Tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten, eine solche Bedeutsamkeitsvermutung zu stimulieren.

Dieser Strategie bedienen sich auch Luxuslabels. Bei ihnen ist nicht nur teuer, was teuer aussieht und seinen Wert direkt zeigt, sondern es kann auch etwas sehr viel kosten, was billig und banal wirkt. Zum Beispiel die Badeschlappen von Balenciaga. Im Design sind sie genauso wie beliebige andere Schlappen auch, zudem penetrant mit dem Markennamen bedruckt. Doch ein Paar kostet mehr als 600 Franken. Zwar mag man auf den zweiten Blick erkennen, dass die Schlappen nicht aus Plastic, sondern aus Leder gefertigt sind – laut Produktinformation aus Lammfellleder –, aber erklärt das ihren hohen Preis? Ist ihr Rätsel damit schon gelöst?

Vielleicht rätselt ja gar nicht jeder. Man kann sich Superreiche vorstellen, die nicht auf die Preise achten, sondern blind bei bestimmten – teuren – Marken einkaufen; für sie spielt keine Rolle, was etwas kostet. Und man kann sich andere Reiche vorstellen, die zwar die Preise im Blick haben, es aber reizvoll finden, auch mal für etwas Trashiges viel zu zahlen.

Nicht, weil sie ein Geheimnis hinter dem Produkt vermuten, sondern, weil sie Spass daran haben, andere ein wenig zu verwirren: Zeigen sie sich mit solchen Schlappen im Wellnesshotel, werden ihnen manche unterstellen, einen schlechten Geschmack zu haben; andere – die um den hohen Preis wissen – es hingegen als dekadent, gar obszön empfinden, dass jemand so viel Geld für etwas ausgibt, was sich optisch kaum von viel Günstigerem unterscheidet.

Beide Reaktionen erlauben es denjenigen, die die Balenciaga-Schlappen tragen, überlegen zu lächeln: Offenbar kapieren die einen die Codes nicht, um den guten im schlechten Geschmack erkennen zu können, während die anderen Spiesser sind und für viel Geld auch viel Protz haben wollen. Für den hohen Preis erwirbt der Käufer also nicht nur Schlappen, sondern zudem das Gefühl, cooler als andere zu sein. Und das ist immerhin so viel Gegenleistung, dass es kein Rätseln über eine tiefere Bedeutung mehr braucht.

Menschen, die sich keine Artikel von Marken wie Balenciaga leisten können, rätseln dennoch. Und dass etliche andere Nobelmarken ebenfalls die Strategie verfolgen, Produkte im Alltagslook zu Spitzenpreisen zu verkaufen, weckt einen neuen Verdacht. Erst recht, wenn man sich den Instagram-Account gerade von Balenciaga anschaut. Dort nämlich werden fast alle Produkte der Firma auch noch so inszeniert, als seien sie überhaupt nichts Besonderes. Es gilt die Devise: lieber etwas zu hässlich als zu chic.

Daher muss man letztlich immer damit rechnen, dass Leute, die durchschnittlich aussehen, in Wirklichkeit sehr teures Zeug anhaben. Und das hat doch auch etwas Versöhnliches: dass damit umgekehrt selbst jemand, der tatsächlich nur Billigprodukte trägt, in den Verdacht gerät, vielleicht superreich zu sein.



Aus: "Warum soll Trash teuer sein?" Wolfgang Ullrich (Kindheit in der Schweiz / Dezember 2018 / Aus der Warenwelt)
Quelle: https://folio.nzz.ch/2018/dezember/warum-soll-trash-teuer-sein


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Quote[...] Die Kunstwelt muss endlich demokratisch werden. Ein Aufruf zum Neuanfang – für Künstler und Betrachter
Ein Gastbeitrag von Stefan Heidenreich und Magnus Resch


Die Kunst ist in einer Sackgasse. Seit Jahren wächst die Abhängigkeit vom Markt und von den großen Sammlern. Und so bleiben im Grunde nur zwei Alternativen: Entweder die Kunst verliert sich in einem Kult leerer Exklusivität – oder aber sie wendet sich dem Publikum zu.

Die Stimme der Betrachter ist in den letzten Jahrzehnten überall stärker geworden. Mittlerweile sind es alle gewohnt, sich den eigenen Kulturgebrauch jederzeit nach eigenen Vorlieben zusammenzustellen. Dass die vielen Stimmen sich äußern und wahrgenommen werden, hat viel mit sozialen Medien und Online-Plattformen zu tun. Wie nie zuvor wird kommentiert, bebildert, gelikt und geteilt.

Nur in der Kunst ist die neue Souveränität der Betrachter noch nicht angekommen. Sie lebt weiter in ihrer alten Welt, nach wie vor entscheiden allein Kuratoren, was in den Ausstellungen gezeigt wird. Wenn es hoch kommt, zählt man die Besucher. Ihre Ansichten interessieren nicht.

Hinzu kommt, dass die meisten Ausstellungen heute auf die Unterstützung von Galerien und von Sammlern angewiesen sind, sodass öffentliche Institutionen und Großevents wie Biennalen vieles von dem zeigen, was der Geldelite gefällt und von dieser gekauft wird. Manchmal kann es einem vorkommen, als seien die Museen zu einer Dauerwerbesendung für den Kult der großen Preise verkommen.

Dabei wäre es nicht schwierig, dem Publikum mehr Mitsprache einzuräumen. Sobald die Betrachter erst merken, dass sie nicht nur die Vermögenswerte anderer bestaunen sollen, sondern mit ihrer Stimme entscheiden können, was sie für sehenswert halten und was gezeigt werden soll, werden sie die Kunst wieder als ihr eigenes Anliegen wahrnehmen. Als eine Kulturform, an der sie selbst beteiligt sind, für die sie sprechen können, die auf ihre Stimme hört und die umgekehrt auch für sie spricht.

Unternehmen wir also den Versuch, die öffentlichen Institutionen der Kunst demokratischer zu gestalten. Wir fordern:

Besucher, wählt aus, was sehenswert ist!

Der erste Aufruf richtet sich an alle, die gerne Kunst anschauen und gemeinsam entscheiden wollen, was ausgestellt wird. Sucht Gleichgesinnte, und entscheidet mit, was ihr für sehenswert haltet! Die Demokratie der Kunst muss nicht auf eine Diktatur der Mehrheit hinauslaufen. Wir können viele verschiedene Kunstformen von vielen verschiedenen Betrachtern auswählen lassen. Nur so wird Kunst wieder zu etwas, das nicht dem Markt dient, sondern unsere eigenen Interessen abbildet und wiedergibt.

Künstler, mobilisiert eure Fans!

Der zweite Aufruf geht an die Künstler: Verlasst die Sackgasse des Marktes. Verweigert dem Kult der Exklusivität euren Dienst. Wartet nicht darauf, "entdeckt" zu werden. Wendet euch den Betrachtern zu. Löst euch von den Formzwängen der Moderne: Wir brauchen keine Werke, die es nur einmal gibt. Vergesst die Aura, diese jämmerliche Marketing-Lüge des Exklusiven. Macht Kopien, ahmt nach, mischt neu, sampelt. All das, was in der Musik längst geht, steht auch Künstlern frei. Nutzt die Freiheiten der Kunst! Sie sind ein Recht, das es zu verteidigen gilt.

Kuratoren, belebt eure leeren weißen Kuben!

Werdet Teil eines institutionellen Ökosystems, in dem Betrachter der Kunst Bedeutung geben. Belebt wird Kunst nicht durch Vermittler, Experten und Sammler, sondern durch die vielen Stimmen, die dazu etwas sagen wollen. Hört auf sie! Gebt ihnen ein Echo! Gebt ihnen Raum!
Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt!

Die große Menge möglicher Käufer wird vom Kult des Exklusiven vor den Kopf gestoßen. Und um diese vielen kleinen Sammler können sich die Galeristen in ihrem nomadischen Gehetze von Messe zu Messe nicht kümmern. Diese Kunstliebhaber, die Kunst nicht als Investment, sondern aus Begeisterung kaufen, müssen wir erreichen, an neuen Orten, mit Apps und Plattformen. Kunst ist keine Geldanlage, Kunst ist erschwinglich. Wir brauchen einen Kunstmarkt für die vielen und nicht nur für einige wenige.

Ob das der Kunst guttut? Aus Sicht der herrschenden Experten wohl kaum, denn das Urteil der vielen wird mit ihrem eigenen nicht unbedingt übereinstimmen. Zu Recht fürchten sich Künstler, die Jahrzehnte in Netzwerke von Sammlern und Kuratoren investiert haben, vor dem Publikum. Kuratoren schrecken vor dem Kontrollverlust zurück, wenn in ihren Räumen plötzlich Betrachter mitreden sollen.

Wir werden eine ganz andere Kunst bekommen, weil sie sich an ganz andere Bedürfnisse richtet und ihre Anerkennung im Publikum sucht. Sollte es gelingen, die Kunst demokratisch neu zu beleben, werden am Ende alle etwas davon haben. Die Betrachter, die mit den Werken wieder etwas anfangen können. Die Künstler, die wieder Anerkennung finden, auch außerhalb der kleinen Szene, auf die sie jetzt zurückgeworfen sind. Die Sammler, die wieder Dinge von Bedeutung erwerben können. Wir glauben an die Kraft der Kunst. Befreien wir sie vom Kult des Exklusiven und öffnen sie den vielen, die Kunst lieben.


Aus: "Schluss mit dem Kult der Exklusivität!" (29. Oktober 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/2019/45/kunst-kunstszene-kunstwelt-exklusivitaet

QuoteMapleRidge #1.5

Die Kunstwelt muss endlich demokratisch werden? Was hat der Autor genommen, bevor er den Artikel geschrieben hat? Die Kunstwelt kann meinetwegen eine Bleistiftzeichnung von Picasso für 100 Mio. verkaufen, was geht mich das an?


QuoteArpakasso #1

Ich muss gerade so sehr lachen über diesen Artikel.

Er zeigt mir mehr, wie wenig Ahnung die Autoren von dem haben, was bereits passiert.

Ich hab da mal ne Empfehlung an die Herren Autoren: Fahrt auf die nächste Dokomi nach Düsseldorf. Das ist eine Anime/Manga-Messe. Dort gibt es eine sogenannte "Artist Alley".

Dort werden die werten Herren Autoren ALLES finden, was sie in diesem Artikel als "dem Kunstmarkt fehlend" beschreiben:

1. Fanart. Denn das ist der Fachbegriff für die "gesameplte, kopierte und neu gemischte" Kunst. Hier wird sich in fantastischer Weise sowohl bei alten Meistern wie bei der Popkultur bedient.
2. Künstler, die ihre Fans mobilisieren und für den Massenmarkt produzieren.
3. Käufer, die aus Begeisterung kaufen. Ich selber habe mein komplettes Wohnzimmer mit Postkarten, Kleindrucken und Postern zwischen A6 und A2 tapeziert, die ich überwiegend auf den Artist Alleys von entsprechenden Messen gekauft habe.

Die Künstler connecten in diesem Bereich schon lange über Social Media - Instagram, Twitter, seltener Facebook (weil das schon zu lange deine organische Reichweite kappt, um dich zum Bezahlen zu zwingen, wenn du noch Reichweite willst). Sie müssen das auch - denn gerade der anhaltende Standesdünkel des Kunstbetriebs, dass Comic und Manga "niedere" Kunst sei, verwehrt Stpendien und Geldmittel. Das Publikum hat oft kaum mehr als Taschengeld, wer von der Kunst leben will, braucht hier Masse an Käufern.


