COMMUNICATIONS LASER #17

Laser#17 - Fraktal Text Akkumulation => Gedankenschleuder und Fraktal Texte => Topic started by: Textaris(txt*bot) on February 21, 2007, 05:52:09 PM

Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 21, 2007, 05:52:09 PM
Quote"All us tough guys are hopeless sentimentalists at heart" - Raymond Chandler: Brief an Roger Machell 7. Februar 1955

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QuotePeking verbannt Schauspiel-Stars aus dem Fernsehen, die dem gewünschten Macho-Image nicht entsprechen. Man fürchte um die nationale Sicherheit.

Aus: "Zensur im chinesischen TV: Die alte Paranoia" Fabian Kretschmer, Korrespondent China (9.9.2021)
Quelle: https://taz.de/Zensur-im-chinesischen-TV/!5795697/ (https://taz.de/Zensur-im-chinesischen-TV/!5795697/)

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Quote... Als argloser Mathematiker verteidigt Dustin Hoffman Männlichkeit und Zivilisation gegen hinterwäldlerische Dorfbewohner, nur muss er sie dafür erst umbringen. Straw Dogs [Deutscher Titel: Wer Gewalt sät, 1971], Sam Peckinpahs nihilistisches Meisterwerk um instabile Geschlechterverhältnisse ... Die beiden Fronten, die in dem zaghaften David und den rohen Cornwallern aufeinander treffen, entsprechen letztlich zweierlei Entwürfen von Maskulinität. ...
Aus: "Straw Dogs – Wer Gewalt sät" Katharina Stumm (16.07.2007)
Quelle: http://www.critic.de/film/straw-dogs-wer-gewalt-saet-930/ (http://www.critic.de/film/straw-dogs-wer-gewalt-saet-930/)

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Quote[...] Männer sagen "Motherfocker" und antworten "Fuck you!", wenn sie zueinander nett sein wollen und versichern, sie würden nicht mehr in die Hosen machen. Frauen wird im richtigen Moment immer gesagt, sie sollten doch bitte mal das Zimmer verlassen. ...


Aus: "Die Hinrichtung der 80er Jahre" - Das Ende der Ambivalenz: James Grays reaktionäres Mafiamärchen "We Own The Night" - Von Rüdiger Suchsland (TP, 24.02.2008)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27355/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27355/1.html)

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Quote(August 16, 2015 in Film) // Remember it for later: ,,La donna del fiume" (mario soldati, italien/frankreich 1954):  ... Oh, mein Gott! Ihr italienischen Filmemacher, wollt ihr mich zerstören mit euren Melodramen? ... Die gerade 20 Jahre alte Sophia Loren [spielt] ... Nives Mangolini, [eine] Arbeiterin in einer Fischfabrik ... sie ist eine Frau voller Stolz, wenngleich auch nicht darauf bedacht, um jeden Preis reich zu werden. Eine Küche und eine Nähmaschine hätte sie gern, aber sonst ist sie fest in ihrer Heimat am Po-Delta verwurzelt. Als sie eine Liebesbeziehung mit dem Schmuggler Gino (Rik Battaglia) eingeht, scheint das bescheidene Glück, das sie sich ersehnt, greifbar. Doch Gino ist nicht der Mann, der sich in einer Beziehung binden ließe. Ohne eine Nachricht verschwindet er für mehrere Monate. Als die enttäuschte Nives ihm bei seiner Rückkehr gesteht, dass sie ein Kind von ihm erwartet, schlägt er sie nieder und lässt sie allein zurück. [Aus Rache zeigt sie ihn wegen Schmuggels bei Polizei und Zoll an.] ...
https://funkhundd.wordpress.com/2015/08/16/la-donna-del-fiume-mario-soldati-italienfrankreich-1954/ (https://funkhundd.wordpress.com/2015/08/16/la-donna-del-fiume-mario-soldati-italienfrankreich-1954/)

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Quote[...] Don Giovanni verkörpert eine Naturgewalt ohne Empfinden für Moral und Verantwortung. ...


Aus: "Don Giovanni: Kurze Inhaltsangabe - Wolfgang Amadeus Mozart" (aeiou.at)

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QuoteDon Giovanni, vollständig Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni (,Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni'), KV 527 ist ein Dramma giocoso in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart nach einem Libretto von Lorenzo Da Ponte. Die Oper zählt zu den Meisterwerken der Gattung.  ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Giovanni (https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Giovanni)

https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Juan (https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Juan)

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Quote[...] Don Giovanni ist [ ] als Typus des Rebellen konzipiert, der jenseits moralischer Einschränkungen seine triebbestimmten Eskapaden auszuleben trachte. Auch wenn Don Giovanni offensichtlich als Verführerfigur konzipiert ist, so geht es in Da Pontes Libretto auch um eine Geschichte der Männlichkeit, die sich durch Abkehr von der Vaterwelt auszeichnet und durch den Versuch, der mütterlichen Bindung zu entkommen. Denn der Libertin verhält sich ablehnend gegenüber den väterlichen Werten, wie sie durch den Komtur vertreten werden. Don Giovanni stellt sich gegen Moralvorstellungen und verweigert eine Orientierung an einer Gewissensinstanz um des Genusses und der Sinnlichkeit willen .... Ist Don Giovannis Streben nach Lust in eine Konstellation eingebunden, in der es um die Einforderung sozialer Verantwortung geht, so wird auch hier die Notwendigkeit der Herausbildung des Gewissens zum Thema. ...


Aus: "Ortrud Gutjahr - Wissen. Macht. Lust. Das Faszinosum utopischer Männlichkeit bei Faust, Macbeth und Don Giovanni"
Vortrag im Rahmen der Salzburger Festspieldialoge am 8. August 2011
Quelle: https://www.w-k.sbg.ac.at/fileadmin/Media/arts_and_festival_culture/gutjahr_ortrud_utopischemaennlichkeit_110808.pdf (https://www.w-k.sbg.ac.at/fileadmin/Media/arts_and_festival_culture/gutjahr_ortrud_utopischemaennlichkeit_110808.pdf)

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Quote[...] Aus Telefonüberwachungen weiß man, dass eine wachsende Zahl von Ehefrauen, Müttern, Schwestern und Töchtern genervt ist vom ewigen Machogehabe ihrer Väter, Männer, Brüder und Söhne. Viele Frauen haben es satt, die Männer im Gefängnis zu besuchen und dass die Polizei am frühen Morgen anlässlich einer Razzia im Schlafzimmer steht. ... Etliche Mädchen und Frauen dieser Clans sind weit bildungshungriger als die Männer. Sie wollen einen Schulabschluss, einen Beruf erlernen, vielleicht studieren und arbeiten. ...


Aus: "Fünf vor acht / Clan-Kriminalität: Den Familien permanent auf die Nerven gehen" Aus einer Kolumne von Martin Klingst (8. Juli 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2019-07/clan-kriminalitaet-grossfamilien-parallelgesellschaften/komplettansicht (https://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2019-07/clan-kriminalitaet-grossfamilien-parallelgesellschaften/komplettansicht)


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Quote... Wenn ich in meiner Jugend mit männlich sozialisierten Personen über Sex sprach, so waren oft Ausdrucksformen wie «ich habe sie gefickt» zu hören, während meine weiblich sozialisierten Freundinnen eher von «wir haben rumgevögelt» sprachen. ... Wie der Kapitalismus oder der Staat muss auch die Männlichkeit als gesellschaftliche Struktur verstanden werden, welche konstant von den Menschen in ihren sozialen Beziehungen reproduziert wird. Für Männer erzeugt diese Reproduktion der Männlichkeit ein Gefühl der Sicherheit, sind doch die eigene Identität und viele damit verbundene Vorteile an sie gekoppelt – beziehungsweise ist der männliche Erfahrungshorizont meist nicht von denselben bedrohlichen Szenarien geprägt, wie der einer Frau. Ich habe beispielsweise noch nie von einem Mann gehört, dass der nächtliche Nachhauseweg ihm ein mulmiges Gefühl bescheren würde oder dass er bei einer Essenslieferung so tut, als seien noch mehrere Leute zu Hause – aus Angst, es könnte zu einem sexuellen Übergriff kommen. Männer haben grundsätzlich die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie sich mit diesem unterschiedlichen geschlechterbasierten Erfahrungshorizont auseinandersetzen wollen oder nicht. Für Frauen ist das hingegen keine Interessenssache, sondern vielmehr eine tagtäglich erlebte Realität, die an sehr viele unangenehme, gefährliche und demütigende Erfahrungen gekoppelt ist. Dies bedeutet freilich nicht, dass diese Erfahrung bei allen Frauen automatisch zu einer feministischen Gesellschaftsanalyse führt. ... In linken und anarchistischen Kreisen ist ein Verhaltensmuster zu beobachten, das viele Männer in ihrer Jugend kennenlernen: Aggressivität, Risikofreude, Furchtlosigkeit und Gewaltbereitschaft sind gängige Formen der Darstellung der eigenen Männlichkeit und der Abgrenzung gegenüber dem, was gesellschaftlich mit stereotypen «weiblichen» Eigenschaften assoziiert wird: Fürsorge, Empathie oder Emotionalität. Im schlimmsten Fall äussert sich diese Abgrenzung in einem männlich geprägten Militanzfetisch und in der Abwertung von politischen Aktivitäten, die nicht dem männlichen Spektakel entsprechen. Natürlich ist Militanz nicht per se etwas Männliches, doch niemand verwundert sich, wenn an Riots mehrheitlich junge Männer zwischen 15 und 35 vorzufinden sind. Auch sind viele Männer äusserst motiviert, wenn sie Gewalt im Namen der «guten Sache» ausüben können: Einem Nazi aufs Maul hauen? Ja, da freuen sich jede Menge Männer. So können sie ihre Männlichkeit zur Schau stellen ohne sich mit feministischen und antipatriarchalen Positionen auseinandersetzen zu müssen. Seien wir ehrlich: Wer kennt nicht einen Mann, der auf der Barrikade ein «Held» ist und im Alltag ein überfordertes Mann-Baby? ...

Aus: "Wie wird der Mann zum Mann? – Lose Reflexionen zu Männlichkeit und Patriarchat" Posted by M. Lautréamont (13. April 2021)
https://www.ajourmag.ch/maennlichkeit-und-patriarchat/ (https://www.ajourmag.ch/maennlichkeit-und-patriarchat/)


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Quote[...] Gegenwärtig geschehe in unserem Land eine Umerziehung größeren Ausmaßes beklagte vor einigen Tagen der Medienwissenschaftler Norbert Bolz in gewohnt deutlichen Worten ("Selbstverwirklichung ist Idiotismus"): Einer "verblüffenden Allianz zwischen Feministinnen, Politikern und Bevölkerungswissenschaftlern" gehe es "um die Konstruktion einer anderen männlichen Geschlechterrolle", um den "neuen Mann".

[...] [Es gibt] Unzählige Forumsbeiträge, die aufgrund eigener Erfahrungen über das Evergreen-Paradoxon lamentieren oder echauffieren, wonach Frauen zwar offiziell den fürsorglichen, netten Typen einfordern, aber wenn's darauf ankommt zu den "Alphatierchen" überlaufen.

Quote[Norbert Bolz] Nach meinen Beobachtungen lassen sich viele Frauen noch lieber schlagen, alsdass sie auf einen Mann mit Schürze stehen. Das hält sie dann aber nicht ab, zu jammern über die Hausarbeit... Das mag in einigen Schichten/Generationen nicht mehr ganz so krass sein... aber dennoch... ich bin ja schließlich der "schwule Freund" dem man so was dann - nach viel Alkohol - erzählt.Wenn man sich die Sache dann fallweise mal genauer anschaut, sind die Schläger meist die viel größeren Weicheier als die Schürzenträger. Aber das wird irgendwie nicht so wahrgenommen, oder wenn dann nur intellektuell und nicht gefühlsmäßig. Die schlimmsten männlichen Feiglinge/Weicheier habe ich übrigens unter Sportlern gefunden. Ich meine Menschen in deren Leben der Sport eine sehr große Rolle spielt. Keine Ahnung warum das so ist. Vielleicht auch nur Zufall.

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Aus: "Das bisschen Haushalt..." Thomas Pany (TP; 24.02.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24709/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24709/1.html)

Quote24. Februar 2007 16:01
Zusammenfassung
chronoz

Zusammengefasst will mir also eine Schwuchtel (Entschuldigung) mit
einem "Weiberjob" (Medienwissenschaftlerin), sagen ich werde von den
Medien verweiblicht und müsse nun den Macho herauskehren um auch
weiterhin begehrenswert zu bleiben. Der genannte Herr (Tunte??) will
mir darüber hinaus noch erzählen "körperliche Züchtigung" durch den
Mann sei Frauen lieber als einer der Kocht,

Habe ich das so richtig verstanden??


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Quote[...] Bart, Tattoos und Muskeln sind In - vor allem, wenn man die Social Media Profile männlicher Stars durchsucht, lässt sich ein klarer Trend erkennen. ...


Aus: "DOPAMIN Marketing GmbH: Bart, Tattoos, Muskeln - mehr Männlichkeit ist In, auch unter der Gürtellinie?" (20.01.2022)
Quelle: https://www.presseportal.de/pm/157923/5126579 (https://www.presseportal.de/pm/157923/5126579)

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Quote[...] Das Thema ›Männlichkeit‹ ist in den letzten zwei Jahrzehnten zusehends in den Mittelpunkt sozialwissenschaftlichen Interesses gerückt und hat eine Vielzahl oftmals heftiger Kontroversen in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen entzündet. Diese Diskussionen haben wiederum eine Reihe von literaturwissenschaftlichen, historischen, ethnologischen, sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Untersuchungen initiiert, die zu bemerkenswerten Ergebnissen führten. So wurde vor dem Hintergrund feministischer Wissenschaftskritik im Rahmen der Gender-Studien herausgearbeitet, daß, entgegen soziobiologischer Positionen, das soziale Geschlecht (gender) nicht durch das Körpergeschlecht (sex) determiniert wird. Vielmehr konnte festgestellt werden, daß das soziale Geschlecht aus einer Vielzahl in ständiger Wandlung begriffener Bedingungen entsteht.1 Die Analyse dieser Männlichkeit konstituierenden bzw. relativierenden Bedingungen bildet neben der Untersuchung der »verschiedenste(n) Entwürfe« von Männlichkeit und den aus diesen »ontoformativ(en)« Entwürfen resultierenden Wirkungen den Gegenstand kritischer Männerforschung.

Im Sinne Connells, eines der exponiertesten Vertreter sozialwissenschaftlicher Männerforschung, lassen sich Männlichkeiten als »durch das Geschlechterverhältnis strukturierte Konfigurationen von Praxis« beschreiben. »Sie sind von Grund auf historisch; und ihre Entstehung und Wiederherstellung ist ein politischer Prozeß, der das Interessengleichgewicht in der Gesellschaft und die Richtung sozialen Wandels beeinflußt.«


Bruchstück aus: Hans-Joachim Jürgens: "Männlichkeitskonstruktionen in Karl Mays Reiseerzählungen" (Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 2003; S. 119)
Quelle: http://karlmay.leo.org/kmg/seklit/JbKMG/2003/119.htm (http://karlmay.leo.org/kmg/seklit/JbKMG/2003/119.htm)

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Quote[...] Der Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 wurde von den Männern im Allgemeinen sehr euphorisch begrüßt. Für viele bot sich hier die Chance aus dem monotonen Arbeitsalltag auszubrechen; die Gelegenheit zu einem wirklich ,,männlichen Abenteuer", um zum ersten Mal ihre ganze Männlichkeit unter Beweis zu stellen.  [...] Autoren wie Otto Weininger (,,Geschlecht und Charakter", 1903) sahen die männliche Identität ernsthaft bedroht und formierten daraus einen Antifeminismus, der oft mit antisemitischen Ansichten verknüpft wurde. Das 19. Jahrhundert ist geprägt von sehr vielen Werken, die das weibliche Geschlecht diffamierten. Später befassten sich auch Philosophen, Psychologen, Biologen, Historiker und Anthropologen mit diesem Thema, um den Antifeminismus zu unterstützen. Der einzige Ausweg aus der Krise sollte die Rückkehr zu einer klaren Polarität der Geschlechter sein, sodass die Männer ihre Virilität wiedererlangten und die Frauen in den ihr von der Natur zugewiesenen Bereich zurückkehrten.

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Aus: "Männlichkeit und Krieg" - Untersuchungen am Großessay ,,Der Kampf als inneres Erlebnis" von Ernst Jünger (Dr. U. Brunotte; 2003/2004)
Quelle: http://www.gender.hu-berlin.de/w/files/ztghausarbeit/maennlichkeit_und_krieg__untersuchungen_am_grossessay_der_kampf_als_inneres_erlebnis_von_ernst_juenger_kuwi_landesfeind.pdf (http://www.gender.hu-berlin.de/w/files/ztghausarbeit/maennlichkeit_und_krieg__untersuchungen_am_grossessay_der_kampf_als_inneres_erlebnis_von_ernst_juenger_kuwi_landesfeind.pdf) 

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Quote[...]

Ein Kommentar zu: "Luftangriff in Kundus - Taliban ziehen Bundeswehr in ihren Terror-Krieg" (4. September 2009)
Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article4461819/Taliban-ziehen-Bundeswehr-in-ihren-Terror-Krieg.html (http://www.welt.de/politik/deutschland/article4461819/Taliban-ziehen-Bundeswehr-in-ihren-Terror-Krieg.html)

Quote04.09.2009,
13:51 Uhr
    Londoner sagt:

    Laut der Londoner Times waren die LKW, die Kraftstoff fuer deutsche Truppen transportierten, ohne deutsche Soldaten unterwegs, also ungeschuetzt. Bei der der Entfuehrung folgenden Bombardierung sollen ca. 90 Menschen getoetet worden sein, davon ca. die Haelfte Zivilisten.


Quote04.09.2009,
13:08 Uhr
    Diego sagt:

    Wow, endlich werden unsere Jungs in Afghanistan zu Maennern. Tut mir zwar leid um die Zivilisten, die bei der Operation ihr Leben verloren haben, aber wer den Taliban hilft muss mit Konsequenzen zu rechnen haben.


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Quote[...] Als Romancier institutionalisiert [..] reproduziert Sade (ob bewußt oder ungewollt ist hier einerlei) eine verbrecherische bzw. mafiotische, gewalttätige, archaische, patriarchale, eine stets als von Natur aus hegemonial gedachte Männlichkeit (er ist als Autor Macho, männlicher Chauvinist, Androzentrist und Sexist in einem). Abgesehen von den psychischen Folgen der Einsperrung bleibt anzumerken, daß gerade das 18. Jh. eine für die traditionellen Männlichkeitsideale kritische, prekäre Erosion der ständisch-feudal-kriegerischen zur bürgerlichen Gesellschaft erlebt, was massive Gefühle von Verunsicherung auslöst. Deklassierungsängste zeitigen stets männliche Aggressivität. So scheint Krafft-Ebing in bezug auf die Person Sades kurioserweise recht zu behalten, wenn er den Sadismus als ,,eine pathologische Steigerung des männlichen Geschlechtscharakters" (Krafft-Ebing 1997, S. 155) definiert.

[...] Promiskuität als männliches Wunschziel, sprich die Begierde, mit möglichst vielen Frauen zu schlafen, führt bei Sade zu einer eminenten Aufwertung der außerehelichen Sexualität. Der geile Marquis will der Weiblichkeit in toto habhaft werden62, sein erotischer Anarchismus, seine typisch männlichen Sexualphantasien konstruieren sich ein adäquates Frauenbild als Ideologie: Die Frau sei eben Inbegriff der Wollust von Natur aus. So sagt Madame de Saint-Ange zu Eugénie: ,,Ein hübsches Mädchen sollte sich nur damit befassen zu ficken und niemals zu zeugen" (Sade o. J., S. 32); oder: ,,Das Los der Frau gleicht dem einer Hündin oder Wölfin: Sie gehört allen, die sie begehren" (a. a. O., S. 63); oder: ,,In welchem Stand sich eine Frau auch befinden mag, (...) nie sollte sie ein anderes Ziel (...) haben, als sich vom Morgen bis zum Abend ficken zu lassen" (a. a. O., S. 69); oder: ,,Verwünscht sei die Frau, die es sich einfallen ließe, auf ihren Gatten eifersüchtig zu sein! Wenn sie ihn liebt, sollte sie mit dem zufrieden sein, was er ihr gibt" (a. a. O., S. 73f.); oder: ,,Sie hat nur Vorsorge zu treffen, daß sie keine Kinder macht, oder (...) das Kind abtreiben zu lassen" (a. a. O., S. 75); oder: ,,Sobald ein junges Mädchen die erste Wollust empfindet, ist für es die von der Natur bestimmte Zeit gekommen, sich zu prostituieren." (a .a. O., S. 244) Das Wesen der Frau ist Sade zufolge die Polygamie, die Promiskuität; Madame de Saint-Ange: ,,Ficke, mit einem Wort, ficke; dazu bist du auf der Welt." (a. a. O., S. 64) Und werde der ,,inferioren" weiblichen Vernunft ihr eigener Wesensgrund nicht gleich faßlich, so tue dies nichts zur Sache, denn: ,,Eine Frau nimmt unerhört rasch die Grundsätze desjenigen an, von dem sie gefickt wird." (Sade 1990, S. 63)

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Aus: "Mafia, Staat und Männlichkeit - Über mafiotische bzw. verbrecherische Männlichkeit bei Donatien Alphonse Francois Marquis de Sade (Hausarbeit von Schwerzler Michael; 2003; INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT DER UNIVERSITÄT WIEN (HUMAN- UND SOZIALWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT))
Quelle: http://evakreisky.at/onlinetexte/schwerzler_de_sade.pdf  (http://evakreisky.at/onlinetexte/schwerzler_de_sade.pdf)

Kontext: [Thanatos Kommentare (Notizen zum erbarmungslosen Sinn)... ]
https://www.subf.net/forum/index.php/topic,636.0.html (https://www.subf.net/forum/index.php/topic,636.0.html)
Title: [Mentaler Korrelationsgrad bei Gewalt und Sex... [?] (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 28, 2007, 11:10:33 AM
Quote[...] man halte sich vor augen, das z.b. eine drogensüchtige prostituierte mit ihrem liebes-lohn den sprengstoff bezahlt
der gegen UNSERE soldaten eigesetzt wird!


Aus: " Kann die Nato den Krieg in Afghanistan gewinnen? - ja!!!!" Von dyonisos75 (27.02.2007)
Quelle: http://forum.spiegel.de/showpost.php?p=992068&postcount=17 (http://forum.spiegel.de/showpost.php?p=992068&postcount=17)

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Quote[...] Ein Korrelationsgradmesser ist ein Messgerät in der Ton- bzw. Audiotechnik, mit dem die Beziehungen zwischen den beiden Kanälen (rechts und links) einer Stereo-Audioaufnahme messtechnisch festgestellt werden können.


Aus: "Korrelationsgradmesser" (02/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Korrelationsgradmesser (http://de.wikipedia.org/wiki/Korrelationsgradmesser)

Title: [Identität und "Eier haben"... (Bruchstücke)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 28, 2007, 12:04:39 PM
[...] Vor allem die Eier haben es mir angetan...

[...] Das Vergessen jener Geschehnisse, die diesen Krieg ausgelöst haben...

[...]  so was nennt mann EIER haben und dem gegner sowieso nicht ernst nehmen - das ist fakt...

[...] zu lasch sind und keine Eier haben eine wirksame Politik zu betreiben...

[...] Dicke Eier haben und die Nachttischlampe halten...

[...] Ich mein eher sowas für Leute die richtig Eier haben...

[...] daran merkt man auch das manche keine Eier haben, sorry ist aber so...

[...] junge muss der Mann Eier haben...

[...] auf gut Deutsch nicht die Eier haben in irgendeine Schlacht auszutiehen...

[...] Journalisten nicht mal die Eier haben zu schreiben, das die verbreiteten...

[...] Im übrigen muss man sich ja schon bei jedem Krieg fragen: Wofür führt man den...

[...] "Willst Du mit dem Krieg anfangen oder auch die Eier haben denjenigen die nicht zu dem stehen was...

[...] Ich glaube das Klinsmann nie die Eier haben wird und zugibt das er bei der...

[...] Ich finde die Vereinigten Nationen sollen mal zeigen dass sie noch Eier haben und helfen...

[...] nicht die Eier haben, zu sagen, wer sie sind, ist das schon verdammt schäbig...

[...] weil sie nicht die Eier haben um die Amerikaner anzugreifen, also töten sie Unschuldige...

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Quote[...] EY EY IHR HURESÖHNE ICH FICK EUCH ALLEEE WAS LABERT IHR [identität x] ALTER ICH FICK EUCH MAN IHR HUNDE KOMMT BLASEN MAN ICH FICK EUR MÜTTERN ALTER KOMMT DOCH BLASEN WEN IHR SO GROSE FRESE HABT KOMMT BLASEN MAN KOMMT BLASEN MAN IHR HUNDEFICKER WAS WAS LABERT IHR [identität x] MAN ICH WERD EURE MÜTTERN FICKEN ALTER KOMMT BLASEN MAN

[identität y] / - / [ort x] / Sonntag, 30. April 2006 9:44

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[...] ich fick euch alle was labert ihr über [identität x] und [identität x] alter ich fick euch alle ihr huresohne ihr könt nix nur schreiben wer das geschriben hat der sol mal vor eine [identität x] sagen der wird gefickt oder der sol mal vor mir sagen alter ich fick seine mutter kommt alle blasen wer was gehgen [identität x] hat der sol mal bei mir kommen wallah ich fick der jenige der was gehgen [identität x] hat was labert ihr da fürn mül kommt sagt doch vor eine [identität x] sag nur eine mal scheiß [identität x] der wird dir zeigen was scheiß [identität x] ist du hund ich fick alle wer was gehgen [identität x] hat alter und dir [identität x] fick euch auch ihr huresohne kommt blasen ey ich werd deine mutter ein blasen alter du hundeficker deine mutter werd ich ficken du hundefickker hahahahahahahahahahahahaahahhaahhahahahahahahaah KOMMT ALLE BLASEN ALTER ICH WERD EUCH ALLE FICKEN MAN WAS LABERT IHR HIR KOMMT BEI MIR IN BERLIN WALLAH ICH WERD EURE MÜTTERN FICKEN IHR HUNDESÖHNE NUR WER WAS GEHGEN [identität x] HAT ICH WERD MEINE SCHWANZ IN DEINE MUTTER IHR ARSCHLOCH REIN STECKEN KOMMT BLASEN ALTER HAUT MAL AB MAN ICH WERD DEINE KLEINE SCHWESTER FICKEN MAN DU HUND WAS LABERD IHR DA ÜBER [identität x] IHR HUNDEFICKER WER DAS GEDCHRIBEN HAT DER SOL MAL BEI MIR KOMMEN UND DIE WÖRTER SAGEN ALTER ICH WERD DENN INS ARSCHLOCH FICKEN KOMMT BLASEN IHT HUNDE JALLAH BYE IHR HUNDEFICKER

[identität] / [identität]@hotmail.de / [ort x] / Sonntag, 30. April 2006 8:57

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ihr affenkinder

Was seit ihr über haupt für votzen [identität x]???

[identität y] / / Freitag, 28. April 2006 13:38

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ich ficke [identität x] [identität y]

ich bin [identität x]  ich ficke [identität y] beharte möpsis o yeahhhhhhhhhhh komm on

[identität x] / [identität x]@hotmail.com / [ort x] / Montag, 24. April 2006 13:09

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Fuck

die [identität x] ficken deine ganze [identität y] familie du [identität z]...

[identität x] / [identität x]@hotmail.com / [ort x] / Montag, 17. April 2006 15:56

Bruchstücke aus: "ROYALBUNKER /mailorder:  Forum: M.O.R. : N.L.P. - Kommentare... " (~2006)


Quelle: http://royalbunker.com/mailorder/forum/mornlp_020.php?PHPSESSID=d89d46bffe360bd9f0706af6a56065e8
(15.03.2007: Link + Text nicht mehr verügbar (gelöscht (?))...

Title: [Für eine Handvoll Männlichkeit.... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 28, 2007, 08:41:30 PM
Quote[...] Die Soziale Rolle ist ein dem Theater entlehnter Begriff der Soziologie und Sozialpsychologie, der die Gesamtheit der einem gegebenen Status (z. B. Mutter, Vorgesetzter, Priesterin etc.) zugeschriebenen kulturellen Modelle darstellt (Definition nach Linton). Dazu gehören insbesondere vom sozialen System abhängige Erwartungen, Werte und Verhaltensweisen (→Rollenerwartungen), die an den die entsprechende Position einnehmenden Akteur gestellt werden. Die Rollentheorie beschreibt, welche Spiel- und Handlungsfreiräume dem Individuum in einer Rolle offenstehen, wie es die gesellschaftlich vorgegebenen Rollen erlernt, verinnerlicht und ausfüllt.


Aus: "Soziale Rolle" (02/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Rollenmodell (http://de.wikipedia.org/wiki/Rollenmodell)

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Quote[...] Seit den Anfängen des Kinos erleben wir den Mann in der Rolle des Helden, er dient als Traumpartner und Role-Model. Doch mit der Zeit offenbaren sich auch Brüche: Protagonisten scheitern, Mann-Sein wird zum Problem, unmännliches Verhalten zum Indiz von Schwäche. [...] Beiträge über Actionfilme (Rambo, Die Hard), Western (High Noon, Unforgiven), Science-Fiction (die Star Trek-Captains), die Schauspieler Götz George und Richard Gere, Komikerpaare wie Laurel & Hardy, maskuline Frauenfiguren (Baise-Moi), die filmischen Männerwelten Stanley Kubricks, den jungen Regisseur des New-Queer-Cinema Gregg Araki und Filme aus der Subkultur der schwulen Leder-Szene von Jean Genet bis R.W. Fassbinder.

Über den Autor:
Thomas Klein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.


Aus: "Männer - Machos - Memmen. Männlichkeit im Film" von Christian Hißnauer, Thomas Klein (Verlag: Bender, Mainz (Juli 2002))
Quelle: http://www.amazon.de/M%C3%A4nner-Machos-Memmen-M%C3%A4nnlichkeit-Film/dp/3980652890 (http://www.amazon.de/M%C3%A4nner-Machos-Memmen-M%C3%A4nnlichkeit-Film/dp/3980652890)

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Quote[...] Mit dem "Wilden Westen" erschufen sich die Amerikaner ihren nationalen Gründungsmythos, der im Western unzählige Male heraufbeschworen wurde. Martin Weidinger zeigt, dass in Western-Filmen bestimmte Vorstellungen über Gemeinschaften - von der kommunalen bis zur staatlichen Ebene - vermittelt und Rollenangebote und Identitätsmodelle für Frauen und Männer bereitgestellt werden. Deren Analyse macht politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den USA nachvollziehbar - bis hin zur Selbstinszenierung des derzeitigen Präsidenten George W. Bush.


Aus: "NewsLetter 82: Männerforschung" (18.11.2006)
Quelle: http://www.onb.ac.at/ariadne/17afmd82.htm (http://www.onb.ac.at/ariadne/17afmd82.htm)

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Quote[...] "Er war hässlich, er war stark, und er hatte Würde", lautet die Inschrift auf John Waynes Grab. Der Star hatte die kernigen Worte kurz vor seinem Tod am 12. Juni 1979 selbst gewählt. Aufrichtigkeit, Männlichkeit und penetranter Patriotismus waren im Film wie im Leben die Ideale, für die das Western-Idol geradestand.

Sein Tod war wie eine große Hollywood-Inszenierung. Als er am Sterbebett lag, erschienen die ersten Sonderausgaben der Boulevardblätter, dann startet ein Fernsehsender die erste Retrospektive. Ronald Reagan, späterer Präsident der USA und in jüngeren Jahren ein eher glückloser Filmdarsteller, schwärmte von seinem Vorbild: "Niemand vertritt die Werte unseres Landes so wie er.


Aus: "Ein kerniger Patriot - bis zur Penetranz John Wayne" (Marion Michael Morrison; 2006 Prisma)
Quelle: http://www.prisma-online.de/tv/person.html?pid=john_wayne (http://www.prisma-online.de/tv/person.html?pid=john_wayne)

Title: [Heroenkult und Opferbereitschaft... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 21, 2007, 12:00:15 PM
Quote[...] So hat der indische Psychoanalytiker Sudhir Kakar in seinen Untersuchungen zu den Massakern zwischen Muslimen und Hindus in Hyderabad im Jahr 1990 erkennen müssen, dass alle "Killerkommandos der feindlichen Parteien von ihrer Gruppenstruktur und von ihrem gekränkten Männlichkeitsethos sehr ähnlich waren".

Der Entwürdigung mit Kampf zu begegnen, bildet, wie der Religionssoziologe Mark Jürgensmeyer festgestellt hat, immer häufiger den Hintergrund von Fällen religiöser Gewalt. Es geht um eine Art "symbolischen Machtgewinn von Männern", so Jürgensmeyers Resumée, "deren traditionelle sexuelle Rolle, ihre Männlichkeit, als gefährdet erscheint". Auch die Islamwissenschaftlerin Friederike Pannewick erkennt im arabischen Raum eine zunehmende Vergeschlechtlichung der Gewalt, wobei die Verletzungen im Krieg "bereits seit der ersten Intifada als Initiation in Männlichkeit" gedeutet werden.

Nicht immer agierten die selbsternannten Helden am Rande der Gesellschaft oder im Kontext neoislamisch-nationalistischer Bewegungen. Nationaler Heroismus und damit die Bereitschaft, sich für sein Vaterland oder eine "höhere Sache" zu opfern, gehörte vielmehr im 19. Jahrhundert zum Kern der nationalstaatlichen Legitimitätsdiskurse in Europa.

Noch 1915 hatte Werner Sombart kategorisch von "Händlern und Helden" gesprochen und davon geschwärmt, dass die "heldische deutsche Nation" diesen Kampf gegen die "händlerische englische Gesinnung" ausfechte. 1932 verkündet Jünger nun mit Blick auf das elende Sterben der "Jugend von Langemarck" den Tod des alten Heroismus. Denn mit dem Zusammenbruch des begeisterten Opfermutes von Langemarck im Mündungsfeuer der Maschinengewehre sei zugleich der alte Held des pro patria mori geschlagen worden: "Freier Wille, Bildung, Begeisterung und der Rausch der Todesverachtung reichen nicht zu, die Schwerkraft der wenigen hundert Meter zu überwinden, auf denen der Zauber des mechanischen Todes regiert."

Es geht hier um nichts weniger als den Untergang des christologisch gefärbten Traums vom individuellen Kämpfer, der sich mit seinem eigenen Körper stellvertretend für die Allgemeinheit opfert. Dessen Abgesang inszeniert Jünger allerdings mit siegesgewissem Blick auf eine kommende Gattung von Kämpfern und Waffen, in denen sich die neuen Kriegstechnologien mit dem Organischen auf eine Weise mischen würden, dass diese zu unempfindlichen "Stahlgestalten", jene zu "sehenden Bomben" , ja zu "menschlichen Geschossen" mutierten. Kamikaze und Cyber War avant la lettre.

