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[Wenn du zum Flüchtling wirst (Flucht, Migration, Notizen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), June 13, 2006, 10:30:34 AM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Skopje/Belgrad – "Ich habe gesehen, wie sie Männer geschlagen haben. Sie haben meinen 13-jährigen Sohn geschlagen. Sie haben mich auch geschlagen, als ich mein Gesicht waschen wollte", erzählte ein Afghane der NGO Amnesty International (AI) über die Misshandlungen durch mazedonische Polizisten. AI führt in einem aktuellen Bericht die Vergehen von Behörden in Serbien und Mazedonien gegen Flüchtlinge an, die die Balkanroute gewählt haben, um in die EU zu kommen.

Viele werden wieder über die Grenze nach Griechenland zurückgeschickt oder grundlos inhaftiert, manche werden auch erpresst – nur wenn sie Schmiergeld bezahlen, dürfen sie weiter. Die mazedonischen Behörden verweisen darauf, dass sie legal aufgrund der Rückführungsabkommen mit Griechenland agieren. AI berichtet sogar von einem syrischen Flüchtling, der behauptet, dass die mazedonische Polizei Schusswaffen einsetzt.

"Nachdem wir Griechenland verlassen hatten, gingen wir in die Wälder in Mazedonien, 150 Leute in einer Gruppe. Die mazedonische Polizei schoss auf uns, sie traf das Bein eines Mannes – ich habe ihn fallen gesehen", erzählte der Mann. "Die haben mehr als eine Stunde geschossen. Für mich war das so ähnlich wie das, was in Syrien vor sich geht."

Ähnliche Vorwürfe erhob auch eine syrische Frau, die mit ihren Kindern im Dezember 2014 durch Mazedonien reiste. Sie sagt, dass die mazedonische Polizei über ihre Köpfe geschossen habe. Auch eine lokale NGO in Skopje berichtete von Schüssen auf Flüchtlinge. Mazedonien unter Premier Nikola Gruevski wird autokratisch regiert, in der Polizei und Justiz werden demokratische und Menschenrechtsstandards nicht respektiert. Die Sicherheitsapparate in Mazedonien und Serbien wurden seit den 1990ern nicht reformiert. Bereits vor einigen Wochen berichtete Human Rights Watch von misshandelten Flüchtlingen in Serbien.

Aber nicht nur die Vertreter von Behörden können eine Gefahr darstellen, auch der Fluchtweg ist gefährlich. Viele Flüchtlinge versuchen, auf Güterzügen durch den Balkan zu reisen. Sie springen auf die Züge auf und verstecken sich darauf. Immer mehr Flüchtlinge werden in solchen Zügen, etwa in Kohlewaggons, gefunden. Mitunter führt diese Reise jedoch zu entsetzlichen Unfällen. Einige Flüchtlinge wurden bereits von Zügen in Mazedonien getötet, weil sie auf den Bahngeleisen gingen. Die Züge fahren bereits sehr langsam, doch die Zugführer stehen unter Druck, nicht zu langsam zu fahren, weil dann die Flüchtlinge aufspringen.

Heuer kamen zehntausende Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Somalia und Eritrea über die Westbalkanroute. In Mazedonien und in Serbien wird ihnen oft verweigert, überhaupt einen Asylantrag zu stellen. 2014 wurde nur zehn Flüchtlingen in Mazedonien und einem in Serbien Asyl gewährt.

Die beiden Staaten, die noch ärmer und strukturschwacher sind als Griechenland, wollen die Flüchtlinge möglichst wieder loswerden. Weil sie nicht in der EU sind, haben sie wenig Zugang zu Hilfsfonds. Serbien hat zudem selbst noch viele Flüchtlinge aus Kriegszeiten. Seit vergangener Woche haben Serbien und sogar Ungarn Beamte an die mazedonische Grenze entsandt, um die Flüchtlinge zurückzuschicken. (Adelheid Wölfl, 7.7.2015)


Aus: "Flüchtlinge: Misshandlung und Gefahr auf der Balkanroute" Adelheid Wölfl (7. Juli 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000018664111/Fluechtlinge-Misshandlung-und-Gefahr-auf-der-Balkanroute


Textaris(txt*bot)

#141
17 Flüchtlingsleichen sind in Stoff- und Plastiksäcken in einer Kühlkammer des sizilianischen Krankenhauses "Ospedale e Muscatello Augusta" achtlos aufeinander gestapelt. Die zugeknoteten Stoffsäcke sind verschmiert. Die marode Kühlkammer ist undicht, auf der linken Seite leckt eine schwarze Flüssigkeit hinaus, die augenscheinlich von den Leichen stammt. ... (18 Jun 2015)
www.metronaut.de/2015/06/skandalbilder-so-lagert-europa-tote-mittelmeer-fluechtlinge/

Quote[...] Anfang Juni reiste ein Mitarbeiter des Zentrums für politische Schönheit nach Sizilien. Der Student wollte Recherchen anstellen für die nächste Aktion der Künstler. Ein Bestatter führte ihn in die Leichenkammer des kommunalen Muscatello-Krankenhauses von Augusta, erzählt er. Der Mann wollte, dass er begreift, wie dramatisch die Lage an der Südflanke Europas ist.
Er sah dort einen Raum, in der Ecke ein kleiner Gebetsschrein, zwei Kerzen, zwei Blumenstöcke. Dahinter ein Kühlschrank, groß wie drei Telefonzellen, gefüllt mit den Leichen von 17 Afrikanern, eingewickelt in Leinentücher und Müllsäcke, aufeinander geworfen wie Schlachtabfälle. Ihr Blut ist an der Seite des Kühlschranks auf den Boden geflossen und zu einer großen, schwarzen Lache getrocknet.
Das Foto, das der Künstler davon gemacht hat, ähnelt einem Kippbild: Je nachdem, wie man darauf schaut, präsentiert es andere Einsichten.
Geht man nahe heran, scheint zwischen den Müllsäcken, dem Blut und den Schädelumrissen die Gewissheit auf, dass Tote mit weißer Hautfarbe in Europa niemals so behandelt würden.
Wenn man die Verantwortlichen damit konfrontiert, zeigt das Foto auch die Nachlässigkeit eines Staates, in dem viel improvisiert und wenig hinterfragt wird.
Und im Strom all der Bilder von Mittelmeer-Toten verweist es auf eine kleine Stadt, alleingelassen mit den Folgen der Abschottungspolitik. Es stellt ein Europa bloß, das die hässlichen Folgen seiner Verantwortungslosigkeit ignoriert. ...


Aus: "Flüchtlingstragödie an EU-Außengrenzen: Was wir sehen müssen" Christian Jakob (21.06.2015)
Quelle: www.taz.de/!5205181/]www.taz.de/!5205181/]www.taz.de/!5205181/

Textaris(txt*bot)

Freital ist eine Große Kreisstadt in der Mitte des Freistaates Sachsen, etwa neun Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Dresden. Sie ist nach der Einwohnerzahl die größte Stadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und nach der Landeshauptstadt die zweitgrößte Stadt im Ballungsraum Dresden. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Freital

Quote[...] In der War-auch-schon-da-Galerie des Kulturhauses Freital hängt ein Bild von Olaf Böhme, und der Montagabend gibt Anlass, sich mal wieder an dessen größten Erfolg zu erinnern. Der Kabarettist Böhme hat den "betrunkenen Sachsen" erfunden, eine vom Volk geliebte Bühnenfigur. Böhmes Sachse zählt zu jener Art Trinker, die mit jedem Pils sedierter werden, infantiler. Die peinlich sind, aber auch liebenswürdig. Es gibt noch eine zweite Art Trinker: pöbelnde Schaummünder, randalierend, nicht immer nur verbal. Sie haben am Montag ihren Auftritt, zu Dutzenden. ...

Sachsens nervöser Innenminister Markus Ulbig (CDU) ist gekommen, ein fähiger Moderator von der Landeszentrale für politische Bildung, entscheidende Leute von Polizei und Stadt. Ihnen sitzen gegenüber: Bürger Freitals, darunter die betrunkenen Sachsen. Zwei Stunden trifft Politik auf Wirklichkeit, hart und oft unfair. Es ist ein lauter, ein hässlicher, ein überhitzter Abend. ...

Das ist die Konfliktlinie, in Freital wie anderswo: Es gibt eine sehr laute Seite, die die Herausforderungen durch Zuwanderung gerne mit Spielregeln des Mittelalters in Angriff nehmen würde. Und es gibt eine leisere, konstruktive Seite, die den Ton mäßigen und sich in der Sache bemühen möchte. Viele haben sich auch in Freital noch nicht sichtbar entschieden, welcher der beiden Seiten sie angehören möchten. Wie fern sich beide Seiten inzwischen sind, zeigt sich auf verstörende Weise noch einmal am Ende des Abends. Nachdem Polizisten, Politiker, Verwalter sich zwei Stunden lang haben zubrüllen lassen, fragt der Moderator das Publikum, ob es Interesse an Folgeveranstaltungen gebe und ob die Herren vor der Bühne denn wiederkommen dürften, "denn das entscheiden Sie!" Nur zaghafter Applaus. ...


Aus: "Freital Auftritt der pöbelnden Schaummünder" Reportage von Cornelius Pollmer, Freital (7. Juli 2015)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/freital-ausdauernd-aufgeheizt-1.2554805

Quote[...] Die Resonanz war überwältigend. Nachdem Freital nach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Bürgerversammlung am Montag vergangener Woche erneut bundesweit in den Schlagzeilen war, riefen mehr als 300.000 Menschen binnen einer Woche den Tumblr-Blog auf, weitere Verbreitung erfuhr das Projekt via Facebook und den Kurznachrichtendienst Twitter. Bis der Administrator der Seite selbst die Notbremse zog. Es hatte konkrete Drohungen gegeben, ihn zu enttarnen, dazu Nachrichten, die sehr detailliert Konsequenzen für ihn und seine Angehörigen ankündigten. Die Seite ging vom Netz. Auch viele Tweets wurden "in einer Kurzschlussreaktion" gelöscht, wie es rückblickend heißt. Die Begründung blieb zunächst knapp: "Drohungen wurden sehr konkret und Aufwand der Moderation auf Facebook zu hoch. Das ist es nicht wert..."

Seit Sonntag aber sind die "Perlen aus Freital" wieder da, gemanagt nun von anderen, wiederum anonymen Aktivisten, die nach eigenen Worten die "absolute Erfolgsgeschichte" fortschreiben wollen. Am Grundprinzip haben sie nichts verändert: Die Namen in den Posts und die jeweilige Quelle werden genannt, verpixelt werden lediglich die Gesichter. Im Blick haben die "Perlen aus Freital" dabei Anti-Asyl-Seiten aus Sachsen, die Namen tragen wie "Freital wehrt sich - Nein zum Hotelheim", "Frigida" oder "Bürgerwehr FTL/360". Oft sind sie aus Freital, inzwischen werden aber auch Posts aus anderen Städten und Gemeinden veröffentlicht. Fortgeschrieben wird damit die Aktivität von anderen Flüchtlingsaktivisten wie "Freital.Watch", die auf ihrer Facebook-Seite schon seit Wochen rassistische Posts dokumentiert haben.

...


Aus: "Morddrohung gegen Flüchtlingsaktivisten" Matthias Meisner (14.07.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/blog-perlen-aus-freital-morddrohung-gegen-fluechtlingsaktivisten/12048210.html

http://perlen-aus-freital.tumblr.com/

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Quote[...] Freital ist ein Ort, den ich mit meiner Kindheit verbinde. Ich bin nur 30 Kilometer entfernt geboren. In den Wäldern um Freital sammelten wir Pilze und Heidelbeeren. Es sind angenehme Erinnerungen.

Unangenehm berührt bin ich, wenn ich heute von Freital höre. Nicht von dem Ort als solchen, der kann ja nichts für seine Bewohner. Aber wenn bestimmte Menschen aus Freital und Umgebung vor der Kamera ihre Meinung zu Flüchtlingen kundtun, überkommt mich eine stille Wut.

Sächsisch ist ein Idiom, das so vertraut klingt in meinen Ohren. Meine Großeltern haben so gesprochen, meine noch immer in Sachsen lebende Verwandtschaft spricht so, auch meine Eltern konnten es in Baden-Württemberg nicht ablegen, wo sie seit über 30 Jahren wohnen.

Wenn sie etwas sagen, hörte und höre ich gerne zu. Es klingt vertraut und gutmütig. Wenn die interviewten Sachsen im Fernsehen den Mund aufmachen, fängt man an, diesen Dialekt zu verteufeln. "Solche Schmarotzer", pöbelte eine Frau, die in einem Drei-Minuten-Clip des NDR-Fernsehens zu Wort kommt. "Das sind welche, die sich hier ausruhen. Die machen hier Urlaub", sagte eine andere. "Ich weiß nicht, was für Terroristen mit hier rüberkommen", faselte ein Mann. Diese Menschen diskreditieren mit ihren Aussagen, mit ihrem Weltbild, mit ihrem Hass einen gesamten Landstrich. Sie diskreditieren vor allem ihre Mitmenschen, die nicht so denken.

Was geht in den Flüchtlingsheim-Gegnern vor, die in Wahrheit Rassisten erster Güte sind? Offenbar beziehen sie ihre Informationen lediglich aus dem Musikantenstadl, fahren in den Urlaub maximal an den Wolfgangsee und zimmern sich ihre Wirklichkeit nicht aus dem, was ist, sondern aus dem, was in ihrer klitzekleinen Welt Platz hat. Also höchstens Bratwurst, Bier und "Bauer sucht Frau".

Sie interessieren sich nicht für das, was außerhalb Freitals stattfindet - und selbst wenn, haben sie ganz offensichtlich nicht den Intellekt, zu verarbeiten, was um sie herum passiert. Immer wieder wird behauptet, das liege an ihrer DDR-Sozialisation. Wenn man keine anderen Einflüsse kannte, kann man auch nicht mit ihnen umgehen, so das Argument. Früher gehörte es dazu, über "die da oben" im Politbüro zu motzen, heute sind eben andere "da oben", gegen die man stänkern muss. Stänkern ist das Lebenselixier.

Doch in den letzten 25 Jahren wäre genügend Zeit und Gelegenheit gewesen, sich für die Welt zu interessieren. Es war Platz dafür, Informationen aufzunehmen, abzuwägen, zu differenzieren. Viele haben das genutzt - es gibt sie ja, die Engagierten, die Künstler, die Weltoffenen. Doch die protestierenden Leute aus Freital und anderswo sind einfach stehen geblieben - ja haben sich offenbar zurückentwickelt. Sie prägen nun das gängige Bild vom tumben Sachsen. Sie wirken wie Erwachsene, die plötzlich wieder zum Kind werden und Messer und Gabel nicht voneinander unterscheiden kann. Kinder dürfen das, sie sind friedlich und keine Choleriker mit Minderwertigkeitskomplexen.

Die Wende, die Wiedervereinigung, die Freiheit - man wünschte, den Hetzern von Pegida und aus Freital wäre dieses Privileg nie zuteilgeworden. In den letzten Jahren habe ich die Ostler immer wieder gegen Lästereien und Kritik verteidigt. Habe versucht, zu argumentieren, es seien nicht alle so, es gebe so viele Fortschritte und viel Positives.

Ich höre jetzt auf damit. Ich schäme mich nur noch.


Aus: "Proteste gegen Flüchtlinge in Freital: Ich schäme mich" Ein Kommentar von Janko Tietz (17.07.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-hass-gegen-fluechtlinge-in-freital-kommentar-a-1044057.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bei einer NPD-Demonstration gegen Asylbewerber in Dresden ist es zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Verletzten gekommen. Rechtsextreme griffen am Freitagabend Gegendemonstranten an. Knallkörper explodierten, es flogen Wurfgeschosse. Drei Menschen wurden verletzt, darunter eine junge Frau, die stark blutend von Sanitätern versorgt werden musste.

Bereits am Freitagmittag hatte der NPD-Kreisverband Dresden zu der Demo gegen ein Notaufnahmelager aufgerufen. Das Pegida-Bündnis um Lutz Bachmann appellierte an seine Anhänger via Facebook, der NPD-Kundgebung fernzubleiben.

Etwa 200 Asylgegner aus dem rechten Lager standen 350 Asylbefürwortern gegenüber. Die Gegendemonstration wurde vom Linken-Politiker Mirko Schultze angemeldet. Er und seine Mitstreiter wollten nach Angaben der "Sächsischen Zeitung" die Flüchtlinge willkommen heißen. Sie sprachen von einer "gewollten Provokation" der NPD. Zwischenzeitlich rannten beide Lager aufeinander zu. Polizisten gingen dazwischen.

In der sächsischen Landeshauptstadt wurden am Abend etwa 500 Flüchtlinge aus Syrien erwartet. Insgesamt sollen an diesem Wochenende 800 Asylbewerber kommen, wie die Landesdirektion Sachsen am Nachmittag bekannt gab. Um sie unterbringen zu können, wurde eine Zeltstadt auf einem ungenutzten Industriegelände in der Dresdner Friedrichstadt mit einer Kapazität für bis zu 1100 Asylsuchende errichtet. Binnen 24 Stunden waren die Zelte aufgebaut.

Betreiber des Lagers ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Nach den Worten von DRK-Chef Rüdiger Unger waren Mitarbeiter der Hilfsorganisation schon am Donnerstagabend von Schaulustigen daran gehindert worden, Vorbereitungen für das Lager zu treffen. In einem Fall sei jemand sogar mit einem Auto auf einen DRK-Helfer zugefahren. "Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagte Unger. Allen müsse klar sein, dass man hier humanitäre Nothilfe leiste.

Sachsens Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) zeigte sich beschämt über die Vorfälle. Auch Mitarbeiter des Innenministeriums seien attackiert worden, als sie Informationsmaterial in die Briefkästen des Viertels warfen: "So etwas ist einfach nicht hinnehmbar." Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks hätten aus Angst vor Steinewerfern Helme mitgebracht.

Um die Sicherheit der Flüchtlinge zu garantieren, will das Innenministerium mehrere Züge der Polizei und der Bereitschaftspolizei in die Friedrichstadt verlegen. "Polizei wird vor Ort sein. Das ist klar. Denn wir rechnen mit Demonstranten." Wilhelm richtete einen eindringlichen Appell an die Asylgegner: "Lasst die Leute in Ruhe, die haben so viel durchgemacht."

Innenstaatssekretär Wilhelm sprach zugleich von einer enormen Hilfsbereitschaft, die zu spüren gewesen sei. Viele hätten Spielzeug und Geld spenden oder bei der Betreuung der Asylsuchenden helfen wollen. Dies seien ermutigende Zeichen.


Aus: "Krawalle bei NPD-Demonstration: Dresdner Rechtsextreme attackieren Asylbefürworter" (24.07.2015)
Quelle: www.spiegel.de/politik/deutschland/dresden-ausschreitungen-bei-npd-demonstration-a-1045307.html

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/dresden-fluechtlinge-zeltstadt-demonstration

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/troeglitz-anschlag-kein-einzelfall-uebersicht

http://www.zeit.de/gesellschaft/2015-01/fluechtlinge-rassismus-angriffe-sachsen


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bei einem mutmaßlichen Sprengstoffanschlag ist das Auto eines Kommunalpolitikers der Linken in Freital in Sachsen beschädigt worden. "Es hat eine Explosion gegeben, dabei wurde ein parkendes Fahrzeug beschädigt", sagte eine Polizeisprecherin. Es werde wegen des Verdachts eines Anschlags ermittelt. Verletzt wurde niemand.

Nach Angaben seiner Partei wurde der Politiker Michael Richter gegen 0.45 Uhr von einem Knall vor seinem Haus geweckt und entdeckte eine Rauchwolke über seinem geparkten Wagen. Richter ist Fraktionsvorsitzender im Stadtrat in Freital. Die Polizei bestätigte, die Explosion im Inneren eines Autos, das Fahrzeug sei stark beschädigt worden. Auch ein nebenstehender Wagen wurde demnach in Mitleidenschaft gezogen. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen aufgenommen und das Auto sichergestellt.

Der Politiker hatte seinen Wagen vor dem Haus geparkt. Laut Polizei wurden Verglasung und Karosserie stark beschädigt. Wie ein Sprecher der Geschäftsstelle der Linken berichtete, werde bereits seit Wochen gegen Richter gehetzt, der sich in Freital für Flüchtlinge einsetzt. Auch Drohungen habe es schon gegeben. "Das lässt einen rechtsextremen Hintergrund vermuten", hieß es.

Nach Angaben der Linken hatte sich Richter neben seinem lokalpolitischen Engagement als Stadtrat und örtlicher Fraktionschef seiner Partei auch an der Organisation von Veranstaltungen der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl beteiligt. Schon als Kandidat für die Bürgermeisterwahl in Freital früher in diesem Jahr sei Richter zum "Ziel einschlägiger Drohungen" geworden, teilte die Partei mit.

Der Linke-Fraktionschef im Landtag, Rico Gebhardt, sprach ebenfalls von einer politisch motivierten Gewalttat. Die Polizei teilte mit, dass in alle Richtungen wegen "Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" ermittelt werde.

In der sächsischen Kleinstadt machen Rechtsextreme und selbsternannte Bürgerwehren in aggressiver Weise seit Monaten Stimmung gegen eine Asylbewerberunterkunft und Flüchtlinge. Es gab bereits Angriffe auf Demonstranten, die sich für die Flüchtlinge einsetzten, während einer Bürgerversammlung kam es zu handgreiflichen Tumulten. Das Rassismusproblem in Sachsen sei längst zu einem Sicherheitsproblem geworden, sagte Gebhardt.

Auf ihrer Facebook-Seite verurteilte die Linke der Region Freital "diese hinterhältige Tat". Landesgeschäftsführerin Antje Feiks sprach von zunehmenden rechten Gewalttaten gegen Andersdenkende und Asylsuchende. "Eine solche Welle des Rassismus und der Menschenfeindlichkeit hat man bisher mit Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda in den 90ern assoziiert." Der unverblümte Hass sei zurück auf der Straße und kenne offenbar keine Hemmschwelle mehr.

Auch anderswo in Deutschland hat es in den vergangenen Monaten mehrfach Brandanschläge und andere Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Wiederholt wurden außerdem örtliche Amtsträger und Politiker von Rechtsextremen angefeindet und bedroht.


Aus: "Freital: Auto von Linken-Stadtrat explodiert" (27. Juli 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/achsen-sprengstoff-anschlag-auto-michael-richter


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 Kos ist nach Rhodos und Karpathos die drittgrößte Dodekanes-Insel. Im Jahr 2011 hatte die Insel 33.388 Einwohner. Hauptort ist die gleichnamige, über 19.000 Einwohner zählende Stadt Kos, die das touristische und kulturelle Zentrum der Insel bildet. ... (08/2015)
https://de.wikipedia.org/wiki/Kos

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Quote[...] Auf der griechischen Insel Kos ist es zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und der Polizei gekommen. Mehrere Polizisten setzten Schlagstöcke gegen Migranten ein, während andere Polizisten versuchten, die Menge mit einem Feuerlöscher am Verlassen eines Fußballstadions zu hindern.

Nach Angaben der Polizei kam es zu den Ausschreitungen, nachdem einige Flüchtlinge bei der Registrierung in dem Stadion eine Beschleunigung des Vorgangs gefordert hatten. Daraufhin sei es zu Schiebereien gekommen, die nach einer Reaktion der Polizei in Ausschreitungen mündeten. In dem Stadion sind derzeit bis zu 1.500 Flüchtlinge untergebracht. Zuvor hatten zahlreiche Migranten im Stadion einen Sitzstreik begonnen und die Behörden lautstark aufgefordert, sie mit Nahrung zu versorgen.

Kos ist eines der Zentren der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Täglich kommen Hunderte Menschen von der nur wenige Seemeilen entfernten türkischen Küste auf der Insel an. Hilfsorganisationen, der Staat und die Bevölkerung sind von der Situation überfordert. Ähnlich ist die Situation auf zahlreichen anderen Inseln im Osten der Ägäis.

Der Bürgermeister der Hauptstadt, Giorgos Kiritsis, brachte seine Verzweiflung in einem am Dienstag in griechischen Medien veröffentlichten Brief an die Regierung in Athen zum Ausdruck. "Die Gefahr eines Blutvergießens ist real", schreibt Kyritsis. Die Situation sei außer Kontrolle. Zuletzt seien mehr als 7.000 Flüchtlinge auf Kos angekommen. Man könne mit dem Problem nicht mehr alleine fertig werden.

"Für die Flüchtlinge ist die Unterbringung auf Kos gerade die Hölle auf Erden", sagte auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), die sich derzeit auf Kos ein Bild von der Lage macht. "Hier herrscht Chaos. Und die Spannungen werden immer größer." In dem Stadion, das als zentrale Auffangstelle dient, sei es barbarisch heiß. Es gebe nur zwei Toiletten für Hunderte Flüchtlinge. "Das ist unmenschlich. Ich habe so etwas noch nie gesehen", sagte Roth.

Roth beklagte, dass es für die Flüchtlinge auf Kos keine ausreichende Versorgung gebe. "Es fehlt an allem", sagte Roth. Den Flüchtlingen werde praktisch die Erste Hilfe verweigert. Die Menschen bräuchten dringend Essen, Kleidung, Unterkünfte und medizinische Versorgung. Zwar seien verschiedene Behörden involviert, die Verantwortung aber werde hin- und hergeschoben, während die Hilfsorganisationen und ehrenamtlichen Helfer allmählich am Ende ihrer Kräfte seien.

Roth appellierte an die Regierung in Athen, sich endlich um eine Versorgung der Schutz suchenden Menschen zu kümmern. "Die Tragik ist, dass zwei Krisen zusammenkommen", sagte die Grünen-Politikerin. Die griechische Regierung müsse aber trotz der Finanzkrise dringend handeln. Auch Europa müsse helfen.


Aus: "Griechenland: Zusammenstöße auf Kos zwischen Polizei und Flüchtlingen" (11. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/fluechtlinge-insel-kos-claudia-roth

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Liste wird wohl immer länger: Vor Wochen hat es Brandanschläge gegen vor der Fertigstellung stehende Asylunterkünfte unter anderem im sachsen-anhaltischen Tröglitz und im sächsischen Meißen gegeben. In der Nacht zum Dienstag brannte es nun in einem Haus in Haldensleben, in dem laut MDR Sachsen-Anhalt viele Deutsche, aber auch dezentral untergebrachte Asylbewerber leben. 30 Menschen, darunter auch Kinder, wurden von Balkonen gerettet. Qualm und Flammen breiteten sich im Hausflur aus. Keiner der Anwohner wurde nach Informationen des Senders verletzt. Die Löscharbeiten waren gegen 6:45 Uhr beendet.

Der Wehrleiter der Feuerwehr Haldensleben, Frank Juhl, sagte MDR Sachsen-Anhalt, man könne Brandstiftung nicht ausschließen. In dem Keller habe Müll gebrannt, davor sei ein Sofa platziert gewesen. Schon vor zehn Jahren habe es in dem Stadtteil immer wieder Brände gegeben. Die Polizei habe aber keine Täter ermitteln können, sagte Juhl.

Die Polizei teilte mit, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob es sich um Brandstiftung handelt. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Bislang gebe es keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Vermutlich seien unter den Bewohnern Menschen ausländischer Herkunft oder so genannte Russlanddeutsche, ergänzte ein Polizeisprecher im Laufe des Vormittags. Es handele sich aber nicht um eine Gemeinschaftsunterkunft.

Vor einer Woche hatte es in dem Neubaublock schon einmal gebrannt, auch damals war wegen Brandstiftung ermittelt worden. Ob es einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen gibt, ist noch nicht klar.

Im brandenburgischen Königs Wusterhausen brannte in der Nacht eine Sportgaststätte in kurzer Distanz zu einem Gebäude, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird. Die Polizei schloss zunächst aus, dass es sich um einen Anschlag auf das geplante Asylheim gehandelt haben könnte. "Mutmaßliche Täter würden das eine nicht mit dem anderen verwechseln", sagte ein Sprecher der Polizei.

Auch die Sprecherin des Landkreises Dahme-Spreewald, Heidrun Schaaf, sagte dem Tagesspiegel, das Gebäude mit der Sportgaststätte werde nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt. Es sei 50 mit 70 Meter von dem Haus entfernt, in dem Asylsuchende unterkommen sollten. Der Journalist Sören Kohlhuber berichtete im Widerspruch dazu unter Berufung auf Ortskundige, das ausgebrannte Objekt sei als Küche für die Flüchtlinge geplant gewesen, auch 30 Betten hätten dort Platz finden sollen. Der Landkreis bleibt dabei, dass die Unterkunft wie geplant am 1. September bezogen werden kann.

Der Tagesspiegel-Reporter Claus Steyer berichtete von vor Ort, dass es sich bei dem auf die Grundmauern niedergebrannten Gebäude um eine Sportgaststätte mit Kegelbahn handele. Dort seien keine intakte Stromleitungen mehr vorhanden, weswegen die Polizei einen technischen Defekt ausschließt. Zahlreiche leere Flaschen deuteten daraufhin, dass es sich bei dem ehemaligen Gelände, auf dem sich die ausgebrannte Kegelbahn und die zukünftige Unterkunft befinden, um einen beliebten Party-Treffpunkt handele. Früher sei im seit Jahren stillgelegten Sportzentrum Uckley unter anderem der BFC Dynamo im Trainingslager gewesen.

Das ehemalige Internatsgebäude, das derzeit für den Einzug von Flüchtlingen vorbereitet wird, sei frei zugänglich. Das gesamte Gelände ist sehr abgelegen, was die Ermittlungen der Polizei erschwere.

In dieser extrem aufgeheizten Stimmung besuchte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittag eine Registrierstelle für Flüchtlinge im bayerischen Deggendorf. Hier werden vor allem Asylbewerber registriert, die an der Grenze zu Österreich auf der Balkanroute aufgegriffen werden. Er sagte dort, dass in diesem Jahr in Deutschland deutlich mehr Flüchtlinge als die zuletzt prognostizierten 450.000 erwartet werden. Die Bevölkerung müsse sich darauf einstellen, dass die neue Prognose "erheblich höher als bisher geschätzt" ausfallen werde. Die Zahlen forderten heraus, aber "wir bekommen das hin".

In Deggendorf werden seit Anfang August jeden Tag rund 250 Flüchtlinge registriert, bevor sie auf Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt werden. Dafür sind täglich 300 Beamte in zwei Schichten im Einsatz. Derzeit
werden nach Angaben der Bundespolizei am Tag an die 500 Asylbewerber rund um Passau aufgegriffen, die meist über die Balkanroute nach Deutschland geschleust werden. (mit dpa/epd/KNA)


Aus: "Haldensleben und Königs Wusterhausen: In Deutschland brennen Flüchtlingsunterkünfte"
Matthias Meisner und Martin Pfaffenzeller (11.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/haldensleben-und-koenigs-wusterhausen-in-deutschland-brennen-fluechtlingsunterkuenfte/12172006.html


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#147
QuoteZwei Mediziner sind entsetzt über die Zustände, die sie in der Dresdner Zeltstadt vorgefunden haben. In dem Flüchtlingscamp spiele sich eine humanitäre Katastrophe ab. Interview: Anant Agarwala, Dresden

ZEIT ONLINE: Herr Loewenbrück, Herr Ehniger, Sie haben als Ärzte freiwillig im Flüchtlingscamp in Dresden gearbeitet. Wie sieht es da aus?

Kai Loewenbrück: Ich hätte nicht gedacht, dass Zustände wie in der Zeltstadt in einem Land wie Deutschland möglich wären. Medizinische und hygienische Mindeststandards werden nicht eingehalten. In einer Stadt wie Dresden, mit einer hervorragenden medizinischen Infrastruktur. Ich habe schon als Medizinstudent in Townships in Südafrika gearbeitet: selbst unter den dortigen Bedingungen wurde mehr dafür getan, den Menschen zu helfen.

ZEIT ONLINE: Wie sieht es im Camp konkret aus, was sind die Probleme?

Gerhard Ehninger: Bei der Unterbringung wurden nicht einmal die Mindeststandards der WHO für Flüchtlingscamps eingehalten, an die man sich normalerweise selbst im Krieg halten müsste. Im Ambulanzcontainer herrscht eine Temperatur von 35 Grad. Medikamente können nicht vernünftig gelagert werden, teils stammt das Material aus im Jahr 2007 abgelaufenen Verbandskästen. Es gibt keine Möglichkeit, Männer und Frauen getrennt voneinander zu untersuchen. Das führt dazu, dass man viele Insassen – denn so muss man die Flüchtlinge angesichts ihrer Unterbringung bezeichnen – gar nicht untersuchen kann. Es gibt zu wenige Toiletten, zunächst waren diese sogar ohne fließend Wasser. Die hygienischen Bedingungen sind sehr schlecht. So konnten sich virale Durchfallerkrankungen und die Krätze ausbreiten. Es fehlte an einfachsten Utensilien: Untersuchungsliegen, Blutdruckmessgeräten, Stethoskopen und sogar an Desinfektionsmitteln.

Loewenbrück: Und man muss dazu sagen, dass das meiste, was da ist, von den freiwilligen Ärzten aus ihren Krankenhäusern mitgebracht wurde. Im Camp wird unser Grundgesetz nicht eingehalten: das Menschenrecht auf Gesundheit. Das Recht auf Privatsphäre. Die Würde des Menschen. Auch das Kindeswohl ist im Camp aus ärztlicher Sicht in Gefahr. Man muss es so deutlich sagen: es geht um das Leben von Menschen. Viele Flüchtlinge sind erst im Camp krank geworden. Dort spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab, während ein paar hundert Meter weiter die Leute am Elbufer liegen.

ZEIT ONLINE: Glaubt man Staatssekretärin Andrea Fischer, ist die Lage vor Ort im Griff.

Ehninger:  Staatssekretärin Fischer vermittelt den Eindruck, alles sei in Ordnung und die Ehrenamtlichen würden es schon richten. Das entspricht aber nicht dem Informationsstand, den sie zum Zeitpunkt ihrer Aussagen in Wirklichkeit hatte: dass es sich um einen medizinischen Notstand handelt. Deshalb versucht man auch, den Ärzten den Kontakt mit der Presse zu untersagen. Wer aus Sorge um die Menschen über das Camp spricht, wird rausgeworfen. Das droht nun vermutlich auch uns.

ZEIT ONLINE: Was sind das für Leute, die sich um die medizinische Versorgung kümmern?

Loewenbrück: Vor allem junge und unerfahrene Kollegen, manche mit zwei Monaten Berufserfahrung, die selbst in einem bestens ausgestatteten Krankenhaus die Hilfe von Oberärzten brauchen. Das sind die, die dort freiwillig nach ihren Schichten im Krankenhaus noch arbeiten. Und die Ehrenamtlichen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), die zwölf Stunden und mehr in einer Affenhitze schuften.

ZEIT ONLINE: Wer ist schuld an der Situation?

Loewenbrück: Es geht nicht darum, die Leute vor Ort zu kritisieren. Die Mitarbeiter des DRK und aus den Kliniken versuchen alles, um den Menschen zu helfen. Aber die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen sorgen nicht für gesetzlich geregelte Mindeststandards, die für alle Menschen in Deutschland gelten.

Ehninger: Die Landesdirektion Sachsen versagt. Ob aus Unfähigkeit oder Absicht. Geflüchtete leben in engen Zelten bei 35 Grad, werden sanitär nicht ausreichend versorgt und bekommen teilweise zu wenig Essen. Es treibt einem die Tränen in die Augen. Es kann nicht alles durch Ehrenamtliche aufgefangen werden wie bisher.

ZEIT ONLINE: Welche Rolle spielt Ministerpräsident Stanislaw Tillich?

Loewenbrück: Es ist unerträglich: Am selben Abend, an dem sich engagierte Mediziner, Professoren, die Leiter vom DRK und anderen Institutionen zu einer Krisensitzung treffen, um über Sofortmaßnahmen zur Verbesserung zu sprechen, gibt Tillich eine Erklärung heraus, Abschiebecamps eröffnen zu wollen. Es ist beschämend. Er sollte vielleicht erst mal dafür sorgen, internationale Mindeststandards einzuhalten.

ZEIT ONLINE: Was erwarten Sie von der Politik?

Ehninger: Endlich eine Abstimmung zwischen den verschiedenen Verantwortlichen. Dresden hat leerstehende, voll funktionsfähige Arztpraxen. Sogar eine nicht ganztags belegte Ambulanz der kassenärztlichen Vereinigung. All das könnte die medizinische Versorgung der Flüchtlinge sofort verbessern. Das wurde den zuständigen Behörden und Ministerien schon längst mitgeteilt, aber es ist nichts passiert.

ZEIT ONLINE: Was macht Ihnen Hoffnung?

