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[Zur Zensur... (Informationskontrolle)]

Started by Textaris(txt*bot), June 08, 2005, 02:34:41 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Aus Furcht vor neuen Protesten der Opposition hat Simbabwes Regierung bis auf Weiteres eine völlige Abschaltung des Internets angeordnet. Der Schritt sei gerechtfertigt, weil es in sozialen Medien erneut Versuche gebe, für nächste Woche Proteste zu organisieren, sagte der stellvertretende Informationsminister Energy Mutodi am Freitag. Womöglich könne das Internet am Wochenende wieder freigeschalten werden.

Der wichtigste Mobilfunkanbieter, Econet, wehrt sich vor Gericht gegen die Abschaltung. Bis zu einer Klärung müsse man jedoch der Anordnung der Regierung Folge leisten, hieß es.

In Simbabwe war es am Montag und Dienstag nach einer Verdoppelung des Benzinpreises zu einem Generalstreik und heftigen Protesten gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung gekommen. Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas, Gummigeschossen und teils auch scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Hunderte wurden festgenommen, Dutzende verletzt. Menschenrechtlern zufolge wurden acht Menschen getötet.

Am Mittwoch wurde auch der prominente Oppositionsaktivist Pastor Evan Mawarire festgenommen, weil er zur Unterstützung der friedlichen Proteste der Gewerkschaften aufgerufen hatte. Ihm werden das Anstacheln zum Regierungsumsturz und das Aufrufen zu gewaltsamen Protesten vorgeworfen. Mawarire weist die Vorwürfe zurück. Seine Anwälte wollten am Freitag seine Freilassung auf Kaution erreichen.

Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa befindet sich seit Anfang der Woche auf einer langen Auslandsreise und will nächste Woche in Davos am Weltwirtschaftsforum teilnehmen. Das Land im südlichen Afrika befindet sich in seiner schwersten Wirtschaftskrise seit zehn Jahren. (bme)



Aus: "Angst vor neuen Protesten: Simbabwe schaltet Internet komplett ab" (18.01.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Angst-vor-neuen-Protesten-Simbabwe-schaltet-Internet-komplett-ab-4281360.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Nach dem rechtsextremistischen Terrorangriff auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch, der teilweise live per Video auf Facebook gestreamt worden war, geht das Social-Media-Unternehmen massiv gegen die Verbreitung der Bilder in seinem Netz vor. Nach eigenen Angaben hat Facebook das Video in den ersten 24 Stunden nach den Anschlägen weltweit 1,5 Millionen Mal gelöscht.

Wie der Facebook-Newsroom auf Twitter mitteilte, seien davon mehr als 1,2 Millionen Videos bereits beim Upload blockiert worden. Das Unternehmen lösche zudem alle geschnittenen Versionen des Videos, in denen drastische Inhalte fehlen – aus Respekt vor den Betroffenen des Vorfalls und wegen Bedenken der örtlichen Behörden.

Facebooks interne Mechanismen – automatisch arbeitende KI-Systeme und Personen, die illegale Inhalte manuell sichten – hatten bei dem Vorfall offenbar nicht angeschlagen. Mia Garlick von Facebook Neuseeland sagte gegenüber CNN Business, man sei von der neuseeländischen Polizei kurz nach Beginn des Terroranschlags auf das gestreamte Video hingewiesen worden. Facebook habe daraufhin rasch das Video sowie die Facebook- und Instagram-Konten des Attentäters gelöscht.

... Mindestens drei Internet Service Provider (ISP) in Neuseeland blockieren vorübergehend den Zugriff auf Websites, auf denen das Video und das Manifest des Attentäters weiterhin verfügbar sind. Die Firmen Spark NZ, Vodafone NZ und Vocus NZ haben sich bereit erklärt, den Zugriff auf die Websites 8chan, 4chan, die Video-Plattform LiveLeak und den Filesharing-Dienst Mega auf DNS-Ebene zu unterbinden, berichtet Bleeping Computer. Mittlerweile gibt es auf Twitter auch Bestätigungen für die Sperren von Nutzern vor Ort.

Statt der jeweiligen Website erscheine ein Hinweis, der URL sei "aus Sicherheitsgründen" blockiert worden. Die Sperrung ist jedoch nur vorübergehend. Eine Sprecherin von Vodafone NZ sagte Bleeping Computer, wenn ihr Unternehmen das fragliche Material auf einer Website finde, informiere man den Site-Betreiber und blockiere die Adresse. Wenn die Inhalte verschwunden sind, gebe man den Zugriff wieder frei. Die Vodafone-Mitarbeiterin entschuldigte sich für womöglich entstandene Unannehmlichkeiten, ihr Unternehmen halte dies jedoch in einer solchen Extremsituation für ein verantwortungsvolles Verhalten.

Auf der Gaming-Plattform Steam haben sich offenbar zahlreiche User anerkennend über den Attentäter geäußert und teils seinen Namen als Alias-Bezeichnung für ihr Nutzerkonto eingetragen. Wie Kotaku berichtet, hat das hinter Steam stehende Unternehmen Valve strikt dagegen durchgegriffen und über 100 Nutzerprofile gelöscht.

Einige Benutzer äußerten sich auf ihrer Profilseite positiv über den Terroranschlag und lobten den Täter. Andere verwendeten ein Standbild aus dem Live-Video des Anschlag oder erstellten aus Bildern ein animiertes GIF und verwendeten es in ihrem Profil. Kotaku weist darauf hin, dass mittlerweile in einigen Fällen lediglich der Name des Attentäters von Benutzerprofilen verschwunden sei, die Profile sind aber noch vorhanden.

mit Material der dpa (tiw)


Aus: "Nach dem Terroranschlag: Löschungen, blockierte Websites, gesperrte Steam-Konten"  Tilman Wittenhorst (17.03.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Nach-dem-Terroranschlag-Loeschungen-blockierte-Websites-gesperrte-Steam-Konten-4338452.html

Quotedg65789, 17.03.2019 13:00

Löschen, Sperren, Zensieren, Verbieten, Melden

So ist das eben im Zeitalter der Alternativlosigkeit. Nicht in RUS oder CN, sondern im sogenannten Freien Westen. Was vermisse ich das Internet der 90er.

[ ...

speete schrieb am 17.03.2019 18:07:

    Das verbreiten bzw streamen von Tötungsvideos als freie Meinungsäußerung zu verteidigen ist schon gewagt.

1. Es geht bei dem Video eben nicht um eine Meinungsäusserung, sondern um ein Faktum.
2. Mir geht es weniger um das Video als vielmehr um das zugehörige PDF, das gerne untergeht oder von unseren Leitmedien allenfalls als "wirr" oder dergleichen abqualifiziert wird. Es ist nicht wirr und das PDF ist tatsächlich eine Meinungsäusserung und diese gehört IMHO zugänglich gemacht. Schon gar nicht gehört diese aber verfälscht, falsch oder diffamierend wiedergegeben, während man das Original mit bemerkenswertem Aufwand aus der Welt zu schaffen sucht. Sowas hat ein Geschmäckle, dass mich übrigens erst darauf gebracht hat, es mir im Original zu beschaffen.

    Würdest du auch gern Livevideos aus den Gaskammern von 1943 sehen?

Nein. Daneben habe ich das Video nicht "gern" gesehen und das Livevideo gar nicht. Mir fällt auf, dass Du mir gern Dinge unterschiebst, die ich nicht geschrieben habe oder die nicht zutreffen. Bitte lies genauer, was ich schreibe und spekuliere diesbezüglich weniger.

...]


Quoteengst03, 17.03.2019 23:38

Re: Löschen, Sperren, Zensieren, Verbieten, Melden

Oeffentliches Interesse und Sensationslust hat hinter den Rechten der Opfer und Angehörigen zurückzutreten.


QuoteSam19, 17.03.2019 13:47

1,2 Millionen kranke Menschen

Ich kann mir vorstellen, dass viele Rassisten den Anschlag bejubeln. Aber 1,2 Millionen mal bei FB zu finden? Wie krank sind die Leute? Warum fragt man sich nicht mal was mit diesen Personen falsch läuft. Man könnte doch abwechslungsweise auch diese Leute bestrafen, ebenso wie Kinderpornos hochladen sollte das nicht rechtens sein, Videos von Massenmord darzustellen.


QuoteRodriguezbruder, 17.03.2019 17:32

Re: 1,2 Millionen kranke Menschen

Sam19 schrieb am 17.03.2019 13:47:

    Ich kann mir vorstellen, dass viele Rassisten den Anschlag bejubeln. Aber 1,2 Millionen mal bei FB zu finden? Wie krank sind die Leute? Warum fragt man sich nicht mal was mit diesen Personen falsch läuft.

Das war auch mein Gedanke. Ich kenne dieses Video nicht und will es auch nicht sehen, verstehe aber wirklich nicht, was bei den Menschen, die so etwas sehen wollen und weiter leiten, im Oberstübchen falsch verdrahtet ist :-(

    Man könnte doch abwechslungsweise auch diese Leute bestrafen, ebenso wie Kinderpornos hochladen sollte das nicht rechtens sein, Videos von Massenmord darzustellen.

Das Verbreiten solcher Videos ist in Deutschland in der Tat strafbar.


QuoteGarander, 17.03.2019 16:05

Erdogan zeigt auf TRT das ganze unzensierte Video

https://www.krone.at/1884590

Erdogan lässt bei Wahlkampf-Auftritt in Tekirdag das Christchurch-Massaker auf Großleinwand laufen. Die Rede Erdogans vor Tausenden Menschen am Samstag in der Hafenstadt Tekirdag ist komplett auf TRT, der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalt der Türkei, gesendet worden.


Quoteamestis, 17.03.2019 17:11

Re: Und das Perverseste ist

Erdogan hat ja nicht das Video benutzt um sich als großer Verteidiger der Meinungsfreiheit feiern zu lassen. Sondern um Emotionen zu schüren, zum Hass anzustacheln - auf daß Möchtegern-Gotteskrieger diesen Terrorakt mit gleichen Mitteln vergelten. Und er wird nicht der einzige Vorbeter sein, der Geschehenes nutzt, um verblendete Religioten zum Morden zu treiben.


QuoteOliver__ , 18.03.2019 08:10

An alle, welche hier "Zensur!" schreien

Wenn ihr in diesem Falle bloss das Wort "Zensur" auf eurer Retina geschrieben seht, dann seht ihr eben nicht das grosse Ganze.
Es geht hier nicht um ein zeitgenössisches Dokumentationsvideo, oder eine Greueltat, welche zufälligerweise von einem unbeteiligten Zeugen gedreht wurde.
Es geht auch nicht um irgendwelche "Staatsverschwörungen", welche dadurch aufgedeckt werden könnten.
Es geht auch nicht darum, dass der Inhalt "anstössig" sein könnte und der Staat uns "davor beschützen will".
(Und mir dreht es schon wieder den Magen um, wenn ich mir nur schon vorstelle, was dieses grauenhafte Video wohl zeigt bzw. wie krank man sein muss, um so eine Tat überhaupt zu begehen).
Nein.