Heute leben wir endgültig in einer postheroischen Gesellschaft, lautet die Zeitdiagnose, die zuletzt von Herfried Münkler angesichts des Verschwindens von Heroenkult und Opferbereitschaft in den westlichen Gesellschaften und der Beendigung zwischenstaatlicher Kriege bei gleichzeitiger Zunahme von urbanem Lebensstil, Handel und Austausch, vertreten wurde. Nun werde mit dem Terrorismus, der jeden treffen könne, dieses Sicherheitsbewusstsein von einem "bis zum äußersten gesteigerten Heroismus" radikal in Frage gestellt.

Nicht allein die Religionen kehren auf die politische Bühne zurück, sondern auch die Heroen. Dabei scheint sich das Bedrohungsszenario, wie es Jünger mit dem Fall Langemarck entworfen hatte, ins Gegenteil zu verkehren: Waren damals die schlecht ausgerüsteten jungen Freiwilligen trotz gesteigerten Opfermuts und Kampfeswillen der maschinellen Übermacht von Kanonen und Maschinengewehren hilflos ausgeliefert, so vermögen heute bis zum Äußersten entschlossene Selbstmordattentäter allein mit ihren zu Waffen aufgerüsteten Körpern die kriegstechnisch hoch überlegenen westlichen Gesellschaften zu erschüttern.

Aber in welchem Zusammenhang stehen neofundamentalistische Varianten von Religion und neuer Heroismus? Und wie, wenn überhaupt, hängen damit die Amok laufenden jungen Männer in den USA zusammen, die sich religiöser Rhetorik und gewalttätiger Actionfilm-Scripte bedienen, um ihre Männlichkeits-Krise tödlich zu agieren?



Aus: "Logik und Pathologie des Helden - Die Krise der Männlichkeit" Von ULRIKE BRUNOTTE (21.08.2007 )
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1194735&em_cnt_page=2 (http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1194735&em_cnt_page=2)

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Quote[...] Der Attentäter, der keine Reue zeigte, hatte seine Anwälte im Dezember 2000 angewiesen, nichts mehr gegen seine Hinrichtung zu unternehmen. Er verzichtete auf das Recht, vor der Hinrichtung ein letztes Wort zu sprechen. Stattdessen hinterließ er einen handschriftlichen Brief, in dem er das Gedicht Invictus des englischen Dichters William Ernest Henley zitiert. Er fühlte sich unbesiegt (Invictus) und äußerte zuvor in diesem Zusammenhang, es stünde 168:1 für ihn.

http://de.wikipedia.org/wiki/Timothy_McVeigh (http://de.wikipedia.org/wiki/Timothy_McVeigh) (08/2007)

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Quote[...] ,,Verletzte Ehre" wurde und wird in Gesellschaften/Kulturkreisen, in denen das Ansehen eines familiären, ethnischen oder religiösen Kollektivs über das Wertesystem des Individualismus gestellt wird, unter offener Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien (Gewaltmonopol des Staates) auf gewaltsame Weise ,,wiederhergestellt" (vgl. Rache, Duell, Ehrenmord).

Das Streben einer Person nach Ruhm oder Ehre führte und führt nicht selten zu persönlichen und äußeren Konflikten.

Das Gegenteil der Ehre ist die Schande. In der westlichen Welt ist hiermit oft eine persönliche Blamage oder der Verlust an Würde gemeint.

Zitate:

    ,,Sah Friedrichs Heldenzeit und kämpfte mit ihm in all seinen Kriegen. Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte. "

    – Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, auf dessen Grabstein

    ,,Die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserem Wert und, subjektiv, unsere Furcht vor dieser Meinung."

    – Arthur Schopenhauer

    ,,Die Ehre ist - - die Ehre."

    – Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm


http://de.wikipedia.org/wiki/Ehre (http://de.wikipedia.org/wiki/Ehre) (08/2007)

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http://de.wikipedia.org/wiki/Held (http://de.wikipedia.org/wiki/Held)

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Quote[...] Viele Superhelden haben Geheimidentitäten und Codenamen und tragen farbenfrohe Kostüme.


http://de.wikipedia.org/wiki/Superheld (http://de.wikipedia.org/wiki/Superheld) (08/2007)

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http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhm (http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhm)

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Quote[...] Ein Antiheld (Gegenheld) ist ein Figurentypus der darstellenden Kunst (Literatur, Film oder Comic). Während die dramatische Hauptfigur (der Protagonist) einer Geschichte durch seine überlegene Charakter-, Verstandes- oder moralische Stärke zur Identifikation einlädt, ist es beim Antihelden die Schwäche in einer dieser Hinsichten, die sympathisch wirkt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Antiheld (http://de.wikipedia.org/wiki/Antiheld) (08/2007)

Title: [es ändert sich nichts an der Schlichtheit der Perspektive... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 02, 2007, 08:03:01 PM
Quote[...] Als Phallus (phallós) bezeichnet man heute insbesondere in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen das erigierte männliche Glied. Der Phallus gilt seit Jahrtausenden als Symbol für Kraft und Fruchtbarkeit. ...


Aus: "Phallus" (09/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Phallus (http://de.wikipedia.org/wiki/Phallus)

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Quote[...] Als Imponierverhalten (engl.: overawing) wird in der Verhaltensbiologie ein angeborenes Droh- und Lockverhalten bezeichnet, das bei rivalisierenden Geschlechtsgenossen eine einschüchternde, und auf das andere Geschlecht anziehende Wirkung ausüben soll. Imponierverhalten beruht grundsätzlich auf zur Schau gestellter Potenz oder Vitalität, die für die sich dabei siegreich behauptenden, meist männlichen Rivalen mindestens in der Kopulation mit den so 'eroberten' Weibchen gipfelt.


Aus: "Imponierverhalten" (09/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Imponierverhalten (http://de.wikipedia.org/wiki/Imponierverhalten)

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Quote[...] Das spanische Lehnwort Macho bezeichnet in der deutschen Umgangssprache einen Mann, welcher sich stark an den traditionellen Bildern der männlichen Geschlechterrolle orientiert. Im Sinne dieses Männlichkeitsverständnisses ist es ein sich übertrieben männlich gebender Mann. Er grenzt sich von sogenannten ,,Softies" und ,,Frauenverstehern" ab.

[...] Im Spanischen bedeutet ,,macho", angewendet auf Tiere, lediglich ,,männlich" als Gegenwort zu ,,weiblich" (,,hembra"). Auf Menschen angewandt unterstreicht der Begriff macho, durchaus positiv verstanden, die Männlichkeit. Erst als ,,machismo" wird daraus der Männlichkeitswahn, der dann im deutschen Lehnwort wiederzufinden ist. Der ,,machista" steht unter dem Zwang, seine Männlichkeit in der Gesellschaft, notfalls auch gegen seine eigenen Interessen, unter Beweis stellen zu müssen; das bezieht sich sowohl auf die ,,Verteidigung der Ehre" wie auch auf sexuelle Herausforderungen.

Der weibliche Gegensatz zum ,,Machismo" (speziell in Lateinamerika) ist der ,,Marianismo".

[...] Machos werden meist folgende Charakter-Eigenschaften zugeschrieben:

    * konservative Denkweise (z. B. ,,Frauen gehören hinter den Herd!")
    * offensives, aggressives und draufgängerisches Verhalten
    * Imponiergehabe und Narzissmus
    * unhöfliches, überhebliches und herablassendes Verhalten
    * Pflege von Ritualen des Kräftemessens: sie messen sich gerne mit anderen Männern in allerlei Wettkämpfen (z. B. Armdrücken, Beindrücken, Fingerhakeln, illegale Autorennen)
    * die Neigung zu prestigeträchtigen Statussymbolen (z. B. ein imposantes Auto, Motorrad)
    * frauenverachtende Sprüche (z. B. ,,Frauen und Technik!" oder ,,Männer haben doch nichts gegen die Frauenbewegung, sie muss bloß rhythmisch sein!")
    * exzessives und offensives, oft krankhaft übersteigertes Ausleben von Heterosexualität, wobei von der Frau passive und / oder aktive Unterwerfung erwartet und auch teilweise erzwungen wird.


Aus: "Macho" (09/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Machismo (http://de.wikipedia.org/wiki/Machismo)

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Quote[...] Piropos sind eine harmlose Ausdrucksform des Machismo und im spanischen und lateinamerikanischen Raum allgegenwärtig. Wo auch immer eine Frau dort alleine unterwegs ist, wird sie früher oder später Piropos von wildfremden Männern erhalten. Hinter diesen kleinen Schmeicheleien stecken in den seltensten Fällen ernste Absichten, sie sind oft kaum mehr als aufmunternde Floskeln. Einige Männer fassen sie jedoch als Kunstform auf und versuchen, ihre Piropos in geist- und witzreiche kleine Meisterwerke zu verwandeln. Spanische Gigolos verwenden Piropos gezielt, um reiche Urlauberinnen zu bezirzen.

Während einheimische Frauen an Piropos gewöhnt sind und nur selten darauf reagieren, legen Fremde sie oft als alberne Anmachsprüche oder sogar sexuelle Belästigung aus.


Aus: "Piropo" (09/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Piropo (http://de.wikipedia.org/wiki/Piropo)

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Quote[...] Interpretation (v. latein. interpretatio ,,Auslegung, Übersetzung, Erklärung") bedeutet im allgemeinen oder alltäglichen Sinne das Verstehen oder die Deutung der zugrundegelegten Bedeutung, Aussage oder des Kontextes.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation (http://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation) (09/2007)

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Quote[...] Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bed%C3%BCrfnis (http://de.wikipedia.org/wiki/Bed%C3%BCrfnis) (09/2007)

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Quote[...] Der Ödipuskonflikt bezeichnet eine Theorie der Psychoanalyse Sigmund Freuds, wonach jedes männliche Kind im Laufe seiner Entwicklung eine ,,ödipale Phase" durchläuft, in der es die eigene Mutter begehrt und mit dem Vater rivalisiert. Von einem Ödipuskomplex spricht man, wenn der Erwachsene immer noch in dieser Problemstellung verharrt, der kindliche Konflikt also nicht befriedigend gelöst werden konnte. Allerdings wird der Begriff Ödipuskomplex oft auch synonym im Sinne des kindlichen Ödipuskonflikts gebraucht.

[...] Freud greift die Figur des Ödipus auf, um mit ihm eine Beobachtung zu beschreiben, die er im Laufe seiner psychoanalytischen Therapietätigkeit bei seinen Patienten machte. Nach Freud findet sich im Unbewussten der Patienten ein sexuelles Begehren gegenüber der eigenen Mutter, das aber in der Regel verdrängt ist. Weil das begehrende Kind dementsprechend mit dem Vater um die Gunst der Mutter rivalisiert, will es den Vater unbewusst töten, um seinen Platz einzunehmen. Auch das Mädchen strebe danach, seinen Vater zu besitzen, und rivalisiert entsprechend mit der Mutter, wie Freud in seiner Schrift Das Ich und das Es (1923) ausführt. Carl Gustav Jung fand für die weibliche Variante des Ödipuskomplexes den Begriff Elektrakomplex.


Aus: "Ödipuskonflikt" (09/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipus-Komplex (http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96dipus-Komplex)

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Quote

[...] Natürlich ist mir bewusst, dass es durchaus zu den urbanen Mannbarkeitsriten gehört, möglichst grauenhafte Filmszenen zu kennen und cool zu finden...

[...] hinter der Fassade des lieben friedenserhaltenden Soldaten doch wieder der Barbar mit allen Mannbarkeitsriten, die dazu gehören.

[...] Einerseits weiß ich ganz genau, dass Alkohol einen unglaublichen Reiz auf Jugendliche ausübt und dass auch sehr viele "Mannbarkeitsriten" mit diesem Stoff...

[...] und vor allem mit jungen Türken, die in Deutschland aufwuchsen und trotzdem dem Druck uralter Mannbarkeitsriten ausgeliefert sind.

[...] Mannbarkeitsriten. Neuzeugung 3. Der Heldenmythos. Muttertötung und Selbstzeugung...

[...] Sie wären somit auch Mutproben wie letztere Bestandteil sind der Mannbarkeitsriten bei Stammesvölkern. Angst und Angstüberwindung gehören somit zu Prüfungen...

[...] Sie rückt so in die Nähe archaischer Mannbarkeitsriten und Initiationsrituale: "It´s an honest, consensual violence, it´s not victimizing violence...

[...] Das Alter bringt es auch mit sich, dass nicht nur Mannbarkeitsriten geprobt werden. Opas Enkel hat auch eine Freundin.

[...] Auf dem Paukboden als Stätte von Mannbarkeitsriten und Mutproben holten sich die Studenten der schlagenden Verbindungen in Duellen auffällige...

[...] Kritiker sehen in ihrem System von Über- und Unterordnung, ihren groben Sauf- und Mannbarkeitsriten, ihren blutigen Duell-Praktiken eine "Schule der Nation"...

[...] Nach allem, was wir wissen, dienten diese schmerzhaften und langwierigen Initiations- und Mannbarkeitsriten keineswegs der Vorbereitung auf einen Kriegsfall...

[...] Wie z.B. die Mannbarkeitsriten afrikanischer Stämme. Scheinen uns diese aus unserer modernen Sicht her primitiv, so haben sie doch...

[...] Im Süden Afrikas wurden oft Geister nachgeahmt oder Mannbarkeitsriten abgehalten, bevor sich im 20 Jahrhundert...

[...] Und genau das ist der Zusammenhang, in dem die "demonstrativen Mannbarkeitsriten" funktionieren. Ästhetisierung der Gewalt...


Suchmaschienen Textbrocken zu "Mannbarkeitsriten" (09/2007)

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Quote[...] Pressespiegel:

Laut Alexandra Seitz wirkt 300 wie ein Magnet für Interpretationen aller Art. [...] es ändert sich nichts an der Schlichtheit der Perspektive. Man könnte in 300 aber auch einen bösen Witz vermuten, der pathetische Reden von Ruhm, Ehre, Gerechtigkeit, Vernunft und Freiheit mit Mannbarkeitsriten, Körper- und Uniformfetischen, Blutströmen und Gewaltorgien kontrastiert, um die Unvereinbarkeit von Machismo und Zivilisation deutlich zu machen."
28. März 2007 | Ray 04/2007

[...]

Auf Dauer fühlte sich Lukas Foerster durch die Actionsequenzen ermüdet. [...] In diesen Sequenzen, die immerhin das Herzstück des Films darstellen, offenbart sich die gesamte Ödnis der snyderschen Kinovision, die eine unschöne Mischung aus infantiler Machofantasie und ziellosem Stilwillen darstellt."
20. März 2007 | critic.de


Aus: "Pressespiegel: 300 (USA 2007)" (film-zeit.de, 2007)
Quelle: http://www.film-zeit.de/home.php?action=result&sub=film&info=cinema&film_id=18379 (http://www.film-zeit.de/home.php?action=result&sub=film&info=cinema&film_id=18379)

Title: [was jeder Mann... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 17, 2007, 02:42:34 PM
Quote[...] "Ich hab nur getan, was jeder Mann in diesem Land, auf der ganzen Welt, getan hätte." (Robert James Ritchie)

[...] [Robert James Ritchie] und sein Vorgänger - Lee war von 1995 bis 1998 mit Anderson verheiratet, Rock von Februar 2006 bis November 2006 - seien sich spinnefeind: "Es macht mich einfach krank, wenn ich auch nur mit dem in Verbindung gebracht werde. Wenn mein Name in einem Satz fällt mit seinem, ehrlich, das macht mich kaputt."

[...] Den Beginn der MTV-Prügelei beschreibt Tommy Lee, 44, auf seiner Website so: "Ich sitz' da ganz friedlich und dann kommt dieses Würstchen vorbei und haut mir auf die Schulter. Ich steh auf und sag' zu ihm, 'Ey Alter, was geht?', und da haut der mir in die Fresse. Ich wollte diesem neidischen karrierelosen kleinen Hinterwäldler sofort meine Faust ins Gesicht schlagen."


Aus: "MÄNNERZOFF UM PAMELA ANDERSON: Pöbelei unter Feinden" (17. September 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,506064,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,506064,00.html)

Title: [The new era for you begins!... [?] (Note, SPAM)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2007, 03:51:55 PM
QuoteFinally you won't be concerned with your size any more.
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Forget what you've heard earlier. The new era for you begins!
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By Eric X. Rosen <Eric@ivnet.com>
Thu, 11 Oct 2007 08:16:51 +0200 [08:16:51 CEST]
Title: [menschen-in-der-bahn-memomat... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 19, 2007, 03:58:14 PM
Quote[...] - männer mit einem ohring.
meistens gut vierzig plus. sind niemals ipod-träger. sind oft angehende-glatze-träger. telefonieren gerne in der bahn, und wenn es zu einer funkstörung kommt, dann fuchteln sie nervös an dem gerät rum - hallo-hallo- sabine? - als ob sie nicht in aller ruhe abwarten könnten, bis der tunel mal zu ende ist. neineinenin. es wird sofort panisch rumgefuchtelt, neugewählt, während die andere person auch grade dabei ist neuzuwählen, weswegen sie nicht über mehrere minuten lang,nicht zueinander finden, was sie wahnsinnig macht, aber sie geben nicht auf, fuchteln an den handys weiter rum, und dann die erleichterung: da bist du ja, funkloch, habe versucht eben zurückzurüfen und die sabine sagt ja, ich habe auch grade versucht zurückzurufen . mir ist aufgefallen, und ich werde das aber genauer beobachten, männer die einen ohring tragen, sprechen gerne in dialekt. so leicht dialektmässig. weisch. dies`machma scho`, weisch. verstejsch was ich mein. so schön gemütlich. ich weiss auch noch nicht, ob das mehr so eine anarcho-sache ist oder mehr eine pfiffig-aussehen-sache ist. mir ist auch aufgefallen, dass viele lehrer, die bei ihren mittelstufe/oberstufe-schülern besonders pfiffig/vertrauensvoll wirken wollen, ebenfalls einen ohring tragen. da haben die weibliche lehrerinnen keinen, wie sagt man, pendant? dazu.

- männer mit einem sich ständig bewegendem kauapparat
tragen meistens sehr gedeckte farben in natur-und-steinfarben. machen mich nervös. wenn sie zb einer frau interessiert zuhören ( die frau: laber laber), bewegen sich die kiefergelenke ständig ( knirsch knirsch).laberlaber-knirsch knirsch. meistens sind das sehr dünne männer, mit lichtem haar, die in literaturverfilmungen einen poeten oder einen kränklichen sohn spielen könnten, der gezwungen wird klavier zu spielen. vielleicht ist das ein tick ( das durch das laberlaber ausgelöst wird), oder eine taktik (um das laber laber auszuhalten) oder sie haben irgendwo gelesen, das ausgeprägter kiefer, der durch die knirschbewegung deutlicher wird, sehr anziehend auf frauen wirkt.

also ich habe was anderes gelesen. ich habe gelesen, dass gesichtsgrübschen bei frauen, sehr sexy auf männer wirken. habe ich leider nicht. ich habe nur popo-grübschen, aber das ist wohl kein shocking, alle menschen haben popo-grübchen. jedenfalls gesischtsgrübschen kann man sich nicht einfach so dazumogeln, man muss sie mit eigener wille und kraft erzeugen. das geht so: man kneift mit den zähnen an den innenbacken. MUNDinnenbacken. es gibt eine beckenbodenübung für frauen (broschüren liegen immer beim frauenarzt), dabei müssen sie ihre pobacken zusammenkneifen und loslassen ( angeblich kann man dabei auch lästige kcal loswerden) nicht zuviel nicht zu wenig. dabei entstehen im gesicht kleine grübschen, rechts und links, die sich kaum von den echten grübschen unterscheiden. dabei werden auch die wangenknochen der frau ( sollte auch anziehend auf männer wirken) deutlicher. aber vorsicht: diese verführungskunst verlangt viel übung und viel selbstvetrauen, vor allem sehr viel selbstvertrauen, denn die schwelle zwischen sexy und hässlich ist in diesem fall sehr sehr gering. ich wiederhole: sehr sehr sehr gering. ich spreche aus erfahrung.


- männer die mit ihrer präsenz den ganzen raum für sich beanspruchen
sie haben einen großen kopf und tragen auch gerne einen hut und privat terrorisieren sie gerne die ganze familie. sie tragen dicke marken-jacken ( jack wolfskin) die weit aufgeknüpft sind, wo der kragen jeweils links und rechts dreissigzentimeter luftlinie für sich beansprucht, drunter dicke schurwolle-pullover und echte-leder-taschen, große dinA3 zeitschriften und wenn sie sich in der bahn in einer viersitzgruppe setzen, ist kein platz mehr für andere. da sie einen großen dominanten kopf haben, trauen sich die leute nicht zu fragen ob hier noch platz frei wäre was dumm ist, weil natürlich ist da platz frei, oder hat er für seinen aktenkoffer einen fahrschein gelöst. ich frage zB gar nicht, sondern kwetsche mich rein und setze mich drauf ( jacke, zeitung, brezel in einer tüte) dabei schaue ich die personen gar nicht an, ich spiele den roboter, den autisten oder den ausländer. ich habe für viele dinge verständnis, ausser für faule zähne und besitzergreifenden charakter.

-männer die sehr sehr selten in der bahn fahren und ständig einen verwunderten blick drauf haben
wundern sich immer dass es SO eng und SO laut ist und dass es SO stinkt. sie können sich nicht für den richtigen sitzplatz entscheiden ( wir sind hier nich zum spass!) und während sie sich zwischen den anstrengenden innenfensterplatz (neben der sympatisch aussehnder frau) und dem bequemen sitzplatz neben einen dicken mann nicht entscheiden können, sind ZACK! alle plätze belegt. und ZACK! ist die bahn so voll, dass man nicht mal einen bequemen stehplatz mehr hat. wie sind hier schliesslich nicht zum spass! wir sind im krieg! der mann denkt is ja sowieso nur eine haltestelle, das halt ich noch aus und dann ZACK! kommt die ansage achtung achtung, die weiterfahrt verzögert sich um mehrere minuten . und der mann so seufz seufz, hätt ich bloß.. und die anderen fahrgäste setzen einen wir sind nicht zum spass hiergesicht.

noch eine beobachtung, am rande, es gibt mehr männer, die unterwegs harry-potter lesen wie frauen. ich sage so 80% zu 20%. wieso, warum, kann ich mir denken, bin schliesslich eine frau und auch ich lese den neuen harry potter nicht in der bahn. erstens weil die meisten frauen das buch wieso schon auf englisch gelesen haben und zweitens weil das sehr langweilig ist und ich würde in der bahn wohl einschlafen, wenn ich `s lesen würde. ausserdem bin ich sehr enttäuscht, dass mir keiner die wahrheit gesagt hat über die "beliebte figur die sterben wird". :-((((. ihr müsst mich ja nicht schonen, ich ertrage ja viel. ich habe gestern gelesen wie hedwig die eule vom harry, gestorben ist. so ohne vorahnung, wo ich dachte, nichts aber auch nichts wird mich mehr treffen/wundern wenn ich das buch lese. ausserdem ist mir aufgefallen dass harry mit seinen 17 jahren ziemlich viel herum-pubärtiert, man merkt der ist ohne mutter aufgewachsen, denn so einmal die ohren langziehen würde ihm nicht schaden, finde ich. ausserdem fällt mir ebenfalls auf, dass sehr viele aufeinmal herum-pubärtieren, ist es wegen weihnachten oder was ist los.



Aus: "menschen-in-der-bahn-memomat" Von neuro (14. Nov. 2007, 14:19)
Quelle: http://runtimeerror.twoday.net/stories/4445927/ (http://runtimeerror.twoday.net/stories/4445927/)

Title: [LINK :: Zur Sprache der Bombenstreichler (Notiz, Krieg, Gender)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 27, 2007, 11:09:16 AM


LINK :: [Damit unsere Verbündeten sie streicheln können... (Notiz, Krieg, Gender)]
Zur Sprache der Bombenstreichler
http://www.subfrequenz.net/forum/index.php/topic,220.msg2596.html#msg2596 (http://www.subfrequenz.net/forum/index.php/topic,220.msg2596.html#msg2596)

Title: [Dinge zu tun, die der Kultur als gewinnbringend erscheine... [?]]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 17, 2008, 12:05:09 PM
Quote[...] Kultur wird im abendländischen Verständnis traditionell in Gegensatz zu Natur gesetzt. Eingeschränkt ist mit dem Begriff Kultur nur "Hochkultur" gemeint. Zu unterscheiden ist auch der Begriff der Kultur im Alltag und im Bildungsbürgertum. Abgegrenzt wird der Kulturbegriff je nach Intention auch von den Begriffen Technik und Zivilisation. Im amerikanischen Sprachraum werden die Begriffe Kultur und Zivilisation meist synonym genutzt. Die Auffassungen über den Begriff Kultur sind regional unterschiedlich.


http://de.wikipedia.org/wiki/Kultur (http://de.wikipedia.org/wiki/Kultur) (01/2008)

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Quote[...] Als philosophischer Begriff (vgl. Naturphilosophie) ist das, was natürlich (der Natur entstammend) und was nicht natürlich ist, vom Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt geprägt. In diesem Zusammenhang steht Umwelt für das Nicht-Ich, das außerhalb des Ego des Menschen ist.

Der Begriff Natur ist nicht wertfrei, so wird auch von Naturkatastrophen, Naturgefahren oder Ähnlichem gesprochen. Natur wird zur menschlichen Existenz in Beziehung gesetzt. Dieses Verhältnis ist vor allem durch emotional, ästhetisch und religiös wertende, normative Einstellungen bestimmt (Oldemeyer 1983).

[...] Innerhalb der Wissenschaft wird Natur sehr unterschiedlich konzipiert, meistens wird davon ausgegangen, dass sich die Naturwissenschaft mit der Natur oder zumindest einem Teil von ihr beschäftigt.

    * die Humanwissenschaften in ihrer Beschäftigung mit dem Menschen zählen sich hierbei teils den Naturwissenschaften, teils den Geisteswissenschaften zugehörig

    * die Ingenieurswissenschaften nähern sich allgemein der Technik, die sich im Gegensatz einer Auseinandersetzung mit Natur sieht.

Der Umgang mit dem Begriff muss aber in der Wissenschaftsphilosophie als sehr kontrovers dargestellt werden. Schematisch können drei verschiedenen Grundtypen von Rollen für den Begriff Natur in den wissenschaftlichen Konzepten im Hinblick auf ihr Verhältnis zum Sein unterschieden werden:

    * Natur wird mit dem Sein identifiziert: So lautet die entsprechenden ontologische Behauptung: ,,Alles was ist, ist die eine Natur." Diese Positionierung wird in der Philosophie als Naturalismus bezeichnet.

    * Natur wird als Teil des Seins, oder der Wirklichkeit, anderen Teilen gegenübergestellt. Andere Teile werden dann oft Kultur oder Geist genannt.

    * Natur wird in seiner Existenz negiert: ,,Es gibt keine Natur."

...


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Natur (http://de.wikipedia.org/wiki/Natur) (01/2008)

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Quote[...] Die klassische Psychoanalyse betrachtet den Aufbau der Psyche als ein komplexes System von Vorstellungen (Repräsentanzen), die mit einander assoziiert sind. Nicht alle Vorstellungen sind jedoch im gleichen Maße miteinander assoziierbar. Viele Assoziationen werden aktiv vom Patienten unterdrückt (verdrängt) und bilden untereinander im Unbewussten ein komplexes System, aus dem sich von Zeit zu Zeit Vorstellungen ins Bewusstsein zu schieben versuchen. Dadurch springt der aktive Prozess der Verdrängung an, als dessen verhaltensmäßiges Resultat das Symptom gesehen wird.

Soweit der Patient das Symptom wahrnimmt und erkennt, kann er bestrebt sein, es durch weitere Maßnahmen zu mildern. Die Kompensation ist hierbei die Fähigkeit, das Auftreten des Symptoms durch weitere Hilfsmittel als nur der Verdrängung zu verhindern. Die individuellen Strategien sind hier sehr vielfältig (Abwehrmechanismen).


Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Kompensation_%28Psychologie%29 (http://de.wikipedia.org/wiki/Kompensation_%28Psychologie%29) (01/2008)

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Quote[...] DÜSSELDORF. ,,Warum geschah es so selten, dass sich hundert Frauen zusammentaten, ein Schiff bauten und davonsegelten, um unbekannte Regionen zu erforschen, während Männer das ziemlich regelmäßig getan haben?" fragt Roy F. Baumeister. Der Sozialpsychologe von der Universität Tallahassee (US-Staat Florida) stellt in seinem Aufsatz ,,Wie Kultur Männer benutzt" in der Zeitschrift ,,Merkur" eine neue und provokante These zum Ursprung der männlichen Dominanz in den meisten Gesellschaften vor: Männer seien zwar keineswegs begabter, aber kulturell motivierter. Sie seien eher als Frauen ,,getrieben, etwas Neues zu schaffen".

Der Grund hierfür ist nach Baumeister in der Evolution unserer Art zu suchen: Männer hatten in der Regel eine viel geringere Chance, sich überhaupt fortzupflanzen. Gentests zeigen, dass nur 40 Prozent aller jemals geborenen Männer, aber 80 Prozent aller Frauen Nachwuchs bekamen.

,,Das Optimale für Frauen ist ..., mit dem Strom zu schwimmen, nett zu sein ... [!?!] Sie haben gute Chancen, dass Männer vorbeischauen und Sex anbieten ... Wir stammen von Frauen ab, die auf Nummer sicher gehen." [!?!] Unsere männlichen Vorfahren aber waren die, die viel riskierten – und gewannen. Die Verlierer [!?!] zeugten keine, die Gewinner umso mehr Kinder.

Dahinter steht die biologische Tatsache, dass Frauen nur eine begrenzte Zahl von Kindern gebären können, während Männer, wenn sie ihre Konkurrenten ausstechen, viele Hundert Kinder zeugen können. Baumeister nennt das ein ,,eine Art Kompensationsgeschäft": ,,Vielleicht sind die Frauen von der Natur so entworfen worden [!?!], dass sie sich darum bemühen, liebenswert zu sein, während Männer so entworfen wurden, dass sie nach Größe strebten."

Daraus leitet Baumeister zwei geschlechtsspezifische Verhaltensmuster ab: ,,Das männliche Verhaltensmuster ist für die großen Gruppen geeignet, das weibliche eignet sich am besten für vertraute Paarbeziehungen."

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden in den modernen Geisteswissenschaften häufig auf gesellschaftliche ,,Konstruktionen" reduziert. Die Behauptung, dass Männer und Frauen von ,,Natur" aus verschieden sind, gilt nach der weithin etablierten, feministischen Sicht als Teil der patriarchalischen Unterdrückungsordnung. Diese wurde angeblich durch eine Art Verschwörung in vorgeschichtlicher Zeit etabliert.

Baumeister sieht die männliche Dominanz dagegen als Folge des Fortschritts der Kultur, von dem der soziale Bereich der Männer profitierte. Frauen sorgten für das Lebensnotwendige. Männer schufen über viele Generationen durch die verschiedenen Kulturformen Reichtum, Wissen und Macht.

Die Kultur ,,benutze" also die Männer, und das kann sie nur tun, weil Männer für den Fortbestand der Gruppe entbehrlicher sind. Daher komme auch die vermutlich uralte Vorstellung, dass ein Männerleben weniger wert ist. ,,Frauen und Kinder zuerst" heißt es bei Schiffskatastrophen. Und in die Schlachten ziehen fast ausschließlich Männer, denn selbst wenn die Hälfte stürbe, könnte die andere Hälfte noch für ausreichend Nachwuchs sorgen.

Von Männern wird Risikobereitschaft erwartet. Dass in vielen Kulturen Männern der Respekt verweigert werde (oder zumindest wurde), die sich nicht bewährt hatten, ,,ist nützlich für die Kultur, weil sie ... so die Männer dazu bringen kann, Dinge zu tun, die der Kultur als gewinnbringend erscheinen".


Aus: "Geschlechterpsychologie: Warum ein Männerleben entbehrlich ist" Von Ferdinand Knauss (HANDELSBLATT, Mittwoch, 16. Januar 2008)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/News/Journal/Vermischtes/_pv/doc_page/2/_p/204493/_t/ft/_b/1377866/default.aspx/warum-ein-maennerleben-entbehrlich-ist.html (http://www.handelsblatt.com/News/Journal/Vermischtes/_pv/doc_page/2/_p/204493/_t/ft/_b/1377866/default.aspx/warum-ein-maennerleben-entbehrlich-ist.html)


Title: [Der Gang zu Prostituierten gehöre zum Mannsein... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 26, 2008, 10:05:55 AM
Quote[...] Der Umgang mit Hardcore-Porno-Filmchen, die auf Teenager-Handys kursieren, trägt in der Schweiz erste Früchte: Einem Bericht zufolge gehen Jugendliche heutzutage lieber ins Bordell als ins Kino oder in die Eisdiele.

[...] Auch Thomas Seeholzer, Leiter des Freier-Projekts Don Juan der Zürcher Aidshilfe, kenne das Phänomen, berichtet "20 minuten": "Viele Teenager scheinen zu glauben, der Gang zu Prostituierten gehöre zum Mannsein, sind aber auch sehr unsicher", so Seeholzer.

[...]


Aus: "Teenager gehen gern ins Bordell" ( 26. Februar 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,537728,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,537728,00.html)

Title: [Add almost 3 full inches... (Notiz, the MAN you always wanted to be)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 26, 2008, 10:44:35 AM
Quote[...]

Datum: Tue, 26 Feb 2008 01:13:26 +0200 [00:13:26 CET]
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Datum: Tue, 26 Feb 2008 10:01:19 -0200 [13:01:19 CET]
Von:     Catalina Chin <MiaperCrenshaw@xxxyyyzzz.org>
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Title: [Misogynie und Homophobie als zwei Seiten einer Medaille... (Queer Studies)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 18, 2008, 01:30:04 PM
Quote[...] Kraß: Die Queer Studies versuchen, gerade die Differenzierung der Geschlechter in Frage zu stellen. Deswegen wäre es ja nicht sinnvoll, sich entweder auf schwule oder auf lesbische Fragestellungen allein zu konzentrieren. Es geht gerade darum, diese Gegensätze zu entdifferenzieren. Queer Studies sind jedoch eine sehr heterogene Veranstaltung. Es gibt natürlich diejenigen, die vielleicht eher nach der Geschichte der männlichen Homosexualität fragen, und diejenigen, die eher nach der Geschichte der weiblichen Homosexualität fragen, aber man kann genau so gut innerhalb der Queer Studies nach der Geschichte der Heterosexualität fragen. Das finde ich besonders wichtig. Denn meine These lautet, dass Homosexualität, die ja erst im 19 Jahrhundert als solche erfunden worden ist – den Diskurs gibt es ja noch nicht länger –, letztlich benutzt wird, um damit die Heterosexualität als Prinzip zu stützen und überhaupt erst zu konstituieren. Es erscheint mir schon als methodischer Fehler, eine Teilperspektive herauszugreifen. Wichtig ist es, den Zusammenhang zwischen verschiedenen Diskursen über Sexualität zu sehen. Meine These würde lauten, dass die Homosexualität im Grunde auch deswegen »erfunden« worden ist, also als Diskurs über Liebe zwischen Männern oder über Liebe zwischen Frauen, um damit die Normalität der Heterosexualität überhaupt erst, sozusagen im Kontrast, herzustellen.