Loewenbrück: Das Engagement so vieler Leute in der Stadt. Die vielen Freiwilligen. Wir senden ein Signal: Dresden und Sachsen stehen bereit, gesamtgesellschaftliche Probleme mit anzupacken. Die Politik muss endlich nachziehen.


Aus: "Zeltstadt Dresden: "Im Camp wird unser Grundgesetz nicht eingehalten"" (6. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/dresden-zeltstadt-fluechtlinge-medizinische-versorgung/


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Quote[...] Mitten in der Nacht kamen die Angreifer. Sie brachen ins Erdgeschoss einer Villa in Niederstedem ein. Dort wohnten vier Ägypter, die aber glücklicherweise nicht zu Hause waren – denn die Täter legten Feuer. Eine Funkstreife bemerkte die Flammen um halb zwei. Die Möbel im Erdgeschoss verbrannten, das Haus wurde beschädigt.

Die Polizei ist sich inzwischen sicher: Es war Brandstiftung. Jemand hatte versucht, das Haus in dem rheinland-pfälzischen Ort Niederstedem niederzubrennen. Junge Männer lebten dort, und das Feuer wurde mit großer Wahrscheinlichkeit gelegt, weil diese Männer Flüchtlinge waren.

Niederstedem ist alles andere als ein Einzelfall. In diesem Jahr brennt es in ganz Deutschland: im sächsischen Tröglitz und in Meißen, in Königs Wusterhausen in Brandenburg, aber auch in Waldaschaff, Reichertshofen, Vorra und Eichstätt, allesamt in Bayern gelegen, auch in Remchingen in Baden-Württemberg und in Lübeck an der Ostsee zündeten Fremdenfeinde Häuser an, die Asylbewerbern Zuflucht geben sollten.

Flüchtlinge werden in Deutschland, so sieht es aus, nicht mit offenen Armen, sondern mit Flammen empfangen. Ist das überall so? Ist es immer so? Nein, es gibt Beispiele, die zeigen, dass da auch hilfsbereite Bürger sind, die Fremde willkommen heißen. Das Tauziehen zwischen den Zündlern und den Zivilisierten hat begonnen.

Die Retter sind nur nicht so gut sichtbar wie die Schreihälse. Um die helfenden Hände zu finden, muss man sich auf den Weg machen: nach Kamen in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, an den Stadtrand Berlins oder ins bayrische Gersthofen. Dort finden sich Sozialarbeiter, Bürgermeister und engagierte Menschen, die nicht länger abwarten, sondern etwas tun.

Zum Beispiel Max Engels und Michel Wegmann aus Kamen. Die beiden Sozialarbeiter wohnen in einem verwinkelten Haus am Rande der Innenstadt. ,,Viva la evolución" steht unter einem affenköpfigen Che Guevara auf Wegmanns Shirt. Die beiden sehen sich als ,,verkappte Idealisten". Ihre Haltung ist klar: Seit den 1980ern würden Menschen in riesige Heime gepfercht – um abzuschrecken. Für sie Ergebnis von 30 Jahren gewollt-verfehlter Asylpolitik. Aber beide engagieren sich – in vier dezentralen Asylunterkünften in Kamen. Die Wohnungen sind in der 44.000-Einwohner-Stadt verteilt. In diesen kommunalen Wohnungen helfen ausschließlich Ehrenamtliche. Max Engels und Michel Wegmann besuchen mehrmals in der Woche Flüchtlingsfamilien. Sie setzen sich mit ihnen an einen Tisch und reden. Sie helfen bei Anträgen für Sozialamt, Jobcenter und Konsulat. ,,Viele Hausbewohner freuen sich schon, wenn man ihren Namen noch weiß", sagt Engels.

Aber der Platz reicht längst nicht. Auch in Kamen gibt es seit ein paar Tagen eine neue Unterkunft. Wie überall in der Republik sprießen Container, Zeltlager und Erstaufnahmestellen aus dem Boden. Kanzlerin Angela Merkel bereitet das Land auf 750.000 Flüchtlinge im Jahr 2015 vor. Im Normalmodus sei das nicht zu bewältigen. In NRW zum Beispiel kommen 1.000 neue Flüchtlinge an – täglich. Die großen Heime sind restlos überfüllt.

Das alte Schild am Eingang der neuen Sammelunterkunft hat noch niemand abgenommen. ,,Polizeiautobahnstation Kamen" steht auf der weißen Holzplatte. Ein schwerer Eisenzaun umfasst das Gelände. Jenseits des Zauns reihen sich üppig begrünte Einfamilienhäuser aneinander. Eine angrenzende Kleingartenanlage trägt den verheißungsvollen Namen ,,Schöner Fleck". Letzte Woche sind die ersten Flüchtlinge in die alte Polizeikaserne eingezogen. Das Heim ist eine Auffangstation, es soll Entlastung für die vollkommen überlaufenen Erstaufnahmeeinrichtungen in Dortmund und Unna-Massen bringen. Unweit des Kamener Kreuzes, wo sich A1 und A2 kreuzen, treffen nun Flüchtlinge, Anwohner und Helfer aufeinander. Trotz Zaun und Kasernierung versucht das Rote Kreuz die Unterbringung angenehm zu gestalten. Täglich wird ein Flohmarkt veranstaltet, auf dem sich die Asylsuchenden mit Kleidung und Alltagsgegenständen eindecken können. Familien werden vorzugsweise zusammen untergebracht, auch wenn dafür mal ein Bett frei bleiben muss.

Aber auch die andere Seite macht mobil. Seit einigen Wochen schieben sich immer wieder Neonazis in borussiagelben T-Shirts durch die U-Bahnen, Aufschrift: ,,Die Rechte – Stadtschutz Dortmund". Anfang Februar zogen sie mit Fackeln vor das Asylbewerberheim in Eving. In der Bezirksregierung spricht man von ,,Einzelfällen". Verglichen mit den Übergriffen von Wutbürgern betont der Sprecher aber die ,,Welle der Hilfsbereitschaft".

Die Arnsberger Bezirksregierung setzt auf erfahrene Institutionen wie das Rote Kreuz, die Johanniter oder das Kolpingwerk. Diese Hilfsorganisationen sind so etwas wie die vororganisierte Zivilgesellschaft. Sie übernehmen für den Staat die Verwaltung größerer Einrichtungen. Sie seien ,,bestens strukturiert", sagt der Sprecher der Regierung erleichtert. Längst aber tun sich auch die empathischen Teile der Gesellschaft von sich aus zusammen.

Ortswechsel von Nordrhein-Westfalen nach Bayrisch-Schwaben, nach Gersthofen. Herwig Puschner trifft beim Einkaufen einen Schützling, einen jungen Mann aus Eritrea. ,,Kommst du nach den Ferien wieder zum Deutschkurs?", will der pensionierte Lehrer Puschner wissen. ,,Ja, klar", gibt der Junge zurück. ,,Wie sieht's mit Arbeit aus?" – ,,Schlecht, ich habe noch keine gefunden."

Immerhin, in Gersthofen gibt es für Flüchtlinge immer wieder Ein-Euro-Jobs. Im Bauhof etwa. Der parteilose Bürgermeister Gersthofens heißt Michael Wörle, er findet solche Jobs wichtig. ,,Das sind einfache Aufgaben", sagt Wörle, ,,für die man nicht viele Worte braucht, bei denen man aber lernt, wie ein Arbeitstag in Deutschland abläuft, was in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten wichtig ist."

Die 22.000-Einwohner-Stadt Gersthofen ist eine der bayrischen Boomtowns. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Der Stadtrat taxiert die Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr auf 18 Millionen Euro. Vor einigen Jahren kam die Kommune bundesweit in den Schlagzeilen. Aus ihrem Haushaltsüberschuss hatte sie 100 Mark an jeden Bürger zurückbezahlt. Heute wird das Geld anders eingesetzt – für Flüchtlinge. Die Kommune zahlt die Lehrbücher, mit denen ehrenamtliche Helfer den Asylsuchenden Deutsch beibringen.

Auf die anderen Gemeinden im Landkreis ist Wörle nicht gut zu sprechen. Um die Erstunterbringung der Geflüchteten hätten sich die meisten viel zu spät gekümmert. Flüchtlinge müssen dort auf Matratzen in der Schulturnhalle übersommern. Michael Wörle denkt an die Zukunft. ,,Diejenigen, die sich langfristig hier niederlassen können, werden Wohnraum brauchen." Bis Jahresende wird sich in Gersthofen die Zahl der Flüchtlinge von 100 auf 200 verdoppelt haben, mindestens.

Die Hälfte derer, die schon da sind, leben über die Kleinstadt verteilt in Wohnungen. Die anderen 50 wurden in einer Unterkunft am Rande des weitläufigen Gewerbegebiets untergebracht. Treten sie vor die Tür, dann haben sie den Grund für Gersthofens Reichtum direkt vor Augen. Ein Unternehmen reiht sich an das nächste, der Parkplatz vor dem riesigen Supermarkt gegenüber ist am Wochenende brechend voll. Noch größer als der Supermarkt ist die Ikea-Filiale gleich um die Ecke, direkt dahinter beginnt Bayerns drittgrößte Stadt, Augsburg.

Die Gegend hier regieren schmucklose Gebäude und viel Teer. Aber dieser Tage blitzt hinter dem grauen Zaun ein ganz neues Fertighaus in der Sonne. Ein Holzhaus, das gar nicht wie eine Notunterkunft für Asylbewerber anmutet. Aber genau das ist es: das neue Haus für Flüchtlinge. Sieht aus wie ein schickes teures Fertighaus. Aufgestellt hat es eine Stiftung, vier weitere werden folgen, um Flüchtlinge unterzubringen. Die Stiftung vermietet die Häuser für zehn Jahre an den zuständigen Landkreis, der händeringend nach Asylunterkünften sucht. So erwirtschaftet sie in Zeiten von Niedrigzinsen Erträge – und kann damit ihren eigentlichen Stiftungszweck erfüllen, die Unterstützung erwachsener Menschen mit Behinderung. Das ist zwar kein Altruismus, sondern philantropischer Pragmatismus. Aber dass am sinnvollsten ist, was allen hilft, ist gerade in Bayern eine weithin akzeptierte Devise.

Die Meinung, dass Flüchtlinge eher schaden als helfen, findet allerdings auch in Gersthofen Anhänger. Ein Anwohner aus der Nachbarschaft der Unterkunft warf im Frühling Unterschriftenlisten in die Briefkästen, um gegen die ,,Konzentration von Flüchtlingsunterkünften" zu protestieren. Durch ,,Ghettoisierung" drohten angeblich Wertverluste für Grundstückseigentümer. Über 100 Unterschriften landeten bei Bürgermeister Wörle auf dem Tisch.

Wörle lehnte eine öffentliche Diskussionsveranstaltung freilich ab. ,,Rechtsextreme Schreihälse bekommen hier kein Forum", sagt er. Stattdessen wandte sich der Ortsvorsteher an alle besorgten Bürger – und lud sie zu Einzelgesprächen ein. Zwei Dutzend Anwohner kamen ins Rathaus. Er habe die Situation erklärt, sagt Wörle, den man auf gut bayrisch ein ,,g'standenes Mannsbild" nennen würde. Es gebe keine Grundlage für die Furcht vor steigender Kriminalität. ,,Seitdem ist Ruhe."

So einfach geht Flüchtlingspolitik allerdings nicht immer. In Berlin eskalierte kürzlich die Lage vor einer Erstaufnahmeeinrichtung. Hunderte Flüchtlinge warteten vor dem Gebäude des zuständigen Landesamtes auf die Formalien ihrer Erstaufnahme. In sengender Hitze saßen Hunderte Menschen herum, manchmal campierten sie auf dem Boden. Eine hygienische und humanitäre Notlage drohte. Bis sich die Hauptstädter über Twitter informierten und eine Wasser-, Eis-und-Hilfsgüterwelle über die Flüchtlinge schwappte.

Nun rollt 25 Kilometer weiter ein weißer Reisebus vor. Wir sind in Karlshorst, am anderen Ende der Millionenmetropole. Auf den Bussen steht groß VIP, ungefähr 40 Männer steigen aus. Viel Gepäck hat keiner von ihnen dabei. Ein schwarz gekleideter Sicherheitsmann weist mit umständlichen Gesten auf Bierbänke. Seit ein paar Tagen fahren regelmäßig Busse vor. Auch Karlshorst ist ein Notnagel. Die Stadt hat das Gelände zur Verfügung gestellt, wie in Kamen hat das Deutsche Rote Kreuz den Betrieb übernommen.

Das Besondere in Karlshorst ist, dass es nicht nur Notunterkunft ist. Auch das klassische Asylverfahren kann hier eingeleitet werden. Das entlastet das überforderte Landesamt. Irgendwie geht hier alles reibungsloser als bei der staatlichen Bürokratie. Hinter einem Schlagbaum sitzen die DRK-Helfer an vier Tischen. Nach und nach treten die Asylbewerber heran. Ruhig werden Personalien notiert und Zimmer zugewiesen. Es sind Dolmetscher da, auch sie freiwillige Helfer.

Auf dem Gelände spielen Kinder aus verschiedenen Nationen miteinander, einige malen mit Kreide auf dem Fußweg. Familien sitzen auf dem Bordstein und beobachten die Szenerie. Bald soll die Not- in eine reguläre Gemeinschaftsunterkunft umgewandelt werden. ,,Jetzt geht es aber erst mal darum, Leuten, die auf Wiesen campiert haben, ein Dach über dem Kopf zu geben", sagt der DRK-Sprecher. ,,Sie brauchen etwas zu essen, eine Schlafmöglichkeit und sollen zur Ruhe kommen."

Das DRK hat die Unterkunft im Eiltempo hergerichtet. Dafür waren bis zu 168 Helfer im Einsatz. Auch aus der Bevölkerung kommt viel Unterstützung. Es hat sich inzwischen ein Helferkreis von 50 Leuten aus der Umgebung gefunden. Sie sortieren die vielen Kleiderspenden und geben Essen aus. Die meisten kommen nach Dienstschluss vorbei. Sie organisieren sich online in Gruppen auf Facebook. Ein Anwohner sah die vielen Familien. Er sprach die Helfer des Roten Kreuzes an und erkundigte sich, wie viele Kleinkinder derzeit in der Notunterkunft seien. Wenige Stunden später kam er mit mehreren Kinderwägen zurück.

Andere Nachbarn sind skeptisch. Ein älteres Pärchen steht mit verschränkten Armen und finsterem Blick vor dem Objekt. Die Leute vom Roten Kreuz laden sie ein, sich das Haus von innen anzuschauen. Was sie sehen: Die Zimmer sind spartanisch, außer Betten ist da nichts. Die Hilflosen teilen sich zu dritt, sechst oder acht ein Zimmer. Zur Begrüßung wird ein Starter-Kit mit Kissen, Bettwäsche, einem Handtuch und Zahnpasta überreicht.

Etwa 200 Flüchtlinge wurden am vergangenen Freitag noch erwartet. Das neue Heim, das die katastrophalen Zustände der Berliner Erstaufnahme beheben half, wird dann komplett ausgelastet sein. Eine Woche nach seiner Eröffnung. Dann sind 997 Menschen aus Syrien, Afghanistan, Marokko, Ägypten, Vietnam und dem Balkan in Karlshorst untergebracht.

Wo sollen die Menschen nur alle hin? Die öffentliche Debatte torkelt. Ein Busfahrer aus Erlangen avanciert zum nationalen Helden, weil er auf Englisch ,,Willkommen in Deutschland" sagt. Goslars Bürgermeister will mehr Flüchtlinge in seiner aussterbenden Stadt haben. Derweil möchte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an Balkanflüchtlinge nur noch Gutscheine ausgeben. Zwischen Hilfsbereitschaft und Hassparolen ist alles zu haben. Manchmal hilft selbst Wut – auf paradoxe Weise.

In Gersthofen wollten im Jahr 2013 Nazis eine Kundgebung abhalten. Schnell verabredete sich die Stadt zur Gegenwehr. Es gründete sich der Verein ,,Gersthofen ist bunt". Der Platz war voll von Gegendemonstranten, die Handvoll Nazis zog bald wieder ab. Geblieben ist der Verein, mit Bürgermeister Michael Wörle als Vorsitzendem. Bei der Gegendemonstration verkündete die örtliche Rektorin der Mittelschule Gersthofen, dass man ,,Toleranz im Kleinen anbahnen" müsse. Was Sigrid Puschner damals sagte, ist inzwischen Wirklichkeit geworden. Der Kern der im ,,Helferkreis Asyl" organisierten Bürger stammt aus ,,Gersthofen ist bunt".

Sie begleiten Flüchtlinge bei Behördengängen, besorgen Fahrräder, helfen bei der Eröffnung eines Bankkontos, ein Ex-Profi trainiert in Gersthofens kleinem Stadion eine Fußballmannschaft. Einige geben Deutschunterricht wie Herwig Puschner, der Mann der Rektorin. Seit Ostern lehrt er mit zwei anderen Freiwilligen eine Gruppe von 15 Flüchtlingen die deutsche Sprache.

Wenn man mit ihm darüber spricht, dann macht er keine großen Worte, sondern sagt das, was wohl die meisten der vielen Menschen in ganz Deutschland sagen würden, für die Flüchtlingsarbeit mittlerweile Alltag geworden ist: Dass die Menschen sich aus völlig nachvollziehbaren Gründen hier in Sicherheit gebracht haben, dass der dringlichste Wunsch der meisten sei, hier eine Arbeit zu finden und dass sie dafür eben Sprachkenntnisse bräuchten.

Kurz vor den Sommerferien haben die Mittelschüler in Gersthofen Spenden gesammelt, für syrische Flüchtlingskinder in den Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes und für die Verbesserung der Situation von Jugendlichen in Südosteuropa. Die Schüler spielten Theater, verteilten selbstgemachten Kuchen und wuschen Autos. ,,Sie waren stolz auf die 2.500 Euro am Ende, aber zugleich ziemlich aufgewühlt wegen mancher Kommentare", sagt die Rektorin. Kommentare wie: ,,Die sind doch eh schon alle hier, warum sammelt ihr für die denn Geld."

Längst ist der Funke auch auf die Wirtschaft übergesprungen. Im September sollen 30 junge Flüchtlinge im Großraum Augsburg eine Ausbildung beginnen. Als der Bundestag Anfang Juli ein Abschiebungsmoratorium für Flüchtlinge mit Ausbildungsvertrag verabschiedete, da war das dem Geschäftsführer der hiesigen Industrie- und Handelskammer nicht genug. Peter Saalfrank sagte, die Azubi-Flüchtlinge bräuchten mindestens zwei Jahre über das Ende ihrer Ausbildung hinaus Rechtssicherheit. Er nennt es das 3+2-Modell, es würde fünf Jahre Bleiberecht bedeuten. Ein Riesenschritt für die Geflohenen – und im Interesse der Wirtschaft.

Sicher ist indessen nicht nur im Landkreis Augsburg vor allem eines: dass immer mehr Flüchtlinge ankommen. 1.329 waren es laut aktuellster veröffentlichter Zahl Ende Juni, von weiteren 1.000 von jetzt bis Jahresende ist die Rede. In Gersthofen sind mittlerweile die ersten Flüchtlinge von der Gemeinschaftsunterkunft in das neue Holzhaus umgezogen.


Aus: "Die Stunde des Bürgers" Juliane Kipper, Simon Schaffhöfer, Sebastian Drexel (20.08.2015)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-stunde-des-buergers

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Quote[...]  Nach der Grenzöffnung zwischen Griechenland und Mazedonien sind allein in der Nacht zu Sonntag erneut mehr als 7000 Flüchtlinge von Mazedonien nach Serbien gelangt. Hunderte Menschen warteten noch an der Grenze, mit weiterem Andrang sei zu rechnen, teilte das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR in Genf mit. Mazedonien habe zugesichert, seine Grenzen für die Flüchtlinge geöffnet zu lassen.

Das UNHCR forderte die mazedonischen Behörden auf, mehr Personal an den Grenzübergängen einzusetzen, um Empfang und Weiterreise der Flüchtlinge besser organisieren zu können. Die UN-Organisation erklärte sich zugleich zur Unterstützung bereit. In Serbien verteilten UN-Hilfsorganisationen bereits Nahrungsmittel an die Migranten. Auf Bitte der serbischen Regierung wurde auch die Lieferung von Matratzen und Zelten geprüft.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) rief zu einer besseren Zusammenarbeit und gemeinsamen Anstrengungen bei der Flüchtlingshilfe auf. In den kommenden Tagen sei mit einem "dramatischen Anstieg" von den griechischen Inseln auf das europäische Festland drängender Flüchtlinge zu rechnen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) denkt angesichts des Streits um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge darüber nach, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Herrmann sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagausgabe) laut Vorabbericht: "Wer jetzt nicht handelt, setzt die Reisefreiheit in Europa aufs Spiel und hat es mit zu verantworten, wenn Deutschland sich gezwungen sähe, Grenzkontrollen wieder einzuführen."

Ziel sei es zwar, Freizügigkeit und Reisefreiheit in Europa zu erhalten. Dies sei aber nur möglich, wenn sich alle Mitgliedstaaten an die gemeinsamen Regeln hielten, so der CSU-Politiker. "Wenn abertausende Menschen mit dem Hauptziel Deutschland völlig unkontrolliert und ungesteuert über die griechische oder die italienische Grenze nach Europa strömen, funktioniert das System nicht mehr und verliert seine Akzeptanz."

Deutschland und Frankreich kündigten im Vorfeld eines Treffens in Berlin an, sich für eine gemeinsame europäische Linie einsetzen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande wollten bei dem Treffen am Montag "neue Impulse" für eine gemeinsame europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise geben, hieß es aus dem Elysée-Palast. Die bislang gefällten Entscheidungen der EU seien nicht ausreichend, die Krise werde sich nicht "von selbst" beenden.

Als vorrangig betrachten Berlin und Paris dabei den Angaben zufolge auch einheitliche Haltungen dazu, welche Staaten als "sichere Herkunftsländer" eingestuft werden. Bislang legt dies jedes EU-Mitglied selber fest, besonders mit Blick auf die Balkanländer gibt es sehr unterschiedliche Regelungen.

Beschleunigen wollen Merkel und Hollande auch die Einrichtung von Aufnahmezentren und die Identifizierung von berechtigten Asylbewerbern und illegalen Migranten bereits in Italien und Griechenland, wo derzeit die meisten Flüchtlinge eintreffen. Es sei nötig, "an allen Fronten gleichzeitig" voranzukommen, hieß es in Paris.

Seit Jahresanfang sind allein an den italienischen Küsten mehr als 100.000 Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten und Südasien angekommen. Deutschland stellt sich auf bis zu 800.000 Asylbewerber in diesem Jahr ein.




Aus: "Mazedonien: Tausende Flüchtlinge überqueren Grenze nach Serbien" (24. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-08/einwanderung-mazedonien-grenze-europa

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#150
Quote[...] Auf Kommando stürmen sie auf die Bundesstraße. Sie zünden Böller, werfen Steine und Flaschen gezielt auf Polizisten. Mehr als hundert Gewalttäter grölen ,,Wir sind das Volk!" und ,,Ausländer raus!" und ,,Nationaler Widerstand!" Es ist Sonnabend um 22.45 Uhr. Wieder eskaliert die Gewalt vor dem kurzfristig als Flüchtlingsunterkunft eingerichteten ehemaligen Praktiker-Baumarkt in Heidenau.

Es sind die gleichen Szenen wie schon in der Nacht zuvor. Es gibt kein Halten. Vermummte in Hooligan-Staffage zerschlagen Steine auf der Straße und schleudern die faustgroßen Brocken auf Polizisten. Einziger Unterschied zum Vorabend: Inzwischen sind mehr als 200 Männer, Frauen und Kinder in der Unterkunft eingetroffen.

Die letzten beiden Busse aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz haben erst am Abend den früheren Baumarkt gleich gegenüber vom Real-Markt erreicht. Während dort noch viele ihren Wochenendeinkauf erledigten, sammelten sich gegenüber auf dem Parkplatz des Hammer-Marktes Menschen, die von der Polizei offiziell ,,Asylkritiker" genannt werden. Das Gelände grenzt an das Flüchtlingsnotlager, das mit einem Bauzaun notdürftig geschützt ist. Weiße Folie soll die Sicht darauf verdecken. Davor steht die Polizei mit einem Großaufgebot.

... Bilanz dieser Nacht: Zwei verletzte Beamte, 65 Platzverweise, eine Festnahme. Die Polizei ermittelt wegen Sieg-Heil-Rufen und Hitlergrüßen, die immer unverhohlener gezeigt werden. Ob die Gewalttaten mit aller Härte verfolgt werden können? Allen Beteuerungen der Politik zum Trotz: Zur Strafverfolgung wegen schweren Landfriedensbruchs etwa kam die Polizei in dieser Nacht offensichtlich nicht. Man darf gespannt sein, ob es den Beamten gelingt, einzelne Täter aus der Masse zu zerren. Viele werden unerkannt davonkommen.

...


Aus: ",,Bombe um den Hals und bumm"" (23.08.2015)
Quelle: http://www.sz-online.de/sachsen/bombe-um-den-hals-und-bumm-3180726.html

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Quote[...] Im baden-württembergischen Weissach ist ein Gebäude abgebrannt, das für die Unterbringung von Asylbewerbern vorgesehen war. Verletzt wurde niemand.

Über die Brandursache könne noch nichts gesagt werden, sagte ein Polizeisprecher. Ausgeschlossen werden könne derzeit nichts. Auch ein Brandanschlag als Ursache sei möglich.

Der dreistöckige Altbau stand voll in Flammen, als die Rettungskräfte kurz nach 5.00 Uhr eintrafen. Die Feuerwehr hatte den Brand nach rund einer Stunde unter Kontrolle. Das Gebäude sollte in Kürze renoviert werden. Es sei nun definitiv unbewohnbar, hieß es. Der Schaden sei noch nicht zu beziffern.

In den vergangenen Monaten hat es immer wieder Brandanschläge auf Unterkünfte für Asylbewerber gegeben, meist bevor diese bezogen wurden. Mitte August brannte in der Eifel ein von vier Asylbewerbern bewohntes Haus. In Böhlen bei Leipzig wurde im Juli ein Flüchtlingsheim beschossen. Wegen einer Brandstiftung im Februar in Escheburg bei Hamburg wurde inzwischen ein Nachbar zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Vor anderthalb Wochen zündeten Unbekannte zudem die Scheune auf dem Hof des Ehepaars Lohmeyer aus Jamel an. Das Ehepaar kämpft seit Jahren gegen Rechtsextremismus in dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern.  

Quote
   FrauHuber, 24.08.2015

Die Brandstifter sind wieder da!
Was fuer eine Absurditaet. Die selbsternannten Retter des Abendlandes treten die Werte, die sie zu retten vorgeben mit Fuessen.




Aus: "Baden-Württemberg: Brand in geplanter Flüchtlingsunterkunft" (24. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/baden-wuerttemberg-feuer-asylunterkunft


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Quote[...] In der dritten Nacht seit Beginn der rechtsextremen Krawalle vor dem Asylbewerberheim im sächsischen Heidenau hat die Polizei die Lage durch massive Präsenz erstmals weitgehend beruhigt. Die Situation sei "entspannt", sagte der Sprecher der Polizeidirektion Dresden, Marko Laske, in der Nacht der Nachrichtenagentur AFP. Die eingerichtete Sicherheitszone hat sich bewährt, die Polizei zeigte massive Präsenz konnte die Gruppen rechter Demonstranten zerstreuen. Nur am Rande kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken. Letztere waren nach Heidenau gereist, um ihre Solidarität mit den Flüchtlingen zu bekunden.

... Zwei Tage lang hatte sich der braune Mob in Heidenau vor einer Flüchtlingsunterkunft ausgetobt. Und die Polizei war nie Herr der Lage. Das sollte sich am Sonntagabend unbedingt ändern nach all dem Druck durch Beobachter, Medien und schließlich auch Politiker.

Aus Dresden trafen am späten Sonntagabend rund 300 vermummte linke Demonstranten der Antifa vor der Notunterkunft der Flüchtlinge in Heidenau ein, um gegen die Rechten zu protestieren. Es flogen einige Böller, doch die Linken hielten sich weitgehend zurück und beschränkten sich auf verbalen Protest und das Zeigen von Transparenten. Anders als an den beiden Tagen zuvor, als der rechte Mob die Oberhand behielt, zeigte die Polizei nun massiv und konsequent Präsenz - sowohl gegen die Rechten als auch gegen die Linken, die bald darauf wieder zum Bahnhof gedrängt wurden.

Auf dem Weg dorthin kam es laut Polizei an einer Tankstelle zu einem Zwischenfall zwischen Linken und Rechten. Die Polizei setzte nach DPA-Angaben dpa Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die beiden Gruppen zu trennen. Es gab bei den kurzen Auseinandersetzungen Verletzte.

... Die Rechten hielten sich unterdessen auch in der Nacht zu Montag noch in kleinen Gruppen im Umfeld der Flüchtlingsunterkunft auf. Die Polizei hat einen Wasserwerfer in Stellung gebracht, der zwischenzeitlich auch in Richtung der Linken zielte, aber nicht zum Einsatz kam.

Vor dem blau-weißen Gebäude des ehemaligen Praktiker-Baumarkts standen am frühen Sonntagabend rund zwei Dutzend Polizeiautos. Journalisten und ein paar Leute von Pro-Asyl redeten mit Flüchtlingen, die immer in kleinen Gruppen aus dem durch einen zwei Meter hohen Zaun abgeschirmten Gelände kamen. "Wir haben Angst, dass es heute Abend wieder knallt", sagte ein 18-Jähriger aus Afghanistan. Etwa 300 Menschen seien bereits in dem Gebäude, erzählte er: "Alle im selben Raum, Männer, Frauen, Kinder, die meisten aus Syrien, aber auch aus Pakistan und dem Irak. Sie haben alle Angst vor den bösen Menschen."

Die "bösen Menschen" haben sich auf der anderen Seite der Bundesstraße, die von Heidenau nach Dresden führt, versammelt. Dort ist der Real-Markt, der am Sonntag geschlossen hat, was die Polizei als gutes Zeichen wertet. "Heute müssen die sich den Alkohol-Nachschub von der Tankstelle holen", sagte ein Beamter. Außerdem habe man einen Kontrollbereich eingerichtet. "Von denen kommt keiner mehr auf diese Seite."

Am Sonntagabend - zwei Tage nach Beginn der Ausschreitungen - kontrollierte die Polizei nun systematisch das Gebiet rund um die Einrichtung. Menschen wurden am Sonntagabend angesprochen und mussten sich teils ausweisen. In die Nähe des Gebäudes - einem früheren Baumarkt - wurden lediglich Unterstützer von Flüchtlingen gelassen.

Im Umfeld der Unterkunft hätten sich immer wieder auch Schaulustige und erkennbar rechte Gegner versammelt, sagte Polizeisprecher Marko Laske. Diese seien von den Beamten persönlich angesprochen worden. ,,Potenzielle Gewalttäter werden so in die Öffentlichkeit gezogen, weil ihre Personalien aufgenommen werden", erklärte Laske. Dies habe auch eine abschreckende Wirkung.

In Heidenau gilt seit Sonntagabend ein Kontrollbereich. Dieser ermöglicht der Polizei etwa eine anlasslose Feststellung von Personalien. Außerdem können leichter Platzverweise ausgesprochen werden. Zudem sind laut Polizei mehr Beamte vor Ort als an den beiden Vorabenden. Angaben zur genauen Anzahl machte die Behörde nicht. Erstmals standen auch zwei Wasserwerfer bereit.

Am Nachmittag hatte endlich auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Heidenau besucht. Etwa eine Stunde war er im Heim, dann trat er vor die draußen wartenden Journalisten. "Grenzen seien da überschritten worden", sagte er: "Vor allem in der letzten Nacht". Er erwarte von allen Sachsen, dass sie den Menschen, die aus anderen Teilen der Welt kämen, nicht mit Fremdenhass sondern mit Achtung begegneten. "Das ist unsere humanitäre Pflicht", sagte Tillich: "Gegen solche Gewalttäter gibt es hier Null Toleranz." ,,Denn es kann nicht sein, dass Asylbewerber, Hilfskräfte oder Polizisten angegriffen werden aus blindem Hass. Das ist nicht tolerabel".

Kritische Fragen zur Vorgehensweise der Polizei, wies er zurück. "Wir werden das Gewaltmonopol des Staates hier durchsetzen", sagte er: "Dafür hat die Polizei die Voraussetzungen, die sie braucht."

Tillich bedankte sich auch beim Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz (CDU), an dessen Haus der braune Mob am Wochenende vorbeigetobt war. "Volksverräter" hatten die Neonazis gerufen, aber Opitz zeigte sich davon unbeeindruckt. "Es gibt auch viele andere Menschen in Heidenau", sagte er. Am Montag wolle er mit "Multiplikatoren" reden und einen Anlaufpunkt für die vielen Heidenauer schaffen, die den Flüchtlingen helfen wollten. Aber zuvor müsse man wieder eine Nacht überstehen, sagtte Opitz. Er habe wenig Hoffnung, dass es ruhig bleibe.

Am Sonntagnachmittag war nichts mehr davon zu sehen, dass der Fremdenhass in der Nacht zuvor ein weiteres Mal in Heidenau gewütet hat. Den "Praktiker"-Baumarkt im Gewerbegebiet am Ortsrand umgibt ein etwa zwei Meter hoher provisorischer Zaun, Sichtschutzplanen verdecken jede Sicht auf die Notunkterkunft Flüchtlinge. Am Eingang stehen Sicherheitsleute und Polizei, außer einer Handvoll Leute aus Heidenau und ein paar Flüchtlingen ist niemand zu sehen. Die Straße ist leer, weder Scherben noch Schutt liegen auf dem Boden.

Laut "Sächsischer Zeitung" wurde dort ein besonderer Sicherheitsbereich eingerichtet. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte. ,,Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Einrichtung eines Kontrollbereiches in Heidenau, um potenzielle Gewalttäter frühzeitig zu identifizieren." Personenkontrollen ohne Anlass sind dort nun möglich, Platzverweise und Aufenthaltsverbote können ausgesprochen werden. Unbedingt soll eine dritte Nacht der Nazi-Randale verhindert werden. Um 18 Uhr am Sonntagabend trat der Sicherheitsbereich in Kraft.

Am Abend und in der Nacht zuvor war das anders gewesen. Erneut hatten Rechtsextreme gegen die Flüchtlinge randaliert, sie warfen am späten Samstagabend Bierflaschen und Böller sowie Baustellenmaterialien auf Polizisten. "Es waren ähnliche Szenen wie in der Nacht zuvor", sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. Die Polizei ging mit Schutzschilden gegen die teils betrunkenen Bürger vor und räumte die Straße. Ein MDR-Reporter berichtete, die Situation sei wie aus dem Nichts eskaliert. Die Polizei sei aber besser vorbereitet gewesen als Freitagnacht und konnte den Mob zurückdrängen, meldete der Sender. Aber auch danach habe es Jagdszenen zwischen Beamten und Rechten gegeben.

Die inzwischen mehr als 300 Flüchtlinge haben den Lärm der Straßenschlacht aus dem Baumarkt heraus mitgehört. Ein 37-jähriger Syrer ist jetzt mit seinen zwei Söhnen, 18 und 15 Jahre alt, vor das Tor getreten und erzählt, dass die Familie jetzt seit einer Woche in Deutschland sei. Abdul Rahman ist Ingenieur, seine beiden Söhne möchten wie der Vater ebenfalls gerne studieren. Jetzt allerdings habe sie Angst. "In Syrien war Krieg, und hier ist auch Krieg", sagt einer der beiden Jungen. Ein Reporter des MDR hat mit einem afghanischen Flüchtling gesprochen, der sagt auch, er habe Angst. Er habe die Demonstrationen mitbekommen und verstehe die Situation nicht. In Afghanistan sei die Situation schon wirklich schlimm, aber hier fühle er sich jetzt auch nicht wohl.

Im Polizeibericht zur der Eskalation der zweiten Nacht werden die am Samstagabend randalierenden Rechtsextremisten als "Gruppe mit zeitweise rund 250 Personen, die sich asylkritisch äußerten", beschrieben. Es sei aus "aus der Personengruppe der Asylkritiker heraus zu einem organisierten Angriff auf die eingesetzten Polizeibeamten" gekommen. Zwei Beamte seien verletzt worden. Die Polizei hat nach eigenen Angaben Ermittlungen unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs aufgenommen. Eine Person wurde demnach vorläufig festgenommen. Darüber hinaus seien 65 Platzverweise ausgesprochen und zudem die Identität von 23 Personen festgestellt worden.