Dieses Video ist *Teil seines kranken Planes*, auf sich und seine Ideologie aufmerksam zu machen. Um die Tat zu glorifizieren, seine Opfer weiter zu terrorisieren, weitere Vollhonks zu mobilisieren/motifieren... oder einfach, weil es seinem kranken Hirn halt so entsprang!

Und solchen Arschlöchern dieser Welt DARF man einfach keine Plattform für ihren MENSCHENVERACHTENDEN, KRANKEN SCHEISS geben!

Was glaubt ihr denn, hat er das Video direkt auf soziale Medien streamen wollen und nicht zuhause auf irgendeinen privaten Server, wo es dann bloss seinen "Gleichgesinnten" (mir fällt leider gerade kein anderes Wort für diese kranken Leute ein) zugänglich wäre?

Oder auch so gefrag: was erwartet ihr denn an "Erkenntnissen" aus so kranken Videos? Erwartet ihr da wirklich eine "Erklärung" für seine Tat?

Ich versteh's einfach nicht!

Ja! Meinungsfreiheit und Demokratie sind wichtig. Aber das ist HIER DEFINITIV nicht das Thema! Hier geht es darum, den kranken Traum eines Wahnsinnigen zu vereiteln, der Traum, dass seine Tat in gewissen Kreisen (welche durch solche Videos "Zugang" zu seiner Tat haben) zu heroisieren.

DIE WELT WILL DIESEN KRANKEN SHIT NICHT! WEDER AUF VIDEO, NOCH IN DEN KÖPFEN UNSERER MENSCHEN!

WE DO NOT APPROVE THIS ACT OF SENSELESS KILLING!

Gruss, Oliver


Quotepalpeter

688 Beiträge seit 05.11.2018
18.03.2019 11:19

Keine Propaganda-Videos der IS im Fernsehen!

    Ob der Täter das Video dreht oder Zeugen ist unerheblich, da der Täter IMMER auf (mediale) Aufmerksamkeit abzielt - das ist die Grundidee von Terror!

Und genau deshalb wurde noch niemals ein IS-Propaganda-Video unkommentiert oder ungefiltert über einen Fernsehsender veröffentlicht.

Eben WEIL man diesen kranken Spinnern kein Forum geben will.
(Und die Verbreitung von Terror-Propaganda auch noch illegal wäre)


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Richtlinie (EU) .../2019 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG verfolgt das Ziel, das Urheberrecht der Europäischen Union an die Erfordernisse der digitalen Gesellschaft anzupassen. Der im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entstandene und kontrovers diskutierte Entwurf wurde nach dem Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments und mit dem im Trilog ausgearbeiteten Kompromiss am 26. März 2019 im Europäischen Parlament mit deutlicher Mehrheit ohne weitere Änderungen angenommen.

Der Vorschlag wurde von der Kommission Juncker eingebracht. Federführend war zunächst der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU/EVP), bevor dies der Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt Andrus Ansip (RE/ALDE) und EU-Digitalkommissarin Marija Gabriel (GERB/EVP) übernahmen. Berichterstatter im federführenden Rechtsausschuss war der deutsche Abgeordnete Axel Voss (CDU/EVP). Als Schattenberichterstatterin fungierte Julia Reda (Piratenpartei/Grüne/EFA).

Die Vorlage des Entwurfs gilt auch nach mehreren Revisionen als umstritten. Zustimmung erhielt dieser von Verbänden der Kreativwirtschaft, Künstler- und Journalistenverbänden, Verlagen und Verwertungsgesellschaften, während er auf Ablehnung seitens Bürgerrechtsorganisationen, netzpolitischer Vereinigungen sowie der Branchenverbände der Informations- und Telekommunikationsbranche stieß. Gegenstand der Kontroversen sind insbesondere Bestrebungen zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger sowie die Umsetzung einer Verpflichtung zur Lizenzierung urheberrechtlich geschützter Inhalte und damit verbundener Upload-Filter.

...


Aus: "Urheberrechtsreform der Europäischen Union" (Stand: 27. März 2019)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrechtsreform_der_Europ%C3%A4ischen_Union

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Quote[...] Als Upload-Filter wird eine serverseitige Software bezeichnet, welche Medien und Dateien beim Hochladen prüft, gegebenenfalls abweist, verändert oder sonstige Maßnahmen initiiert. Maschinelle Datenverarbeitung soll hierbei eine inhaltliche Prüfung durch Menschen ersetzen. Besondere Bedeutung haben solche Filter für öffentlich zugängliche Dienste, wenn diese Inhalte anderer Benutzer Dritten zugänglich machen oder vollständig veröffentlichen, beispielsweise soziale Medien oder Videoportale. Upload-Filter können zum Beispiel eingesetzt werden, um zu verhindern, dass Rechtsgüter wie das Urheberrecht oder das Persönlichkeitsrecht verletzt werden. ...

... Nach Ansicht einige Kritiker können solche Filter genutzt werden, um Internetzensur zu betreiben und zum Beispiel Inhalte, die gegen eine bestimmte Meinung verstoßen, bereits vorher zu sperren und damit das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit erheblich einzuschränken. Hierbei fällt auch der Begriff der maschinellen Zensur.

...


Aus: "Upload-Filter" (Stand: 26. März 2019)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Upload-Filter

https://de.wikipedia.org/wiki/Contentfilter

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Quote[...] Viele Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten werden künftig nicht darum herumkommen, Upload-Filter einzusetzen und damit geschützte Werke schon vor dem Erscheinen auf ihren Seiten unzugänglich zu machen. Das EU-Parlament hat dazu am Dienstag nach einer hitzigen Debatte und heftigen Lobby-Schlacht die seit Langem umkämpfte Urheberrechtsreform verabschiedet.

Für die Reform stimmten 348 Abgeordnete, 274 waren dagegen, 36 enthielten sich. "Presseveröffentlichungen" werden damit durch ein zweijähriges Leistungsschutzrecht geschützt. Änderungsanträge, wonach diese Klausel sowie die für die Haftung von Plattformen gestrichen werden sollten, kamen gar nicht zur Abstimmung.

Allein hierzulande waren am Samstag an einem europaweiten Aktionstag etwa in Berlin, Köln und München insgesamt über 100.000 überwiegend junge Menschen gegen die Reform auf die Straße gegangen. Sie befürchten unverhältnismäßige Eingriffe in die Meinungsfreiheit und Zensur und dürften nun massiv von der Politik enttäuscht sein. Neben Bürger- und Menschenrechtlern sowie Verbänden der Digitalwirtschaft hatten auch führende Rechtswissenschaftler vor dem Vorhaben gewarnt.

Laut der im Trilog Mitte Februar von Verhandlungsführern aus dem Parlament, dem Ministerrat und der EU-Kommission gefundenen Übereinkunft sollen die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass Diensteanbieter "für das Teilen von Online-Inhalten" ein Werk öffentlich wiedergeben, wenn sie der Öffentlichkeit Zugang zu von den Nutzern hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen verschaffen. Dies hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bislang anders gesehen. Die betroffenen Portalbetreiber müssen daher etwa durch eine Lizenzvereinbarung die Erlaubnis von allen erdenklichen Rechteinhabern einholen.

Größere Nutzer von Plattformen wie YouTuber, die "erhebliche Einnahmen" etwa mit Werbung erzielen und gewerblich tätig sind, müssen trotzdem nach Artikel 17 (vormals 13) nach wie vor selbst Lizenzen für von ihnen genutztes fremdes geschütztes Material abschließen. Die Betreiber werden zudem für das Teilen von Inhalten und die damit erfolgende öffentliche Wiedergabe verantwortlich, was einen Paradigmenwechsel im Haftungsregime darstellt. Bisher waren sie explizit von den damit eröffneten Sanktionen ausgenommen.

Aus dem Schneider sind die erfassten Diensteanbieter nur, wenn sie alle Anstrengungen unternommen haben, um die Erlaubnis einzuholen und "nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards für die berufliche Sorgfalt" ebenfalls mit aller Kraft sich bemüht haben sicherzustellen, dass bestimmte Werke nicht verfügbar sind, wenn die Rechteinhaber dazu "einschlägige und notwendige Informationen bereitgestellt haben".

In jedem Fall müssen sie zudem nach Erhalt eines hinreichend begründeten Hinweises von Urhebern oder Verwertern unverzüglich die entsprechenden Werke sperren, von ihren Seiten entfernen und erneut "alle Anstrengungen" unternommen haben, ein künftiges Hochladen zu verhindern. Auch wenn die Verhältnismäßigkeit der einzusetzenden Mittel ausdrücklich gewahrt und die Verfügbarkeit geeigneter und wirksamer Instrumente und deren Kosten berücksichtigt werden sollen, dürfte es bei fast allen Providern auf Upload-Filter hinauslaufen.

Die dafür verwendeten Algorithmen sollen aber gewährleisten, dass sich alle Nutzer auf ihre Rechte stützen können, zu zitieren, zu kritisieren, zu rezensieren sowie "Karikaturen, Parodien oder Pastiches" erstellen zu dürfen. Für diese Möglichkeit, etwa Meme zu verbreiten, haben die Mitgliedsstaaten Sorge zu tragen. Der Artikel soll auch nicht "zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung" führen.

Nicht erfasst werden unkommerzielle Dienste wie Online-Enzyklopädien, bildungsbezogene oder wissenschaftliche Verzeichnisse, Betreiber von Cloud-Diensten für "die eigene Nutzung", Entwicklungsplattformen für freie Software und reine Online-Marktplätze wie eBay. Außen vor bleiben Startups, die weniger als drei Jahre auf dem Markt sind und deren Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt. Wenn sie im Monat auf über fünf Millionen Besucher kommen, sollen aber auch diese Firmen alles in ihrer Macht Stehende tun, um das erneute rechtswidrige Hochladen von Inhalten zu verhindern.

Das Leistungsschutzrecht soll sich nicht auf Hyperlinks beziehen. "Einzelne Wörter" oder "sehr kurze Auszüge" aus einem Presseartikel dürfen genutzt werden. Verleger und Google streiten seit Jahren vor Schiedsstellen und Gerichten darüber, was die ähnlich gefasste Grenze hierzulande bedeutet.

Der Entwurf muss zuletzt noch den Rat passieren. Eigentlich gilt dies als Formsache und soll Anfang April über die Bühne gehen. Gegner hoffen aber, dass Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) ihren Twitter-Bekenntnissen gegen Upload-Filter doch noch Taten folgen lässt und dem Koalitionsvertrag folgend den Deal ablehnt. Damit könnte die Mehrheit im Gremium der Regierungsvertreter wackeln.

Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken unterstrich in der abschließenden Aussprache, dass Barley gegen Artikel 17 sei, sich während der Verhandlungen aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe geschlagen geben müssen: "Gas gegen Upload-Filter", habe der Deal des Kanzleramts mit Frankreich gelautet, verwies er auf einen FAZ-Bericht.