QuotePippilangstrumpfvictualia #1.3

Mir ist klar, dass es auch erschwingliche Kunst gibt. Dennoch steht diese in der Hierarchie des Marktes und damit der Ordnung, was "gute Kunst" sein soll, recht weit unten.
Es ist ein großes Problem für die Kunst im Allgemeinen, dass sie einerseits frei sein möchte und andererseits so abhängig vom Markt ist. Davon sollte sie sich endlich emanzipieren!


Quotehairy #1.4

"Er zeigt mir mehr, wie wenig Ahnung die Autoren von dem haben, was bereits passiert."

Aber häufig sieht man nicht, dass das im typischen Kunstbetrieb passiert. Und dafür gibt es einen Grund: dem sog. Publikum (sofern es nicht das Spezialistenpublikum ist) fehlt im Allgemeinen schlicht das Wissen, warum was zeigenswert und etwas anderes nicht. Wie jeder weiß: Die Top-Filme auf imdb.com sind eben nicht per se große Kunst, und die Bücher auf der Spiegel-Bestseller-List auch nicht.


QuotePaul Freiburger #6

Oho, Populismus in der Kunst und daran soll das Ausstellungswesen genesen? Elitenbashing im Museumswesen ist das letzte, was wir brauchen. Museen sind Bildungsanstalten, keine Wunschkonzerte. Was nicht ausschließt, das man so etwas mal in Teilen versuchen kann. Aber es ist nicht Aufgabe der Museen, einen Massengeschmack zu bedienen. Natürlich sind Museen an feedback interessiert, es liegen bei Sonderausstellungen ja auch immer Besucherbücher aus, in denen man seine Meinung schreiben kann.

Es gab vielleicht zwei Phasen in der Kunstgeschichte, in der Kunst eine relative Breite Basis in der Öffentlichkeit hatte, das war die holländische Malerei des sog. Goldenen Jahrhunderts und die Malerei des 19. Jahrhunderts, aber nicht der Kanon, der heute gilt, sondern die realistische mainstream-Malerei, die überwiegend in Depots liegt.

Beides lässt sich kaum wiederbeleben. Die populärste Kunstform ist heute der Film, der mit seinen visuellen Möglichkeiten und spannenden Geschichten beeindrucken will.
Eine Ausstellung über die Szenenbilder und die Ausstattungen von Gams of Thrones könnte sehr erfolgreich werden. Schwebt das den Autoren vor?

Wer die Kunst jenseits einer Avantgarde und eines elitären Kanons sehen möchte, sollte mal auch die Plattform Deviantart anschauen.

"Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt!"

Dem stimme ich zu, aber dazu muss man von Kunst Ahnung haben. Schon Karel van Mander schrieb 1604, dass sich Reichtum und Kunst gerne treffen.


Quoteuga-baba #8

Tja, aber wovon sollen die Künstler leben, wenn nicht vom "Markt"? Immerhin kriegen sie 40-50% der Verkaufspreise.

Und zur Aufforderung "kauft was euch gefällt": bei den meisten Sammlern ist das doch sowieso der Fall. Banausen, reine Investoren spielen - was die Museen betrifft - eh keine Rolle.

Drittens wären viele - wenn nicht die meisten - Personen des "Kunstpublikums" völlig überfordert, wenn sie selbst über Kunst urteilen müssten. Sie sind ganz glücklich, dass es Kuratoren und Galeristen gibt, die ihnen sagen, was angeblich sehenswert sei.

Dass der Kunstmarkt u.a. aufgrund der Investoren zu perversen finanziellen Höhenflügen führt, ist eine völlig andere Problematik, die sich auch durch eine (illusorische) Basis-Demokratisierung der Kunstrezeption nicht so leicht reduzieren lässt.


QuotePaul Freiburger #8.3

Noch herrscht Angebot und Nachfrage und wenn jemand bereit ist, für ein Werk von Jeff Koons zu zahlen, dann darf er damit Geld verdienen, jedenfalls im Rahmen der Gesetze und Regelungen.


QuoteDesaguliers #9

Ich gehe häufig in Ausstellungen, hier in Hannover, ins Landesmuseum (alte Kunst), Sprengelmuseum (meist klassische Moderne) sowie in die Kestner-Gesellschaft (wechselnde Ausstellungen). Gerade bei letzterem sieht man gelegentlich phantastische Kunst, aber meistens prätentiöse Scheiße, gedankenleer, kitschig, stumpf. Sowohl die sehenswerten Sammlungen als auch der beschriebene Mist werden von Menschen zusammengestellt, die berufsbedingt eine Art Seekultur entwickelt haben. Dass bei dieser Arbeit auch mal daneben gegriffen wird, geschenkt.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, diese Ausstellungen würden nach demokratischen Prinzipien durch eine Art Schwarmintelligenz konzipiert, weiß ich, dass mich von Museen und Galerien dringend fernhalten müsste: der Massengeschmack ist unglaublich schlecht.

Ach ja, diese permanenten Verweise auf Wert und Preis von Kunst. Ist mir völlig egal. Und bitte schlagen Sie meinetwegen in der Wikipedia den Begriff des Auratischen in der Kunst nach. Vielleicht verstehen Sie dann, dass Aura nichts mit Marketing zu tun hat.


QuoteThür #12

Käufer, erwerbt, was euch gefällt, nicht, was sich lohnt!

Wie wahr und doch so schwer für einen Kunstbetrieb, der sich über Jahrzehnte eingerichtet hat in einem Hype auf Exklusivität, Renditen und Wertanlagen in Kunst sowie "Kunstexperten", die uns Kunst erklären wollen.
Ich bin immer wieder begeistert von jungen Künstlern (auch sogenannten Hobbykünstlern), die frische optimistische Kunst schaffen.
Andererseits werde ich als Kunstfreund immer wieder vor den Kopf gestoßen, wenn ich Ausstellungen besuche, die durch von Experten zertifizierte "echte Schmierereien" provozieren (z.B. Jonathan Meese, der von den Experten hoch gelobt wird !).
Da muss man sich nicht wundern, dass sich "normal" Kunstinteressierte von Ausstellungen zunehmend abwenden.


Quotesandor123 #13

Ich verstehe den Impetus und das Anliegen hinter dem Artikel, finde aber die Idee einer Demokratisierung in der Kunst problematisch. Man muss nur an andere Bereiche denken: Was wenn die Mehrheit nur noch Mario Barth im Theater sehen will? Was wenn die Mehrheit nur noch Dieter Bohlen in der Philharmonie hören will? Was Qualität in der Kunst ist, ist so wenig eine Frage der demokratischen Mehrheitsentscheidung wie die Frage, welche Deutung der Quantentheorie richtig ist oder welche Theorien wissenschaftlichen Standards genügen und welche nicht.


Quote
Mgagre #13.2

Nun, man muss es sich leisten wollen. Eine Mehrheit fände man dafür heute vielleicht nicht.

Wir "leisten uns" heutzutage Kultur, die teuer ist. Zweihundert studierte Profimusiker im Orchester, Opernchor und als Opernsänger - Ihr Platz in der Staatsoper, den Sie mit 150 Euro glauben, gut bezahlt zu haben, braucht eben nochmal so viel aus Steuern - und die ersten 150 sorgen dann noch dafür, dass wir "unter uns" sind, während die "anderen" nur zahlen.


Quotesandor123 #13.3

Sehen Sie diese Subventionierungen als Fehler an?


Quotequarague #14

Mal eine Rückfrage an die Autoren: Wie konkret stellen Sie sich das vor?
Hypotheteisch, sie sind jetzt der Chef von einem großen Museum, da es wohl primär um Kunst von noch lebenden Künstlern gehen soll, ein modernes, sagen wir zB der Hamburger Bahnhof in Berlin. Was stellen Sie da jetzt aus? Wer darf da wo entscheiden, was ihm als Publikum gefällt?


QuoteCarolus E #15

Kunstausstellungen, die sich am Massengeschmack orientieren? Nein, danke!
Wer will denn wirklich RTL I oder II im Museum? Wer will von den Leuten denn dann entscheiden, was da hängen, stehen soll? Losverfahren? Gewinnspiel?
Ich halte mich keineswegs für elitär, würde aber mit Sicherheit kein Museum mehr besuchen, das dem Massengeschmack huldigt. Mir graut schon bei dem Gedanken. Die beiden Autoren des Artikels sind elitär und kunstbewandert genug, um künstlich nach neuen Wegen zu suchen, die Museen wieder mit Publikum zu füllen. Ein Irrweg! Damit vertreibt man die wirklich Interessierten. Der Kunst tut man auch keinen Gefallen. Oder soll die sich zwangsläufig auch am Massengeschmack orientieren?


QuoteKapaster d.J. #16

Also ich bin Künstler, Einzelgänger und vielleicht sogar ein Misanthrop.
Ich habe kein Interesse daran, die Ergebnisse meiner Arbeit oder gar mich selbst dem Votum des Publikums zu unterwerfen. Jedenfalls nicht mehr, als es jetzt schon der Fall ist.

Kunst konfrontiert - im besten Fall - mit dem Unbekannten. Sie ist fremd, anstrengend und manchmal kaum genießbar.
Für den Produzenten ist sie immer ein Risiko. Und - wiederum im besten Fall - für das Publikum ebenso.
Wer wählt so was schon freiwillig.
Und wer kann es wählen, wenn er es gar nicht kennt?


QuoteFCKNZS7 #17

Das Diktat des Proletariats oder auch Banausiats also. Kultur und Kunst sind doch nicht dazu da, die vorhandene Vorurteilsstruktur zu festigen, sondern - ganz im Gegenteil - sie ins Wanken zu bringen. Sehgewohnheiten etc. pp. sollen erschüttert und verändert werden, mithin unter großem museumspädagogischem Einsatz. Das Museum und all die anderen Kunstorte im öffentlichen Raum auf das Niveau von FB-Likes und DSDS-Wettbewerbe herunterzudegenerieren wäre fatal, eine Vergartenzwergung der Kultur.

Man erinnere nur an die NS-Austellung "Entartete Kunst": "Der überwiegende Teil der Besucher lehnte die gezeigten Kunstwerke ab und folgte in ihrer Beurteilung den Ausstellungsmachern." https://de.wikipedia.org/wiki/Entartete_Kunst_(Ausstellung)

Wollt ihr da wirklich wieder hin?


QuoteThür #17.1

Nein wollen wir nicht. Viele wollen sich sich aber auch nicht dem Diktat einer Kunstexperten-Elite unterordnen, sondern möchten sich selbst angesprochen fühlen oder berührt werden von Kunst.


QuoteMgagre #17.2

Wer hindert Sie denn daran? Höchstens ein schlechter Kurator.


QuoteMiene Baya #18

Wer zahlt, bestimmt die Musik. Jedem steht es frei, Künstler in seinem Umfeld zu fördern.


QuoteJacques-Louis #18.1

So ist es.


QuoteKapaster d.J. #18.2

Wer zahlt, bestimmt in der Kunst gar nichts.
Das ist die wichtigste Grundlage der Kunstfreiheit.