Bereits am Freitagabend hatte ein dpa-Reporter beobachtet, wie Flüchtlinge als "Schweine" und "Viehzeug" beschimpft wurden, wie in der Kleinstadt Heidenau völlig aus der Luft gegriffene Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt werden. "Eure Frauen werden alle vergewaltigt, ihr könnt sie nicht mehr schützen", rief beispielsweise eine Frau mittleren Alters beschwörend einer Gruppe junger Männer zu. Jugendliche wiederum sangen leise vor sich hin: "Die Reihen fest geschlossen" - eine Verszeile des verbotenen Horst-Wessel-Liedes der Nazis.

Anwesende Landespolitiker zeigten sich erschüttert. Der Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen, Jürgen Kasek, twitterte: "Eine beispiellose Ohnmachtserklärung des Staates. In Heidenau triumphiert heute Nacht der rassistische Mob. Wir schreiben das Jahr 2015." Valentin Lippmann, Innenpolitiker der Grünen im Dresdner Landtag, schrieb am späten Samstagabend auf Twitter: "Heidenau abrupt verlassen, weil Sicherheit nur noch bedingt gewährleistet werden kann. Das ist das Endspiel um Gewaltmonopol des Staates."

Der sächsische Linken-Landesvorsitzende Rico Gebhardt erklärte: "Ich erwarte, dass der Staat nicht wie in Rostock 1992 vor den Nazis und Rassisten unter dem Beifall ,besorgter Bürger' kapituliert."

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann, schrieb in dem Kurznachrichtendienst: "Es darf keine 3. Nacht der Gewalt in Heidenau geben. Rassistische Ausschreitungen stoppen. Hartes Durchgreifen der Polizei notwendig."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verurteilte in scharfen Worten die Angriffe gegen Flüchtlinge in Heidenau: "Diejenigen, die gegenüber Flüchtlingen, egal aus welchen Gründen sie nach Deutschland gekommen sind, Hass und Angst schüren und die Polizeibeamte angreifen und verletzen, stellen sich außerhalb unserer Wertegemeinschaft", sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. "Die Vorgänge sind beschämend für unser Land und absolut inakzeptabel. Jeder Flüchtling der zu uns kommt, egal aus welchen Motiven, hat ein Recht darauf, sicher und vernünftig untergebracht zu werden."

De Mazière sagte weiter: "Jeder der das in Frage stellt, sollte sich nur für einen Moment in die Situation der Flüchtlinge versetzen. Jeder, der die Flüchtlinge beleidigt oder gar tätlich angreift, wird die volle Konsequenz des Rechtsstaats zu spüren bekommen. Wir werden uns das nicht gefallen lassen."

Am Sonntag, zwei Tage nach Beginn der Krawalle, nahm erstmals auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) Stellung zu den Ausschreitungen in Heidenau. Er sagte dem Tagesspiegel: "Mich erschüttern die Ereignisse zutiefst. Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen. Wir lassen uns das nicht bieten, wir werden mit aller Macht dagegen vorgehen. Das ist nicht unser Sachsen. Hier verstößt eine Minderheit brutal gegen Werte und Gesetze Deutschlands."

Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) besucht am Montag die Flüchtlingsunterkunft. Das teilte sein Sprecher Tobias Dünow am Sonntag in Berlin mit. Der SPD-Chef folgt einer Einladung von Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU).

Gabriel will in Heidenau auch mit dem sächsischen Vizeministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) zusammentreffen. Der Bundeswirtschaftsminister wollte am Montag ohnehin im Rahmen seiner Sommerreise Unternehmen im nahegelegenen Dresden besuchen. Dieses Programm wurde nun laut Wirtschaftsministerium geändert.

In den Abendstunden des Samstags hatten sich zunächst rechte und linke Demonstranten in Heidenau gegenüberstanden, etwa 250 Unterstützer der Flüchtlinge waren unter anderem aus Dresden angereist. Die Lager waren durch eine Straße voneinander getrennt. Die Atmosphäre in der kleinen Stadt südöstlich von Dresden sei angespannt gewesen, heißt es.

Bis zum Samstagabend trafen etwa 120 neue Flüchtlinge in der Notunterkunft ein. Die vier Busse fuhren ungehindert vor das Gebäude. In der Nacht zuvor hatten Hunderte Menschen die Zufahrt blockiert. Sie pöbelten gegen die hilfesuchenden Menschen, warfen Müll auf die Straße und gingen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Polizei los. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) erklärte die Ausschreitungen vom Freitagabend im MDR-Fernsehen mit den Worten: "Es hat Alkohol 'ne Rolle gespielt, Menschen haben sich hochgeschaukelt." Das habe nichts mit Protest zu tun, "wir werden uns das nicht gefallen lassen". Aus den Reihen der Opposition im Landtag gibt es seit Wochen Rücktrittsforderungen gegen den Minister.

Veronika und Cornelius H. kommen selbst aus Heidenau und sind am Sonntagnachmittag zusammen mit ihren Kindern zum Baumarkt an der Bundesstraße 172 geradelt. Die Berichte über die Ausschreitungen der Rechtsextremisten haben sie schwer erschüttert. Jetzt würden sie gerne ein Zeichen setzen. Die Mutter hat Muffins gebacken, die sie gerne an die Flüchtlinge weitergeben würde. Normalerweise ist so etwas nicht erlaubt, aber diesmal machen die Sicherheitsleute eine Ausnahme. Jedenfalls nehmen sie das Gebäck in Empfang. (mit AFP/dpa)




Aus: "Polizei greift durch, dritte Nacht weitgehend ruhig" Matthias Meisner und Sandra Dassler (24.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/heidenau-randale-gegen-fluechtlinge-polizei-greift-durch-dritte-nacht-weitgehend-ruhig/12222388.html


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Quote[...] Täglich höre ich davon, dass Menschen gegen die Unterbringung von Asylbewerbern auf die Straße gehen. Mir kommt das vor, wie der Ausbruch des Bösen in uns allen in einem mittelmäßigen Stephen-King-Roman: Es macht mir Angst. Es macht mich wütend. Es beschämt mich. Dagegen zu wettern, hilft ein bisschen, weil es zur Selbstvergewisserung beiträgt. Aber es klärt nichts, im Gegenteil, es verschärft die Lage. Ich will verstehen, warum passiert, was passiert, damit ich dazu beitragen kann, dass es aufhört. Denn was vor den Flüchtlingsunterkünften in Meißen, Freital oder Heidenau passiert ist falsch, dessen darf man sich sicher sein.

In den Nachrichten zu sehen, wie Böller über Zäune geworfen werden, hilft mir dabei nicht. In Zeitungen zu lesen, wie viele Demonstranten und Gegendemonstranten es gab, hilft auch nicht. Einschätzungen von Politikern – obwohl sie rar sind – helfen nicht. Was hilft – auch wenn man dabei in Abgründe sehen muss, die einen schwindelig werden lassen – ist das Lesen von Facebook-Kommentaren. Was mir hilft ist das unkommentierte Videomaterial von Euronews und RT. Was mir hilft, sind O-Töne auf YouTube. Dort lerne ich:

Meinungen kann man nicht verbieten. Meinungen muss man bilden.

Mit Hass gegen Hass wird das nicht gelingen. Mit Spott und Häme auch nicht. Es braucht Aufklärung und Geduld. Es braucht Bildung und Gespräche. Das wird Jahre dauern.

Ich kann es nicht leugnen, so gern ich es auch wüde: Ich halte Fremdenfeindlichkeit für dumm, geradezu idiotisch. Wer gegen Flüchtlinge auf die Straße geht muss geizig, egoistisch, aggressiv und unbarmherzig sein. Diese Haltung ist aber wenig hilfreich. Sie erhöht mich zum intelligenten kosmopolitischen Gutmenschen und erniedrigt die fremdenfeindlichen Demonstranten zu einem braunen Mob, auf dem ich verächtlich herabblicke. Ich liege richtig, die liegen falsch.

Die sehen das naturgemäß anders. Zwischen denen und uns gibt es keine Schnittstellen. Keine Diskussionen. Keine Begegnung. Wir vergewissern uns der Richtigkeit unserer Meinung in unserem Umfeld und die machen es genauso. Allerdings in ihrem.

Die medialen Veränderungen der letzten Jahre begünstigen die Verkrustung dieser Strukturen. Private Meinungen (wie diese) werden nicht mehr an Stammtischen geäußert sondern im Internet. Gleichgesinnte zu finden ist dadurch einfach, so realitätsfern die eigene Meinung auch sein mag. Gleichgesinnte schaukeln einander hoch, sie verabreden sich, sie organisieren Demos, die eskalieren. Die etablierten Medien werden durch widersprüchliche Informationen aus alternativen Quellen nicht mehr als objektiv wahrgenommen. Es entstehen Milieus, die die arrivierte Presse nicht mehr erreicht. Es entstehen parallele Öffentlichkeiten ohne jedes Korrektiv. Dazwischen entstehen Gräben.

Wie man dem beikommen kann? Indem man Filterblasen zum Platzen bringt. Indem man Brüche schafft. Indem man Verfechter der einen Wirklichkeit mit Vertretern der anderen Konfrontiert. Und mit Fakten.

Ja, es geht um Bildung. Wer die Kosten, die Asylbewerber verursachen ins Verhältnis zur deutschen Wirtschaftsleistung setzt, wird einsehen, dass wir das leicht stemmen können. Wer die durch Asylbewerber begangenen Straftaten ins Verhältnis zur Gesamtzahl der in Deutschland begangenen Straftaten setzt, wird einsehen, dass wir hier kein nennenswertes Problem haben. Wer eine Ahnung davon hat, was in Syrien, in Eritrea, selbst auf dem vermeintlich sicheren Westbalkan los ist, wird gegen niemanden auf die Straße gehen, der aus diesen Gebieten flüchtet. Viele Demonstranten, so scheint es, können aber nicht einmal zwischen Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern unterscheiden.

Und es geht um Herzensbildung. In Deutschland geboren zu sein ist kein Verdienst sondern ein sehr seltenes Glück. Dementsprechend bringt es neben vielen selbstverständlich scheinenden Annehmlichkeiten vor allem Verpflichtungen mit sich. Wer, das im Hinterkopf behaltend, einen Perspektivwechsel wagt und sich vorstellt, zufällig in Albanien, Serbien oder dem Irak geboren worden zu sein, wird nicht mit Böllern sondern mit Hilfspaketen zur Flüchtlingsunterkunft in seiner Nähe fahren.

Wahr ist aber auch: Ängste sind ernst zu nehmen. Man traut sich das kaum noch zu schreiben: Sorgen, Ängste, Bürger, Bevölkerung. Zu oft verbirgt sich dahinter in den letzten Wochen nichts anderes als hohler Hass. Aber neben den Ängsten, die sich leicht durch Fakten entkräften lassen, gibt es auch kulturell geprägte, die besprochen werden müssen. Wie gehen wir nach 100 Jahren Frauenbewegung um mit der Vollverschleierung muslimischer Frauen? Welche Angebote machen wir an Asylbewerber, die monatelang auf die Entscheidung ihrer Anträge warten müssen? Arbeitsgenehmigungen? Deutschkurse? Nur noch Sachleistungen? Welche Voraussetzungen müssen Einwanderer für ihre Einbürgerung erfüllen? Müssen sie Deutsch können? Müssen sie eine geregelte Beschäftigung nachweisen können? Ist es okay, wenn sich Einwanderer einer bestimmten Nationalität in einem bestimmten Stadtviertel zusammenfinden, dort Geschäfte eröffnen und Restaurants und Kulturvereine, und schließlich prägend für das Viertel werden? Ist das eine Bereicherung? Ist das ein Verlust?

Das sind heikle Themen, ich weiß das, gerade in Deutschland. Aber wenn wir solche Diskussionen nicht in den arrivierten Medien führen und nicht in der etablierten Politik, werden sie anderswo geführt. Und wenn sich Menschen mit kontroversen Meinungen im bürgerlichen Debattenkanon nicht gehört oder gar verspottet fühlen, wenden sie sich ab und sprechen anderswo. Die Entstehung von Pegida & Co., die Entstehung aller PRO-Bewegungen ist so gesehen zwangsläufig. Aber sie vertieft die Kluft, die es zu überwinden gilt. Sie verfestigt die Erzählung von Uns und Denen, obwohl gerade jetzt ein Wir so dringend nötig wäre.

Wenn das stimmt, gibt es zwei Dinge, die jeder Einzelne tun kann. Erstens: Argumentieren. Diffuser Xenophobie konkrete Argumente entgegensetzen. Im Kollegenkreis. Im Sportverein. Im Netz. Und zweitens: Handeln. Wer, wie ich, unzufrieden mit dem Deutschland ist, dass sich Menschen in Not zurzeit zeigt, kann versuchen, ein anderes Deutschland zu verkörpern. Am einfachsten, in dem er zur Flüchtlingsunterkunft in seiner Nähe fährt und fragt, wie er helfen kann.


Aus: "Wir müssen reden. Auch mit Idioten." Ein Blog-Beitrag von dem Freitag-Community-Mitglied kopfkompass [Wannabe alternative mainstream critic. Artist. Photographer. Videographer. Queer. Pre-Buddhist. Post-Genderist. Banker. Nerd. Dog-Daddy. Green. Vegan.] (Leipzig, 08/2015)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/kopfkompass/wir-muessen-reden-auch-mit-idioten


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Quote[...] Dass sich ein reiches Land wie Österreich von Amnesty International (AI) vorhalten lassen muss, es verletze "fast alle menschenrechtlichen Konventionen", das kommt nicht alle Tage vor. Und es ist auch selten, dass dem Österreich-Generalsekretär von AI, Heinz Patzelt, bei einer Pressekonferenz die Stimme versagt. Aber als die Organisation am Freitagmorgen in Wien ihren Bericht über das Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge im niederösterreichischen Traiskirchen vorlegt, ist die Empörung mit Händen zu greifen.

Eine Untersuchungskommission von Amnesty hatte das Lager, das seit Monaten aus allen Nähten platzt, vor einigen Tagen besucht und eine schier endlose Liste an Missständen entdeckt: Für 1800 Menschen ausgelegt, hätten sich dort Ende Juli 4500 Flüchtlinge aufgehalten, zeitweilig hätten bis zu 1500 Menschen im Freien schlafen müssen. Es gebe nicht genug sanitäre Anlagen, für Frauen sei das Duschen in den gemischten Bädern eine "Peepshow". Es gebe zu wenig ärztliche Versorgung; die Menschen müssten in der Hitze stundenlang nach Essen anstehen, unbegleitete Minderjährige seien schutz- und obdachlos. Betreuung und Administration seien miserabel organisiert.

"Die Mängel in der Versorgung resultieren in einer unmenschlichen und menschenunwürdigen Situation für viele Asylwerber und Asylbewerberinnen", folgert Patzelt. "Ich habe so etwas in Österreich nicht für möglich gehalten." Er frage sich, ob die Flüchtlinge erst im großen Marmorsaal der Bundesregierung hausen müssten, bis etwas geschehe.

Dabei ist allen Beteiligten - und vor allem den politisch Verantwortlichen - seit Monaten klar, dass etwas geschehen muss. Traiskirchen war schon früh im Jahr komplett überbelegt; hier wurden alle Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, zuerst registriert und dann auf die Bundesländer und Kommunen verteilt. Da aber nicht alle Bundesländer die ihnen zugewiesene Zahl von Asylbewerbern aufnehmen und viele Kommunen sich nach wie vor schlicht weigern, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, tobt ein heftiger Streit über Quoten und Zuweisungen, über mangelnde Durchgriffsrechte des Bundes und unzureichende Entlastungsversuche.

Diskutiert wurden kurzfristige Lösungen - seien es die Öffnung von Kasernen oder dezentrale Zeltlager, weitere Aufnahmezentren in den Ländern und ein Bearbeitungsstopp für Asylanträge. Geschehen ist bisher konkret eher wenig: Zwar sind in zahlreichen Städten Zeltstädte entstanden, aber eine politische Lösung für das Unterbringungsproblem liegt nach wie vor in weiter Ferne. Der Vorstoß, ein neues Gesetz zu verabschieden, das dem Bund ermöglichen soll, in Ländern und Gemeinden in bundeseigenen Einrichtungen auch gegen deren Willen Flüchtlinge unterzubringen, ist gerade erst auf den Herbst verschoben worden.

Den Flüchtlingen in Traiskirchen hilft die Dauerdebatte bisher nicht, die Kritiker als gewollte Abschreckungsmaßnahme, andere als pure Unfähigkeit der Verwaltung und der Innenministerin geißeln. Der Augenschein in Traiskirchen entspricht dem, was Amnesty International berichtet. Hunderte von Männern, Frauen und Kindern schlafen im Park vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf dem Boden, auf Isomatten, unter Zeltplanen. Auf einem angrenzenden Gelände wurden Busse für jene aufgestellt, die aufgrund eines aktuellen Aufnahmestopps nicht mehr ins Lager dürfen; für sie sind sanitäre Anlagen und Nahrungsmittel noch schwerer zu erreichen, in den Bussen ist es glühend heiß.

Am Tor der Erstaufnahmestelle drängen sich Dutzende: Manche haben schon Papiere und dürfen hinein, andere haben keine und werden an die Busse verwiesen, viele sind neu und wissen nicht wohin, einige suchen einen Arzt. In der Pforte: zwei überforderte Mitarbeiter, die kaum eine Fremdsprache können und den Hilfesuchenden oft nicht klarmachen können, dass sie hier nicht durchgehen dürfen. Wohin dann? Heillose Verwirrung ist die Folge. Am Tor wirbt ein Plakat für die "freiwillige Ausreisehilfe". Davor haben sich missionierende Christen aufgestellt und halten den meist muslimischen Flüchtlingen Flyer entgegen, auf denen sie erfahren können, was die Bibel zu bieten hat.

Entlang der Einfriedung des riesigen Geländes reichen Helfer Zelte über den Zaun. "Die Leute brauchen alles, was Urlauber für einen Outdoor-Urlaub brauchen", sagt Patricia Laude aus Korneuburg bitter, die mit 170 Freiwilligen jeden Tag Hilfslieferungen zusammenstellt und ausliefert. Überall stehen Menschen und reichen aus ihren Kofferräumen Windeln und Kleider über den hohen Zaun, einige Frauen schauen gemeinsam mit Flüchtlingskindern, die hinter den Metallstreben auf Mauerabsätzen kauern, bunte Bilderbücher an. Irgendjemand hat Schuhe gebracht und sie vor der Mauer auf dem Boden ausgelegt, nun hocken Flüchtlinge in dem Schuhberg und suchen zusammengehörende Paare. Manchmal kommt es zu bizarren Szenen: Helfer bieten sich gegenseitig Wasser oder Windeln für die Kinder an, weil sie einander für Flüchtlinge halten.

Einen der schärfsten Kritikpunkte im Bericht von Amnesty International hatte die Leiterin der AI-Untersuchungskommission, Daniela Pichler, formuliert: Die Organisation sei mangelhaft, viele Missstände könnten durch besseres Management und durch Hilfe von außen behoben werden; die Behörden lehnten das aber ab. So hätten Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen angeboten, die Asylbewerber medizinisch zu betreuen, das sei nicht zugelassen worden.

Die Caritas hat einen Bus am Straßenrand stehen; an die Metallwand ist ein Schild geklebt: "Mittwochs Schuhe, Donnerstags Frauen, Freitags Männer". Hier werden Pakete mit Deo und Zahnpasta, Tampons und Rasierern verteilt; aufs Gelände dürfen "Unbefugte" aber nicht, selbst wenn sie nur helfen wollen. Das macht eine Verordnung klar: "U-Boote", die sich ohne Genehmigung auf dem Gelände aufhielten, würden hart bestraft.

Derzeit ist es in Traiskirchen heiß und trocken, das Gras ist verdorrt. Das Lagern und Schlafen im Freien ist hart, aber möglich. Nur: Was wird aus den Obdachlosen im Erstaufnahmelager Traiskirchen, wenn am Montag auch in Österreich der angesagte Regen kommt?


Aus: "Flüchtlingsdrama in Traiskirchen: "Ich habe so etwas in Österreich nicht für möglich gehalten"" Cathrin Kahlweit, Traiskirchen  (14. August 2015)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingsdrama-in-traiskirchen-ich-habe-so-etwas-in-oesterreich-nicht-fuer-moeglich-gehalten-1.2608562

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Quote[....] Wer dieser Tag vordem Heidenauer Real-Markt eine Bratwurst essen geht, der kann sie hören, die berechtigten Sorgen. Erzählungen von Leuten, die nahezu alles verloren haben. Geschichten über politisches Versagen und persönliche Schicksalsschläge. Geschichten wie die von Ahmad, um den sich schnell eine kleine Gaffergruppe aus Frau mit Kinderwagen, Glatzkopf und zwei Rentnerpärchen bildet. In drei Wochen müsste sein Kind auf die Welt kommen, erzählt der End-20er aus Syrien. "Aber ich weiß nicht einmal, ob meine Frau noch lebt", sagt er und fragt, ob es nicht doch einen Weg gebe, seine Frau zu ihm zu holen.

"Zu ihm", das liegt eine Bundesstraßenbreite, eine Reihe aus Bauzäunen mit Sichtschutzplanen und drei weiteren Gaffergruppen entfernt. "Lager" nennen es die Flüchtlinge einfach. "Unser Baumarkt" ist es für jenen Teil der Heidenauer Bevölkerung, die seit Tagen die Neuankömmlinge in ihrer Stadt mit Böllern, Steinen und Flaschen begrüßen. Zumindest an diesem Montagvormittag bleibt es ruhig hier im Gewerbegebiet zwischen Baustelle, Unterführung, Tankstelle, Supermarkt, nochmal Tankstelle und Parkplatz.

Wäre die Geschichte fiktiv, man müsste das, was in den letzten Tagen vor der Heidenauer Flüchtlingsunterkunft passierte, in dieser Geballtheit von Stereotypen als zu unrealistisch abtun. Da wüten zwei Tage lang hunderte Neonazis vor einer Flüchtlingsunterkunft. Der Polizei gelingt es tagelang nicht, die Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Trotz 33 Verletzten in ihren eigenen Reihen wird nicht ein einziger Randalierer festgenommen. Stattdessen ein Journalist. Als dann schließlich doch die Wasserwerfer auffahren, gelten diese linken Gegendemonstranten. Und das alles auf den Tag genau 23 Jahre nach Rostock Lichtenhagen.

Es ist schwer in Heidenau jene Menschen zu finden, die man braucht, um schreiben zu können, dass nicht alle Heidenauer so sein. Gegenüber dem Baumarkt, auf dem kleinen grünen Hügel zum Märchenpfad, stehen auch keine von ihnen. "Nee geen Gommendoar", sagt die jüngste in der 5er-Gruppe und gibt ihn dann doch ab. In kurz: Nichts gegen Flüchtlinge... Aber wir Deutschen... Warum gerade bei uns... Wir kriegen doch auch nichts... Wer weiß, was die hier anstellen, die Flüchtlinge...

Unten auf dem kleinen Presse-Parkplatz trifft Vize-Kanzler Sigmar Gabriel mit seinem Tross an Hauptstadtjournalisten ein. Vor dem Baumarkt, in dem 300 Menschen auf enggestellten Pritschen in einem einzigen Schlafsaal leben, sagt er Dinge wie: "Wir sind ein ganz mitfühlendes Land." Ein bisschen klingt das, als würde Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die Tatenlosigkeit der Polizei in Heidenau als "gesamte Härte des Rechtsstaates" kommentieren.

Auch Gabriel wird sich auf die Suche machen nach jener vermeintlichen Mehrheit guter Deutscher, die Flüchtlinge willkommen heißen. "Pack" und "undeutsch" heißen die anderen bei ihm. "Das sind Leute aus dem Rand der Gesellschaft ... Das ist Pack, das sich hier herumtreibt." Dem gegenüber: Leute wie Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz, der "keinen Millimeter zurückgewichen" sei.

"Guter Deutscher, schlechter Deutscher" ist das Erklärungsmuster, das sich wie der rettende letzte Strohhalm durch die Debatte zieht in einem Land, das jeden Morgen von einer neuen brennenden Flüchtlingsunterkunft aufgeweckt wird.

Einer dieser guten Deutschen könnte Mesbah sein, wäre er nicht Iraner. Ein paar Stunden nach dem Gabriel wieder verschwunden ist und längst wieder die "Besorgten" hinter den Real-Büschen ihre Parolen brüllen, kommt der Aktivist am Baumarkt an. Mesbah ist selbst Flüchtling. Mit seiner Frau war er am Freitag einer der ersten Gegendemonstranten, die sich bis zu 1000 Nazis entgegenstellten. Ob er so etwas schon einmal erlebt habe? "Nein, auch nicht im Iran."

Die Polizei habe ganz klar gesagt, dass sie ihn und die nur rund ein Dutzend linker Aktivisten nicht beschützen könnten. "Ich denke, sie wollten es auch nicht", sagt er und hört nicht mehr auf zu erzählen. Von Zeltstadt und Chemnitz, von Polizeigewalt gegen linke Demonstranten und Pegida. Von den Flüchtlingen, die sich in diesem Moment in Leipzig weigern, nach Heidenau gebracht zu werden. Von dem Bundesland, das sich - wie viele andere Bundesländer - chronisch weigert, sich auf höhere Flüchtlingszahlen einzustellen. Um sich dann nach Turnhallen, Zeltlagern und Naziprotesten als chronisch überfordert zu geben. Er erzählt von der der Normalität von Flüchtlingen in Sachsen.

Die Normalität sitzt sechs Treppenstufen über Mesbah. Flasche Bier in der Hand und wohl schon einige im Bauch. Ausgewaschene Klamotten. Sächsischer Dialekt bis zur Unverständlichkeit. Es ist nicht einfach, Heidenauer wie ihn zu beschreiben, ohne das typische Klischee von rassistischem Provinz-Ossi zu bestätigen. Sobald der Mann den Mund aufmacht, tut er es ohnehin selbst. "Der Baumarkt wird nicht mehr lange stehen, das ist klar", sagt er und grinst in sich hinein.

Ja, er habe etwas gegen Flüchtlinge. "Weil die nicht arbeiten und wir Deutschen haben nichts." Oder: "Weil die uns die Arbeit wegnehmen und wir Deutschen haben nichts." Wie lang er hier noch sitzen bleiben wolle? "Bis die Ausländer weg sind." Aber da kommt schon einer seiner Kammeraden von der anderen Straßenseite herübergerannt. "Mache das scheiß Ding aus", ruft der in Richtung der filmenden Journalisten und kann sich nicht entscheiden, welche Kamera er zuerst wegschlagen soll. Es dauert fünf Minuten, bis die zehn Meter entfernt stehenden Polizeibeamten sich entscheiden können, ihn abzuführen.

Viel an diesem überwiegend ruhigen Montag in Heidenau wirkt eher skurril als bedrohlich. Die Kamerateams von RTL und MDR, die vor dem Baumarkt um die wenigen Flüchtlinge diesseits der Sitzschutzplane konkurrieren. Die unermüdlich plärrende Gruppe "Besorgter" jenseits der Büsche vom Real-Parkplatz. Die Polizisten, die so viel im Umfeld des Baumarktes patrouillieren, als versuchten sie, das Versagen der letzten Tage gegenüber gewalttätigen Nazis durch Ausweiskontrollen bei Passanten wieder gut zu machen. Wie gesagt, fast wirkt es so, wären da nicht doch wieder die echten Sorgen.

"Als wir mit Bus am Samstag hier ankamen, hab ich nur gebetet, bitte lass uns nicht hier anhalten", erzählt Mahmud von dem Tag als er von Deggendorf nach Heidenau gebracht wurde. Ob man ihm gesagt habe, warum? "Nein." Erklärt, was in Heidenau auf ihn wartet? "Nein, nichts." Vor zwei Monaten flüchtete er aus der syrischen Stadt Aleppo. "Ich dachte, der Krieg sei vorbei", ist einer der Sätze, die aus dem Mund eines Kriegsflüchtlings dann doch erst einmal wieder surreal wirken, bis sie die ganze dramatische Realität von Flüchtlingen in Deutschland offenbaren.

Am Nachmittag besucht Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Linken der Linken den Baumarkt. Es mag dem Umstand geschuldet sein, dass ihr Wahlkreis kaum 15 Kilometer von hier entfernt liegt, aber auch sie hat sich schon kritischer über sächsische und deutsche Flüchtlingspolitik geäußert. Auch wenn sie es anders als andere Politiker schafft, mit ihrem Lob von "Ehrenamtlichen, die den Großteil der Arbeit hier machen und dafür auch noch nach der Arbeit angepöbelt werden", den Rassismus der Übrigen nicht zu relativieren.

Einige, die auch nicht zu den Übrigen gehören, sich stattdessen solidarisch mit den Flüchtlingen zeigen wollen, haben sich zu dieser Zeit zu einem ökumenischen Gottesdienst getroffen. Nicht vor dem Baumarkt. Auch nicht in der Nähe. Anderthalb Kilometer von den Flüchtlingen entfernt in einer kleinen Kirche, dort wo Heidenauer zum Wohnen und nicht nur zum Tanken hinfahren. In dem Aufruf, den die Kirche vorab herumgeschickt hat, steht: "Wir bitten Sie, sich von Gewalt mit Worten oder Taten zu distanzieren", und es ist die Rede von "verständlichen Befürchtungen um Ruhe, Ordnung und Sicherheit." Für die Sicherheit vor der Flüchtlingsunterkunft sorgen in dieser Zeit zwei Dutzend Polizisten und ungefähr ebenso viele angereiste Aktivisten.

Es ist spät am Abend, als Heidenaus Oberbürgermeister Jürgen Opitz aus dem Friedensgebet zu seinem täglichen Besuch vor die Flüchtlingsunterkunft kommt. Opitz hat sich - das ist für den OB eines so kleinen Ortes nicht selbstverständlich - schnell gegen jenen Teil seiner Bevölkerung gestellt, die für ihn "nicht mein Heidenau" sind. Aber auch vor jenen, den er weiter vehement als eigentlich mitmenschliche, schlimmstenfalls schweigende Mehrheitsbevölkerung darstellt. Opitz ist einer, der in seinen Endlosantworten die Gewalt nicht aus Berechnung relativiert, sondern aus der Unfähigkeit, sich klar auszudrücken. Heidenau sei anders als die jüngsten Bilder vermittelt hätten, sagt er im Interview. Neonazis gebe es schließlich "in jedem Ort".

Nur in Heidenau stehen sie nun schon den fünften Tag in Folge vor einer Flüchtlingsunterkunft. Dort leuchtet an diesem Abend ein Peace-Zeichen aus Teelichtern. Eine Gruppe afghanischer Flüchtlinge hat es da hingestellt.

Und schließlich passiert es doch noch: Ein Heidenauer Pärchen setzt sich zwischen die Gruppe aus Aktivisten, Flüchtlingen und Journalisten und verteilt ein Sixpack alkoholfreies Bier. Aus einem vorbeifahrenden VW Polo ruft jemand: "Wer Heidenau nicht liebt, soll Heidenau verlassen" und "Deutschland den Deutschen". Sami aus Aleppo erzählt von seinen Sorgen. "In der Türkei, im Libanon, im Irak haben uns die Menschen willkommen geheißen. Warum könnt ihr Deutschen das nicht?"

Quotemarasek, 25. August 2015 15:50

Man hat den Deutschen jegliche Solidarität aberzogen

"Wettbewerbsfähigkeit" und "Leistung muss sich wieder lohnen", das
waren die Gebote der Stunde. Gegen die Abgehängten hat man gehetzt.
So kam es aus dem Munde der Politiker, so stand es in den
Schlagzeilen, so wurde es in wohlfeilen Artikeln verklausuliert
geschrieben, so wurde es in Talkshows wieder und wieder und wieder
durchgekaut, und so wurde Politik gemacht. Es wurde nach Bedarf gegen
Linke, Gewerkschafter, Aktivisten, Arbeitslose gehetzt.

Es wurde auch gegen das Fremde gehetzt, wenn es opportun war, gegen
die Russen, die Griechen, die Moslems.

Und nun erwartet man, dass die Leute den roten Teppich für
Flüchtlinge ausrollen, ohne dass man selbst Konzepte anböte.

Das ist weltfremd.

http://www.heise.de/tp/foren/S-Man-hat-den-Deutschen-jegliche-Solidaritaet-aberzogen/forum-295601/msg-26901471/read/

QuoteWalther Döring 26. August 2015 07:40
Wir alle entstammen Völkerwanderungen! => Anpacken, nicht jammern!

Das Rhein-Main-Gebiet ist DAS Einwaderungsparadies bis heute. Meine
Vorfahren kamen zum Beispiel aus Nord-Ost-Frankreich in den 1890ern.
Das Ruhrgebiet ist voller Schimanskies, Katzmirschaks oder
Stachoviaks. Später kamen dann die Italiener und dann natürlich die
Türken. Deutschland ist attraktiv. Wem kann man es verdenken, dass er
kommen will.

Ich möchte die Sachsen nicht angreifen aber auch sie sind da nicht
wie die Pilze aus dem Boden geschossen, sondern eingewandert. Warum
sollte diese Einwanderung besser oder gerechter sein als die Heutige?
Wer wurde dafür vertrieben? Waren die Landstriche immer menschenleer?
Die Menschheitsgeschichte ist die Geschichte der Verbreitung durch
Wanderung. Nach dem Krieg (1945) waren wir rund 65 Mio Menschen in
Deutschland und haben bis 1955 rund 14 Mio Flüchtlinge aufgenommen.
Deutschland war zerstört. Dann kam das Wirtschaftswunder. ...

http://www.heise.de/tp/foren/S-Wir-alle-entstammen-Voelkerwanderungen-Anpacken-nicht-jammern/forum-295601/msg-26902609/read/

...


Aus: "Gastfreundschaft in Heidenau" Fabian Köhler (25.08.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45794/1.html

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Quote[...] In einem überfüllten ungarischen Flüchtlingslager ist es zu Ausschreitungen gekommen. 200 Flüchtlinge widersetzten sich der Registrierung. Zuvor hatten sich die Menschen über die extrem beengten Zustände im Lager beschwert.

Die Polizei setzte Tränengas ein. Die Lage beruhigte sich schnell wieder, nachdem ein Sprecher der Flüchtlinge auf die Menschen einwirkte. In dem Lager halten sich nach Schätzungen zwischen 1.000 und 2.000 Menschen auf, die teilweise in Zelten untergebracht sind.

Der Andrang von Flüchtlingen an der ungarisch-serbischen Grenze nimmt wenige Tage vor der Fertigstellung des Grenzzauns  immer weiter zu. Nach Angaben der Behörden erreichten allein am Dienstag 2.533 Menschen die Grenze, so viele, wie nie zuvor an einem Tag. Insgesamt kamen in den vergangenen Tagen etwa 7.000 Flüchtlingen an. Viele hatten zuvor an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien festgesessen.

Ungarn will die Grenzkontrollen aufgrund des anhaltenden Andrangs weiter verschärfen. Die Behörden kündigten an, 2.100 weitere Polizisten an die Grenze zu Serbien zu entsenden. Auch der Einsatz des Militärs wird erwogen. Darüber müsse aber in der kommenden Woche zunächst das Parlament beraten, sagte ein Regierungssprecher.

Ungarn versucht Flüchtlinge mittels eines 3,5 Meter hohen Zauns abzuhalten, der seit Anfang August auf einer Strecke von 175 Kilometern an der Grenze errichtet wird. Seit Baubeginn hat sich der Andrang allerdings massiv verstärkt. Viele Flüchtlinge versuchen, noch vor der Fertigstellung über die Grenze zu gelangen. Die Zahl der Neuankömmlinge pro Tag stieg von durchschnittlich 150 in der ersten Jahreshälfte auf mehr als 2.000 im August.   

Die Grenzanlage ist extrem umstritten. Die ungarische Regierung verteidigt sie aber immer wieder als einzige Möglichkeit, dem Andrang Herr zu werden. Sozialminister Zoltán Balog sagte dem Deutschlandfunk, man habe monatelang "die Alarmglocke in Brüssel geschlagen". Eine Antwort habe es nicht gegeben. "Nun sind wir gezwungen, einseitige Dinge zu machen, die Aufsehen erregen." Er hoffe, dass die Entscheidungsträger damit zu "einer schnelleren Reaktion" gezwungen würden. Bisher fehlten auf europäischer Ebene die Antworten auf die Herausforderungen der Flüchtlingskrise.

Insgesamt kamen in Ungarn in diesem Jahr bereits 100.000 Flüchtlinge an, was im Vorjahresvergleich eine Verdoppelung bedeutet. Nach ihrer Registrierung und dem Stellen eines Asylantrags kommen die Flüchtlinge in eines der ungarischen Aufnahmelager. Die meisten verlassen diese aber schnell wieder, um in andere EU-Staaten wie Deutschland und Schweden weiterzureisen.