Die Zeitung habe den "Kuhhandel" aufgedeckt, konstatierte die Piratin Julia Reda, die sich der grünen Fraktion angeschlossen hat. Frankreich halte im Gegenzug für Deutschlands Ja zu der Reform still bei der Gaspipeline Nord-Stream 2. Die 200.000 Menschen, die am Wochenende europaweit gegen das Vorhaben demonstriert hätten, ließ sie wissen: "Die Politik wird Lügen über euch auskippen, wenn es um knallharte geopolitische Interessen geht." Auch im Parlament sei der bislang einmalige breite Protest "mit Beleidigungen erdrückt" worden. Einige wenigen Lobby-Gruppen hätten Diffamierungen frei erfunden, die dann von Zeitungen verbreitet worden seien, "die sich Profite erhoffen". Die Richtlinie sei "verheerend für die Freiheit im Netz", doch nun wolle niemand die Verantwortung übernehmen für Upload-Filter.

Die Linksfraktion trat geschlossen gegen den Entwurf an. Für sie beklagten Jirí Maštálka und Martina Michels eine Zensur des Internets, eine Schikane für Startups und negative Folgen für Diskussionsforen. Kleinere Provider könnten nicht mit der ganzen Welt Lizenzen aushandeln. Dabei hätten Millionen Nutzer den Abgeordneten mitgeteilt: "Man überlässt Maschinen keine Entscheidung über Grundrechte." Besser gewesen wären eine Digitalsteuer, ethische Algorithmen sowie ein strenges Kartellrecht. Der fraktionslose Grieche Lampros Fountoulis fühlte sich aufgrund der Filter an die Sowjetunion und Orwell erinnert.

Sonst zeigten sich die meisten Fraktionen gespalten. Von der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) hielt nur der Pole Michal Boni Artikel 13 für einen Fehler, da damit Maschinen erkennen sollten, was sie nicht rausfiltern dürften. Das Internet bleibe so nicht der kreative Ort, "wo viele sich verwirklichen können".

Der EVP-Rechtspolitiker Pavel Svoboda lobte den Entwurf dagegen als guten Ansatz, um "mit den Parasiten" Schluss zu machen, "den Plattformen, die geistiges Eigentum stehlen". Für ihn wäre es Zensur, wenn man den Kreativen und Künstlern nicht die Möglichkeit gäbe, sich von ihrer Arbeit zu ernähren.

"Es wird keine Zensur geben, die rechtmäßige Meinungsfreiheit wird nicht eingeschränkt", beteuerte der Berichterstatter Axel Voss (CDU). Google, Facebook und YouTube machten "Governance by Shitstorm" und zeigten, "wie einfach es ist, gerade junge Bevölkerungsgruppen zu instrumentalisieren". Das europäische Kulturgut dürfe aber nicht Tech-Monopolen zur "Ausbeutung" überlassen werden.

In diesem Sinne stilisierte auch der griechische Sozialist Giorgos Grammatikakis die Entscheidung zu einer "Schlacht um Europa und seine Kultur" hoch. Viele wollten, "dass das Netz weiterhin ein wilder Westen bleibe", ärgerte sich auch der italienische Sozialdemokrat Nicola Danti. Seine französische Fraktionskollegin Virginie Rozière wetterte "gegen den Ultra-Kapitalismus" der US-Giganten. Die SPD-Politikerin Evelyne Gebhardt witterte in Artikel 13 derweil ein "wunderbares Geschäftsmodell" für Google & Co, die nun ihre Filter verkaufen könnten. Die vorgesehene "faire Vergütung" Kreativer sei "total verwässert" worden.

Von einem "historischen Augenblick" sprach der französische Liberale Jean-Marie Cavada. Das Parlament suche erstmals, einen Ausgleich zwischen den großen Plattformen und denen zu schaffen, "die sie nährten". Wenn das Sterben der Presse nicht aufgehalten werde, kursierten bald nur noch Gerüchte. Der dänische Liberale Jens Rohde wunderte sich, dass sich die Linke vor den Karren der Tech-Giganten spannen lasse, die keine Steuer zahlten und Kunstraub betrieben. Die Grüne Helga Trüpel betonte: "Alles, was lizenziert wird, wird nicht gefiltert. Wir bringen Gerechtigkeit ins freie Netz."


Aus: "Urheberrechtsreform: EU-Parlament winkt Upload-Filter und Leistungsschutzrecht durch" Stefan Krempl (26.03.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Urheberrechtsreform-EU-Parlament-winkt-Upload-Filter-und-Leistungsschutzrecht-durch-4350043.html?seite=all

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Quote[...] "Die in scharfem Ton geführten Diskussionen rund um Upload-Filter haben eine gesellschaftliche Spaltung zwischen vornehmlich jüngeren und internetaffinen Menschen und großen Teilen des politischen Establishments offenbart", ist Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder nicht entgangen.

... Das Parlament habe "mehrheitlich gegen die Interessen von Nutzern gestimmt", bedauerte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Damit bedrohten verpflichtende Upload-Filter "auch viele vollkommen legale nutzergenerierte Inhalte", da die Algorithmen "nicht wirkungsvoll zwischen erlaubter und nicht erlaubter Nutzung unterscheiden" könnten. Besonders bitter sei, dass die Abgeordneten keine konkreten und wirksamen Gegenmaßnahmen eingeführt wurden, um rechtmäßige Inhalte vor Blockaden zu schützen. Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) warnte, dass nun "die Zensurmaschine" das Internet in der EU übernähme.

"Statt ein faires und gerechtes Urheberrecht für alle zu verhandeln, das nicht nur die Interessen von Großkonzernen in den Vordergrund stellt, hat das Europäische Parlament die Bedenken von fünf Millionen Bürgern ignoriert", kritisieren die Initiatoren der vielbeachteten Petition zur "Rettung des Internets". Es sei beschämend, dass die Volksvertreter die Bedenken etwa der rund 200.000 Demonstranten vom Wochenende nicht ernst nehme "und noch nicht mal über die einzelnen Artikel abstimmen wollte". Ales Reaktion seien für den Dienstagabend Spontandemos in Städten wie Köln, Frankfurt, Leipzig, Dresden oder Hamburg anberaumt worden.

...


Aus: "EU-Urheberrechtsreform: "Schwarzer Tag für Europa und das freie Internet"" Stefan Krempl (26.03.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Copyright-Reform-Schwarzer-Tag-fuer-Europa-und-das-freie-Internet-4351253.html

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Quote[...] Nicht die Entscheidung an sich wird der EU Vertrauen kosten. Jeder Demokrat muss mit Niederlagen leben können. Es ist die unfassbare Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist.

Versetzen wir uns kurz in den Kopf eines jugendlichen Demonstranten, der am vergangenen Wochenende – wie zehntausende Altersgenossen auch – gegen die Einführung von Uploadfiltern demonstriert hat. Womöglich ist der Protest gegen ,,Artikel 13" für ihn das entscheidende Erlebnis seiner politischen Frühsozialisation. Was hat er also bisher bewusst erlebt, wenn es um Brüsseler Politik geht?

Die Wahrheit ist, dass diesen Protestierenden fortwährend die politische Existenz abgesprochen wurde. Sie wurden von führenden Europapolitikern der Union als ,,Bots" oder als ,,Fake" bezeichnet, später dann noch als Krawallmacher und Quertreiber gebrandmarkt. Daniel Caspary, CDU-Europaabgeordneter aus Baden-Württemberg, schwadronierte in der ,,Bild"-Zeitung gar von ,,gekauften Demonstranten", die ,,zumindest teilweise" von amerikanischen Großkonzernen Geld bekämen.

Doch auch die Sozialdemokraten haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Noch-Justizministerin Katarina Barley stimmt im EU-Rat erst für die Urheberrechtsreform, nur um dann später – als der Schaden kaum noch zu reparieren war – plötzlich an der Seite der Reformgegner aufzutauchen.

Und dann wäre da noch die unglaubliche Episode, über die am Montag die ,,Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet hat: Angeblich soll sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier die französische Zustimmung zur höchst umstrittenen Gaspipeline ,,Nord Stream 2" mit einem deutschen Ja zu Uploadfiltern erkauft haben. Vielleicht galt der Deal, so es ihn dann gegeben hat, intern sogar als Verhandlungserfolg. Aber was müssen nun jene Menschen denken, die in den vergangenen Wochen bei Wind und Wetter auf die Straße gegangen sind: Wenn ihr wichtigstes politisches Anliegen für die Zustimmung zum wirtschaftlichen Vorzeigeprojekt des berüchtigten Menschenfreunds und Kryptodemokraten Wladimir Putin verhökert wird?

Drei Monate vor der Europawahl ist an diesem Dienstag in Straßburg so ein politischer Flurschaden entstanden, dessen Folgen womöglich Jahre und Jahrzehnte zu spüren sein werden.

Natürlich, man hätte sich von Anfang an sachlich über die Reform unterhalten können. Es gibt sogar ein paar vernünftige Gründe, für das EU-Urheberrecht zu sein. Artikel 18 (bis vor wenigen Tagen: Artikel 14) soll die faire Bezahlung von Urhebern garantieren. Und insgesamt gibt es erstmals einen europäischen Rahmen für einen wirkungsvollen Urheberschutz. Das ist nicht nichts.

Über die guten Gründe, dagegen zu sein, wurde schon oft gesprochen. Artikel 16 (vormals: Artikel 12) dürfte deutsche Künstler und Kreative viel Geld kosten, weil sie in Zukunft möglicherweise wieder ihre Tantiemen mit den Verwertern teilen müssen. Und natürlich geht es in Artikel 17 (vormals: Artikel 13) um Uploadfilter. Denn künftig werden Plattformen dazu verpflichtet, den Upload von rechteverletzenden Inhalten zu verhindern, bevor er geschieht. Das geht nur mit Filtern – oder mit hunderten Sweatshops, in denen zehntausende Kontrolleure die täglich Millionen von Ladevorgänge mit eigenen Augen sichten, bewerten und aussortieren.

Aber um den sachlichen Austausch von Argumenten geht es schon seit Wochen nicht mehr. Schuld daran haben vor allem jene Europapolitiker, die politisch Andersdenkende nicht ernst genommen oder sogar diffamiert haben. Das war mehr als einfach nur unsouverän. Es war eine kulturelle Provokation.

Warum konnte der Protest so groß werden? Warum gingen Zehntausende Menschen gegen eine Urheberrechtsreform auf die Straße? Letztlich waren die Beschimpfungen aus Brüssel auch Ausdruck einer Fremdheit mit der Lebenswelt von netzaffinen Menschen. Europapolitiker hatten beim Schutz von Künstlern eher den Stargeiger oder die Opernsängerin im Kopf als den Instagram-Star oder die Youtube-Influencerin. Dass neue kreative Produktionsprozesse auch ein neues Denken im Urheberrecht brauchen, wollte vielen Abgeordneten bis zum Schluss nicht in den Kopf.

Natürlich sind die Uploadfilter noch nicht Gesetz, sie müssen nun von der Bundesregierung in deutsches Recht umgesetzt werden. Doch selbst die CDU möchte das eigentlich nicht mehr. Was aber bei vielen Filter-Gegnern hängen bleiben dürfte, ist vor allem ein Gedanke: Dass die Hoffnung auf die grundsätzliche Gutartigkeit der Politik in der Regel enttäuscht wird. Und das darf uns allen nicht egal sein.