QuoteJohannes Tell #19

Die ,,Kunst‟ war schon immer für die Reichen.
Für den Rest gibt's die Kleinkunst.


QuoteJacques-Louis #19.1

"Für den Rest gibt's die Kleinkunst."

Für den "Rest" gibt es das Museum und die Kunsthalle.


QuoteKapaster d.J. #19.2

Das ist völliger Unsinn. Niemand muss hierzulande reich sein, um Kunst zu sehen.


QuoteMgagre #20

Ich schätze es, wenn ein Kurator mir Dinge zeigt, die ich sonst niemals gefunden hätte.
Der Markt würde das nicht tun.


Quote
Vatermann #24

... Das Problem der Kunst ist nur,.( wenn Sie überhaupt zum Problem werden kann?) das Sie degeneriert oder missbraucht wird .. gerade eben auch zur Geldanlage für wenige und eben nicht nur für Museen die sich diesem Wettbewerb eben auch anstellen aber das nicht müssen den sie sollten gemeinnützig sein!
Ein weiteres scheint mir der allgemeine Verfall im Gemeinwesen und im Bürgertum . Stabile und langfristig Bindungen sind da nicht mehr viel. Der Verlust an Wert in allen Dingen. Das hängt auch wohl mit der monetären Flutung unserer Märkte und mit unsicheren politischen Zeiten zusammen.. ...


QuoteWerner Lorenzen-Pranger #28

"Die Kunstwelt muss endlich demokratisch werden."

Die "Kunstwelt" ist bereits demokratisch, da muß gar nix "werden". Was hier flockig durcheinaner gewürfelt wird ist Kunst und Kunstmarkt. Der Kunstmarkt ist längst pervertiert und hat mit künstlerischen Inhalten oft nur noch versehentlich zu tun, vor allem, was junge Kunst angeht Von der Seite aus wird sich so oder so nichts ändern. Leute mit Geld werden es da auch weiterhin anlegen, wo sie es für sich als richtig empfinden.
Die Kunst, die sich ernst nimmt, braucht aber eine reelle Chance gesehen zu werden. Man stelle sich vor, das durchschnittliche Publikum ohne jede, oder wenigstens rudimentäre, Sachkenntnis würde entscheiden, was Kunst sein soll. Ein Beuys, heute weltweit anerkannt, ein Pollok, ein Max Ernst, selbst ein Warhol oder Jasper Jones - sie hätten nie [eine] Chance gehabt. Leute wie Arno Breker oder Adolf Ziegler, der "Maler des deutschen Schamhaares", würden vermutlich sehr schnell fröhliche Urständ feiern.
Ja, auch Kunsthandwerker "können was" - nur daß das kaum einer unterscheiden kann, der sich nie ernsthaft damit beschäfigt hat - und daß der deswegen auch keine Botschaft vermißt. Er vermutet ja auch erst gar keine.


Quotepeterjunge #29

Von Demokratisierung der Kunst wird schon seit 50 Jahren gesprochen. Die geschilderten aktuellen Trends sind zwangsläufig eine Facette des weltweiten neoliberalen Wirtschaftskurses, der vor der Kunstwelt nicht halt macht.
Kunst zu produzieren, die dem Geschmack von Lieschen Müller entspricht, kann die Lösung nicht sein (auch wenn Lieschen Müller sicher eine patente Person ist!).
Kulturelle Bildung wurde schon von André Malraux und später von Hilmar Hoffmann eingefordert: Vermittlung ist notwendig, Anstrenung auch, um Bildung zu erwerben, Wikipedia kann dies nicht ersetzen. ...


QuoteBrontodocus #31

Kunst ist undemokratisch. Wenn man versucht, sie zu demokratisieren, wird sie zu Mode. ...


QuoteKapaster d.J. #36

Warum schlagen die Autoren nicht gleich einen verpflichtenden Like-Button an jedem Kunstobjekt vor?
Was nach 100 Visits nicht genügend Likes gesammelt hat, wird abgeräumt.
Und der nächste aus der Warteschlange rückt nach. ...


QuotePaul Freiburger #36.1

Sie haben gefährliche Ideen ;-)


Quotesid bertel #38

ich würde dem artikel in teilen zustimmen - irgend etwas stimmt nicht, bzw. weniger denn je im kunstbetrieb. die ewigen preis- und bedeutungsrankings, das gewese um sog. relevanz, das gezerre um die ganzen fairs und wer wen vertritt und vor allem diese ständige verarschung des publikums.

tatsächlich ist es doch so: der geldträchtige, staatsgepamperte kunstmarkt ist ein inzestiöser closed shop. ich denke es ist die struktur dieses sehr speziellen marktes und eines der grössten probleme sind m.m.n. die stetig "wichtiger" werdenden kuratoren, teils auch galeristen die sich mittlerweile selbst zu künstlern machen, uns das richtige sehen/verständnis verordnen, denen die herde gläubig folgt. ich würde sagen "diese" kunst ist tot. noch weitaus toter als das was mal popmusik war. sollen sich von mir aus alle ratlosen anleger dieser welt irgendetwas "wichtiges", relevantes, preissteigerungsfähiges für teuer geld andrehen lassen.


QuoteZwischenmensch #39

Erweitert sich der Kunstbegriff nicht ohnehin schon seit längerem?
Mode, Design, Kunst, Photographie, Film, andere Medien.... haben längst keine Berührungsängste mehr....! Dann noch das auratische Einzelkunstwerk daneben!
Der inzwischen pervers gewordene Markt, wo es, im oberen Bereich, fast nur noch um Geldanlagen geht, ist das eine - aber daneben gibt es doch unzählige, auch geförderte oder gesponserte sonstige Kunstaktivitäten jeder Art!l


QuoteZwischenmensch #39.2

Das weiß ich. Bin quasi aus dem Milieu - es gibt erstens die Künstlersozialversicherung, zweitens gibts gesponserte Ateliers, es gibt Berliner Bezirke, wo die Künstler Geld bekommen dafür, daß sie im bezirklichen Zusammenhang ausstellen, es gibt jede Menge Kunstprojekte....!
Andere Kleinselbständige bekommen keine Sozialversicherung geschenkt vom Staat, eine Privilegierung des Künstlertums!
Es sind nun einmal in heutigen Zeiten sehr viele Menschen, die sich als Künstler definieren, da wirds eng in manchen Regionen...!
Warum erwarten Künstler, die das Privileg für sich beanspruchen, frei nach eigenem Gusto tätig zu sein, ohne gesellschaftliche Verpflichtung, daß ihnen Sonderrechte zugebilligt werden?
Man kann z.B. auch Kurse geben, anderweitig zusätzlich Geld verdienen!


Quoteeschwenk #40

Au Contraire.

Wieder einmal die wohlfeile Forderung nach populärer, ja "demokratisierter" Kunst, die sich "dem Volk zuwenden" müsse (wer immer das auch jeweils sein soll).

Doch wo das hinführt, haben wir zur Genüge gesehen:

im besten Fall landet man bei Beliebigkeit und inhaltsleerem Kitsch, der jedem gefallen will, am Ende deshalb nichts bewirkt. So verkommt sie zum kurzlebigen Modetrend, dessen man schnell überdrüssig wird. Solche Kunst manövriert sich selbst nicht nur recht schnell aus dem Markt, sondern auch aus der Gesellschaft. Sie ist nicht sinnstiftend, sondern sinnlos.

Doch auch den schlimmsten Fall haben wir bereits durch: "entartete" Kunst, Bücherverbrennungen - das ganze Programm. Das alles hat mit der Forderung nach "volksnaher", also populärer Kunst angefangen, mit der Kritik am elitären.

Nein und nochmals nein!

Kunst muss anecken, skandalös sein, polarisieren - und ja, auch elitär sein. Nur so kann sie langfristig etwas bewirken und bleibende Werte schaffen. Kunst braucht nicht selbsterklärend zu sein. Sie SOLL dazu auffordern, zu interpretieren, zu diskutieren - und ja, auch abzulehnen oder zuzustimmen. Den Rezipienten in ein Dilemma bringen, aus dem er sich selbst nur mit einem Erkenntnisgewinn herauswinden kann. Kunst muß kritisieren und sie muß kritisiert werden. Nur dann hat Kunst überhaupt eine Daseinsberechtigung, ja nur dann ist Kunst überhaupt Kunst. "Schön" ist dabei in jedem Fall zu wenig, mithin auch optional.


Quoteikonist #45

Ich möchte mal wieder "verstört" werden - kann mir jemand die dafür zuständigen Kunstwerke empfehlen?


Quote
Kapaster d.J. #45.1

Zur gelegentlichen Verstörung reich meist ein aufmerksamer Blick in den Spiegel. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eva Karcher - Volljuristin, Immobilienspezialistin und Wirtschaftsmediatorin, arbeitet seit Jahren erfolgreich als Immobilien-Trainerin, mit hoher positiver Resonanz nun vor allem Online.
Sie beherrscht die Kunst, im Immobilienbereich ganzheitlich zu schulen und zu beraten – orientiert an beidem, sowohl am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Auftraggeber als auch an der persönlichen Kompetenz des einzelnen Teilnehmers.


Quelle: https://www.eva-karcher.de/profil (22.06.2022)

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Quote... Eva Karcher studierte Kunstgeschichte in München und Berlin. Im Jahr 1984 promovierte sie mit einer Arbeit über Eros und Tod im Werk von Otto Dix an der Universität München und arbeitete anschließend im Kunsthandel und in verschiedenen Galerien. Anschließend arbeitete sie viereinhalb Jahre lang als festangestellte Redakteurin und Kunstexpertin für die Zeitschriften Pan, Ambiente und Forbes des Burda Verlags München und danach vier Jahre als Redakteurin der Zeitschrift ART für den Verlag Gruner & Jahr in Hamburg. Danach war sie als Journalistin, Kritikerin, Autorin, Kolumnistin und Übersetzerin für zahlreiche Magazine und Zeitschriften tätig, darunter regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Der Tagesspiegel, Welt, Welt am Sonntag, Vogue, AD, Elle, Madame, Monopol, Artinvestor, Sleek Magazin, ZEITWissen, Focus, Bunte, Schöner Wohnen, Domus, H.O.M.E. Magazin u. a. Nach wie vor publiziert sie in einigen dieser Magazine und Zeitungen ebenso wie in Firmenmagazinen, darunter früher Mini-Magazin, Audi-Magazin, Charakter und aktuell WERTE Magazin.  ... Seit der Jahrtausendwende arbeitet Eva Karcher als internationale Kunstmarktexpertin beratend für Galerien, Auktionshäuser, private Sammlungen und Unternehmenssammlungen. ...


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Karcher (30. Juli 2021 um 15:27)

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Quote[...] Trotz oder gerade wegen fallender Börsenkurse ist Kunst als Top-Investment und gleichzeitig als Schlüsselwert westlicher Demokratie begehrter denn je. Dies bestätigen die 2021 um 18 Prozent auf 34,7 Millionen Dollar gestiegenen Umsätze der Galeristen, die der Gemeinschaftsreport der Messe mit der Schweizer Bank UBS meldet; dies untermauern auch Rekordzuschläge auf Auktionen. Die in Vor-Pandemiestärke angereisten Sammler, Museumsdirektoren, Kuratoren, Berater und Künstler – überwiegend aus Europa, den USA und erneut aus Asien – entscheiden professionell und engagiert zugleich, und ihre Mittel scheinen unbegrenzt. Angesichts des Ukrainekriegs begreifen mehr und mehr Investoren, was wirklich zählt.