Aus: "Ungarn: Polizei geht mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor" (26. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/ungarn-fluechtlinge-grenze-polizei-traenengas


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#156
Reinickendorf ist ein Ortsteil im gleichnamigen Bezirk Reinickendorf von Berlin, der aus dem Angerdorf Alt-Reinickendorf hervorgegangen ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Reinickendorf

Quote[...] Nach wie vor ist unklar, warum am Mittwochmittag die Sporthalle auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervernklinik niederbrannte. Eine Polizeisprecherin sagte am Donnerstagmorgen, die Ermittlungen am Brandort könnten frühestens im Laufe des Vormittags beginnen. Zum einen sei die Brandstelle immer noch heiß, desweiteren sei unklar, ob womöglich beim Brand Schadstoffe ausgetreten sind. Statiker müssten prüfen, ob die frühere Turnhalle betreten werden könne.

Die erste Meldung ging um 15.42 Uhr bei der Feuerwehr ein. Eine Sporthalle auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Reinickendorf stehe in Flammen, hieß es. Die Feuerwehr rückte mit vier Löschstaffeln aus, sagte ein Sprecher: Mehr als 100 Leute waren im Einsatz, da die Halle in ganzer Ausdehnung brannte. Menschen waren nach Feuerwehrangaben nicht in Gefahr.

Die Einsatzkräfte ließen die Halle kontrolliert niederbrennen. Am Abend waren immer noch Nachlöscharbeiten erforderlich. Wie die Polizei mitteilte, werde das zerstörte Gebäude voraussichtlich am Donnerstag freigegeben. Dann würden sich Spezialisten umgehend auf die Suche nach der Brandursache begeben.

Nach Angaben von Einsatzkräften vor Ort sei die Halle abgeschlossen gewesen. Sie berichteten von einem rasanten Brandverlauf, allerdings auch durch den Wind angefacht. Die Halle sei nicht mehr zu retten gewesen. Die Bewohner einer nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft mussten sicherheitshalber zeitweise ihre Wohnungen verlassen, die Anwohner wurden aufgefordert, die Fenster zu schließen, damit sie nicht durch asbesthaltige oder andere Stoffe gefährdet würden.

Von einer Wiese aus beobachteten die Flüchtlinge die Löscharbeiten. Dragan Stanojevic war gerade mit seiner Freundin im Zimmer, als eine Frau hereinstürzte. "Das Heim brennt, alle schnell raus hier", habe sie gerufen, erzählte er, seine drei Kinder um ihn herum. "Draußen haben wir dann sofort die Rauchsäule gesehen." Die Brandanschläge der letzten Tage habe er mit Erschrecken zur Kenntnis genommen. Hoffentlich gebe es diesmal eine andere Ursache.

Auch die Polizei eilte am Nachmittag zum Brandort, weil sich auf dem Gelände der Klinik bereits mehrere Flüchtlingsunterkünfte befinden und zunächst Gerüchte kursierten, wonach die brennende Halle als weitere Flüchtlingsunterkunft im Gespräch gewesen sein soll. Eine Sprecherin des Krankenhauskonzerns Vivantes, dem das Gelände der ehemaligen Bonhoeffer-Nervenklinik gehört, bestätigte dies aber nicht. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verneinte ebenfalls, dass die brennende Sporthalle zur Unterbringung von Flüchtlingen geplant sei.

Die Sporthalle, die von der Betriebssportgruppe von Vivantes genutzt wurde, befindet sich am Rande des Geländes und rund 200 Meter von einer größeren Flüchtlingsunterkunft entfernt. Insgesamt leben auf dem gesamten Gelände in vier Häusern rund 900 Flüchtlinge. Es sei nicht vorgesehen, weitere Flüchtlinge auf dem Gelände unterzubringen, teilte die Sozialverwaltung weiter mit. Geplant sei aber, in der bereits bestehenden Unterkunft zukünftig auch eine Erstregistrierung durch mobile Teams des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) vorzunehmen.

Zur Brandursache könne in den nächsten Stunden keinerlei Angaben gemacht werden, sagte ein Polizeisprecher. "Noch können unsere Brandexperten nicht mit den Ermittlungen beginnen, wir beschränken uns darauf, das Gelände abzusperren." Allerdings ermittle wie immer in solchen Fällen auch der Staatsschutz, da eine politisch motivierte Straftat nicht auszuschließen sei. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hält zwar einen technischen Defekt für wahrscheinlicher, kann aber auch eine andere Ursache nicht ausschließen. Am Abend gab es immer noch kleine Glutnester, Teile der Halle brachen ein.

Viele Berliner Politiker veröffentlichten unmittelbar nach Bekanntwerden des Brandes Statements oder eilten zum Brandort wie Innensenator Frank Henkel (CDU), Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD).Völlig fassungslos stand Hakan Tas vor der brennenden Halle auf dem Klinikgelände. Der Innenpolitiker der Berliner Linksfraktion engagiert sich seit Jahren für Flüchtlinge in seinem Wahlkreis Reinickendorf. Weil die Flüchtlingskinder ihn gebeten hatten, für sie einen Ort zu suchen, wo sie im Winter Fußball spielen könnten, hatte er einen Nutzungsvertrag mit Vivantes über die Halle abgeschlossen. "Ab September hätten wir dort spielen können", sagt er: "Ich hoffe immer noch, dass es keine Brandstiftung war."

...

Quoterobie1986
   26.08.2015 18:01 Uhr

Titel*
Danke lieber Pegida Demonstranten und besorgte Bürger, dass Ihr den Nährboden für genau das hier gelegt habt.

Und sagt nicht, ihr habt es nicht gewusst, denn wir haben euch das von Anfang an gesagt. Ihr seit die, die bei den rechten Idioten das Gefühl erzeugt haben in der Mehrheit zu sein, "das Volk" zu sein, und dass eine Mehrheit es gut findet, was sie denken. Ihr habt denen eine gefühlte Input-Legitimation gegeben und an euren Händen klebt das Blut, bzw. zur Zeit noch die Asche.

Und daran ist nicht "die Politik" oder "die Medien" schuld, nein ihr seit schuld, genau ihr Typen, die "nichts rechts sind, aber...".

Aber wir sind die Mehrheit und das zeigen wir bei jeder Wahl und wir stellen hier die Regeln auf und verteidigen unsere Grundwerte, die im Grundgesetz niedergeschrieben sind, auch gegen euch.



Aus: "Abgebrannte Sporthalle: Ermittlungen noch nicht begonnen"  Sandra Dassler, Ingo Salmen, Nandor Hulverscheidt (27.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/200-meter-neben-fluechtlingsheim-abgebrannte-sporthalle-ermittlungen-noch-nicht-begonnen/12238016.html

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Quote[...] Der Fall der abgebrannten Turnhalle in Wittenau ist offenbar aufgeklärt, verkündete das Polizeipräsidium am Samstagnachmittag nach intensiven Ermittlungen. Demnach haben mehrere Kinder zugegeben, in die Sporthalle eingebrochen zu sein und dort gezündelt zu haben. Es sind laut Polizei Flüchtlingskinder aus dem Heim auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Klinik.

Wie berichtet, war die Sporthalle bei dem Brand vollständig zerstört worden. Das Feuer war so stark, dass die Bewohner des 200 Meter entfernt liegenden Flüchtlingsheimes das Grundstück verlassen mussten. Angesichts der jüngsten rechtsextremistisch motivierten Taten war auch der für politische Delikte zuständige Staatsschutz der Polizei eingeschaltet worden. Erst einen Tag zuvor war im brandenburgischen Nauen eine Sporthalle angezündet worden, in die Asylbewerber einziehen sollten. Politiker aller Parteien hatten sich nach dem Brand im Bezirk Reinickendorf entsetzt gezeigt, Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) hatte ,,mehr Sicherheit" für Flüchtlinge gefordert, andere hatten auf eine ,,aktive NPD" in Reinickendorf hingewiesen.

Doch Zeugenaussagen brachten die Beamten schnell auf die Spur eines achtjährigen Kindes, das im Heim nebenan lebt. Im Beisein der Eltern wurde es von Beamten angehört. Dabei gab der Junge an, dass er mit weiteren Kindern am Nachmittag in die Turnhalle eingedrungen sei und dort gekokelt habe. Die anderen Jungen konnten anschließend ermittelt werden; sie wurden ebenfalls angehört. Zwei von ihnen haben die Tat ebenso zugegeben. Alle Beteiligten sind strafunmündig und wurden bei ihren Eltern belassen. Woher die Kinder stammen, wollte die Polizei nicht sagen.

Eigentlich war geplant gewesen, dass die Flüchtlingskinder ab September die Halle nutzen dürfen. Bislang trainierten Angestellte des Klinikkonzerns Vivantes in der Halle. In dem Heim auf dem Krankenhausgelände sind etwa 900 Flüchtlinge aus vielen Ländern untergebracht. Innensenator Frank Henkel (CDU) lobte am Sonnabend die Polizei, die ,,ohne Vorfestlegungen" ermitteln konnte.

Auch das schlimmste Feuer der letzten Jahrzehnte in Berlin war durch ein Kind ausgelöst worden, das im eigenen Haus gekokelt hatte. Bei dem Brand in der Moabiter Ufnaustraße starben 2005 neun Menschen. Sie stammten aus arabischen Ländern und dem Kosovo.


Aus: "Berlin-Reinickendorf Zündelnde Kinder verursachten Brand in Turnhalle" (29.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-reinickendorf-zuendelnde-kinder-verursachten-brand-in-turnhalle/12251922.html


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Quote[...] Die österreichische Polizei hat in einem Schlepperfahrzeug die Leichen von mehreren Flüchtlingen gefunden. Das Fahrzeug sei auf der Autobahn A4 südlich von Wien unterwegs gewesen, teilte die Polizei mit.

Die "Kronenzeitung" berichtet von bis zu 50 toten Flüchtlingen, die in dem Lastwagen entdeckt worden seien - möglichweise seien die Menschen in dem Anhänger erstickt.

Die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet von mindestens 30 Toten. Die Leichen seien in einem Lastwagen auf einem Pannenstreifen in der Nähe von Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) gefunden worden.

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will sich in Kürze zu dem Vorfall äußern.

Laut "Kronenzeitung" hatte die Polizei erst am Vormittag einen anderen Vorfall bekannt gegeben. Bei Bruck an der Leitha seien drei Schlepper gefasst worden. Einer von ihnen hatte demnach in einem Kastenwagen 34 Flüchtlinge, darunter Kinder, über die Grenze nach Österreich gebracht. Die Flüchtlinge sagten dem Bericht zufolge gegenüber der Polizei, dass sie in dem Fahrzeug "kaum Luft zum Atmen" bekommen hätten, der Fahrer aber trotz mehrfacher Bitten anzuhalten von der serbischen Grenze bis nach Österreich durchgefahren sei.

Zehntausende Flüchtlinge kommen über die Balkanroute nach Mittel-und Nordeuropa und durchqueren dabei auch Serbien, Ungarn und Österreich. Viele von ihnen sind Syrer, Iraker und Afghanen.

anr/dpa/Reuters


Aus: "Österreich: Polizei findet mehrere tote Flüchtlinge in Lastwagen an Autobahn" (27.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/oesterreich-tote-fluechtlinge-in-laster-gefunden-a-1050120.html


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Quote[...] "Vergiss nicht, dass dein Satz eine Tat ist", hat der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einmal geschrieben. Ein Satz, der in Zeiten von offener Hetze und blankem Hass in sozialen Medien und Internetforen keine Gültigkeit zu haben scheint.

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Aus: "Drohungen im Internet: Jeder Satz eine Tat - auch online" Hasnain Kazim (27.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hetze-gegen-fluechtlinge-im-internet-jeder-satz-eine-tat-kommentar-a-1049894.html

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Quote[...] Die Bombendrohung gegen die SPD-Zentrale nach Sigmar Gabriels klaren Worten über den rassistischen Mob von Heidenau hat eine sinnvolle Folge: Jetzt ist jedem, der es wissen will, die rechtsterroristische Dimension des Hasses klar. Wer es nicht wissen will, wird auch dann noch nicht überzeugt sein, wenn Tote zu beklagen sind.

Und es werden Menschen sterben, das ist die bittere, die eklige Wahrheit. Jeden Tag brennt irgendwo ein fast bezugsfertiges Flüchtlingsheim, und es wirkt nicht so, als würden sich die Täter vorher in der Katasterabteilung des Bundesamts für Migration erkundigen, ob die Gebäude nicht doch schon bewohnt sind.

In der Nacht zu Mittwoch sind zwei mit einem Messer bewaffnete Männer in Parchim in ein Flüchtlingsheim eingedrungen, die Bewohner konnten sich retten und den Sicherheitsdienst verständigen. Diese Absurdität! Im Juni 2015 kam fast die Hälfte der Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak oder Eritrea. Sie sind der nackten Kriegsgewalt entkommen, nur um in Deutschland von rassistischem Terror bedroht zu werden.

Genau jetzt findet in Deutschland ein Defining Moment statt, eine der Situationen, die eine Generation prägen können. Aus einem diffusen und rassistischen Mob, aus Leuten, die hauptberuflich deutsch sind und sonst nichts, gerinnt eine terroristische Bewegung. Und das Internet, die sozialen Medien spielen dabei eine wichtige, vielleicht entscheidende Rolle.

Der Extremismusforscher Andreas Zick beschrieb im Deutschlandfunk einen essenziellen Zusammenhang: In Heidenau seien die Krawalle nicht von einem spontan agierenden Mob ausgegangen, sondern von einer Gruppe, die sich seit Monaten organisiert. Seiner Einschätzung nach ist die Bewegung unter anderem im Phänomen Pegida verwurzelt. Man muss dazu wissen, dass zwischen Heidenau und dem Pegida-Versammlungsort am Neumarkt in Dresden nur zehn Kilometer Luftlinie liegen. Im bittersten Sinn nur einen Steinwurf entfernt.

Im Netz kursiert ein detaillierter Leitfaden der Neonazipartei "Der Dritte Weg" mit dem Titel "Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! Wie be- beziehungsweise verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft". Darin wird die Gründung einer Facebook-Gruppe und die Vernetzung mit anderen Anti-Asyl-Initiativen empfohlen.

Die Professionalität der Broschüre überrascht ebenso wie die Paragrafensicherheit im Text und die umfangreichen Musterformulare. Aber insbesondere durch den zwischen den Zeilen herausquellenden, blanken Hass liest sich das Papier wie eine Anleitung für genau die Communitys, in denen gewalttätige Aktionen wie in Heidenau organisiert werden.

Der Rechtsextremismus-Experte von "tagesschau.de", Patrick Gensing, erklärt im Artikel "Vom Netz auf die Straße", dass sich aus den teilweise über Jahre organisierten Netzgruppen Gewalttäter herausbilden. Es ist eine Netzsaat des Hasses, die dort aufgeht, in Flammen aufgeht. Gensing schließt mit den Worten: "Und aus den Schlagworten sind wieder Brandsätze geworden."

Der Defining Moment Deutschlands zieht herauf, eine neue, netzbasierte, dezentrale Terrorbewegung bildet sich. Die Zivilgesellschaft ist live dabei, kann im Netz zuschauen, wie sich Ängste, Schwächen, Unwissen durch gezielte, organisierte, rechtsradikale Propaganda verwandeln. Und zwar in eine aggressive, über soziale Medien verbreitete Hassstimmung, die den Nährboden für Gewalt bereitet. Es ist auch diese Stimmung, in der Neonazis in der S-Bahn "Heil Hitler" rufen und auf ein fünfjähriges Kind urinieren. Das ist wirklich passiert, im August 2015, in Deutschland.

In gewisser Weise ist der Fluch der sozialen Medien, dass Hasskommentare für manche Leute als Anlass und Antrieb für Gewalttaten funktionieren. Hier spielt Facebook eine unselige Rolle. Immer wieder werden Beschwerden laut, dass eindeutige Hassreden und Gewaltaufrufe nicht gelöscht würden, weil sie nicht gegen die "Community-Standards" verstoßen würden. Eine Facebook-Sprecherin erklärte, es handele sich um Einzelfälle, aber das dahinterstehende Problem geht tiefer und ist sehr viel komplexer.

Die gemeldeten, aber ungelöschten Hasskommentare sind nur die sichtbare Spitze des Problemeisbergs: Es geht um Entstehung, Organisation und Befeuerung von Hassgemeinschaften in sozialen Medien. Für diese Probleme gibt es - wie für die meisten Probleme der digitalen Gesellschaft - keine simple, technische Lösung. Trotzdem kann und muss man von einem Unternehmen mit einem Jahresgewinn um die drei Milliarden Dollar erwarten, mehr gegen das Hatespeech-Problem zu tun. Erst recht, wenn dadurch ein völkischer Terrorismus begünstigt wird.

Doch dem Internet-Blick nach Kalifornien muss der Blick in den deutschen Spiegel vorausgehen. Dort erkennt man das altbekannte Muster der Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Samt einer gefährlichen wie bizarren Schuldumkehr.

Wenn zum Beispiel der Thüringer SPD-Chef Flüchtlingskinder nicht einschulen will, um, Zitat: ein "weiteres Heidenau" zu verhindern - dann sagt er damit implizit, dass die bloße Präsenz von nicht-deutschen Kindern für rassistischen Terror mitverantwortlich ist. Es ist dieses Denken, das als Grundlage fungiert für die herbeiimaginierte Bedrohung durch Flüchtlinge, auf die Gewalttäter glauben, reagieren zu müssen: "Freital wehrt sich."

Verbunden mit einer verharmlosenden Perspektive auf Nazigewalt: Noch immer spricht die sächsische Polizei in offiziellen Mitteilungen über die Einsätze in Heidenau ernsthaft von "Asylkritikern", wo über Tage hinweg "Heil Hitler"-Rufe aus dem rechtsradikalen Mob zu hören waren. Offensichtlich geht die sächsische Polizei bei den Gegendemonstrationen entschiedener, schneller und härter vor als gegen gewalttätige Neonazis. Videos tauchen auf, in denen Nazis Polizisten jagen, an zwei Tagen werden in Heidenau Dutzende Polizisten verletzt. Wie viele Festnahmen es am zweiten Tag gab? Eine. Es war ein Pressefotograf. [https://www.freelens.com/news/pressefreiheit-a-la-sachsen/]

Eine verstörende Parallele ergibt sich zum Versagen des Verfassungsschutzes beim NSU: der dringende Verdacht, dass Teile der Behörden gewalttätige, organisierte, terroristisch agierende Nazis nicht als Problem betrachten. Sich in den Apparaten vielleicht sogar heimliche wie unheimliche Sympathien entwickelt haben.

Mit der Bombendrohung gegen die Parteizentrale des Vizekanzlers der Bundesrepublik bekommt die Situation eine neue Färbung. Niemand kann mehr erklären, dass es hier nur um rassistische Angriffe vorgeblich "besorgter Asylkritiker" geht. Es geht um eine dezentral organisierte Naziterrorbewegung, eine Art NSU 2.0 mit dem Ziel einer rassistischen Gesellschaftsordnung. Der Defining Moment unserer Generation wird sein, wie wir damit umgehen. [http://www.spreeblick.com/blog/2015/08/25/entscheide-dich-endlich-deutschland/]

Quote26.08.2015, 17:59 von AllesnureinWitz

Lobo gehört zu den wenigen, die schonungslos und ohne zu relativieren über die Nazis berichten. Ich bin mir auch sicher, dass es demnächst Tote geben wird, wie z.B. einst in Lichtenhagen. Dann sind wieder alle "empört und betroffen", haben es einfach nicht kommen sehen und man wird wieder 2 bis 3 Tage über Vorratsdatenspeicherung oder ein Killerspielverbot diskutieren.
Man wird wie immer vor den Nazis kuschen, politisch korrekt von "Asylkritikern" sprechen, ihr Handeln entschuldigen. Bloß keine Debatte über den in unserer Gesellschaft inhärenten Rassismus, lieber ein wenig über Ossis ablästern, den Rest betrifft das ja bestimmt eh nicht...
Auch das von Lobo angesprochene Problem, dass die Polizei bei Rechtsextremen regelmäßig die Samthandschuhe auspackt, gehört in die Debatte.
http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/organisierte-nazis-wie-im-netz-der-hass-gesaet-wird-thread-344835-3.html#postbit_33857076

Quote26.08.2015, 18:23 von dirtybob

Geteilter Meinung

Ich stimme vielem zu, aber einiges finde ich auch zu einfach gedacht. Facebook für das Hatespeech Problem anprangern ist leicht. Aber die Konsequenz wäre doch, wenn Facebook diesen Dingen konsequent nachgeht, dass es zu einem starken Eingriff der Meinungsfreiheit ausartet - sprich Zensur. Das wäre dann wieder die nächste Steilvorlage für einen kritischen Artikel. Ich sehe nicht so sehr Facebook in der Pflicht, sondern uns als Bevölkerung. Und ich sehe als Ziel auch nicht die Errichtung einer rassistischen Gesellschaftsordnung. Ich finde die Hintergründe komplexer, auch im Hinblick auf die EU und die Griechenlandkrise. Und ich finde es gut, dass der scheinbar verharmlosende Ausdruck "Asylkritiker" verwendet wird, weil es in meinen Augen schon Unterschiede gibt. Die rechte Haltung eines Klischee-Nazis ist ziemlich extrem und gewaltbereit. Hier wird jedoch eine Bevölkerungsgruppe angesprochen, die in ihren Denkweisen zwar klar rechts sind, aber nicht so gewaltbereit, sondern in meinen Augen eher moderat einzustufen sind. Diese Gruppen werden nun durch eine Ausnahmesituation aktiviert und angestachelt. In einem Stimme ich aber voll überein - gerade weil hier eine breitere Masse betroffen ist, kann dies gut und gerne als Gradmesser für die Geisteshaltung unserer Nation genommen werden.


Quote26.08.2015, 18:30 von fab64

Mit Pegida fing es an

Ich gebe H. Lobo recht, seit Pegida habe auch ich das Gefühl das sich in den Diskussionen über Flüchtlingsfragen in den sozielen Medien einiges geändert hat: Es wird überwiegend schawrz -weiß argumentiert. Es war ein großer Fehler, die Pegida Anhänger alle über einen Kamm zu scheren und als braunen Mob zu brandmarken. Ja, das sind sicher einige Nazis dabei, aber man hätte mit der Bewegung sprechen müssen. So hätten diese Farbe bekennen müssen, was sie eigentlich wollen. Das hätte sicherlich hier und da die Spreu vom Weizen getrennt. Jetzt aber hat man eine undurchsichtige Masse an Nazis, VT'lern, USA Bashern, aber auch Leuten, die nur mit der aktuellen Flüchtlingspolitik (und/ oder Politik gesamt) unzufrieden sind, die sich im Internet aber dennoch alle einer Gruppe zugehörig fühlen bzw. auch weiterhin als solche von anderen eingordnet werden: Die "besorgten Bürger". Diese Gruppe hat aber keine publizierten Maßstäbe, an der sie sich selbst messen und regeln kann. Weil man halt all diese verschiedenen Meinung nicht herauskristallisiert hat sondern nur als einzige Meinung brandmarkt und unter den Teppich kehrt. Ich halte das für gefährlich.


Quote26.08.2015, 18:36 von Bronco_Buster

Angst

Die Menschen, Hr. Lobo haben Angst. Panische Angst. Und zwar nicht davor, dass ihnen die Flüchtlinge irgend etwas wegnehmen, sie angreifen oder vergewaltigen, wie ihnen das immer wieder gerne unterstellt wird. Sie haben Angst davor, wie dieses Land, das auch ihr Land ist, 50 Jahre nach der millionenfachen Zuwanderung von Menschen muslimischen Glaubens aussieht. Eine Angst, die einem Kinderlosen wie Ihnen reichlich abstrakt erscheinen muss. Eine Angst, die von den übrigen Europäern augenscheinlich mehrheitlich geteilt wird. Wieso sonst sperrt sich eine breite Mehrheit der EU-Staaten rigoros gegen die Aufnahme von Flüchtlingen?


Quote26.08.2015, 18:36 von robert.c.jesse
Die Macht der Worte...

Das Meiste in diesem Beitrag ist richtig und Danke Lobo. Was mir aber schon bei der Aufarbeitung der Deutschen Vergangenheit nicht gefällt ist die Schuldzuweisung an die sogenannten "Nazis". Und das war doch nur einen Minderheit und alle Anderen haben nichts gewußt, mußten Befehle ausführen und waren von der allgemeinen Begeisterung verführt. Das läßt dann vermuten, dass es nur Wenige waren welche diesen Wahn des Nationalismus gefolgt sind. Das stimmt eben nicht. 75% der Deutschen ware begeisterte Anhänger des Führers und haben seine Ideen gebilligt und exekutiert. Nun spricht man wieder von "Nazis" die aber im weitesten Sinne keine sind. Man gibt diesen verwirrten Volkstümmlern mehr Kraft und Anerkennung die diese Narren vereint und stärkt. Es wäre vernünftig Sie als Kriminelle oder gar als psychisch erkrankt Menschen zu bezeichnen. Das Problem ist die Politik, die auch solche "Nazis" braucht um von ihren eigenen Handeln ablenkt und sie auch zum Werkzeug der "totalen" Kontolle hernimmt. Die Sicherheit geht vor Freiheit. Denn Bürger auf diesen Weg in ein Netz von Überwachung und "Kontrollgesetzen" einsperrt. Auch der Begriff "Pack" und Abschaum verhindern jeden Dialog und Möglichkeit dieses Problem des "Neuzeitrassismus" zu lösen. Solange muslimische Staaten wie Saudi Arabien an der Spitze keine "Freiheit des Glaubens" und den Respekt der Menschenwürde zuläßt, sie aber mit Waffen versorgt, wird es keine Lösung geben...



Quote26.08.2015, 19:03 von Landkaertchen
Die Frage des Wieso stellt sich immer...

... und keiner will sie beantworten. Es handelt sich hier um ein Massenphänomen, wie ich seit Monaten vor Ort mitbekommen kann. Nicht um kleinere Gruppen! Denn es sind die auch die Kollegen, die zwar nicht zur Demonstration gehen (oder das nicht erzählen), aber sich hin und wieder inhaltlich äußern. Wenn sie dann Pfeffer für ihre Meinung bekommen, sind sie halt Still. Was nicht heißt, dass sich ihre rechte Meinung geändert hat. --- Jedoch ist es auch nicht verwunderlich, dass es hier bei uns in Sachsen so viele Mitläufer und Mitdenker dieses "Packs" gibt. Und das, obwohl denen schon bewußt ist, dass sie 1990 in die BRD aufgenommen wurden und im Prinzip damit Wirtschafts"überläufer" sind. Nicht mal ehemalige Verfolgte. Auch keine, die vorm Krieg ausgerissen sind. -- Aber wieso reagieren diese Menschen so feindlich? Kann es am Lernprozess liegen, den diese ostdeutsche Gesellschaft mit der Wende vollzogen hat? Dass wir (insbesondere die unteren Einkommensgruppen mit ihren begrenzten Chancen am Arbeitsmarkt und ihrer nun mal begrenzten Intelligenz) letztlich nur als "Markt" und "Masse" wahrgenommen wurden und werden? (Das gilt inhaltlich für die gesamte Bundesrepublick. Nur wurde es vor Ort über viele Jahre als Kulturschock wahrgenommen, der sich noch immer nicht aufgelöst hat.) Ist es vielleicht eine entscheidende Ursache, dass das einzelne Individuum seit Jahren vom Politiker als Arbeitsmarkt und Kaufkraft und Rentenbezieher und ALG sonstwas-Bezieher und manchmal auch als Sozialschmarotzer verallgemeinert wird? Könnte es sein, dass sich die Intelligenz Deutschlands, auch die Medien, nicht direkt, aber indirekt immer wieder öffentlich herablassend zu diesen "Markterscheinungen" der Gesellschaft bekennen? -- Vielleicht, es ist eine Vermutung... Vielleicht ist diese Volkswirtschafts- und Marktbetrachtung und die damit einhergehende Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsschichten als reiner "Markt" oder irgend was Fiktives aber nie als Sammlung von Individuen das, was den Individuen dieser Gruppen seit Jahren deren innere Agression gegenüber Politik, Medien, Konzerne, Chefs, Besserwissern... steigern lässt? Und sich das jetzt entlädt? -- Und es hilft uns ganz bestimmt nicht, wenn man nun für diese Bevölkerungsschicht einen neuen Martbegriff, den des "Packs" erfindet! Das ist kontraproduktiv und dumm. Die Stimmung damit weiter anzuheizen ist Herrn Gabriel fortrefflich gelungen. Wenn die Feuerwehr wie Politiker reagieren würde, würde sie Brandbeschleuniger ins Feuer werfen, damit der Brandherd schneller abbrennt. Gesellschaftliche Brandherde brennen aber mindestens immer eine Generation lang! Wie kann man nur derart dumm sein? Kein Wunder, wenn es hier weiter eskaliert.


Quote26.08.2015, 18:37 von MephistoX
Danke Sascha, wie so oft eine zutiefst fundierte, ins Mark treffende Analyse höchst beschämender "deutscher Befindlichkeiten".

Völlig richtig: Den braunen Mob schon rein sprachlich als "Asylkritiker" zu verharmlosen, geht gar nicht - diese Verfassungsfeinde sind u.U. bereit, im Sinne ihrer kruden, menschenverachtenden Gesinnung über Leichen zu gehen.

Politik darf sich durch solche, von Ihnen als "hauptberuflich Deutsche" Bezeichnete in der Tat nicht einschüchtern oder gar lenken lassen und die Zivilgesellschaft muss - so gut es geht - dagegen halten. ...

Quote26.08.2015, 19:20 von bergi18
Hass und Gewalt ist keine Lößung..

Ich finde man sollte die ganze Angelegenheit nicht immer nur auf Deutschland beziehen. Das Aktuelle Problem ist ein gesamteuropäisches Problem, und desshalb ist es eine Wahre Tragödie,dass es uns Europäern nicht gelingt, eine Gewaltlose Lösung zu finden. Irgendwie sieht die gesamte europäische Politik über die Köpfe der europäischen Bürger hinweg, welche Ängste und Probleme die Menschen in Europa durch diese unüberschaubare Völkerwanderung überhaupt sehen kommen. Es ist nicht nur Deutschland die Angst um Ihre eigene Kultur und Sicherheit haben, nein, ganz Europa hat Angst. Es ist die "ANGST" der Menschen in Europa um Ihre Kultur die sie bekunden, und nicht der Hass auf Flüchtlinge, die in Europa das Paradies auf Erden suchen, dass es auch bei uns nicht gibt. Warum waren wir Europäer nicht im stande diesen Menschen in Ihren Herkunftsländern zu helfen? Wenn unsere Europäischen Politiker glauben, das die aktuelle Lage die bessere und günstigere Lößung ist, dann glaube ich, wir Väter und Mütter werden unseren Kindern mehr über Gewalt und Kriege erzählen müssen. Man kann nicht alle Kulturen auf einen Haufen vereinigen in keinem Land, das wird immer ein Wunschdenken der Politik bleiben, wird aber in der Realität niemals gelingen. Es ist einzig allein eine Frage der Zeit, wann dieses Wunschdenken explodieren wird. Die Zeit ist jetzt schon reif "ANGST" zu haben. Ich glaube, da steckt viel..viel..mehr dahinter als wir Europäer überhaupt mitbekommen, worum es mit der unüberschaubaren Völkerwanderung überhaupt geht.


Quote26.08.2015, 19:55 von MünchenerKommentar
Falsche Schwerpunkte

Soziale Medien als Problem wahrzunehmen, ist der falsche Ansatz. Soziale Medien verstärken eventuell nur einen Effekt, der auch ohne soziale Medien schon da ist, im positiven Sinne (z.B. im arabischen Frühling) oder im negativen Sinne (wie bei den hier angesprochenen Minderbemittelten). Man kann das eine nicht ohne das andere haben, und dann ist mir eine freie Meinungsäußerung wichtiger, vor allem da ja z.B. Volksverhetzung durchaus verfolgt werden könnte, wenn sich jemand die Mühe machen würde.

Das Problem dürfte vielmehr der unterschwellige Beifall der staaatlichen Organisationen (insbesondere der Polizei) zu den Vorfällen sein, wie ja im Artikel sehr schön beschrieben wird. Man möge sich nur mal vorstellen, wie die bayerische Polizei gegen eine Gruppe linker Jugendlicher vorgehen würde, die es wagen würden, beim G7-Gipfel (auf harmlose Art) zu demonstrieren und dies dann mit dem Vorgehen der Polizei in Sachsen vergleichen. Das ist ja auch kein Wunder, da sich eine in der Bevölkerung latent vorhandene rechte Meinung generell durch die Berufswahl "Polizei" weiter verstärkt (Welcher linke oder liberale Mensch geht heute noch freiwillig zur Polizei?).

Die Probleme ließen sich also wohl am ehesten durch den Einsatz nicht-ortsansäßiger Polizei lösen. Ein schönes Beispiel dafür ist der Einsatz von Bundestruppen in Little Rock 1957.


Quote26.08.2015, 20:18 von hubertrudnick1
Hass schüren

Hass schüren und Brände legen ist doch die widerlichste Art wie man unsere Demokratie schädigen kann.
Es gibt kaum noch ein Tag, wo nicht irgendwo in Deutschland Gebäude abbrennen, bevor man sie für die vielen Flüchtligen vorbereiten kann.
Der Hass hat viele Ursprünge, aber so viel die Politik auch an ihren Aufgaben hat falsch gemacht, oder versäumt hat, es gibt keinem das Recht die Demokratie hier zu zerstören.
Es sind schon nicht nur Einzeltäter, sie formieren sich in den Netzwerken und werden auch von dort aufgestachelt und tun, was sie selbst nicht überschauen können.
Glaubt ihr den wirklich, dass ihr mit eueren Hasstiraden die Flüchtlingswelle, sowie die Ursachen dafür verändern könnt?
Wer Hass streut, der ist einfach zu bequem über all das nachzudenken, er fällt auf andere herein, so wie das deutsche Volk es schon mal getan hat, hinterher kommt dann das Katzenjammer und keiner will es gewesen sein.
Man kann mit vielen was die Politik tut nicht einverstanden sein, aber das was zur Zeit einige betreiben hilft nur nichts zu verändern, es schadet uns allen.

Quote26.08.2015, 20:31 von knuka
Peace!

Linker Hass gegen Rechts,
Rechter Hass gegen Links,
Hass der Altbewohner gegen Neuankömmlinge.
Wut der Kinder der Neuankömmlinge,
hier nicht gleich zu sein ...
... mit den Kindern der Einheimischen.
All das ist das Gebräu das über Jahrtausende stets den Krieg gebar.

Nun müssen alle an sich halten, sich erst einmal beruhigen, friedlich bleiben, Perspektiven der anderen verstehen, von ihrem jeweils eigenen hohen Ross herunter kommen und den Frieden zwischen ALLEN diesen Parteien, vor dem Hintergrund eingetretener Änderungen neu verhandeln. Das gilt auch für die, die Nazis hassen.

Wenn nun selbst der Bundespräsident das erste Wort unserer Nationalhymne Lügen straft und das Land, mit den nur ihm möglichen Machtworten, in Hell und Dunkel spaltet, dann wird auch mir ANGST.

Sachliche und nüchterne Bestandsaufnahme tut in solchen Krisen gut und eine unemotionale Suche (mit "kühlem Kopf") nach einer Lösung, die den größten gemeinsamen Nenner zwischen den unterschiedlichen Interessen aller bildet.

http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/organisierte-nazis-wie-im-netz-der-hass-gesaet-wird-thread-344835-10.html

...


Aus: "Organisierte Nazis: Hass im Netz" Eine Kolumne von Sascha Lobo (26.08.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/wie-der-hass-gegen-fluechtlinge-im-internet-gesaet-wird-kolumne-a-1049883.html#ref=meinunghp


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die griechische Insel Lesbos liegt gegenüber der türkischen Küste. Die Ankunft mit der Fähre von Ayvalik (Türkei) im Hafen von Mytilini, der Hauptstadt der Ägäis-Insel Lesbos, ist die Ankunft in ein Drama.

Die kleine Fähre mit einigen Touristen und Inselbewohnern, die zum Einkauf auf dem türkischen Festland waren, hält neben einer riesigen Fähre nach Athen. Auf dem hinteren Deck drängen sich ca. 400 Flüchtlinge, die sich ein Ticket ergattern konnten - nach einer tagelangen Odyssee durch die Insel - unter menschenunwürdigen Bedingungen.

Einen ersten Eindruck, was uns auf der Insel erwartet, bekommen wir schon am Hafen von Mytilini: Rechts von Zoll- und Passkontrollengebäude warten hunderte Flüchtlinge am Kai hinter einem Maschendrahtzaun, rechts ein Berg zerstörter Schlauchboote.