K.A.: Damit stimmen Sie ja auch mit Judith Butler überein, die in Ihrem Werk Gender Trouble das Geschlechterbegehren in die drei Begriffe »Sex« (das anatomische Geschlecht), »Gender« (die kulturelle Geschlechtsidentität) und »Desire« (das Begehren) auflöst.

Kraß: Da ich früher einmal Theologie studiert habe, sage ich gerne, dass es für mich in den Queer Studies ein Altes und ein Neues Testament gibt: das Alte Testament ist Michel Foucault und das Neue Testament ist Judith Butler. Butler bezieht sich unter anderem – nicht nur, aber auch – sehr stark auf Foucault. Im ersten Band seiner mehrbändigen Geschichte der Sexualität, Sexualität und Wahrheit: Der Wille zum Wissen, ist Foucault davon ausgegangen, dass Sexualität in erster Linie nicht ein Phänomen, sondern ein Diskurs ist. Man kann so die Geschichte des Diskurses über das, was heute »Homosexualität« genannt wird, zurückverfolgen. Dann sieht man, wie es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Umschlag vom Sodomiediskurs zum Homosexualitätsdiskurs, also von der Frage der verbotenen Praktik hin zu einer pathologisierten Identität gibt. Diese diskursgeschichtliche Fragestellung ist meines Erachtens ein ganz zentraler Sachverhalt. Damals wurde Sodomie noch als jegliche Form von Unzucht und nicht-prokreativem Sex verstanden. Heute versteht man unter Sodomie meistens Sex mit Tieren. Was bei Judith Butler hinzukommt, ist die von Ihnen angesprochene Unterscheidung von Sex, Gender und Desire. Eine der vielen wichtigen Gedankenfiguren bei Butler ist diejenige, dass das anatomische Geschlecht nicht mehr als Garantie und Begründung für kulturelle Geschlechterrollen genommen werden kann. Sie dreht das Verhältnis von Sex und Gender um, indem sie sagt, dass selbst der Körper nichts anderes als eine Allegorie des Geschlechts ist. Sie kritisiert, dass kulturell und sozial konstruierte Geschlechterrollen so auf den Körper zurückprojiziert und damit naturalisiert werden. Mit dieser Gedankenfigur unterscheidet sie sich von identitätspolitischen Ansätzen des Feminismus, die gerade auf die Körperlichkeit zurückgreifen. Judith Butler ist diesbezüglich auch bis heute notorisch falsch verstanden worden. Sie wird häufig verkürzt rezipiert. Man unterstellt ihr, sie würde einen beliebigen, postmodernen Pluralismus predigen, so als könnte man sich jeden Morgen in seiner Garderobe eine neue, beliebige Geschlechtsidentität aussuchen. Das ist natürlich nicht richtig. Es geht um die Performativität des Geschlechts. Damit ist nicht die Theatralität im Sinne der Performanz (»Ich führe jeden Tag ein neues Geschlecht auf«) gemeint. Im Gegenteil: Es geht eher darum, dass das Geschlecht und die Geschlechterrolle eine Art Zwangsjacke sind, dass sie performativ durch Wiederholung und praktischen Vollzug eingeübt werden. Das beginnt schon mit der Geburt. Das erste Urteil, das über den Menschen gesprochen wird, lautet ja: »Es ist ein Junge« oder »Es ist ein Mädchen«. Am Anfang des Satzes ist das Kind noch ein Neutrum. Am Ende des Satzes ist es auf ein Geschlecht festgelegt. Diese Festlegung wird dann ein Leben lang beständig wiederholt und eingeübt.

[...] Mein Verständnis ist jedoch in der Tat, dass die Sprache eine sehr große Rolle spielt. Dass aber nicht nur die Sprache eine Rolle spielt, hat Butler von Foucault mit übernommen. Es gibt demnach so etwas wie ein Dispositiv. Dieser von Foucault geprägte Begriff ist ursprünglich ein strategisches Wort aus dem Bereich des Militärs und des Rechts. Gemeint ist damit eine Anordnung im doppelten Sinne: eine Anordnung, die sich aus bestimmten Institutionen, Diskursen, Praktiken zusammensetzt und eine Ordnung vorgibt, die einzuhalten ist. Hier würde ich die Heteronormativität dazuzählen. Das heißt also, die Sprache allein ist es nicht. Neben Sprachhandlungen treten nonverbale Handlungen. Dabei ist natürlich dennoch wichtig, dass alles über die Sprache vermittelt ist, denn Sprache ist das Medium, in dem wir denken. Das können wir nicht hintergehen. Ich habe immer ein bisschen Schwierigkeiten damit, zu sagen, dass Butler hier etwas Spielerisches wie Performanz vorschlägt, weil man dann immer gleich die Vorstellung von ›Drag Queens‹ und ähnlichem hat. Ein Begriff, der für sie wichtig ist, ist der der ›Zwangsheterosexualität‹. Den Zwang muss man vielleicht noch mehr betonen als das Spiel. Das spielerische Element besteht vielleicht in der Grundannahme, dass die Identitäten durch Wiederholungen und durch Performativität eingeübt werden. Wenn ich sie richtig verstehe, ist einer ihrer Ansätze – sie fragt sich auch, was können wir konkret, politisch ändern –, dass man in diese alltäglichen Wiederholungen immer wieder eine kleine Veränderung einbaut und durch diese kleinen Veränderungen – nach dem Motto: »steter Tropfen höhlt den Stein« –, diese Wiederholung mit einer kleinen Differenz, dann vielleicht auch die Norm nach und nach verändern kann. Ein wichtiger Begriff für sie ist ja auch derjenige der ›Intelligibilität‹. Gemeint ist damit die Art und Weise, wie man etwas wahrnehmen, erkennen und verstehen kann. Die Paradoxie besteht ja darin, dass man immer nur das verstehen kann, wofür man auch Begriffe hat. Man erkennt nur das, wofür man eine bestimmte Sprache hat. Die Hoffnung ist vielleicht die, dass es durch eine Veränderung im Sprechen, im Tun und auch in den institutionellen Praktiken möglich wird, Stück um Stück die Norm und damit auch die Wahrnehmung zu ändern. Das heißt, anderes denkbar zu machen, was heute vielleicht noch nicht so denkbar ist.

[...] Wenn wir uns tatsächlich auf eine allgemeinere Perspektive einlassen, ist es natürlich richtig, dass das Prinzip des Patriarchats, in dem wir uns immer noch befinden, den Mann vor der Frau privilegiert. Misogynie und Homophobie sind zwei Seiten einer Medaille. Man kann die Homophobie aus der Misogynie ableiten.

[...] Es mag ja sein, dass es vielleicht ein Luxusproblem ist, Tristan und Isolde zu untersuchen, was ich allerdings nicht bestätigen möchte. Aber man kann ja auch einmal danach fragen, wie es mit der Einwanderungspolitik aussieht, mit Asylverfahren, mit Schulpolitik, mit dem, was auf den Schulhöfen geschieht, mit dem, was in den Amtsstuben geschieht, wo Asylbewerber, die sexuell verfolgt werden, sich vorstellen und um Aufnahme bitten. Wenn diejenigen, die dort wichtige Funktionen übernehmen – also die Lehrer, die Schuldirektoren, die entsprechenden Beamten, die Politiker –, wenn die voreingenommen sind, wenn sie Berührungsängste haben, wenn sie Schwierigkeiten haben, mit dem Thema Sexualität umzugehen, weil sie persönlich verwickelt werden... Deshalb brauchen wir ein hohes Reflexionsniveau, einen nüchternen Blick – und diesen nüchternen Blick können wir dadurch gewinnen, dass wir die Queer Studies als Perspektive ernst nehmen.

...


Aus: "»Die Heteronormativität aufbrechen. Anderes denkbar machen.«" - Ein Interview mit Professor Dr. Andreas Kraß zum Thema »Queer Studies« - Ansgar Skoda (10. Juli 2006)
Das Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Kraß wurde für Radio Bonn/Rhein-Sieg aufgezeichnet und am 11. Juni 2006 im Rahmen der Bürgerfunksendung »Bunte Welle« ausgestrahlt.
Quelle: http://kritische-ausgabe.de/index.php/archiv/716/1/ (http://kritische-ausgabe.de/index.php/archiv/716/1/)
Title: [dass sie vor allem männliche Phantasien ansprechen... (Notiz)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 26, 2008, 01:20:53 PM
Quote[...] Harry S. Morgan (* 29. August 1945 in Essen; eigentlich Michael Schey) ist ein deutscher Regisseur, Produzent unter anderem von Pornofilmen und Journalist.

[...] Morgan studierte Fotografie an der Folkwang-Hochschule in Essen bei Professor Otto Steinert und ist Mitbegründer der Gruppe ,,Visum". 1991 führte er Regie bei dem Kriminalfilm Pommes Rot-Weiß mit Michael Lesch. Seit etwa 1988 ist er als Regisseur und Produzent von Pornofilmen bekannt. Morgan zeigt in seinen Filmen oft extreme Sexpraktiken wie Doppelpenetrationen, Fisting und Urination-Szenen und tritt dabei regelmäßig selbst als Darsteller – wenn auch nicht in sexuellen Situationen – auf.

Morgan arbeitet für die Firma Videorama und wurde hauptsächlich durch die Filme mit Gina Wild und Vivian Schmitt bekannt. Neben Gina Wild arbeitete er unter anderem auch mit Richard Langin und Henry van Damp zusammen. Bekannt wurde er durch seine diversen zum Teil sehr erfolgreichen Filmserien Gina Wild – Jetzt wird es schmutzig, Junge Debütantinnen, Maximum Perversum, Teeny Exzesse, Happy Video Privat, Joker, Anmacherinnen, Old Ladies Extreme, Extreme, Bizarre und Fetisch.

Auszeichnungen:

    * (1997) Venus Award: Bester Serien-Regisseur
    * (2001) Venus Award: Bester deutscher Regisseur
    * (2004) Venus Award: Bester deutscher Regisseur
    * (2007) Venus Award: Lebenswerk (wurde jedoch von H.S.Morgan wieder zurückgewiesen)



Aus: "Harry S. Morgan" (3. Mai 2008)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Harry_S._Morgan (http://de.wikipedia.org/wiki/Harry_S._Morgan)


-.-

Quote[...] Sitzen bei der katholischen Hochschulgruppe herum und hören Harry S. Morgan zu. Der Saal ist voll, die meisten sind wohl keine katholischen Hochschüler sondern aus demselben Grund wie wir da, mal wieder was Bizarres erleben und wenn es sonst nichts gibt, dann eben einen Porno-Regisseur, der vor einer katholischen Gemeinde einen Vortrag hält.

Eigentlich soll es ja um Globalisierung in der Pornoindustrie gehen, Harry S. Morgan oder auch Michael Schey, wie auch immer, erzählt aber mehr von seiner Arbeit und aus seinem Leben. Das ist spannend und witzig und deswegen beschwert sich auch niemand, nur der Pfarrer versucht gelegentlich, wieder zurück zum Thema zu finden.

Irgendwann geht es um den Frauenanteil bei Pornokonsumenten, bei Morgans/Scheys Produktionen ist es angeblich fast die Hälfte, die von Frauen oder Paaren gesehen wird.

In der letzten Reihe meldet sich ein blasser, unauffällig und sehr konservativ anmutender Mitzwanziger. Er kann sich nicht vorstellen, dass wirklich so viele Frauen Pornos gucken. Die Begleitung und ich, wir grinsen hämisch. Armer katholischer Gutmensch. Der Blasse fährt fort und erklärt, dass ja die meisten Praktiken so sind, dass sie vor allem männliche Phantasien ansprechen. Plötzlich erklingt das Wort "Gesichtsbesamung". Aus seinem Mund. Wir sind entsetzt. Er wird nicht einmal rot. Ich möchte einen Exorzisten, schnell.




Aus: "..." (wondergirl | 21. Mai 08 | Topic Erlebt | 1 Kommentar )
Quelle: http://wgirl.blogger.de/stories/1131203/ (http://wgirl.blogger.de/stories/1131203/)

Title: [Sprich sie an, fick sie und werd sie los... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 05, 2008, 11:36:37 AM
QuoteGlaubst du, dass sich auch die Jungs geändert haben?
Das ist schwieriger, weil es nicht so offensichtlich ist. Auf der einen Seite wird es immer diesen Typus des Alphamännchens geben: Männer wollen irgendwie die Stärksten sein, das Ende der Nahrungskette sozusagen. Gleichzeitig sind viele Jungs heute viel sensibler. Ich selbst zum Beispiel bin aufgewachsen in einer Gruppe mit vielen sensiblen Jungs und bin selbst so. Wir haben ein modernes Bild von Männlichkeit.

Und gleichzeitig musst du dir vermutlich von Gleichaltrigen anhören, dass du dir die Haare schneiden lassen musst, oder nicht?
[...] Es gibt bestimmt zwei Gruppen von Jungs und von der einen Gruppe musst du dir anhören, dass Gefühle weiblich sind. Und das ist doch merkwürdig: Auch diese Rugbyspieler-Typen mögen die Beatles, aber sie mögen Jungs nicht, die so aussehen wie Paul und John. Gleichzeitig bemerke ich manchmal selbst, dass es auch bei meinen Freunden und mir so ist, dass wir dieses natürliche Bedürfnis haben, uns männlich zu geben. Aber die Haltung ist eine andere. Kürzlich habe ich im Bus zwei Jungs zugehört, die über ein Mädchen sprachen. Der eine sagte: ,,Sprich sie an, fick sie und werd sie los." Ich dachte nur: Super Spruch, Mann.

[...] Gibt es in der englischen Kultur eine Tradition von aufgeklärten Männern? Etwa das Wort ,,gentleman" – gleichzeitig sanftmütig und männlich.

Ja, dieses Wort ist wirklich interessant. Ich glaube schon, dass wir früher bessere natürliche Werte hatten und deshalb mehr Respekt voreinander. ,,Gentleman" – das ist, was wir sein sollten.



Aus: ""Früher waren die Bösen wie Liam Gallagher. Heute sind sie wie Amy Winehouse."" - Aus einem Interview mit Richard Milward. Richard Milward, 22, studiert Kunst am Central St. Martins College in London und ist Kolumnist für Dazed&Confused. Mit "Apples" legt er jetzt seinen ersten Roman vor...
/ Text: hannes-kerber  (04.06.2008)
Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/435152/TrkHomeMagTsr1 (http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/435152/TrkHomeMagTsr1)

Title: [An argument over the size of their penises... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2008, 04:53:35 PM
Quote[...] Three people were shot dead and two others are fighting for their lives after a remark about a patron's penis size escalated into a bloodbath at a tavern in Umbilo, Durban, on Wednesday night.

Horrified customers ducked for cover as gunmen opened fire at the Merseyside Pub and Tavern on Hillier Road.

Five men, including two police officers, were arrested at 4am on Thursday.

Police said Nick Jansen van Rensburg, 57, and Rory Menzes, 40, were both shot in the chest and Shawn Strydom, 33, was shot in the head. All three men died at the scene. Two men were wounded and were rushed to a local hospital.

A police source said the two groups of men had been inside the tavern watching the World Cup qualifying game between England and Croatia last night.

"At some stage, one man from each group went into the tavern's toilets and there was an argument over the size of their penises."

When the men returned to their friends the argument escalated.


"At some stage some of the men went outside and there was a scuffle. One group returned to the tavern to watch the game and the other group remained outside," the source said.

"The men then went to their cars, opened their boots and returned to the tavern where they opened fire on the five men."

He said the shooters then casually exited the tavern, jumped into their vehicles and left.

Police spokesperson Inspector Michael Read said the altercation started at 9pm. He said that after an argument in the car park one group had returned to the pub, leaving the other group in the carpark.

Read said the men then entered and in a "precision style" picked out the five men they had had the argument with.

"The station commissioner of the Umbilo police station then formed a task team and by 4am four men had been arrested," Read said.

A witness to the shooting, Michelle Andrew, who works at the tavern, said she suspected there would be a fight when a group of men approached the other in a dispute over the size of their penises.

"Things turned nasty very quickly and they decided to have a fight outside," said Michelle Andrew. "I decided to herd regular customers to the back of the bar when one group of men, who were regulars at the pub, walked back in."

Andrew said she was standing at the front of the tavern when she saw the other group of men approach with guns drawn.

"I was trying to get patrons inside and to close the door but they were big, strong guys and they just barged in. One of the guys who was killed actually pulled me out for the way," she said, the events of last night's horror only just sinking in.

"One of the patrons had been coming here for twelve years. I can't explain what it was like to sit on a bloody floor and comfort people you've known for a long time as they are dying," she said.

Andrew's husband, Louis, was one of those injured, the bullet grazing the back of his head.



From: "Penis size argument turns bloody" by Kuben Chetty (September 11 2008)
Source: http://www.int.iol.co.za/index.php?set_id=1&click_id=13&art_id=vn20080911111707939C544430 (http://www.int.iol.co.za/index.php?set_id=1&click_id=13&art_id=vn20080911111707939C544430)

Title: [Die Klappe aufmachen und Auskunft geben über den Kern ihres Mannseins... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 02, 2009, 01:29:35 PM
Quote[...] 02. März 2009 Während alle Welt rätselt, was die Finanzkrise noch bringt, ist das größte Geheimnis schon gelüftet: Viele Manager sind nicht nur Versager, sie sind Schlappschwänze. Und weit davon entfernt, so viril zu sein, wie sie sich gerne präsentieren. Damit haben sie nicht nur Banken und Aktiendepots ruiniert, sondern auch noch ihre Geschlechtsgenossen desavouiert. Wer nun meint, die miese Performance der Jungs möge für die Wirtschaft relevant sein, nicht aber für uns Männer, der übersieht, dass die Geschäftswelt männlich dominiert ist; ihre Hauptdarsteller sind role models, und ihr Schicksal ist relevant für das Selbstverständnis aller Männer.

Es war der 13. Februar 2008, als sich das Schicksal der Manager zu wenden begann. Damals erschien einer jener Artikel, in denen Konzernchefs gerne schreiben, Führungskräfte seien "Vorbilder" und ihr Führungsstil der "wahre Schlüssel zum Erfolg". Die Leitlinien des idealen Führungsstils entwickelte der Autor, wenig überraschend, entlang klassischer Männertugenden wie Durchsetzungsfähigkeit, Mut und Leistungsbereitschaft. Das gelte besonders in Krisenzeiten. Zum vielbeachteten Dokument männlicher Hybris wurde der Text erst, als exakt einen Tag nach dessen Erscheinen das Privathaus und das Büro des Autors durchsucht wurden - und zwar wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung von mehr als einer Million Euro.

Heute ist Klaus Zumwinkel, der Autor des Artikels, ein rechtskräftig verurteilter Straftäter. Anstatt aber am Ende seiner vorbildlich in die Luft gejagten Karriere wenigstens einen mannhaften Abgang hinzulegen, jammerte er nach der Verkündung des Urteils, als Promi werde man anders behandelt als ein Normaler; deshalb habe auch sein Vertrauen in den Rechtsstaat gelitten. Was für eine wehleidige Memme! Nutzt den Promi-Status, solange er etwas davon hat, und beklagt sich, kaum lernt er dessen Kehrseite kennen. Sollte Herr Zumwinkel Trost brauchen, so kann der nur darin bestehen, dass er sich in der Gesellschaft vieler anderer von Seinesgleichen befindet.

[...] Der Chef der deutschen Bahn wiederum, Hartmut Mehdorn, gibt seit langem den stahlkinnigen Manager, dem kein Konflikt zu scharf sein kann. Doch was macht er jetzt, da es darauf ankäme, die Sache mit den ausspionierten Mitarbeitern zu managen? Übernimmt er da Verantwortung? Im Gegenteil! Er windet sich und behauptet, er habe von alledem nichts gewusst. Einziger Zweck seiner Performance: seinen Job zu retten, koste es, was es wolle.

Und schließlich wären da noch die miesen Typen von der Londoner Beteiligungsgesellschaft Kingsbridge: Kaufen die Lieblingsfirma einer anderen Sorte von Mann, nämlich Märklin, gehen hin, veranlassen Märklin, mit Leuten der eigenen Beteiligungsgesellschaft sinnlose Beraterverträge in der Höhe der Märklin-Jahresverluste abzuschließen, treiben das Ex-Familienunternehmen in den Konkurs, um schließlich zu versuchen, jene Firmenteile, die sie vorsätzlich schuldenfrei gehalten haben, aus der Konkursmassen zu kaufen.

Memmen also, wohin wir schauen. Unfähige, heimtückische und verantwortungslose Männer, deren PR-Abteilungen eben die Angebote geschäftstüchtiger Beratungsagenturen sichten, wie man die "Corporate Reputation" wieder aufmöbeln könnte, also das angeblich von Journalisten ruinierte Ansehen dieser Typen und ihrer Unternehmen. Wir wüssten Rat; er kostet exakt den Gegenwert dieser Zeitungsausgabe: Stellen Sie sich hin wie ein echter Kerl und sagen Sie: "Ich übernehme meinen Teil der Verantwortung dafür, dass unsere Wirtschaft baden geht - immerhin habe ich dafür viele Jahre lang sehr gut verdient!"

Aber wo sind sie nur, die Männer, die den Mumm dazu haben? Irgendeiner da? ...


Dass diese Männer genau in jenem Moment versagen, in dem es besonders auf sie ankäme, lässt zwei Schlüsse zu. Der eine lautet: Wir haben die Definition von Männlichkeit den Falschen überlassen. Nämlich Männern, die bloß so lange standhaft, klar, aggressiv, kräftig und verlässlich sein können, wie sie erfolgreich sind und es um ihre Binnenkämpfe geht - also darum, andere Männer zu überflügeln und Frauen von den Machtpositionen fernzuhalten. Sobald es aber um die Substanz geht, darum, souverän mit dem Scheitern der eigenen Welt, der Krise der eigenen männlichen Grundprinzipien umzugehen, versagen sie. Ihre Härte, ihre Klarheit, ihre Aggressivität galten und gelten immer nur den anderen - nie der eigenen Person!

Wer sich dieses unglaubliche Schauspiel ansehen will, braucht auf Youtube nur "Gernot Schieszler" einzugeben. Dann kann er in einem Amateurvideo dem Vize-Ceo der Festnetzsparte der Telekom Austria dabei zusehen und -hören, wie er in einem Micky-Maus-Englisch sein Mobbing-Geheimnis erklärt: Man werde die unkündbaren, nicht mehr benötigten Leute nach Hause schicken, sie in Sicherheit wiegen; und wenn sie sich krank meldeten, ihnen den Doktor auf den Hals hetzen; schon sei man sie los. Die Folgen für den fröhlichen Menschenverächter? Man hat ihm die Zuständigkeit für Personalangelegenheiten entzogen.

Die Psyche der Manager ist offensichtlich von einer beinahe krankhaften Verletzlichkeit, die es daher auch mit aller Inkompetenz zu verteidigen gilt. Hier das bizarrste Beispiel: Anstatt sich auf Nimmerwiedersehen zu verabschieden, verklagten die drei Ex-Vorstände der Hypo Real Estate (HRE) ihren Ex-Arbeitgeber auf Entschädigung; jene Leute also, die deshalb gefeuert worden waren, weil sie die HRE zerschrottet hatten, bis die nur mehr durch den Zuschuss von gigantischen 102 Milliarden Euro zu retten war (bezahlt übrigens von uns Steuerzahlern und von den Banken). Doch damit nicht genug: Wenn die Ex-Chefs wenigstens Manns genug gewesen wären, richtige Millionen zu verlangen! Zu feig! Zu kleinkrämerisch. So fordert ein gewisser Frank Lamby, ironischerweise der Ex- "Chief Risk Officer" der HRE, exakt 37 500 Euro. Stichwort: "Versorgungsansprüche". 37 500 Euro!

Was uns zu der zweiten Lehre führt, die uns die aktuelle Situation beschert: Eine Wirtschaft, die auf der Basis dieses männlichen Selbstverständnisses steht, bleibt eine höchst wackelige Veranstaltung. Sie reflektiert nämlich nur die Welt da draußen, deren Gefahren und deren Möglichkeiten, sich die Taschen voll zu machen - nicht aber die Innenwelt, das moralische Fundament ihrer Konstrukteure.

Diese Innenwelt bleibt in der Debatte um die Krise vollkommen ausgespart. Dabei ist es überfällig, dass die Versager damit aufhören, Prozesse um Peanuts zu führen. Vielmehr müssten sie endlich den Mut aufbringen, sich mit ihren kaputten Egos zu befassen, mit ihren halbseidenen Konstrukten von Männlichkeit, mit den verheerenden Folgen ihrer Weltaneignungsstrategien - und zwar ebenso öffentlich, wie sie sich zuvor für die strahlenden Seiten ihres Egos und Männlichkeitsbildes haben abfeiern lassen. Das wäre ein Beweis für echte Leadership!

Ein allererster Schritt müsste also darin bestehen, ein paar dieser Männer zum Sprechen zu bringen, sie einigermaßen präzise Auskunft geben zu lassen. Über ihre Allmachtsphantasien, ihre Angst vor dem Versagen, ihr klägliches und/oder mondänes Leben, ihre Traurigkeit, ihre Ohnmachtsgefühle, ihre Gier, ihr Verständnis von Verantwortung, Mut, Pflichtbewusstsein, Anstand, Emanzipation und Selbstkritik. Mit einem Wort: Sie müssen endlich die Klappe aufmachen und Auskunft geben über den Kern ihres Mannseins.

...



Aus: "Männerbilder in der Krise: Stellt euch, ihr Memmen!" Christian Ankowitsch (02. März 2009)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E01CDF46F5AC24283BDF5A44C52C0BD9D~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E01CDF46F5AC24283BDF5A44C52C0BD9D~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

QuoteMut und Verantwortung
Bertram von Steuben (Elim_Garak)

.... James Garner sagt in der deutschen Fassung des Filmes 'Der Tank': "Wer Scheiße baut, muss auch an der Kette ziehen"! That's it - und Ende!


QuoteBravo
Ulrich Foraita (Foraita)

Ich glaube nicht, dass es sich hier um einen Konflikt zwischen den Geschlechtern handelt. Ich glaube allerdings, dass die Wirtschaft traurigerweise Strebern ihr Vertrauen schenkt, die ein echter Mann oder besser Kerl schon vor 30 Jahren in der Berufschule aus reinem Instinkt verprügelt hätte. Es sind diejenigen, mit denen in der Grundschule schon keiner spielen wollte, die jedoch heute auf dem Klavier der Macht musizieren dürfen. Und dies auch tun.


QuoteMänner und Frauen
Anja Müller (anna08)

nach meiner eigenen Beobachtung neigen Männer eher als Frauen dazu, zu blenden und mit einem überhöhten Selbstbewusstsein Aufgaben anzupacken, denen sie nicht gewachsen sind. Anders die Frauen, die leider dazu neigen, überhaupt nicht anzupacken. ...


QuoteDeswegen...
kristian kroflin (kroflin)

ist Herr Christian Ankowitsch auch nur Journalist, beobachtet andere und "berichtet" über sie, statt mal selbst etwas in die Hand zu nehmen - schliesslich tun das andere, deren Produkte und Dienstleistungen er nutzt, während seine Intrigen und Anschuldigungen niemandem etwas nutzen, sondern diese Provokation vielmehr noch ablenken soll, damit die, die im Gegensatz zu Herrn Ankowitsch etwas können, das anderen nutzt, davon abgehalten werden. Es wäre lustig, wie sich die Voraussagen und Urteile des Herr Ankowitsch im naturwissenschaftlich-technischen Bereich als magischer Realismus entpuppen würden.


...
Title: [Der Volksglaube scheint erstaunlich zu wirken... (Testosteron)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 09, 2009, 12:32:28 PM
Quote[...] In der Studie erhielten 121 Freiwillige entweder Testosteron oder ein Scheinpräparat. Anschließend sollten sie in einem Spiel Angebote machen, wie ein Geldbetrag verteilt würde. Je fairer die Offerte, desto eher wurde sie angenommen. Einigten sich beide Seiten nicht, bekam keiner etwas. Das Ergebnis verwunderte die Wissenschaftler, denn Teilnehmer mit künstlich erhöhtem Testosteron machten die faireren Angebote. "Nach gängiger Meinung wäre zu erwarten, dass Versuchspersonen mit Testosteron eine aggressive, selbstbezogene und riskante Strategie wählen - ungeachtet möglicher negativer Auswirkungen auf den Verhandlungsprozess", sagt Christoph Eisenegger, Erstautor der Studie.

Aus früheren Studien ist bekannt, dass männliche Tiere weniger streitlustig sind, wenn durch eine Kastration ihr Testosteronspiegel gesenkt wird. Daraus leitete sich das populäre Vorurteil ab, dass Testosteron nicht nur Sprinter schneller, sondern alle Menschen egoistisch und aggressiv machen würde. "Uns interessierte die Frage, was ist Wahrheit, was Mythos?", sagt Eisenegger.

Der Volksglaube scheint erstaunlich zu wirken, denn Probanden, die glaubten, Testosteron zu erhalten, verhielten sich durchweg unfairer - egal ob sie Hormone bekamen oder nicht. "Es scheint, dass nicht das Testosteron selbst zu Aggressivität verleitet, sondern der Mythos rund um das Hormon. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Eigenschaften und Verhaltensweisen auf biologische Ursachen zurückgeführt und teils damit legitimiert werden, muss dies hellhörig machen", sagt der britische Ökonom Michael Naef.

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09.12.2009 11:08:07

UweStucken: Irgendwas an der Studie ist verdächtig

Es muss ja Gründe geben, warum FrauInnen edel, hilfreich, gut, fleißig, selbstlos, ehrlich, kontaktfreudig und verantwortungsbewusst, Männer jedocoh dumm, faul, egoistisch, verlogen, egomanisch und in jeder Hinsicht nutzlos sind.

Man kann doch hinsehen wo man will, überall das gleich Bild. Frauen rackern und schuften, die bringen was zustande. Männer jedoch tun nichts und leben von dem, was die Powerfrauen schaffen.

Also, wenn es nicht um Testosteron liegt, was ist dann der Grund für die Überlegenheit der weiblichen Herrenrasse über das männliche Untermenschentum?


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09.12.2009 11:02:42

sajoh: Seltsam

Vor zwei Jahren hab ich in der Uni bereits eben dies zu hören bekommen: nicht das Testosteron an sich macht aggressiv, risikofreudig, etc., sondern es ist das Zusammenspiel mit soziokulturellen Einflüssen. Das wurde u. a. im Zuge der Forschung über Mädchen-/Frauengewalt klar, wo der Testosteronspiegel um ein Vielfaches niedriger liegt.

Es war nie eindeutig wissenschaftlich erwiesen, dass Hormone selbst das Verhalten beeinflussen, leider gibt es seit Jahren die Mode, möglichst alles nur auf Gene und Hormone zurückzuführen (man siehe z. B. Gerhard Roth mit seiner These/Forschung bezüglich genetische Veranlagung zu Kriminalität). Der momentane Stand des Diskurses ist aber, dass etwa 20-30% dem biologischen Faktor zuzurechnen sind, der Rest dem soziokulturellen, beides mit reziproker Wirkung , d.h. ein Mehr an bestimmten Hormonen macht (bereits vorgeburtlich) sensibler für bestimmte äußere Einflüsse und diese wiederum wirken auf die weitere Produktion der Stoffe ein.

Na, vielleicht schaut's in 20 Jahren ja wieder ganz anders aus - jenachdem, was für ein Trend gerade vorherrscht.


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09.12.2009 09:21:51

Harpagonos: *schnüff*

Ich kann die Gender-Mainstreamer-Grundlage dieser "Studie" bis hierher riechen... schade, dass hier keine Details dazu vorhanden sind.


Quote09.12.2009  10:12:54

hschwager: Testosteron

Irreführender kann man einen Artikel nicht schreiben.

Die Probanden waren allesamt weiblich!

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Aus: "Hormone: Freispruch für Testosteron" Von Werner Bartens (09.12.2009)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/681/496991/text/ (http://www.sueddeutsche.de/wissen/681/496991/text/)

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Quote[...] In ihrer Untersuchung nahmen rund 120 weibliche Versuchspersonen am sogenannten Ultimatum-Spiel teil. Dabei macht eine Person A einer Person B jeweils ein Angebot zur Aufteilung eines realen Geldbetrags. Die Person B kann ihn akzeptieren, dann dürfen beide ihren Anteil behalten, wenn sie aber ablehnt ist das Geld für beide verloren. Je fairer der Vorschlag, desto wahrscheinlicher ist es, dass B akzeptiert. So haben beide ein Interesse an einem fairen Angebot.

Vor dem Spiel erhielten die Versuchspersonen entweder eine Dosis Testosteron oder ein Scheinpräparat verabreicht.

[...] Die Studie zeigte zudem, dass der Volksglaube, Testosteron mache aggressiv, offenbar tief sitzt: Die Forscher fragten nämlich die Probandinnen auch, ob sie annahmen, eher Testosteron oder ein Scheinpräparat erhalten zu haben. Jene, die glaubten, Testosteron bekommen zu haben, fielen durch äusserst unfaire Angebote auf.

Laut den Forschern benutzten diese Personen möglicherweise den Volksglauben als Legitimation, um sich unfair zu verhalten. «Es scheint, dass nicht Testosteron selbst zu Aggressivität verleitet, sondern vielmehr der Mythos rund um das Hormon», wird Michael Naef im Communiqué zitiert.

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Aus: "Testosteron macht möglicherweise nicht aggressiv" (8. Dezember 2009)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/testosteron_aggressiv_ulitmatum_1.4135523.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/testosteron_aggressiv_ulitmatum_1.4135523.html)

Title: [Armee als Institution des Patriarchats... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 13, 2010, 11:02:08 AM
Quote[...] ZEIT ONLINE: Herr Jungnitz, die Bundeswehr macht gerade Schlagzeilen mit einem Skandal: Angehende Gebirgsjäger mussten rohe Leber verzehren und bis zum Erbrechen Alkohol trinken. Das ist nicht der erste Skandal dieser Art in der Bundeswehr. Was begünstigt solche Misshandlungen?