... Um das Dreifache sind Preise für Superstars wie Jordan Wolfson oder Rashid Johnson innerhalb weniger Jahre gestiegen; noch höher die für Klassiker, so das schmale, zehn Meter lange Digitalprint ,,930-2 Strip" (2013) von Gerhard Richter am Stand von Marian Goodman (4,8 Millionen Dollar). Das allgemein hohe Preisniveau gilt auch für Arbeiten jüngerer Künstler wie die amerikanische Malerin Bunny Rogers, die ihre ausverkaufte Serie ,,Joan" bei der Berliner Galerie Société mit einem Triptychon (über 300.000 €) beendet. Entdeckenswert und noch günstig sind hingegen die Gemälde der 1986 in Henan geborenen Miao Miao bei Urs Meile, figurativ stilisierte Alltagsszenen mit einem surrealen Touch (10.000–20.000 Dollar).

So gut die Verkäufe, so hoch sind die Kosten der Galerien für die Messe. Zusätzlich zu den Standmieten zwischen 15.000 und mehr als 100.000 Schweizer Franken kommen Kosten für Reisen, Transporte, Installationen, Hotels, Dinners, Partys, Verpflegung, und Security, die sich bis zu einer halben Million und mehr addieren. Doch der finanzielle Input scheint sich zu lohnen.

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Aus: "Endlich wieder Art Basel Die Millionen Dollar Rallye" Eva Karcher (22.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/endlich-wieder-art-basel-die-millionen-dollar-rallye/28434962.html

Textaris(txt*bot)

... Kulturprodukte der Kulturindustrie richten sich also, so die Autoren, nicht nach dem eigenen Gehalt und nach stimmiger Gestaltung, sondern vielmehr nach der Verwertung.
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Quote[...] Hollywood-Superstar Tom Cruise rast mit seinem Streifen "Top Gun: Maverick" weiterhin von Erfolg zu Erfolg. Inzwischen hat die Fortsetzung des Kultfilms von 1986 einen weiteren Meilenstein abgeräumt: Mit weltweit über 900 Millionen eingespielten Dollar ist es "The Hollywood Reporter" zufolge der erst dritte Film der Pandemie-Ära, der über diese Zahl gelangen konnte.

Nur Superhelden haben es bislang geschafft, Fliegerass Maverick in die Schranken zu weisen. Disneys "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" mit Benedict Cumberbatch liegt derzeit bei rund 950 Millionen US-Dollar auf der zweiten Position, Spitzenreiter ist Sonys "Spider-Man: No Way Home" und Tom Holland mit sensationellen 1,9 Milliarden US-Dollar. Zumindest an "Doctor Strange" dürfte Cruise wohl noch mit seinem Kampfjet vorbeiziehen können.

Bei der genaueren Auflistung des Kinoerfolgs von "Top Gun: Maverick" wird deutlich, dass der Film rund um den Globus zu überzeugen weiß und nicht - wie vielleicht angenommen - nur in den patriotischen USA. Laut Branchenseite "Box Office Mojo" spielte das Sequel in den USA bislang 475 Millionen US-Dollar ein, außerhalb des heimischen Marktes sind es ebenfalls bereits 427 Millionen US-Dollar.

Der Film ist auch ein Meilenstein für Cruise persönlich: "Top Gun: Maverick" ist schon jetzt der bisher erfolgreichste Film von Tom Cruise in den USA. Danach folgt "Krieg der Welten" (2005), der in den Vereinigten Staaten 234,3 Millionen US-Dollar (etwa 219 Millionen Euro) einbrachte.

Tom Cruise spielt in dem Film über 35 Jahre nach "Top Gun" (1986) einmal mehr den Draufgänger Pete "Maverick" Mitchell. Bereits das erste Wochenende war ein persönlicher Erfolg für den Schauspieler und bescherte ihm den besten Kinostart seiner Karriere. "Top Gun: Maverick" gelang am Startwochenende aber noch ein weiterer Rekord: Noch nie haben am Memorial-Day-Wochenende die Kinokassen lauter geklingelt.

Quelle: ntv.de, cls/spot


Aus: " Mit "Top Gun: Maverick" Tom Cruise düst zum nächsten Meilenstein" (22.06.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/leute/Tom-Cruise-duest-zum-naechsten-Meilenstein-article23414749.html

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Quote[...] Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug ist ein Kapitel aus der Dialektik der Aufklärung, einer Sammlung von Essays von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno aus dem Jahr 1944. In diesem Kapitel analysieren die Autoren die veränderte Produktion und Funktion von Kultur im Spätkapitalismus.

... Mit Kulturindustrie meinen die Autoren die gesellschaftliche Implikation von kulturellen Ereignissen und Erzeugnissen. Adorno/Horkheimer beschreiben in ihr die Warenform und die Ideologie derselben als die beiden zentralen Momente kapitalistischer Vergesellschaftung. Kulturindustrie erscheint als Verblendungszusammenhang, der die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse naturalisiert. Dieser ,,soziale Kitt", wie Erich Fromm die Ideologie der Kulturindustrie nannte, agiert als Mittel von Herrschaft und Integration.

... Im bürgerlich-liberalen Zeitalter musste laut Adorno/Horkheimer Kunst als eine zwar stets elitäre angesehen werden – in der Dialektik der Aufklärung sprechen die Autoren von der bürgerlichen Kunst, die von Anbeginn mit dem Ausschluss der Unterklasse erkauft wurde. Sie orientierte sich jedoch immer am kollektiven Gemeinwohl und war diesem zuträglich. Ihre Impulse waren es, die eine Fortentwicklung der Gesellschaft ermöglicht haben. Ab dem Zeitalter des Spätkapitalismus veränderte sich diese Aufgabe als Motor der Gesellschaft. Von einer Kunst, die laut Adorno/Horkheimer ihren Wert vor allem in sich – einen Gebrauchswert in der Hinsicht, dass das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit erfüllt wird – hin zu einem Produkt des Marktes, dessen Wert daraus sich ergibt, wie häufig es getauscht wird.

... Jedes Kulturprodukt, darunter die Massenmedien im Besonderen, ist laut Adorno/Horkheimer der Kulturindustrie ausgeliefert – und umgekehrt. Industrie und Produkt sind immer in einem derartigen Maße miteinander verknüpft, dass sie als Eines gesehen werden können. Medien, wie alle Kulturprodukte, sind auch ein Produkt der Kulturindustrie. Kulturprodukte der Kulturindustrie richten sich also, so die Autoren, nicht nach dem eigenen Gehalt und nach stimmiger Gestaltung, sondern vielmehr nach der Verwertung.

...


Aus: "Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug" (3. April 2022)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturindustrie_%E2%80%93_Aufkl%C3%A4rung_als_Massenbetrug

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Annekathrin Kohout ist freie Kunstwissenschaftlerin und Autorin.  ...

Vorbei an den titanweißen Rillen, den ockerfarbenen aufgereihten Erhebungen und einer Lasur aus Purpur: Sanft streichelt Johanna Dumet mit ihren gepflegten Fingern, an denen ein prunkvoller, mit Steinchen besetzter Ring funkelt, über den pastosen Farbauftrag des eigenen Gemäldes. Beim Zuschauen ist das beinahe ein visuelles ASMR-Erlebnis. Es ist ein Ausschnitt aus einem Video, mit dem die Künstlerin auf Instagram ein neues Gemälde vorstellt: The most expensive cake in the world. In zwei weiteren Slides desselben Posts ist das Bild dann auch in Gänze zu sehen: eine zehnstöckige rosafarbene Torte, auf deren Etagen die Namen der zehn wertvollsten Modemarken der Welt geschrieben stehen (Nike an der Spitze, Chanel am Boden) und von Kirschen gekrönt werden; die Torte befindet sich unter einem schwungvollen, grün-weiß gestreiften Baldachin. Davor sitzt die Künstlerin lässig auf einem Designersofa, von Kopf bis Fuß in den Markenklamotten gekleidet, die sich bei Influencer:innen besonderer Beliebtheit erfreuen. Alle Labels sind verlinkt, genauso wie Dumets Galerie und die Messe, auf der das Bild bald zu sehen sein wird.

Angesehene Schriftsteller:innen und Kolleg:innen haben den Beitrag von Johanna Dumet geliked. In den Kommentaren zur Torte senden trendy Berliner Influencer Herzchen, eine prominente Podcasterin fragt, ob es sich bei dem Ring um einen Verlobungsring handelt, mal mehr und mal weniger anonyme Fans teilen mit, wie sehr sie die Arbeit der Künstlerin schätzen. Und es wird gefragt, wo und wie das Kunstwerk denn zu erwerben sei. Vermutlich gar nicht mehr, weil längst verkauft. So oder so: Johanna Dumet hat ein Vorzeigenetzwerk, und nicht erst, seit der Kunstmarkt-Influencer Magnus Resch entsprechende Analysen vorgelegt hat, ist Konsens, dass der Erfolg von Künstler:innen ganz wesentlich von ihrem Netzwerk abhängt. Um eines zu knüpfen und zu unterhalten, bietet Instagram die besten Voraussetzungen.

Instagram nimmt seit über einem Jahrzehnt maßgeblich Einfluss auf die Kunstszene. Künstler:innen können sich und ihre Arbeiten dort selbst inszenieren, sich mit einflussreichen Protagonist:innen des Kunstbetriebs verbinden, die ihrerseits neue Positionen zunehmend über die Plattform entdecken, ja vielleicht sogar durch den ganz und gar nicht banalen Algorithmus auf sie gestoßen werden. Nicht wenige Künstler:innen haben mittlerweile Follower und Fans, denen sie auch etwas bieten müssen. Und davon profitieren wiederum alle, die mit Kunst Geld verdienen wollen oder müssen. Manche Ausstellungen wirken bereits so, als hätte man sie für Instagram gemacht: Sie präsentieren followerstarke und fotogene Positionen, die möglichst viele Storys zum Event provozieren sollen.

Es gibt Medien, die es auf Instagram leichter haben als andere. Künstlerische Fotografie muss sich zum Beispiel in dem ohnehin fotografielastigen Medium viel stärker behaupten als Malerei, die im endlosen Feed direkt als Kunst heraussticht. Malerei, gerade wenn sie besonders üppig oder gestisch aufgetragen wurde, hatte es anfänglich schwer in den digitalen Medien. Größe, Haptik und die damit verbundenen Sinneseindrücke gingen verloren, die Bilder wirkten flach. Doch still und heimlich hat sich die Malerei mittlerweile neben der digitalen Kunst und NFTs zur Social-Media-Königin unter den künstlerischen Medien gemausert. Und das ist nicht zuletzt ihrer Materialiät zu verdanken, mit der sich – wie bei Dumet – sinnliche Videos erstellen lassen, die die Tastsinnbedürfnisse einer "berührungslosen Gesellschaft" befriedigen, wie es Elisabeth von Thadden in ihrem gleichnamigen Buch formulierte.