Die Weiterfahrt nach Skala Sikamineas führt vorbei an dem heillos überfüllten Flüchtlingslager von Mytilini. 5.000 Menschen warten dort auf ihre Registrierung und ein Ticket nach Athen. Immer wieder begegnen wir Gruppen von Menschen mit kleinen Kindern, die auf der gefährlich kurvenreichen Straße zu Fuß Richtung Mytilini unterwegs sind. In Buchten am Strassenrand lodern Lagerfeuer - die Waldbrandgefahr ist groß.

Skala Sikamineas ist ca. 50 km von Mytilini entfernt und liegt im Nordosten der Insel. In Serpentinen schlängelt sich die Strasse vom kleinen Hafen hoch zur Hauptstrasse nach Mytilini. An der Kreuzung ist ein Sammelpunkt der Flüchtlinge. Müll säumt die Strassen, es stinkt nach Kot und Urin, weil die Menschen ihre Notdurft in jeder kleinen Nische, im Gebüsch verrichten müssen.

Auf einem Plateau in einer Kurve der Serpentinenstrasse türmen sich aufgeschlitzte Schlauchboote, Schwimmwesten, Rettungsdecken, zurückgelassene Kleidung - es stinkt erbärmlich nach Gummi, keiner weiß, wohin mit dem ganzen Abfall. Die Dorfbewohner haben Angst, dass sich über den Müll und die Fäkalien Krankheiten übertragen könnten, dass die Erde in den Feldern, Wegen und Vorgärten kontaminiert werden und das Grundwasser verseucht werden könnte.

In einer Müllsammelaktion hatte die Dorfbevölkerung versucht, den Weg vom Hafen bis zur Kreuzung zu säubern - ein hoffnungsloses Unterfangen, denn ständig kommen neue Boote mit 50-80 Menschen an Bord, die sich angesichts der Hitze allen unnötigen Ballasts entledigen. Dorfbewohner haben am Strand Müllsäcke und Schilder in Arabisch und Farsi mit Piktogrammen aufgestellt, damit der Müll gleich dort entsorgt wird, doch sie werden von den Flüchtlingen kaum wahrgenommen.

Auch hier, wie auf der Insel Kos kommen die Einheimischen, um sich die Motoren oder anderes Brauchbares zu holen. Aber es gibt die Regel, dass derjenige, der sich Dinge einpackt, auch das Schlauchboot auf die Sammelstelle entsorgen muss. Das funktioniert scheinbar (noch) ganz gut, denn im Dorf ist das Gesprächsthema - wer war vor Ort und wer hat was mitgenommen.

An der Kreuzung drängen sich hunderte von Menschen im kargen Schatten am Strassenrand, darunter viele erschöpfte Kleinkinder. Die Bevölkerung und freiwillige Helfer der Initiative ,Help for refugees in Molyvos' versorgen die Menschen mit Wasser, Keksen und Sandwiches für den Marsch nach Moria, einem Dorf bei Mytilini, wo das zentrale Aufnahme- und Registrierungszentrum ist. Busse, die die Flüchtlinge aufsammeln können, kommen hier selten vorbei. UNHCR und ,Ärzte ohne Grenzen' haben zwar Busse gechartert, aber die kommen meist an anderen Anlandestellen zum Einsatz.

Die meisten Flüchtlinge, die im Moment anlanden sind Syrer aus Damaskus und Aleppo, aber auch Afghanen, Iraker und Pakistani sind darunter. Schon der Weg durch die Türkei ist beschwerlich, wer das Geld besitzt, fährt mit dem Überlandbus nach Istanbul, der Rest macht sich zu Fuß auf den Weg.

Von Istanbul aus werden sie von Schleppern, die ihren Sitz in Istanbul haben, für 1500-2000 Euro mit Bussen von Istanbul incl. Überfahrt zum Ablegeort der Schlauchboote nahe Assos gebracht. Schon dort herrschen unvorstellbare Zustände: es gibt keine Toiletten, kein Wasser, keine Versorgungsmöglichkeiten für die Menschen, die in der glühenden Hitze auf das Schlauchboot warten - manchmal tagelang.

Die türkischen Behörden fühlen sich nicht zuständig. Ein Mädchen aus Damaskus berichtet an der Kreuzung nach Mytilini, dass sie von der türkischen Polizei geschlagen wurden. Voller Hoffnung erzählen die Kinder, dass sie nun in Sicherheit seien und weiter nach Deutschland möchten.

Das möchte auch der kurdische Syrer aus der Umgebung von Kobane, der vor dem IS geflohen ist und alles verloren hat - der IS hat sein ganzes Dorf zerstört. Diesen Nachmittag kommen noch 7 weitere Boote mit ca. 60 Insassen an, überwiegend ärmere Syrer und ein paar Afghanen.

Mittlerweile versuchen die Flüchtlinge im Dorf in die Gärten zu gelangen, um ihre Notdurft zu verrichten oder sich mit reifen Früchten zu versorgen.

Viele Häuser im Dorf stehen leer, weil die Besitzer auf dem Festland oder in Europa arbeiten. Das Dorf zählt mittlerweile nur noch ca. 250 Einwohner, die Zahl der Flüchtlinge übersteigt die Einwohnerzahl bei weitem.

Ein freiwilliger Helfer aus Molyvos ist vor Ort an der Kreuzung und berichtet, dass ein Bus von ,Ärzte ohne Grenzen' für ca. 50 Menschen kommen wird, wann, weiß keiner. Der Rest der aktuell 300 Menschen wird die Nacht auf der Straße verbringen müssen. Allein an diesem Tag sollen 1.000 Menschen an 3 verschiedenen Stellen auf der Insel gelandet sein, berichtet der Helfer. Das Camp bei Mytilini sei aber voll, deshalb gibt es erstmal keine weiteren Busse. Sobald die nächste Fähre zur Überfahrt nach Athen kommt, wird es wieder ein paar hundert Plätze darauf geben.

Wir sitzen in einem Innenhof im Dorf und diskutieren über die unkoordinierte Hilfe von Staat und Hilfsorganisationen, als es klopft und eine syrische Frau mit zwei kleinen Kindern darum bittet, die Toilette benutzen zu dürfen. Die Toilette der benachbarten Schule, gestern noch vereinzelt benutzt, dient heute den Massen als Toilette und Dusche, der Schulhof als Schlafplatz für die Nacht. Schnell ist die Toilette verstopft und nicht mehr benutzbar. Am nächsten Tag ist der Schulhof mit einem dicken Vorhängeschloss versehen, der Zaun um die Schule um weitere Gitter in die Höhe ergänzt, damit niemand mehr darüber klettern kann.

Die Dorfbewohner kapitulieren: "Was sollen wir machen? Es sind zu viele." Unmut über die Politiker wird laut: "Die Politiker hier machen nichts, weil sie Angst haben, wenn sie etwas an der Situation der Flüchtlinge verbessern, kommen noch mehr." In vielen Gesprächen hört man: "Welches Spiel spielt Europa, warum helfen sie uns nicht?"

Schnell werden die USA und Europa als die Hauptschuldigen ausgemacht. In der Tat übernimmt die Bevölkerung die Hauptversorgung der Flüchtlinge, UNHCR, Ärzte ohne Grenzen und lokale Hilfsprojekte sind jedoch auf die kaum vorhandene Logistik der Insel angewiesen. Die lokalen Behörden müssten Logistik wie Busse und fahrbare Toiletten zur Verfügung stellen, es müsste mehr Registrierungsstellen geben.

Der Transport nach Athen oder Thessaloniki müsste schneller gehen, die Weiterreise in die Nachbarländer müsste organisiert werden. Denn auch die Zustände in Athen sind anscheinend ähnlich schlimm. Auch von der für die Belange der Asylsuchenden zuständige Ministerin Tasia Christodoulopoulou hört man die gleiche Antwort wie von den Dorfbewohnern: "Aber was soll ich denn tun?".

An der griechisch-mazedonischen Grenze ist die Situation, wie bekannt, bereits dramatisch, dabei sind noch tausende auf dem Weg dorthin. Allein im Camp von Mytilini auf Lesbos warten 5.000 Menschen auf die Überfahrt aufs Festland und täglich landen neue Flüchtlinge. Ähnliches wird von den Inseln Samos, Kos oder Chios gemeldet.

Entspannung ist aber noch lange nicht in Sicht. Auch aus einem ganz anderen Grund, der noch nicht in den Fokus der westlichen Medien gerückt ist: angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Osttürkei ist auch von dort - aus den kurdischen Flüchtlingslagern - mit noch mehr Flüchtlingen zu rechnen.

Angesichts der Bombardierungen des türkischen Militärs und des Polizeiterrors gegen die Bevölkerung in der Osttürkei werden sich die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak dort nicht mehr sicher fühlen. Niemand wird aber ernsthaft erwägen, sich in Nordsyrien in einer von Erdogan angestrebten ,Sicherheitszone' unter der Kontrolle der islamistischen Al Nusra - Front niederzulassen.

Die Angriffe der türkischen Armee auf die kurdischen Gebiete dürften weitere Hunderttausende in die Flucht treiben: nach Istanbul, auf die griechischen Inseln, in der Hoffnung auf ein sichereres Leben in Europa. Die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland existiert faktisch nicht mehr. Wer das Geld hat, riskiert die gefährliche Überfahrt mit Schleppern, zerreisst seinen Pass oder die UNHCR-Registrierungspapiere und reist ohne Papiere gen Europa. Diese Situation würde es natürlich auch IS-Terroristen sehr leicht machen, sich unter die Flüchtlinge zu mischen und so völlig unauffällig nach Europa einzusickern.

Allein am Freitag, den 28. August, Tag kamen in Skala über 2000 Flüchtlinge an. Während hier die Bevölkerung und freiwilligen Helfer versuchen, den Flüchtlingsstrom an die Kreuzung zur Straße nach Mytilini zu organisieren, spielen sich auf der türkischen Seite Dramen ab, über die in der Presse nicht berichtet wird, weil sich kaum ein Journalist dort hinwagt.

Am Strand "Sokakağzı" nahe dem Dorf "Sivrice koyu", westlich von Behramkale (Assos), dem Startpunkt der Schlauchboote, regiertmittlerweile die Schlepper-Mafia.

Ein kanadischer Journalist berichtet mir, die Mafia würde in die Sommerhäuser der Istanbuler eindringen und diese als Stützpunkt verwenden. Sie laufen mit Maschinenpistolen herum, "von der türkischen Polizei keine Spur".

Die Flüchtlinge, die nicht das gesamte Paket der Schlepper aus Istanbul buchen konnten, leben in wilden Camps, ohne Schatten, ohne Wasser, ohne jegliche Versorgung. Hier harren die Ärmsten der Armen der Dinge, in der Hoffnung doch noch einen erschwinglichen Platz für eine Überfahrt zu ergattern.

Auch hier herrscht die Klassengesellschaft: Während die meisten syrischen Flüchtlinge über die finanziellen Mittel für eine Überfahrt in den vergleichsweise "komfortablen" großen, hochseefähigen Schlauchbooten verfügen, setzen die Afghanen, Iraker, Pakistani oder Somalier in völlig überladenen, kleinen Schlauchbooten über, die bei hohem Seegang manövrierunfähig sind - oder sie versuchen zu schwimmen: Fischer von Skala Sikamineas retteten am Freitag drei Personen aus dem Meer, die offensichtlich versucht hatten, die ca. 10 km schwimmend zu überqueren. Möglich ist auch, dass ihr Boot kurz nach dem Ablegen von der türkischen Küste gekentert ist.

Als Journalist kann man dort nicht arbeiten, berichtet der kanadische Journalist, weil die Schlepper die Journalisten bedrohen. Zuviel Aufmerksamkeit ist geschäftsschädigend. "Dort drüben existiert kein Staat mehr, es ist unfassbar, was sich dort abspielt", berichtete der Kanadier mit sichtlichem Entsetzen im Gesicht. Er war vor einer Woche auf der türkischen Seite.

...


Aus: "Lesbos: Station auf der Flüchtlingsroute nach Mitteleuropa" Elke Dangeleit (30.08.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45843/1.html

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Quote[...] In Koalitionskreisen wird damit gerechnet, dass Berlin dieses Jahr bis zu 70 000 Flüchtlinge aufnehmen muss. Sollte sich das bestätigen, stünde die Hauptstadt im Herbst und Winter vor äußerst schwierigen Problemen bei der Unterbringung – und die Kosten für Unterbringung, Versorgung, Kitabetreuung und Schule könnten auf 700 Millionen Euro für 2015 steigen. Noch geht die Senatssozialverwaltung offiziell von rund 40 000 Menschen aus, die in Berlin Zuflucht suchen. Aber bundesweit werden jetzt schon eine Million Asylbewerber in Deutschland erwartet, entsprechend erhöhen sich auch die Zahlen in den einzelnen Ländern.

Und im letzten Quartal jedes Jahres kommen erfahrungsgemäß besonders viele Asylsuchende. Den Ernst der Lage dokumentiert ein Aufruf der fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien. ,,Vor den Herausforderungen, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge verbunden sind, stehen wir gemeinsam, dies ist eine staatliche und auch zivilgesellschaftliche Aufgabe", erklärten die Landeschefs der Parteien. Sie bitten alle Berlinerinnen und Berliner, ,,sich jetzt für die Flüchtlinge einzusetzen, zu helfen und Hilfsangebote mit Spenden zu unterstützen". Jede Tat, jede Geste zähle.

In den ersten acht Monaten 2015 wurden knapp 20 000 Flüchtlinge untergebracht, nun könnten es mehr als doppelt so viele in der Hälfte der Zeit werden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 waren es 12 227. ,,Wir prüfen alles, um Obdachlosigkeit zu vermeiden, Gebäude in Landesbesitz und solche, die uns privat angeboten werden – und vorrangig Gebäude für viele Menschen", sagte am Sonntag die Pressereferentin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), Monika Hebbinghaus. Auch das Flughafengebäude in Tempelhof und das asbestbelastete ICC ,,werden ernsthaft geprüft". Bei diesen Objekten ergäben sich aber enorme Herausforderungen bei Brandschutz und Sicherheit, da tausende Menschen wie in einer Art Dorf zusammenleben müssten. Zeltdörfer seien nicht auszuschließen, sollten aber so lange wie möglich vermieden werden, heißt es in der Sozialverwaltung. Man hoffe auf ,,noch mehr Synergien" dank der neuen Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement. Bisher war das Verfahren zur Identifizierung freier Immobilien sehr bürokratisch.

Derzeit buchen nach Tagesspiegel-Informationen viele Flüchtlinge Bus-Transportunternehmen aus Bayern und lassen sich nahe dem Lageso an der Turmstraße absetzen. 300 bis 800 Asylsuchende kommen jeden Tag neu an, zudem stellen sich weitere rund 1200 bis 1700 Menschen in die Schlange, weil sie auf einen Termin warten. Viele von ihnen vertrauen nicht auf die behördliche Zusage, dass ein ambulanter Sachbearbeiter zu ihnen in die Notunterkunft kommt.

Die Wartezeit für den ersten Termin beim Sachbearbeiter im Lageso beträgt drei bis fünf Tage. Der sagt, nach elektronischem Abgleich, ob der Wartende in Berlin oder in einem anderen Bundesland einen Leistungsantrag stellen kann. Bis Ende Juli wurden Berlin nach Angaben des Bundesamts für Migration 14 475 Antragsteller zugeteilt. Der Termin für einen Erstantrag nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt mangels Personal erst rund fünf Wochen später. Während der Wartezeit wird pro Person zur Überbrückung ein Abschlag pro Tag in Höhe von rund sechs Euro im Schnitt ausgezahlt.

Wie viele abgelehnte Asylbewerber in die Heimat zurückreisen, war am Sonntag nicht zu klären. Laut Sozialverwaltung wird im Lageso in Kürze auch an den Wochenenden im Schichtbetrieb gearbeitet. Die 220 freiwilligen Mitarbeiter anderer Verwaltungen würden geschult. Die Caritas, die das Platzmanagement am Lageso regelt, regt eine Abendöffnung und eine Überdachung der Wartezone an. Es werde ein Infomobil und Kinderbetreuung geben.

Senator Czaja fordert, der Bund müsse die Erstaufnahme übernehmen. Die Berliner Stadtmission regt an, der Bund solle verlassenen Gemeinden in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern finanzielle Anreize bieten, damit sie dank der oft sehr gut qualifizierten Syrer die Region wiederbeleben. Berlin müsse flexibler bei Arbeitserlaubnissen werden, die Flüchtlinge kämen hoch motiviert an und würden zur Passivität gezwungen. Man solle auch prüfen, ob Berliner beispielsweise Laubenkolonien als Unterkunft anbieten wollen und dies flexibel ermöglichen. Die Stadtmission fordert einen ,,Berliner Gipfel" für innovative Asylpolitik.

Die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John sagte, es müsse statt einer Asyl- eine neue Flüchtlingspolitik geben. Europa müsse dringend die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern vor Ort in Absprache mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen verbessern, damit weniger Flüchtlinge den Weg nach Europa suchen. Anträge müssten die Menschen in den Herkunftsländern selbst stellen können – vor allem Frauen, Alte und Kranke.


Aus: "Prognosen für Berlin: Bis zu 70.000 Flüchtlinge in diesem Jahr"
Annette Kögel, Ulrich Zawatka-Gerlach und André Görke (30.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/prognosen-fuer-berlin-bis-zu-70-000-fluechtlinge-in-diesem-jahr/12254278.html

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Quote[...] Jüngste Polizeimeldungen hatten befürchten lassen, dass sich eine Flüchtlingskatastrophe wie auf der Ostautobahn bei Parndorf mit 71 Toten jederzeit wiederholen könnte. Immer wieder stoppte die Polizei Schlepperfahrzeuge mit dutzenden Flüchtlingen im Laderaum.

In Oberösterreich dürften drei syrische Kinder nur knapp vor dem Verdursten gerettet worden sein. In einem Kleintransporter, der in der Nähe von Braunau angehalten worden war, befanden sich außer den Kindern 17 Erwachsene. "Sie waren ohne Wasser und Nahrung mehr als 20 Stunden unterwegs und bereits benommen und stark dehydriert", sagte Polizeisprecher David Furtner. Am Sonntag konnten die Flüchtlinge das Spital verlassen.

... Angesichts der Flüchtlingskrise geht auch die deutsche Polizei verstärkt gegen Schlepperbanden vor. Zwischen Jahresbeginn und Ende Juli wurden bei Kontrollen im grenznahen Bereich und in Zügen insgesamt 1.785 mutmaßliche Schlepper festgenommen, berichtete die "Bild"-Zeitung am Montag. Dies seien rund 83 Prozent der im Gesamtjahr 2014 Festgenommenen. Im vergangenen Jahr hatte die deutsche Polizei dem Bericht zufolge insgesamt 2.149 Schlepper gefasst.

Bei den Ermittlungen zu den 71 erstickten Flüchtlingen wurden inzwischen fünf Verdächtige in Ungarn festgenommen. Es handelt sich um vier bulgarische und einen afghanischen Staatsbürger. Zwei der vier Männer sind offenbar amtsbekannt. Sie sollen bereits vor dem Fall im Burgenland wegen des Verdachts auf Schlepperei in das Visier der Polizei geraten sein, schreibt das Internetportal "Nol.hu" am Montag.

Sie befinden sich in der südungarischen Stadt Kecskemét, wo der Schlepper-Lkw zugelassen wurde, in Untersuchungshaft. Diese ist jedoch noch nicht rechtskräftig, da die Verdächtigen Berufung einlegten.

Laut dem ungarischen Nachrichtenportal wird gegen die fünf Verdächtigen nicht wegen Mordverdachts, sondern wegen organisierten Menschenschmuggel ermittelt. Dafür könnte in Ungarn eine Strafe von zwei bis 16 Jahren verhängt werden. Zwar gebe es noch keinen diesbezüglichen Beschluss, doch würden die Behörden die in Ungarn verhafteten Verdächtigten mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern, schrieb "Nol.hu". Wie die Nachrichtenagentur BTA berichtete, ermittelt auch die bulgarische Sicherheitsbehörde SANS in diesem Fall.

Das Internetportal Index.hu berichtete am Sonntag, dass ein ungarischer Lkw-Fahrer am Mittwochvormittag beobachtet habe, wie die Schlepper den Tod der Flüchtlinge entdeckt hätten und panisch in einem Begleitfahrzeug davongefahren seien.

Die gerichtsmedizinische Obduktion der Leichen wird im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital durchgeführt und soll bis Mittwoch abgeschlossen sein.  ...

In Österreich muss jedenfalls geklärt werden, wie das Polizeifoto von den Toten im Lkw in die "Kronen Zeitung" kam. Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ermittelt, ob möglicherweise Amtsmissbrauch vorliegt. Die Veröffentlichung selbst hat für zahlreiche Beschwerden beim Presserat gesorgt.

Nach der Tragödie in Österreich und erneut 200 Toten im Mittelmeer hat Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Flüchtlingsgipfel in New York am 30. September einberufen. Auf EU-Ebene findet am 14. September ein Sondertreffen der europäischen Innenminister statt, um über die Flüchtlingskrise zu beraten.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache will nach dem Vorbild Ungarns Grenzzäune errichten. "Natürlich ist es auch abseits von Grenzübergängen notwendig, das Land mit Zäunen zu schützen", sagte Strache in einem Interview für die Montagsausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten". Den Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Flüchtlingen einen legalen Fluchtweg nach Europa zu ermöglichen, lehnt der FPÖ-Chef ab. "Wir können nicht sagen, die Völkerwanderung wird legalisiert." (gma, simo, wei, APA, 31.8.2015)



Aus: "Fünf Festnahmen bei Aktion scharf gegen Schlepper an Grenzübergängen" (31.8.2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000021484785/Mikl-Leitner-startet-Aktion-scharf-an-Grenzuebergaengen


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#162
Quote[...]   Auffallend ist, dass in diesem Jahr von 359 Übergriffen auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte, welche Pro Asyl und die Amadeo-AntonioStiftung zählten, sich 215 im Osten ereigneten. ... Warum sich in Teilen des Ostens ein deutschnational-rassistisches Milieu ausgebildet hat, ist jedoch nicht mit ein oder zwei Gründen zu erklären. ,,Hier kommen mehrere Faktoren zusammen", sagt Funke. Einen sieht er in Defiziten bei Politik, Polizei und vor allem Verfassungsschutz, der bisweilen mehr an Unterwanderung der Szene interessiert war als an deren Bekämpfung. Empfänglichkeit für rechtes Gedankengut zeigte sich schon in den Umbruchjahren nach 1989. Das Abtreten einer ,,entmachteten Elterngeneration" (Funke) führte zu einem sozialen Vakuum, das Rechtsextremen als Chance erschien, ihren gesamtdeutschen Einfluss über Erfolge im Osten auszubauen.

Eine Rolle spielt auch die Atmosphäre in der niedergehenden DDR. Deren Führung gab sich internationalistisch, im Innern aber wurde in einem Klima der Abschottung laut Funke eine ,,kleinbürgerliche, fremdenfeindliche Mentalität" gefördert, zu der eine von der SED-Propaganda betriebene antiwestliche Einstellung gehörte – kein Wunder, dass zum Bild des ostdeutschen Rechtsextremismus heute das Schwenken russischer Fahnen gehört.

Die DDR schottete sich jedoch auch zu den Nachbarn im sozialistischen Lager ab, gegenüber den Tschechen schon während des Prager Frühlings, zu Polen hin massiv in der Solidarnosc-Ära. Die Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik oder Kuba wurden kaum in die deutsche Bevölkerung integriert, die sowjetische Besatzungsarmee hielt sich ohnehin separat. Kontakte zu Fremden waren für viele DDR-Bürger tatsächlich etwas Fremdes, erst recht wohl in den ohnehin abgehängten und vernachlässigten Rand- und Grenzregionen, in denen nach 1990 auch die Abwanderung stark war. Der Politologe Jochen Staadt spricht von einem ,,deutschnationalen Eigendünkel im SED-Staat".

QuoteKeytos
   01.09.2015 07:31 Uhr

Die Mauer und die DDR Grenze zur Bundesrepublik wurde von DDR Seite, unter Kenntniss der eigenen Bevölkerung, "Antifaschistischer Schutzwall genannt". ...


Quotekatzen
   31.08.2015 21:51 Uhr

Rechte Gewalt im Osten ist doch nichts Neues. Schon vor Jahren wurde bekannt, dass Gemeinden im Harz auf dem rechten Auge blind sind. Bewohner trauten sich nicht, gegen "Rechte" Anzeige zu erstatten, weil selbst die Polizei auf diesem Auge blind war....! Das hat sich ganz einfach bis heute nicht geändert.


QuoteAndi_Baerlin
   31.08.2015 21:54 Uhr

Das ist kein Ossi Problem, sondern ein Problem des schwachen Staates. Als die DDR zerfiel, zerfiel die ansässige Industrie, die Jugendstrukturen, alles. Man hat die Leute mit Sozialhilfe allein auf dem Dorf gelassen. Die, die was konnten, zogen dorthin, wo es Jobs gab, zurück blieben die Zurückgebliebenen, sozial Schwachen. Gefüllt hat dieses Vakuum dann die NPD, die Jugendclubs betreibt, die Menschen dort abholt, wo sie sind, die einzigen, die sich vor Ort kümmern. Da sind die Nazis dem IS gleich. Sie sorgen dort, wo staatliche Strukturen versagen, für soziale Sicherheit und sichern sich so Rückhalt in der Bevölkerung.
Auch der Islamische Staat baut Schulen, kümmert sich um die Armen. Die NPD baut Jugendclubs und sorgt dafür, dass dort überhaupt was los.
Viele Regionen im Osten wurden komplett vom Staat vernachlässigt. Man hat die Menschen dort allein gelassen und die NPD ist eingesprungen.
Gleichzeitig wurde, vor allem in Sachsen, die Linke Gegenszene, die einzigen, die was gegen die Nazis gemacht haben, kriminalisiert während man die Rechten finanziell durch V-Leute gepäppelt hat.
In Strukturschwachen Regionen im Westen ist es doch genauso. Die Neonazis sind überall dort Stark, wo der Staat sich zurückgezogen hat. Wieso sollte man auch kommunale Jugendclubs in strukturschwachen Regionen eröffnen, die bringen kein Geld ...


Quotejanemoebius
   31.08.2015 20:45 Uhr

Wen wunderts?
Da kann man noch so lange auf den Osten meckern, besser wirds von solchen Artikeln jedenfalls nicht. Ist aber schön bequem. Bißchen Ossi-Bashing, um den Abend zu versüßen.

Leider erlebe ich den Fremdenhass in der eigenen Familie- die angegebenen Gründe sind unter anderem:
- die Annahme, dass sie die Zustände im eigenen Land denen der Herkunftsländer angleichen werden
- Angst vor Gewerbesteuererhöhungen und sonstigen staatlichen Abgaben
- die Befürchtung von Gewalt ethnischen Konflikten unter den Flüchtlingen, die hier im Lande ausgetragen werden

Ich finde gerade diese Argumente nicht unbedingt aus der Luft gegriffen, man muss sich aber in der Gesellschaft und der Politik mit diesen auseinandersetzen. ...


Quotefortschritt63
   31.08.2015 20:26 Uhr

Die MInderheiten

Vor 25 Jahren ist die "Diktatur des Proletariats" beendet worden und die "freiheitlich demokratische Grundordnung" galt für ganz Deutschland. In der ex. DDR wurden natürlich auch alte Kriegsgeschichten von Eltern und Großeltern erzählt, die Zeitzeugen waren und manch wirres Zeugs um Hitler, der nie so "gegenständlich" war wie heute, im neuen Deutschland, wo bis zu "Hitlers Stuhlgang", bald jede Schei..e, um den Diktator, Geld bringt, auf Trödelmärkten und im Internet, selbst noch Uniformknöpfe der Wehrmacht sind gut zu vermarkten, höher Wertiges um so besser. "Goldstaub"!
Es stimmt, Ausländer waren in der DDR abgeschottet, die Russen nicht sehr beliebt, man hatte mit sich selbst zu tun! Fast alle hatten Arbeit und die Zeit zwischen 1933 und 1945 stand gewissermaßen auf dem Index!
Ausländerhass und Nazikult, bis auf wenige Ausnahmen, kaum virulent! Wenn, war der ABV (Abschnittsbevollmächtigte der VP.) die Volkspolizei VP. und schlußendlich die STASI zur Stelle zum "Verarzten"! Die DDR hat sich die Last der Vergangenheit nicht aufgeladen und für Ausländer aus dem KA. (kapitalistischen Ausland) war der Osten nicht interessant. Eine künstliche Solidarität galt für alle Völker, außer den westlichen!
Für militärische Interessen, auch Kampfspiele, war in der NVA der Wehrpflicht gesorgt und wer wollte der konnte länger. Manche brauchten das, wie heute auch, nur ist das Militante kaum noch gefragt!
Jene aber die um 1990 geboren, konnten sich dann an der alten Bundesrepublik orientieren und wer was für den "braunen Trend" benötigte, wurde stets bedient! Im Gespräch die "Wehrsportgruppe Hoffmann" z.B. Literatur vom Schützengraben, bis zur Reichskanzlei kein Thema! Wer den Landser las, war über den Deutschen Soldaten bestens informiert. Die "Infektion der neun Bräune" lief von West nach Ost!
Das ging schnell, besonders für die männliche Jugend, die sich als neue "Aufräumer" formierten, wo viele noch nicht einmal geboren waren, als sich die DDR verabschiedete!


Quoterobocop_marvin
   31.08.2015 19:09 Uhr

Im Osten dreht man sich im Kreis!
Ich habe in Ostdeutschland jahrelang an einer Hochschule Seminare zum Thema Soziale Ungleichheit durchgeführt. Dabei habe ich von Woche zu Woche immer unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gegenübergestellt (Frauen/Männer, Arme/Reiche, Arbeitende/Arbeitslose, Ossis/Wessis, Inländer/Ausländer usw.).

Insbesondere beim Thema Ossis/Wessis wirkten die Studierenden meist desinteressiert. Und auf die Frage, ob sie das Thema langweilen würde, antworteten sie regelmäßig: Das ist nicht mehr unser Problem, das ist doch ein Thema für unsere Eltern.

Na gut, habe ich mir gedacht. Aber auch bei den anderen Themen war das Interesse selten größer, nur beim Thema Inländer/Ausländer tobte das Seminar meist so, dass kaum noch eine sachliche Diskussion möglich und die Zeit viel zur kurz war, um alle Vorurteile und Ressentiments, die geäußert wurden, zu widerlegen.

Na gut, habe ich mir gedacht. Dann gehst du exemplarisch vor und behandelst das Thema Inländer/Ausländer ein ganzes Semester lang.

Das war naiv, denn nun hatte ich nicht nur gegen die vielen rechten Stimmen im Seminar anzukämpfen, nein, jetzt wurde von der Hochschule über die Lokal- bis in die Landespolitik Stimmung auf eine Weise gegen mich gemacht, die man so in etwa auch aus der rechtspopulistischen Ecke kennt: einseitig, unwichtig, politisierend, stigmatisierend, dramatisierend, unwissenschaftlich, imageschädlich, deutschenfeindlich, links usw.

Heute arbeite ich nicht mehr an dieser Hochschule und in diesem Bundesland. Über die Ursachen des massiven Rassismus im Osten grübele ich aber immer noch.

Und besonders ärgert mich dabei, dass die Beschäftigung mit Rassismus und Rechtsextremismus im Osten seit Jahren gerade von denjenigen unterbunden wird, die diesbezüglich einerseits immer auf die DDR verweisen und andererseits immer die gesamtdeutsche Dimension betonen.

Und so zeigen denn in puncto Rassismus im Osten noch heute fast alle mit dem Finger immer nur auf andere!

QuotePerry25
   01.09.2015 07:27 Uhr

Antwort auf robocop_marvin vom 31.08.2015 19:09 Uhr
Danke für Ihren Bericht
Ich war lange in der Erwachsenenbildung unterwegs. Und kann dies gut nachfühlen. Ich bin im Westen aufgewachsen nach dem Krieg. Und wir hatten in den 60ern einen hervorragenden Geschichtsunterricht und da wurde über das Dritte reich nichts unter den Teppich gekehrt. Und es war gut so. damals sassen noch viele alte Nazis in den Institutionen, ganz Prominente wie Filbinger und Kiesinger!

Ich weiss nicht wie es heute ist, aber die Stimmung im Osten ist durchaus der Zeit in den 70ern in Westdeutschland vergleichbar. Es ist auch wichtig, dass gute Aufklärung über die Stasi etc. weiter geschieht!

Ich denke auch, dass 65 Jahre verschiedener Diktaturen - was ja die Menschen in Ostdeutschland erleben mussten, eine permanente Schere im Kopf erzeugt. Und die raus zu bekommen, braucht Zeit. Jedenfalls weiss ich heute, dass alles verschweigen - wie in Spanien heute über die Franco Zeit - den Bewusstwerdungsprozess unnötig verlängert. In Japan ist es ähnlich!



QuoteLanarkon
   31.08.2015 18:38 Uhr
Zu Viele sind nicht willens und/oder in der Lage das Verhalten der Asylantengegner zu analysieren und Lehren daraus zu ziehen. Diese Leute rekrutieren sich zum Großteil aus gescheiterten Existenzen von geringem Bildungsniveau, was ihre Stellung in der Gesellschaft prägt. Viele sind nicht in der Situation für den eigenen Unterhalt zu sorge, leben von Transfergeldern. Um diesem Elend zu entfliehen wird die Realität oftmals durch Alkohol betäubt. Die Flüchtlinge werden als Konkurrente klassifiziert, das erzeugt Existenzängste. Wer sich über diese Randgruppe unserer Gesellschaft nur mokiert und verbal auf sie eindrischt muss sich fragen lassen wie ausgeprägt sein Intellekt denn eigentlich ist. Selbstverständlich sind Aktionen mit Straftatbestand nicht akzeptabel.





Aus: "Örtlich empfänglich" Albert Funk (31.08.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextremismus-im-osten-oertlich-empfaenglich/12259336.html

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Quote[...]  Dresden. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gewalttätigen Rassisten und allen, die sie gewährenlassen, vorgeworfen, den gesellschaftlichen Frieden zu bedrohen. Mit den Krawallen und Protesten vor den Flüchtlingsunterkünften in Freital und Heidenau habe ein enthemmte Minderheit das Land ,,besudelt und beschämt", sagte er am Dienstag in einer Sondersitzung des Landtags. ,,Dagegen muss es einen Aufstand aller in unserem Land geben".

Der Regierungschef kündigte einen Dialog zur Stärkung der Demokratie an. Dabei wolle er auch mit Lehrern reden. Ziel müsse es sein, ,,dass alle Schüler überzeugte sächsische Staats- und Weltbürger werden".

Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt hat im Laufe der Sondersitzung der Staatsregierung eine Zusammenarbeit bei einem ,,Neustart für Sachsen" angeboten. Es brauche einen Asylgipfel der Zivilgesellschaft, um die Herausforderungen durch steigende Flüchtlingszahlen zu meistern, sagte er. Es gebe kein fertiges Konzept. ,,Wir müssen ausprobieren. Und wir werden Erfolge und Misserfolge haben". Beim Kampf gegen Rechtsextremismus sollten Parteigrenzen überschritten werden. Auch in der CDU müsse man einsehen, dass die Krawalle von Heidenau ein sächsisches Problem seien. ,,Nicht nur, aber eben auch", sagte er. ...


Aus: "Minderheit ,,besudelt und beschämt" unser Land" (01.09.2015)
Quelle: http://www.sz-online.de/sachsen/minderheit-besudelt-und-beschaemt-unser-land-3187318.html

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Kontrastgedanken via https://klausbaum.wordpress.com/2015/08/30/historie/ ...

Quote[...] DER SPIEGEL 43/1989 -- "Fettleibig mit Dauerwelle" - Westdeutsche Linke, von grünen Alternativen bis hin zu sozialdemokratischen Ideologen, haben ein neues Feindbild - DDR-Flüchtlinge.

Mit trauerumflortem Blick bedauerte Egon Krenz, kurz nach seiner Ernennung zum neuen DDR-Machthaber, den Verlust Zehntausender von Mitbürgern: Die Republikflucht sei, gestand der neue SED-Generalsekretär am Mittwoch abend im DDR-Fernsehen, ein "großer Aderlaß". Politik paradox: Was den Sozialisten in Deutschland-Ost als gravierende Einbuße erscheint, wird von vielen Genossen in Deutschland-West keineswegs als Gewinn bewertet.

Links von der Mitte des politischen Spektrums der Bundesrepublik machen sich seit Wochen Aversionen gegen die Zuzügler breit. Die Front der Flüchtlingsfeinde reicht von kommunistischen Sektierern über alternative Abgeordnete bis hin zu strammen SPD-Linken.