Ludger Jungnitz: Man hat festgestellt, dass in sehr ungleichen Machtverhältnissen Gewalt gedeiht. In hierarchischen Zusammenhängen, die auf Unterordnung und Macht beruhen, fällt es außerdem schwer, sich gegen die Misshandlungen zu wehren. Das heißt, wo Gewalt möglich ist, findet sie auch statt. ... In unserer Studie "Gewalt gegen Männer" hat sich gezeigt, dass Gewaltakte in der Wehrdienstzeit von vielen Männern als selbstverständlich angesehen werden. Die Gewalterfahrungen, die über dieses als selbstverständlich angenommene Maß hinausgingen, waren viel häufiger als im weiteren Erwachsenenleben.

ZEIT ONLINE: Innerhalb der Bundeswehr gibt es offizielle Wege, Beschwerde einzureichen. Warum wehren sich die Soldaten gegen demütigende Rituale nicht oder erst so spät?

Jungnitz: Es handelt sich dabei um Initiationsriten. Es geht darum, dazuzugehören, in eine Gemeinschaft eingeführt zu werden. Sobald ich mich wehre, bin ich ein Außenseiter. Der Soziologe Michael Meuser spricht von den "ernsten Spielen der Männlichkeit". Durch sie wird eine Ordnung in der Gruppe hergestellt. Es fühlt sich besser an, unten in der Hierarchie zu stehen als gar nicht zur Gruppe zu gehören. Die Demütigungen ausgehalten zu haben, ist die Eintrittskarte in die Gruppe. Schließlich ist für manche die Aussicht, danach selbst andere demütigen zu dürfen auch ein Gewinn. Ein wichtiger Bestandteil der männlichen Sozialisation und damit dieser Riten ist es, die Machtausübung über Frauen und andere Männer als Gewinn anzusehen.

ZEIT ONLINE: Also Ist Gewalt und Dominanz auch in unserer modernen, relativ emanzipierten Welt immer noch ein Zeichen von Männlichkeit?

Jungnitz: Ja. Körperlich stark und autonom zu sein, gilt als männlich. Die Scham der Männer als unmännlich zu gelten, sitzt sehr tief. Dabei stellt sich schnell das Gefühl ein: Ich habe keine Existenzberechtigung, wenn ich den männlichen Idealen nicht entspreche. Deshalb muss der Mann andere Eigenschaften abwehren, von sich abspalten. Die Scham ist auch ein Grund, nicht um Hilfe zu bitten, weil man damit eingestehen würde, zum Opfer geworden zu sein. Diese Männlichkeitsvorstellungen unserer  Gesellschaft sind hochproblematisch.


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Quote* 17.02.2010 um 11:29 Uhr
    * Frank2008

4. Die liebe Männlichkeit und das Dazugehörigkeitsgefühl

Initiationsrituale gibt es überall, sogar an Hochschulen, insbesondere den alten mit Tradtion und dort wird auch gesoffen. Manchmal sind die Rituale feierlich und staatstragend, manchmal eher lustig und schräg, ab und an aber auch brutal mit einem Hauch Ungesetzlichkeit. ...


Quote* 17.02.2010 um 21:40 Uhr
    * ddkddk

15. Wen wundert es?

Es handelt sich um Menschen, die darauf dressiert werden, andere im Ernstfall zu töten, auch wenn dies natürlich gerechtfertigt werden kann. Eine solche Dressur gelingt nur, wenn man an gewisse niedrige Instinkte anknüpft. ... Es ist einfach nicht möglich, massenweise Killer zu züchten und gleichzeitig große ethische und moralische Anforderungen zu stellen.


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Aus: "Initiationsriten in der Bundeswehr - Die gemeinen Spiele der Männer"
Von Parvin Sadigh  (17.2.2010)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-02/bundeswehr-maennerrituale (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-02/bundeswehr-maennerrituale)


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Quote[...] Positionieren sich die Soldatinnen in den allgemeinen Diskursen um Männlichkeit
und Weiblichkeit im Militär je nach Kontext auf der einen oder der anderen Seite
und inszenieren in der Mehrzahl der Fälle militärische Männlichkeit, gestalten sich
diese Positionierungsprozesse im Einsatz anders. In der Konfrontation mit den
Genderverhältnissen der lokalen Kultur und entsprechenden Ausbildungseinheiten
und Verhaltensvorschriften kommt es zu einer tendenziellen Retraditionalisierung
der Genderordnung, die von den Soldaten forciert und von den Soldatinnen unterstützt
wird. Es kommt zu einer Polarisierung des Geschlechterdualismus, der sich bereits in der
Genderordnung im Allgemeinen zeigt, im Einsatz allerdings noch einmal besonders relevant
wird. Soldatinnen werden im Einsatz im Kontakt mit der Zivilbevölkerung als zusätzliches
Sicherheitsrisiko konstruiert und müssen daher zusätzlich geschützt werden. Die Soldatin
schwebt als ,,schwache Frau" immer in der potenziellen Gefahr der Vergewaltigung durch
islamische (!) Männer. Sie muss daher vor den ,,anderen", den afghanischen/islamischen,
Männern abgesichert werden. Anspruch auf diesen Schutz hat sie allerdings nur, wenn sie ihre
Weiblichkeit und vor allem ihre potenzielle erotische Anziehungskraft versteckt und sich der
Männlichkeitsnorm unterwirft.

[...] In der Auswertung [von] Interviews konnte gezeigt werden,
wie Männlichkeit und Weiblichkeit auf verschiedenen Ebenen mit jeweils
unterschiedlichen sozialen Bezugssystemen und in verschiedenen sozialen Praktiken
ausgehandelt werden: Erstens auf der Ebene der formalen organisationalen Vorgaben,
zweitens in ihrer Auslegung durch Experten und Expertinnen der Bundeswehr und drittens in
der konkreten Interaktion zwischen Soldatinnen und Soldaten. Männlichkeit und Weiblichkeit
sind dabei als Ressourcen zu verstehen, um die permanent gerungen wird und die sich je nach
Kontext (z. B. Umgang mit Waffen, sportliche Leistungsfähigkeit, Sexualität oder Verhalten
im Einsatzland) unterschiedlich ausgestalten. Der männliche und der weibliche Körper
werden jeweils mitverhandelt und unterschiedlich mit Männlichkeits- und
Weiblichkeitsattributen versehen.

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Aus: "Genderkonstruktionen im Militär unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr"
Cordula Dittmer, Zentrum für Konfliktforschung - Philipps-Universität Marburg (2008)
Quelle: http://www.afk-web.de/DittmerGenderBundeswehr.pdf (http://www.afk-web.de/DittmerGenderBundeswehr.pdf)

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Quote[...] "Man ergibt sich", heißt der Eintritt ins Militär im Türkischen wörtlichen. Pinar Selek untersucht, wie Jungs in der Armee zu Männern gemacht werden.

[...] Selek behandelt die Armee als Institution des Patriarchats. Und als zentrale Etappe männlicher Sozialisation. "Die Vaterposition erreicht ein Mann dann, wenn er beschnitten wurde, Wehrdienst geleistet, heterosexuelle Erfahrungen gesammelt und Arbeit gefunden hat." Dann erst folge die Endstation: die Ehe.

Für ihr Buch hat sie Interviews mit 58 Männern ausgewertet, auf 50 bezieht sie sich in der deutschen Ausgabe. Der älteste ist Jahrgang 1919, der jüngste Jahrgang 1982; sie stammen aus allen Ecken des Landes, gehören unterschiedlichen Milieus an, repräsentieren das gesamte politische Spektrum und haben an verschiedenen Orten gedient. Was Selek aus deren Erzählungen subtrahiert, ist vor allem die Erfahrung von Maßregelung und Gewalt. Wenn man den Deckel ein klein wenig lüfte, heißt es im Resümee, offenbare sich der türkische Mann als "ramponiertes Wesen".

[...] Der Staat sei ein Art "Übervater". Das Recht, seine Kinder zu schlagen und zu lieben, das jedem Familienvater zugestanden werde, gelte erst recht für ihn. Dieses widersprüchliche Verhältnis spiegle sich in der Gesellschaft wider: "Man kann beobachten, dass dieselben Leute, die ihre Einberufung mit einem Fest feiern, erzählen, dass sie das Ganze schnell hinter sich bringen wollen."

[...] Für einen Moment scheint es, als wolle Selek zu einer jener Reden ansetzen, die oppositionelle Intellektuelle aus islamischen Ländern im Gespräch mit Westeuropäern gern halten; Reden, die im Parforceritt von der Hexenverbrennung über den Kolonialismus zu George W. Bush sputen, nur eine patriarchale Soße erkennen wollen und bei aller nachvollziehbaren Zurückweisung einer altväterlichen Selbstgerechtigkeit leicht in einen lächerlichen Relativismus abgleiten können. Doch dann fügt sie hinzu: "Es wäre absurd, die Aufklärung in Europa zu übersehen."

Sie habe bemerkt, dass hier einige Dinge anders diskutiert würden. ...

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Pinar Selek: "Zum Mann gehätschelt. Zum Mann gedrillt. Männliche Identitäten" (Orlanda Verlag)




Aus: "Studie zum Männerbild im türkischen Militär - Mit Absicht ramponiert" Von Deniz Yücel (13.04.2010)
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/mit-absicht-ramponiert/ (http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/mit-absicht-ramponiert/)

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Quote[...] Nach dem 2. Weltkrieg war die "militarisierte Männlichkeit" des Faschismus in Deutschland diskreditiert. Durch die Niederlage des Faschismus wurde die Institutionalisierung einer hegemonialen Männlichkeit, die gekennzeichnet war durch Irrationalität und persönliche Gewalt, unterbrochen. Sie war aber für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit auch nicht mehr funktional. Ähnliches gilt auch für die USA, wo nach dem Krieg eine Männlichkeit hegemonial wurde, die die Rolle des Mannes über Familie und Konsum definierte (der sogenannte "organizational man"). Andere Formen der Männlichkeit, die den Mann weder in Familie, noch in anonyme Büroberufe einordnen wollten und "Freiheit und Abenteuer" predigten, dienten teilweise als "Protestmännlichkeiten" oder wurden "homosexualisiert" und somit abgewertet.

[...] Die Angst vor dem Verlust der eigenen »Männlichkeit« kann trotz Ablehnung militärischer Umgangsformen und des Militärischen an sich "Wehrdienstbereitschaft" erzeugen. Das gilt vor allem für Formen proletarischer Männlichkeit mit ihrer starken Betonung physischer Leistung und körperlicher Kraft, die sich leicht militärisch nutzbar machen lassen. Gerade durch die Waffenausbildung im Militär wird "die im zivilen Leben »fremde«, nur symbolisch vorhandene Waffe ... für den heranwachsenden Mann ... greifbar. Die Waffe ist Begleiter in der Entwicklung vom Kind zum Manne. (...) Waffen werden zu Attributen der Macht in Konflikten mit anderen Personen. ..." Das "Konstrukt der Männlichkeit", das durch den Militärdienst geschaffen werden soll, konzentriert sich auf die Organisation aggressiver Impulse und aggressiven Verhaltens und gipfelt schließlich im Ideal des Kriegers.

[...] Für Deutschland läßt sich vielleicht die Hypothese aufstellen, daß spätestens nach dem Zusammenbruch der DDR ebenfalls ein Revival von auf Dominanz beruhenden Formen der Männlichkeit stattgefunden hat. Dazu paßt das Anwachsen des Rassismus und vor allem rassistischer – aber auch schwulenfeindlicher – Gewalt in den letzten Jahren. Die zunehmende Einsatzorientierung der Bundeswehr im Rahmen von "out-of-area" führt im Einklang damit dazu, daß die traditionelle Kämpferideologie wieder verstärkt benötigt wird, allerdings in abgewandelter Form und auch nicht als alleinige Männlichkeit. Während Hanne-Margret Birckenbach 1986 noch zu Recht einwenden konnte, daß die Bundeswehr nicht über eine eigene Kampftradition verfüge und die Gefahr eines Kriegseinsatzes gering sei – daß daher die "Zerstörung der zivilen Identität" in der Bundeswehr nicht so total sei wie z.B. bei den US-Soldaten in Vietnam, so ist fraglich, in wieweit dies für die neuen Elitetruppen der Bundeswehr, die Krisenreaktionskräfte bzw. das Kommando Spezialkräfte (KSK), noch gilt.

[...] Auch wenn in absehbarer Zeit mit einer Abschaffung der Wehrpflicht zu rechnen ist, so wird auch in Zukunft gerade der Wunsch, "zum wahren Mann zu werden", eine Triebkraft für Zeit- und Berufssoldaten sein. Umgekehrt führen aggressive Männlichkeiten auch allgemein-gesellschaftlich zu größerer Akzeptanz militärischer "Konfliktlösungen" und stehen damit einer grundsätzlichen Entmilitarisierung im Wege. Die Auflösung bestehender Vorstellungen von Männlichkeit (und Weiblichkeit), das Verständnis des "Spiels der sozialen Kräfte, in dem soziales Geschlecht eine wesentliche Rolle spielt" (Connell), ist daher für den Antimilitarismus unabdingbar.


[...] Wenn Militarismus und Männlichkeit nur zwei Seiten der gleichen Medaille sind, wie in diesem Beitrag behauptet, so kann ein Antimilitarismus, der sich selbst ernst nimmt, nur antipatriarchal sein, muß "den radikalen Bruch mit Männlichkeit" zu einem Kernbestandteil seiner theoretischen Analyse und politischen Praxis machen.

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Aus: "Militarismus und Männlichkeit" Von Andreas Speck (Datum ?)
Quelle: http://www.anarchismus.at/txt4/militarismus8.htm (http://www.anarchismus.at/txt4/militarismus8.htm)

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Quote[...] Warum Militär und Männlichkeit in der israelischen Gesellschaft verknüpft sind oder besser:
warum Wehrhaftigkeit ein zentrales Element des Männlichkeitsbildes ist, wirft Fragen auf. Hat
doch Israel bei der Staatsgründung die Wehrpflicht auch für Frauen festgeschrieben und ist damit
das einzige westlich orientierte Land, in dem (jüdische) Frauen der Wehrpflicht unterliegen.
Trotzdem haben sich die Geschlechterbilder, die Geschlechtersymbolik, die
Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft nicht geändert. Die Beschützer, die Verteidiger sind
männlich: die Gedenkstätten, in denen in jedem Kibbuz, jedem Ort und jeder Stadt der in
Uniform gestorbenen Soldaten und Soldatinnen gedacht wird, heissen Yad le'banim, zu deutsch
Haus der Söhne.

Der Militärdienst ist in Israel das Thema, das mit Erwachsenwerden verbunden ist. Aus
zahllosen Gesprächen oder Aufzeichnungen wird deutlich, daß die Reaktion der Eltern auf die
Geburt einer Tochter mit einer gewissen Erleichterung einhergeht, während den Eltern bei der
Geburt eines Sohnes bewußt ist, daß er in achtzehn Jahren beim Militär und vielleicht sogar in
einer Kampffunktion tätig sein wird. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß das Aufwachsen von
Jungen (weniger stark von Mädchen) in der israelischen Gesellschaft ,,von der Tatsache
bestimmt ist, daß sie von Geburt an dazu bestimmt sind, Soldaten zu sein" (Mazali 1993: 2).

[...] Im Militär wird ein Männlichkeitsbild konstruiert, dessen Schlüsselsymbol der Kämpfer ist (vgl.
Morgan 1994). Erreicht werden sollen Mut, Entschlossenheit, physische Fitness, Angriffslust,
Kampfgeist. Neben disziplinierenden Maßnahmen werden psychologische Kontrollen eingesetzt,
um als männlich erachtete Verhaltensweisen zu erreichen. Besonders lange Märsche sollen die
Rekruten unter Streßbedingungen setzen. Der männliche Körper steht in dem größten Teil der
Übungen und der Disziplinierungen im Mittelpunkt (Morgan 1994).
Die militärische Sozialisation – zumindest in westlichen Staaten - verstärkt jene Elemente eines
Männlichkeitsverständnisses, die auf einer (in unserer Kultur und Gesellschaft praktizierten)
Abwertung des Weiblichen beruhen. Frauen werden vor allem als Objekte gesehen: Teile der
Ausrüstung und ganze Waffensysteme werden mit weiblichen Namen versehen, Frauen
erscheinen vorwiegend in Zusammenhang mit sexuellen Phantasien. Männlichkeit wird mit
Gewalt und mit sexueller Dominanz verbunden. Offenbar besteht in der (meist) ausschließlich
männlichen Gemeinschaft das starke Verlangen, keine ,,Unklarheit" über die männliche (heterosexuelle)
Geschlechtsidentität aufkommen zu lassen (vgl. Arkin und Dobrofsky 1978: 162).
Militärische Zurichtung männlicher Soldaten arbeitet systematisch mit der
,,Verweiblichungsangst". Die Verweiblichungsangst führt zu der Tendenz, Frauen als schwache
Objekte zu phantasieren. Deshalb finden sich auch in der soldatischen Sprachstruktur
frauenverachtende und frauenfeindliche Ausdrücke. ,,Klassische" Beschimpfungen, die als
Erniedrigung gemeint sind, sind im amerikanischen Sprachkreis ,,Pussy" oder ,,Faggot"
(Slangausdruck für Homosexuelle). Astrid Albrecht-Heide führt eine Reihe von Beispielen aus
der Bundeswehr an: Frauen, die sich mit Soldaten einlassen, werden als ,,Matratze" bezeichnet
(daraus leiten sich je nach Kontext ,,Armeematratze", ,,Kompaniematratze", ,,Unterlage" ab);
Frauen werden als ,,MG" (für ,,mausbares Gerät"), als ,,Gemeinschaftsempfänger", als
,,jagdbares Wild" bezeichnet, um nur einige Ausdrücke zu nennen (1996: 46).
Robert Connell weist darauf hin, daß es mehrere Konstruktionen von Männlichkeit gibt, die in
einem hierarchischen Verhältnis zueinander, gleichwohl als Gegenstück zur untergeordneten
Weiblichkeit, stehen. Dabei kann die ,,hegemoniale Männlichkeit" (1995) als idealisiertes Bild
im Verhältnis zu untergeordneten und ,,marginalisierten" Männlichkeitsbildern verstanden werden.
In einer Studie über Offiziere in verschiedenen Bereichen der US-Navy zeigt Frank Barrett,
daß die Männer enorme Energien in Männlichkeitsdiskurse investieren, um subjektive
Unsicherheiten zu bewältigen, die aus unterschiedlichen hierarchischen Positionen der Männer
untereinander und aus der Anwesenheit von Soldatinnen in einigen Positionen resultieren. Die
Diskurse drehen sich um Risikobereitschaft, Disziplin, Technologie, Degradierungen, Ertragen
von Härten, Abwesenheit von Gefühlen, Zähigkeit und Durchhaltevermögen angesichts hoher

physischer Anforderungen (1996: 140). Je nach Arbeitsbereich unterscheiden sich die
Definitionen von Männlichkeit. In der Luftfahrt werden Männer als ,,Elite" im Vergleich zu
,,gewöhnlichen" Kriegsführungs- und Versorgungsoffizieren betrachtet, da sie verbunden mit
dem hochtechnisierten Fliegen Autonomie, Nervenkitzel und Ruhm vorweisen können. Die
Kriegsführungsoffiziere begreifen ihre Tätigkeiten als männlich, da sie härtere Bedingungen und
stärkeren Wettkampf als andere Offiziere hinnehmen müssen. Die Versorgungsoffiziere grenzen
sich von anderen als technische Spezialisten ab, denen eine erfolgreiche Geschäftskarriere
bevorsteht. Alle Definitionen beziehen sich, so Barrett, auf ein einziges Gegenstück:
Weiblichkeit. In den Augen der männlichen Offiziere sind Frauen emotional labil, weniger fähig,
physische Herausforderungen zu ertragen, und nicht in der Lage, harte Lebensbedingungen auf
einem Schiff in Kauf zu nehmen. Das heißt, Mann-Sein ist per definitionem Nicht-Frau-Sein.

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Aus: "Militär und Männlichkeit in Israel" Von Uta Klein
(1. Tagung AIM Gender - Klein: Militär und Männlichkeit in Israel, Datum ?)
Quelle: http://www.ruendal.de/aim/pdfs/Klein.pdf (http://www.ruendal.de/aim/pdfs/Klein.pdf)

Title: [Die Ehre das schlechthin Verletzliche... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 06, 2010, 09:26:41 AM
Quote[...] Können Sie uns kurz darlegen, worum es sich bei der "Ehre" überhaupt handelt?

Winfried Speitkamp: Ehre betrifft das Zusammenwirken von Selbstachtung und Achtung durch andere, von Stolz einerseits, Anerkennung oder Prestige andererseits, von - so sagte man früher - innerer Ehre und äußerer Ehre. Der Einzelne hat ein Selbstbild, das er vor seinen Bezugsgruppen, seiner Familie, seinem Stand, seinem Verein etc., verteidigen will. Wird das Selbstbild von außen in Frage gestellt, durch Kritik oder Beleidigung, sucht der Einzelne Kompensation zu erhalten: Er beharrt auf seinem Selbstbild, will es mit der Waffe oder vor Gericht verteidigen, jedenfalls will er nicht vor seinen Bezugsgruppen als derjenige dastehen, dem man die Ehre ungestraft abschneiden kann.

Winfried Speitkamp: Was der Einzelnen mit seiner Ehre jeweils meint, kann ganz unterschiedlich sein, und es unterscheidet sich auch im historischen Verlauf und in unterschiedlichen Gesellschaften. Aber ich kenne keine Gesellschaft, die ohne Ehrvorstellungen auskommt.

Sie zitieren in Ihrem Buch ausführlich die Bestimmungen des Philosophen G.W.F. Hegel zur subjektiven Ehre, die wir nun ebenfalls eingehend wiedergeben wollen, weil uns seine Ausführungen durchaus lohnend erscheinen:

In der Ehre betrifft die Verletzung nicht den sachlichen, realen Wert, Eigentum, Stand, Pflicht usf., sondern die Persönlichkeit als solche, und deren Vorstellung von sich selbst, den Wert, den das Subjekt sich für sich selbst zuschreibt. Dieser Wert ist auf der jetzigen Stufe ebenso unendlich, als das Subjekt sich unendlich ist. [...] Der Maßstab der Ehre geht also nicht auf das, was das Subjekt wirklich ist, sondern auf das, was in dieser Vorstellung ist. [...] Die Ehre kann nun den mannigfaltigsten Inhalt haben. [...] Der Mann von Ehre denkt daher bei allen Dingen immer zuerst an sich selbst; und nicht, ob etwas an und für sich recht sei oder nicht, ist die Frage, sondern, ob es ihm gemäß sei, ob es seiner Ehre gezieme, sich damit zu befassen oder davonzubleiben. Und so kann er auch wohl die schlechtesten Dinge tun und ein Mann von Ehre sein. [...] Im allgemeinen bleibt deshalb der Inhalt der Ehre, da er nur durch das Subjekt und nicht nach seiner ihm selbst immanenten Wesentlichkeit gilt, der Zufälligkeit preisgegeben. Indem nun die Ehre nicht nur ein Scheinen in mir selber ist, sondern auch in der Vorstellung und Anerkennung der anderen sein muß, welche wiederum ihrerseits die gleiche Anerkennung ihrer Ehre fordern dürfen, so ist die Ehre das schlechthin Verletzliche.

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Aus: ""Ehre ist eher die Hülse als der Inhalt"" Reinhard Jellen (06.12.2010)
Gespräch mit Winfried Speitkamp über den Begriff der Ehre und über Hegel, Ehrenmorde und albanische Blutrache
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33778/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33778/1.html)

Title: [Diese traditionellen Rollenvorstellungen geraten in Konflikt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2011, 11:58:30 AM
Ahmet Toprak (* 1970 in Kayseri, Türkei) ist ein deutscher Professor für Erziehungswissenschaften an der Fachhochschule Dortmund mit türkischer Herkunft. ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmet_Toprak (http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmet_Toprak)

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Quote[...] DIE ZEIT: Herr Toprak, wer hat es schwerer bei der Integration in Deutschland? Jungen oder Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund?

Ahmet Toprak: Alle Zahlen sprechen dafür, dass Jungs sich schwerer tun – Schulabschluss, Berufserfolg, Sprachniveau. Da liegen Jungs eindeutig hinter den Mädchen.

ZEIT: Aber die Jungen sollen doch die Starken sein, die Vorbilder, die Hüter der Mädchen?

Toprak: Das ist ja auch der Kern des Problems, dass an die Jungs so hohe Erwartungen gestellt werden, dass viele dabei nur auf der Strecke bleiben können. Sie sollen dominant sein, sie sollen die Familie führen und ernähren. Von Mädchen wird viel weniger erwartet. Man freut sich, wenn sie Erfolg haben, aber sie können immer noch die Rolle der Hausfrau und Mutter übernehmen.

ZEIT: Diese traditionellen Rollenvorstellungen geraten in Konflikt mit den Erwartungen, die die deutsche Gesellschaft an beide Geschlechter stellt?

Toprak: Türkische Jungs haben in ihren Familien sehr viel mehr Freiheiten als Mädchen. Ihnen wird eingeräumt, dass sie auch mal Fehler machen dürfen. Das Ansehen der Familie in der Öffentlichkeit hängt sehr viel mehr an den Mädchen. Die Brüder dürfen über die Stränge schlagen. Durch diese Einstellung wachsen die jungen Männer ohne Grenzen auf. Mädchen werden viel mehr reglementiert. Sie dürfen weniger in der Öffentlichkeit präsent sein, sie müssen pünktlich zuhauise sein. Das ist zwar kein angenehmes Leben, aber anders als die Jungen haben die Mädchen Grenzen. Jungen entwickeln so kein Problembewußtsein für ihr eigenes Verhalten. Es würde ihnen gut tun, wenn auch ihnen Grenzen gesetzt würden.

ZEIT: Aber die Jungen werden doch in der Regel ziemlich autoritär erzogen. Der Vater ist unantastbar als Bestimmer in der Familie. Warum gibt das keine Orientierung, keine Grenzsetzung?

Toprak: Es wird viel zu wenig erklärt. Man geht davon aus, dass der Junge durch Imitation des Vaters in seine Rolle hineinwächst. Manche schaffen das, aber diejenigen, die es nicht schaffen, werden dann verhaltensauffällig. Wenn die Eltern merken, dass etwas schiefläuft, wissen sie sich nicht anders zu helfen, als die Söhne zum Militärdienst zu schicken, damit dort ein richtiger Mann aus ihnen gemacht wird und sie Disziplin lernen. Wenn auch das nichts fruchtet, verheiratet man den Jungen, damit er lernt Verantwortung zu übernehmen. Und wenn auch das nicht funktioniert, hofft man dass er durchs Kinderkriegen zur Vernunft kommt und anständig wird. Aber man spricht mit dem Jungen nicht darüber, man geht davon aus, dass das ein naturwüchsiger Prozess ist.

ZEIT: Warum sprechen die Eltern nicht mehr mit den Jungen?

Toprak: Manche haben nicht die verbalen Fähigkeiten das zu tun, die meisten haben es selber so gelernt, und dann gibt es viele Tabus. Über manche intime Dinge mit seinen Eltern zu reden wäre eine Verletzung des Respekts, den man ihnen schuldet.

ZEIT: Wie wird einem türkischen Jungen Männlichkeit vermittelt?

Toprak: In den ersten Jahren sind die Söhne voll auf die Mutter orientiert. Sie begleitet ihn sehr innig, bis er im Grundschulalter von der Mutter abgelöst wird und sich auf sein eigenes Geschlecht, also auf den Vater orientieren soll. Mit der Beschneidung wird das symbolisch unterstrichen. Vorher konnte der Junge problemlos mit der Mutter ein Hamam besuchen. Nach der Beschneidung ist das nicht mehr gerne gesehen, der Sohn hat in dieser Frauenwelt nichts mehr zu suchen. Der Militärdienst ist für die Türken eine wichtige Stude der Mannwerdung. Es gibt keinen Ersatzdienst in der Türkei. Jeder muß da durch, der ein Mann sein will. Wenn ich in Kreisen traditioneller Einwanderer sage, dass ich weder den türkischen noch den deutschen Wehrdienst absolviert habe, gelte ich als schwacher Mann. Drittens und viertens gehört Heirat und Kinderkriegen zum Mannwerden. Erst dann wird das Wort eines Mannes in der Öffentlichkeit für voll genommen. Wer das nicht durchlaufen hat und etwa mit dreißig noch nicht verheiratet ist, gilt als Kind.

ZEIT: Welche Rolle spielt der Islam dabei?

Toprak: Sie wissen ja, dass Türken meist Sunniten oder Aleviten sind. Aleviten halten sich nicht an die Gebote des Islams, sie fasten nicht, pilgern nicht, gehen nicht in die Moschee, und die Frauen tragen in der Regel kein Kopftuch. Aber auch die alevitischen Männer sind beschnitten. Bei den Männlichkeitsvorstellungen ist Tradition und Religion schwer zu trennen. Es gibt religiöse Begründungen für die Beschneidung, aber in der Praxis ist das ein Männlichkeitsritual – weshalb es zum Beispiel auch wichtig ist, dass es ohne Narkose geschieht, denn der Schmerz gehört nach dieser Vorstellung zum Mannwerden dazu. Aleviten lehnen zwar die Geschlechtertrennung in den Moscheen ab, aber in den Männlichkeitsvorstellungen unterscheiden sie sich nicht sehr von den Sunniten.

ZEIT: Warum ist die türkische Männlichkeitsvorstellung eigentlich problematisch? Man könnte ja auch sagen: Da gibt es wenigstens noch klare Unterscheidungen.

Toprak: Aber sehen Sie: Dieses Konzept wird gelebt in einem Land, in dem es nicht zeitgemäß ist. Es kann nicht funktionieren, weil der soziale Rahmen fehlt, der es hält, auch durch soziale Kontrolle. Übrigens kollidiert es nicht nur hier mit der Wirklichkeit, sondern auch in türkischen Großstädten, wo ebenfalls die Kontrolle durch die peer group wegfällt.

ZEIT: Stützen die Frauen dieses Männlichkeitsbild? Ohne Mütter und Frauen kann es ja nicht aufrechterhalten werden.

Toprak: Die Mütter machen mit, sie haben ja auch einen enormen Einfluss auf die Söhne bis zu einem bestimmten Alter. Aber bei den jungen Frauen sieht es anders aus. Viele von denen finden die in Deutschland aufgewachsenen Jungs einfach nur blöd. Die mögen deren Macho-Art nicht. Umgekehrt können viele von den Männern mit den selbstbewußten Frauen nicht umgehen und suchen sich darum eine einfachere Braut in der Türkei. Man hat Schwierigkeiten, sich wechselseitig attraktiv zu finden und weicht auf das Herkunftsland aus.

ZEIT: Können diese Männer eine partnerschaftliche Ehe führen?

Toprak: Sie dürfen das nach außen projizierte Bild nicht mit der Realität zuhause verwechseln. Viele Frauen haben zuhause erheblich Anteil an Entscheidungen. Die Männer geben sehr viel mehr nach und schließen mehr Kompromisse, als sie nach außen zugeben können. Oft wird, was auf die Frau zurückgeht, dann vom Mann nach außen als seine Entscheidung dargestellt.

ZEIT: Wie sollen deutsche Lehrer mit der türkischen Männlichkeitskultur umgehen, die sie im Klassenraum vorfinden?

Toprak: Ich mache oft Fortbildungen mit Lehrerinnen, die sagen, ich tue mich schwer mit diesen Jungs. Diese Jungen brauchen klare Ansagen, klare Regeln, die auch durchgesetzt werden. Die basisdemokratische Pädagogik des Aushandelns und der Diskussion empfinden sie als Schwäche. Die sehen das als Unsicherheit des Lehrers, wenn er oder sie zuviel fragt. Wenn man klar und deutlich sagt, was man möchte und wo die Grenzen sind, machen die auch mit. Ich habe das Konzept der konfrontativen Pädagogik mit gewalttätigen und straffälligen Jugendlichen erprobt. Es kommt darauf an, sich von Machosprüchen nicht verunsichern zu lassen. Diese Jungs probieren, ob man angesichts ihres dominanten Auftretens Schwäche zeigt. Die zeigen gerne ihr Testosteron, aber wenn man Regeln durchsetzt, werden sie auch schnell handzahm.

ZEIT: Wenn man Schüler zur Selbständigkeit erziehen will, kann man aber nicht immer Frontalunterricht machen?

Toprak: Das ist auch nicht gemeint mit konfrontativer Pädagogik. Es geht darum, einen fairen und transparenten Rahmen für das gemeinsame Handeln zu errichten. Die Jugendlichen sehen, wenn ich mich an die Regeln halte, bin ich angenommen und kann mich einbringen. Dann fällt auch das Totschlagsargument der Ausländerfeindlichkeit weg, dass diese Jugendlichen gerne bringen. Person und Fehlverhalten müssen klar getrennt werden.Wenn klar ist, du bist als Ali oder Mustafa willkommen, wenn du dich an die Regeln hältst, aber wenn nicht, hat es auch Konsequenzen, dann kommen die Jungs damit gut klar.

ZEIT: Woher kommt die höhere Gewaltakzeptanz bei türkischen Jungen?

Toprak: Ich habe jahrelang Anti-Aggressivitätstraining mit auffälligen Jugendlichen gemacht. Das waren junge Männer, die dazu verurteilt worden waren, weil sie selbst gewalttätig geworden waren. Diese Jungs haben uns berichtet, sie haben in der Erziehung Gewalt erfahren – entweder in der Familie oder durch ihre Peergroup. Die sehen es als normalen Teil des Aufwachsens als Mann, dass man irgendwann Schläge bekommt. Vor allem untereinander in der Gruppe ist Gewalt etwas Alltägliches. Tragischerweise.

ZEIT: In der deutschen Gesellschaft ist Gewalt in den letzten Jahrzehnten zunehmend tabuisiert worden. Früher übliche Rüdenkämpfe auf Schulhöfen sind heute verpönt. Da passt die Gewalkultur türkischer Jungs nicht hinein.

Toprak: Ja, aber es wird teilweise überdramatisiert. Auch ganz normale Raufereien, die man früher als 'typisch Jungs' abgetan hat, werden heute sofort therapiert. Das führt zu einer Überpädagogisierung, in der Jungs per se zum Problem werden. Das geht dann zu weit, nicht nur für türkische Jungs.

ZEIT: Warum ist ,,schwul" das schlimmste Schimpfwort unter türkischen Jungs? Auch das steht ja im Gegensatz zu der gesamtgesellschaftlichen Enttabuisierung der Homosexualität?