Natürlich müssen Künstler:innen auch selbst einige Voraussetzungen mitbringen, um erfolgreich zu sein. Was auf aufmerksamkeitsökonomischen Plattformen bedeutet: viele Likes und Kommentare zu erhalten, oft geteilt und so von Galerist:innen, Sammler:innen und Ausstellungsmacher:innen entdeckt zu werden. Neben dem Talent zur Vernetzung und Selbstinszenierung, dem Beherrschen der dissimulatio artis (sprich: dem authentischen Storytelling), ist es ebenfalls wirkungsvoll, ein Umfeld zu schaffen oder zu haben, das instagramable ist. In dem Kunst-Podcast Extrem Dumme Fragen antwortete Johanna Dumet auf diejenige, ob es ein Ereignis gebe, das den Beginn ihrer Karriere markiere, es sei die Investition in ein großes und ansehnliches Atelier gewesen. Denn dort sei es ihr fortan möglich geworden, ihre Malerei auf bestmögliche Art für Instagram zu inszenieren.

Mittlerweile haben Künstler:innen verschiedene Strategien entwickelt, sich auf Instagram zu präsentieren und sich zu den dort vorherrschenden Bildwelten zu verhalten. Wenig überraschend zeigen sich die meisten professionell oder erfolgreich; Bilder vom schönen Scheitern oder Inszenierungen als armer Künstler kommen selten vor (oder werden wenig angezeigt). Am geläufigsten sind Profile, die als Portfolios verwendet werden, einschließlich Einblicken in das Making-of, das Künstlerbüro und die Ausstellungspraxis. In dem Fall scheint Instagram eher ein Marketing-Tool neben anderen zu sein.

Doch es gibt ein neues Konzept, dem möglicherweise auch ein neues Selbstverständnis zugrunde liegt. Es besteht gerade nicht darin, lediglich die eigene Kunst oder Person zu bewerben, sondern darüber hinaus mit der eigenen Arbeit auch andere Produkte. Gerade Johanna Dumet macht das auf erstaunlich virtuose Weise. Luxus und Lifestyle, die Lieblingsthemen auf Instagram, sind oft ihre Motive. Etwa üppig gedeckte Tische mit Hummerkrabben und Champagner oder High Heels. Während andere Influencer:innen Luxusprodukte mit einem Outfit-Posting bewerben, malt sie Prada-Handschuhe, eine Yves-Saint-Laurent-Tasche und dazu Tabi-Schuhe von Maison Margiela. Ihr Kommentar dazu: "Who cares about Berlin winter when you have some Prada fancy gloves and you can walk in the dirty snow with your white Maison Margiela Tabi shoes and your Yves Saint Laurent Bag, really who cares?" ("Wen interessiert schon der Berliner Winter, wenn man ein paar schicke Handschuhe von Prada hat und mit seinen weißen Maison-Margiela-Tabi-Schuhen und seiner Yves-Saint-Laurent-Tasche durch den dreckigen Schnee laufen kann, wen kümmert das schon?")

Was man an dieser Stelle noch für kritische Affirmation oder bloße Ironie halten könnte, erweist sich jedoch als scheinbar offene Umgangsweise mit dem eigenen Markenfetischismus. Dumet kooperiert etwa mit Hermès, und für das Traditionshaus dürfte sie eine besonders wertvolle Influencerin sein, drückt sie doch allein mit ihrer künstlerischen und handwerklichen Arbeit eine Art von Luxus aus, in dem mehr Geld und Arbeit steckt als in einem sonst üblichen Outfit-Foto.

Johanna Dumet ist keinesfalls ein singuläres Phänomen, allerdings im deutschsprachigen Raum relativ einzigartig. Vielleicht, weil man sich hierzulande mit Konsumbekenntnissen immer schon schwerer tat. Tatsächlich gibt es aber international zunehmend Künstler, die mit ihrer Arbeit influencen, ja sogar zu Botschaftern einzelner Marken werden. Anders als bei Takashi Murakami oder Jeff Koons, die ebenfalls in regelmäßigen Abständen mit Labels kooperieren und deren Taschen oder Sneakers gestalten, werden bei Johanna Dumet, Andy Dixon oder Ignasi Monreal die Labels direkt in die eigene Bildwelt integriert. Sie werden zum Sujet und geraten im Kontext von Instagram dadurch zu individuellen und kreativ anmutenden Werbebildern unter anderen.

Das Werk des kanadischen Malers Andy Dixon ist mittlerweile sogar so eng mit dem Modelabel Versace verschränkt, dass die Referenz zu seiner individuellen Handschrift geworden ist. Wie auch bei Dumet handelt es sich dabei keinesfalls um Kritik, sondern um eine Identifikation mit der Luxusmarke. Er habe sich in früheren Arbeiten auf das Haus bezogen, weil er sich von dessen Ethos angezogen fühle, erklärte der Künstler etwa in einem Interview mit dem Magazin Fashion. Dass Versace seine in der Kunst entwickelten Entwürfe mittlerweile produziert, ist für Dixon ein wahr gewordener Traum.

Anders als in der Pop-Art, die sich eher auf die Alltagskultur der Vielen als auf die Luxuserfahrungen der Wenigen bezog, scheinen Kunst-Influencer Hermès-Taschen oder Versace-Shirts zu malen, um (mit ihren Werken) Teil jener Welt zu werden, in der man solche Gegenstände besitzt. Es ist sozusagen eine Art Vorstellungsgespräch, vergleichbar mit der Arbeit der klassischen Influencer, die auch erst Streetfotos mit selbst gekauften Sachen machen, sich so beweisen müssen, bevor sie die neuesten It-Pieces von den Unternehmen zugeschickt bekommen.

So sehr eine Plattform wie Instagram ökonomischen und gesellschaftlichen Aufstieg verheißt (und der in seltenen Fällen auch wahr wird), lautet die traurige Wahrheit aber letztlich, dass dieser in den meisten Fällen nicht ohne Ressourcen und Privilegien durch eine entsprechende Herkunft gelingt. In der hat man etwa ganz selbstverständlich gelernt, wie man sich präsentieren oder verhandeln, welche Konventionen man beherrschen muss.

In der Kunstwelt kamen lange Zeit die Ärmsten und Reichsten der Gesellschaft zusammen. Das ist eigentlich eine einzigartige Situation: Prekär lebende und arbeitende Künstler:innen trinken auf Ausstellungseröffnungen Champagner mit superreichen kosmopolitischen Sammler:innen, die gerade einen Zwischenstopp auf dem Weg von der Art Basel auf die Biennale in Venedig einlegen. Während sich die wohlhabenden Sammler:innen durch den Umgang mit Künstler:innen und bildender Kunst einen intellektuellen Anstrich geben können, profitieren die Künstler:innen von der finanziellen Unterstützung. Zumindest war das die für lange Zeit gültige unausgesprochene Vereinbarung, ein Tauschgeschäft zum Nutzen aller Beteiligten, das es so in keiner anderen Kultursparte gibt, weder in der Musik noch im Theater oder Film: Der frei verhandelbare Preis von physischen Kunstwerken (und besonders die Idee des Originals und damit Unikats) hat eine ganz eigene Marktsituation und Ökonomie geschaffen. Die hat auch deshalb so gut funktioniert, weil sich beide Parteien der jeweils anderen überlegen fühlen durften. Trotz gegenseitiger Abhängigkeit konnten sich die einen, die Künstler:innen, vormachen, moralisch, geistig, weltanschaulich in der stärkeren Position zu sein – und die anderen, die gut situierten Sammler:innen, blieben es objektiv finanziell, mit Ausnahme jener wenigen Künstler:innen, deren Erfolg derart groß war, dass sie irgendwann auch zu den Reichen gehörten.

Nun läuft dieses Abkommen aber Gefahr, beendet zu werden. Für Wohlhabende ist es nicht mehr von so großer Bedeutung, sich kunstaffin zu zeigen. Heute kann ihnen popkulturelle Bildung einen ebensolchen Statusgewinn verschaffen, wie es einst im eigenen Milieu nur Kenntnis und Unterstützung der Hochkultur vermochte. Ein Kostüm von Lady Gaga oder Art Toys von auf Instagram erfolgreichen jungen Nachwuchskünstler:innen zu besitzen, kann von genauso großer Attraktivität sein, wie ehedem Inhaber eines Gemäldes des heute längst unbezahlbaren Gerhard Richter zu sein. Und das Netz stellt, mehr noch als zuvor die Reproduktion von Originalen als Drucke, die Idee des physischen Besitzes von Kunst infrage. Sind NFTs dort nicht nur scheinbar eine ökonomische Lösung, ein Paradox und ein scam: Warum etwas kaufen, was man physisch nicht besitzen kann?

Bildende Künstler:innen büßen aus diesem Grund zunehmend ihre Sonderstellung ein. Einige reagieren darauf wie Dumet oder Dixon auf Instagram, wo die physisch existente Kunst ja nur abgebildet wird. Andere beginnen, die Gründe für das Nicht-mehr-Funktionieren des Sammler-Künstler-Verhältnisses kritisch zu hinterfragen. Worüber lange eher geschwiegen wurde, das thematisieren Künstlerinnen wie Zoë Claire Miller oder Marta Vovk in aller Direktheit sowohl in Zitatkacheln auf Instagram als auch in ihrer Kunst selbst: die Klassenfrage und die strukturellen Probleme dahinter. Wie sind die vorhandenen Abhängigkeiten entstanden? Woher kommt die Asymmetrie der Macht? Und auch: Woher kommt eigentlich das Geld der superreichen Kunstsammler:innen? Wie lassen sich die Arbeitsbedingungen der Künstler:innen verbessern?   

Instagram und die dort übliche gewollte oder ungewollte Präsenz des sozialen Status provoziert also unter Künstler:innen sehr unterschiedliche Reaktionen. Während die einen selbst zu Influencern werden, versuchen sich andere mit aller Kraft dem Lifestyle-Medium zu entziehen oder kämpfen sogar als Aktivist:innen gegen die oft bloßen Verheißungen eines berauschenden Jetset-Lebens an.

"Luxus ist eine Trotzreaktion", hat der Philosoph Lambert Wiesing einmal gesagt und dieser Erfahrung ein ganzes Buch gewidmet. Für das individuelle Erleben trifft das gewiss zu, ist damit doch oft eine irrationale Sehnsucht nach der Befreiung von jedem Vernunfts- und Effizienzdenken verbunden. Doch darum scheint es nicht zu gehen, wenn Johanna Dumet ihren "most expensive cake in the world" mit der Bemerkung kommentiert, schockierend sei auch, dass Zara und H&M es in die Top Ten der "wertvollsten Modemarken" geschafft hätten – was da noch zu sagen bleibe? Hier ist Luxus nur Anspruch und Distinktion, Lambert Wiesing würde wohl sagen "Protz". Es muss für Dumet wohl fast schon eine Qual gewesen sein, die vermeintlich niederen Brands in ihr Gemälde zu integrieren. Das spaßig als "Integrität" zu würdigen, wie es einer der Kommentatoren auf Instagram tat, bereitet bei all dem offen ausgelebten Klassismus dann doch ein bisschen Gänsehaut.



Aus: "Instagram: Ein Herzchen für die Kunst" Annekathrin Kohout (1. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-08/johanna-dumet-kunst-influencer-instagram-werbung-10nach8/komplettansicht

QuoteSammysYoga #1

Üble Entwicklung von Kunst zur protzigen statusymboligen Edelmarkendekoration. ...