Am feindseligsten gebärden sich Radikale, etwa aus dem Kommunistischen Bund (KB). DDR-Übersiedler, heißt es im KB-Sprachrohr Arbeiterkampf, seien "Spießerschrott", dem es nur um die schnelle Westmark gehe. Den "Zoni-Zombies" wurden zur Abschreckung Schläge angedroht: "Euch hätten wir gleich auf dem Bahnsteig gern die Fresse poliert."

Die Übersiedler "verdienen keinen Respekt", befindet auch die Marxistische Gruppe in einem Flugblatt, das sie bundesweit verteilen ließ. Die Zuwanderer hätten für ihre Flucht Gründe, "daß es einer Sau graust": Dem einen seien "die langen Lieferfristen fürs Auto auf den Geist gegangen, der anderen die fehlenden Schminktöpfe, dem dritten die unzugänglichen Fernreiseziele aufs Gemüt geschlagen".

Doch nicht nur kommunistischen Hardlinern sind die DDR-Flüchtlinge als deutschtümelnde Biedermänner und als potentielle Rechtswähler suspekt. Auch im Kreise von Grünen und SPD-Linken könne er es "heute nur sehr verschämt wagen", seine "DDR-Vergangenheit zu offenbaren", sagt der Mainzer Amnesty-Mitarbeiter Brauckmann: "Das Räuspern und die peinliche Stille danach ist unausbleiblich."

Die Ressentiments gegen Übersiedler erhalten beinahe täglich Nahrung durch neue Reizbilder in den Medien. Wenn die Ankömmlinge im Westfernsehen aufgekratzt Deutschland-Fähnchen schwenken, ihre DDR-Kennzeichen am Wartburg bis aufs bloße "D" durchstreichen und die neuerworbenen Bundespässe voller Nationalstolz in die Kamera halten, graust es vielen Grünen, die sich auf ihre internationalistische Gesinnung viel zugute halten. "Die Zonis küssen ja den BRD-Boden wie der Papst", beobachtete entgeistert ein Mitglied der Hamburger Grün-Alternativen Liste.

Weil Zehntausende von DDR-Bürgern ganz offensichtlich das kapitalistische System einem sozialistischen vorziehen, flüchten sich viele Westlinke in Sarkasmus. So feierte die alternative Tageszeitung die Mauer kürzlich als "Berlins nützlichstes Bauwerk"; schließlich bewahre sie "die BRD und Westberlin vor Horden naturtrüber, säuerlich sächselnder DDRler mit Hang zu Billig-Antikommunismus und Rep-Wählen".

Selbst der sonst so verständnisinnige Psychoanalytiker und Bestsellerautor Horst-Eberhard Richter ("Flüchten oder Standhalten") mokiert sich nun über die Flucht der "armen Entrechteten aus dem Land des Schlimmen" in "unsere Oase der Seligkeit".

Der Spott verdeckt nur mäßig die Orientierungslosigkeit, die sich, ausgelöst durch die Ausreisewelle und die Massenproteste in der DDR, unter Westdeutschlands Linken breitgemacht hat. Die andere Republik habe in der Szene lange Zeit als "eine Art Laborversuch" gegolten, sagt die Schriftstellerin Monika Maron, die 1988 ausreiste; die Linke habe an der DDR manches akzeptiert, was sie sich "hier keinen Tag lang hätte gefallen lassen".

Orthodoxe Kommunisten versuchen die Verhältnisse in der DDR noch immer zu beschönigen. Herbert Mies, 68, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), erklärte Anfang dieses Monats ungerührt, die DDR habe gezeigt, "daß der Sozialismus auch auf deutschem Boden lebens- und entwicklungsfähig ist".

Inzwischen mehren sich allerdings selbst in der DKP kritische Stimmen, die den Gesundbeter-Kurs der Betonriege um Mies nicht länger mittragen wollen. Der aufmüpfige Hamburger DKP-Bezirk solidarisierte sich demonstrativ mit allen oppositionellen Gruppen in der DDR und erklärte die Abkehr von "einem historisch offensichtlich erschöpften und überholten Sozialismus-Modell".

Schwierigkeiten im Umgang mit den SED-Flüchtlingen haben westdeutsche Linke auch deshalb, weil der Massenansturm Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot weiter verschärft. Heimische Zukurzgekommene fühlen sich durch die Neubürger zusätzlich benachteiligt.

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Hermann Heinemann (SPD) sah sich letzte Woche genötigt, vor einer "Verhätschelung" der DDR-Übersiedler zu warnen: Hiesige Arbeitslose müßten "mit Bitterkeit" registrieren, daß den Zuwanderern Arbeitsplätze "auf dem goldenen Tablett" serviert würden.

Vielen Gewerkschaftern sind die DDR-Übersiedler zudem als Streber mißliebig, die im Verdacht stehen, jede Arbeit anzunehmen, zu fast jedem Preis. In Berliner Szene-Kneipen wird schon über die "neuen Arschkriecher" gewettert, in Hamburg besprühten Unbekannte Hauswände mit der Parole: "Kritische Mitbürger aus der DDR willkommen, Anpasser und Lohndrücker Nein Danke". Daß nach einer Umfrage über 60 Prozent der Zuwanderer CDU wählen würden, paßt vielen Linken ins Bild.

In West-Berlin, wo das Gerangel um Arbeitsplätze und Wohnungen besonders heftig ist (siehe Seite 53), haben grüne Politiker bereits eine Zuzugsbegrenzung für DDR-Übersiedler ins Gespräch gebracht. Peter Lohauß, 40, Mitglied des Parteivorstands der Alternativen Liste (AL), forderte Bonn auf, die deutsche "Zweistaatlichkeit" als Kriegsfolge zu akzeptieren, mithin die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen und DDR-Bürger wie andere Ausländer auch zu behandeln.

Die Ost-Flüchtlinge müßten, meint der AL-Politiker, künftig Asylanträge stellen und politische Verfolgung geltend machen. "Für diejenigen, die endlich mal keinen Trabi mehr fahren wollen, sondern ein schöneres Auto, hätte das zur Folge, daß sie nicht mehr übersiedeln könnten", erklärte Lohauß.

Das "Ventil der Ausreisemöglichkeit", fügte er hinzu, schwäche im übrigen die DDR-Opposition, die ihm "besonders am Herzen" liege. Auch das spreche für einen Verzicht auf eine Einbürgerungsgarantie für alle Zuzügler.

Bei ehemaligen DDR-Bürgern traf die Alternativ-Losung "Bleibt drüben" den Nerv. "Mit großer Freude", so höhnten zwei Übersiedlerinnen aus Halle in einem Leserbrief, hätten sie von der Bereitschaft der AL gehört, "die DDR im aktiven Kampf zu retten", und boten den Alternativen an, "unsern schmählich verlassenen Platz dort einzunehmen". Die Regisseurin Freya Klier, seit letztem Jahr im Westen, bezichtigte die AL "übelster Apartheid, bei der sie selbst den Part der Buren übernimmt".

Die Berliner AL-Fraktion ging, ebenso wie die Bundes-Grünen, eilig auf Distanz zu ihrem Landesvorstand und versuchte den Verdacht zu zerstreuen, "unser Einsatz gegen die weitverbreitete Fremdenfeindlichkeit sei ausgerechnet bei Aus- und Übersiedlern geringer".

Für Verstimmung hatte vor allem die Lohauß-Anregung gesorgt, künftig sorgsam zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und politisch Verfolgten zu differenzieren - eine Unterscheidung, gegen die sich die Grünen in der Diskussion um die Asylgesetzgebung immer gewehrt hatten. Um die unerquickliche Debatte abzubrechen, gab die Bonner Parteizentrale als offizielle Linie die Forderung "Bleiberecht für alle" aus.

Obwohl eine Abschottung gegen den Strom der DDR-Übersiedler verfassungsrechtlich gar nicht durchsetzbar ist - an der Basis kommen solche Gedanken an: Viele Linke befürchten, daß bei weiterem Ost-Exodus womöglich Flüchtlinge aus anderen Krisenregionen der Welt auf der Strecke bleiben, und die erwecken allemal mehr Sympathie, zumal dann, wenn sie rechten Folterdiktaturen entkommen sind.

"Rührung auf lateinamerikanischen Solidaritätsfesten" sei stets erwünscht, klagt der Frankfurter Sponti Reinhard Mohr über die Gefühlslage etlicher linker Genossen, hingegen Rührung "auf ostbayerischen Bahnhöfen - nein". Viele westdeutsche "Pantoffelrevolutionäre" neigten dazu, Flüchtlinge erst dann willkommen zu heißen, wenn sie "den Nachweis politisch-ideologischer Reife erbracht" hätten.

Verglichen mit dem Leid von Asylbewerbern aus der südlichen Hemisphäre, scheinen die Schikanen im SED-Regime vielen Linken eher läppisch. So höhnte das linksorthodoxe Hamburger Monatsblatt Konkret über "die Erhebung des Wunschs nach schicken Pullis in den Rang eines Menschenrechts", und die Tageszeitung machte süffisant die "Foltermerkmale der ostdeutschen Diktatur" aus: "Fettleibigkeit und Dauerwelle".

Einzelnen SPD-Politikern kommt die Massenflucht mittlerweile ebenfalls ungelegen. Mit Hinweis darauf, daß die DDR nicht ausbluten dürfe, forderte der West-Berliner Abgeordnete Ehrhart Körting, die Übersiedlung per Gesetz zu erschweren, etwa durch eine Abschaffung der Rentenberechtigung. Wer die DDR verändern wolle, müsse sicherstellen, argumentiert Körting, daß die kritischen Bürger auch dortblieben.

Doch ob linke Sozialdemokraten weitreichende Reformen im Osten wirklich ernsthaft wünschen, scheint zweifelhaft. So warnte SPD-Ideologe Peter von Oertzen, 65, Mitglied der Programmkommission seiner Partei, vor einer übertriebenen Aufgabe "sozialistischer Errungenschaften".

Wenn Gorbatschow es mit Glasnost zu weit treibe, gruselt sich von Oertzen, "könnte es sein, daß wir als Linke plötzlich mit dem Rücken an der Wand stehen". Linke Sozis würden in der Öffentlichkeit dann plötzlich als das erscheinen, was sie in den Augen von Christdemokraten und Liberalen längst seien: "trottelige Ideologen".




Aus: "Fettleibig mit Dauerwelle" (23.10.1989)
Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13498768.html


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#163
Quote[...] Der "häßliche Deutsche" ist ein altes Klischee, vor dem ersten Weltkrieg in England zwecks Feind-Propaganda erfunden, von Hitler und seinen Horden dann auf schreckliche Weise verifiziert, seitdem von Hollywood als Mythos verewigt – und immer wieder gern bemüht, wenn sich Deutschland mal wieder daneben benimmt. Wie zuletzt Wolfgang "Gollum" Schäuble, als er  Griechenlands Widerstand gegen die Klauen der Finanzdiktatur gnadenlos überrollte. Und wie  jetzt die "besorgten Bürger", die mit der Selbstbezichtigung "Wir sind das Pack" demonstrieren.

Nun ist es in der Tat häßlich, widerwärtig und brutal, was da in Heidenau und anderswo  geschieht – aber  Rassismus und gewalttätige Fremdenfeindlichkeit sind keine speziell deutsche Eigenart. "Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift als letztes Mittel auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein," wußte schon Arthur Schopenhauer – und weil die erbämlichen Tröpfe überall auf der Welt nicht weniger geworden sind, gibt es Rassismus, Nationalismus, Patriotismus  bis heute. Anders als in Deutschland hängen diesen Ideologien in vielen Ländern sogar noch große Mehrheiten an, hier ist es mittlerweile nur noch eine kleine Minderheit. Und verglichen mit den anderen europäischen Ländern, die die Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen,  verhält sich die große Mehrheit der Deutschen fast schon vorbildlich.

Dass der Solidargedanke in Europa kaum weiter als bis zum eigenen Portemonaie reicht, wurde im Zuge der Griechenland-Krise zwar schon hinreichend klar, mit der Flüchtlings-Krise steht aber nun ein echter Test an, wie weit es mit der Solidarität in Europa reicht. Die Globalisierung ruft nicht mehr, sie kommt. Und sie kommt in Massen. Nicht freiwillig, sondern als Ergebnis der Kriege und der Politik, die Europa und die USA im Nahen Osten und auf dem Balkan angerichtet haben.
Ein Land allein kann die mittel,-und langfristig in Massen von Flüchtlingen enstehenden  "Kollateralschäden" nicht auffangen, hier ist zur Bekämpfung der akuten humanitären Katastrophe die EU gefordert. Und es wäre zu wünschen, dass Deutschland  da genauso unachgiebig auftritt wie im Zusammenhang mit Griechenlands Schulden. Eine gerechte Verteilungsquote der Flüchtlinge ist da nur der der erste Schritt. Der zweite wäre die Erkenntnis,  dass Verschärfung der Grenzkontrollen und schnellere Asyl,- bzw. Abschiebeverfahren, wie sie einige Politiker lautstark fordern, keine Lösung ist, sondern allenfalls ein Herumdoktoren an Symptomen. Denn die Ursachen für die neuen Völkerwanderungen würden nicht beseitigt, selbst wenn Europa sich komplett einmauern könnte. Notwendig ist eine komplette Neuausrichtung der Militär-, Bündnis- Entwicklungs- und Einwanderungspolitik. Wer weiter nach Gusto Länder bombardiert, entstaatlicht und Chaos produziert, wie das US-Imperium und seine europäische Gehilfen das seit Jahrzehnten tun, muss sich über Flüchtlingsströme nicht wundern. Vielleicht müssen sie noch größer werden – mindestens 2 Millionen UkrainerInnen würden ja zB auch gerne kommen – bis diese Neuausrichtung endlich beginnt.


Aus: "Die Globalisierung ruft nicht mehr, sie kommt..." (30 Aug, 2015)
Quelle: http://www.broeckers.com/2015/08/30/die-globalisierung-ruft-nicht-mehr-sie-kommt/

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Quote[...] Wir hätten uns die Flüchtlingsströme durch die Einmischung in fremde Länder selbst eingebrockt, heißt es. In Wahrheit sind die Migrationswellen aber eine Folge des kopflosen westlichen Rückzugs.

Der Ansturm der Flüchtlinge nach Europa lässt den Kontinent in moralischer Schockstarre und politischer Ratlosigkeit verharren. Umso schneller sind hierzulande viele dabei, Schuldige für die albtraumhafte Misere auszumachen. Die häufigste, weil gewohnheitsmäßige und daher reflexhaft abzurufende Erklärung ist dabei, der Westen habe es sich selbst zuzuschreiben, wenn er von einer "neuen Völkerwanderung" überrollt werde.

Dabei spielt die klassische "Dritte Welt"-Theorie, derzufolge der Westen nun den Preis für seine "neokolonialistische" Ausbeutung nicht weißer Völker zu zahlen habe, in der aktuellen Diskussion noch die geringste Rolle. Häufiger lässt sich – in verschiedenen Versionen von ganz rechts bis ganz links – vernehmen, der Westen habe durch seine aggressive Einmischung namentlich im Nahen Osten erst das blutige Chaos geschaffen, vor dem die Menschen nun millionenfach flüchten.

Der Bestsellerautor Jürgen Todenhöfer, der seinen militanten Ekel vor der liberalen Moderne hinter einem weinerlich-kitschigen Gestus pseudohumanistischer Sentimentalität zu verbergen pflegt, hat dafür gar eine veritable Verschwörungstheorie parat, die er auf den Kanälen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verbreiten darf.

Ihm zufolge ist die Ursache für den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung im Nahen Osten ein zentraler Plan der USA, die arabische Staatlichkeit zu zerstören. Todenhöfers Logik ist simpel: Da in seiner Sicht der Islam eine durchweg edle und friedfertige Religion und Kultur ist, müssen islamische Gewalttäter von bösen Mächten westlicher Zersetzung zu ihren Schandtaten angestiftet worden sein – oder sie machen damit nur ihrer Verbitterung darüber Luft, wie unmenschlich sie und ihre Glaubensbrüder von den teuflischen Drahtziehern in Washington behandelt werden.

Kürzlich konnte Todenhöfer bei "Maischberger" wieder unwidersprochen behaupten, die USA hätten im Irak 1,6 Millionen Menschen umgebracht. Wie immer er auf diese fantastische Zahl kommt – wahr ist indes, dass die allergrößte Zahl der Opfer seit dem US-Einmarsch in den Irak auf das Konto islamistischer und sektiererischer Terroristen geht, die damit einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten provozieren wollten.

Wieso der Terror seit dem US-Abzug aus dem Irak schlimmer denn je wieder aufbrandete, erklärt Todenhöfer nicht. Er und andere deutsche "Experten" beharren stattdessen darauf, auch der IS sei ein Produkt der US-Intervention. Tatsächlich aber war es den USA seit 2007 gelungen, den Terror im Irak merklich einzudämmen und – mithilfe sunnitischer Clanchefs, die dafür großzügig bezahlt wurden – al-Qaida aus dem Land zu vertreiben. Doch der überstürzte US-Abzug 2011 gab dem Terrorismus erneut das Feld frei, der bald mit dem in Syrien verschmolz.

Erst in diesem Kontext und weil niemand den Syrern gegen Assads Mordfeldzug beistand, konnte der IS aufsteigen. Ein ähnlicher Absturz wie dem Irak und Syrien droht jetzt Afghanistan nach dem Rückzug der internationalen Truppen. Und nicht die Intervention des Westens gegen Gaddafi, der im Begriff war, Libyen in ein Schlachthaus zu verwandeln, wie es Syrien wurde, hat zur jetzigen Instabilität geführt.

Sondern, dass der Westen sich abwandte, als es galt, dort minimale staatliche Strukturen aufzubauen. Nicht das Eingreifen des Westens, sondern sein kopfloser Rückzug hat die Region explodieren lassen. In diesem Sinne trägt der Westen also doch Mitschuld daran, dass die Lage in der Region außer Kontrolle geriet.

Allerdings nicht, weil er zu wenig Entwicklungshilfe an arme Länder zahlte oder ihnen ein ungerechtes Wirtschaftssystem aufzwang. Sondern weil sich in der westlichen Öffentlichkeit die trügerische Vorstellung durchgesetzt hat, wir könnten von den Schrecken der Welt verschont bleiben, hielten wir uns nur so weit wie möglich aus ihnen heraus.

Was immer westliche Politik wo auch immer an verheerenden Fehlern gemacht haben mag: Dafür, dass sich die meisten arabischen (und generell islamisch geprägten) Gesellschaften als unfähig erweisen, moderne rechtliche, politische und wirtschaftliche Strukturen zu entwickeln, trägt er in letzter Instanz so wenig die Verantwortung wie dafür, dass in Afrika mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Entkolonisierung raffgierige Eliten ihre Länder zu plündern pflegen, statt ihnen zu einigermaßen gerechten Regierungsstrukturen zu verhelfen.

Dass sie ihre eigene Verantwortung nicht annehmen und stets den Westen als Sündenbock für alle von ihnen verursachten Desaster vorschieben – das ist der Kern der Dauermisere in weiten Teilen dieses Kontinents.

Es stimmt zwar: Der Westen kann nicht das Elend der ganzen Welt lösen und überall zur Stelle sein, wo Menschenrechte grob verletzt werden. Er ist auch weder verpflichtet noch dazu in der Lage, seine Tore bedingungslos für Flüchtlinge aus aller Welt zu öffnen – auch wenn eine Unzahl bigotter Moralapostel, die sich um realpolitische Zusammenhänge nicht scheren, derzeit massiv die Gelegenheit nutzen, sich als gute Hirten aller Mühsamen und Beladenen zu produzieren.

Dass wir nicht die ganze Welt retten und zu Frieden und Wohlstand führen können, bedeutet jedoch nicht, dass wir Gewaltwellen rund um den Globus wie schicksalhafte Naturereignisse hinnehmen müssten. Die vor Jahren erhobene Forderung an die internationale Gemeinschaft, in Syrien eine Sicherheitszone vor Assads Terror zu errichten, wurde von verantwortlichen Politikern damit abgebügelt, es müsse jede Ausweitung des Konflikts und eine indirekte Stärkung dschihadistischer Kräfte vermieden werden. Beides ist nunmehr in apokalyptischem Maß eingetreten – gerade weil der Westen untätig blieb.

Wenn Europa schon nicht bereit war, sich dort zu engagieren, hätte es sich auf die Kanalisierung des zu erwartenden Flüchtlingsstroms vorbereiten müssen. Der nächste ist im Übrigen schon abzusehen, sollte Europa der russischen Aggression in der Ukraine nicht endlich entschiedener entgegentreten.

Auch wenn dies unter dem Geschrei rechter Fremdenfeinde und verlogener linker "Antifaschisten" nicht populär klingt: Die aktuelle Krise mahnt den Westen, und namentlich Europa, nicht zu weniger, sondern zu deutlich mehr globalem Interventionismus – mit dem Ziel des Aufbaus von Dämmen gegen Exzesse der Unmenschlichkeit.

QuoteNachkriegsordnung • vor 16 Stunden

Zur Politik:
natürlich ist die Politik des Westens Schuld an diesem Desaster...zu all den angezettelten Kriegen war man noch nicht einmal gewillt, eine Nachkriegsordnung aufzustellen. Das ist ein Versagen auf ganzer Linie. Es macht einfach keinen Sinn, hier Schönschrift zu üben.

Jetzt rollen die Züge und Merkel versprach, keinen Syrer Asyl zu verweigern....Ungarn nahm das als Einladung auf. An den Bahnhöfen brauchen erschöpfte Menschen Nahrung, ärztliche Hilfe, Ansprechpartner...und die Unterkunftsfrage muß kurzfristig geklärt werden. Zelte gehen höchstens noch 6 Wochen...dann ist hier der Herbst schon sehr kühl.


QuoteTechnik Nerd • vor 16 Stunden

Die Linksgrünen Morlisten leben davon den Menschen Schuldgefühle einzureden um diese dann über die empfundene Schuld und Scham in eine gewisse Richtung lenken zu können, ideologisch. Der Kolonialismus ist seit 70 Jahren vorbei, es ist nicht unsere Verantwortung wenn die Regierungen der Entwicklungsländer korrupt sind und ihr Volk und Land an die Konzerne verkaufen. Wobei es ja oft die westlichen Konzerne sind die dabei helfen Stromnetz, Straßennetz, Mobilfunk usw aufzubauen da die heimische Wirtschaft dort das Know How dazu oftmals nicht hat. Klar ist das Profitorientiert, nur ohne solche Investitionen würde ja gar nix laufen. Ohne westliches Kapital würde es in den Ländern noch weniger Arbeit, Industrie und Infrastruktur geben die Bedingungen wären noch jämmerlicher. Und was die Waffenlieferungen angeht. Endweder wir liefern Waffen an Länder wie Nigeria oder diese Länder werden dann von irgendwelchen Buschmilizen ala Boko Haram usw überrannt. Ist vielleicht nicht schön, aber es ist immer noch die beste Option wenn die afirkanischen Regierungsarmeen gut genug bewaffnet sind um mit so ner Terrormiliz fertig zu werden. Die Alternative dazu wäre noch schlimmer, bei allen exzessen und Menschenrechtsverletzungen dieser Länder. Man muss da realistisch bleiben. Insofern, ich lasse mir da keine Schuldgefühle einreden. Der Westen hat die Macht die Welt mit zu gestalten, das sollten wir auch tun denn wirtschaftliche Entwicklung und verbesserung der Umstände gibts nur wenn stabilität und Frieden herrscht und das gibts oft eben nur durch westliche Interventionen oder Androhung von Sanktionen/Militärschlägen. Die Welt ist eben nich Teletubbieland.


Quotepaul • vor 16 Stunden

Nie wieder Krieg vom deutschen Boden - skandieren die einen. Noch mehr Intervention - brüllen die anderen ...


QuoteIvy • vor einer Stunde

Ich persönlich sehe es auch als sehr großes Problem an, dass viele Menschen im Westen der Meinung sind, dass wir Schuld sind und das unser Wohlstand ungerechtfertigter Weise entstanden ist. Dazu muss man sagen, basiert Wohlstand in erster Linie zunächst erst einmal auf Frieden und Sicherheit. Das sind eigentlich die Punkte, die am aller wichtigsten sind. Selbstverwirklichung, oder andere Dinge sind erst danach möglich, wenn diese unteren Stufen der Bedürfnispyramide gedeckt sind. Unsere Einstellung, unsere sich im Laufe unserer Historie entwickelten Wert- und Moralvorstellungen, welche durch die Aufklärung hervorgebracht wurden, haben uns diesen Wohlstand erst überhaupt ermöglicht. Der Umgang miteinander, mehrheitlich Achten des Rechtssystems (bis auf einige Kriminelle die wir auch haben), all diese Dinge sind Essenz einer friedlichen Gesellschaftsordnung. Und das ist in Jahrhunderten hart erarbeitet, hierfür wurde von unseren Vorfahren hart gekämpft, viele haben für diese heutige Gesellschaftsordnung ihr Leben gelassen. Der Wunsch danach kam von innen heraus, aus der Mitte der Gesellschaft. Im Orient oder in Afrika wurde nun zwangsweise versucht das ganze von Außen überzustülpen und das ist das Problem. Anscheinend sind viele dieser Gesellschaften von sich aus noch gar nicht so weit zu verstehen, dass das die Basis von Wohlstand ist. Nur die eigene Einsicht hilft aber diese Dinge fest zu verankern im eigenen Handeln und Denken.
Viele Menschen in Deutschland sind sich dessen ja nicht einmal selbst bewusst. Für sie hat jeder Mensch die gleichen Wertvorstellungen, träumt gleichermaßen von einem freien, friedlichen Miteinander. Da bin ich mir aber nicht so sicher, dass dem wirklich so ist. Schließlich ist es uns in Europa auch nicht innerhalb von 2,3 Jahren gelungen solch ein Gesellschaftssystem wie wir es haben zu implementieren, sondern es war ein langer Kampf über Generationen hinweg. Kann man wirklich glauben, dass Menschen die gänzlich anders sozialisiert sind, dazu noch weit über 20, teilweise über 30 Jahre alt sind, ihre Wertvorstellungen von einem zum anderen Tag ändern zu können?



Aus: "Das falsche Gerede von der Schuld des Westens" Richard Herzinger (31.08.15)
Quelle: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article145797348/Das-falsche-Gerede-von-der-Schuld-des-Westens.html

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Kategorie Politics, Zitate, die man sich merken sollte:
,,Wir wissen nicht genau, ob die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, bis hin zu Propaganda in Albanien und Kosovo: ,Bitte kommt nicht' & ,Ihr werdet sowieso zurückgeschickt'! sich auf die Zahlen auswirken..." (Thomas de Maiziére (CDU) Innenminister)
Quelle: https://www.burks.de/burksblog/2015/09/01/unter-propagandisten

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Quote[...] Das Asylrecht der Bundesrepublik kann nur historisch verstanden werden. Was politische Verfolgung ist, das wussten die Väter und Mütter des Grundgesetzes ziemlich genau, schon weil viele Deutsche während der NS-Zeit Schutz in anderen Ländern Europas oder in Übersee gesucht haben.

... Wirtschaftliche Erwägungen spielten hier keine Rolle. Ein Flüchtling aus dem Osten mag seine ökonomischen Bedingungen mit der Flucht nach Westen zumeist verbessert haben, aber seine Herkunft machte ihn zu einem politischen Flüchtling. Vor diesem Hintergrund muss man den heute zumeist pejorativen Gebrauch des Begriffs ,,Wirtschaftsflüchtling" verstehen. Der Begriff meint: Es sind ja schlicht subjektive, nachgerade egoistische Gründe, die jemanden aus wirtschaftlichen Gründen flüchten lassen, während politische Gründe eine objektive Ordnung spiegeln, die durchaus positiv zu wenden sind: Wer aus politischen Gründen zu uns kommt, bestätigt unsere zivilisatorische Überlegenheit, wer aus wirtschaftlichen Erwägungen kommt, wird ein Konkurrent, auch noch einer, der staatliche Zuwendungen für Wohnung, Nahrung und Telekommunikation erhält, während wir uns dies selbst erarbeiten müssen.

... Die Würde des Arbeiters bestand einmal darin, dass er der Entfremdung seiner Tätigkeit trotzte, dass er sie trotzdem gemacht hat und damit die Hauptbedeutung darin lag, dem produzierten Mehrwert so viel abzutrotzen, dass gutes Leben möglich war. Wie in den bürgerlichen Schichten Selbstbewusstsein und Selbsterzeugung durch die Narrationsfähigkeit des eigenen Lebens ermöglicht wurde, war es in den arbeitenden Schichten der Zusammenhang von harter Arbeit und Ertrag. Nur wer arbeitet, soll auch essen - dieses Credo hat sich tief in dieses Selbstverständnis eingebrannt und macht auch in sozialdemokratischen Milieus so etwas wie bedingungsloses Grundeinkommen eher unplausibel. Dass umverteilt werden muss, ist hier selbstverständlich, aber dann soll dies fast ausschließlich nach Algorithmen geschehen, die ihren Takt aus der Stellung des Anspruchsberechtigten zur Erwerbsarbeit gewinnen.

Vor diesem Hintergrund ist der Flüchtling eine nachgerade extreme Bedrohung: Er kommt nach Deutschland, unvorhergesehen, und wird, so lange er nicht im Schatten der Illegalität verschwindet, völlig unabhängig von Arbeit versorgt. Nicht dass er wirklich gut versorgt würde, aber es erscheint dem Ressentiment als exakt das: Hilfen, die ansonsten nur an Arbeit orientiert sind, werden entkoppelt von jeglicher Leistung gewährt. Es erscheint dann wie eine Privilegierung von Unterprivilegierten, die Ansprüche haben und nicht erworben haben müssen. Aus diesem Holz sind die O-Töne geschnitzt, die das Ressentiment weniger auf die geflüchteten Personen selbst als auf die Logik der eigenen Anspruchsberechtigungen richten. Typische Sätze lauten: Die bekommen dies und jenes (Kleidung, Wohnung, Lebensmittel, Schulgeld), ohne etwas dafür getan zu haben. Der Hass sieht aus wie ein Hass darauf, wie mühsam Subsistenz dann doch erscheint - besonders im Vergleich zu jener Art von Arbeit, die man auch noch wollen soll.

Vielleicht ist der Hass auf Flüchtlinge nur die andere Seite des Ressentiments gegen ,,die da oben", die auch als Privilegierte erscheinen. Der Ruf, den man auf den Demonstrationen stets zu hören bekommt, es seien alles Illegale, meint eigentlich, es seien alles Illegitime; so illegitim wie ,,die da oben", die mit Privilegien ausgestattet werden, die nicht leistungsadäquat sind. Bis in die Papiere von Pegida und die AfD kann man kaum etwas gegen die ,,wirklich Verfolgten" sagen, dafür umso mehr über die Wirtschaftsflüchtlinge, die den klassischen Mechanismus der Inklusion in die Gesellschaft außer Kraft setzen: Arbeit als Subsistenzmittel.

Es ist nicht leicht, so zu argumentieren. Denn wer wollte in Zweifel ziehen, dass ökonomische Werte in erster Linie durch produktive Arbeit erzeugt werden, und wer wollte in Zweifel ziehen, dass nur das verteilt werden kann, was zuvor erarbeitet wurde? Diese Suggestivfragen mögen naiv erscheinen, denn gerade kritische Geister interessieren sich eher für Distributionsfragen als für die Wertschöpfung und ihre Bedingungen. Aber der Flüchtling ist ein Symbol für eine Existenz, die Subsistenz schon symbolisch von Arbeit trennt.

Eine dynamische, schnelle, pluralistische, nicht zentral gesteuerte Gesellschaft ist darauf angewiesen, Menschen weitgehend unterbestimmt zu lassen und so für vielfältige Rekombinationen zu sorgen. Dass dies zu kulturellen Konflikten führt, darf nicht verwundern. So dürften diejenigen Kulturen politisch, ökonomisch, wohl auch wissenschaftlich und rechtlich ins Hintertreffen geraten, denen es nicht gelingt, sich auf die Unterbestimmung des Menschen und damit die Pluralisierung seiner Möglichkeiten einzulassen. An der Varianz oder der Enge etwa religiöser oder traditioneller Vorgaben für gelungenes Leben lässt sich dies deutlich messen.

Als Normalfall moderner Vergesellschaftung erschien seit dem neunzehnten Jahrhundert die Zugehörigkeit zum Nationalstaat, weswegen man auch so etwas wie kollektive Gruppenexistenzen imaginieren konnte, die die lose Koppelung zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen fast unsichtbar machen konnten. Jedenfalls war die Zugehörigkeit zu Nationalstaaten alternativlos. Der Status der Staatenlosigkeit war schwerer zu ertragen als Arbeitslosigkeit, Rechtlosigkeit, religiöse Heimatlosigkeit, Bildungslosigkeit und Unwissenheit oder Familienlosigkeit. In dieser Gemengelage ist der klassische Migrant der Moderne vor allem jemand, der von einem nationalstaatlich organisierten Rahmen in einen anderen zieht. Das gilt auch für den Flüchtling. Ein Flüchtling wechselt den politischen Bestimmungsraum, was dann politische Gründe zu paradigmatischen Fluchtgründen macht oder besser: zu legitimierbaren. Deshalb gibt es ein Recht auf politisches Asyl, vielleicht noch auf ein religiöses, wenn es dem Herkunftsstaat nicht gelingt, Religionsfreiheit zu garantieren. Es gibt aber kein Bildungs- und Wissensasyl, auch kein Familienasyl. Und schon gar kein Recht auf ökonomisches Asyl.

Zerfallene oder autoritäre Staaten korrelieren oft mit ökonomischer Impotenz und ökonomischer Zukunftslosigkeit, mit maroden Rechtssystemen und der Unfähigkeit, die eigene Bevölkerung zu versorgen. Wer vor den religiös codierten Konflikten im Nahen Osten flieht oder vor den Folgen des Staatszerfalls des ehemaligen Jugoslawien geflohen ist, hat immer auch wirtschaftliche Gründe. Die Flucht aus afrikanischen Staaten ohne angemessene Infrastruktur hat in den allermeisten Fällen auch eine ökonomische Dimension. Die Flucht aus Afghanistan und aus dem Irak ist selbstverständlich auch ökonomisch motiviert, nicht nur politisch oder religiös.

...


Aus: "Der Hass auf den ,,Wirtschaftsflüchtling"" Armin Nassehi (31.08.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/hass-auf-wirtschaftsfluechtlinge-in-deutschland-13776696.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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Quote[...] Klar, die rechtsextremen Gewalttäter und ihre brav-biederen Unterstützer sind eine Schande für dieses Land. Die eigentliche Schande aber ist die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Eine Flüchtlingspolitik, die die Ursachen für die Flucht von Millionen Menschen nicht bekämpft, sondern sie immer wieder aufs Neue schafft.

Zum Beispiel im Kosovo, wo auch diese Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen hat, dem Land nach dem Krieg wieder auf die Beine zu helfen und stattdessen ein hochkorruptes Regime unterstützt, das die Menschen in die Flucht treibt.

Zum Beispiel in Syrien, wo diese Bundesregierung die Politik eines türkischen Präsidenten unterstützt, der islamistische Mörderbanden mit Waffen versorgt. Mörderbanden, vor denen Hunderttausende nach Europa fliehen.

Oder Afrika, wo der deutsche Außenminister einen Pakt mit den schlimmsten Despoten des Kontinents schließen will. Einen Pakt, der verhindern soll, dass politisch Verfolgte ihr Land verlassen können und sie stattdessen ihren Verfolgern ausliefert.

Diese Politik ist eine Schande für dieses Land. Daran müsste etwas geändert werden. ...

Quote
Am 26. August 2015 um 00:02 von Gnom
Vielen Dank, Herr Restle!

Sie haben nicht nur, zu Recht, die europäische Flüchtlingspolitik kritisiert, sondern auch Fluchtursachen "angerissen". Derartige, klare Stellungsnahmen der Medien hat man bisher zu lange vergeblich gesucht.


Quote
Am 26. August 2015 um 00:05 von Franz.Graumann
der Kommentar hat gute Ansätze

und man könnte ihn noch um einige Hinweise und Forderungen erweitern, das Hinterherrennen einer von den USA vorgegebenen Außenpolitik trifft uns wie ein Bummerang wenn auch mit einigen Jahren Verspätung..............wozu haben wir denn die EU wenn wir nicht in der Lage sind Entscheidungen zum Wohle der europäischen Bevölkerung zu treffen auch wenn diese nicht mit US amerikanischen Vorstellungen übereinstimmen, all die Kriege der letzten 20 Jahre, angefangen vom Jugoslavienkrieg über Afghanistan, Irak, Libyen + die Destabilisierung von Syrien und der Ukraine, alles völlig unnötig und es ist kein Ende abzusehen, und ich beobachte mit Genugtuung wie unsere "heile Welt" überrannt wird von dem Elend was wir geschaffen haben......................