Aus: "Europa hat seit Dienstagmittag ein echtes Problem" Ein Kommentar von Sebastian Christ  (26.03.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/eu-urheberrechtsreform-europa-hat-seit-dienstagmittag-ein-echtes-problem/24146870.html

QuoteStolzwieBolle 09:40 Uhr
Nur von Leuten...

    Dass die Hoffnung auf die grundsätzliche Gutartigkeit der Politik in der Regel enttäuscht wird.

...die entweder noch sehr jung sind oder das Gedächtnis eines Flohs haben.

Wer schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, dem sind die zahllosen Schweinereien, Millionen- und Milliardenverschwendungen, Durchstechereien und "alternativlos" durchgeknüppelten Großprojekte und die dafür Verantwortlichen noch erinnerlich. ...


Quotebergmann61 26.03.2019, 20:57 Uhr

    Europa hat seit Dienstagmittag ein echtes Problem

Und davor war eitel Sonnenschein oder wie?
Ich finde es sehr bedauerlich das durch die Art und weise des zustande Kommens noch mehr Wasser auf die Mühlen der EU - Gegner gekippt wird.
Ich bin gespannt auf die EU -Wahl. Wahrscheinlich hofft man bei CDU, SPD und FDP auf das schnelle Vergessen der jüngeren Wähler.

...


QuoteAnarchrist 26.03.2019, 18:36 Uhr

... Die Christlich Demoirgendwas Union macht genau das, was sie schon von Beginn an macht: Die Bevölkerung als unmündige aber nützliche Idioten zu betrachten.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Internet Archive [https://archive.org/], eine der weltweit beliebtesten Websites, könnte durch einen Gerichtsentscheidung Mitte September in Russland komplett gesperrt werden. Die russische ,,Organisation zum Schutz des digitalen Urheberrechts" (AZAPI) hatte Anfang des Jahres die Veröffentlichung von zwei Hörbüchern durch das Internet Archive vor Gericht gebracht. Das Gerichtsverfahren in Moskau könnte nun in der kompletten Sperrung der digitalen Bibliothek enden. Nutzer*innen in Russland würden den Zugriff auf die weltweit größte und in ihrer Form einzigartige digitale Bibliothek verlieren.

Internet Archive ist ein 1996 gegründetes gemeinnütziges Projekt, das als reines Webarchiv startete und in den USA mittlerweile offiziell als Bibliothek anerkannt ist. Neben der sogenannten Wayback Machine, mit der man über 340 Milliarden archivierte Websites betrachten kann, bietet das Archiv Zugriff auf Millionen Textdokumente, Bücher, Filme, Bilder und Software. Das Internet Archive versteht sich nicht nur als Archiv, sondern auch als aktivistische Plattform für ein freies und offenes Internet.

Internet Archive ist ein 1996 gegründetes gemeinnütziges Projekt, das als reines Webarchiv startete und in den USA mittlerweile offiziell als Bibliothek anerkannt ist. Neben der sogenannten Wayback Machine, mit der man über 340 Milliarden archivierte Websites betrachten kann, bietet das Archiv Zugriff auf Millionen Textdokumente, Bücher, Filme, Bilder und Software. Das Internet Archive versteht sich nicht nur als Archiv, sondern auch als aktivistische Plattform für ein freies und offenes Internet.

AZAPI vertritt in Russland unter anderem die Rechte von Autor*innen. Dazu gehören angeblich auch die Rechte für die Hörbücher des Romans ,,Metro 2033" von Dmitry Glukhovsky und ,,Third Eye Diamond" von Daria Dontsova. Diese waren laut AZAPI von Internet Archive zu Verfügung gestellt worden, ohne eine Erlaubnis der Rechteinhaber*innen einzuholen.

Ob AZAPI die digitale Bibliothek formell um eine Löschung bat, ist nicht bekannt. Letztendlich landete der Fall um ,,Metro 2033" im Mai vor dem Moskauer Stadtgericht. Dort wurde Internet Archive durch einen Beschluss zunächst dazu angewiesen, die Ermöglichung des Zugriffs auf das Hörbuch zu unterlassen.

RosKomSvoboda, eine russische Nichtregierungsorganisation zum Schutz der digitalen Rechte von Nutzer*innen, vertritt Internet Archive in dem Fall. Wie die Organisation berichtete, war das Internet Archive vom Moskauer Gericht weder angehört, noch über die Entscheidung informiert worden.

Während RosKomSvoboda nun Berufung gegen das Urteil einlegt, geht AZAPI einen entscheidenden Schritt weiter: Weil Internet Archive auch das Hörbuch von ,,Third Eye Diamond" veröffentlicht habe, verlangt AZAPI vor dem Moskauer Stadtgericht nun die russlandweite, komplette Sperrung der Seite. Weil AZAPI bisher nicht beweisen konnte, dass es die Rechte am Hörbuch von ,,Third Eye Diamond" besitzt, wurde die Entscheidung auf den 21. September verschoben.

RosKomSvoboda zufolge sind das Internet Archive und seine Wayback Machine nicht nur eine wichtige Quelle für russische Journalist*innen, Forscher*innen und Politiker*innen, die dort auf gelöschte oder Zensur zum Opfer gefallene Seiten zugreifen können. Es diene auch vielen Schiedsgerichten als zuverlässige Beweisquelle im Streit um digitale Inhalte und würde nicht selten während einer Gerichtsverhandlung aufgerufen. Mit ihrer Anfrage auf eine komplette Sperrung würde AZAPI also mehr Schaden anrichten, als ihr bewusst sei.

Internet Archive ist bereits in der Vergangenheit gesperrt worden. 2015 waren russische Internet-Service-Provider von der Staatsanwaltschaft dazu aufgefordert worden, die Domain zu blockieren, weil die russische Polizei eine einzelne, sich auf der Domain befindende Seite als terroristisch eingestuft hatte. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor setzte daraufhin das gesamte Internet Archive auf seine Liste zu sperrender Internetseiten: Angeblich sei es den Providern wegen der Anwendung von HTTPS-Verschlüsselung nicht möglich, nur eine Seite der Domain sperren zu lassen.

Russland ist wiederum nicht der einzige Staat, in dem das Internet Archive auf einer Zensurheberliste ist. Auch in Indien war das Internet Archive 2017 wegen Urheberrechtsverstößen blockiert worden. Dabei ging es um Urheberrechtsklagen von Filmproduktionsfirmen aus Bollywood.

Das Internet Archive wäre nicht die erste gesperrte Website in Russland. Im Jahr 2012 trat ein Internet-Zensur-Gesetz in Kraft, mit dem angeblichen Schutz vor Kinderpornografie und Drogen Seiten blockiert werden können. Seiten mit verbotenen Inhalten kommen auf eine Sperrliste. Die Sperrung durch Internet-Provider wird von der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor überwacht. 2014 kam ein Gesetz hinzu, das Blogs mit mehr als 3.000 täglichen Leser*innen dazu verpflichtet, sich bei der Presseaufsichtsbehörde zu melden und ihnen verbietet, ,,extremistische" Inhalte und ,,Online-Propaganda" zu verbreiten.

Die Gesetze sind breit gefasst und werden, wie vorauszusehen war, auch gegen Kritiker*innen der Regierung von Präsident Wladimir Putin eingesetzt. 2017 wurden täglich 244 Seiten blockiert, es häufen sich kleinlich anmutende Aufforderungen, bestimmte Facebookseiten oder Twitteruser*innen in Russland zu sperren und es werden Maßnahmen angedroht, sollten gewisse Videos nicht von YouTube gelöscht werden.


Aus: "Überwachung: Zensurheberrecht: Internet Archive steht in Russland vor der Sperre" Maria von Behring (27.08.2019)
Quelle: https://netzpolitik.org/2019/zensurheberrecht-internet-archive-steht-in-russland-vor-der-sperre/

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Quote[...] Er flucht, er raucht, und er säuft: ,,Behzat C." ist ein Fernsehkommissar, wie es ihn auf türkischen Bildschirmen eigentlich nicht mehr geben dürfte. Die sittenstrenge Fernsehaufsichtsbehörde RTÜK lässt Zigaretten bei Serien- und Filmhelden im Namen des Jugendschutzes entweder pixeln oder durch eingeblendete Blumen überdecken. ,,Behzat C." blieb bisher davon verschont, die Serie läuft beim Streaming-Anbieter BluTV.

Doch seit diesem Sonntag greift ein Gesetz, das ,,Behzat C." zähmen oder ganz von den Bildschirmen verschwinden lassen soll. Dienste wie BluTV oder Netflix sollen staatlichen Regeln unterworfen werden, türkischen Internetmedien und auch ausländischen Anbietern wie der Deutschen Welle droht die Zensur: Wikipedia ist schon lange verboten – jetzt koppelt sich die Türkei weiter von der Außenwelt ab.

Das Gesetz, das 2018 verabschiedet wurde, unterstellt audiovisuelle Internet-Dienste der türkischen Medienaufsicht. Die Neuregelung trat am 1. August in Kraft und räumte den betroffenen Sendern und Medien eine Frist von einem Monat ein, um sich bei RTÜK eine Lizenz zu beschaffen. Die Frist lief am Sonntag ab.

Ob RTÜK nun auch unliebsame Medien sperren lässt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Ankara argumentiert, mit der Novelle sollten bestehende Vorschriften zum Jugendschutz auch bei Internetdiensten durchgesetzt werden. Regierungsnahe Medien kritisieren unter anderem, in Film und Fernsehen würden soziale und religiöse Werte untergraben und die Homosexualität glorifiziert. RTÜK betont zudem, bisher gebe es keine Möglichkeit, im Ausland ansässige Anbieter zur Einhaltung türkischer Regeln anzuhalten. Von Zensur könne keine Rede sein.

Oppositionspolitiker, Experten und Juristen sprechen von neuen Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Schon jetzt blockiere die Türkei mehr als 240 000 Internetseiten, sagt Yaman Akdeniz, Juraprofessor an der Istanbuler Bilgi-Universität. Bis zum Ende des Jahres werden es etwa 300 000 sein. Wegen des neuen Gesetzes werde ,,Behzat C." womöglich demnächst Blümchen rauchen und Saft statt Bier trinken.

Wenn sich BluTV oder andere Streaming-Firmen weigerten, den türkischen Vorgaben nachzukommen, drohe ihnen das Aus auf dem türkischen Markt. ,,Die Türkei könnte das erste Land der Welt werden, das den Zugang zu Netflix sperrt", so Akdeniz.

Schon die seit Sonntag verpflichtende RTÜK-Anmeldung sei eine Zensur-Maßnahme, sagt der Istanbuler Anwalt Veysel Ok, der gegen das neue Gesetz vor dem türkischen Verwaltungsgerichtshof geklagt hat. Ilhan Tasci, Oppositionsvertreter bei RTÜK, warf der Behörde vor, mit dem neuen Gesetz das Internet überwachen zu wollen.