QuoteFehrberlliner #2

"Nun läuft dieses Abkommen aber Gefahr, beendet zu werden. Für Wohlhabende ist es nicht mehr von so großer Bedeutung, sich kunstaffin zu zeigen."

Ganz im Gegenteil. Anders gesagt: Die Explosion des Kunstmarktes durch die Entdeckung der "Kunst" als Accessoire für "Wohlhabende" (nicht mehr wie früher einige, sondern zahllose Reiche) ist schon seit ca. 15 Jahren ins Werk des Zeitgeistes gesetzt, so dass es für "Künstler" nur noch von Bedeutung ist, sich wohlstandsaffin zu zeigen.

= Ende der Kunst.

...


Quotesimplizisimus #10

Die Moderne ist in die Jahre gekommen...


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Textaris(txt*bot)

QuoteHaan – Geschäftsleute stellen ihre Schaufenster als Präsentationsfläche für Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung. Damit ist beiden Partnern gedient: Die durch den corona-bedingten Ausfall fast aller Ausstellungen gebeutelten Kreativen haben die Möglichkeit, ihre Werke zu zeigen. Und die Unternehmer können damit rechnen, von einem Publikum entdeckt zu werden, dass ihre Läden ohne den Kunstherbst vielleicht nie wahrgenommen hätte. Fazit: Kunst und Kommerz – das passt.
Dementsprechend ist es kein Wunder, dass sich die sogenannte Schaufensterkunst in den letzten Jahren vielerorts etabliert hat. Gerne wird das Format auch in den umliegenden Großstädten genutzt, um Leerstände in den Fußgängerzonen zu kaschieren. ...

Aus: "Kunst trifft auf Kommerz" Kommentar von Knut Reiffert (28. September 2022)
Quelle: https://www.haanertreff.de/2022/09/28/kunst-trifft-auf-kommerz/

Textaris(txt*bot)

Max Carl Friedrich Beckmann (* 12. Februar 1884 in Leipzig; † 27. Dezember 1950 in New York City) war ein deutscher Maler, Grafiker, Bildhauer, Autor und Hochschullehrer. Beckmann griff die Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenso auf wie die kunsthistorische Tradition und formte einen figurenstarken Stil, den er ab 1911 der aufkommenden Gegenstandslosigkeit entgegensetzte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Beckmann


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Quote[...] Das Gemälde, das dem deutschen Kunstauktionsmarkt noch kurz vor Jahresende einen neuen Preisrekord bescherte, hatte vorher schon viel von Deutschland gesehen. Die Ehefrau des Malers gab es einst dem gemeinsamen Sohn, der in Oberbayern lebte. Dessen Tochter kuratierte im Sommer 1996 eine Verkaufsausstellung der Berliner Galerie Pels-Leusden in jener Filiale, die Geschäftsführer Bernd Schultz in Kampen auf Sylt eröffnet hatte. Das Bremer Ehepaar, das es dort für angeblich rund fünf Millionen Mark erwarb, nahm das Gemälde, das Porträt eines Mannes mit gelbem Mantel und verschränkten Armen, schließlich mit in die Schweiz, in den Kanton Zürich. 16 Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes, eines bekannten Juristen, entschied sich seine Witwe dann in diesem Jahr zum Verkauf – in Berlin. Und das war ein Signal.

Noch vor einem Jahr wäre das Bild wohl in London oder New York gelandet, bei Sotheby's oder Christie's. Nun aber wurde Max Beckmanns Selbstbildnis gelb-rosa, entstanden in dessen Amsterdamer Exiljahr 1943, vier Wochen vor Weihnachten im deutschen Auktionshaus Villa Grisebach angeboten – mit einem Schätzpreis von 20 bis 30 Millionen Euro. So hoch hatte in Deutschland noch niemand ein einzelnes Gemälde vor einer Auktion taxiert. Den bisherigen deutschen Preisrekord hielt zwar auch ein Beckmann-Bild, die Ägypterin von 1942, die vor vier Jahren an gleicher Stelle für 5,5 Millionen Euro zugeschlagen worden war. Dass dieser Preis aber schließlich im Dezember tatsächlich vervierfacht werden würde, zeichnete sich erst ab, als Auktionator Markus Krause die Versteigerung bei 13 Millionen Euro eröffnete – und schnell signalisierte, dass Gebote bis 17 Millionen bereits vorher abgegeben worden seien. Bei 20 Millionen kam schließlich der Zuschlag.

Im Auktionshaus freute man sich über den PR-Effekt, der wohl vor allem Bernd Schultz zu verdanken war: Er hatte das Bild schon 26 Jahre zuvor auf Sylt verkauft – und dann die Villa Grisebach gegründet. Vom finalen Zuschlagspreis sei man an der Berliner Fasanenstraße allerdings trotz der Höhe eher enttäuscht gewesen, heißt es in der Branche; die Erwartungen hätten höher gelegen. Ein echtes Bietergefecht in Richtung der oberen Taxe von 30 Millionen kam aber nicht zustande, obwohl Schultz selbst mit Handy am Ohr in der ersten Reihe saß. Insidern zufolge gab es nur einen einzigen Bieter.

Der deutsche Beckmann-Rekord war trotzdem symptomatisch für den Kunstmarkt am Ende des dritten Pandemiejahres. Weltweit haben die Auktionshäuser 2022 Rekordumsätze erzielt. Auch einige traditionsreiche deutsche Unternehmen meldeten Ergebnisse, die es bis dahin in den jeweiligen Firmengeschichten nicht gegeben hatte. Ketterer Kunst in München etwa, zurzeit das in Deutschland umsatzstärkste Auktionshaus, erreichte zum ersten Mal mehr als 100 Millionen Euro Jahreserlös im Saal, bei Online- und in privaten Verkäufen. "Das mag so manche Beobachter überraschen", sagt der Inhaber Robert Ketterer. "Doch wer die Psychologie des Marktes kennt, der weiß, dass gerade Zeiten der Unsicherheit auch immer Zeiten des Investments sind." Das gelte für Werke der klassischen Moderne, aber ganz besonders auch für herausragende zeitgenössische Kunst.

Der deutsche Anteil am weltweiten Markt für internationale Kunst beträgt, je nach Berechnungsmethode, dabei nur zwischen zwei und vier Prozent. Das anhaltende Hoch zeigte sich 2022 gerade auch außerhalb Deutschlands, bei den Versteigerungen der großen Häuser in London und New York: Insgesamt 922 Millionen spielte in zwei – nach Scheidung und Rosenkrieg gerichtlich angeordneten – Auktionen die Sammlung von Linda und Harry Macklowe im November 2021 und Mai 2022 bei Sotheby's ein. Auf 1,6 Milliarden US-Dollar brachten es im November 2022 die 150 unbestrittenen Meisterwerke aus der Sammlung des 2018 gestorbenen Microsoft-Mitgründers Paul G. Allen bei einer zweiteiligen Auktion von Christie's in New York – ein einsamer Rekord in der Kunstauktionsgeschichte. Gleich fünf Gemälde von Cézanne, van Gogh, Gauguin, Seurat und Klimt überstiegen dabei je die lange als unerreichbar geltende Marke von 100 Millionen Dollar (Klimts Birkenwald etwa, der nun 105 Millionen Dollar erlöste, hatte Allen zu Lebzeiten im Jahr 2006 für 40 Millionen Dollar erworben). Und selbst damit war die Luft noch nicht aus dem Markt heraus. Eine Woche später gaben Käuferinnen und Käufer bei Sotheby's in New York bei einer Auktion von Werken aus verschiedenen Sammlungen noch einmal insgesamt 315 Millionen Dollar für Kunst aus.

"Die Leute kaufen, als ob es weder Krieg noch Krisen gebe", sagte auf der Kunstmesse Art Cologne wenige Tage danach ein international tätiger Kunstberater. Nach wie vor gelte die 3D-Regel, debt, divorce and death – Schulden, Scheidung und der Tod verschafften dem Kunsthandel die einträglichsten Geschäfte. Davon profitiert aber nicht der gesamte Markt; bislang sind es vor allem die großen Auktionshäuser und jene Galerien, die an der Spitze des Kunstmarktes mitspielen wie Gagosian und Zwirner, Pace und Acquavella, Hauser & Wirth, Deitch oder Gavin Brown. Sie kassieren vor allem sogenanntes altes Geld, als das im Kunstmarkt solches aus Europa und den USA gilt: Die Analyse des Paul-Allen-Sales etwa belegte, dass die Käuferinnen und Käufer auch 2022 nicht aus Südamerika, Indien, China, Russland kamen, obwohl diese Regionen nach erzielten Rekordpreisen für einzelne Bilder immer wieder als Herkunftsländer von Käufern genannt werden (und der Kunst sammelnde Oligarch mittlerweile ein gängiges Klischee ist). Zwar wurde etwa der 117-Millionen-van-Gogh aus der Sammlung Allen nach China verkauft, Sammler von dort konzentrieren sich häufig aber auf heimische Kunst. 50 Prozent der zugeschlagenen Allen-Werke blieben denn auch in den USA, 38 Prozent gingen in die EU, Großbritannien und den Nahen Osten – und alle wurden von privaten Sammlerinnen und Sammler erworben, nicht ein einziges Bild von einem öffentlichen Museum. Dort fehlt, egal wo auf der Welt, seit Langem schlicht das Geld für derlei Fantasiesummen.

Für den scheinbaren Widerspruch zwischen der in vielerlei Hinsicht desolaten Weltlage und der nahezu grenzenlosen privaten Kauflust am Kunstmarkt gibt es plausible Gründe. Dirk Boll, Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts Europe & UK, Middle East, & Africa beim Auktionshaus Christie's, beschreibt einen davon so: "Das reichste Prozent der Weltbevölkerung ist in der Pandemie eher noch reicher geworden. Es ist in Konsumlaune und gibt tatsächlich Geld für Kunst aus. Die Umsatzentwicklung bestimmen dabei vor allem große Einzeltransaktionen wie die Marilyn von Andy Warhol aus der Schweizer Sammlung Ammann, für die im Mai 195 Millionen Dollar bezahlt wurden. Oder Verkäufe von Sammlungen wie Macklowe oder Allen."

In der Gatekeeperfunktion, die die Marktsysteme dabei wahrnehmen, sieht der Kunsthändler aber auch eine Gefahr: "Selbst im Mittelmarkt, in dem früher Preise zwischen 50.000 und einer Million Dollar üblich waren, sind die Werke mittlerweile so teuer geworden, dass plötzlich die Wertsicherung der Investition eine Rolle spielt. Dadurch wird der Markt im Angebot immer konservativer."

Heinrich zu Hohenlohe, Kunsthändler in Berlin, zitiert im Gespräch den Frankfurter Bankier und Sammler Mayer Carl Freiherr von Rothschild, der schon Mitte des 19. Jahrhunderts empfahl: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen." Einen aktuellen Boom sieht zu Hohenlohe aber nicht: "Wir befinden uns eher auf einem Plateau, und die Preise bleiben absehbar auf einem hohen Niveau." Einige Akteure hätten den Markt zwar verlassen, manche aus finanziellen Gründen, andere seien vielleicht nervös, wieder andere – etwa russische Käufer – seien schlicht Sanktionen unterworfen. "Oder der Zugang zum Markt wird durch neue Geldwäschegesetze erschwert", sagt Hohenlohe. Das manifestiere sich zum Beispiel bei Auktionen, bei denen weniger Bieter für die jeweiligen Lose zu vermelden seien, aber die verbliebenen Käufer den Markt auf dem jetzigen Stand stützen würden: "Viele finanzkräftige Käufer haben in den letzten Jahren Überschüsse erzielt, die angelegt oder zumindest vor der steigenden Inflation geschützt werden sollen. Hier bietet der Kauf von qualitativ hochstehender Kunst sehr gute Chancen. Wer in diesem Markt in der Lage ist, Qualität und stabile Werte zu kaufen, ist immer gut beraten."