Quote
Am 26. August 2015 um 00:08 von michaelgaertner
Totale Begeisterung

und Zustimmung für diesen Kommentar. Ich dachte schon, dass deutsche Medien zu solch einer Aussage nicht mehr fähig sind oder fähig sein wollen. Dieser Kommentar gehört in Großbuchstaben auf die Titelseite aller deutschen Zeitungen ...


Quote
Am 26. August 2015 um 00:24 von Rush
Fakten

Ein Ex-Kollege von mir, gebürtig aus dem Senegal, sagte mir damals, er wolle schnellstmöglich aus seinem Stadtteil wegziehen, weil durch den massiven Zustrom von Armutsflüchtlingen aus der Balkan-Region in seinem Viertel das einsetzte, was man immer als 'Abwärtsspirale" bezeichnet. Er sagte wörtlich: "Ich will nicht, dass meine Tochter hier aufwachsen soll."
Wow! Ein Schwarzafrikaner zieht weg wegen der "Ausländer" ...


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Am 26. August 2015 um 00:38 von joregy57
Was sie schreiben ist das

Was sie schreiben ist das wahre Problem.
100% Zustimmung dieses Mal!
"Die eigentliche Schande aber ist die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Eine Flüchtlingspolitik, die die Ursachen für die Flucht von Millionen Menschen nicht bekämpft, sondern sie immer wieder aufs Neue schafft"
Das ist Fakt. Und das zeigt die "Stärke" dieser Regierung!


Quote
Am 26. August 2015 um 00:48 von joregy57
ein besonderer Kommentar,

ein besonderer Kommentar, mit dem man hier nicht gerechnet hat.
Alle Achtung.
Achtung vor Allen die das Leid der Flüchtlinge sehen wollen.
Aber das Grund - Problem ist ungelöst. ...


Quote
Am 26. August 2015 um 01:09 von paddi
Herr Restle,sie machen es sich schlicht zu einfach

Die Situation in Syrien, Irak und Afrika ist nicht einfach mal so durch eine andere Politik der Bundesregierung zu lösen. Sie tun so als hätte Deutschland und Europa einen großen Einfluß in diesen Regionen der Welt. Am IS ist sicher nicht Erdogans Politik schuld. Der US Krieg im Irak wurde von der deutschen Regierung nicht unterstützt. Der deutsche Außenminister hat den Bombenkrieg in Libyen nicht unterstützt und sich bei der entsprechenden UN Resolution unterhalten. Im Kososvo, in Afrika und der Ukraine müssen sie mit den Kräften arbeiten, die sie dort vorfinden.

Die US Politik in der Region, vor allem der Krieg 2003 sind ebenso wie die Kolonialpolitik Ursachen für die Probleme. Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ist bereits 1400 Jahre alt. Der arabische Frühling hat die Region weiter destabilisiert, alle Hoffnungen auf Demokratie sind enttäuscht. Der Kommentar von Herrn Restle entbehrt jeder Sachkenntnis und gauckelt populistisch einfache Lösungen vor, die es nicht gibt.


Quote
Am 26. August 2015 um 01:21 von logo1
Versagen der Regierungen

Endlich mal einer, der die wahren Gründe nennt.

Es fehlen nur noch weitere Ursachen in seinem Kommentar:
-initierte sowie unterstützte und mitfinanzierte Kriege in Afghanistan bzw. Irak oder Ukraine
-Waffenexporte in Entwicklungs- oder Schwellenländer in Mrd. €
-verfehlte Entwicklungshilfe
-ruinöse Preispolitik der EU oder USA in Afrika mit ihren Absatzprodukte
-das Hinterherrennen der EU an einer von den USA vorgegebenen Außenpolitik

Und verantwortlich sind nur die Eliten bzw. die Regierungen der führenden Industrieländer!


Quote
Am 26. August 2015 um 02:57 von Klaus V.
Stoppt den Wahnsinn der globalen Wirtschafts-Kriege!

Die Flüchtlings-Welle ist nicht mit moralischen Appellen an die Rechtsextremen zu stoppen. Europa muss endlich außenpolitisch erwachen und die verbündeten USA zwingen, ihre willkürlich angezettelten globalen Wirtschafts-Kriege zu beenden. Sonst fällt die Welt in ein finsteres Mittelalter zurück. Krieg ist kein Schicksal. Er wird von Menschen gemacht. Er muss von Menschen verhindert werden.
Die Regierungen sind nicht dazu da, gefühlsduselige Symbol-Aktionen zu zelebrieren: Sie müssen endlich außenpolitisch erwachen und die vom Westen angezettelte Zerstörung in den Krisen-Gebieten stoppen. Niemand wird freiwillig ein Flüchtling. Es gibt ein Menschenrecht auf friedliches Leben in der eigenen Heimat.
Kriege werden von Menschen angezettelt und geführt. Kriege sind die Ursache für Flucht und Vertreibung.
Menschen werden zu Flüchtlingen, wenn Krieg ihr Heimatland zerstört.
Die Verantwortlichen für die Kriege der Welt sitzen nicht in einem galaktischen Raumschiff, sondern in den Regierungen


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Am 26. August 2015 um 03:42 von edding
Bravo Herr Restle!

Bravo!

Diesen Worten ist nichts mehr hinzuzufügen!
Vor diesem Hintergrund erkennt man, wie heuchlerisch der Flüchtlings-Besuchstourismus einiger bestimmter Politiker eigentlich ist.
Ich bedanke mich für Ihre scharfsinnigen, aufklärenden und couragierten Worte – das gibt Hoffnung auf eine Abkehr von der katastrophalen Politik der letzten Jahre, Herr Restle.


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Am 26. August 2015 um 08:16 von Randbemerkung
Dieser Kommentar war überfällig, aber in einem Punkt stimme ich nicht ganz überein. Nicht die Politik, sondern die Gesinnung mancher Bürger ist eine Schande für unser Land.
Aber natürlich ist auch richtig, dass die EU kläglich versagt hat. Es gibt keine Solidarität oder ethische Grundwerte, nur nationalen Egoismus und kleinkariertes Denken.
Was sollen wir machen? Den europäischen Gedanken aufgeben und resignieren oder darum kämpfen? Im Moment bin ich unschlüssig und tendiere eher zu der Erkenntnis, dass Europa gescheitert ist.


...


Aus: "Der Kommentar von Georg Restle", WDR (tagesthemen 22:15 Uhr, 25.08.2015)
Quelle: https://www.tagesschau.de/kommentar/restle-fluechtlinge-101.html


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Quote[...] Am Ende muss die Bild ran. Das Boulevard-Blatt, zu dessen Markenkern seit vielen Jahren Rassismus, die lustvolle Zurschaustellung von ,,Ausländerkriminalität" und die Hetze gegen ,,Wirtschaftsflüchtlinge" gehören, hat einhundert ,,Stimmen gegen Flüchtlingshass" gesammelt. Es sind Gestalten wie Sigmar ,,SPD-Siggi" Gabriel, CSU-Chef Horst Seehofer (der sogar bei dieser Gelegenheit noch gegen ,,Asylmissbrauch" wettern darf), Bundesinnenminister Thomas de Maizère und sogar [ ] Ursula von der Leyen.

Seit Beginn der neuesten Welle des rassistisch motivierten Rechtsterrorismus ist ein Narrativ allgegenwärtig, befeuert von konservativen bis ,,linksliberalen" Schreiberlingen und Politdarstellern: Es ist allein der ,,dumme", ,,stumpfe", ,,armselige" Mob in Heidenau, Freital und all den anderen Elendsgegenden, der Flüchtlingen das Leben schwer macht.

Exakt zur der Zeit, als die fleißigen Bild-RedakteurInnen an ihrer Image-Kampagne für Deutschland bastelten, ging eine andere Meldung online: Beamte der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX haben auf einem Flüchtlingsboot, das von der Türkei nach Griechenland übersetzen wollte, einen 17-jährigen Refugee erschossen.

Zwei Tage bevor die fleißigen Bild-RedakteurInnen die hübschen Profilbilder der versammelten FlüchtlingsfreundInnen ins Netz wuchteten, war es eine andere Meldung: 71 Flüchtlinge sind in einem LKW beim Überqueren der Grenze von Ungarn nach Österreich erstickt. Einen Tag nach dieser eine andere Nachricht: Vor der libyschen Küste ertrinken 200 Menschen, als ein Flüchtlingsboot sinkt.

Man mag seinen Hass auf die Schlepper richten. Aber die einfache Gleichung ist: Seit vielen, vielen Jahren arbeiten exakt die Menschen, deren Gesichter nun in der Bild gegen den ,,Flüchtlingshass" einstehen, samt ihren ParteifreundInnen aus CDU, CSU und SPD an der möglichst dichten Abschottung Europas gegen diejenigen, die aus ihren – nicht selten vom ,,Westen" und seiner geopolitischen und ökonomischen Agenda verheerten – Heimatländern gen Europa fliehen. Die Fluchtrouten werden dadurch immer gefährlicher, die Menschen müssen aber fliehen, denn zuhause warten Elend und Tod. Das Resultat ist unschwer vorherzusehen: Menschen sterben beim Versuch, die ,,Festung Europa" zu betreten.

Ohne den Lynchmob zu verharmlosen: Es sind nicht die StammtischrassistInnen aus Heidenau und Freital, die Milliarden in die militärische Abriegelung Europas investieren. Es sind auch nicht die StammtischrassistInnen, die vor zwei Monaten eine erneute Verschärfung des Bleiberechts beschlossen haben, die KritikerInnen als ,,Inhaftierungsprogramm" beschreiben. Und es sind nicht die StammtischrassistInnen, die Refugees vor der Erstaufnahmesstelle in Berlin unter inhumanen Bedingungen wochenlang ohne jede Betreuung auf Papiere warten lassen, sie in räudige Massenunterkünfte pferchen und diejenigen, die nicht erwünscht sind, in die Notlage ihrer Heimat rückführen.

Wer sich jetzt lautstark und PR-wirksam über die marodierenden Faschos aufregt, aber zu all dem nichts zu sagen hat, der wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass es gar nicht um Flüchtlinge geht, sondern um etwas ganz anderes. Ehrlich spricht Allianz-Chef Oliver Bäte in der Bild aus, worum es in der PR-Kampagne geht: Die Flüchtlingshatz ,,schadet Deutschland in der Welt".

Darüber, wie sehr Deutschland und seine BündnispartnerInnen der Welt schadet, will er lieber nicht reden. Dabei könnte er es unschwer herausfinden, würde er aus seinem Luxustower in Frankfurt herabsteigen, um mit denen zu reden, die hier nach langer, beschwerlicher Reise ankommen. Die Flüchtlingsorganisationen Karawane und The Voice haben die einfache Wahrheit einmal zu einem Slogan einer Kampagne gemacht: ,,Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört." Wenn sich jetzt DGB-Chef Reiner Hoffmann, dessen Organisation nicht nur Flüchtlinge polizeilich aus einem Gewerkschaftshaus in Berlin räumen ließ, sondern auch mit der Bundeswehr kuschelt, hinstellt und Tränen vergießt, ist das nicht mehr und nicht weniger als zum Kotzen.

Oder nehmen wir den grauenhaftesten SPD-Politiker seit dem ArbeiterInnenmörder Noske: Sigmar Gabriel. Er ist zuständig für die Genehmigung deutscher Waffenexporte. Versprochen hatte der würdelose Knilch deren Reduktion. Durchgesetzt hat er, dass sie

sich auf Rekordniveau befinden. Und wohin? Ja, genau, nach Nordafrika und in arabische Staaten. Auch in den Terrorstaat Saudi-Arabien, der nicht nur mit Vorliebe ,,Hexer" und Oppositionelle köpft und den Krieg in Syrien befeuert, sondern derzeit auch einen Angriffskrieg gegen den Jemen führt, durch den bereits hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Jetzt schwafelt der ,,SPD-Sonderbeauftragte für Schwachsinn und Gelaber" (Volker Pispers) in der Bild: ,,Hunderttausende Menschen riskieren ihr Leben, um vor Terror und Krieg zu uns zu fliehen. Sie haben ein Recht darauf, ohne Angst ein menschenwürdiges Leben bei uns zu führen." Es sind die Waffen, die SPD-Siggi ausführen lässt, die den ,,Terror und Krieg" erst ermöglichen, vor denen ,,Hunderttausende Menchen" dann fliehen müssen, um der Sozialdemokröte eine Unterlage für seinen PR-Scheiss abzugeben.

Der ,,Aufstand der Anständigen" will nur eines: Ruhe. Nicht die Möglichkeit einer Lösung des Problems, die aus der Überwindung der Logik von Kapital und bürgerlichem Staat entstehen würde, sondern die Ruhe eines Friedhofs, der möglichst weit weg ist. Es war immer eine der Strategien der Sicherung der Metropolen des Kapitalismus gegen die Habenichtse der Peripherie diversen Regimen in Nordafrika und im Nahen Osten Geld anzubieten, damit diese dafür sorgen, dass niemand bis an die eigenen Grenzen kommt.

Wenige Stunden vor der Bild-Kampagne kam auch diese Meldung: ,,EU will für Rücknahme von Flüchtlingen aus Afrika zahlen." Man will korrupten Regimes Kohle geben, damit diese Leute ,,aufnehmen", die gar nicht dort sein wollen, wo man sie ,,aufzunehmen" gedenkt. Und eine andere Meldung: ,,Bis zu einer Million Flüchtlinge warten in Libyen auf ein Boot über das Mittelmeer. Die Europäische Union sucht deshalb neue Verbündete für ihre Grenzsicherung. Das Vorbild heißt Muammar al-Gaddafi." Dem wurde nämlich, ebenfalls im Austausch gegen ,,Hilfsgelder", auch abverlangt, die Flüchtenden daran zu hindern, dahin zu kommen, wo man sie sehen und hören kann.

Das Sterben im Mittelmeer, die Ausschreitungen des Lynchmobs, die brennenden Asylbewerberunterkünfte: Sie verursachen Aufmerksamkeit und ,,schaden dem Ansehen Deutschlands" (Frank-Walter ,,sedierter Uhu" Steinmeier, SPD). Die medienwirksame Inszenierung der Regierungsparteien ist – wie immer das subjektive Selbstverständnis der nun ihre ,,Stimme" erhebenden Charaktermasken sei – nichts anderes als der Ruf: Flüchtling, stirb leise!

... Lasst uns unsere Kritik nicht auf falschen Prämissen aufbauen und den Rassismus in diesem Land auf ein Unterschichtenphänomen des ,,dummen", ,,nichtsnutzigen" ,,Ostprolls" reduzieren, wie das die Architekten der Festung Europa gerne hätten. Lasst uns handeln, rasch und entschlossen. Aber lasst uns nicht kopflos handeln. Ansonsten werden wir zu einer Art ,,Aufstand der Anständigen" in schwarzer Funktionskleidung werden – und den braucht wirklich kein Mensch.



Aus: "Stirb leise!" Peter Schaber (30. August 2015)
Quelle: http://lowerclassmag.com/2015/08/stirb-leise/


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Quote[...] Am 29. August 2015 versammelten sich etwa 200 AntirassistInnen, BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Hennigsdorf und anderen Geflüchtete, zu einer antirassistische Demonstration durch Hennigsdorf.

Grund für die Demontration war ein rassistischer Angriff gegen zwei Geflüchtete, in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2015 in Hennigsdorf. Die beiden Männer, ein Kameruner und ein Somalier, überlebten nur knapp diesen Angriff. Schwer verletzt durch den Schlag mit einer abgebrochene Flasche, wurde ihr Leben nur durch die RettungssanitäterInnen gerettet. Sie mussten mehrere Tage zur Behandlung im Krankenhaus bleiben.

Darüber hinaus wollten Die demonstrantInnen aber auch den strukturellen Rassismus thematisieren, den Geflüchtete anhand vielfacher illegaler Abschiebungen erleben. Hinzu kommt hier noch der brutale physische Rassismus der Nazis und anderer unorganisierter RassistInnen hinzu.

Die DemonstrantInnen wollten mit der Demonstration lautstark NEIN sagen ZU ABSCHIEBUNGEN, NEIN ZU DISKRIMINIERUNG, NEIN ZU RASSISMUS in all seinen Formen.

Nach einer kurzen und emotionalen Eröffnungskundgebung ging es kraftvoll laut und bunt quer durch Hennigsdorf.

Die Stimmung auf der Demonstration war durchweg gut. Es gab viel gute Musik, viele Sprechchöre, wie zum Beispiel: "No Border No Nation Stop Deportation!" oder "Kein Mensch ist illegal", sowie Redebeiträge in Englich, Französisch und Deutsch. Darin machten die DemonstartionsteilnehmerInnen auf die Situation von Geflüchteten aufmerksam. Am Rande der Demonstration wurden verschiedene Fluglätter* verteilt.

... Die Demonstrationsroute verlief vom Autokreisel Stolpe Süd, ganz in der nähe des Flüchtlingslagers Hennigsdorf, durch die Berliner Straße, Marwitzer Straße, Fontanestraße, Staufenbergstraße, Rathenaustraße, in die Nähe des Bahnhofs Hennigsdorf und des Postplatzes. Dieser war Schauplatz des rassistischen Verbrechens. Direkt auf den Postplatz konnte die Demonstration nicht ziehen, weil dort ein mehrtägiges Fest stattfand.

In der Rathenaustraße fand dann, nach etwa zwei Stunden, eine Abschlusskundgebung statt. Nach dem Ende der Kundgebung wurden alle TeilnehmerInnen ermahnt, auf sich aufzupassen und in Gruppen abzureisen.

... Seit ungefähr zwei Monaten engagiert sich die hiesige Polizei für die Verfolgung von Gelflüchteten, die so genannte Dublinverfahren anhängig haben, mit dem Ziel, diese konsequent in das Schengenland abzuschieben, in dem sie auf ihrer Flucht zuerst angekommen sind.

Wegen dieser ständigen Abschiebungen leben die Geflüchteten im Stress und mit dauerhafter Angst. Sie sind in sich selbst verschlossen und versuchen, Kontakte mit den Behörden möglichst zu vermeiden; es zu vermeiden, ins Krankenhaus zu gehen, wenn sie krank sind. Jeder Besuch bei der Ausländerbehörde, um Dokumente zu erneuem, wird zur Mutprobe, die Angst ist groß, jederzeit abgeschoben zu werden.

Die Lebensbedingungen und die hygienischen Zustände im Heim sind prekär und miserabel. Außerdem sind häufig drei oder vier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Nationalität in einem Zimmer, was das Zusammenleben sehr schwierig macht.
Wir wollen sagen: Hört auf uns so anders zu behandeln. Wir sind alle Menschen!
Wir wollen Bürgerinnen sein mit vollen Rechten, mit dem Recht auf Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe.

...


Aus: "Antirassistische Demonstration in Henningsdorf" Bolk (30.08.15)
Quelle: http://www.ostblog.de/2015/08/antirassistische_demontration.php

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Quote[...] Das Urteil kommt zur rechten Zeit: Flüchtlinge haben ein Recht auf Achtung ihrer Menschenwürde, auch wenn sehr viele in sehr kurzer Zeit ankommen und das Ankunftsland darauf sehr schlecht vorbereitet ist. Das ist die Quintessenz des heutigen Lampedusa-Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die ,,Krisen-" und ,,Notstands"-Argumente, mit denen der Aufnahmestaat sich verteidigt, mögen noch so berechtigt sein – gegen die Menschenwürde richten sie nichts aus.

In der Entscheidung geht es um die Zustände auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa im Jahr 2011. Dort waren nach der Revolution in Tunesien mehr als 50.000 Flüchtlinge gelandet. Die örtlichen Behörden waren rettungslos überfordert: Die Erstaufnahmeeinrichtung war völlig überfüllt, die sanitären Verhältnisse entsetzlich, und die Insassen konnten keinen Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen. Am 20. September 2011 brach in dem Lager ein regelrechter Aufstand aus, während dessen das Lager teilweise abbrannte. Die drei Kläger des heutigen Urteils wurden nach diesem Aufstand mit vielen anderen zusammen verhaftet und nach Palermo geflogen, wo sie auf Schiffen im Hafen untergebracht und nach einigen Tagen zurück nach Tunesien abgeschoben wurden.

Zunächst: die Flüchtlinge einzusperren, von der Außenwelt abzuschneiden und ihnen weder zu erklären, was mit ihnen passiert, noch die Chance auf Rechtsschutz zu geben – das geht für den EGMR mit dem Recht auf Freiheit (Art. 5 EMRK) nicht zusammen. Aber damit nicht genug: Eine Mehrheit der Kammermitglieder sieht durch die Zustände in dem Lager auf Lampedusa auch das Verbot unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) verletzt.

Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zum einen kann man mit den beiden Dissentern Sajó und Vučinić fragen, ob überfüllte Zellen und stinkende Toiletten auch dann die Schwelle zur Unmenschlichkeit überschreiten, wenn man sich nur wenige Tage in ihnen aufhalten muss. Es wird aus den Urteilsgründen nicht so richtig klar, aber mir scheint, für die Kammermehrheit hat hier am Ende die besondere Situation der Betroffene den Ausschlag gegeben: Es handelt sich immerhin um Bootsflüchtlinge, die gerade der Gefahr entronnen sind, ihr Leben im Mittelmeer zu verlieren. Die kann man nicht behandeln wie jeden anderen robusten Menschen auch.

Zum anderen scheint mir die Kammermehrheit von dem Drang getrieben, Art. 3 auch und gerade in Krisensituationen zur Achtung zu verhelfen. Die Richter_innen würdigen zwar die Not, in der sich die italienischen Behörden 2011 angesichts des Flüchtlingsandrangs aus Nordafrika befanden, sehr ausführlich. Aber nichts davon, weder die zugespitzte Situation noch die Bürde der Seerettung noch die Verpflichtung, auf der kleinen Insel für Ruhe und Ordnung zu sorgen, seien Grund genug, sich von der Pflicht befreit zu fühlen, die Menschenwürde der Flüchtlinge zu wahren. Das Verbot unmenschlicher Behandlung gilt absolut und nach Art. 15 EMRK weder durch Krieg noch durch sonst irgendeinen Notstand begrenzt.

Auch die Art, wie Italien die tunesischen Flüchtlinge wieder losgeworden ist, trägt ihr jetzt eine Verurteilung durch den Straßburger Gerichtshof ein. Die Flüchtlinge waren zwar individuell registriert worden, aber die Abschiebeverfügung erschien dem Gerichtshof zu pauschal. Gruppendeportationen sind nach Art. 4 Prot. 4 EMRK verboten, und eine solche sieht die Kammermehrheit (wiederum gegen den Dissent von Sajó und Vučinić) hier gegeben.


Aus: "Straßburg zu Lampedusa: Menschenwürde muss krisenfest sein" Maximilian Steinbeis (Di 1 Sep 2015)
Quelle: http://www.verfassungsblog.de/strassburg-zu-lampedusa-menschenwuerde-muss-krisenfest-sein/#.VeawMZegopo

AFFAIRE KHLAIFIA ET AUTRES c. ITALIE (2015)
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-156517



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Quote[...] Der politische Feind: mein gesamtes Erwachsenenleben hat bisher die Kontinuität durchzogen, dass man unter uns aufgeklärten, vernünftigen Linksliberalen über so etwas allenfalls verächtlich lächelt. Der reaktionäre Antikommunismus unserer Großeltern, der revolutionäre Antikapitalismus unserer Eltern, die ,,bleierne Zeit" der RAF-Ära, die Islamistenangst der Gegenwart – mein Impuls war stets, mich von solch hoch polarisierten und aufgeladenen Konstellationen mitsamt der damit einhergehenden wohligen Erregung fern zu halten und aus der Gemeinschaft der im Kampf gegen einen Feind Verschworenen in eine ironische Beobachterposition zu flüchten, die zu beiden Seiten, wenn schon nicht gleich viel, so doch jedenfalls Abstand hält. Und damit fühlte ich mich im Regelfall völlig d'accord mit dem Mainstream meines professionellen, kulturellen und generationellen Milieus.

In diesen Tagen gerät da allerdings eine Menge in Bewegung. Gemeinsam mit vielen anderen, mit Staatsoberhäuptern und Vizekanzlern, mit Filmstars und Fernsehkaspern und unzähligen weiteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland verspüre ich den Drang nach einer radikalen Positionsbestimmung: Wir sind hier. Und ihr seid dort. Und nichts, kein Argument, kein Wert, keine Tradition, kein Interesse, keine Em- oder gar Sympathie, nichts, überhaupt gar nichts verbindet uns. Wir und ihr, das kann nicht koexistieren. Wir können nicht Wir sein, solange ihr Ihr sein könnt. Wir sind Feinde.

Warum diese massenhafte, die ganze Gesellschaft durchlaufende Positionsbestimmung jetzt passiert und nicht schon vor 25 Jahren, als die ersten Schwarzen mit Baseballschlägern durch ostdeutsche Innenstädte gejagt wurden und die ersten türkischen Familien in ihren in Brand gesteckten Häusern ums Leben kamen, darüber kann man sicher noch viele interessante Betrachtungen anstellen. Mich interessieren hier zwei andere Aspekte.

Zum einen: wenn eine solche Positionsbestimmung nicht nur dazu da sein soll, sich selbst ein gutes Gefühl zu verschaffen, dann muss sie die Frage beantworten, was mit den Grundrechten der Feinde passieren soll. Grundrechte und Feindschaft, das verträgt sich schlecht. Grundrechte sind so etwas wie ein Friedensvertrag einer ausdifferenzierten Gesellschaft mit sich selbst: Wir binden uns damit, euch frei eure Meinung sagen, euch frei euch versammeln, euch Ihr sein zu lassen, um wen immer es sich bei ,,euch" gerade handelt. Genau das wollen wir die Nazis in Freital und Heidenau und sonstwo aber nicht lassen. Wir wollen die Vollpfosten auf Facebook nicht frei ihre rassistische, hasserfüllte Meinung sagen lassen. Wir wollen Hassparolen grölenden Rechtsradikalen vor Unterkünften voller traumatisierter Bürgerkriegsopfer nicht von ihrer Versammungsfreiheit Gebrauch machen lassen.

Der zweite Punkt: Feindschaft ist immer reflexiv. Das ,,Pack" aus Freital und Heidenau hasst uns kosmopolitische, urbane, selbstbewusste, artikulierte, wohlhabende Aktivbürgerschaftsmischpoke kein bisschen weniger als wir sie, mitsamt unseren Politikern, unseren Juristen und unserer Lügenpresse. Wir brauchen uns nicht einbilden, mit unseren Feindschaftsbekundungen bei ihnen irgendetwas zu bewirken außer die Bestätigung des ohnehin bestehenden und völlig zutreffenden Eindrucks, dass sie von uns nichts Gutes zu erwarten haben. Das sind Leute, die ernsthaft glauben, dass den ,,Deutschen" (also ihnen) durch Zuwanderung von Fremden ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie den Indianern in den USA im 19. Jahrhundert. Eine Kriegserklärung durch kosmopolitische East Coast Liberals passt da voll ins Weltbild.

In der deutschen Gesellschaft insgesamt ist Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit, wenn man den Soziologen glauben darf, seit Jahren rückläufig. Die Bild-Zeitung macht keine offene Asylanten-Hetze mehr. Die NPD verliert eine Wahl nach der anderen. Die Rechtsextremen verlieren ihren gesellschaftlichen Rückhalt. Das ist natürlich erst einmal eine einschränkungslos gute Nachricht. Aber das heißt nicht, dass die Rechtsextremen, die es noch gibt, verschwinden werden.

Wo gehen die hin? Auf Youtube gab es gestern ein Video vom Besuch der Kanzlerin in Heidenau, auf dem nicht viel zu sehen, dafür aber eine junge Frau sehr deutlich zu hören ist, und was sie mit überschnappender Stimme von sich gibt, ist einigermaßen erschütternd. Die Kommentatoren lachen sich überwiegend schlapp. Ich frage mich: Wozu ist die wohl noch alles fähig?

Ich wäre nicht überrascht, wenn wir das Gröbste nicht hinter uns, sondern vor uns haben. Ich rechne mit rechtsterroristischen Anschlägen. Und zwar nicht allein auf Flüchtlingsunterkünfte. Sondern auf Kreuzberger Cafés und Friedrichshainer Clubs. Auf ICE-Waggons zwischen Berlin und Hamburg. Auf uns.

Quoteurheber      Fr 28 Aug 2015 um 11:30   

Sehr geehrter Herr Steinbeis,

ein wahrlich ,,linksliberaler" und sehr lesenswerter Beitrag.
Tatsächlich fühle ich mich in meiner westlichen, säkularen und individualistischen Lebensweise durch einen vitalen, expansiven und dezidiert politischen Islam weitaus stärker bedroht. Einstweilen neide ich Ihnen ganz ohne Ironie, dass Sie für Ihren Beitrag niemals Beifall von einer falschen Seite fürchten müssen.

MfG...


QuoteJessica Lourdes Pearson      Fr 28 Aug 2015 um 12:17   

Sehr geehrter ,,urheber",

seien Sie meiner Verachtung versichert für Ihren Kommentar an dieser Stelle, der trotz gehobener Formulierung seine Herkunft nicht verleugnen kann.

Mit freundlichen Grüßen


QuoteLiberal?      Fr 28 Aug 2015 um 13:19   

Immer schön zu beobachten, wenn links"liberale" auf einmal klingen wie Carl Schmitt...


QuoteFr 28 Aug 2015 um 15:27   

@ Jessica Lourdes Pearson

...darum werde ich Herrn Steinbeis wohl kaum in einem Kreuzberger Cafe treffen. Diese sehr deutsche Melange aus Selbstverachtung und Verachtung Anderer wird dort besonders heiß serviert.
Ihre Reaktion erreicht mich in der jährlichen Vorfreude auf Tel Aviv, eher erwartet als verärgert...

MfG...


QuoteDavid      Fr 28 Aug 2015 um 18:50   

Richtig muß es heißen: Der Feind im Land sitzt links. Seit Jahrzehnten. Und er holt neue Feinde ins Land, je mehr, desto besser, desto mehr applaudiert er – wenn er nur seinem Ziel, dieses Land abzuschaffen, näher kommt.

Wie einer meiner Vorschreiber: Auch von meiner Seite seien Sie der herzlichsten Verachtung versichert!


QuoteVJS      Fr 28 Aug 2015 um 19:13   

@David:

Eine Interpretationshilfe: Die Verachtung Ihrer Vorschreiberin richtete sich mitnichten gegen Herrn Steinbeis oder gar ,,die Linken", sondern gegen ,,urheber", dessen Weltsicht anscheinend wiederum ganz der Ihrigen entspricht.

Im Übrigen ist Ihr Troll-Kommentar kein Replik wert.


...


Aus: "Der Feind in Heidenau und Freital" Maximilian Steinbeis    (Do 27 Aug 2015)
Quelle: http://www.verfassungsblog.de/der-feind-in-heidenau-und-freital/#.VeawLZegopo


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#168
Quote[...] Hunderte Freiwillige helfen am Münchner Hauptbahnhof mit, die ankommenden Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Sie sammeln Spenden, organisieren Übersetzer oder sortieren Hygiene-Artikel. ... Vaniessa Rashid gehört zu der kleinen Gruppe aus fünf bis zehn Leuten, die sich als erstes am Münchner Hauptbahnhof versammelt hat, um Flüchtlingen zu helfen. Weil die Polizei ihnen nichts verraten wollte, hat sich die kleine Gruppe spontan zusammengefunden, um erste Hilfsgüter heranzuschaffen. Über Facebook und die Seite ,,Hilfe für Flüchtlinge in München" und die Aktion ,,München ist bunt" hat sich das schnell verbreitet. Und ehe sich Rashid versah, war sie zwei Tage lang kaum zuhause. Mal brauchte es eine Übersetzerin fürs Kurdische, mal musste etwas anderes organisiert werden. Was am Anfang leichter ging, als erhofft, nämlich das Spendensammeln von Geschäften im Bahnhof, ist durch die immense Spendenbereitschaft der Münchner, der Gastronomen, Händler und Großmärkte nun fast zum Problem geworden. Nahrungsmittel werden nun wirklich nicht mehr gebraucht, das provisorische Lager, dass die Flüchtlingshelfer in einem anliegenden Museum beziehen konnten, ist überfüllt. Auch ein Lager, das der Lebensmittelhändler Rewe zur Verfügung gestellt hat, ist schon voll. Mit den Großmärkten und der Tafel verhandelt Rashid daher gerade, ob sie dort noch Lebensmittel loswerden, bevor das Obst und die Backwaren schlecht werden.
Die Lokalpolitikerin zeigt sich aber überwältigt von der Hilfe - von allen Seiten. Ein saudi-arabischer Scheich habe ihr im Bahnhof einen 100-Euro-Schein in die Hand gedrückt, Passanten hätten gespendet und unzählige Menschen Hilfsgüter vorbeigebracht. Am Bahnhof ist mehr als genug vorhanden, die Polizei hat sogar untersagt, dass weitere Spenden dort abgegeben werden. ,,Jetzt müssen wir es schaffen, dass die Hilfe nicht dort aufhört", sagt Rashid. Nun würden Helfer in den Unterkünften gebraucht, Freiwillige, die Nachhilfe geben oder Flüchtlinge zu Ämtern begleiten. Die Flüchtlingshilfe-Bewegung in München hat einen bemerkenswerten Schub bekommen, doch ausgestanden ist die Krise noch lange nicht.

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Aus: "Die Helfer von München: Diesen Menschen vertrauen die Flüchtlinge"  Jonas Jansen, München (02.09.2015)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/so-sehen-die-fluechtlingshelfer-von-muenchen-aus-13780902.html

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fluechtlinge-in-muenchen-ein-freundliches-froehliches-durcheinander-13780063.html

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Quote[...] Salih Shekhan lehnt am weißen Gartenzaun. Er sieht das reetgedeckte Backsteinhaus vor sich, Butterblumen im Gras. Nebenan mäht jemand den Rasen, ein paar Möwen kreisen über ihm am blauen Himmel. Keitum auf Sylt, ein friedlicher Ort. In Salih Shekhans Kopf herrscht Krieg.

Der sportliche Mann ist Mitte 20, genau weiß er es nicht, in seiner Heimat wurden seine Geburtstage nicht gefeiert. Vor acht Jahren floh er vor den Taliban aus Afghanistan. "Ich hatte Angst um mein Leben", sagt er. Zu Fuß, mit Bussen, in Lkw versteckt und per Schiff schaffte er es nach Deutschland. Von Bielefeld schickten ihn die Behörden nach Neumünster, dann nach Niebüll, schließlich nach Sylt.

Mehr als 100 Asylbewerber leben bereits hier, zunächst nicht gerade zur Begeisterung von Villenbesitzern und Luxus-Urlaubern. Das Geld sitzt locker auf Deutschlands teuerster Ferieninsel, nicht nur in Strandrestaurants wie der Sansibar, wo Gäste beim Champagner den Sonnenuntergang genießen. Hunger, Armut, Unterdrückung waren weit weg - bis die Flüchtlinge kamen.

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Aus: "Flüchtlinge unterm Reetdach: Ausgerechnet Sylt" Von Anne Klesse, Sylt (02.09.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlinge-auf-sylt-das-neue-leben-des-salih-shekhan-a-1050752.html

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Quote[...] Ein Mann hat in einer Flüchtlingsunterkunft in Brandenburg Reizgas versprüht. Bei dem Angriff in Halber Gewerbegebiet Massow (Dahme-Spreewald) wurden am Dienstagabend 35 Bewohner verletzt. Unter den Betroffenen seien auch Kinder gewesen. Das teilte die Polizei in Cottbus mit. Die Motive des Täters seinen bislang unklar, es werde intensiv ermittelt.

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Aus: "Brandenburg: Mann versprüht Reizgas in Flüchtlingsunterkunft" (02.09.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brandenburg-mann-versprueht-reizgas-in-fluechtlingsunterkunft-a-1051037.html

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Quote[...]  taz: Was denken Sie, was Ihnen mehr Medienanfragen beschert: dass Sie zwei Flüchtlinge bei sich wohnen lassen oder dass Sie dafür Hass-Mails und Morddrohungen bekommen?

Martin Patzelt: Ich denke mal, dass ein Politiker Fremde in seinem privaten Haus wohnen lässt und ihnen dort auch WG-artig Anschluss ans Familienleben gewährt, war die große Geschichte. Durch die Hassmails ist es dann noch mal zusätzlich aufgeflammt.