Toprak: Vielleicht ist ja die Präsenz des schwulen Lebens in der Öffentlichkeit ein Mitgrund für diese Gegenreaktion. Im Antigewalttraining haben mir die Jungs klargemacht, es gibt zwei Tabus – man darf die Mama nicht angreifen und die Männlichhkeit, also jemanden schwul nennen. Aber es gab eine interessante Ambivalenz: Ein Junge, der mir gesagt hatte, er hasst Schwule, Homosexualität sei eine Sünde und Homosexuelle seien keine Menschen. Aber dann sah ich, er packte einen anderen an den Hintern. Als ich ihn zur Rede stellte, sagte er: Ich bin nicht schwul, er ist schwul. Ich habe dann erfahren, dass der aktive Partner als der unproblematisch Männliche gilt. Der Schwule ist der – verzeihen Sie das Wort – 'der sich ficken lässt'. Das war mir neu. Es gab da Jungen, die sehr homosexuellenfeindlich auftraten und doch zu irgendwelchen einschlägigen Treffs gingen, um 'Schwule zu ficken'. Nach dem Motto, wir zeigen denen mal was ein richtiger Mann ist. Homosexuelle werden als Opfer gesehen, und so gab es auch Fälle, bei denen mit den Männern geschlafen wurde, um diese dann anschließend zu verprügeln. Das zeigt die Ambivalenz. Der Mann darf sich auf keinen Fall in die Rolle der Frau begeben, darum sind die Jungs so gegen Schwule.

ZEIT: Das ist eine sehr anstrengende, stressige From von Männlichkeit, bei der es dauernd um die Ehre geht.

Toprak: In einem meiner Kurse habe ich es den Jungs verboten, über Ehre zu reden, weil sie diesen Begriff immer nur als Vorwand benutzt haben und nie mit Inhalt füllen konnten. Die mussten dann in die Bibliothek gehen und recherchieren, was Ehre sein kann. Sie haben angefangen, den Ehrbegriff zu problematisieren, den man ihnen aufgedrückt hat: Du musst deine Frau, deine Schwester beschützen. Die hatten noch nie über diesen zentralen Begriff nachgedacht. Aber dann haben sie angefangen, über ihre Gefühle zu reden, über die Angst zu versagen und dem Ehrbegriff nicht gerecht zu werden.

ZEIT: Ist der deutsche Mann in deren Wahnehmung unehrenhaft und unmännlich?

Toprak: So wird das gesehen. Aber ich muss ihnen sagen, das ist auch nur ein Schein. Viele würden gerne manche Verhaltensweisen vom deutschen Mann übernehmen, aber sie trauen sich nicht, weil sie dann als schwach gelten würden. Einige sehnen sich danach, aber der Druck ist zu groß.

ZEIT: Woher kann Veränderung kommen?

Toprak: Wir haben eine Entwicklung in zwei Richtungen: Die einen sagen, das tue ich mir nicht an und steigen aus. Aber die müssen dann auch in einem anderen Umfeld leben, in einem anderen Stadtteil. Aber diejenigen, die in Quartieren wohnen, wo der soziale Druck groß ist, tun sich schwer da rauszukommen. Bevor man an die Jungs rankommt, muss man zuerst an die Eltern ran. Die wissen oft gar nicht, dass es alternative Erziehungsstile gibt. Sie haben es selber so erfahren, und tragen es weiter.

ZEIT: Stärkt die islamische Religion eigentlich immer nur die konservative Seite? Oder hat sie eine Rolle bei der Reform der Männlichkeit?

Toprak: Das ist nicht so eindeutig. Wir kennen sehr viele selbstbewusste religiöse Frauen mit Kopftuch, auch hier an der Hochschule. Die sind hoch modern und passen nicht zu schlichten Macho-Männern.

...




Aus: "Das vermeidbare Unglück der türkischen Jungs" Jörg Lau (6. September 2011)
Quelle: http://blog.zeit.de/joerglau/2011/09/06/das-vermeidbare-ungluck-der-turkischen-jungs_5057 (http://blog.zeit.de/joerglau/2011/09/06/das-vermeidbare-ungluck-der-turkischen-jungs_5057)


Quote* 6. September 2011 um 20:58 Uhr
    * N. Neumann

Analog zu Toprak:

Im kollektive Bewusstsein der türkischen Gesellschaft gelten Schwulen als stark effeminierte Männer, die die passive Rolle beim Analverkehr bevorzugen. Diese Definition wird z. B. bei den türkischen Streitkräften (siehe unten) verwendet. Mit dieser Definition geht eine starke Ächtung einher, da sie nach gesellschaftlicher Meinung das Rollenbild des traditionellen türkischen Mannes verletzt. Maskulin wirkende, in der aktiven Position verkehrende Schwule werden üblicherweise nicht als homosexuell betrachtet. Sie werden mit in die Kategorie heterosexueller Menschen gepackt, die homoerotische Erfahrungen gesammelt haben.[4]

Homosexualität in der Türkei:
http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_in_der_T%C3%BCrkei (http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_in_der_T%C3%BCrkei)



Quote* 6. September 2011 um 16:50 Uhr
    * Cem Gülay

... Das es homosexuelle Moslems gibt ist doch keine Frage. Die Begründung der Homosexualität stell ich hier in Frage, und macht den Eindruck, es wäre total normal jemanden zu ficken. Also tut es jeder Türke, einschließlich mich. Normal gibt es für sowas eins auf die Fresse.


Quote* 6. September 2011 um 18:36 Uhr
    * Spirit of Canakkale
   
@ Cem Gülay

Na, erzählen Sie mal! Wie oft haben Sie die Hintern von Männern penetriert? Raus damit!



Quote* 6. September 2011 um 18:38 Uhr
    * Cem Gülay

SPOC

Also Dein Hintern müsste noch ziemlich schmerzen, so wie Du geschrien hast.


Quote* 6. September 2011 um 19:27 Uhr
    * Miriam G.

@Cem und Spirit

Omigod

Gestern Abend haben meine Tochter und ich den Ton ausgemacht, als Charlotte Roche darauf bestand, aus ihrem Buch zu lesen. Und jetzt beglückt ihr uns mit so einem Dialog. ...


Quote* 6. September 2011 um 21:42 Uhr
    * Bravoleser

Ich muß Cem Gülay im wesentlichen recht geben. Herr Toprak ist ein akademischer deutscher Bildungsbürger der mit den falschen Mitteln versucht das vermeintlich Gute zu tun.
So wird das nie was.

Ich habe als Studi in den 90ern in HH-Horn gelebt. Sozusagen unfreiwillig unter Türken. Nicht das wir Türken in unserer WG gehabt hätten. Gott bewahre- wir waren zwar alle leicht links angehaucht, aber auf das türkische Prekariat in der Nachbarschaft sahen wir natürlich herab, auch wenn das niemals über unsere fortschrittlichen humanistisch-gymnasial gebildeten Lippen gekommen wäre.

Trotzdem waren gewisse Kontakte schlicht unvermeidlich und sei es nur wenn in der Wohnung nebenan oder oben mal wieder heftiger türk.Streit angesagt war. Wir nannten das "PisslickPisslick GüleGüle" (das hatten wir vermutlich irgendwo aufgeschnappt und fanden es witzig).

Wie auch immer, ich denke das Toprak den Kern des türk. männlichen Rollenmodells schlicht nicht kennt oder benennt. Das geht etwa so:

Es gibt in ihrer Kultur zwei sozial vollkommen getrennte Bereiche.
- das Haus bzw die Wohnung und
- die Straße bzw die Öffentlichkeit.

Im Bereich Haus hat Anne(=Mama) das Sagen.
Der Vater ist zwar da oder auch nicht, aber er redet dort nicht herein. Essen kochen, Abwaschen etc schon mal gar nicht.
Die Jungs haben dort NICHTS zu melden. Das Haus ist das Reich der Frauen. Jungs sind im Haus tagsüber schlicht unerwünscht. Je jünger die Jungs sind desto häufiger sind sie draußen. Nicht weil sie es wollen. Sondern weil es eben so ist. Jungs gehören nach draußen in die harte Welt der Straße. Deshalb sieht man türk. Jungs so häufig draußen, was den Eindruck erzeugt sie wären eine soziale Masse die die Straße okkupiert. In Wahrheit sind sie nur eine Minderheit die nicht drinnen sein kann, weil sie eben nicht dürfen. Im stillen Kämmerlein Hausaufgaben zu machen ist für einen türk. Jungen der zur Schule geht so gut wie unmöglich. Türkische Mädchen können das. Türkische Jungs nicht.

Daher auch die seltsamen und für Deutsche völlig unbegreiflichen türk.Kulturvereine/Cafes für türkische Männer. Das sind keine Kneipen. Frauen sieht man dort nie. Teutonische Akademiker wie Toprak auch nicht. Das sind eher Zwischenräume zwischen den harten Realitäten von Öffentlichkeit und Haus.

Die für Deutsche sichtbare Unterdrückung der Frau in der Öffentlichkeit (Kopftuch!) ist ein klassisches kulturelles Mißverständnis. Die hausinternen Zwänge dieser islamischen Kultur sind für die deutsche Öffentlichkeit vollkommen unsichtbar.

Wie man das ändern kann? Keine Ahnung. Weiß ich nicht. Sarrazin sagt Kindergartenzwang, Vorschule usw. Das ist natürlich Quatsch. Die o.g. Probleme tauchen erst dann auch wenn der Kindergarten oder Vorschule längst vorbei ist.


Quote* 7. September 2011 um 00:07 Uhr
    * Miriam G.

@Cem Gülay

... infam, Thesen aufzustellen, das Männer andere Männer, aus Männlichkeitswahn penetrieren. Sie sind schwul und basta.

Cem, Toprak ist kein Elfenbeinturmakademiker, der von Empirie keine Ahnung hat, sondern jemand, der jahrelang in der sozialpädagogischen Praxis gearbeitet hat. Mit harten Jungs. Die ihm erklärt haben, was im Knast so vor sich geht. Sexmäßig. Mir bleibt zu Topraks Verteidigung leider nichts anderes übrig, als Metin zu zitieren, einen Interviewpartner von Toprak, der sich ein Jahr lang in U-Haft befand:

.... Also, ich war im Knast, ne. Da gibt es keine Frauen, ne. Da musst du sehr gut auf dein Arsch aufpassen... Ja, jeder ist geil und will dein Arsch ficken. Wenn du nicht aufpasst, ne, dann will jeder im Knast dich ficken, danach hast du keine Chance, ne. Ja, da war einer, ne. Das war ein Deutscher, das sind sowieso keine richtige Männer, ne. Ja, ne, ich hab ihn als erster gefickt, ne. Jeder hat gesagt, als erster hat ihn Metin gefickt, ne. Danach wollten ihn alle ficken... Natürlich bin ich nicht schwul, Mann, eh. Du bist schwul, wenn du dein Arsch hergibst. Wenn du den einmal hergibst, dann kannst du dich nicht mehr blicken lassen. Jeder weiß das dann, du hast das einmal gemacht, du bist schwach, du kannst nich auf dein Arsch aufpassen und und und. Aber wenn du einen am Arsch fickst, ne. Dann bist du doch ein Mann. Männer ficken doch, nicht die Frauen. (Metin, S. 51, "Ich bin eigentlich nicht aggressiv": Theorie und Praxis eines Anti-Aggressions-Kurses mit türkischstämmigen Jugendlichen von Ahmet Toprak. Lambertus 2001.

@Bravoleser
Ihr Name ist leider Programm. Ahnung haben Sie mit Verlaub wenig, auch wenn Cem Sie applaudiert ("Top-Analyse"- Hilfe!). Lesen Sie mal ein Buch. Von Toprak. Er ist kein "teutonischer Akademiker".


Quote* 7. September 2011 um 00:26 Uhr
    * Miriam G.

@Bravoleser

Im stillen Kämmerlein Hausaufgaben zu machen ist für einen türk. Jungen der zur Schule geht so gut wie unmöglich.

Das kann ich nicht unkommentiert lassen. Sie beschreiben einen Typus von türkeistämmigen Jungen aus einem Typus von Familie. Es gibt auch die Familien, die den Übergang von der Tradition in die Moderne vollzogen haben; die ihre Söhne genauso fordern und fördern wie ihre Töchter. Cem Gülays Vater war ein ziemlicher Kotzbrocken, so zumindest geht es aus Cems Buch hervor, aber er hat seinen Sohn zum Lernen angehalten und ihn dabei unterstützt, wenn ich mich richtig erinnere. Und ich nehme an, dass das Geld für Cems Schuljahr in Amerika von ihm stammte. ....


Quote* 7. September 2011 um 06:52 Uhr
    * FreeSpeech

Vor ein paar Jahren gab es einen Fall in der CH, da hatten Migranten etwas zu regeln, und das ging dann so: Der "Schuldner" wurde in den Arsch gefickt und dabei gefilmt. Kein Schweizer begriff, was da ablief. (Der Fall kam vor Gericht, darum wurde das überhaupt bekannt. Auch der Betroffene sagte nicht, worum es so ging.)


Quote* 8. September 2011 um 13:40 Uhr
    * CEM.G

... Ich finde, dass sich "viele" deutsche Männer Ü-45 unter Pseudonymen im Internet wie pubertäre jugendliche Türken-Machos verhalten.


Quote* 7. September 2011 um 08:14 Uhr
    * Yamc

"ZEIT: Ist der deutsche Mann in deren Wahnehmung unehrenhaft und unmännlich?

Toprak: So wird das gesehen. Aber ich muss ihnen sagen, das ist auch nur ein Schein. Viele würden gerne manche Verhaltensweisen vom deutschen Mann übernehmen, aber sie trauen sich nicht.[...]"

Hierzu möchten ich gerne etwas sagen: Es geht nicht nur darum, dass "wir" (türkischstämmige Menschen) uns nicht trauen. Ich (komme aus Berlin-Neukölln) habe mich von der (miserablen) mittleren Reife über ein Oberstufenzentrum und den Zweiten Bildungsweg zum Studium hochgearbeitet, habe immer gelesen und meine Tage fast ausschließlich mit Nicht-Türken verbracht – und trotzdem hat es mich in eine Depression gestürzt, dass meine Lebensgefährtin/Verlobte (ursprünglich aus den neuen Bundesländern stammend) eine andere Sexualmoral hat als ich. Es hat mich – obwohl ich unbedingt der moderne, offene, tolerante Mensch sein wollte – lange Zeit innerlich zerfressen, einfach weil ich anders sozialisiert wurde.

"Meine Mama war doch nicht so."
"So was tun Frauen doch nicht einfach so".
"Sowas gehört sich doch nicht."

Was ich damit sagen will:

Das Über-ich kann manchmal einfach zu stark sein, um Dinge zu tun, die man gerne tun würde. Ich kämpfe tagtäglich darum gewisse Dinge, die in der "deutschen Gesellschaft" (tolerant) akzeptiert werden, auch zu akzeptieren, obwohl ein Teil in mir es nicht verstehen kann. Das führt auch in Beziehungen zu Reibungen, zu Verletzungen und es ist verdammt schwierig.

Quote* 7. September 2011 um 17:05 Uhr
    * Jörg Lau

... Dazu kann ich nur sagen, der Schmerz, den Sie da artikulieren ist absolut kein rein türkisches Problem. Ganz offensichtlich haben auch Männer deutscher Herkunft Schwierigkeiten mit der neuen Geschlechterunordnung. Das verlangt allen sehr viel ab, und viele können nur nicht zugeben, wie viel sie das kostet. Es gibt sicherlich viele kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Türken, aber die Herausforderung durch die neue Freiheit in den Beziehungen der Geschlechter ist größer als diese Unterschiede.



Quote* 7. September 2011 um 22:01 Uhr
    * Hans Ali

Im Grunde wird hier nur das Bild des türkischen Mannes in Deutschland reproduziert, d. h. eines Mannes, der sich scheinbar nicht emanzipieren kann wie die Frauen es können und ihm durch Schubladendenken (alle türkischen Männer seien Machos, gewalttättig und hassen Frauen und Schwule)von vorneherein diese Möglichkeit versperrt wird.


Quote* 7. September 2011 um 22:03 Uhr
    * Capricia

Vielleicht betrifft es auch nur bestimmte soziale Schichten?

Ich habe in einer außerbetrieblichen Ausbildung Elektrotechnik und KFZ gearbeitet und unterrichtet, als ich noch "jung und sexy" war und hatte mehrere männliche türkische Jugendliche in meiner Klasse.

Ich hatte nie Probleme mit ihnen. Während die deutschen Jugendlichen unflätige Bemerkungen über meinen Busen machten – nur einmal, denn dann wurden sie aus dem Unterricht geschickt, was in ihrem Berichtsheft dokumentiert wurde – waren die türkischen Schüler aus unterschiedlichen sozialen Schichten und mit unterschiedlichen Schulabschlüssen höflich und engagiert.

Selbst ein türkischer Schüler mit schlechtem Hauptschulabschluss hat die IHK-Prüfung bestanden, und die türkische Familie hat sich bei mir – einer Frau- bedankt, dass ich ihren Sohn unterstützt habe.

Ich wurde auch zu Hochzeiten der Familien eingeladen.

Ich weiß es nicht. Aber manchmal erscheint mir die Darstellung türkischer Jugendlicher dem Klischee zu folgen, das in den Privatsendern durch schreckliche Sendungen am Leben erhalten wird.

Es ist nur meine Erfahrung, vielleicht ist sie nicht repräsentativ, aber zumindest sollte sie berücksichtigt werden.


Quote* 7. September 2011 um 23:05 Uhr
    * Miriam G.

@cagatay
Religion und Kultur sind Privatsache – Diskriminierung nicht

Kultur ist dann nicht Privatsache, wenn deren Ausleben gegen Grundrechte (Würde, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, negative Religionsfreiheit) verstößt. Das gilt für Religion auch.
Diskriminierung heißt "unterscheiden". Sie wissen noch besser als ich, dass auch in deutschtürkischen Kreisen sehr wohl "diskriminiert" wird (oder haben Sie nie gehört, dass jemanden vorgeworfen wird, er sei verdeutscht, oder einem türkeistämmigen Mädchen direkt oder indirekt zu verstehen gegeben wird: "Bring mir keinen Deutschen nach Hause!"? Ich schon. ...

Durch Jammern über Diskriminierung wird sie tragischerweise nicht geringer, denn in der Jammerecke sieht niemand vorteilhaft aus. Besser wäre es, Topraks Anregungen aufzugreifen, und die traditionelle Erziehung kritisch zu reflektieren (und das Endogamiegebot gleich mit). Der beste Schutz gegen Diskriminierung ist soziales Kapital – sprich Beziehungen zu Einheimischen, die selbst über soziales Kapital verfügen. Ich bin selbst Migrantin und spreche aus eigener Erfahrung. Es gibt nämlich kein Land der Welt, wo nicht diskriminiert im Sinne von unterschieden wird zwischen denen, die "schon immer" oder "ewig" da sind und denen, die erst seit ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Auch in der Türkei, wo unheimlich viele Berufe (inkl. der Arztberuf) nur Einheimischen vorbehalten sind, ist es nicht anders. Diese Erkenntnis ist nützlich, um nicht in die Empörungsfalle zu tappen. So hat man mehr Energie, um die Hintertür zu suchen, wenn man durch die Vordertür nicht reinkommt.



...

Title: [Connell definiert hegemoniale Männlichkeit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2011, 12:33:23 PM
Quote[...] Connell definiert hegemoniale Männlichkeit "als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis ..., welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)". Er versteht darunter jene männlichen Attribute, die von einer Gesellschaft als erstrebenswert angesehen werden, gleichzeitig aber auch jene Normen und Praktiken von Männlichkeit, die von der dominanten Klasse zur Absicherung ihrer Interessen eingesetzt werden. Dieses streng dichotomisch aufgebaute, von der "überlegenen" Männlichkeit markierte und somit asymmetrische Modell war im Europa der Aufklärung entstanden und setzte sich insbesondere im 19. Jahrhundert – eng an Kapitalismus, Nationalismus und Imperialismus gekoppelt – ungebremst fort. Das Männlichkeitsbild dieses Modells wurde vor allem von soldatischen Tugenden, bestimmten sozialen und politischen – "staatsbildenden" – Fähigkeiten, durch die Rolle als Familienernährer und die Heterosexualität bestimmt. ...

... Das Männerbild des Nationalsozialismus muss vor dem Hintergrund der gewollten Abgrenzung zum bürgerlichen Männlichkeitsbild und somit auch zur demokratischen Republik gesehen werden. Der idealisierte männliche Körper wurde zum Symbol für die Erschaffung des faschistischen Staates. Kühne hebt in diesem Zusammenhang vor allem die Relevanz des Leitbildes der Kameradschaft als dem männlichen Vergesellschaftungsmodell hervor. Kameradschaft steht dabei in einem dialektischen Verhältnis zu Wettbewerb, den man als Modus begreifen kann, in dem sich unterschiedliche Männlichkeiten zueinander in ein hierarchisches Verhältnis setzen. Diese für Männerbünde typische Dialektik von Kameradschaft und Wettbewerb lässt sich bereits im 19. Jahrhundert nachvollziehen, wenn man etwa an die oben erwähnten Institutionen des Duells bzw. die Fecht- und Trinkrituale studentischer Verbindungen denkt. Beide basieren nicht nur auf dem Ausschluss von Frauen, sondern machen auch die kompetitive, intern hierarchisch gegliederte Struktur der bürgerlichen Männlichkeit sichtbar. Im 20. Jahrhundert entfaltete diese Dialektik schließlich ihre volle Dynamik, wie sich an der zentralen Bedeutung des Kameradschaftsbegriffs "als Leitbild einer staats-, gesellschafts- und geschlechterpolitischen Umwälzung" bis in den Nationalsozialismus hinein ablesen lässt. War die "Schützengrabenkameradschaft" des Ersten Weltkriegs zunächst als "Inbegriff der Geborgenheit einer Gemeinschaft gleichrangiger Männer, meist einfacher Mannschaftssoldaten" erlebt worden, bog die NS-Propaganda sie in zweierlei Hinsicht ab: einerseits ins Hierarchische, was unter anderem in der arischen Exklusivität zum Ausdruck kam, andererseits ins Heroisch-Martialische. Frontkameradschaft wurde nun zur "Keimzelle eines 'neuen Menschen'". Elemente des spezifisch deutschen Männerbund-Gedankens wurden dabei mit "völkischem", "germanenkundlichem" Gedankengut vermischt. Trotz der nationalsozialistischen Wertschätzung von "Familie" und "Sippe" erklärt sich aus dieser Konzeption auch die zentrale Bedeutung der auf Führung und Gefolgschaft basierenden, männerbündisch organisierten Organisationen wie SA, SS, Hitler-Jugend bis hin zu Eliteverbänden wie der "Leibstandarte Adolf Hitler"

Anders als etwa bei Blüher grenzte sich das nationalsozialistische Männerbunddenken zwar gegen die als "weibisch" angesehene männliche Homosexualität ab, ist aber aufgrund der libidinösen, hierarchisch organisierten Bindung der Bundesbrüder an den "Männerhelden" in ihrer Homosozialität durchaus homoerotisch konnotiert. ...


Aus: "Männerbünde und Schwulenbewegung im 20. Jahrhundert"
Von by Christopher Treiblmayr, Erschienen: 2010-12-03
Quelle: http://www.ieg-ego.eu/de/threads/transnationale-bewegungen-und-organisationen/internationale-soziale-bewegungen/christopher-treiblmayr-maennerbunde-und-schwulenbewegung-im-20-jahrhundert#HegemonialeMnnlichkeitMnnerbundundmnnlicheHomosexualitt (http://www.ieg-ego.eu/de/threads/transnationale-bewegungen-und-organisationen/internationale-soziale-bewegungen/christopher-treiblmayr-maennerbunde-und-schwulenbewegung-im-20-jahrhundert#HegemonialeMnnlichkeitMnnerbundundmnnlicheHomosexualitt)

Title: [Anders als nach dem Ersten Weltkrieg... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2011, 12:54:17 PM
Quote[...] Die Erinnerungsbilder von den in die Bahnhöfe einrollenden Kriegsheimkehrertransporten und den bewegenden Wiedersehensszenen mit den Angehörigen sind heute fest im kollektiven Gedächtnis verankert. Die früheren Wehrmachtssoldaten sind darin zu – politisch unverfänglichen – Ehemännern, Vätern und Söhnen mutiert, die sich auch in der Öffentlichkeit nicht scheuen, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. In diesen Repräsentationen verkörpern die Heimkehrer eine Männlichkeit, die eine deutliche Abweichung vom aggressiven, ,,stählernen" Ideal des nationalsozialistischen Landsers hin zu einer ,,weicheren", von militärischen Extremen bereinigten Maskulinität signalisiert.

... Der Schock der totalen Niederlage sollte sich nach dem Krieg relativ rasch verflüchtigen: Im Sog des Wirtschaftswunders und der gesellschaftlichen Stabilisierung kristallisierten sich die Familie und der Arbeitsplatz als neue (alte) Orte heraus, an denen sich die besiegten Männer wieder ,,männlich" zeigen konnten und das hegemoniale Männlichkeitsmodell im Stande war, seine, wenn auch nicht mehr unantastbare, Macht gegenüber Frauen und insbesondere gegenüber den alternativen, jugendlichen Männlichkeiten der Nachfolgegeneration von neuem zu entfalten. Der idealtypische Männlichkeitsentwurf des Familienvaters und Versorgers distanzierte die Wehrmachtsveteranen von ihrer militärischen Vergangenheit und lieferte nach den oft niederschmetternden Kriegs- und Heimkehrerfahrungen einen Bezugsrahmen für die Rekonstruktion von Männlichkeit, in dem traditionelle männliche Normen und Wertvorstellungen auf der Basis einer zivilen Maskulinität neu etabliert werden konnten.32 Eine Entwicklung, die auf der biografischen Ebene vor allem in den sozialen Aufstiegserfahrungen der fünfziger und sechziger Jahre greifbar wird, vor denen letztlich auch die individuellen Folgewirkungen von Krieg und Niederlage zu verblassen beginnen.

... Anders als nach dem Ersten Weltkrieg, als die Mythisierung und Heroisierung der Kriegserfahrung einer Radikalisierung militärischer Männlichkeitsideale im Zeitalter des Nationalsozialismus unmittelbar Vorschub geleistet hatte, ließ das Ausmaß des Besiegtseins im Zweiten Weltkrieg und das Gewahrwerden der verbrecherischen Dimension des Krieges im Osten nach 1945 kaum Platz für das Wiederaufflammen kriegerischer Begehrlichkeiten. Auch wenn das kollektive Scheitern der Wehrmachtsgeneration im Krieg, wie die vorläufigen Ergebnisse meiner Dissertation untermauern, im biografischen Aufriss gesehen, weit weniger an der Hegemonialität traditioneller männlicher Identitätsmuster wie Dominanz, Stärke, Durchsetzungskraft oder auch Leistungsfähigkeit geändert hat, als es die Totalität der Niederlage implizieren mag, verlor das Soldatisch-Militärische nach Kriegsende seine Bedeutung als primärer Bezugsrahmen für die Konstruktion von Männlichkeit.

... Dass die im Zweiten Weltkrieg gemachten Erfahrungen ein integraler Bestandteil der männlichen Identitätskonstruktion vieler Angehöriger der Wehrmachtsgeneration geblieben sind, zeigen nicht zuletzt die heftigen Reaktionen der österreichischen und deutschen Kriegsveteranen auf die so genannte Wehrmachtsausstellung in den 1990er Jahren, die nicht nur den Mythos des ,,unpolitischen Soldaten" dekonstruiert, sondern gleichzeitig auch die biografischen Deutungsmuster der militärisch-männlichen Vergangenheit einer ganzen Generation massiv in Frage gestellt hat. Das Erzählen vom Krieg und seinen Folgen von Seiten der ehemaligen Soldaten der Deutschen Wehrmacht ist daher bis zu einem gewissen Grad immer auch unter dem Aspekt gegenwärtiger Schulddiskurse rund um die Beteiligung ,,einfacher" Mannschaftssoldaten am NS-Vernichtungskrieg zu verstehen. Die starke Polarisierung und Emotionalisierung der Wehrmachtsdebatte steht dabei bis heute einer angemessenen Vergangenheitsbewältigung auf der Zeitzeugenebene, die sowohl Opfer- als auch Täteranteile zur Sprache bringt, entgegen.

...


Aus: "Tagung AIM: Gender ,,Männlichkeit und Emotionen" - Stuttgart, 9.–11. Dezember 2010: ,,Ich bin eigentlich nicht als strahlender Sieger nach Hause gekommen"
"Zur biografischen Deutung und Bedeutung der Kriegsniederlage in den erzählten Lebensgeschichten ehemaliger österreichischer Wehrmachtssoldaten Michael S. Maier, Wien 2010"
Quelle: http://www.fk12.tu-dortmund.de/cms/ISO/de/arbeitsbereiche/soziologie_der_geschlechterverhaeltnisse/Medienpool/AIM_Beitraege_siebte_Tagung/Maier__Besiegte_Maennlichkeit.pdf (http://www.fk12.tu-dortmund.de/cms/ISO/de/arbeitsbereiche/soziologie_der_geschlechterverhaeltnisse/Medienpool/AIM_Beitraege_siebte_Tagung/Maier__Besiegte_Maennlichkeit.pdf)

Title: [Männer sind darauf programmiert... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 03, 2012, 11:06:49 AM
Quote[...] "Männer sind darauf programmiert, sich keine sexuelle Gelegenheit entgehen zu lassen", sagt Bleske-Rechek.

...


Aus: "Wie verhalten sich Freunde mit Partnern?" (01.06.2012)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wissen/freundschaft-zwischen-maennern-und-frauen-freund-und-leid-1.1371652-2 (http://www.sueddeutsche.de/wissen/freundschaft-zwischen-maennern-und-frauen-freund-und-leid-1.1371652-2)

Title: [Weil das unsere Tradition ist... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 16, 2012, 09:11:11 AM
Quote[...] Eine Holzbaracke in Archer's Post, einem kleinen Ort in Kenia, drei Männer vom Volk der Samburu trinken ihren Tee. Der Älteste, klein und eingefallen, ist in ein rot-weiß kariertes Tuch gehüllt, tief hängen seine durchstochenen Ohrläppchen. Die anderen beiden tragen Hemd und Jeans. Bereitwillig plaudern sie, wenn man sie etwas fragt, es ist ja sonst nichts los.

Frage: Warum sollten nur die Männer Rechte haben?
»Weil das unsere Tradition ist. Frauen sind wie Kinder, sie müssen erzogen werden. Wenn sie unerzogen sind, muss man sie schlagen, um sie zu disziplinieren.«
Es gibt Frauen, die ganze Nationen regieren. Sind die auch wie Kinder?
»Diese Frauen haben alle einen Ehemann, der ihnen sagt, was sie tun sollen.«
Und wenn eine Frau ihren Mann schlagen würde?
»Dann muss man sie umbringen, und wenn ich keinen Stock hab, nehm ich das Messer.«

Die drei Samburu-Männer erheben nicht einmal ihre Stimmen. Umoja, das Dorf der Frauen, ist keine zwei Kilometer entfernt, und wenn man erahnen will, was es die Frauen gekostet hat, ihre eigene Welt aufzubauen, und warum sie das mühsame, harte Leben, das sie jetzt führen, als großes Glück empfinden, dann muss man sich wohl mal angehört haben, was Männer wie Wilson, Barasi und Douglas im Jahr 2012 von sich geben, man hätte auch drei andere fragen können.

... In Liberia haben Frauen 2003 mit ihrem friedlichen Protest und einem Sexstreik dazu beigetragen, dass der Bürgerkrieg beendet wurde. Ihre Führerin, Leymah Gbowee, hat dafür den Friedensnobelpreis bekommen. Im Kongo sind Vergewaltigungsopfer 2009 auf die Straße gegangen, ein paar Hundert vielleicht. Im nächsten Jahr war daraus der Weltfrauenmarsch geworden mit 20 000 Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt – auch aus Umoja.

Sogar als vor einigen Jahren Rebeccas Ehemann mit dem Gewehr in Umoja auftauchte und sie erschießen wollte, hat sie gesagt: »Dann soll er doch!« Nur auf Drängen der Frauen ist sie geflohen. Bei der Polizei wollte sie Anzeige erstatten, wurde aber mit den Worten abgewiesen, dass man sich nicht in familiäre Angelegenheiten einmische. Erst als sie bei der höheren Behörde vorsprach, wurde ihrem Mann das Gewehr abgenommen.

Ein Jahr hat sich Rebecca anschließend in Kenias Hauptstadt Nairobi versteckt, während ihr Anwalt einen Scheidungsprozess anstrebte. So etwas gab es noch nie: Lolosoli gegen Lolosoli. Von ihren fünf Kindern hielt die jüngste Tochter Sylvia, in Umoja aufgewachsen, bedingungslos zu ihr, die älteren vier, geprägt durch Vater, Großeltern und Tradition, waren entsetzt. Die zwei großen Töchter machten ihrer Mutter Vorwürfe, die beiden Söhne grüßten sie nicht mal mehr auf der Straße. Rebecca sagt: »Wenn ich damals zugelassen hätte, dass ich meine Kinder vermisse, hätte ich gar nichts mehr tun können.« Also habe sie versucht, sie aus ihren Gedanken zu streichen. Für eine lange Weile und auf Abstand ging das. Es sollte zwei Jahre dauern, bis die Kinder selbst diesen Zustand nicht mehr aushielten und plötzlich am Zaun von Umoja auftauchten. Die Zeit bis dahin sollte Tom, der Älteste, später als die schlimmste seines Lebens bezeichnen. Die Ehe der Lolosolis wurde geschieden. Rebecca kehrte zurück nach Umoja.


... Die Frauen von Umoja sind nicht gegen Männer, überhaupt nicht. Aber statt sich in ihr Schicksal zu fügen, stellen sie jetzt Bedingungen. Während bisher nur die Männer von Frauen träumen durften und sich anschließend wie ein Albtraum gebärdeten, wagen es die Frauen endlich, ihr Bild eines Traummannes zu entwerfen: Es müsste einer sein, der sie mit Respekt behandelt, der ihre Wünsche, ihre Würde achtet. Diese Botschaft bringen sie auch in andere Dörfer, zwanzig, dreißig Kilometer laufen sie dafür durch die flirrende Hitze. Tausend Frauen haben sich der Bewegung angeschlossen, Gruppen in ihren Dörfern gebildet, und ja: Auch sie werden von ihren Männern dafür geschlagen. Sie kommen trotzdem.


...



Aus: "Umoja, ein männerloses Dorf in Kenia" Simone Kosog (10/2012)
Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38605/Endlich-Respekt-zeigen (http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38605/Endlich-Respekt-zeigen)

Title: [Man erfährt von... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2012, 03:12:15 PM
Quote[...] Man erfährt von fleißigen Polizeibeamten, die ihr Leben der Suche nach Mirco unterordnen. Von Thiel weiß man nun, dass er nach getaner Ermittlungsarbeit abends ein Bier am Fenster trinkt und nach draußen schaut. Dass er gerne Frikadellen und Pommes isst. Und sehr viel raucht. "Ich habe den Motor abgestellt und fingere die nächste John Player aus der Schachtel." Man kann durchaus sagen, dass Thiel das Schimanski-Klischee an manchen Stellen noch übererfüllt.