Irgendwann stehen genug Ferraris in der Garage, liegen genug Jachten in den Häfen der Welt (so sie nicht konfisziert werden), befinden sich genug Immobilien in den Portfolios der sogenannten high net worth individuals. Kunst hingegen verspricht denen, die finanziell in der Lage sind, die richtigen Werke der richtigen Namen zu kaufen, nicht nur ein sicheres Investment, weil die Preise für wichtige Bilder von Andy Warhol, Gerhard Richter, Jackson Pollock oder Altmeistern wie Rembrandt, Raffael und Goya auch in absehbarer Zeit nicht fallen werden. Diese Namen garantieren vor allem gleichzeitig soziales Prestige, das Luxusgüter wie Handtaschen, Sneakers, Wein oder Armbanduhren letztlich doch nicht bieten können – weil es sich dabei selten um Unikate handelt, gleichsam verbriefte Meisterwerke, sondern letztlich um industriell gefertigte Massenware.

Wer sich hingegen in einer Galerie oder einem Auktionshaus für ein Kunstwerk interessiert und die entsprechenden Kontoauszüge nachweisen kann, wird schon vor dem Kauf als Kulturmensch hofiert: mit private viewings, Expertinnengesprächen und gezielten Hinweisen auf angeblich oder tatsächlich ähnliche Werke, die sich unerreichbar in den großen Museen der Welt befinden. Das Werk aber, vor dem sie gerade in einem exklusiven Showroom in New York, London, Paris, Hongkong oder Berlin stehen, könnte tatsächlich bald in der eigenen Villa hängen. Wie in kaum einem anderen Bereich der Marktwirtschaft bestimmen am Kunstmarkt allein Angebot und Nachfrage den Preis. Objektive Kriterien wie Materialwert, Gewicht oder Größe gibt es für ein Gemälde oder eine Plastik nicht. Es ist allein die von Experten definierte kunsthistorische Bedeutung, die über den Preis entscheidet. Und weil seit Monaten die Preise immer weiter zu steigen scheinen, hat sich auch das Angebot verändert. Inzwischen sind auch Sammlerinnen und Sammler zum Verkauf von Meisterwerken bereit, die sich noch vor drei Jahren kaum von ihren Kulturschätzen getrennt hätten. Zweistellige Millionenpreise sind dabei längst auch für nicht museale Werke normal geworden, dass sie inzwischen in jenen Auktionen aufgerufen werden, die früher despektierlich "Part Two"-Auktionen hießen: in den Tagesauktionen mit eher nicht so wichtiger Ware, die in der Regel am Tag nach den großen Abendauktionen stattfinden.

Dabei ist das nur der allgemein bekannte Teil der Transaktionen. Bei Weitem nicht alle Verkäufe finden öffentlich statt, bei Weitem nicht alle Preise werden bekannt. 2022 wechselten zum Beispiel bedeutende Werke von Frida Kahlo und Paul Cézanne sehr diskret den Besitzer. Oft handelt es sich bei den Käuferinnen und Käufern um Kunden der Auktionshäuser, die vorher in Auktionen überboten worden waren. Seit Jahren haben die großen internationalen wie die nach wie vor eher kleinen Auktionshäuser in Deutschland Abteilungen für sogenannte private sales auf- und ausgebaut. Hier wird inzwischen jenes Geschäft abgewickelt, das einst den Galerien vorbehalten war: der diskrete Kauf von Kunst, für den lange auch relativ uneingeschränkt mit Bargeld bezahlt werden konnte. Nicht immer ist dabei die Herkunft des Vermögens unumstritten: Der russische Oligarch Andrej Melnitschenko ließ 2008 im norwegischen Kristiansand drei Gemälde von Monet an Bord der 400-Millionen-Dollar-Jacht Aleksandra schaffen, die der Designer Philippe Starck für ihn gebaut hatte. Seit März 2022 steht der Milliardär auf der Sanktionsliste der EU. Im Herbst fanden deutsche Ermittler in einem Hamburger Kunstlager von Alischer Burchanowitsch Usmanow Kunstwerke im Wert von mehreren Millionen Euro. Anlass war ein Verdacht auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche gegen den langjährigen Putin-Vertrauten, der alle Vorwürfe bestreitet.

In allen großen Enthüllungen über illegale Vermögensverschleierung – Panama Papers, Paradise Papers, Bahamas Leaks, Offshore Leaks oder Russian Laundromat – spielte die Anlage von Schwarzgeld in Kunst eine maßgebliche Rolle als Marktfaktor. Der brasilianische Kriminalwissenschaftler Fausto De Sanctis veröffentlichte schon 2013 eine wissenschaftliche Studie mit dem Titel Money Laundering Through Art. Über das Weißwaschen von Schwarzgeld, schreibt der ehemalige Richter darin: "Kunst ist ein attraktiver Sektor für die Praxis der Geldwäsche wegen der großen finanziellen Transaktionen, der durchgängige Fremdheit und Vertraulichkeit, die die Kunstwelt umgeben, und der ungesetzlichen Aktivitäten, die mit ihr verbunden sind (Diebstahl, Raub und Fälschung)." Monika Roth, Schweizer Rechtsanwältin und Professorin für Compliance und Finanzmarktrecht an der Hochschule Luzern, stellte ein Jahr später fest: "Der Kunstmarkt lässt sich mit seiner von Diskretion und Intransparenz geprägten Kultur nur schwer kontrollieren. Es sind erhebliche Summen im Spiel. Geldwäscherei beeinflusst den Wert der Gegenstände, wodurch es zu Marktmanipulationen kommt. Steuerbetrug ist in diesem Bereich gang und gäbe. Die Transaktionen lassen sich heimlich abwickeln. Die Geschäftspartner können anonym oder virtuell bleiben. Auktionen lassen sich leicht manipulieren."

Inzwischen haben viele Staaten diesen Praktiken gesetzliche Riegel vorgeschoben – allerdings nicht in allen Teilen der Welt. Und ob die Anwendung der Vorschriften tatsächlich konsequent kontrolliert wird, ist noch einmal eine andere Frage. Das System der Zollfreilager zum Beispiel deutet nicht darauf hin. Anfangs gab es diese professionell klimatisierten und streng bewachten Lagerhäuser speziell für Kunstwerke und Kulturgüter vor allem in Europa, nun gibt es sie auch in Singapur und Hongkong. Weil keine Ein- und Ausfuhrsteuern bezahlt werden müssen, ist zum Teil seit Jahrzehnten unbekannt, was in Zollfreilagern von wem aufbewahrt wird. Geschäfte finden trotz aller Geheimnistuerei statt: Verkauft werden können dort Millionenwerte auf dem Papier, ohne dass die entsprechenden Objekte und Werte ihren sicheren Ort verlassen müssten. Die Bezahlung mit Bargeld nennt Monica Roth allerdings eine "primitive Technik". Viel effizienter ließe sich Geldwäsche auch am Kunstmarkt inzwischen mithilfe von Offshore- und Briefkastenfirmen und vor allem mit anonymen Kryptowährungen durchführen.

Es sind also nicht immer nur kulturelle Gründe, die für den trotz Pandemie, Krieg und Inflation anhaltenden Boom am internationalen Kunstmarkt sorgen. Im Fall des Beckmann-Selbstporträts scheinen sie aber der entscheidende Kaufanlass gewesen zu sein. Ein Schweizer Sammler habe das Bild telefonisch ersteigert, hieß es nach der Auktion. Nach Recherchen von ZEIT ONLINE und Deutschlandfunk handelt es sich dabei um den in Deutschland geborenen und auch in der Schweiz lebenden Unternehmer und Großsammler Reinhold Würth. In einem der 15 von dem Milliardär gegründeten Museen und Kunsthallen dürfte das Gemälde wohl bald wieder öffentlich zu sehen sein.


Aus: "Schlechte Zeiten sind gute Zeiten" Stefan Koldehoff (14. Dezember 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/kunst/2022-12/kunsthandel-kunstmarkt-max-beckmann-selbstbildnis-auktion/komplettansicht

https://www.zeit.de/kultur/kunst/2022-12/max-beckmann-selbstbildnis-auktion-rekord

https://www.nytimes.com/2022/11/09/arts/design/paul-allen-auction-christies.html

https://www.derstandard.de/story/2000140733460/gustav-klimts-birkenwald-im-wald-wo-die-millionen-wohnen

https://www.zeit.de/2022/01/gerhard-richter-maler-kunst-faszination

Quotethere-is-no-free-lunch #1: " ... Ich habe keine Ahnung ob ich verrückt bin, oder die Welt verrückt ist. Das beschäftigt mich sehr. Beides wäre vollkommen ok für mich. Ich will es einfach nur wissen. ..."

Quotezotsch #2: " ... Im Grunde zeigt das nur, dass zu viele Leute zu viel Geld haben und es in einer Blase, die weit, weit jenseits des vom Normalbürger erfaßbaren ist, hin und her schieben. ..."


Textaris(txt*bot)

Quote[...] 2021 erwarb die Privatstiftung René Benkos Kunstbesitz für Millionen Euro – Werke daraus stellt er nun zum Verkauf.

Sieht man von seinem Faible für Disney-Originale ab, machte René Benko bislang nicht als Kunstsammler von sich reden, weder offiziell noch hinter den Kulissen der sonst gut informierten Kunstszene. Wie nun durchsickerte, stellt der Immobilien- und Kaufhausunternehmer mit Blick auf seine Liquiditätsprobleme auch "millionenschwere Werke zum Verkauf": ein schwarzer Tag für den Kunstinvestor Benko, vor allem wegen des Zeitdrucks und mitten in einer angespannten Lage des Kunstmarktes.

Berichten von "Spiegel" und "News" zufolge soll es um eine von Benkos "Laura Privatstiftung" gehaltene Sammlung gehen, die "auf mehr als 30 Millionen Euro taxiert" sei. Zu dieser gehören neben einem nicht näher bezeichneten Werk von Andy Warhol auch je ein Bild von Pablo Picasso und Jean-Michel Basquiat, die im März bzw. im Juni 2021 bei Christie's in London versteigert wurden. Zu einer Zeit also, als die Signa für Galeria Karstadt Kaufhof 460 Millionen Euro aus dem in der Corona-Pandemie aufgelegten staatlichen Rettungsschirm in Deutschland erhalten hatte und mit der deutschen Regierung über Details für einen weiteren Staatskredit verhandelte.