Umgerechnet mehr als 15 000 Euro müssen Internetmedien für eine Lizenz bezahlen, das ist viel Geld für kleine Internet-Fernsehsender. Erhalten sie die Lizenz, riskieren sie bei unbotmäßiger Berichterstattung eine Strafe oder ein Verbot. Ohne Lizenz sind sie illegal und können abgeschaltet werden.

Damit zielt das Gesetz auf regierungskritische Medien wie den Internet-Fernsehkanal Medyascope. Diese Medien wurden in den vergangenen Jahren für viele Türken zu einer alternativen Informationsquelle, nachdem die meisten Zeitungen, Fernsehsender oder Nachrichten-Websites zu Sprachrohren der Regierung mutiert waren.

Akdeniz erwartet verstärkten Druck: ,,Die neuen Vorschriften werden als ,Lizenzsystem' präsentiert, sind aber in Wirklichkeit nur ein weiterer Zensur-Mechanismus, der sich gegen unabhängige Medien richten wird." Anwalt Ok kritisiert die vage gehaltenen Bestimmungen des Gesetzes, die den Behörden großen Ermessensspielraum gewährten. ,,Möglicherweise gelten die Regeln sogar für private Youtube-Kanäle." Auch ausländische Medien, die in türkischer Sprache ihre Nachrichten verbreiten, werden nach seiner Einschätzung in den Bannstrahl des neuen Gesetzes geraten.

Damit könnten die türkischen Dienste der Deutschen Welle, der BBC oder der Voice of America ins Visier der türkischen Behörden kommen. Noch liegen exakte Ausführungsbestimmungen nicht vor, doch Akdeniz rechnet damit, dass auch diese ausländischen Nachrichtenanbieter vom neuen Gesetz erfasst werden.

Sollten die Ausländer keinen Antrag auf Lizenz stellen oder keine Lizenz bekommen, dann könne RTÜK den Zugang zu diesen Diensten in der Türkei per Gericht sperren lassen. Das sei nach dem Stand der Dinge sehr wahrscheinlich.


Aus: "Türkei: Nun sind auch Streaming-Dienste und Internetmedien abgekoppelt" Susanne Güsten (01.09.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/meinungsfreiheit-unter-erdogan-tuerkei-nun-sind-auch-streaming-dienste-und-internetmedien-abgekoppelt/24966292.html

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Quote[...] Das oberste türkische Gericht hält die seit rund zweieinhalb Jahren geltende Sperre von Wikipedia in der Türkei für nicht mit der Verfassung vereinbar und fordert ihre Aufhebung. Das berichteten mehrere Medien wie die Zeitung "Cumhuriyet" und die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Die Blockade des Onlinelexikons verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen die Meinungsfreiheit. Das Urteil sei für die Umsetzung an ein Gericht in Ankara übermittelt worden. Die Organisation Wikimedia Deutschland nannte das Urteil einen großen Erfolg.

Die Non-Profit-Organisation Wikimedia Foundation hatte sowohl beim Verfassungsgericht als auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Beschwerde gegen die Sperrung eingereicht.

Wikipedia ist in der Türkei seit April 2017 nicht mehr abrufbar. Als Grund für die Sperrung hatte die türkische Telekommunikationsbehörde damals angegeben, auf der Website würde fälschlicherweise behauptet, die Türkei unterstütze Terrororganisationen. Ein Gericht bestätigte die Entscheidung und berief sich laut Wikimedia Deutschland auf zwei englischsprachige Wikipedia-Artikel, die rufschädigend für die Türkische Republik seien.

Die Türkei und China sind demnach die einzigen Länder, in denen Wikipedia vollständig blockiert ist.

jpz/dpa/Reuters


Aus: "Türkisches Verfassungsgericht ordnet Ende der Wikipedia-Sperre an" (26.12.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/tuerkei-verfassungsgericht-ordnet-ende-der-wikipedia-sperre-an-a-1302802.html


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Quote[...] Chinas Zensoren wollen wissen, was die Chinesen im Internet tun. Zeitgemäße HTTPS-Verbindungen verhindern das aber. Nun werden sie einfach blockiert.

Chinas "Große Firewall" blockiert nun Verbindungen, die mit dem Verschlüsselungsprotokoll TLS in der aktuellen Version 1.3 geschützt werden. Das haben Forscher ermittelt, die kontinuierlich Chinas Internetzensur analysieren.

Einem Team von der Universität Maryland zufolge wurden die ersten Blockaden am 29. Juli beobachtet und inzwischen sei klarer geworden, wie genau die Zensur im Fall der besonders gut geschützten Verbindungen abläuft. Betroffen ist demnach nur HTTPS-Traffic, der per Encrypted Server Name Indication (ESNI) geschützt wird. Chinas Zensoren können bei diesem nicht mehr erkennen, welche Server kontaktiert werden.

TLS 1.3 ist die aktuelle Version des Verschlüsselungsprotokolls TLS (Transport Layer Security), dem Nachfolger von SSL (Secure Sockets Layer). Entwickelt worden war sie – auch gegen Widerstände – als Konsequenz der Snowden-Enthüllungen mit dem Fokus auf Verschlüsselung so vieler Metadaten der Kommunikation wie möglich. Wenn per ESNI auch der Server-Name verschlüsselt wird, kann durch einen Blick auf den Traffic – etwa durch Chinas Internetzensoren – nicht mehr ermittelt werden, wer überhaupt kontaktiert wird. Bei der Absicherung von HTTPS-Verbindungen gewinnt TLS 1.3 aktuell zunehmend an Verbreitung.

Wie die Analysen der Großen Firewall nun nahelegen, will Chinas Führung diesen blinden Fleck nicht akzeptieren. Bei Verbindungen, bei denen TLS 1.3 und ESNI zum Einsatz kommt, lässt die Firewall Pakete fallen und blockiert so die Verbindungsaufnahme. Das erfolgt demnach in beide Richtungen, sowohl bei Verbindungen aus dem Ausland zu chinesischen Servern als auch aus China zu ausländischen Servern. Ist eine solche Verbindung blockiert, werden alle weiteren Kontaktaufnahmen der Sender-IP zur selben Empfänger-IP und dem Empfänger-Port für zwei oder drei Minuten unterbunden.

Mit Methoden des maschinellen Lernens haben die Forscher nach eigenen Angaben gleich mehrere Möglichkeiten gefunden, die Blockaden mit jeweils 100-prozentiger Erfolgsrate zu umgehen – sowohl server- als auch client-seitig. Wie genau, beschreiben sie in ihrem Artikel. Sie weisen aber auch darauf hin, dass es sich dabei wohl um keine Strategien handelt, denen ein langfristiger Erfolg beschieden sein wird: Das Katz- und Maus-Spiel werde weitergehen.

(mho)


Aus: "Chinas Große Firewall blockiert nun TLS 1.3 mit ESNI" Martin Holland (10.08.2020)
Quelle: https://www.heise.de/news/Chinas-Grosse-Firewall-blockiert-nun-TLS-1-3-mit-ESNI-4866319.html


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Quote[...] Immer wieder löscht die Zensur Chinas Nachrichten in den sozialen Medien oder blockiert TV-Übertragungen. Jetzt trifft es das TV-Duell zwischen den US-Vizepräsidentschaftskandidaten. Als es um Chinas Rolle während der Corona-Pandemie geht, bricht die Übertragung plötzlich ab.

Chinas Zensur hat die Ausstrahlung der TV-Debatte zwischen US-Vizepräsident Mike Pence und der demokratischen Kandidatin für das Amt, Kamala Harris, an heikler Stelle unterbrochen. Als es um den Umgang mit dem Ausbruch des Coronavirus ging, der in China seinen Anfang genommen hatte, riss die Übertragung des US-Nachrichtensenders CNN abrupt ab.

Pence begann am Donnerstagmorgen Pekinger Zeit seine Kritik an der Volksrepublik mit den Worten "China ist schuld, dass ...", als plötzlich der Ton wegblieb und ein Testbild mit den Worten "Kein Signal - bitte warten" erschien. Als das Gesprächsthema der TV-Debatte wechselte, wurde die Übertragung wieder aufgenommen.

Die chinesische Zensur greift routinemäßig zu solchen Blockaden des US-Senders, wenn es um Vorwürfe gegen China und kritische Berichterstattung aus der Volksrepublik geht. Früher wurde der Bildschirm nur schwarz, doch seit einigen Monaten erscheint das Testbild mit dem Hinweis auf einen angeblichen Verlust der Verbindung. CNN kann in China allerdings ohnehin nur in Wohnanlagen, in denen auch Ausländer wohnen, sowie in internationalen Hotels, ausgesuchten Regierungsbehörden und akademischen Institutionen gesehen werden.

Quelle: ntv.de, jhe/dpa


Aus: "Übertragung unterbrochen China zensiert TV-Duell von Pence und Harris" (Donnerstag, 08. Oktober 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/China-zensiert-TV-Duell-von-Pence-und-Harris-article22086202.html


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Quote[...] Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat die Sperrung des Porno-Portals xHamster beschlossen. Die fünf größten Provider Deutschlands wurden von den Behörden aufgefordert, ihren Kunden ab sofort den Zugang zu der umstrittenen Website zu verweigern.

Mit der Eskalation ziehen die Behörden einen Schlussstrich unter ein fast zweijähriges Verfahren. Angebote wie xHamster hatten die strengen deutschen Jugendschutzvorschriften ignoriert. Deutsche Anbieter konnten auf dem Porno-Markt kaum noch konkurrieren, während mehrere Konzerne insbesondere mit Sitz in Zypern die Branche fast komplett übernahmen.

Mit der Sperrverfügung ziehen die Aufsichtsbehörden ihr schärfstes Mittel. Zuvor hatte die Landesanstalt für Medien NRW den Betreiber Hammy Media und auch den technischen Provider des Portals aufgefordert, ein Jugendschutzsystem einzusetzen, das den strengen deutschen Anforderungen genügt. Zudem hatten die Behörden die größten Internetanbieter aufgefordert, die Angebote freiwillig zu sperren. Die verweigerten jedoch eine Blockade auf Zuruf.

Nun soll den Unternehmen keine Wahl mehr gelassen werden. Die amtlichen Sperrverfügungen seien bereits von den zuständigen Landesmedienanstalten zugestellt worden, teilte die KJM am Donnerstag mit.

»Ein Porno-Angebot für Erwachsene ist so lange kein Problem, wie technische Schutzvorkehrungen die gesetzlichen Standards zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sicherstellen«, erklärt der KJM-Vorsitzende Marc Jan Eumann. Da xHamster dies aber verweigere, bleibe nur die Sperrverfügung. »Wir schützen Kinder, nicht das Geschäftsmodell der Pornoindustrie«, sagt Eumann.

Die Kommission hatte in den vergangenen Jahren den Kampf gegen frei verfügbare Pornografie verschärft. In einem aktuellen Beitrag auf der Website der KJM bezeichnet die Psychologin Tabea Freitag die Konfrontation von Kindern mit sexualisierten Inhalten als »eine Art von sexuellem Missbrauch«. Die Jugendschützer werfen den Portalen vor, ein Zerrbild von Sexualität zu vermitteln und damit auch Gewalt und anderen Formen des sexuellen Missbrauchs Vorschub zu normalisieren.