Einmal trifft er sich mit einem Reporter einer großen Boulevardzeitung, wie zum Showdown, vor dem Eisstadion. Thiel war nicht glücklich über das, was die Zeitung in den Tagen zuvor geschrieben hatte. Und das sagt er dann auch gleich dem Reporter: "Sollen wir uns gleich kloppen, oder führen wir erst das Interview?" Später sitzt man dann zusammen im Auto und trinkt Kaffee aus dem Becher. Harte Männer, versöhnt für die gute Sache.

...


Aus: "Ermittler schreibt Buch über Mordfall Mirco - Ein Buch voller Schimanski-Klischees" (14.11.2012)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/ermittler-schreibt-buch-ueber-mordfall-mirco-hab-dich-1.1522530-2 (http://www.sueddeutsche.de/panorama/ermittler-schreibt-buch-ueber-mordfall-mirco-hab-dich-1.1522530-2)

Title: [Die Beschreibung seiner... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 04, 2014, 11:50:56 AM
Quote[...] Knausgård ist Norweger, lebt aber seit zwölf Jahren in Schweden. In beiden Ländern liebt man seine Bücher für das Gleiche: weil man sich in ihnen nicht verliert wie in einem Krimi, sondern sich in ihnen findet wie im Gespräch mit einem guten Freund. Aber man hasst ihn aus völlig unterschiedlichen Gründen: im konservativen Norwegen wegen seines fehlenden Respekts vor der Familie, im liberalen Schweden, weil man Knausgårds Hadern mit dem gleichberechtigten Erziehungsalltag für eine spätpubertäre Sehnsucht nach einer ,,naturgegebenen" Geschlechterordnung hält, in welcher der Mann arbeitet und die Frau sich um die Kinder kümmert. Vor allem der zweite Band stieß in Schweden auf heftige Kritik. In diesem beschreibt Knausgård die Angst, zwischen Spielplatz und Krabbelgruppe seine ,,Männlichkeit" zu verlieren. Zentral ist die Szene, in der seine Frau ihn mit Tochter Vanja zur Babyrhythmik schickt: ,,Es war nicht beschämend, dort zu sitzen, es war demütigend und herabwürdigend (...), und zu allem Überfluss wurde der Kurs von einer Frau geleitet, mit der ich gerne geschlafen hätte. Aber indem ich dort saß, war ich völlig unschädlich gemacht worden, ohne Würde, impotent, es gab keinen Unterschied mehr zwischen mir und ihr, und diese Nivellierung erfüllte mich mit Zorn."

Knausgård ironisiert seine neue Rolle nicht, er fühlt sich allen Ernstes in seiner Männlichkeit bedroht. Als er in einer Szene weinen muss, hasst er sich dafür und versteckt die Tränen, um die Scham nicht noch größer zu machen: ,,Ich war nicht nur kein Mensch, ich war auch kein Mann mehr."

Über die Rollenaufteilung zwischen sich und seiner Frau schreibt er: ,,In der Klasse und der Kultur, der wir zugehörten, hieß dies, dass wir beide in dieselbe Rolle schlüpften, die früher die Rolle der Frau war. An sie war ich gebunden wie Odysseus an den Mast: Wollte ich mich befreien, so war dies möglich, aber nicht, ohne alles zu verlieren, was ich hatte. So kam es, dass ich modern und verweiblicht mit einem wutschnaubenden Mann aus dem 19. Jahrhundert im Inneren durch die Straßen Stockholms lief."

Die Beschreibung seiner Ängste und Probleme ist für viele Schweden, auch für mich, absurd. Ebenso, dass Knausgård seine Bücher Min Kamp nennen musste. Ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die sagen, dass sie das nicht lesen wollen. Allein die Tatsache, dass Männer und Frauen sich gleichberechtigt um die Kinder kümmern, wird in Schweden nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erlebt – ganz so, wie es selbstverständlich ist, sich als feministischen Mann zu bezeichnen. Aber Norwegen liege, wenn es um Gleichberechtigung gehe, rund zehn Jahre hinter Schweden zurück, sagt Knausgård. Er wuchs noch in einer Gesellschaft auf, in der es eine große Distanz zwischen Kindern und Männern gab. Doch im Laufe einer Generation habe sich alles verändert. Und damit hadert er.

Knausgårds roter Faden ist die Männlichkeit – und wie Vaterwerden (Geburt) und Vaterloswerden (Tod) sie verändert. Er hat ein Problem mit seiner Männlichkeit und versucht, das nicht zu verstecken. Er schreibt: ,,Noch heute passiert es mir, dass ich vor dem Einschlafen das Gefühl habe, eine Frau zu sein, dann wache ich ruckartig auf, und es ruft laut in mir: Nein, nein, ich bin ein Mann, ich bin ein Mann – wie ein Echo aus meiner Teenagerzeit, als ich fürchtete, nicht so zu sein wie die anderen und mich zu Jungs statt zu Mädchen hingezogen zu fühlen. Ich hatte solche Angst davor, ich hätte mir das Leben genommen."

Angst hat er auch vor Nähe. Als Kind hat er sie nie erfahren, und als Freund, Partner und Vater kann er sie nicht geben. Im letzten Band erklärt er, dass es ihm zu intim sei, seinen Kindern zu sagen, dass er sie liebe. Er ist aber kein Abbild seines eigenen Vaters, im Gegenteil, er kümmert sich zuverlässig um den Nachwuchs. Doch genau diese Fähigkeit erlebt er als zutiefst unmännlich. Er will ein guter Vater sein und ein großer Schriftsteller, glaubt aber, dass das eine das andere ausschließt.

Sein Ausweg aus diesem Dilemma ist, darüber zu schreiben. Und im Schreiben entsteht nun etwas Paradoxes: All das Große und Wichtige, für das er sechs Bände lang kämpft – also Freiheit, Anerkennung, Erfolg, Exzess, Genie, Männlichkeit –, wird unbedeutend und lächerlich. Und das Kleine, das Alltägliche, das vermeintlich Unmännliche – also Windeln wechseln, Gemüse putzen, Auseinandersetzungen mit trotzenden Kindern, eigene Schwächen eingestehen, von Niederlagen berichten, Nähe zulassen – wird in der Beschreibung plötzlich außergewöhnlich und wichtig.

Am deutlichsten ist das in den Szenen mit Vanja, Heidi und John. Knausgård besitzt eine beneidenswerte Fähigkeit, seine Kinder zu sehen und zu ,,lesen" – und Worte dafür zu finden. Seine feinfühligen Beschreibungen sind Bilder einer bedingungslosen, gegenwärtigen Vaterschaft, wie sie in der Literatur bislang nicht vorkam. Er beschreibt das Zehrende, das Chaos, den Streit, aber auch die Wärme zwischen Vater und Kind. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass sein Leben dem traditionellen Männlichkeitsideal widerspricht, das sich über beruflichen Erfolg und öffentliche Anerkennung definiert und nach dem er sich so verzweifelt sehnt.

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Aus: "Brutal ehrlich" Mikael Krogerus (29.01.2014)
Quelle: http://www.freitag.de/autoren/mikael-krogerus/brutal-ehrlich (http://www.freitag.de/autoren/mikael-krogerus/brutal-ehrlich)

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Quote[...] Der Tatsache, dass ,,Min Kamp 2" in Deutschland ausgerechnet in ,,Lieben" umgetauft worden ist, wohnt natürlich eine gewisse Ironie inne, aber gerade diese Ironie charakterisiert das Buch nicht schlecht. Denn sein Autor liebt es, den wilden Mann zu spielen, und ist doch - ich kann es leider nicht anders sagen - irgendwie total süß. Genau diesem Umstand verdankt das korpulente Werk dieses Gefühlsberserkers seinen Erfolg. Es ist das Buch eines Mannes, der mit Hölderlin in der Linken und Hamsun, Mishima und Jünger in der Rechten gegen die Verweiblichung der Mittdreißiger antobt und doch akzeptieren muss, dass er ,,genauso verweiblicht war wie sie". Diesem Mann wird jede Leserin ihr Baby anvertrauen können; er wird es lieben. Und gegen die Rolle wüten, die ihm da zugefallen ist. Er wird dabei natürlich den Kinderwagen weiter schieben; man muss ihn nur reden lassen, gern auch 763 Seiten lang.

... kein Wunder, dass ,,Min Kamp" so erfolgreich ist. Es ist das ideale Buch für Leser, denen es peinlich wäre, sich so etwas im Fernsehen anzuschauen, die sich aber von einem preisgekrönten Autor gern erzählen lassen, wie er Windeln wechselt, sich mit seiner Frau über den Abwasch streitet, den Müll wegbringt, sich Jacke und Schuhe anzieht, um auf dem Balkon eine Zigarette zu rauchen und dann noch eine, und danach Pasta kocht, und denen es gar nichts ausmacht, ihn fünfzig Seiten lang auf einen todlangweiligen Kindergeburtstag zu begleiten und ihm 25 Seiten lang bei der Geburt seines ersten Kindes über die Schulter zu schauen ....

... Der Effekt des schriftstellerischen Ehrgeizes, seinem Leben ,,so nahe zu kommen wie möglich", besteht jedenfalls darin, dass die öffentliche Zurschaustellung seiner Frau, seiner Kinder und Freunde sich liest wie eine einzige große Fiktion und der Leser rasch das Interesse für deren reale Vorbilder verliert - zumal Knausgårds Insistenz auf äußerste Lebensnähe mit zahlreichen Ausblendungen einhergeht, zum Beispiel mit einer geradezu puritanischen Scheu, sich schriftstellerisch auf allzu Körperliches oder gar Sexuelles einzulassen; da bleibt das Buch erstaunlich diskret.

... Aber das Buch hat ja ohnehin nur eine Hauptfigur: Karl Ove, den Schreibwüterich, der heroisch seinen Kampf ums eigene Leben führt, das mit seinem Schreiben identisch ist. Deshalb kann das Leben mit Frau und Kindern, von dem er in ,,Lieben" erzählt, nicht das eigene sein, so dass er sich von den Menschen, die ihm die nächsten sind, ,,unablässig fortsehnte und dies schon immer getan hatte". So erzählt denn dies lange Buch davon, wie sein Versuch, das Leben derjenigen, die er liebt, zu dem eigenen zu machen, immer wieder scheitert - und auch deshalb scheitern muss, weil dieser Karl Ove, all seinen lustvoll inszenierten und ausgekosteten Attacken auf die Political Correctness zum Trotz (,,Oh, wie ich dieses kleine Scheißland hasste."), ein so konflikt- wie kontaktscheuer, schüchterner, sensibler und ,,zutiefst moralisch denkender und zutiefst unschuldiger Mensch" (so Freund Geir) ist. Kurz: der ideale Schwiegersohn. So einem verzeiht man es ohne weiteres, dass er während eines langen Familienausflugs bitter mit seinen Lieben hadert, denn wenn er bei der Rückfahrt auf seine schlafende Familie blickt, wird es doch wieder heißen: ,,In mir explodierte das Glück."

Die Ansprüche der Kunst und die Ansprüche des Lebens also - dies ist ein seit Klassik und Romantik oft behandeltes Konfliktpotential. Der junge Goethe bewältigte diesen Stoff in seinem Dramolett ,,Des Künstlers Erdewallen" auf drei Seiten. Knausgård, der seine Geschichte irgendwo anfängt und irgendwann aufhören lässt, benötigt dazu viele hundert Seiten. ...




Aus: "Karl Ove Knausgård: Lieben Ein Schriftsteller überwacht sich selbst" (10.08.2012)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/karl-ove-knausgard-lieben-ein-schriftsteller-ueberwacht-sich-selbst-11850999.html (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/karl-ove-knausgard-lieben-ein-schriftsteller-ueberwacht-sich-selbst-11850999.html)

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Quote[...] Rezensent Jörg Magenau hat diesen Roman zwar ganz gern gelesen, doch scheint er ihn am Ende mit einem unangenehmen Völlegefühl aus der Hand gelegt zu haben. Die Aussicht, noch vier Romane in diesem auf 6 Teile geplanten Gesamtwerk zu lesen, stimmt ihn eher ängstlich. Worum geht's? Karl Ove Knausgard, der in seinem ersten Roman "Sterben" über den Tod seines Vaters geschrieben hat, erzählt jetzt in "Lieben" vom ganz normalen Familienalltag mit Frau und Kindern. Er schreibt als Karl Ove, der ein Tagebuch führt. Alles scheint authentisch zu sein, nichts erfunden, so Magenau, die ganze "spannungsarme Alltagsunendlichkeit" wird nacherzählt. Und doch, so der Rezensent, "das Ich, das da vor dem Leser mehr entsteht als entkleidet wird, ist selbst eine Fiktion". Es ist also Literatur und nicht bloß Verdoppelung. Behauptet Magenau.

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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.04.2012
Quelle: http://www.perlentaucher.de/buch/karl-ove-knausgard/lieben.html (http://www.perlentaucher.de/buch/karl-ove-knausgard/lieben.html)

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Quote[...] Anders als der erste Band, in dem erst einmal Betrachtungen über den Umgang mit Toten angestellt wurden, bevor die eigentliche Handlung einsetzte, beginnt dieses Buch mitten in einer sehr typischen Familienszene. Ein Paar mit drei kleinen Kindern macht einen Ausflug und möchte einen schönen Tag miteinander verbringen. Der Ausflug verläuft allerdings enttäuschend, zu hoch sind die Idylle-Erwartungen, zu anstrengend ist die Realität. Und auch die nachfolgende Schilderung eines Kindergeburtstages ist erfrischend realistisch dargestellt, meilenweit vom zuckersüßen Idealbild entfernt. Die Kluft zwischen dem, wie man sich das Leben mit Kindern vorgestellt hatte, wie es in den ersten Wochen nach der Geburt auch noch ist, und dem darauf folgendem aufreibenden Alltag mit seinen Routinen, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.
Der hohe Grad der Selbstreflexion und die Detailreiche der Beschreibungen sorgten dafür, dass ich, wie schon beim ersten Band, die ganze Zeit den Autor vor Augen hatte, er beim Lesen irgendwie anwesend war, wie bei einem Gespräch unter Freunden. ...

Aus: "Der Kampf mit dem Alltag" Gospelsinger  (21. März 2012)
Quelle: http://www.amazon.de/Lieben-Roman-Karl-Ove-Knausg%C3%A5rd/dp/3630873707 (http://www.amazon.de/Lieben-Roman-Karl-Ove-Knausg%C3%A5rd/dp/3630873707)

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Karl Ove Knausgård
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ove_Knausg%C3%A5rd (https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Ove_Knausg%C3%A5rd)

Title: [Selbstkonzept & Männlichkeitskonzept... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 10, 2014, 12:12:59 PM
Quote[...] Vor knapp zwei Monaten, am 19. März 2014, wurde Thomas S. erschossen. Er hatte sich ein halbes Jahr zuvor zwischen Gießen und Marburg ein Haus gekauft und begonnen, es zu renovieren. In der Garage stand seine Harley. Gegen 22:30 Uhr muss er Besuch bekommen haben, und dieser Besucher hat dann viermal auf ihn geschossen: dreimal in den Bauch und einmal in den Kopf. Es war so etwas wie eine Hinrichtung. Thomas S. hat sich noch aus dem Haus geschleppt und ist dann auf dem Gehweg zusammengebrochen. Der von Nachbarn gerufene Notarzt konnte nichts mehr tun.

Der mutmaßliche Täter wurde schnell fest- und in Untersuchungshaft genommen. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 34-jährigen Mann aus der Umgebung, der spielsüchtig sein und jede Menge Schulden haben soll. Ein Arbeitskollege von Thomas S. Auf der Suche nach Gründen und Motiven für die Tat stochert man nun im Nebel. Alles, was bisher vermutet wird, steht in keinem Verhältnis zur Schwere der Tat und vermag die entgrenzte Gewalt nicht zu erklären. Tötungen ohne ersichtliches oder nachvollziehbares Motiv hinterlassen bei Angehörigen und Freunden eine große Ratlosigkeit und Verstörung. Sie können sich das Geschehen nicht aneignen und kommen nicht zur Ruhe.

... Warum also tun Männer so etwas? Warum ziehen sie in den Krieg? Warum überfallen sie Banken und Geldtransporter? Sie wollen sich der Gefahr aussetzen und sich erproben. Sie wollen wissen, wie stark und kaltblütig sie sind, was sie aushalten. Das Leben als Bandit und Räuber besitzt die Würde der Gefahr. Mit dieser Würde bringt man später dann auch den Knast hinter sich. Es ist eine Lebensform, die dem Stechuhrdrücken und dem Vertikutieren des Rasens ums Einfamilienhaus allemal vorzuziehen ist.

Mir persönlich ist das Männlichkeitskonzept, das im Milieu und im Knast gelebt wird, immer fremd geblieben. Es ist für mich durch die Generation meines Vaters historisch diskreditiert und wegen der Frauenverachtung kein lebbares Modell. Der Literaturwissenschaftler und Publizist Klaus Theweleit hat den Zusammenhang zwischen dieser Form von soldatischer Männlichkeit und dem Faschismus in seinem Buch Männerphantasien aufgezeigt. Aber ich muss dieses Konzept von Männlichkeit verstehen, wenn ich mit den Häftlingen arbeiten will. Es hat seine Anziehungskraft auf junge Männer bis heute nicht eingebüßt.

Respekt, Ehre und Männlichkeit sind für die meisten Gefängnisinsassen wichtige Kategorien, ihre Identität kreist um diese Werte. Sie sind von klein auf von Frauen umgeben, die ihnen sagen: ,,Seid nicht so laut und grob!" Aber die Jungs denken: Das ist Frauengerede. Der Psychiater Hans-Ludwig Kröber hat in seinem Essay Töten ist menschlich darauf hingewiesen, dass man der Gesellschaft einen Bärendienst erweist, wenn man die traditionellen Männlichkeitskonzepte ignoriert oder als bloß defizitär stigmatisiert und pathologisiert. Die moderne und von Frauen dominierte weiche Pädagogik versucht, Kindern Aggression auszureden und abzugewöhnen. Gewalt sei böse und müsse vermieden werden.

In jener Lebensphase aber, in der männliche Jugendliche ein Selbstkonzept entwickeln, sind sie von den Rollen des Kämpfers, Kriegers oder Banditen fasziniert. Am nächsten kommt diesem Konzept der Sportler. In beiden Fällen geht es um den Einsatz des Körpers, um das Risiko. Die Anziehungskraft, die bestimmte Subkulturen auf Jugendliche ausüben, liegt weniger in deren Ideologie als in ihrer Gewaltbereitschaft und der Möglichkeit, Aggressionen auszuleben und sich auszuprobieren. Kröber sagt sinngemäß: Ein männlicher Umgang mit jugendlichen Straftätern ist absolut notwendig. Sie müssen spüren, dass man sie nicht zu Mädchen umerziehen möchte, sondern zu selbstdisziplinierten Männern. Sie müssen nach Regeln kämpfen lernen. Sie brauchen Männer als Vorbilder und männliche Paten. Gewalt darf nicht tabuisiert werden, sondern muss in Power umgewandelt werden.

... Es wimmelt in der Halb- und Unterwelt von Hitzköpfen, die nach Bestätigung und Anerkennung dürsten. Der ständige und scheinbar anlasslose Einsatz von Gewalt dient ihnen dazu, in einer Art fortwährendem Turnier Hierarchien zu etablieren. Die Tötung eines bekannten Kriminellen bedeutet einen Karrieresprung. Es geht im Milieu viel filmischer zu, als man denkt. Der Oxforder Soziologe Diego Gambetta hat die These aufgestellt, dass die Beziehung zwischen Gangster- und Mafiafilmen und krimineller Wirklichkeit keineswegs einseitig sei. Die Filme wirkten, besonders wenn sie Kultstatus erlangten, auf das Milieu zurück. Sie liefern möglicherweise auch Modelle dafür, wie man als junger Gangster von sich reden macht und sich durchsetzt.

...


Aus: "Der Fremde" Götz Eisenberg (05.06.2014)
Quelle: http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-fremde-1 (http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-fremde-1)

Title: [Patriarchalisch organisiert... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 26, 2015, 10:05:20 AM
Quote[...] Der Mann, der von einer fremden Welt erzählt, ist um die 40, er trägt die Haare kurz rasiert. Nennen wir ihn Aslan*. Er wird von einer Familie erzählen, die er gut kennt. Wie seine eigene Familie ist auch diese vor Jahrzehnten aus der Türkei nach Deutschland gekommen. "Ich möchte kein Nestbeschmutzer sein", sagt er gleich zu Beginn des Gesprächs. "Aber es ist mir wichtig, über Probleme in meiner Kultur zu reden."

... "Alle Familien sind patriarchalisch organisiert. Der Mann wird nicht kritisiert. Junge Männer werden alleingelassen. Sobald einer ins jugendliche Alter kommt, trägt er keine Probleme zu den Eltern, er muss sie selber lösen. Geht er doch zu ihnen, ist das ein Zeichen von Schwäche." Auch über Sexualität wird nicht gesprochen. Anstelle von Aufklärung hörte Aslan zu Hause: "Bring mir ja keine Schande ins Haus!" Eine ungewollte Schwangerschaft wäre ein Skandal, der nur durch Heirat überwunden werden kann – nicht aber, wenn die Schwangere eine Deutsche ist. "Eine Deutsche zu heiraten, ist praktisch unmöglich, die ist ja keine Jungfrau mehr. Wer keine Jungfrau mehr ist, ist weniger wert. Auch in Berlin wird nach der Hochzeitsnacht in kurdischen Familien nach dem Blutfleck auf dem Laken geguckt." ...


Aus: "Die Sippe weiß alles" Jörg Burger und Johannes Dudziak (25. Februar 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/erin-mord-maria-integration (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/erin-mord-maria-integration)



Title: [Männer die beim Schwur die Hand aus Herz legen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2015, 03:45:49 PM
Quote[...] Feridun Zaimoglu - Feridun Zaimoglu, geboren 1964 im türkischen Bolu, kam 1965 nach Deutschland. Er veröffentlichte zahlreiche Romane und Theaterstücke. Zuletzt den Roman "Isabel" bei Kiepenheuer & Witsch. Er lebt in Kiel und hat kein Internet. Hier schreibt er regelmäßig über Merkwürdigkeiten, die ihm in seinem Alltag begegnen. Die Texte schickt er natürlich per Fax.

Späte Nacht, bin abgekämpft, an den Nebentischen sitzen Abgekämpfte meines Schlages: ohne Begleitung, mit leerem Becher oder Glas auf dem Tisch. Starre in den Himmel und erschrecke – Stern bewegt sich. Flugzeug? Nein, zu hoch. Satellit, der die Erde in Bahnen umläuft, bis er herabstürzt.

Der Wirt spannt flink die Schirme auf, es gibt einen kurzen heftigen Regen. Es tritt aus dem Dunkeln heraus eine Frau, sie kennt mich aus der Zeitung. Sie fragt, ob sie sich setzen darf, ob sie stört. Ich sage blöd: Bitte ja, wieso nicht? Wir sprechen, wir sprechen über die Ehre. Was ist das? Etwas, was mit dem echten Leben nichts zu tun hat: Ehre ist das Kostüm aus Rattenhäuten, in das ein Mann schlüpft. Ein Wahn, für den die Frauen mit ihrem Blut bezahlen. Die Zeit der Ehrenduelle ist vorbei. Es ist jetzt die Zeit der aufgepumpten Ehrenproleten.

Sie spricht: Männer, die beim Schwur die Hand aus Herz legen. Männer, die die Himmelsmacht beschwören. Onkel, Cousins, Vettern haben sich mir unsittlich genähert. Ich war ein keimendes Mädchen. Und ich dachte: Wofür bestrafen sie mich? Habe ich gesündigt? Ist mein Schweiß der Sündenseim, der mir die Haut glänzen macht? Sie gingen ins Gotteshaus, sie legten das Strickkäppchen aufs Haar, sie lauschten den Worten des Predigers. Nachts, wenn sich auf alles ein Schleier legte, wenn ich im Dunkeln lag, kamen sie über mich und ich lag danach im verschmutzten Bett. Das Laken und die Bettdecke brannten. Und ich brannte, weil ich schlecht war. Die Männer brachten mir Schlechtigkeit bei.

Die Sünde, das war ich, ich war der Lockstoff: Meine Lehrer im Dunkeln haben es mich gelehrt. Später ging ich weg, ich verließ meine dunklen Verwandten. Sie nannten mich eine Verräterin. Ich verriet das Bett ihrer Wollust. Ich verriet das Mädchen ihrer Wünsche. Ich verriet meine Mutter, die mir sagte: Der feuchte Schritt des Mannes ist ein Greuel, aber lerne es zu übergehen. Ich spuckte auf sie alle. Genug, danke für die Zigarette, machs gut...

Schrott am Hamburger Himmel, ich schlüpfe in den Mantel, bestelle eine Karaffe Wasser. Ehre. Eine Kultur der Männer mit Ehre, die von der Keuschheit der Kindsfrauen reden, die sie heiraten – was ist das? Eine Perversion. Die Männer sagen: Das Ahnengesetz bindet uns. Scham und Schicklichkeit, darauf legen wir uns fest. Durch die Schande wird eine Frau ruchlos ... Was steckt hinter dem Geschwätz? Die Ehrenmänner stricken an der Lüge, die sie sich über die Schultern werfen wie einen alten geerbten Überwurf. Ich denke über die Männer nach, die in Scharen nach Deutschland kommen. Deutsche Frauen helfen ihnen unentgeltlich und doch müssten sie ein Unbehagen spüren. Werden die vertriebenen Kurden und Araber am Brauchtum ihrer Herkunftsländer festgehalten, weil es Rettung verspricht in einer unverständlichen Welt? Kippt die Stimmung, wenn die ersten Ehrenrächer die Frauen ihrer Sippe strafen?

Albaner, Türken, Kurden und Araber – was haben sie gemeinsam? Den Ehrenkodex, den viele fiese Frömmler heiligen. Treueschwur und Eidbruch, das sind für sie keine hohlen Worte. Großherzig sind die Deutschen, da sie die Flüchtlinge willkommen heißen. Fremde Männer fremder Sitten: Sie sind dankbar für das Bleiberecht, das ihnen gewährt wird. Leben sie sich ein, erkennen sie die Verkommenheit der Ordnungen denen sie entflohen sind? In den kleinen Parallelwelten, die man Türkenviertel nennt, gibt es uneinsehbare Abseiten, dunkle Katakomben, Hinterzimmer in Häusern auf Hinterhöfen. Sektenjünger und Splittergruppenmarxisten lehren hier die Regeln der Frechheit: Erkennt das Andere, das Fremde, nicht in euch. Erkennt es an den Deutschen, beben die Eiferer vor Glück, weil sie auf Anhang unter den neuen Einwanderern hoffen? Ich denke an die Kinder, an die Mädchen. Man erlaubt es ihnen nicht, dass sie heraustreten aus der Gemeinschaft der wahnverstrickten Männer. Ich hoffe, dass sie es schafften. Ein Leben ohne Ehre und Eide ist das bessere Leben.

QuoteVakit
#1  —  vor 21 Stunden

Ein Leben ohne Ehre und Eide ist das bessere Leben. ... Die Frau ist immer der Besitz des Mannes. Das ist so....ekelhaft.


QuotePhilomena
#4  —  vor 5 Stunden

Dieses Phänomen ist keines, der hier ansässigen ,,Fremden", der deutsche Mann macht das genauso! Meine Erfahrungen zeigen mir, dass es mit ,,Ehre" nicht viel zu tun hat, was Mann heute so umtreibt. Schade es könnte so schön sein, mit uns Frauen und euch Männern.



Aus: "Die Zeit der Ehrenproleten" (21. September 2015 um 8:00 Uhr)
Quelle: http://www.zeit.de/freitext/2015/09/21/feridun-zaimoglu-ehre-maenner/ (http://www.zeit.de/freitext/2015/09/21/feridun-zaimoglu-ehre-maenner/)

Title: [Durchlässigkeit und Ambivalenz... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 26, 2016, 12:30:17 PM
David is portrayed as the moral alien, from the first minutes of the film. ... Straw Dogs (1971)
https://wasiswill.wordpress.com/2015/12/13/straw-dogs-1971-david-sumner/ (https://wasiswill.wordpress.com/2015/12/13/straw-dogs-1971-david-sumner/)

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Wer Gewalt sät ist ein US-amerikanischer Thriller von Regisseur Sam Peckinpah aus dem Jahr 1971. Der Film basiert auf einem Roman des Schriftstellers Gordon Williams mit dem Titel The Siege of Trencher's Farm. ... Prisma: ,,Sam Peckinpahs Film ist eine Studie über die Mechanismen der Gewalt, eindringlich und effektvoll inszeniert und äußerst schwer verdaulich. Ein Meisterstück, das leider selten zu sehen ist. Und wenn, dann meist gekürzt und zerschnippelt. Dabei geht es Peckinpah nicht, wie ihm vorgeworfen wurde, um Gewaltverherrlichung. Gewalt ist bei Peckinpah – im Gegensatz zum sauberen und sterilen Actionkino der heutigen Zeit – immer mit Schmerz und Leid verbunden und nie bequeme Problemlösung."...
https://de.wikipedia.org/wiki/Wer_Gewalt_s%C3%A4t (https://de.wikipedia.org/wiki/Wer_Gewalt_s%C3%A4t) (02/2016)

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Quote[...]

Straw Dogs – Wer Gewalt sät
Originaltitel: Straw Dogs
Produktion USA 1971
Laufzeit: 113 Minuten
Kinostart: 30.03.1972
Regie: Sam Peckinpah


Straw Dogs, Sam Peckinpahs nihilistisches Meisterwerk um instabile Geschlechterverhältnisse ... Ein Mann hantiert unbeholfen mit einem Gewehr herum und zielt auf Rebhühner. Der Hügel, auf dem er steht, positioniert ihn im Bild selbst als Beute, umkreist von mehreren im Dickicht verteilten Jägern, die ihn mit abfälligen Blicken anvisieren. Zwischenschnitte zeigen einen Geschlechtsakt, der als Vergewaltigung beginnt, sich aber in einer erotischen Spannung entlädt, vor der die Frau schließlich kapituliert. Zurück auf dem Hügel: Der Mann konnte in der Zwischenzeit endlich ein Tier erlegen, betrachtet sein Opfer aber mit Reue. Hieran fehlt es dem nächsten Vergewaltiger, den ein weiterer Schnitt zeigt, wie er die nunmehr panische Frau missbraucht.

Die oben beschriebene, virtuos montierte Szene aus Sam Peckinpahs Straw Dogs – Wer Gewalt sät (Straw Dogs) sowie dessen Klimax sorgte 1971 für die Fortführung einer Kontroverse über explizite Gewaltdarstellungen, die bereits in den späten sechziger Jahren mit heute gleichermaßen etablierten Klassikern wie Bonnie und Clyde (Bonnie and Clyde, 1967) und Peckinpahs Western The Wild Bunch (1969) begann. Straw Dogs fand sich danach in vielen Ländern auf dem Index wieder. Seine ungekürzte Fassung wurde in Großbritannien erst 2002 zugänglich gemacht, nun zieht der deutsche Verleiher nach.

Peckinpah beginnt seine Gordon-Williams-Adaption zunächst mit der Festlegung einiger Oppositionen, die in ähnlicher Form dem Westerngenre zugrunde liegen. Die Rolle des zivilisierten Vernunftmenschen erfüllt der Mathematiker David Sumner (Dustin Hoffman), der mit seiner Frau Amy (Susan George) in deren Heimatdorf in Cornwall zieht. Die entgegengesetzte Bedrohung des Barbarischen manifestiert sich in den männlichen Dorfbewohnern, sogar in der Szenerie von Cornwall selbst, die Peckinpah dem gängigen Postkartenklischee zum Trotze als tristes Brachland darstellt. Überdies teilt Straw Dogs einige der Motive des amerikanischen Backwoodslashers. Die Dorfgemeinde erscheint rückständig und vormodern, größtenteils bevölkert von unheilvollen, teils debilen Gestalten, deren Handlungen stets dem Instinkt verhaftet sind und somit in ihrer Unberechenbarkeit bereits die Möglichkeit einer Eskalation andeuten. So ist es auch in erster Linie ein konstanter psychologischer Terror, den Peckinpah als Unterton seines Filmes verankert.

Es verwundert zunächst nicht, dass David, zumal Amerikaner, im Dorf wie ein Aussätziger behandelt wird. Dass der bekennende Pazifist am Ende einen nach dem anderen der in sein Haus eindringenden Dörfler, die ,reuigen Hunde' des Titels, mit graphischem Einfallsreichtum umbringen wird, genauso wenig. Peckinpah treibt Davids Ausbruch und die Demontage seines Selbstverständnisses mit einer stringenten Logik voran, die auch Horror- und Thrillerfilmszenarien unterliegt. Gegenwehr wird hier angesichts irrationaler Vorgänge meist zur zwingenden Notwendigkeit, und in Straw Dogs drückt sich in dieser Unabdingbarkeit auch die nihilistische Tendenz aus, die Peckinpah-Filmen eigen ist. Straw Dogs ist aber weitaus mehr als ein pessimistisches soziologisches Experiment über die These, Gewalt produziere Gegengewalt. Der Katalysator für Davids Wandlung ist noch anderswo zu verorten, sieht sich ihre Veräußerlichung doch in der Beziehung zu Amy angelegt.

Die erste Einstellung von Amy in Straw Dogs ist ein Close-Up, eine Subjektive auf ihre Brüste, die sich mangels BH klar abzeichnen. Ein Bild, das sie mit der Form einer liberaleren, aber auch freizügigeren Sexualität, mit der die späten sechziger Jahre identifiziert werden, assoziieren. Als bewusstes Objekt der Blicke und Begierde der männlichen Cornwaller weiß sie sich auch zum Missfallen Davids oft zu inszenieren, was viele Kritiker damals als selbsterklärende Ermutigung einer Vergewaltigung lasen. Nach dieser Deutung erhält Amy, und mit ihr ein bestimmtes historisches Frauenbild, die Quittung für einen vermeintlich provokativen Umgang mit Männern.

Das Spiel der Blicke, das Peckinpah in Straw Dogs mit seiner subjektiven Kamera und fließenden, dann wieder fragmentarischen Montage immer wieder entfacht, ist jedoch ein derartig komplexes, dass es solch reduzierte Ansätze unterläuft. Die Position von Amy im Blickfeld der Dörfler wechselt zunehmend. Mal ist sie kontrollierende, einladende Instanz, dann entgleitet ihr diese Autorität. Eine Tatsache, die ihre Vergewaltigung als traurige Konsequenz erscheinen lassen muss, nur dass man Handlungshergänge nicht mit derselben Bestimmtheit berechnen kann wie die Wahrscheinlichkeiten, denen sich David als Mathematiker widmet. So ist es letztendlich auch ein komplizierter Diskurs über die Idee des Opfers, den Peckinpah in Straw Dogs effektiv und gehörig ambivalent führt.