Haben Sie sich von Anfang an auf solche Reaktionen eingestellt?

Martin Patzelt: Na ja, wie soll ich mich auf so was einstellen? Ich bin seit der Wende in der Politik, kenne politische Bewegungen von rechts und links. Ich überbewerte so etwas nicht. Wenn ich Zeit hätte, würde ich auf alle E-Mails antworten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mehr bringt, mit Menschen zu reden, anstatt sie in rechts oder links, schwarz oder weiß, und so weiter zu sortieren.

Wissen Sie, woher die Mails kommen? Von besorgten Bewohnern aus Ihrem Wohnort?

Martin Patzelt: Nein, die Menschen in Briesen oder meinem Wahlkreis sagen mir ihre Meinung über mich meistens persönlich. Vor mehreren Monaten habe ich da auch so was gehört wie: ,,Wir werden Sie nie wieder wählen." Mittlerweile hat sich einiges verändert. Das stärkt meinen Optimismus, dass es etwas bringt, Flüchtlinge aus der Anonymität der großen Gruppe herauszuholen und ihnen Namen und Gesichter zu geben. Ansonsten kann ich nicht nachverfolgen, woher die E-Mails kommen. Ein paar schreiben aber ihre Adresse dazu, was mir Sorgen macht, weil das zeigt, dass sie sich mit ihrer Meinung immer sicherer fühlen.

Haben Sie denn Angst und irgendwas unternommen?

Martin Patzelt: Nein. Angst habe ich nur davor, dass die allgemeine Stimmung im Land wirklich kippen könnte.

Wer sind die beiden Flüchtlinge, die jetzt in Ihrem Haus wohnen?

Martin Patzelt: Die beiden jungen Männer, der 19-jährige Haben und der 24-jährige Awet, kommen aus Eritrea. Kennengelernt haben wir sie schon vor Monaten in unserer Kirche. Seit etwa eineinhalb Monaten wohnen sie jetzt mit unserem ältesten Sohn und unserem Neffen in einer WG über uns. Es ist weniger spektakulär, als man denkt. Ich muss und will mich ja auch nicht dauernd um sie kümmern – das sind erwachsene Menschen, die arbeiten gehen, Deutschunterricht nehmen, Bekanntschaften schließen. Ich habe ihnen nur ein paar Wege gebaut, auf denen sie jetzt gehen können.

Und wie gehen Haben und Awet damit um, dass Sie Hass- und Drohmails bekommen?

Martin Patzelt: Ich habe ihnen nichts davon erzählt, weil es mir das einfach nicht wert ist. Aber die beiden haben selbst im Internet darüber gelesen. Awet hat mich gefragt, ob es stimmt, dass ich bedroht werde. Ich habe ihn gefragt, ob er Angst hat, und ihm versichert, dass er keine haben muss. Awet hat aber geantwortet: ,,Ich habe Angst wegen dir! Dass dir was passiert." Das hat mich schon berührt. Es zeigt ja auch, dass da eine Beziehung gewachsen ist.

Wie stark hat Ihnen Ihr Status als Bundestagsabgeordneter bei der Suche nach Praktikumsstellen für Awet und Haben geholfen?

Martin Patzelt: Schon viel, glaube ich. Aber das ist in meinen Augen das Wichtigste: Nur durch eine Arbeit kriegt man sie vom Heimalltag weg. Wir hören ja immer nur von der einen Schlägerei oder Messerstecherei und dann wird gesagt: ,,So sind die!" Ich würde mal gerne sehen, wie wir Deutsche unter solchen Bedingungen zurechtkämen – ohne zu wissen, was die Zukunft bringt, mit Fremden zusammen, mit denen man sanitäre Einrichtungen und Küche teilen muss. Das ist doch nachvollziehbar, dass das schwer ist. Deshalb bin ich gegen Gemeinschaftsunterkünfte und für privaten Wohnraum für Flüchtlinge.

Nur wenige Menschen können Flüchtlingen Praktika verschaffen. Was ist bei der Hilfe für Flüchtlinge aus Ihrer Sicht das Wichtigste?

Martin Patzelt: Den Blick auf die Menschen zu richten und zu sehen, dass sie in Not sind. Das nimmt man zum einen durch die Medien wahr, zum anderen kann man aber auch mal in seiner Nähe gucken. Wenn man sich bewusst ansieht, wie Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften leben, drängt sich von selbst die Frage auf, warum wir andere Menschen so leben lassen. Das ist schon Anlass genug, um wenigstens mal hinzugehen und ,,Hallo" zu sagen. Bis zur Aufnahme im eigenen Haus ist es dann noch ein weiter Weg. Dazwischen findet jeder das Richtige für sich.

QuoteKarlheinz, 2.9.2015

Hut ab vor Herrn Patzelt, der wohl wissen konnte, dass er sich damit nicht nur Freunde macht. Eigentlich hat er aber ja gar nix gemacht, außer ein Wohnung an eine WG zu vermieten. Schade, dass das so was besonderes ist.



Aus: "CDU-MdB Patzelt über Flüchtlinge: ,,Anlass genug, um Hallo zu sagen"" (2.9.2015)
Quelle: https://www.taz.de/CDU-MdB-Patzelt-ueber-Fluechtlinge/!5224316/

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Quote[...] Die unerwartet stark gestiegene Zahl der Flüchtlinge in München bringt Einsatzkräfte und Helfer unter Druck. "Es wird eng", sagte der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, mit Blick auf die vorhandenen Plätze, an denen die Menschen versorgt und vorübergehend untergebracht werden können. Die Behörden zeigten sich am Sonntagabend überrascht von der hohen Zahl der anreisenden Flüchtlinge. Bis zum Ende des Tages dürften insgesamt rund 11.000 Menschen in München eintreffen, sagte Hillenbrand, der Einsatzkräfte und Helfer vor Ort koordiniert. Ursprünglich waren etwa 7.000 – genau so viele wie am Samstag – erwartet worden. Übers Wochenende kamen knapp 18.000 Flüchtlinge in München an.

In den Messehallen sei die Zahl der Betten von zuletzt 2.300 um weitere 1.000 aufgestockt worden, sagte Hillenbrand. Dort gebe es außerdem Sitzplätze. Zudem seien im leerstehenden Verwaltungsgebäude eines Autohauses 500 zusätzliche Plätze zum Übernachten eingerichtet worden. Die Bahn prüfe, ob Flüchtlinge in einem Zug am Bahnhof schlafen könnten. "Wir haben sicher noch Möglichkeiten, weitere Quartiere im Tausenderbereich zu akquirieren."

In München sollen die Flüchtlinge erst betreut und in andere Bundesländer weiter geschickt werden. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) forderte nun mehr Unterstützung von anderen Bundesländern. "Was wir jetzt brauchen, ist eine uneingeschränkte Solidarität", sagte er. Die Verteilung der Menschen sei noch nicht ausreichend koordiniert.   

Bereits am Samstagabend trafen im thüringischen Saalfeld 569 Flüchtlinge ein. Ebenfalls am Samstagabend erreichte ein Zug mit etwa 1.000 Menschen Dortmund. 175 Flüchtlinge wurden nach Angaben des NDR in Hamburg aufgenommen.

Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist vielerorts ungebrochen. In München wurden die Neuankömmlinge mit Applaus, Lebensmitteln und kleinen Geschenken begrüßt. In Saalfeld kam Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) persönlich zum Bahnhof, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen. In Dortmund hingegen demonstrierten nach Angaben der Polizei rund 30 Rechtsextreme am Bahnhof gegen die Ankunft von Flüchtlingen. Bei Auseinandersetzungen mit mehreren Hundert Linksextremisten, die gegen den Aufmarsch der Rechten protestierten, wurden fünf Menschen verletzt.   

In Berlin werden laut Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Sonntagabend sieben Busse mit insgesamt 350 Menschen erwartet. Über die Verteilung der Flüchtlinge auf andere Bundesländern gibt es noch keine bestätigten Zahlen. Ausschlaggebend dafür ist der sogenannte Königssteiner Schlüssel. Dieser berücksichtigt die Steuereinnahmen und die Bevölkerungszahl der jeweiligen Länder. Baden-Württemberg kündigte an, mindestens 1.300 neuer Flüchtlinge aufnehmen zu wollen. Hessen rechnet mit bis zu 700 Neuankömmlingen.

Im Vergleich zu den Vortagen wollten am Sonntagabend deutlich weniger Menschen über Ungarn einreisen, teilten die ÖBB mit. Die Sonderzüge zum Transport der Migranten sollen daher eingestellt werden. Nach Angaben einer Sprecherin der ÖBB werden am Sonntag nur noch rund 3.000 Migranten Österreich durchqueren. Daher plane man, zum normalen Zugverkehr zurückzukehren.

Quote
    unländer
    gestern 17:44 Uhr

26. Merkel bewundernswert

Merkel: ,,Wer vor Not, vor Krieg, vor Verfolgung, politischer Verfolgung flieht, da haben wir die Verpflichtung auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention, auf der Grundlage unseres Asylrechts und des Artikels 1 unserer Grundgesetzes, Hilfe zu leisten. Ob es uns passt oder nicht." (4.9. in Köln).

Auch wenn man der bisherigen Politik Merkels nicht viel abgewinnen konnte, so kommt man heute nicht umhin, ihr uneingeschränktes Lob zu zollen. Trotz der gewaltigen Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage, trotz der Widerstände in der Bevölkerung (nicht nur von kläffenden Braunen und Minderbraunen), in ihrer Union und ihrer europäischen Kollegenschaft, setzt sie sich für den Fortbestand der zivilisatorischen Werte ein. Und das nicht zögerlich, sondern volles Risiko gehend.

Merkel gibt einerseits damit den Flüchtlingen wieder ihre Würde zurück und andrerseits zeigt Deutschland damit ein Verhalten, welches ihm wieder einen anerkennenswerten und noblen Platz in der Weltgemeinschaft zuweist.


Quote
    SouthernStar
    gestern 18:10 Uhr

85. Langer Atem

auch wenn ich den ungebremsten Ansturm der Migranten aus aller Welt mit wachsender Sorge für den Standort Deutschland betrachte, finde ich das gegenwärtige Engagement der ehrenamtlich Tätigen bewundernswert. Ich hoffe jedoch sehr, dass diese Helfer einen sehr langen Atem haben, denn dieser wird vonnöten sein. Ich bin seit Langem sozial im südlichen Afrika engagiert, um Menschen VOR ORT eine Perspektive zu geben, was zu sehr guten Ergebnissen geführt hat. Über all die Jahre habe ich jedoch feststellen müssen, dass auch bei sehr motivierten Mitstreitern die Anfangseuphorie wich, sobald der normale Alltag mit den ihm eigenen Problemen sie wieder einfing. Zu erwarten ist auch bei uns, dass die Migranten sich bald in einer kühlen Verwaltungsumgebung wiederfinden, wo Willkommensjubel eher gedämpft ausfallen.


...


Aus: "München fordert mehr Unterstützung" (6. September 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-09/muenchen-fluechtlinge-unterstuetzung-verteilung


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#170
Quote[...] dann steht man in Weimar im frisch renovierten Wohnhaus Friedrich Schillers und sieht direkt vor der Treppe, auf der es emporgeht zu den ehemaligen Lebensräumen und auch dem Sterbebett des großen Geistes, diesen Satz an der Wandtafel: ,,Sobald ich Ihnen sage, ich bin auf der Flucht, sobald habe ich mein ganzes Schicksal geschildert."

... Welches Schicksal erwartet nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die bröckelnde Festung Europa – ein Begriff übrigens aus dem Zweiten Weltkrieg, auf beiden Seiten des von den Deutschen errichteten ,,Atlantikwalls" gebraucht. So findet sich in einem Essay des Freiburger Soziologen Albert Scherr ein Zitat aus der Preußischen Ausländerverordnung von 1932: ,,Jeder Ausländer ist zum Aufenthalt im preußischen Staatsgebiet zugelassen, solange er die in diesem Gebiet geltenden Gesetze und Verwaltungsvorschriften befolgt." Jeder Ausländer. Freilich gab es damals keine Ansprüche auf soziale Leistungen und keinen Wohlfahrtsstaat. Freizügigkeit, daran ist nur zu erinnern, existierte in Europa bis zu den beiden Weltkriegen in ziemlich hohem Maße, sie ist keine Erfindung von Schengen.

Doch zielen die Perspektiven des ,,Kursbuchs" schon in die nähere Zukunft. Dabei gibt's keine praktischen Patentrezepte, etwa für die hunderttausendfache schnelle Integration. Es wird hier auch nicht behauptet, dass Fremde immer gleich Freunde seien. Im Eingangsaufsatz des in Tanger lebenden Journalisten und Nordafrika- und Nahostexperten Alfred Hackensberger steht vielmehr: ,,Der überwiegende Teil der Flüchtlinge sind keine akut Notleidenden. Sie nehmen sich einfach ihr Recht. Koste es, was es wolle." Daher die relativ hohen Summen für die kriminellen Schlepper und der bewusste Einsatz des eigenen Lebens beim Besteigen der überfüllten Seelenverkäufer.

Der provokante Satz über das Maß der Not, die Menschen für ein künftiges Glück in die lebensgefährliche Flucht treibt, mag bestreitbar sein, sei hier aber mal dahingestellt. Das Interessante der im neuen ,,Kursbuch" versammelten Überlegungen ist tatsächlich: Sie nehmen sich ihr Recht.

So werden Flüchtlinge in einem anderen Aufsatz bereits als ,,Vorhut einer neuen Ordnung" begriffen. Dies nicht aus Blauäugigkeit, sondern wegen der realistischen Erkenntnis: Zwischen politischer Verfolgung durch einen gewalthandlungsfähigen Staat (der in Krisengebieten oft nicht mehr existiert) und anderen, mit Armut und sozialer Entrechtung zusammenhängenden Fluchtgründen können Behörden und Gerichte schon ,,empirisch in vielen Fällen nicht mehr unterscheiden" (so der Münchner Soziologe Armin Nassehi).

Hiermit wankt dann die Unterscheidung zwischen klassischem politischen Asyl nach dem Grundgesetz und dem oft gewährten ,,kleinen Asyl" nach dem einfachen Aufenthaltsgesetz.

Dahinter aber steht die ethische, nicht nur für Verfassungsjuristen in Zeiten der Globalisierung immer schwerer negierbare Einsicht, dass sich aus den allgemeinen Menschenrechten, wenn schon nicht ein ,,pursuit of happiness", so doch ein Recht auf gleiche Lebenschancen ableiten lässt. Auf dieses Recht hatte sich zum Beispiel das Mädchen Reem gegenüber der Kanzlerin berufen, als diese ihr eben noch sagte, nicht alle Menschen seien vor den Ausländergesetzen (Europas) gleich. Übrigens: Als Schiller in seiner berühmten Antrittsrede als Historiker an der Universität Jena 1789 fragte: ,,Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?", da hatte er schon die Globalisierung im Blick. Dies wenige Wochen vor der Französischen Revolution und ihrem Motto ,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", auf das sich auch die Flüchtlinge von heute berufen.


Aus: "Flüchtlingskrise: Sie nehmen sich ihr Recht" Peter von Becker" (06.09.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlingskrise-sie-nehmen-sich-ihr-recht/12284520.html


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Quote[...] Chancellor Angela Merkel has said the "breathtaking" flow of migrants into Germany will "occupy and change" the country in the coming years. ... Mrs Merkel has become a hero to many migrants for allowing large numbers to cross into the country from Hungary - but many of her conservative allies say her actions send a "totally wrong signal".


Aus: "Migrant crisis: Influx will change Germany, says Merkel" (07.09.2015)
Quelle: http://www.bbc.com/news/world-europe-34173720

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Quote[...] Berlin/München/Wien – Die deutsche Regierung stellt angesichts der Flüchtlingskrise mehr Geld zur Verfügung, verschärft aber die Regeln für Asylwerber teils deutlich. Die Koalitionsparteien aus Union und SPD verständigten sich in der Nacht auf Montag darauf, die Hilfe 2016 auf insgesamt sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Die Liste der sogenannten "sicheren Herkunftsstaaten" soll um die Balkanstaaten Kosovo, Albanien und Montenegro erweitert werden, wobei eine gemeinsame Liste auf EU-Ebene angestrebt wird.

Das geht aus einem Maßnahmenpaket hervor, das nach mehrstündigen Beratungen der Koalitionsspitzen veröffentlicht wurde. Gefordert werden darin auch mehr europäische Solidarität und die stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen. Für 2015 hat der Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt.

Für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen wollen Union (CDU/CSU) und SPD im Haushalt 2016 drei Milliarden Euro einplanen, die Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollen. Über die Details der Verwendung wollen sich Bund und Länder bei einem Spitzentreffen am 24. September einigen. An dem Treffen im Kanzleramt unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahmen die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD sowie mehrere Fachminister teil.

Die Unterstützung für Asylwerber in Erstaufnahmeeinrichtungen wollen die Koalitionspartner von Geldzahlungen auf Sachleistungen umstellen. Damit will die Koalition "Fehlanreize beseitigen".

Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen in Deutschland grundsätzlich in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssen, wo mit Unterstützung des Bundes 150.000 Plätze eingerichtet werden sollen. Die Höchstverweildauer für Flüchtlinge dort soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Solange soll auch wieder eine Residenzpflicht gelten. Umgekehrt soll die Integration von Flüchtlingen, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt wird, verbessert werden. Auch soll es legale Einwanderungsmöglichkeiten für Menschen aus dem westlichen Balkan geben.

Bei der Bundespolizei wollen Union und SPD zusätzlich 3.000 Stellen schaffen. Ein Beschleunigungsgesetz soll etwa den Bau von Flüchtlingsunterkünften vorantreiben, auch unter Verzicht auf bisher geltende Standards. Wegen des steigenden Bedarfs an Wohnraum will die Koalition zudem sozialen Wohnungsbau verstärkt fördern.

Die Neuregelungen für Flüchtlinge sollen noch im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Im Bundesrat ist allerdings auch die Zustimmung der Grünen erforderlich. Diese sehen die Ausweitung sowohl der Liste sicherer Herkunftsländer wie auch der Residenzpflicht kritisch. Die Grünen fordern laut einem Bericht der Zeitung "Die Welt" (Montagsausgabe) zudem bereits 2015 einen Nachtragshaushalt.

Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel haben die EU-Partner in der Flüchtlingsfrage zu einem solidarischen Vorgehen aufgerufen. Sie halte nichts davon, andere Länder an den Pranger zu stellen, sagte Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem SPD-Vorsitzenden am Montag in Berlin. Aber einzelne EU-Staaten könnten nicht sagen, sie hätten mit dem Thema nichts zu tun. "Das wird auf Dauer nicht tragen. Dann werden andere Gedanken Überhand gewinnen", sagte sie auf die Frage, ob EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten, Sanktionen drohen. Sie hoffe auf Einsicht nach der Rede des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker am Mittwoch. Aus Brüsseler Diplomatenkreisen verlautete am Montag, dass Deutschland rund 31.000 Flüchtlinge aufnehmen soll.

Ausdrücklich forderte Merkel ein einheitliches EU-Asylrecht, das die Bundesregierung vorantreiben werde. Hintergrund ist der Widerstand der osteuropäischen EU-Staaten in vielen der diesbezüglichen Fragen, etwa gegen eine verbindliche Quotenverteilung der Flüchtlinge auf die Staaten.

Gabriel warnte, falls etwa die Osteuropäer nicht einlenkten, drohten zwei Konsequenzen. "Der große wirtschaftliche Vorteil der Osteuropäer besteht in offenen Grenzen. Wir wollen diese erhalten", sagte er. Aber jeder müsse wissen, dass dies auf Dauer nicht möglich sei, wenn nur Deutschland, Österreich und Schweden die Hauptlast bei der Aufnahme von Flüchtlingen trügen. Außerdem verwies er auf die Forderungen des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann, notfalls EU-Zahlungen zu kürzen.

Am Münchner Hauptbahnhof sind am Wochenende deutlich mehr Flüchtlinge aus Ungarn via Österreich angekommen als erwartet. Man gehe allein für den Sonntag von 13.000 aus, sagte Simone Hilgers, Sprecherin der Bezirksregierung von Oberbayern, am späten Sonntagabend in München. Zusammen mit den 6.900 am Samstag gekommenen Flüchtlingen bedeutet das die Ankunft von fast 20.000 Menschen binnen 48 Stunden.

Zunächst waren die Behörden von maximal 14.000 Menschen ausgegangen, dann aber waren weitere Züge eingetroffen. Die Schutzsuchenden wurden zum Teil in München und Bayern untergebracht, zum Teil auch in andere Bundesländer weitergeleitet. "Unsere Kapazitäten schwinden. Wir kommen an unsere Grenzen, und zwar sehr deutlich", sagte Hilgers zur Organisation der Unterbringung.

Für den heutigen Montag rechnet die Regierung von Oberbayern mit bis zu 11.000 neuen Flüchtlingen. Allein am Vormittag und Mittag seien drei Sonderzüge aus Österreich mit 2.100 Menschen geplant, sagte Regierungspräsident Christoph Hillenbrand am Montag in der Früh auf dem Münchner Hauptbahnhof. Er hoffe, dass einige Züge an München vorbei direkt in andere deutsche Bundesländer geleitet werden. Nötig seien auch bessere, grenzüberschreitende Informationen. Etwa zwei Drittel der in den vergangenen Tagen angekommenen Flüchtlinge seien bisher in Bayern untergebracht, sagte Hillenbrand.

Bei einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Rottenburg sind in der Nacht auf Montag indessen mehrere Bewohner verletzt worden, vier von ihnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Aus noch ungeklärter Ursache brannten dutzende Container nieder, wie die Polizei mitteilte, alle 80 Flüchtlinge mussten verlegt werden.

Ein Sprecher der Polizei Reutlingen sagte, zwei Bewohner, die aus Angst vor dem Feuer aus dem Fenster gesprungen seien, hätten Beinverletzungen erlitten. Drei weitere Bewohner hätten sich offenbar eine leichte Rauchgasvergiftung zugezogen. Vier der fünf Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht.

In dem Wohncontainerdorf hatten dem Polizeisprecher zufolge rund 80 Asylbewerber gewohnt. Etwa die Hälfte der 56 Wohncontainer geriet in Brand, auch die übrigen waren infolge des Feuers unbewohnbar. Die Flüchtlinge wurden mit Bussen in die Festhalle von Rottenburg gebracht, wo das Deutsche Rote Kreuz die Menschen versorgte. Die Kriminalpolizei richtete eine Ermittlungsgruppe ein, die Brandursache sei noch völlig unklar.

Im thüringischen Ebeleben brannten indes die Dachstühle von drei Wohnblocks nieder, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Das Feuer in der künftigen Asylbewerberunterkunft in Ebeleben (Kyffhäuserkreis) war laut Polizei ein politisch motivierter Brandanschlag.

Ein technischer Defekt könne ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin in Nordhausen. Am Montagmorgen waren gegen 3.30 Uhr im Ortsteil Rockensußra die Dachstühle von drei Wohnblöcken in Flammen aufgegangen. Die Gebäude am Sportplatz wurden gerade saniert, um dort Asylsuchende unterzubringen. Die Dachstühle brannten nieder, es habe keine Verletzten gegeben, sagte ein Sprecher der Einsatzzentrale.

In den vergangenen Wochen waren in verschiedenen Teilen Deutschlands immer wieder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt worden.

Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) trifft am Montag seine tschechischen und slowakischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka und Robert Fico in Bratislava zu einem Gespräch über die Flüchtlingskrise. Das Treffen findet um 15.00 Uhr statt. Tschechien und die Slowakei nehmen nur wenige Flüchtlinge auf und wehren sich auch gegen EU-weite Verteilungsquoten. Österreich drängt dagegen auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat indessen Österreich in einem Telefonat mit Faymann am späten Sonntagabend "für das menschliche Verhalten in der aktuellen Flüchtlingssituation" gedankt und seine Anerkennung dafür zum Ausdruck gebracht. Das teilte das Bundeskanzleramt der APA am Montag mit. Für die von Österreich gezeigte Solidarität gebe es volle Unterstützung der UNO.

Der Bundeskanzler seinerseits bedankte sich demnach für die "wichtige Rolle des Flüchtlingshochkommissariats der UNO" (UNHCR), das in der Bewältigung der weiteren Herausforderungen ein wichtiger Akteur sein werde. "Wir schaffen das nur gemeinsam", sagte Faymann. (APA, Reuters, 7.9.2015)


Aus: "Deutschland erhöht Flüchtlingshilfe auf sechs Milliarden Euro und pocht auf EU-weite Quoten" (7. September 2015)
Quelle: http://derstandard.at/2000021807741/Deutschland-Mehr-Geld-fuer-Fluechtlinge-aber-schaerfere-Regeln


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Quote[...] ,,Da kann man nichts machen, die Sache ist kompliziert, wir können ja nicht alle aufnehmen." Wie oft wurde in den letzten Jahren die allgemeine Passivität gegenüber den Problemen in Syrien, Diktaturen insgesamt und der ,,Festung Europa" als gesunder Menschenverstand verkauft!

Offenheit war keine Option, Helfen galt als unprofessionell, und Interventionen waren indiskutabel. Jeder blieb sich selbst am nächsten. Und nun passiert das Unvorstellbare: Tatkräftige Solidarität breitet sich aus – und sie ist ansteckend. Niemand in Europa kann Nichtstun noch als Weitblick verkaufen und Engagement für Menschen in Not als klebrige Gefühligkeit abkanzeln.

Auch ziviler Ungehorsam wird vermehrt ins Handlungsrepertoire aufgenommen. Der Autokonvoi, der von Wien nach Ungarn aufbrach, um Vertriebenen eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland anzubieten, ist dafür nur ein Beispiel. Aber es ist ein sehr schönes.

Auch in das Drama, das sich täglich etwa vor der kollabierten Erstaufnahmestelle in Berlin abspielt, schmuggelt sich eine Hilfsbereitschaft, die Hoffnung macht. Das bislang geltende Ordnungsprinzip, das Asylsuchende von der Normalbevölkerung isolierte, um sie leichter abschieben zu können, wird so aufgeweicht. Das ist wichtig, denn es rettet Leben. Und so sorgen Leute am Abend auf dem Gehsteig vor der Behörde ohne viel Aufhebens für ein warmes Abendessen für alle, die noch keinen Schlafplatz gefunden haben.

Andere gehen mit den erschöpften Neuankömmlingen auf die Polizeiwachen, lassen sie dort registrieren und bieten ihnen für ein paar Tage eine private Unterkunft an. Damit sie Luft schnappen können, bevor sie sich dem Asylprozedere aussetzen. Die Entschiedenheit, mit der viele der hier Ansässigen Richtiges tun, ist beeindruckend.

Und doch fehlt etwas. Zumal in der Medienberichterstattung. Es fehlen die Einschätzungen der Vertriebenen selbst, ja in der Regel fehlen ihre Stimmen in Gänze. Das Bild vom dankbaren, aber stummen Vertriebenen entsteht. Was für ein Versäumnis!

Das Engagement darf nicht länger dafür benutzt werden, die politische Dimension der Katastrophe in der Öffentlichkeit zu marginalisieren. Einzelpersonen können nicht ewig das Staatsversagen ausgleichen. Es braucht neue Strukturen und neue Konzepte fürs Inland wie fürs Ausland, dazu gehört auch eine Diskussion über die Fluchtursachen.

Nur so können neue Strategien zur Befriedung entwickelt werden. Sonst werden noch mehr Menschen sterben oder verelenden, und die wenigen, die es nach Deutschland schaffen, schon bald wieder einer Bürokratie ausgeliefert sein, die eine Menschenverachtung pflegt, die sich die meisten Biodeutschen erst vorstellen können, nachdem sie einmal einen Asylsuchenden dorthin begleitet haben.

Die Vertriebenen geben uns Unversehrten die Chance, unsere Gesellschaft besser kennenzulernen und gleichzeitig ein komplexeres Weltbild zu entwickeln. Sie sind eine riesige Wissensressource. Ein Grund für die tödliche Ignoranz, die hierzulande dem Krieg in Syrien entgegengebracht wird, ist ja die kümmerliche Kenntnis von der syrischen Gesellschaft.

Auch die irrige Idee, Diktaturen seien das kleinere Übel und global gesehen Garanten der Stabilität, lässt sich mithilfe der Erfahrungen der Vertriebenen überwinden. Also her mit den politischen Einschätzungen der Vertriebenen! Her mit der Diskussion über Lösungsvorschläge, so wie sie in ihren Herkunftsländern diskutiert werden. Das ist unsere Chance, nicht nur individuell, sondern auch außenpolitisch die Sackgasse zu verlassen.

Das ist utopisch? Noch vor wenigen Monaten mieden liberale oder linke PolitikerInnen das Flüchtlingsthema, weil klar war, damit gewinnen nur die Rechten Stimmen. Das ist heute anders.

Auch fürs Inland springt etwas dabei heraus. Denn die Vertriebenen verleihen der Frage neue Brisanz: Warum ist die politische Elite so unvorbereitet? Warum arbeiten die Behörden und die Polizei so schlecht? Kurzum: Warum verschleudern Staatsdiener so unverdrossen die Ressourcen der Zivilgesellschaft?

Treten wir jetzt in einen Dialog ein, dann bekommt auch die Kungelei mit den Rechten einen politischen Preis. Dann werden die Maizières, Seehofers und Tillichs überlegen, ob sie nicht doch Konzepte zur Einwanderung entwickeln und die Polizei anhalten, gegen rechts vorzugehen. Das wäre ein riesiger Schritt in Richtung Demokratie. Dank der Neuankömmlinge ist er jetzt möglich.


Aus: "Kommentar: Vorteile der Flüchtlingskrise - Eine riesige Wissensressource" Ines Kappert, Gunda-Werner-Institut (07.09.2015)
Quelle: https://www.taz.de/Kommentar-Vorteile-der-Fluechtlingskrise/!5226909/


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Quote[...] Es ist das beherrschende innenpolitische Thema dieser Tage. Die Ankunft tausender Flüchtlinge in Deutschland. Journalisten, die für Hörfunk, Fernsehen oder Blogs im Internet arbeiten, sehen sich zahlreichen massiven Behinderungen ihrer Arbeit ausgesetzt. Sie bekommen von den zuständigen Behörden oft keine Erlaubnis, aus den überfüllten Flüchtlingsheimen zu berichten, müssen sich mit Handyvideos aus zweiter Hand behelfen. Sie werden vom rechten Mob beschimpft und attackiert und sogar von dubiosen Anwälten bei der Berichterstattung vor den Flüchtlingsunterkünften behindert.

Presse-Fotografen geraten immer wieder mit der Polizei aneinander, ihre Aufnahmen werden mit Taschenlampen gestört oder die Polizei versucht sogar, an das Foto-Material zu kommen. Sogar die Flüchtlinge selbst gehen manchmal in einer aufgeheizten Situation auf Kameraleute los, werden aber auch von anderen Flüchtlingen in ihrem Furor gebremst. Die umfassende Berichterstattung rund um die Flüchtlingskrise ist alles andere als einfach - aber dringend notwendig.


Aus: "Probleme bei der Berichterstattung über Flüchtlinge" (02.09.2015)
Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Probleme-bei-der-Berichterstattung-ueber-Fluechtlinge,fluechtlingsberichterstattung100.html


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Quote[...] Stuttgart - Unternehmen setzen verstärkt auf das Potenzial von Flüchtlingen, die in diesen Wochen in die Region kommen. Oft hapert es noch an bürokratischen Hürden – doch es gibt auch Ansätze für die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt.

Daimler-Chef Dieter Zetsche kündigte an, in Flüchtlingszentren gezielt nach Arbeitskräften zu suchen. ,,Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Genau solche Leute suchen wir", sagte Zetsche in einem Zeitungsinterview. Auch beim Autobauer Porsche sind Flüchtlinge momentan ein großes Thema. ,,Hilfe ist aus unserer Sicht dringend geboten", sagt Porsche-Chef Matthias Müller. ,,Wir wünschen jedem Menschen auf dieser Welt, dass er einmal am Tag warm essen und ruhig schlafen kann." Konkret prüfe Porsche derzeit die Möglichkeiten, Flüchtlinge auszubilden oder zu beschäftigen. Müller fordert insgesamt mehr Engagement für Flüchtlinge von deutschen Arbeitgebern.

Unternehmen wie Daimler, Porsche oder auch Bosch sind Vorreiter im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen – auch weil sie bereits jetzt von der Internationalität der Mitarbeiter leben. Rund 20 000 Mitarbeiter – also knapp zwölf Prozent – der Beschäftigten bei Daimler in Deutschland haben einen ausländischen Pass, sie kommen aus 140 verschiedenen Ländern. ,,Bei Daimler sind wir überzeugt, dass mehr Vielfalt zu besseren Ergebnissen führt. Als global agierendes Unternehmen ist es für uns eine Verpflichtung, Vielfalt zu fördern und zu fordern", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Ganz ähnlich ist die Situation bei Porsche: In den deutschen Werken arbeiten Menschen aus 50 Nationen. ,,Gelebte Integration", sagt Müller.

Der Esslinger Autozulieferer Eberspächer beteiligt sich zusammen mit 14 weiteren Unternehmen am Modellprojekt ,,Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung". Die Initiative von Industrie- und Handelskammer (IHK) Esslingen-Nürtingen und Partnern läuft seit diesem Juni. Derzeit werden 20 Flüchtlinge fit für eine Berufsausbildung gemacht. ,,Der erste Schritt ist die Einstiegsqualifizierung, bei der die jungen Menschen bereits die Berufsschule besuchen und neben der Sprache auch das Berufsbild und das Unternehmen von innen kennenlernen", sagt Heinrich Baumann, Geschäftsführender Gesellschafter bei Eberspächer. ,,Einen ersten Vertrag zu einer solchen Einstiegsqualifizierung konnten wir bereits abschließen, zwei weitere sind in Planung."

Andere Unternehmen in der Region ziehen erst allmählich nach: Man prüfe, ob eine Beschäftigung von Flüchtlingen sinnvoll sei und wie diese aussehen könne, heißt es vom Maschinen- und Anlagenbauer Dürr. Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) lotet verschiedene Möglichkeiten zur Integration von Flüchtlingen aus – obwohl es im Bankensektor derzeit keinen nennenswerten Bedarf an neuen Arbeitskräften gebe, wie ein Sprecher sagt.

In vielen Fällen scheitert eine schnelle Integration von qualifizierten Flüchtlingen in die Arbeitswelt vor allem an langen Anerkennungsprozessen – und somit an einer fehlenden Arbeitserlaubnis. Der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf fordert deshalb von der Politik schnellere Anerkennungsverfahren und Verbesserungen bei der Prüfung von Asylanträgen.

Auch bei der Ausbildung junger Geflüchteter sieht die Wirtschaft noch Handlungsbedarf. Die Bereitschaft der Betriebe zur Integration sei grundsätzlich enorm, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Für den Arbeitsmarkt oder die duale Ausbildung fehlten aber in der Regel die Sprachkenntnisse. Ohne vorbereitende Kurse seien die meisten Flüchtlinge nicht ausbildungsfähig. ,,Bund und Länder müssen solche Berufsvorbereitungskurse intensiv fördern." Bei der Wüstenrot&Württembergische-Gruppe sieht man dies ähnlich: ,,Eine gezielte Förderung der Erlangung deutscher Sprachkenntnisse durch die Politik würde erleichternd wirken", sagt die Generalbevollmächtigte Personal, Susanne Pauser.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag kritisierte das im Juli beschlossene neue Bleiberecht. ,,Eine wichtige Chance zugunsten junger Flüchtlinge und ihrer ausbildenden Betriebe wurde vertan", so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Nach den neuen Regeln könne die Ausbildung einen ,,dringenden persönlichen Grund" für eine Duldung darstellen – aber nur für Zuwanderer bis zum 21. Lebensjahr. Zudem könne die Duldung zunächst nur für ein Jahr erteilt werden und jeweils für ein Jahr bis zum Ausbildungsende verlängert werden.

Unternehmen wie Daimler, aber auch die Verbände fordern stattdessen: Wer eine dreijährige Ausbildung absolviert, soll in dieser Zeit nicht abgeschoben werden. Nach der Lehre sollten die jungen Fachkräfte dann zudem für mindestens zwei Jahre weiter beschäftigt werden dürfen.

Wirtschaftslenker im Südwesten sprechen sich für mehr Engagement von Unternehmen in der Flüchtlingskrise aus. Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt: Sie sehen in der Lage große Chancen.

...


Aus: "Was macht die Wirtschaft mit Flüchtlingen?" Stefanie Köhler und Hanna Spanhel (08.09.2015)
Quelle: http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umfrage-unter-suedwest-betrieben-was-macht-die-wirtschaft-mit-fluechtlingen.d6b67b62-528f-4597-93d9-73e2f11fdde1.html