Gegenüber Medien hatte ein Vertreter der Hammy Media Ltd im vergangenen Jahr wiederholt Gesprächsbereitschaft signalisiert. Nach Angaben der Landesmedienanstalt NRW ist die Behörde mittlerweile mit einem Anwalt des Unternehmens in Kontakt, eine Anpassung des Angebots sei aber bisher ausgeblieben.


Aus: "Verfügung von Jugendschützern Provider sollen Pornoportal xHamster sperren" Torsten Kleinz (03.03.2022)
Quelle: https://www.spiegel.de/netzwelt/web/provider-sollen-pornoportal-xhamster-sperren-a-59819fc2-1bb5-400b-89b1-89711cc738f3

QuoteKinder unter 18 Jahren können keine Verträge mit Internetanbietern oder Mobilfunkanbietern abschließen. Kein Kind kann also von sich aus ins Internet kommen, außer über einen Vertrag, den die Eltern für ihr Kind abgeschlossen haben und dann obliegt es auch den Eltern für den Schutz ihrer Kinder zu sorgen, was mit jedem internetfähigen Zugangsgerät in unter 10 Minuten problemlos möglich ist.


QuoteNur weil die Eltern keine Lust haben sich mit dem Medienkonsum ihrer Kinder auseinander zusetzen, sperrt man die Portale einfach für alle. Auch für Erwachsene. Jedes Gerät verfügt doch über irgendeine Form der Kindersicherung. Ein ehemaliger Kumpel hat schon vor 15+ Jahren rumgeheult, weil seine Eltern den Zugang zu gewissen Seiten gesperrt hat. Das müsste doch heute Problemlos möglich sein.
Anstelle die Sachen zu sperren wäre es doch besser Kinder und Jugendliche darüber aufzuklären. Aber dann müssten sich die Erwachsenen ja mit der Materie auseinandersetzen und die haben anscheinend mehr Angst davor als Kinder und Jugendliche.


QuoteIst es nicht so dass die Kids den Grufties VPN erklären müssen?


QuoteDemnächst weiß dann wenigstens auch der Allerletzte was ein VPN-Tunnel ist. Für die Datensicherheit allgemein ein riesiger Schritt.

QuoteMit dem selben Argument könnte man jetzt alle Nachrichtenportale sperren lassen, die Bilder aus dem Ukraine-Krieg zeigen, weil auch zu diesen höchst verstörenden Bildern haben Kinder ja einfach freien Zugang.


QuoteUnd danach werden dann Ladenschlusszeiten bei eBay durchgesetzt.

:)=)


QuoteOje, die Heerscharen der libertären "Spaziergänger" gehen direkt auf die Barrikaden und beklagen wieder staatliche Gängelung - erst Maskenzwang und nun - viel schlimmer - möglicherweise Pornhub-Zugangsbeschränkung... was bleibt da noch im Leben??!!


QuoteSperre hier, Sperre da. Hat eigentlich noch jemand den Default-DNS vom Netzbetreiber in seinem Router eingestellt?


QuoteDie Internet Versteher aus Deutschland haben zugeschlagen.

Unabhängig von der Seite, die hier versucht wird zu sperren: gefühlt sind unsere Behörden mindestens 20 Jahre zurück zu dem Rest der westlichen Welt.


Quote"Die Jugendschützer werfen den Portalen vor, ein Zerrbild von Sexualität zu vermitteln"
Klar tun Pornos das, sind ja keine Dokumentationen. James Bond Filme vermitteln auch ein Zerrbild von der Tätigkeit von Geheimdienstagenten. Wenn das den Betrachtern nicht klar ist, ist etwas in der Erziehung falsch gelaufen.

QuoteAls würde sich ein einziges Kind oder Jugendlicher durch so eine Sperre vom Porno Komsum abhalten lassen...

QuoteDie Kommission glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann.

...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Saga um die Pornoplattform xHamster in Deutschland geht weiter. Nachdem Jugendschützer nach monatelangem Hin und Her über die Medienaufsichtsbehörde tatsächlich eine Sperre der Seite erwirken konnten, ist diese schon wenige Tage nach Inkrafttreten wieder erreichbar. Die Netzsperre wurde ausgesprochen, weil xHamster nach Ansicht der Behörde das Alter der Nutzerschaft nicht überprüfe und so den Kinder- und Jugendschutz missachte.

Anfang März wurde deutschen Internetprovidern die verbindliche Anweisung zugestellt, das Pornoportal müsse ab sofort blockiert werden. Wer die Seite xhamster.com über Anbieter wie 1&1 oder Telefónica aufrief, landete bei einer Fehlermeldung. Der noch am 3. März von Behördenvertretern mittels Presseaussendung gefeierte Erfolg währte nur kurz. Aktuell kann die Pornoseite in Deutschland wieder uneingeschränkt aufgerufen werden, wie der Nachrichtenblog Netzpolitik.org berichtet.

https://netzpolitik.org/2022/netzsperre-fuer-pornoseite-xhamster-fuehrt-medienaufsicht-vor/

Der Grund dafür ist so trivial wie verblüffend. Denn die Sperrverfügung bezieht sich offenbar ausschließlich auf die Webdomain de.xhamster.com und nicht auf die international genutzte Hauptseite xhamster.com. Wer die zweitgenannte URL aufrief, wurde von der Plattform bisher auf die de-Domain umgeleitet, die nun gesperrt ist. xHamster änderte daraufhin einfach die sogenannte Subdomain und führt Pornofans nun einfach auf die von der Sperre nicht betroffene Webadresse deu.xhamster.com.

Auch wenn eine Sprecherin der Medienaufsicht gegenüber Netzpolitik.org betonte, dass das Verhalten der Plattform nicht überraschend sei und man sich auch darum jetzt kümmern werde, scheint es doch fraglich, ob die deutschen Behörden bei diesem "Katz-und-Maus-Spiel" wie es der Nachrichtenblog treffend formuliert, ihr gewünschtes Ziel erreichen werden.

Denn nicht nur gelten derartige Netzsperren als demokratiepolitisch grenzwertig und haben bereits bei FDP, SPD und Grünen für kritische Wortmeldungen gesorgt, auch wollen sich die betroffenen Internetprovider rechtlich absichern, ob ihnen solche Verfügungen überhaupt aufgezwungen werden dürfen. Auch weiteren Pornoseiten droht Ungemach. Die Medienaufsicht will auch Pornhub, YouPorn und mydirtyhobby in Deutschland sperren lassen. (step, 13.03.2022)



Aus: "Netzsperre: Pornoseite xHamster umgeht deutsche Sperre mit einfachem Trick" (13. März 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000134058770/pornoseite-xhamster-umgeht-deutsche-sperre-mit-einfachem-trick

Quote
mobus

Solche Wixxer :D

Wenns mit den Pornos fertig sind kümmern sie sich hoffentlich um das Problem mit dem Feminismus und der Rockmusik.


Quote
la-la-lama
13. März 2022, 15:20:18

"Die Netzsperre wurde ausgesprochen, weil xHamster nach Ansicht der Behörde das Alter der Nutzerschaft nicht überprüfe..." - Ist das ein Witz?
Gibt es irgendwo irgend eine Pornoseite, die so eine Prüfung macht? Dazu müsste man ja einen Ausweis o.ä. verlangen, den wird praktisch niemand bereit sein hochzuladen.

Es ist übrigens auch nicht "trivial wie verblüffend", wenn die so einfach die Subdomain ändern, sondern eher blamabel für die Aufsichtsbehörden, dass ihre Sperre innerhalb weniger als einer Stunde wirkungslos ist.


Quote
Tim O´Beil

Wie wär´s statt alles zu verbieten mal mit Bildung und Erziehung?

Eine Verwandte hat mich mal gebeten, einschlägige Seiten für ihren Sohn zu sperren. Ich hab eine lange Unterhaltung mit dem Sohn geführt, dabei kam heraus, dass in der Schule Seiten wie "rotten.com" (nicht mehr aktuell) angeschaut werden, mit Toten, Verstümmelten usw.

Ich sagte meiner Verwandten, sie solle sich vielleicht weniger Sorgen um nackte Frauen machen. Mit Verboten erreicht man nie alle Inhalte, und das ist auch gut so.
Wir sollten unsere Kinder zu mündigen Konsumenten erziehen - nicht nur im Internet.


Quote
tuwaa
13. März 2022, 14:41:34

Internetsperren bringen ja gar nix
Die einzige Inernetsperre dies wirklich gibt ist die Server direkt zu beschlagnahmen, was aber sinnlos ist wenn de Anbieter wo anders ist. Ne neue Domain und IP ist schnell gekauft und das Verbreitet sich übers netz oder social Media blitzschnell.


Quote
ADHSapiens

Internet is for cat videos and porn!
War mindestens die letzten 25 Jahre gültig, wird auch die nächsten 25 wahr sein.


Quote
Dildo distribution officer

HAHA !

Wie wärs wenn man das einfach den Eltern überlässt? ...


Quote
Roland Siebenhirten

Den Ausweis vom Papa scannen und schon geht es wieder.


Quote
Blasphemius

Leute mit Faxgeräten gegen das Internet. Ein amüsanter Kampf.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Im Iran ist Medienberichten zufolge die Nachfrage von VPN-Diensten um 3.000 Prozent gestiegen. Dies berichtete die iranische Nachrichtenagentur ILNA am Dienstag unter Berufung auf ein Vorstandsmitglied einer Computertechnikvereinigung. Derzeit ist das Internet im Iran wegen der landesweiten Proteste stark eingeschränkt, viele Websiten aus dem Ausland sind gesperrt. Mit den geschützten Netzwerkverbindungen (VPN) kann die Sperrung der Websiten und Apps umgangen werden.

Obwohl die Apps illegal sind, werden sie überall in den Computerbasaren verkauft. Nach Ausbruch der jüngsten landesweiten Proteste haben die Behörden auch das Internet im Land stark eingeschränkt. Auslöser war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamischen Herrschaftssystem. (APA, 18.10.2022)


Aus: "VPN-Nachfrage steigt im Iran um 3.000 Prozent an" (18. Oktober 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000140089769/vpn-nachfrage-steigt-im-iran-um-3-000-prozent-an


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Quote[...] Das Reihenhaus in der Sackgasse der betuchten Wohngegend Meerbusch bei Düsseldorf könnte kaum unscheinbarer sein. Grau-beiger Klinker, vor den Fenstern Jalousien, die das Innere vor Blicken abschirmen. Auf dem Briefkasten zeigt ein weißes Schild vier Nachnamen und drei GmbH-Firmentitel. Bis vor einem Jahr hatte hier noch ein weiteres Unternehmen seinen Sitz, die Firma Softqloud. Mittlerweile ist sie umgezogen, in einen Bürokomplex, ein paar Ecken die Straße runter. Ein klobiger Bau mit allerlei Logos, wie er so oder so ähnlich in vielen Gewerbegebieten aus dem Boden gestampft wird. Jedoch funktioniert Softqloud nicht wie jedes andere Unternehmen. Und auch die ansässigen Firmen in der Meerbuscher Sackgasse sind keine zufällige Anhäufung.