Die beiden Fronten, die in dem zaghaften David und den rohen Cornwallern aufeinander treffen, entsprechen letztlich zweierlei Entwürfen von Maskulinität. Überdies deutet Peckinpah anhand einer Reihe von Provokationen, die Amy als Affront gegen Davids männliche Integrität konzipiert, schon früh an, zu welcher Variante sie sich mehr hingezogen fühlt. Der eheliche Akt vollzieht sich dann auch eher spielerisch, bar jeder Erotik, und steht in verstörendem Kontrast zu der sexuell aufgeladenen Schlüsselszene des ersten Missbrauchs. Die Ehe und Kompatibilität der Sumners werden zudem in unzähligen Szenen von Peckinpah in Frage gestellt. Straw Dogs' männlicher Protagonist – und hierin unterscheidet er sich grundlegend von einer nicht nur dem Western eigenen traditionellen Figur des patriarchalischen Helden – definiert sich lediglich über den Intellekt und lässt zum Bedauern Amys jegliche Statur vermissen. Daran ändert auch der Initiationsritus der Jagd zunächst nichts, dem David zum Schein unterzogen wird.

Nach dieser Logik müsste er im gnadenlosen Finale des Films als Held hervorgehen. Dass dies nicht der Fall ist, liegt an der Durchlässigkeit und Ambivalenz der in Straw Dogs dargestellten Geschlechterbilder und Wertvorstellungen, die den Film unmissverständlich zu einem Dokument seiner Zeit machen. Davids Überschreitung der eigenen Grenzen ist absolut und unumkehrlich. Wie es am Ende in der Bejahung einer moralischen Bankrotterklärung heißt: ,,I don't know my way home".


Aus: "Straw Dogs – Wer Gewalt sät" Katharina Stumm (16.07.2007)
Quelle: http://www.critic.de/film/straw-dogs-wer-gewalt-saet-930/ (http://www.critic.de/film/straw-dogs-wer-gewalt-saet-930/)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 04, 2016, 02:51:42 PM
Quote[...] Durch Dating-Apps wie Tinder ist Ihre Illusion des bindungslosen, schnellen Sex Wirklichkeit geworden: Überall kann man einen Fremden an der Ecke auf ein Abenteuer treffen.
Erica Jong: Haben die wirklich guten Sex? Männer können, wenn sie jung sind, eine Nummer nach der anderen schieben. Frauen brauchen mehr Verbindung. Ich denke nicht, dass es für uns so leicht ist, großartigen Sex mit jemandem zu haben, der keine Empathie für uns hat.

Wieso sind die Apps dann so erfolgreich?
Erica Jong: Männer haben große Angst vor Zurückweisung. Die App garantiert einem, dass man nicht völlig zurückgewiesen wird. Jede Frau, die man über ein solches Date trifft, hat einen schon akzeptiert.

Wir werden als Frauen doch auch ungern gekränkt.
Erica Jong: Für Männer ist es schlimmer. Das liegt am Penis. Der hat sein eigenes Temperament. Funktioniert er? Funktioniert er nicht? Manchmal versagt er den Dienst mit jemandem, den man wirklich mag, funktioniert jedoch hervorragend mit einer Fremden. Jeder Mann ist komplett besessen von seinem Penis und diesen Fragen. Das geht so lange, bis der Mann erwachsen ist und mehr über sich gelernt hat.

...


Aus: "Erica Jong: ,,Frauenhass ist Angst vor der eigenen Mutter"" Julia Prosinger und Deike Diening (04.05.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/feminismus-ikone-erica-jong-ich-habe-es-nie-als-sex-buch-gesehen/13522852-2.html (http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/feminismus-ikone-erica-jong-ich-habe-es-nie-als-sex-buch-gesehen/13522852-2.html)
Title: [Die Konstellation ist dabei immer... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 04:29:20 PM
Quote[...] Amok in München, nicht sehr weit von uns. Das ist schrecklich, gewiss. Andererseits ist es auch nicht sehr überraschend. Man konnte gewissermaßen auf eine solche Tat warten: Erfurt, Nickle Mines, Emsdetten, Tuusula und Kauhajoki. Winnenden oder Newtown, Oslo und jetzt München – das sind Beispiele von Amokläufen der vergangenen fünfzehn Jahre – und es sind längst nicht alle.

Die Konstellation ist dabei immer die gleiche: Es sind junge Männer mit Problemen, häufig in therapeutischer Behandlung, sozial schlecht integriert, einsam, mit dem PC als bestem Freund, Gewaltspiele und -fantasien, miese Schulkarriere, schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt, dementsprechend viel Frust und Aggressionspotential.

... In der Kriminalstatistik sind Jungen sechzig Mal öfter vertreten als Mädchen; psychische und psychosomatische Störungen sind bei Jungen achtmal häufiger; ihr Anteil in Förderschulen und Institutionen für Verhaltensauffälligkeiten beträgt zwei Drittel; dreimal so viele Jungen wie Mädchen sind heute Klienten von Erziehungsberatungsstellen; im Durchschnitt sind mittlerweile alle Schulleistungen von Jungen schlechter als die der Mädchen; Alkohol- und Drogenprobleme von Jungen nehmen dramatisch zu; die zweithäufigste Todesursache von männlichen Heranwachsenden ist der Suizid, wobei sich Jungen mindestens sechsmal häufiger selber umbringen als Mädchen im gleichen Alter.

Immer mehr Jungen wachsen heute vater- und männerlos auf, was allgemein als eine der wichtigsten Ursachen für ihre zunehmende Desorientierung ausgemacht wird. In einigen Ländern haben schon mehr als die Hälfte der Jungen keinen Vater mehr. Die Sinus-Studie der deutschen Bundesregierung belegt die Ängste der jungen Männer.

,,Unsere Söhne haben Probleme", schreibt der Jungenpsychologe William Pollack., ,,und diese Probleme sind gravierender, als wir denken." Selbst die Buben, die nach außen ganz "normal" wirkten und den Anschein erweckten, mit dem Leben gut zurechtzukommen, seien davon betroffen. ,,Gemeinsam mit anderen Forschern musste ich in den letzten Jahren erkennen, dass sehr viele Jungen, die nach außen hin ganz unauffällig wirken, in ihrem Inneren verzweifelt, orientierungslos und einsam sind."  Sie können sich nicht mehr an allgemein gültigen Bildern von Männlichkeit orientieren, wie das früher der Fall war. Stattdessen müssen sie sich allein zurecht finden – nicht zuletzt, weil das die männliche Rolle von ihnen verlangt.

In den vergangenen vierzig Jahren hat sich die Politik auf die Förderung von Mädchen und Frauen konzentriert; dass es noch ein anderes Geschlecht gibt, geriet dabei in Vergessenheit. Wenn wir weitere Katastrophen verhindern wollen, müssen wir uns überlegen, wie wir unseren Jungen neue Ziele, konstruktive Wege und ein anderes Männerbild vermitteln können. Ansonsten können wir auf den nächsten Amoklauf warten.

- Walter Hollstein ist Em. Prof. für politische Soziologie in Berlin, Autor von ,,Was vom Manne übrig blieb" (Verlag Opus Magnum)

...


Aus: "Nach Amoklauf in München Die Einzeltäter sind Teil einer "Jungenkrise"" Walter Hollstein (25.07.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-amoklauf-in-muenchen-die-einzeltaeter-sind-teil-einer-jungenkrise/13919532.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-amoklauf-in-muenchen-die-einzeltaeter-sind-teil-einer-jungenkrise/13919532.html)

QuoteSchland 14:23 Uhr
Eine reaktionäre Politik hat negative Folgen für alle

Die Verblödung geschieht absichtlich seit den 90er Jahren im Zusammenhang mit der neoliberalen Politik. Dieter Bohlen und Bushido sind keine guten Vorbilder, und doch wuden sie als Stars an wichtiger Stelle ins Fernsehen gesetzt.

Promis sind Vorbilder. Ob das idiotische Machos sind oder Fußballer: Es ging um einen neuen Macho-Kult.

Zum Macho, der eher mit Muskeln und ordinärem Verhalten glänzt, gehört das weibliche Dummchen. Überall wird die Frau als immer verfügbares Sexobjekt dargestellt, als dauergeile Huren.

Dies wirkt natürlich auf Männer aus streng patriarchalischen Kulturen fatal. Pornografie hat stark zugenommen, die Beziehungen dagegen nehmen ab.

Wenn "schwul" und "Weichei" ein Schimpfwort ist für verständnisvolle eher weiche Männer, ist das schlecht für sensible Jungs. Sie unterdrücken ihre Empfindsamkeit und versuchen, sich dem Macho-Vorbild anzupassen. Gruppendynamik entsteht an Schulen und in Netzwerken.

Der Künstler Liam Miscellaneous hat hier die Posen nachgestellt von weiblichen Prominenten und entlarvt damit die dumme Affektiertheit und das Pornografische der angeblich modernen Frau. Dies ist sehr lustig:
https://www.instagram.com/waverider_/ (https://www.instagram.com/waverider_/)

Fazit:. Der Kommerz ist das Wichtigste im überdrehten Kapitalismus. Die Werbebilder zeigen nie die Realität, sind aber dennoch wichtig für die Rollenbilder. Künstlichkeit und Besitzstreben sind zu wichtig geworden. Ein paar Gewinner des Rollbacks gibt es: Konzerne für Kosmetik, Fitness-Studios, Schönheitschirurgen und die Prostitution.

Leider hat dieses Wirtschaftssystem nur noch für wenige Menschen Plätze frei, die zu Wohlstand führen. Der soziale Aufstieg ist kaum noch möglich. Damit fehlt die Antriebsfeder für Innovation und persönliche Entwicklung und Bildung.

Darum brauchen wir eine sozialere Politik und ein anderes Menschenbild, das den Einzelnen nicht nach seinem Geldbeutel beurteilt.

QuoteMcSchreck 16:00 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Schland 14:23 Uhr
Sie scheinen sehr jung zu sein. Sonst wüssten Sie, dass das Wort "schwul" früher viel schlimmer war als heute und einiges andere auch. Die "soziale Teilhabe" ist auch großzügiger als vor 30 Jahren, als ich ein Kind war. An Urlaub o.ä. war da auch für "normale" Familien nicht zu denken, vielleicht in der Nähe (im Süden nach Italien, im Norden an die Nord- oder Ostsee), aber nicht Fernreisen wie heute.

Sie trauern einer Zeit nach, die es nie gab.



Quoteheiko61 14:08 Uhr
Das Problem ist sehr real

und wird in unseren weiblich dominierten Kitas und Grundschulen meist vermutlich unbewusst durch oftmals systematische Diskriminierung von Jungen noch verschärft. Jungen haben im Kindesalter nun mal einen biologisch bedingten Entwicklungsrückstand von einigen Monaten gegenüber gleichaltrigen Mädchen, sind etwas wilder und aufmüpfiger. Gute Pädagogen können damit problemlos umgehen. Aber es gibt davon leider viel zu wenige! Der Schaden, der hier im frühen Kindesalter entsteht, ist in unserem Bildungssystem nach der zu frühen Segregation in späteren Jahren nur noch mit riesigem Aufwand zu reparieren.

Und dieses Forum zeigt, dass auch außerhalb des Bildungssystems kaum Sensibilität für die Probleme dieser Jungen besteht. Arroganz oder Forderungen nach mehr Härte oder gar der Armee deuten auf eine unfassbare Problemverdrängung hin und treiben diese Jungen immer tiefer in ihre Probleme hinein!


QuoteFilip 13:59 Uhr
Wir haben kein "Jungenproblem " in unserer Gesellschaft, sondern ein soziales Problem. Der neoliberale Wirtschaftskurs der Kanzlerin, reproduziert Armut, soziale Verelendung und Gewalt. Das klassische Familienleben ist für viele Menschen gar nicht mehr so möglich, da die Eltern beide Vollzeit arbeiten müssen um über die Runden zu kommen. Von kleinauf ist man nun einem sehr hohen Konkurrenzdruck ausgesetzt. Man muss ein sehr gutes Abitur machen um überhaupt eine Chance zu haben , an einer Universität angenommen zu werden  um einen gut bezahlten Job zu bekommen.
Zusätzlich sind viele junge männliche Flüchtlinge letztes Jahr ins Land gekommen, welche  perspektivlos und frustriert in der bürokratischen Mühle feststecken.
Man wird die Probleme nur dann in den Griff bekommen, wenn man sich endlich den dringenden sozialen Fragen der Zeit stellt.


QuoteLesedieinternationalePresse 15:33 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Filip 13:59 Uhr

    Wir haben kein "Jungenproblem " in unserer Gesellschaft, sondern ein soziales Problem.

Das denke ich auch. Unter "Jungenkrise" wird eine Pauschalisierung unterschiedlicher Sozialisierungsprobleme verkauft, schönes Schlagwort. Dann gibt es gleich noch ein paar Anti-Feminismus-Kommentare von einigen Postern gratis dazu.


QuoteTsotsi 13:29 Uhr
Auch hier wieder....

man macht nur Sorgen um die Täter und die Opfer - und auch wir doofen Steuerzahler -  bleiben auf der Strecke. Dabei wäre bei konsequenter Anwendung der existieren Regeln (z.B. Abschiebung und KEINE Bleibeduldung) so manche Tragödie zu verhindern gewesen.

Quotewunschbenutzer 14:25 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Tsotsi 13:29 Uhr
Auch hier wieder: Nein!

Es geht nicht darum, sich Sorgen um die Täter zu machen. Es geht darum zu verstehen, wie es zu solchen Taten kommen kann. Ohne Verstehen kann es keine geeignete Strategien geben, solche Ereignisse in Zukunft zu verhindern.

Das ist eine sehr intelligente Herangehensweise, in deren Zentrum die Sorge um unser aller Wohl steht.
Was die "konsequente Anwendung existierender Regeln" angeht: Der junge Mann sollte abgeschoben werden.
Und welche Tragödien genau meinen Sie mit "manche"? Ich sehe da nicht eine einzige.


Quotejoschi 15:06 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Tsotsi 13:29 Uhr
Wohin hätte denn der deutsche Täter abgeschoben werden sollen, ihrer Meinung nach? Oder benutzen Sie den Amoklauf eines vermutlich depressiven deutschen Schülers um gegen Immigranten zu hetzen?



QuoteGrussUndKuss 13:21 Uhr
Wir haben kein "Jungenproblem". Wir haben ein Laberproblem: es wird gelabert, aber nichts gemacht, weil wir zu warmduschenden Morlocks mutiert sind.

QuoteIzmir.UEbuel 13:30 Uhr
Antwort auf den Beitrag von GrussUndKuss 13:21 Uhr
Sie wissen aber schon, dass die dekadenten Warmduscher aus "Die Zeitmaschine" die Eloi sind?


QuoteGrussUndKuss 13:47 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Izmir.UEbuel 13:30 Uhr
Ja, die meinte ich. Hab's verwechselt.



Quotehadi 13:21 Uhr
Schlimm, schlimm. schlimm -- und alle suchen nach Lösungen

Solange die Gesellschaft gern in Massenveranstaltungen investiert und dabei
auch die Ich-Bezogenheit propagiert und trotzdem den Einzelnen außer
acht lässt, werden wir wohl immer mit solch schrecklichen Ereignissen
konfrontiert.
Mangelhaft ist doch das Weltbild wie es in vielen Familien (der "Keimzelle" dess Staates) erlebt und gelebt wird. Hinzu
kommen die unterschiedlichen Mentalitäten, die im Ost-West-,
hauptsächlich aber im Nord-Südgefälle aufeinandertreffen. Dieses
einander nicht verstehen wollen, die Rechthaberei fängt doch oft, zu oft
im Zusammenleben zweier Menschen (Erwachsenen) an. Wie soll sich da ein
Kind geborgen fühlen, zumal wenn es als Einzelkind in der "Familie"
aufwächst?
Hinterher, nach dem GAU, sind wir dann tief bestürzt über das Unfassbare. Dabei haben Eltern, Lehrer, Psychater, Schüler und so
weiter im Vorfeld versagt -- milde ausgedrückt es nicht verstanden --
weil sie die Menschenwürde, den Respekt vor und für den anderen nicht
gelebt haben.
Von den Werten des Abendlandes wird nur geredet. Die meisten finden diese Werte lästig, weil sie den eigenen Egoismus stören.


Quoterentnerin 13:14 Uhr
Orientierungslos und verzweifelt? Ich hätte da eine Lösung, die lautet, den Militärdienst wieder einführen , für alle, da könnten "unsere Söhne" (nicht nur die deutschen) ihre Agressionen abreagieren, indem sie sich von morgens bis abends durch die Gegend bewegen, und somit ihr Männerbild wieder zurechtrücken. Kein Computer oder Smartphone. Der Vorgesetzte könnte die ach so vermisste (strenge) Vaterrolle ersetzen. Das wäre die beste Medizin.


QuoteIzmir.UEbuel 13:23 Uhr
Antwort auf den Beitrag von rentnerin 13:14 Uhr
Warum nicht gleich wieder ein kleiner Krieg als "reinigendes Stahlgewitter"?


QuoteFocusTurnier 13:27 Uhr
Antwort auf den Beitrag von rentnerin 13:14 Uhr
Wehrpflicht

Wenn es um die Wiederaufnahme der Wehrpflicht geht, sollten wir natürlich die Gleichstellung nicht vergessen. (Es müssen also mindestens soviel Frauen wie Männer für diesen Staat den Arsch hinhalten....). Sie werden sehen, wie schnell die Wehrpflicht dann wieder in den Schubladen verschwindet.


Quotehappyrocker 14:20 Uhr
Antwort auf den Beitrag von FocusTurnier 13:27 Uhr
Wenn die Wehrpflicht "aus therapeutischen Gründen" zur Sozialisierung junger Männer wieder eingeführt wird, haben Frauen nichts damit zu tun. Frauen sind als Gewalttäterinnen die absolute Ausnahme. Dann ginge es ja gerade nicht um "den Staat" sondern um die jungen Herren selbst.


Quotealtkreuzbergerin 12:58 Uhr

    Sie können sich nicht mehr an allgemein gültigen Bildern von Männlichkeit orientieren, wie das früher der Fall war.

Mit diesem Ausspruch kann ich wenig anfangen.
Welche "allgemein gültigen Bilder von Männlichkeit" sind denn hier gemeint?
Die vom alleinverdienenden Mann, der eine kochende und putzende Frau zuhause hat?
Auch für Mädchen und Frauen gibt es keine "allgemein gültigen Bilder von Weiblichkeit". Zum Glück!
Das kann meiner Meinung nach nicht der Grund sein, warum es Amokläufer gab und gibt.

Gleichberechtigte Förderung von Mädchen und Jungen wäre natürlich schön. Aber ich kann nicht beurteilen, wie der Stand der Dinge ist. Ich könnte mir auch vorstellen, dass bestimmte Angebote vielleicht einfach mehr von Mädchen angenommen werden.
Und alle, die den "Girls' day" hier als Negativbeispiel für einseitige Förderung von Mädchen nennen: Es gibt auch einen "Boys' day".
Dieser soll Jungen Berufe vorstellen, in denen überwiegend Frauen arbeiten (genauso wie der "Girls' day" umgekehrt Berufe vorstellt, in denen vor allem Männer arbeiten).

Es ist wichtig Kindern/Jugendlichen/Heranwachsenden, die orientierungslos und psychisch labil sind zu helfen. Das Geschlecht spielt hierbei für mich aber eher eine geringfügige Rolle.


Quoteantonia_f 15:47 Uhr
Antwort auf den Beitrag von altkreuzbergerin 12:58 Uhr
Wie schön - endlich ein ausgewogener Leser-Kommentar. Die einseitige Betrachtung fehlender "Rollenvorbilder" ist mir auch als merkwürig aufgefallen. Und noch etwas: Der Unterschied in den Suizidraten, den verschiedensten psychiatrischen Auffälligkeiten  usw. besteht nicht erst seit irgendwelchen Gender-Geschichten sondern zieht sich schon viel, viel länger durch die Psychiatrie-Geschichte. Ich finde den gesamten Artikel sehr unseriös, denn er suggeriert unterschwellig Zusammenhänge, die so nicht behauptet werden können - wenn nämlich die genannten m/w Unterschiede in den Häufigkeiten psychischer Störungen bereits früher bestanden haben, dann können wir nicht gesellschaftlich erst später einsetzende Phänomene (also bspw. Scheidungsraten, fehlende Väter, soz.-polit. Maßnahen für Mädchen usw.) dafür als Ursachen heranziehen wollen.


QuoteFredSchreiberling 11:47 Uhr
Jungen bzw. junge Männer stecken in einem Dilemma weil sie häufig nicht genau wissen wer und warum sie sind. Insbesondere wenn sie keine wirklich festigenden Erfahrungen mit männlichen Erziehungsberechtigten machen können. Väter ziehen häufig die Karriere vor und sind nur kurzzeitig zuhause oder ziehen gleich aus und lassen eine Trümmerfamilie zurück. Grund schlechte Bezahlung: Erzieher in Kindergärten sind absolute Exoten und Mangelware. In Grundschulen sind männliche Pädagogen auch recht schwach vertreten. Anstatt "grobe" Spiele wie Fussball wird von der Lehrerin eher Volleyball oder Gymnastik gemacht. ...


Quotejohndoe19 11:45 Uhr
"Immer mehr Jungen wachsen heute vater- und männerlos auf, was allgemein als eine der wichtigsten Ursachen für ihre zunehmende Desorientierung ausgemacht wird."

Wenn ich mir überlege, dass infolge der beiden Weltkriege die Anzahl der deutschen Männer auf ein Minimum  zurückging, dann frage ich mich schon, ob die "Vaterlosigkeit" mit Desorientierung und mit Fehlentwicklungen bei männlichen Jugendlichen zu tun hat.
Wäre die Theorie richtig, dann müsste sich die Situation seit 1945 er verbessert als verschlechtert haben.


Quotenoneblonde 10:38 Uhr
Das hört sich für mich wie Hohn an. Da wird einem Mörder viel Aufmerksamkeit geschenkt und nach Gründen gesucht, warum das passiert ist. Keiner widmet sich den Opfern und den Angehörigen, die Ihre Kinder zu betrauern haben. Was ist das für eine verkorkste Welt ? Die Medien machen mit, wenn Sie Bilder und Namen der Täter zeigen. Sie sorgen mit dafür, dass so eine kranke Seele die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr im Leben nicht zuteil wurde.

QuoteZelia 11:12 Uhr
Antwort auf den Beitrag von noneblonde 10:38 Uhr
Ich empfinde ähnlich, aber vom Betrauern der Opfer wird leider nichts besser. Man kann so etwas nur verhindern, wenn man die Täter versteht, daher müssen solche Themen auf den Tisch.
Ich fände es allerdings ungerecht, wenn aggressive Kinder besonders viel Zuwendung bekommen und stille Leider dadurch noch weniger. Gut wäre es, wenn mehr auf alle Kinder geachtet werden würde und wir für eine gerechte, faire, gesunde Gesellschaft sorgen. Dann wird es immer noch zu Einzeltaten kommen, aber dann kann man wenigstens sagen, dass man alles in seiner Macht stehende getan hat.



Quoteberlinradler 24.07.2016, 17:25 Uhr
In meiner Jugend, die in der Nachwendezeit in Berlin stattfand, habe ich die Unordnung und die Freiräume geschätzt, die nach und nach einer Hochglanzstadt weichen mussten. Und klar, Man(n) hat auch mal was angestellt - gehört irgendwie auch dazu, so dämlich das im Nachhinein wirkt. Tatsächlich ist das eigentlich notwendige "Abhängen" doch kaum mehr möglich, und wenn dann nur ordentlich, STVO-konform und eher nicht unter freiem Himmel.

Jetzt bin ich erwachsen und kann in einer Welt, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen Erwachsener orientiert, klarkommen. Klar ist mir aber auch, dass meine Tochter eine vollkommen andere Kindheit haben wird als meine Generation. Besser oder schlechter, das ist ganz schwer zu sagen.

Das Problem an solchen Texten ist eine Schuldzuweisung an "die Gesellschaft". Wenn ein Problem für heutige junge Männer besteht, muss man das wohl verständlicher artikulieren und Wege aufzeigen, die aus diesem Problem heraushelfen können.


Quotehammerling 24.07.2016, 16:29 Uhr
Es ist noch schlimmer: 100 Prozent aller jungen Väter sind junge Männer. Ich denke nicht, daß wir eine Jungenkrise haben, sondern eher eine Elternkrise.


Quotesonnenfisch 11:02 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Wolfsgeheul 24.07.2016, 15:55 Uhr
Als Mutter zweier Jungen kann ich hier nur zustimmen. Jungen werden von Anfang an systematisch diskriminiert. Es geht los bei der Tagesmutter, gefolgt von der Erzieherin in der Kita, von den Lehrerinnen in der Grundschule und selbst im Gymnasium, zumindest in allen Fächern, die nichts mit Mathematik oder Naturwissenschaften zu tun haben. Immer wird versucht, aus den Jungs Mädchen zu machen. Sie sollen still sitzen, leise sein und Mandalas ausmalen, aber bitte nicht über die Linie. Jungs müssen sich aber ausprobieren, ihre Kräfte messen und ihren Bewegungsdrang stillen. Es gibt nur sehr wenige - i.d.R. männliche - Lehrer, die das verstehen und darauf eingehen und damit umgehen können. Jungen aus intakten Familien können von ihren Eltern noch ganz gut vor dieser Diskriminierung und ihren Folgen bewahrt werden. Für alle anderen sind die Folgen schon fast zwingend vorgegeben.


...
Title: [Einen eindrucksvollen Beitrag zu dieser Diskussion... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 25, 2016, 04:45:26 PM
Quote[...] Zehntausende deutscher Männer beteiligten sich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges mit großer Selbstverständlichkeit an Massenmorden. Die Frage, wie jene weitverbreitete Bereitschaft zu töten entstehen und erzeugt werden konnte, bewegt nach wie vor die Gemüter.

Die Täterforschung erklärt dies mit einer Umwertung moralischer Maßstäbe, die zur Herausbildung einer eigenen ,,Tötungsmoral" geführt hat. Entsprechend betrachteten die Täter das Töten von Menschen im Dienste einer übergeordneten Sache als normal und moralisch einwandfrei. (Harald Welzer. Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden. Frankfurt/Main, 2005.)

Einen eindrucksvollen Beitrag zu dieser Diskussion, bilden die von dem Journalisten Klaus Hillenbrand ausgewerteten Initiativbewerbungen für das Amt eines Scharfrichters. Hunderte von Männern bewarben sich in der NS-Zeit für diese Aufgabe. 482 dieser Bewerbungen hat Klaus Hillenbrand ausgewertet und etliche davon in seinem Buch dokumentiert.

Während die Täter des Holocaust sich kaum zu ihrer Motivation äußerten, geben diese Briefe Einblick in das Denken von Männern, die es geradezu zum Töten drängte. Sie hielten es für erstrebenswert, die mörderische Politik des Regimes aktiv zu unterstützen, in dem sie ihre Hilfe bei der Tötung von als Verbrechern, Reichsfeinden und Untermenschen Definierten anboten. Und sie taten dies, obwohl auch unter dem NS-Regime der Beruf des Scharfrichters mit sozialer Ächtung verbunden war und keinerlei Prestige besaß. Zwar ging aus vielen Bewerbungen hervor, dass sich ihre Verfasser eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation erhofften; die Tatsache, dass man in den letzten Jahren der NS-Herrschaft, angesichts der enorm gestiegenen Zahl von Hinrichtungen, als Henker sehr viel Geld verdiente, konnten die Bewerber jedoch nicht vorausahnen. Ihre Bewerbungsschreiben sind Belege dafür, wie hoch die Gewaltbereitschaft in Teilen der Gesellschaft war, auch schon zu Beginn der 30er Jahre, also zu einer Zeit, als das NS-Regime noch nicht die Möglichkeit hatte, seine Kultur der Gewalt widerspruchslos in Staat und Gesellschaft durchzusetzen.

Die NS-Bewegung setzte von Anfang auf Gewaltbereitschaft und die SA tat sich bereits in der Weimarer Republik durch Gewalt bis hin zu Morden gegenüber politischen Gegnern und Juden hervor. Diese Kultur der Gewalt kommt auch in diversen Bewerbungen zum Ausdruck. Die meisten der Männer verfügten bereits Gewalterfahrungen in Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern, als Angehörige von Freikorps und oder der SA. Bereits kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten gingen die ersten Bewerbungen ein. Die Anzahl der Männer, die sich zum Henker berufen fühlten, vervielfachte sich. In den Jahren der Weimarer Republik bewarben sich durchschnittlich sieben pro Jahr, im Jahr 1933 allein 72.

,,Hass gegen das Untermenschentum", so beschrieb ein Bewerber am 1. März 1933 seine Motivation. Die politische Übereinstimmung mit den Zielen des NS-Regimes betonten viele der Bewerber. ,,In Anbetracht unserer politischen Umwälzungen in unserem Vaterlande und die Berufung unseres allseits verehrten Führers Adolf Hitlers zum Reichskanzler, möchte ich nicht abseits stehen und fühle mich für diese schwere Handwerk besonders berufen" schrieb jemand am 23. März 1933.

Ein anderer formulierte: ,,Mich drängt nicht die Sensation oder andere Gelüste sondern lediglich die Erkenntnis: Dies der nicht zu erschütternde richtige Kurs den unser verehrter Führer Adolf Hitler ergriffen hat." Ein weiterer Bewerber machte sogleich Vorschläge um das Töten effektiver und abschreckender zu gestalten und plädierte für die Einführung des elektrischen Stuhls. Um das ,,politische Verbrechertum" zu bekämpfen, bot ein beim Bezirksamt Pankow als Beamter angestellter Stadtinspektor am 13. April 1933 seine Dienste als Henker sogar ehrenamtlich an.

Auch in den folgenden Jahren, als der verbrecherische Charakter des NS-Regimes immer deutlicher hervortrat, findet sich eine solche Haltung in den Bewerbungen. Im Februar 1939 schrieb ein Interessent: ,,Ich trage Hass und Verachtung in mir gegen Mörder, Verbrecher und Vaterlandsverräter". Antisemitismus spielte bei den Motiven einiger Bewerber ebenfalls eine Rolle: ,,Würde mir recht sein, wenn ich in einem Judenlager mein (i.O.) Dienst verrichten kann, denn diese Gruppe weist ja immer die meisten Täter auf" formulierte ein Pförtner aus Breslau. Zum Zeitpunkt seiner Bewerbung am 3. April 1943 wurden gerade die letzten noch verbliebenen Juden aus Deutschland deportiert.

Während des Krieges gingen viele Bewerbungen von Soldaten ein, die darauf verwiesen, dass sie sich bereits freiwillig zu Hinrichtungskommandos gemeldet hatten. Offenkundig hatten sie Gefallen am Töten von Menschen gefunden.

Nur sehr wenigen der Initiativbewerber gelang es, ihren Berufswunsch zu verwirklichen. Auch die NS-Behörden betrachteten Henker als sozial deklassierte Berufsgruppe und blickten entsprechend skeptisch auf jene, die sich dazu drängten. Diejenigen Scharfrichter, die während der NS-Zeit amtiert hatten und an der Tötung von mindestens 12.000 Menschen beteiligt waren, blieben, wie auch Richter und Staatsanwälte, die für die Todesurteile verantwortlich waren, in den Westzonen von der Justiz unbehelligt. Einige amtierten über das Ende der NS-Herrschaft hinaus. Der in München tätige Johann Reichart, der u.a. Hans und Sophie Scholl hingerichtet hatte, vollstreckte nun im Auftrag der US-Militärbehörden die Todesurteile gegen NS-Verbrecher.


Aus: "Berufswunsch Henker" Rezensionen von Michael Schmidt (Mittwoch, 6. November 2013)
Quelle: http://www.diesseits.de/panorama/rezensionen/1383692400/berufswunsch-henker (http://www.diesseits.de/panorama/rezensionen/1383692400/berufswunsch-henker)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 26, 2016, 01:14:44 PM
Quote[...] Die Bilanz der letzten fünf Wochen ist erschütternd, und sie schlägt aufs Gemüt. Orlando, 12. Juni: Ein Mann ermordet 49 Menschen. Paris, 13. Juni: Ein Mann ermordet ein Polizisten-Ehepaar. Fislisbach, 14. Juni: Ein 17-jähriger Mann ermordet einen 18-Jährigen. Leeds, 16. Juni: Ein Mann ermordet eine Politikerin. Nizza, 14. Juli: Ein Mann ermordet 84 Menschen. Würzburg, 19. Juli: Ein Mann versucht, vier Menschen zu ermorden. München, 22. Juli: Ein Mann ermordet neun Menschen.
Die Liste ist nicht vollständig. Und sie endet mit Sicherheit nicht am 22. Juli. So unterschiedlich die Motive für die Morde sein mögen, so haben sie dennoch etwas gemeinsam: Die Ausführenden waren alle männlich. Genauso wie beim Massaker in Paris, den Anschlägen in Brüssel oder auf «Charlie Hebdo» und bei sämtlichen Amokläufen der jüngsten Vergangenheit. Weibliche Breiviks gibt es nicht.
Wir haben uns derart daran gewöhnt, dass es fast immer Männer sind, die töten – es scheint kaum erwähnenswert. Hätten die Täter ein anderes, augenfällig gemeinsames Merkmal, man würde längst darüber reden. Nach Ursachen forschen und Prävention betreiben. Das männliche Geschlecht reicht dafür offenbar nicht. Man nimmt es hin. Ist halt so. Obschon die Taten, die so viel Leid brachten, einen gemeinsamen Ursprung haben, über den es sich nachzudenken lohnte: eine falsch verstandene, kranke und altertümliche Männlichkeit. ...
Der Amokläufer rächt sich für sein Gefühl des Scheiterns an allen, die ihm gerade über den Weg laufen. Mit der Waffe in der Hand ist er nicht mehr klein und verloren, er verbreitet damit Angst und Schrecken und ist endlich wer. Man respektiert ihn, so, wie einem Mann Respekt gebührt: Man fürchtet ihn. Er glaubt, damit sein Selbstbewusstsein ins männliche Lot zu rücken. Lieber geht er als Killer in die Geschichte ein denn als ein Niemand. Die Welt soll seinen Namen kennen.
Die Pervertierung dieser Idee ist der IS. Dessen Mitglieder zelebrieren die archaischste Form der Männlichkeit überhaupt; sie posieren mit schwarzen, furchteinflössenden Henkermasken und immer mit Waffen. Sie erniedrigen, versklaven, foltern, töten. Sie verstehen Männlichkeit als absoluten und naturgegebenen Anspruch auf Dominanz und Herrschertum, fordern von allen anderen Gehorsam und Unterwerfung.
Diese Männer sind stehen geblieben, während die Welt um sie herum sich verändert hat. Sie reagieren trotzig und nach dem uralten Muster der Gewalt, wenn sie auf Ablehnung stossen oder sich machtlos fühlen. In ihrer blinden Wut machen sie alle anderen für ihre Lage verantwortlich und gern auch den Feminismus, der das Maskuline entwertet haben soll.
Dabei könnten sie doch just diesen als Befreiung verstehen. Er erlaubt ihnen, endlich nicht mehr diese verkrampfte Stärke an den Tag legen zu müssen, die nicht nur unmenschlich ist, sondern ihnen ohnehin nie jemand wirklich abkaufte. ...