Für das 1988 und damit im Jahr der Entstehung ursprünglich von der Galerie Thaddaeus Ropac gehandelte Selbstporträt Basquiats notierte Christie's am 23. März 2021 einen Zuschlag von umgerechnet 10,55 Millionen Euro (inkl. Aufgeld) – zur Freude des Auktionshauses, das dem Verkäufer damals einen Erlös unabhängig vom Verlauf der Versteigerung garantiert hatte. Die Schätzungen für das Werk hatten sich ursprünglich auf umgerechnet vier bis sechs Millionen Euro belaufen. Die Überzahlung wird sich für die Laura Privatstiftung in diesem Fall jedoch eher als Millionengrab entpuppen.

Für Picassos "L'Étreinte" (,,Umarmung") von 1969 waren Christie's dann am 30. Juni 2021 umgerechnet 17,12 Millionen Euro bewilligt worden. Ein Kaufpreis, den für ein solches Werk weniger Kunstsammler denn solche Investoren zu zahlen bereit sind, die ihre mobilen Vermögenswerte meist in Zollfreilagern deponieren. Den Medienberichten zufolge soll das Picasso-Gemälde "laut internen Schätzungen mittlerweile knapp 19 Millionen wert sein": eine fiktive Aufwertung, die das Papier aufgrund der aktuellen Marktlage nicht wert sein dürfte.

Bei ihrer Portfolio-Diversifikation wird Benkos Stiftung im Falle von Picasso und Basquiat strategisch wohl auf ein Return on Investment gehofft haben, das jedoch nur langfristig erzielbar gewesen wäre: Für den daraus lukrierten Ertrag wäre sodann eine Körperschaftssteuer von 25 Prozent angefallen. (Olga Kronsteiner, 27.11.2023)


Aus: "René Benko, ein überbezahlter Basquiat und ein hochgejazzter Picasso" Olga Kronsteiner (27. November 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000197097/rene-benko-ein-ueberbezahlter-basquiat-und-ein-hochgejazzter-picasso

Quotejesse.pinkman

"Zu einer Zeit also, als die Signa für Galeria Karstadt Kaufhof 460 Millionen Euro aus dem in der Corona-Pandemie aufgelegten staatlichen Rettungsschirm in Deutschland erhalten hatte und mit der deutschen Regierung über Details für einen weiteren Staatskredit verhandelte."

Da fehlen einem einfach die Worte.


Quotegarden123

Der österreichische Oligarch! Staatshilfen in hoher dreistelliger Millionenhöhe in D alleine für seine Galeria Karstadt Kaufhof GmbH. Dieser Mensch tanzt unserer Gesellschaft und der Allgemeinheit auf der Nase herum und unsere Politik lässt ihn gewähren! Mieseste Tricks aus zuerst Millionen-Hilfen kassieren, dann Insolvenz & vorher schnell noch Tafelsilber zu Geld machen ...


QuoteTeuxelsieder Franz

Für mich gehört Kunst um der Kunst Willen gekauft und nicht als Investment. Ist doch krank Bilder um Millionen zu kaufen und sie dann, im Zollfreilager, ungesehen vor sich hin gammeln zu lassen. ...


QuoteBenutzername schon vergeben

...Hat mit Kunst per se wenig zu tun, viel mehr mit einem ausuferndem Kunstmarkt.


Quotetarantoga

... millionen für die kunstsammlung, während man staatliche förderung("rettungsschirm") erhält...


QuoteThe Wizard of Oz

Haha, der Benko-Pinocchio. Und wie in der ZIB2 schon angeschnitten: Es koennte durchaus sein, das SIGNA pleite geht under der Renee steinreich bleibt.

Was sagen eigentlich die Tuerkisen zu ihrem (Ex) Spezi ?
Anyone ?


QuoteSpecial J

Die finden das vermutlich cool und bewundernswert.


QuoteGeorg Mahr

Sie werden besagte Spezis vermutlich nicht hier finden..


QuoteMicha Do

Dass Signa pleite geht und Benko sein Sahnehäubchen aufm Kakao behält, davon geh ich mal aus.


Quoteevemorat

Werden wir jemals erfahren, wie viele Millionen Benkos unzählige Firmen von der Cofag bekommen haben?
Wenn der wenigstens Bilder von notleidenden heimischen Künstlern gekauft hätte ....
Die wären günstiger gewesen und irgendwie vielleicht sogar besser ...

Was hat dieser Benko an sich, dass ihm alle so bedenkenlos Kapital in den Rachen geschoben haben?


Quoteporgy01

... er ist nur der Freund vom Kurz und der Familia die ihn ja regelmäßig besucht hat
Genügt das nicht? ...


Quotesiebenköpfiges Expertengremium

Es ist so traurig...

...dass Kunst generell zum Prestige-bzw. Spekulationsobjekt von irgendwelchen völlig uninteressierten Mtimilliardären verkommt.
Das sagt eigentlich bereits alles über unsere Gesellschaft und vor allem auch über die Charakterstrukturen dieser Menschen aus:
Sie wollen GELD, das ist ihre einzige Droge, weil GELD ist MACHT.
Solange es Hunderttausende gibt, die diesen eigentlich seelisch kranken Menschen hinterherlaufen, weil für sie auch ein paar Tausender oder gar ein paar Millionen abfallen, wird sich nichts ändern.
Wie extrem das alles enden kann, sieht man an einem Gusenbauer: alles verraten, um sich nun fettfressen zu können.
Ob DAS ein anzustrebendes Lebensziel ist - jeder möge es selbst entscheiden...


QuoteQuinctilius Varus

"Es ist so traurig...

...dass Kunst generell zum Prestige-bzw. Spekulationsobjekt von irgendwelchen völlig uninteressierten Mtimilliardären verkommt."

Das ist nichts neues das war immer schon so.


Quoteweidenburn

Aha - Staatshilfen in dreistelliger Millionenhöhe vom Steuerzahler abcashen und gleichzeitig Kunstwerke in Millionenhöhe erwerben ganz mein Humor.
Den Erlös aus dem Verkauf der Bilder sollte er der Belegschaft von Kika/Leiner und Karstadt zukommen lassen wenn er noch halbwegs einen Funken Anstand besitzt.


QuoteCapybara2023

Wenn es schon über Kurz 3 Filme gab, wird es bei Benko eine Netflix-Serie. Mindestens 10 Staffeln.


Quotenotfromosterlitsch

Mit Kurz in einer Nebenrolle.


QuotePaul Gobert

"Überbezahlt und hochgejazzt"

Naja, das kann man über den gesamten etablierten Kunstmarkt sagen, wenn man will. Die werden wohl nicht alleine geboten haben.
Schön, dass es Museen gibt.


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Quote[...] Wien – Das von "Forbes" geschätzte Vermögen des Signa-Gründers René Benko ist binnen weniger Monate um mehr als die Hälfte geschrumpft. Bezifferte das US-Nachrichtenmagazin Benkos Nettovermögen im Sommer 2023 noch mit rund sechs Milliarden US-Dollar (5,5 Milliarden Euro), waren es Ende November nur noch 2,8 Milliarden Dollar. Der 46-Jährige rutschte damit vom 425. auf den 1.105. Platz der weltweit reichsten Menschen ab.

... Wie hoch Benkos Vermögen abseits von Signa ist, ist nicht öffentlich bekannt. Medienberichte zufolge gehören ihm auch privat Signa-Immobilien, etwa das Luxusresort Eden Reserve am Ufer des Gardasees. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Bilder von Picasso und Basquiat, die sich in Benkos Besitz befinden, zu Geld gemacht werden sollen. Auch für Benkos 62 Meter lange Yacht Roma fand sich bis Montag im Internet ein Inserat mit einem Verkaufspreis von 39,9 Millionen Euro.

In den vergangenen fünf Jahren war Benkos Vermögen von "Forbes" stets auf über viereinhalb Milliarden Dollar geschätzt worden. 2019 betrug es demnach 4,9 Milliarden Dollar, 2020 4,7 Milliarden Dollar, 2021 5,6 Milliarden Dollar und 2022 5,4 Milliarden Dollar.

Der Handelsexperte und Wirtschaftsprofessor Gerrit Heinemann (Hochschule Niederrhein) gibt dem Konstrukt, das Benko aufgebaut hat, keine Chance mehr. Zu 99 Prozent Wahrscheinlichkeit erfolge der Insolvenzantrag der Signa noch am Dienstag. Das sagte Heinemann in der ZIB 2. Benko werde es selbst bei einem krachenden Zusammenbruch nicht hart treffen, sagte Heinemann, dieser werde "nicht verarmen". Benko profitierte immer auch von den Dividenden, welche die Signa ausgeschüttet hat. Im Jahr 2020 etwa bekam Benko mehr als 100 Millionen Euro Dividende aus der Immobilienfirma Signa Prime Selection. Grund dafür ist, dass Benko zum damaligen Zeitpunkt rund 54 Prozent an der Signa Prime Selection gehalten hat.

In Summe wurde allein für 2020 eine Dividende in der Höhe von mehr als 300 Millionen Euro ausgeschüttet. "Die Presse" berichtete im Juni, dass die Signa Prime bei 819 Millionen Euro Bilanzgewinn 220 Millionen Euro an Dividenden ausgezahlt hat, die Signa Development bei 214 Millionen Euro Gewinn 98,5 Millionen Euro. Das Geld sei an nahestehende Gesellschaften und Aktionäre geflossen. Die zehn Aufsichtsräte der Firmen hätten als Vergütung in Summe 500.000 Euro (Signa Development) bzw. 837.500 Euro (Signa Prime) bekommen. Bekanntestes Mitglied des Aufsichtsrates ist der Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. (APA, red 28.11.2023)


Aus: "Benkos Vermögen hat sich laut "Forbes" seit dem Sommer halbiert"  (28. November 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000197273/signa-benkos-verm246gen-hat-sich-laut-forbes-seit-sommer-halbiert

QuoteDoNuT

Was für ein Glück für ihn, dass wir einen Fachkräftemangel haben. Als Tiroler kann er sicher in der Gastronomie reüssieren...


Quotegunkeldibunkel

Aus vielen Milliarden die anderen gehören (Investoren, Steuerzahler) erwirtschaftet er wenige Milliarden, die allerdings ihm gehören.So einen nennt man Leistungsträger nach ÖVP Definition und keinesfalls Pleitier.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Da Boltanski und Chiapello [ ] keine traurige Geschichte davon schreiben wollen, wie der Kapitalismus durch seine Integrationskraft und Flexibilität immer stabiler und dabei immer unerträglicher wird, setzen sie eben Hoffnungen in erneuerte Formen der Kritik. Einerseits in eine modernisierte Sozialkritik, die auf die Herausforderung der Globalisierung nicht mit veralteten Nationalkategorien antwortet, andererseits mit einer nicht-instrumentalisierten künstlerischen Kritik, die die vom Kapitalismus angebotenen Entfaltungspotenziale als zeitgenössische Form der effizientesten Ausbeutung der Menschen enttarnt und sich neu formiert. Die Figuren in Dramen von Rene Pollesch haben das schon begriffen, wenn wieder einmal das "ICH WILL DAS NICHT LEBEN" aus ihnen herausbricht.

    Zu: Luc Boltanski / Eve Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus.
    Übersetzt aus dem Französischen von Michael Tillmann.
    UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2003.
    736 Seiten, ISBN-10: 3896699911



Aus: "Kapitalismus und Kritik: Luc Boltanski und Eve Chiapello über eine fruchtbare Beziehung" (Johannes Springer / Nr. 2, Februar 2005 / Politik und Geschichte )
Quelle: https://literaturkritik.de/id/7832