Wie eine gemeinsame Recherche von Correctiv, netzpolitik.org und der taz zeigt, ist Softqloud ein Ableger des iranischen IT-Dienstleisters Arvancloud. Das Unternehmen hilft dem islamistischen Regime in Teheran dabei, eine eigene nationale Internet-Struktur aufzubauen. Somit wird die Abschottung des Irans vom internationalen Netz erleichtert. Zahlungen für IT-Dienstleitungen an Arvancloud landen bei der deutschen Firma in Meerbusch. Softqloud ist quasi Arvanclouds Brückenkopf in Europa. Die Server der Firma in Meerbusch sind für den Iran von Bedeutung. Die gemeinsame Recherche zeigt: Sie bilden eine von insgesamt nur vier digitalen Verbindungsbrücken, die aus dem iranischen Netz ins Ausland führen.

Für unsere Recherche haben wir firmeneigene Unterlagen eingesehen, Netzwerke und Serverdaten analysiert, Zahlungen nachvollzogen und mit zahlreichen Ex­per­t*in­nen gesprochen. Der Blick nach Meerbusch, auf die Firma Softqloud, ihre Verbindungen und die beteiligten Personen offenbart: In dem Düsseldorfer Nobelvorort und seiner Umgebung sitzt ein Geflecht aus Unternehmen und Tarnfirmen, die mindestens indirekt mit dem islamistischen Regime in Teheran, den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienst verbunden sind. Von hier aus umgehen sie US-Sanktionen. Sie sind verstrickt in den Aufbau eines abgeschotteten nationalen Internets im Iran. Und: Sie agieren bis heute unbehelligt in Deutschland.

Anders als die USA, die seit ihrem einseitigen Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran 2018 umfangreiche Sanktionen eingeführt und die Revolutionsgarden auf eine Terrorliste gestellt haben, zeigt sich die EU toleranter, was den Iran und Firmen mit Verbindungen zu seinem autoritären Machtapparat angeht. Deutschland ist Irans wichtigster Handelspartner in der EU. Erst seit sich im Iran die Menschen unter der Parole ,,Frauen, Leben, Freiheit" jeden Tag aufs Neue auf den Straßen versammeln, wird die Kritik an dem Regime auch hierzulande lauter.

Auslöser der aktuellen Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig trug. In Gewahrsam wurde sie laut Zeugen geschlagen und misshandelt. Sie starb am 16. September. Im ganzen Land kommt es seitdem zu Demonstrationen gegen das islamische Regime. Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Kri­ti­ke­r*in­nen vor. Es gibt zahlreiche Tote.

Als Reaktion verhängte die EU Anfang der Woche eine Reihe von Sanktionen, unter anderem gegen die Sittenpolizei sowie das Cyber-Abwehrkommando der Revolutionsgarde. Ebenfalls auf der Sanktionsliste der EU steht jetzt der Iranische Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie – wegen der durch ihn verantworteten Abschaltung des Internets.

Denn das iranische Regime hatte auf die Proteste auch mit einer massiven Blockade des Netzes reagiert, etwa um die weitere Organisation von Demonstrationen zu unterbinden. Gesperrt wurden Social-Media-Netzwerke wie Instagram sowie Messengerdienste wie Whatsapp oder Signal. Neben der weitreichenden Zensur kam es zu Drosselungen des Internets, in einigen Regionen teilweise sogar zur kompletten Abschaltung. Wer versuchte, internationale Webseiten zu besuchen oder zu chatten, kam nicht voran.

Aktivist*innen im Iran behalfen sich gegen die Zensur mit technischen Umgehungen – mit sogenannten Proxy-Servern, VPN-Tunneln oder dem anonymen Tor-Netzwerk. Mit der Infrastruktur für solche digitalen Umwege wurden sie weltweit aus der Zivilgesellschaft unterstützt, auch durch die taz. Doch sollen künftig solche technischen Umgehungen der Zensur unmöglich gemacht werden. Der Iran arbeitet seit Jahren am Aufbau eines eigenen unabhängigen nationalen Informationsnetzwerks. Und hier kommen die Firma Arvancloud und ihr deutscher Ableger Softqloud ins Spiel.

Auf ihrer Webseite präsentiert sich die deutsche Firma Softqloud wie jedes andere IT-Unternehmen im Netz. Ein Bild von Serverschränken, ein Bild von Computern, ein paar Zeilen oberflächliche Werbesprache. Mehrfach wechselte der Firmensitz, blieb jedoch immer in der Nobelgegend Meerbusch bei Düsseldorf. Schaut man genauer hin, eröffnet sich ein Geflecht an Firmen, die mindestens indirekt mit dem iranischen Regime, Geheimdiensten oder den Revolutionsgarden in Verbindung stehen.

Da ist etwa der Unternehmer aus Dubai. Als Softqloud am 24. Februar 2019 im Handelsregister des Amtsgerichts angemeldet wird, tritt ein Mann als Gründer in das Büro eines Düsseldorfer Notars ein, der in Dubai wohnt, einen pakistanischen Pass vorlegt und persisch spricht. Er ist der Chef einer IT-Firma, mit Ablegern in Dubai und Pakistan, die unter anderem die Webseiten der Pasargad Bank hosten. Das iranische Finanzinstitut wurde wegen Verbindungen zu den Iranischen Revolutionsgarden im Oktober 2020 von den USA mit Sanktionen belegt. Von der Pasargad Bank gibt es auch eine Verbindung zu ArvanCloud: Die mit der Bank assoziierte IT-Firma Fanap ist Investor bei dem Cloud-Anbieter.

Da ist auch der Helfer mit Geheimdienstkontakten. Bei der Gründung von Softqloud befindet sich ein Mann im Raum, der ebenfalls in Meerbusch wohnt, rund 500 Meter entfernt von Softqlouds erstem Firmensitz. Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Sein Name taucht in einer Auskunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz von 1993 auf, in der es um das Mykonos-Attentat geht. Bei dem Mordanschlag wurden im Auftrag des iranischen Geheimdienstes am 17. September 1992 vier kurdisch-iranische Exilpolitiker im Berliner Lokal ,,Mykonos" erschossen.

Die Schriftstücke des Verfassungsschutzes sind dem Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses angehängt, der mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei dem Mordfall ergründete. Zwei weitere Informationen erfährt man darin über die Vergangenheit des Mannes: Anfang der 1990er Jahre steht er mit dem iranischen Geheimdienst in Verbindung und zählt zu den engsten Freunden des Drahtziehers des Mykonos-Attentats.

Heute leitet er ebenfalls ein Unternehmen in Düsseldorf. Dies gehört einem großen iranischen Konzern, den die USA mit Sanktionen belegt haben, weil sie ihm vorwerfen, Teil des iranischen Netzwerks zur Terror-Unterstützung zu sein. Seit Juni 2020 treffen die US-Sanktionen auch diese Düsseldorfer Firma. Der Mann bestreitet auf Nachfrage der taz über seinen Anwalt jedweden Kontakt zu Geheimdiensten. Mit der Geschäftstätigkeit von Softqloud habe er auch nichts zu tun.

Und da ist die Geschäftsführerin: Sie leitet Softqloud und ist gleichzeitig Chefin weiterer Unternehmen, von denen eines ebenfalls auf dem Briefkasten in der Sackgasse des Düsseldorfer Nobelviertels Meerbusch steht. Bis 2020 war ein Geschäftsmann aus dem Iran mit Nähe zum Regime Geschäftsführer. Auch für dieses Unternehmen gibt es Hinweise, dass es für die Abwicklung von Zahlungsverkehr aus dem Iran benutzt wird.

Anders als die Firmen in Meerbusch steht Arvancloud im Iran deutlich stärker in der Öffentlichkeit. Arvancloud ist laut deutsch-iranischer Handelskammer der größte Cloud Service-Anbieter im Iran und sehr aktiv in der iranischen Start-up-Szene. Die Firma präsentiert sich im Netz und auf Konferenzen gern als modernes, aufstrebendes Unternehmen – ein Start-up mit jungen Männern, die Kicker spielen und Frauen, die mit Kopftuch lächelnd an Computern sitzen. Bei Youtube ist – anscheinend auf den deutschen Markt zielend – von Arvancloud gar eine Art Imagevideo zu finden: Unterlegt mit Choralmusik reitet eine Figur mit Deutschlandfahne auf einer Brezel. Dazu der Slogan: ,,Riding the clouds", auf Deutsch: ,,Auf den Wolken reiten".

Doch das ist nur die eine, scheinbar gute Seite des Unternehmens: Denn Arvancloud hilft der iranischen Regierung dabei, ein eigenes nationales Informationsnetz aufzubauen. Seit 2013 arbeitet das Regime mit Hochdruck daran, die Pläne dafür gab es schon Jahre zuvor. Alle Verbindungen aus dem Iran nach außen sollen abgeschaltet werden können. Vorbild für diese Idee ist China mit seiner ,,Great Firewall", auch Russland hat mittlerweile ähnliche Pläne.

Derzeit ist es für die iranische Wirtschaft ziemlich teuer, wenn das Internet komplett abgeschaltet wird. Laut iranischer Handelskammer kostet das etwa 1,5 Millionen Euro pro Stunde. Um sich in Zukunft besser abschotten zu können und dabei die Kosten für den Iran geringer zu halten, arbeitet Arvancloud unter anderem an einer nationalen Cloud-Struktur, der sogenannten IranCloud. Die staatliche Nachrichtenagentur Irna nennt dies ein ,,nationales Projekt", das ,,im Einklang mit der Entwicklung des nationalen Informationsnetzwerks" betrieben werde.

Bei einer sogenannten Cloud geht es um ein bestimmtes System, mit dem Server und Datenspeicher dezentral miteinander vernetzt sind. Das Ziel ist es, möglichst viele Unternehmen mit ihren Diensten auf diese nationale Struktur zu holen. Werden die internationalen Verbindungen gekappt, würden diese Dienste im Iran noch weiterlaufen und die Auswirkungen für die Wirtschaft und den Alltag wären geringer. Sollte beispielsweise eine Person in Teheran online eine Lieferbestellung aufgeben, würde dies weiterhin funktionieren, solange der Bringdienst seine Webseite zuvor in die nationale Cloud verlegt hat. Jedoch nur dann.

Derzeit sind zahlreiche Firmen Partner von Arvancloud und hosten dort ihre Webseiten, darunter der im Iran weit verbreitete Taxidienstleister Snapp. Auch viele Regierungsinstitutionen haben ihre Webseiten bei Arvancloud – etwa das Innen- und das Außenministerium. Arvancloud nutzt dafür auch die Infrastruktur von Softqloud in Meerbusch. Mehrere Webseiten iranischer Botschaften, etwa der in Tunesien, liegen auf Servern der deutschen Firma. Auch die Webseite des iranischen Agrarministeriums.

Für das Projekt der iranischen Cloud-Infrastruktur räumt Arvancloud dem Regime weitreichende Kontrollbefugnisse ein. Das geht aus einem Vertrag aus dem Jahr 2020 hervor, der uns vorliegt. Geschlossen hat ihn die Firma mit dem iranischen Kommunikationsministerium – eben jenem Ministerium, dessen aktueller Minister wegen der Internetabschottung durch die EU sanktioniert wurde. Die Kopie des Vertrages wurde, wie andere Unterlagen zu Arvancloud, von Kri­ti­ke­r*in­nen des islamischen Regimes bei Twitter veröffentlicht. Die tatsächliche Herkunft des Dokuments lässt sich nicht endgültig verifizieren, es soll aus einer iranischen Informationsfreiheitsanfrage stammen. Auch die BBC bezieht sich in einem Bericht auf diesen Vertrag.

In dem Dokument heißt es unter Artikel 4, dass die Vertragsparteien verpflichtet seien, sich im Rahmen der Nationalen Verteidigung und allgemeinen Sicherheit ,,vor jeder Entscheidung und jedem Vorgehen erst mit dem Führungsausschuss abzustimmen bzw. das Handeln genehmigen zu lassen". Genannt wird dabei wenige Zeilen später:

,,B) Durchführung der Unterbrechung, Verbindung oder Einschränkung der [Internet-]Verbindung, Ausübung kurz- oder langfristiger Maßnahmen, Umsetzen der Sicherheitsmaßnahmen sowie Nutzung jeglicher im Netz vorhandener Datenbanken."

Weiter heißt es, dass Arvancloud verpflichtet sei, auf Verlangen des Ministeriums ,,ohne Verzögerung bezüglich der Sicherheits- und Schutzmaßnahmen mit den zuständigen Organisationen zu kooperieren."

Für die Abschottung des iranischen Netzes ist es relevant, alle digitalen Verbindungen ins internationale Internet zu unterbinden. Wie die Recherche zeigt, sind diese im Iran durchaus überschaubar. Netzwerkspezialisten, die anonym bleiben wollen, haben sowohl die Netze von Softqloud, Arvancloud wie auch das gesamte iranische Internet gescannt und analysiert. Correctiv, netzpolitik.org und die taz konnten die Ergebnisse einsehen.

Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass das iranische Netz nur vier ,,Brücken" nach außen in das internationale Internet hat. Fachlich korrekt ausgedrückt, werden diese Brücken über das ,,Peering von Autonomen Systemen" geschlagen. Solche Autonomen Systeme sind im Internet üblich, beispielsweise bei Universitäten und großen Unternehmen. Verbundene Autonome Systeme sind der Grundaufbau des Internets.

Die wichtigste Brücke aus dem Iran ins internationale Netz ist das Autonome System AS 49666, worüber die überwiegende Anzahl der Routen nach außen führt. Es wird von der Telecommunication Infrastructure Company kontrolliert, die direkt dem iranischen Staat untersteht. Ein weiterer Link nach außen ist das iranische Wissenschaftsnetz, das seine Route über Ungarn nach außen leitet. Eine dritte, recht kleine Verbindung besteht über den großen Telekommunikationsdienstleister Shatel nach Frankfurt. Und die vierte Brücke? Sie führt von Arvancloud direkt in das System der Meerbuscher Softqloud GmbH – auf Server in Deutschland und den Niederlanden.

Somit kommt der Meerbusch-Verbindung eine bedeutende Rolle bei der Kontrolle des iranischen Netzes zu. Das bedeutet, dass Arvancloud an seiner Brücke das weltweite Internet aussperren und zugleich ausgewählte Verbindungen per ,,Whitelisting" weiterhin zulassen könnte – etwa zum Netzwerk von Softqloud, auf dem zahlreiche iranische Webseiten laufen.

Doch hat Softqloud für Arvancloud noch einen weiteren Nutzen. Unter anderem wickelt Arvancloud Zahlungen über den deutschen Ableger ab. Wer sich etwa Server bei der iranischen Firma kaufen wollte, konnte das über den Online-Bezahldienst Stripe erledigen. Der sitzt in den USA und unterliegt eigentlich den zahlreichen US-Regularien, die Transaktionen mit dem Iran weitreichend sanktionieren und unter anderem einen Zugang des Irans zum US-Finanzsystem verbieten. Der Online-Bezahldienst Stripe selbst erklärt auf seiner Webseite, dass er die Nutzung seiner Dienste für Geschäfte verbietet, die direkt oder indirekt mit Ländern verbunden sind, die der Bezahldienst als hochriskant einstuft – darunter Iran.

Das handhaben auch andere Finanzdienstleister so. Schickt man sich beispielsweise in Deutschland unter Freunden auf deutschen Konten Geld zu, gehen beim US-Bezahldienstleister Paypal sogleich die Alarmglocken an, wenn nur das Wort ,,Iran" im Verwendungszweck vorkommt. ,,Ihre Zahlung wird derzeit einbehalten und aus Sicherheitsgründen überprüft", heißt es dann sofort.

Anders jedoch beim Serverkauf von Arvancloud. Dort funktioniert die Bezahlung beim Kauf eines Servers im Iran über den US-Dienst Stripe reibungslos. Ein Blick auf die Abrechnung offenbart, dass der Account der iranischen Firma mit Softqloud zusammenhängt, deren deutsche Telefonnummer angegeben ist.

Auf Anfrage erklärt die US-Firma Stripe, sie gebe grundsätzlich keine Stellungnahmen zu einzelnen Nutzern ab. Jedoch: Kurz nachdem wir unsere Anfrage gestellt haben, ist die Bezahlung von Servern von Arvancloud im Iran über den Online-Bezahldienst Stripe nicht mehr möglich.

Die Geschäftsführerin von Softqloud erklärte: Arvancloud sei ein gemeinsames Projekt der iranischen Firma Abr Arvan und Softqloud gewesen, um internationalen Kunden eine Cloudinfrastruktur bereitzustellen. Die Verträge seien gekündigt. Das iranische Unternehmen habe keinerlei Einfluss auf das Unternehmen Softqloud. Dieses sei nicht daran beteiligt, das Internet für den Iran abzuschotten. "Wir umgehen keine Sanktionen und handeln als deutsches Unternehmen nach deutschem Recht. Es gibt keinerlei Einfluss iranischer Geheimdienste auf die Softqloud GmbH."

Arvancloud kennt die Vorwürfe, die vor allem auch iranische Internet-Aktivist*innen gegen die Firma vorbringen. Pouya Pirhosseinloo, Chef von Arvancloud, wies die Vorwürfe auf Nachfrage des Rechercheteams zurück. Seine Firma werde zu Unrecht ins Visier genommen und verleumdet. ,,Ein Anbieter von Cloud-Diensten kann weder bei der Struktur noch bei der Zensur des Internets eine Rolle spielen, nicht nur im Iran, sondern auch in jedem anderen Land der Erde", so Pirhosseinloo. Cloud-Anbieter seien Verbraucher und nicht Anbieter des Internets. ,,Folglich können diese Unternehmen keinen Einfluss auf die Qualität des Internets, Störungen oder Ausfälle nehmen."

In Bezug auf die deutsche Firma Softqloud bestätigte Pirhosseinloo, dass diese ein ,,internationaler Partner" von Arvancloud war. Auch er sagt, Softqloud habe den Vertrag zum 30. September 2022 gekündigt.

Nach unseren Recherchen wurden Zahlungen an Arvancloud allerdings noch bis Mitte Oktober über die Firma Softqloud abgewickelt. Auch die Arvancloud-Server in Europa laufen bis heute über das deutsche Unternehmen.

Geändert hat sich bislang nur das gemeinsame öffentliche Auftreten: In den letzten Tagen sind jegliche Hinweise auf eine Beziehungen zwischen den Unternehmen Arvancloud und Softqloud von den Webseiten verschwunden. Noch vor ein paar Tagen war für den deutschsprachigen Bereich der Arvancloud-Webseite Softqcloud im Impressum angegeben. So führte die angegebene E-Mail-Adresse in den Kontaktdaten zu Arvancloud.

Zudem hindert Arvancloud das gemeinnützige Internet-,,Archive" daran, alte Versionen seiner Webseiten zu sichern. Diese Archivierungen aktiv zu verhindern, ist sehr unüblich – zumal für ein Unternehmen in der IT-Branche.

Miriam Saage-Maaß, Expertin für juristische Verantwortung von Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen und Legal Director beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) sagt zur Verbindung von Arvancloud und Softqloud: Internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte würden Unternehmen wie Softqloud dazu verpflichten, genau zu prüfen, ob ihre Geschäftstätigkeit die Menschenrechtsverletzungen von Regierungen ermöglicht, fördert oder unterstützt. ,,Wer der iranischen Regierung Technologien zur Verfügung stellt, die es dieser ermöglichen, den Zugang zum Internet der iranischen Bürger zu kontrollieren, verletzt diese Standards möglicherweise."

Dazu passt: Zu den neuen Sanktionen der EU gegen den Iran, die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bekanntgab, gehört im Bereich der Menschenrechte auch ein Verbot der Ausrüstung, die im Iran zur Repression und zur Überwachung der Telekommunikation verwendet werden könnte.

Annalena Baerbock ist am Abend in der Caroline Kebekus-Show im Interview zu sehen. Angesprochen auf unsere Recherchen, sagte die grüne Außenministerin: ,,Das ist dramatisch, wenn eine deutsche Firma bei solchen Verbrechen helfen sollte". Auch das Außenministerium habe den Hinweis bekommen und die entsprechenden Sicherheitsbehörden darauf angesprochen.


Aus: "Iranische Tarnfirmen in Deutschland: Die Iran-Connection von Meerbusch" Jean-Philipp Baeck (20.10.2022)
Quelle: https://taz.de/Iranische-Tarnfirmen-in-Deutschland/!5885984/


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Pakistans Regierungschef Shehbaz Sharif hat angeordnet, die Onlineenzyklopädie Wikipedia wieder freizuschalten. "Der Premierminister weist an, dass die Website mit sofortiger Wirkung wieder zugänglich sein soll", teilte das Informationsministerium mit.

Die Onlineenzyklopädie war am vergangenen Freitag von der Telekommunikationsbehörde PTA gesperrt worden. Zur Begründung hieß es, dass Wikipedia eine zuvor gesetzte Frist "zur Entfernung blasphemischer Inhalte" nicht eingehalten habe.

Die Wikimedia Foundation – die gemeinnützige Stiftung, die Wikipedia verwaltet – hatte die Sperrung kritisiert: Damit werde "dem fünftbevölkerungsreichsten Land der Welt der Zugang zum größten freien Wissensspeicher" verweigert. Nach der Entscheidung von Premierminister Sharif zur Wiederfreigabe der Website äußerte die Foundation nun die Hoffnung, dass der Wikipedia-Zugang "möglichst schnell" wieder möglich sei.

Die Behörden in Pakistan hatten in den vergangenen Jahren Onlinemedien immer wieder mit Sperren belegt – darunter die Videoplattform YouTube wegen eines als islamfeindlich empfundenen Films über den Propheten Mohammed, der in mehreren Ländern Proteste ausgelöst hatte.


Aus: "Regierung in Pakistan lässt Wikipedia wieder zu" (7. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/pakistan-sperrung-wikipedia-regierung-aufhebung