Aus: "Weibliche Breiviks gibt es nicht" Bettina Weber (24.07.2016)
Quelle: http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_24_07_2016/fokus/Weibliche-Breiviks-gibt-es-nicht-69517 (http://www.sonntagszeitung.ch/read/sz_24_07_2016/fokus/Weibliche-Breiviks-gibt-es-nicht-69517)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 06, 2016, 10:30:09 AM
Quote[...] Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit über das Erlernen von Aggression, brutale Rituale und Frauen als Giftmörderinnen.

... Der Mannkörper, der kulturell historisch darauf gedrillt ist, seine emotionalen Problematiken in muskulären Aktionen nach außen zu richten, ,,gegen" Andere, ist keine Frauenphantasie, sondern eine Tatsache. Sie gilt bis heute. Dass Männer unter Belastung eher aggressiv (nach außen) werden und Frauen eher depressiv (nach innen), ist vielfach belegt. Vieles davon löst sich in modernen differenzierten Gesellschaften zwar auf; in den meisten Gesellschaften der Erde ist die männliche Gewaltdominanz aber nach wie vor gesetzlich abgesichert. Was nicht heißt, dass Mütter ihre Kinder nicht auch manchmal schlagen. Ihren Männern gegenüber wäre das jedoch lebensgefährlich. ... Was in der einen Gesellschaft historisch überholt ist, ist in der andern aktuell und gültig. In den Ländern der Erde, in denen sich eine Politik der Gleichheit der Geschlechter langsam durchsetzt, ,,dürfen" Männer selbstverständlich auch schwach sein. Das hängt davon ab, ob sie Menschen in der Umgebung finden, Frauen, Männer, Kinder, die das zulassen. Die Gewalterfahrung mildert sich ab, wenn man sie mit anderen teilen kann; es eröffnen sich Wege gewaltfreieren Verhaltens, bei sich selber wie bei den anderen. ... Die Arten der Gewalt nach Geschlechtern zu unterteilen, ist aber möglich. Gewalt durch Frauen geschieht auf anderen Feldern als den männlichen. Frauen können ihre Kinder ablehnen oder quälen; sie können sich untereinander tödlich konkurrierend oder gemein verhalten. Sie führen die Giftmordstatistik an. Sie können anderen, wie man sagt, das Leben zur Hölle machen. Sie sind eine andere Art Gewalttäter als Männer. Sie sind nicht die Vollstrecker körperlicher Zerstörungsgewalt; diese ist fast immer männlich, überall auf der Welt. Männer schlagen Frauen; umgekehrt passiert das selten. Frauengruppen, die mit Macheten oder Kalaschnikows herumziehen, andere menschliche Körper in trancehaften Lustzuständen jubelnd zerstören und sich damit brüsten, gibt es nirgends auf der Welt.

... Die Wutempfindungen und Zerstörungsphantasien von Frauen sind vermutlich nicht schwächer als bei Männern oder Kindern. Aber der Impuls, sie körperlich aktiv umzusetzen, ist bei Frauen geringer; auch sind die gesellschaftlichen Angebote, Aggressionen auszuagieren – Kampfsportarten, Hooliganismus, Schießvereine, motorisierte Rockergangs – eher auf Männer zugeschnitten, auch wenn sich einzelne Frauen dort einfinden. Die den Frauen in den meisten Gesellschaften antrainierte Hemmschwelle liegt erheblich höher. Und viele von ihnen glauben, was ihnen beigebracht worden ist: ,,Wir sind das friedlichere Geschlecht."

...


Aus: "Interview ,,Körperliche Gewalt ist zu 90 Prozent männlich"" Bascha Mika und Julia Hildebrandt (30. September 2016)
Quelle: http://www.fr-online.de/fr-serie--auf-die-fresse-/interview---koerperliche-gewalt-ist-zu-90-prozent-maennlich--,34810614,34816738.html (http://www.fr-online.de/fr-serie--auf-die-fresse-/interview---koerperliche-gewalt-ist-zu-90-prozent-maennlich--,34810614,34816738.html)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 16, 2016, 01:25:14 PM
QuotePeter Rehberg - Der Autor ist Affiliated Fellow am ICI in Berlin, wo er die Arbeiten zu dem Buchprojekt ,,Hipster Porn: Queere Männlichkeiten, affektive Sexualitäten und Neue Medien" abschließt.

Wie queer ist der Hipster? - Er gibt sich postphallisch. Doch die Inszenierung seiner Männlichkeit ist nur scheinbar zurückhaltend: Sein Bart steht für ,,natürliche" Maskulinität. Seit den 2000ern ist popkulturell ein Männertypus in Erscheinung getreten, der seine Maskulinität nicht mehr plakativ in Szene setzen muss: der Hipster. Eine lässige Figur, deren eklektischer Stil sich auf den ersten Blick zu keinem Bild machtvoller Männlichkeit fügt. Der Hipster erscheint ebenso hybrid wie transnational, er bevölkert die Cafés in Brooklyn oder Berlin-Neukölln.
Das Repertoire seiner Stile und Gesten verdankt sich verschiedenen Archiven der Jugendkultur nach 1945. Der Hipster ist eine Neuauflage einer Männerfigur – Frauen kommen im Hipster-Diskurs kaum vor –, die der Schriftsteller Norman Mailer Ende der 1950er Jahre als White Negro beschrieben hatte. Weiße Jungs mit Collegeabschluss tun so, als seien sie schwarze Outcasts. Wie die Beat-Poeten. Dabei geht es zunächst um eine Aneignung schwarzer Sexualität durch Weiße. Äußerlich reklamierte der Hipster zugleich auch seine Nähe zum White Trash – der US-amerikanischen Unterschicht. Mit seinen erkennbaren Zeichen, Trucker-Cap, Flanellhemd und Unterarm-Tattoos betreibt er somit eine Art von ethnischem und sozialem Crossdressing. ... Der Hipster präsentiert eine weniger aufdringliche Maskulinität. Er zeigt sich ermüdet von den Gesten aggressiver Männlichkeit. Mit seiner coolen Nachlässigkeit scheint er bereit, sein Mannsein neu zu verhandeln. Mit seinem Verweis auf verschiedene Maskulinitätskulturen – den Unterschichtsmann, den Schwarzen – bietet der Hipster eine Form der männlichen Maskerade an. Diese zitathaften Aneignungen arbeiten einem Habitus zu, der sein Gender nicht ausnahmslos bekräftigt. Seine Performance lässt sich so als postphallisch entziffern. ... Einerseits wird mit der unaufdringlichen Lässigkeit des Hipsters zwar die Geschlossenheit des Prinzips Maskulinität aufgebrochen. Gleichzeitig etabliert sich der Wert des Hipsters aber über eine Vorstellung von Natürlichkeit: Die Coolness des Hipsters funktioniert nur, solange die Nerd-Brille vom Bart gerahmt bleibt. ...
Unter dem Vorwand einer hippen Postphallizität kommt eine ,,natürliche Männlichkeit" ungehindert zum Zuge. Die Performanz von Gender kann noch so postphallisch sein, so ließe sich sagen, solange sie gleichzeitig als ,,Natürlichkeit" abgesichert ist, bleiben diese Inszenierungen risikolos. Steht die Natürlichkeit von Sex selbst nicht zur Disposition, können Maskulinitätsexperimente mit großer Gelassenheit hingenommen werden. Ja, gerade diese Gelassenheit arbeitet dann der ,,Natürlichkeit" des männlichen Geschlechts weiterhin zu.
Ein großer Teil popkultureller Männerbilder, die seit den 2000ern im Umlauf sind, funktioniert auf diese Weise. ... Die Idee von Männlichkeit bleibt hier nicht nur intakt, sie wird gefeiert. Wir haben es hier mit einem Butch-Turn zu tun, einem symbolpolitischen Backlash. Genderpolitisch ist der Hipster eine konservative Figur. ... Der Bart – den ja nicht nur die Hipster, sondern auch die Fantasy-Helden von ,,Game of Thrones" und ,,Vikings" stolz tragen – wäre also eine der letzten Waffen, Männlichkeit zu behaupten, innerhalb einer Kultur, die seine Geschlechtsinszenierungen ansonsten immer weniger überzeugend findet.

...


Aus: "Gender als Lifestyle - Wie queer ist der Hipster?" (15. 11. 2016)
Quelle: https://www.taz.de/Gender-als-Lifestyle/!5353672/ (https://www.taz.de/Gender-als-Lifestyle/!5353672/)

Quotewil 16.11.2016, 02:31

mir stellt sich angesichts dieser überdrehten soziologen-wortorgie eigentlich nur die eine frage: wer braucht sie wirklich? männer, die sich mit haaren ihr gesicht zuwachsen lassen, es dadurch unkenntlich machen und irgendwie alle gleich, nachpubertär und unendlich unsexy-langweilig aussehen?


Quoteanamoli 16.11.2016, 10:46

Da hat sich aber einer im Gender-Sex-Dschungel verlaufen. Hipster ist mittlerweile Mainstrem, also eine Mode, die zwar die Attraktivität steigern soll, aber auf Grundlage des Trendy-Herdentriebs. Selbstreflektorisch hinsichtlich der geschlechtlichen Identität ist da nicht viel. Es wird einfach nur abgekupfert, was da nach Bohème riechen könnte; Also völlig normale Hochstapelei.


Quoteroi 16.11.2016, 10:38

Was genau soll "schwarze Sexualität" sein?
Erwarten diese bärtigen Hipster eigentlich das Frauen sich die Beine rassieren? Würde mich mal rassieren, äh...interessieren meinte ich...


QuoteZuckerstreuer 16.11.2016, 06:02

könnte mir jemand erklären was schwarze Sexualität ist und wodurch sie sich von weißer Sexualität unterscheidet.


QuoteAlfred Sauer 15.11.2016, 22:47

Das ist jetzt Satire oder? Könnte von Monty Python stammen. "Nehmen wir an, das ihr euch darauf einigt das Loretta keine Babys bekommen kann, woran niemand schuld ist, nicht mal die Römer! Aber das er das absolute Recht hat Babys zu bekommen."


Quotesart 15.11.2016, 22:29

Diesen Ansatz bzgl. der Hipster finde ich durchaus interessant.
Dass die sich dabei tatsächlich was denken, habe ich bislang noch nie in Betracht bezogen.


QuoteJaeh 16.11.2016, 00:10

@sart Die Analyse besagt nicht, dass der "Hipster" sich dieses alles denkt. Das ist sogar eher unwahrscheinlich. Denn dies wird habituell in der Praxis schlicht vollzogen und wird in dem Text reflexiv eingeholt und entfaltet. Lebenweltliches agieren ist viel zu "dicht" um es kognitiv immer eins zu eins zu begleiten. Hipster ist also keine Strategie, kein intendiertes Rollenverhalten, sondern im Sinne des Textes quasi live vollzogen, unmittelbar entspringend einer großstädtisch-postmodernen Diskursivität, die dann diesen Still erstmal einfach cool, angesagt, nachahmendwert macht. Wer dies derart reflexiv nachvollzieht wird dann eher ablassen von solch einem Verhalten, da es nicht mehr als authentisch unmittelbar erlebbar ist.


QuoteMichl Mond
15.11.2016, 22:01

Nachdem ich genervt nach 75% des Textes aufgehört habe zu lesen, wie queer ist er jetzt, der Hipster?

Quotesupergeil
15.11.2016, 22:14

@Michl Mond Musste dich bei Hipster-Studies einschreiben....



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Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 23, 2018, 05:21:55 PM
Quote[...] Dominik Finkelde SJ, geb. 1970, ist ein deutscher Jesuitenpater und Professor für Philosophie an der Hochschule für Philosophie München. 2016 erschien im Verlag Vorwerk 8 sein Buch «Phantaschismus. Von der totalitären Versuchung unserer Demokratie».

Sigmund Freud beschreibt in seinem berühmten Essay «Totem und Tabu» aus dem Jahr 1913 eine vorzivilisatorische Urhorde. Sie wird von einem Übervater beziehungsweise Urvater angeführt. Er ist dem «Silberrücken» bei Gorillahorden nicht unähnlich und folglich eine unangefochtene Macht in seiner Herde. Er ist aber auch die geniessende Ausnahme. Denn er kann sich zum Beispiel jedes Weibchen aus der Horde greifen, wie es ihm beliebt, ohne dass seine Begehrensansprüche durch andere Männchen begrenzt werden. Aus diesem Grund wird der Urvater gemäss Freuds spekulativem Mythos vom Ursprung der Kultur am Ende auch von den sogenannten Brüdern erschlagen. Freud schreibt: «Eines Tages taten sich die ausgetriebenen Brüder zusammen, erschlugen und verzehrten den Vater.»

In Zeiten von Donald Trump erleben wir nun ein Revival dieser Denkfigur des Übervaters, da Ersterer wie Letzterer ununterbrochen zu geniessen scheint. Trump zelebriert sich nahezu tagtäglich als die Ausnahme anerkannter Ordnungen und findet daran zum Verdruss seiner politischen Gegner Gefallen. Er hält sich nicht mit polemischen Angriffen gegen politische Kontrahenten zurück und bekennt sich offen zu einer patriarchalen Ordnung, in der die Begehren von Männern frei von Feminismus und politischer Korrektheit ungebrochen sein dürfen, was sie sind: natürliche Bedürfnisse. Für sexuelle Übergriffe, die er in der Vergangenheit begangen haben soll, muss er sich denn (bis jetzt) auch nicht verantworten.

Gerade durch Umstände wie diese aber verkörpert Trump für seine Anhänger eine utopische Figur, eine Form politischer Autarkie. In Zeiten, da zahlreiche politische Bewegungen auftreten, um etwa die Rechte von Belästigungsopfern (#MeToo), legalen und illegalen Einwanderern («Dreamers») oder Minderheiten («Black lives matter») einzuklagen, fühlen sich Trumps Sympathisanten offenbar immer mehr in ihren Grundrechten beschränkt. Sie sehnen sich infolgedessen nach Formen einer neuen Freiheit und wünschten, sie könnten im Bereich der Politik wie Trump alles sagen, was sie wirklich denken (auch wenn das vielleicht diskriminierend ist), und alles tun, was sie gerne täten: zum Beispiel wie Trump einmal bei einer prominenten Pornodarstellerin wie Stormy Daniels vorbeischauen, wenn ihnen, wie es in Georg Büchners «Woyzeck» heisst, «die Natur kommt».

In «Totem und Tabu» identifiziert Freud den Mord am Urvater als Ursprung der Sittlichkeit: Die Brüderhorde kommt darin überein, dass niemand mehr die Position des obersten Geniessers, des ungebändigten Übervaters, einnehmen darf. Die Autorität des Vaters wird aus Trauer über den Mord verinnerlicht, und als Heilmittel gegen die Gefahr eines obersten Geniessers wird die Utopie der gleichmässigen Verteilung von Lust propagiert. Man könnte diese Geschichte Freuds Gründungsmythos der Demokratie nennen. Denn wo einst eine ungebändigte Lust durch einen Übervater genossen wurde, darf jetzt nur noch das Geniessen als ein kollektiv verwalteter Akt toleriert werden.

Dieser Idee der Genusszähmung zugunsten einer politisch kanalisierten Verteilung steht Trump diametral entgegen. Als Übervater und Oberpatriarch, dem das Niedrige und das Obszöne nicht fremd sind, hebt er sich auch deutlich von anderen Politikerinnen und Politikern ab. Von Angela Merkel, die abschätzig «Mutti» genannt wird, ebenso wie von Theresa May, die sich offenbar nicht gegen Torys wie Boris Johnson durchsetzen kann. Und auch mit Emmanuel Macron ist Trump genusspolitisch unvergleichbar. Auch wenn man Letzteren dafür bewundert, eine ältere Frau geheiratet zu haben, scheint Trump doch auszuleben, was gemäss einem archaischen Empfinden mächtigen Männern gebührt – nämlich sich mit jüngeren Frauen zu umgeben.

Auch hinter diesem Gefühl verbirgt sich bei den Trump-Anhängern letztlich ein Freiheitsgedanke: Schön, dass es in einer von Verhaltensregeln für Gleiche unter Gleichen geprägten Ära wenigstens einen gibt, der einmal richtig auf seine Kosten kommen darf; einen, der sich alles nehmen kann, der kaufen und sagen darf, was und wie es seinem Begehren entspricht.

Doch warum sehnt sich eine bestimmte Brüderhorde im 21. Jahrhundert nach einer solchen Figur? Walter Benjamin beschreibt in seinem Text «Zur Kritik der Gewalt», wie ein Volk vor der «Gestalt des ‹grossen› Verbrechers» eine «heimliche Bewunderung» entwickelt, obwohl dieselbe eine Gefahr für das Gemeinwesen ist. Dem Verbrecher gelingt es nämlich, in das einschränkende Korsett der Rechtsstruktur eines Staates ein Loch der Singularität zu schlagen. Den grossen Verbrecher umgibt dann eine populäre Ehrfurcht, weil er den «Einspruch» gegenüber den Ordnungsformationen ausdrückt.

Trump ist kein Verbrecher, doch verkörpert er mit seiner Distanz gegenüber angestammten Formen politischer Sittlichkeit eine analoge Singularität. Sie kann heimliche Bewunderung hervorrufen; für seine Wähler kann Trump einem regelrechten Rächer ähneln. Er ist die Ausnahme, die die Grenzen der etablierten Ordnung überschreitet, oder vielmehr: Er ist derjenige, der das (traditionelle) Gesetz noch zu retten vermag. Wovor? Vor zu vielen partikularen Rechtsansprüchen, vor zu viel Humanität und Toleranz, vor zu viel Korrektheit.

Vielleicht hofft also die Brüderhorde im 21. Jahrhundert, dass die Normübertretungen des Übervaters helfen, ein altes, in ihren Augen angestammtes Recht zu retten. Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek spricht in diesem Zusammenhang von einem «nightly law», einem Gesetz des Zwielichts. Es kommt dann zum Tragen, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen das liberale und aufgeklärt neutrale Gesetz dem Scheitern nahe sehen. Das «Recht des Zwielichts» tritt dann, so paradox es klingen mag, im Namen des Gesetzes auf: Es muss das angestammte Recht schützen und darf deshalb auch archaische und vorzivilisatorische Eigenschaften verkörpern. Žižek spricht hierbei von einem «obszönen Geniessen», das all diejenigen vereint, die die Überschreitung des Gesetzes im Namen des Gesetzes befürworten.

Trump lebt dieses Gefühl freudig wie kein anderer aus, aber auch im politischen Alltag der USA ist diese Art von Genusspolitik nicht unbekannt. Man denke etwa an paramilitärische Rangergruppen, die an der Grenze zu Mexiko mit dem Gewehr Jagd auf Einwanderer machen. Dazu fühlen sie sich berechtigt, da ihnen der Mangel an Grenzpolizisten den Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung suggeriert. Die selbstorganisierte Grenzkontrolle tritt im Namen der patriarchalen Unterseite des normativen, aber scheiternden Gesetzes auf und provoziert ein genussvolles Wir-Gefühl.

Auch auf der aussenpolitischen Weltbühne verschafft sich das patriarchale Gesetz des Übervaters sein Recht. Wenn Trump bekanntgibt, die US-Botschaft gegen den Widerstand zahlreicher Nationen von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, schafft er Fakten – wo alle anderen mit höflichen Plädoyers und unendlichen Dialogen zur Rücksichtnahme zwischen Palästinensern und Israeli auffordern. Den – wiederum Fakten schaffenden – Ausbau jüdischer Siedlungen konnten die Europäer mit solchen Aufforderungen nie verhindern; ihre Politik erscheint erschreckend machtlos. Wird auch sie eines Tages von ihrer «Nachtseite» überwältigt und ausgehebelt?

Trump verkörpert eine Form von neuen politischen Mitteln, einer Entscheidungskraft, die sich von Anweisungen und Erwartungen abnabelt. Seine Wähler sind ihm dankbar dafür, und ihre Bewunderung zumindest nachzuvollziehen, fällt nicht schwer. In Zeiten überkomplexer Verhältnisse scheint Trump als Übervaterfigur ein Desiderat in der Psyche eines politischen Gemeinwesens zu erfüllen: geniessen zu dürfen, wie man es gewohnt war, und Entscheidungen ungeachtet aller Komplexitäten zu treffen, schlicht und einfach, weil man etwas will und für richtig hält – egal, wie andere darüber urteilen.

In diesem Sinne ist Trump auch ein Symptom der westlichen Zivilisation, die an sich selbst verzweifelt. Als Ausnahmeerscheinung, die ihre Freiheit auslebt, verkörpert diese obszöne Gestalt zugleich den Frust und die Wut auf die Form, die die Zivilisation in der Freiheit angenommen hat. Das Phänomen Trump zeigt, wie fragil die Politik in der Kanalisierung von politischen Begehren ist und wie schnell die Gestalt des «grossen Verbrechers» auftaucht, wenn der Bereich des Politischen desintegriert. Eine Nation braucht notwendig die Illusion einer Einheit, auch wenn genau über diese Illusion keine konkrete Einheit gebildet werden kann.



Aus: "Donald Trump, der archaische Übervater" Dominik Finkelde (23.4.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/im-namen-des-uebervaters-donald-trump-freud-totem-und-tabu-ld.1378229 (https://www.nzz.ch/feuilleton/im-namen-des-uebervaters-donald-trump-freud-totem-und-tabu-ld.1378229)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 09, 2018, 10:07:59 AM
Quote[...] Jon Turteltaubs ,,Meg" dreht sich um den Kampf zwischen Mensch und Natur.  ... Wie immer wirkt Statham wie eine Fußballdiva, die sich über die Fouls der Gegner ärgert, aber hier fischt er mit seinen dämlichen Sprüchen ganz besonders im Trüben, und wenn er mit seinem Sixpack die ansonsten selbstbewusste Biologin Suyin verwirrt, will man sich doch ein wenig fremdschämen für Drehbuch und Regie.

...


Aus: "Mit Sixpack gegen einen Riesenhai" Frank Olbert (09.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/kultur/kino/neu-im-kino-meg-mit-sixpack-gegen-einen-riesenhai-a-1559271 (http://www.fr.de/kultur/kino/neu-im-kino-meg-mit-sixpack-gegen-einen-riesenhai-a-1559271)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 14, 2018, 07:51:02 PM
Quote[...] Einen Tag nach dem Angriff auf einen Fanbus des Fußball-Zweitligisten 1. FC Union Berlin in Köln spricht die Polizei von einer "neuen Dimension der Gewalt nach Fußballspielen". Der gewaltsame Zwischenfall hatte sich in der Nacht zum Dienstag ereignet, nach einem Spiel des 1. FC Köln gegen Union Berlin. Der Angriff auf den Bus war nach Einschätzung der Beamten eine gezielte und geplante Aktion. Von den 28 Festgenommenen seien bis auf einen noch alle in Gewahrsam, hieß es weiter. Einige von ihnen seien als "Gewalttäter Sport" bekannt.

Rund 100 vermummte Störer – alle in weißen T-Shirts und weiß-roten Sturmhauben – hatten nach Darstellung der Polizei zunächst einen polizeibegleiteten Fanbus vor einer Autobahnauffahrt mit Steinen attackiert. Aus dem Berliner Fanbus stürmten dann laut Polizei ebenfalls vermummte Störer. Die Einsatzkräfte drängten diese in den Bus zurück und die Kölner Angreifer auf einen nahe gelegenen Parkplatz. Von dort aus seien viele in unbeleuchteten Autos geflüchtet, hätten dabei gezielt Kurs auf Polizisten und Polizistinnen genommen und alle Anhalte-Aufrufe missachtet.

Polizeipräsident Uwe Jacob sprach in einer Pressekonferenz von "blankem Hass" und einem "nicht hinnehmbaren Angriff auf unser Rechtssystem". Dass niemand verletzt wurde, sei "irgendwo auch ein Wunder". Jacob nannte es erschreckend, dass sogar die Begleitung der Fanbusse durch die Polizei kein Hindernis gewesen sei, "sinnlose Gewalt" zu verüben.

Die Polizei beschlagnahmte sechs Fahrzeuge, mehrere Schlagstöcke, Pyrotechnik und andere gefährliche Gegenstände. Natalie Neuen von der Kölner Staatsanwaltschaft sagte, in den nächsten Tagen werde geprüft, "inwiefern wir Haftbefehle beantragen". Kripo-Leiter Becker zufolge gibt es Hinweise, dass die Kölner Störer von polizeibekannten Personen aus der Dortmunder Szene unterstützt wurden. Polizei und Justiz müssten auf "zunehmende Radikalisierung" reagieren. "Sonst haben wir bald keine Fußballspiele mehr, sondern befassen uns nur noch mit Gewalt im Fußball."

Der 1. FC Köln betonte, er verurteile Gewalt "ohne Wenn und Aber". Das habe man wiederholt zum Ausdruck gebracht und daran habe sich nichts geändert. "Nach unseren derzeitigen Informationen waren an den Vorfällen offenbar auch Personen beteiligt, die vom 1. FC Köln bereits mit einem Stadionverbot belegt sind", hieß es in einer Stellungnahme. "Das zeigt: Außerhalb des Stadions und abseits unserer Spiele sind die Vereine im Kampf gegen Gewalt auf Polizei und Justiz angewiesen."

Die Kriminalpolizei untersucht die Vorfälle nun mit einer Sonderermittlungsgruppe Paul, da sich die Ausschreitungen "Auf dem Paulsacker" ereigneten. Schwere Straftaten wie Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz stehen im Raum, wie der Kölner Kripo-Leiter Klaus-Stephan Becker in der Pressekonferenz sagte. Alle Festgenommenen zeigten sich bisher "vollkommen unkooperativ". Ihre Handys würden ausgewertet.

Die Beamten werden bei ihren Ermittlungen auch alle 77 Insassen des Berliner Fanbusses überprüfen. Man habe das Fahrzeug zum Präsidium eskortiert und dort alle Personalien festgestellt, sagte Becker. Es werde unter anderem der Frage nachgegangen, ob die Angriffe nicht nur unter den Kölnern zuvor abgesprochen waren, sondern es möglicherweise auch Verabredungen zur Gewalt zwischen Kölnern und Berlinern gab.

...


Aus: "Polizei sieht in Angriff auf Fanbus neue Dimension der Gewalt" (14. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/sport/2018-08/gewalttaeter-sport-fc-union-berlin-angriff-koeln-fanbus-planung-aktion (https://www.zeit.de/sport/2018-08/gewalttaeter-sport-fc-union-berlin-angriff-koeln-fanbus-planung-aktion)

Quote
matotope #1.3

Der Proll schwört auf MMA.


Quote
matotope #3

Für Stein- & Flaschenwürfe bekamen einige nach G20 bis zu drei Jahre aufgebrummt, mal sehen wie das hier ausgeht.


QuoteMartin Köster #5

wenn ich mir das durchlese, wenn ein bestimmter teil der bevölkerung noch nicht mal in frieden mit einem konkurrierenden fußballverein leben kann, dann muß man sich nicht wundern welche aggression den flüchtlingen und schutzsuchenden entgegenschlägt.
auf den schützenfesten prügelt man sich sogar mit den bewohnern des nachbardorfs, weil die "die anderen" sind.
da laufen primitivste biochemische vorgänge in den hirnen ab ...

richtig absurd wird es aber, wenn diese hooligans sich dann im rechtsextremen milieu wiederfinden, als verteidiger unseres "vaterlands" ...

meiner meinung geht es immer nur darum einen ideologischen grund zur ausübung seiner sadistischen und gewaltaffinen triebe zu finden; mit vaterland oder überfremdung hat das sehr wenig zu tun ... es geht nur um den rausch und primitivste machtausübung moralisch/ethisch kompromittierter seelen am rande eines pathologisch zu nennenden befundes ...


Quotevincentvision
#8  —  vor 27 Minuten 3

Bezeichnend, dass diejenigen, die beim G20-Gipfel und seinen Gewaltexzessen den Untergang des Abendlandes verorteten, angesichts solcher und ähnlicher Exzesse sehr still sind.

Denn Woche für Woche müssen Hunderschaften an Polizei ausrücken, um durchgeknallte Hooligans voneinander zu trennen und die Fans von x Fußballspielen in ihren Zügen und Fankurven zu sichern und zu separieren.

Oft genug auch unter Gewalt und Auschreitungen. ...


QuoteHuanaco #17

Es zeigt sich, dass Fanprojekte offenbar bei einigen sogenannten Fans nichts fruchten. Vor lauter Langeweile verabredet man sich zu einer Prügelei, weil man mit sich und der Welt nichts anzufangen weiß. Ausgeschlagene Zähne, gebrochene Nasenbeine, blutende Platzwunden dienen als Beweis einer Männlichkeit, die das genaue Gegenteil von LGBT verkörpern und in eine Zeit zurück will, als der Mann noch als ganzer Kerl zählte, der sich wie einst auf mittelalterlichen Ritterturnieren um die Huld eines Weibes prügelte. "Der will nur spielen", heißt es, wenn ein gemeiner Straßenköter sich in meine Jeans verbeißt. Das können wir den Prügelnden nicht durchgehen lassen. "Denn sie wissen nicht, was sie tun." Nehmen Sie es biblisch oder mit James Dean. Ob Prügelei oder verbotenes Autorennen. Die Ursachen sind m. E. die gleichen. Es gilt wieder als männlich, "sein Recht" in die eigene Hand zu nehmen. Notfalls eben auch, indem das Recht des/der anderen missachtet wird. Man hat keine Argumente, aber Fäuste. Und die Eltern kennen oft nicht einmal "die Freunde" ihres Sohnes (die aus der Wirklichkeit, die bei fatzebuk ohnehin nicht). Ob Strafen die Prügelnden erreichen, weiß ich nicht. Noch gilt es in den Fangruppen als cool, wie ein Märtyrer in den Knast zu kommen. ...


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2018, 12:16:04 PM
Quote[...] Auf 4 Blocks konnten sich erstaunlicherweise alle einigen: die Feuilletons wie die Jungs auf den Straßen Neuköllns. "In Berlin spricht man jetzt Arabisch", wurde zum geflügelten Wort. Auf Instagram inszenierten sich junge Männer im Stil der Serie. Der Hauptdarsteller Kida Khodr Ramadan erzählte während der Dreharbeiten, er werde inzwischen nur noch als Toni Hamady angesprochen – von den Jugendlichen auf der Sonnenallee oder "von Sigmar Gabriel". Die Sets für die zweite Staffel mussten abgeriegelt werden. Wegen der Fans, die überall gleich zur Stelle waren.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Verbrechensbekämpfung in Berlin provoziert genau diese Verehrung immer deutlichere Kritik an der Serie. Polizeiliche Ermittler sagten Reportern der ZEIT, die Serie kotze sie an, weil sie das Gangstertum glorifiziere und junge Männer im Kiez animiere, den Filmfiguren nachzueifern.

Der Vorwurf, dass Gangster- und Mafiaerzählungen das Milieu glorifizierten und dadurch implizit verstärkten, ist nicht neu. Würde man einen strengen moralischen Kompass anlegen, müsste man den Paten, Mean Streets und Scarface aus dem filmischen Kanon werfen. Natürlich darf man über Verbrechen fiktional erzählen und man kann dem Publikum – auch wenn es cineastisch anders sozialisiert ist als der Arthouse-Kinogänger – ruhig zutrauen, dass es zwischen Kunstform und Realität unterscheiden kann. Schwieriger wird es, wenn sich Fiktion und Wirklichkeit so eng miteinander verzahnen, dass die Trennschärfe verloren geht. Das galt etwa für Roberto Savianos Serienadaption seines Buches Gomorrha. Italienische Medien berichten, dass Jugendliche im Stadtteil Scampia, der sowohl Drehort der Serie ist als auch als größter Einflussbereich der Camorra in Neapel gilt, ihre Serienhelden bis auf die Tattoos kopierten. Der größte Traum vieler sei es, einmal als Statist in Gomorrha aufzutreten. Fahnder beklagen zudem, es sei seit dem Start der Serie noch schwerer geworden, gegen die Mafia vorzugehen, weil die Serie sie verherrliche.

4 Blocks ging sogar noch einen Schritt weiter, indem es die Kontakte einiger Darsteller ins Milieu zu Recherchezwecken nutze. So erzählte der Regisseur Marvin Kren freimütig in der ZEIT, der Hauptdarsteller Ramadan habe ihm "die wirklichen Schlüsselspieler, die wirklichen Toni Hamadys vorgestellt". Der Gangsterrapper Massiv wiederum, der in der Serie Tonis Schwager spielt, ist befreundet mit Ashraf R., dem Onkel jener jungen Männer, denen vorgeworfen wird, eine riesige Goldmünze aus dem Bode-Museum entwendet zu haben (die ZEIT berichtete). Massiv widmete seinem ehemaligen Manager, der im Übrigen auch der neue Beschützer von Bushido ist, seit dem dieser sich öffentlich von Arafat Abou-Chaker losgesagt hat, 2011 folgende Songzeilen: "Glaub mir, seine Waffe lässt er niemals aus der Hand los! (...) Sein Leben ist im Film und das Drehbuch ist verfasst. (...) Hier wird das Wort Ehre neu definiert."

...  Ganze Genres wie der Gangsterrap leben von dem undurchsichtigen Spiel ihrer Interpreten: Sind sie echte Kriminelle oder besonders schillernde Kunstfiguren?

... In den ersten sechs Episoden hatte 4 Blocks vor allem das Was erzählt: dass es eine Parallelwelt mitten in Berlin gibt, die völlig autark und weitgehend unbehelligt nach ihren eigenen Gesetzen lebt. Ein Jahr und viele reale Ereignisse später sind die Zuschauer nun auf einem anderen Stand. Daher müsste es nun um das Wie und das Warum gehen. Wie kann es sein, dass Menschen, die als Sozialhilfeempfänger registriert sind, Immobilien in Millionenwert erwerben können? Wie funktionieren die Geldströme aus dem Libanon? Warum kann man den Clans juristisch so schwer beikommen? Inwiefern haben Behörden, Politik und private Unternehmen weggeschaut?

Auf all diese Fragen gehen die neuen Folgen von 4 Blocks nicht ein. Sie genügen sich darin, ihre bärtigen Protagonisten durch schauerliche oder goldglänzende Kulissen zu scheuchen. Und so muss sich diese zweite Staffel tatsächlich den Vorwurf gefallen lassen, Verbrechensfolklore zu betreiben.


Aus: "Guter Stoff? Kannste strecken" Eine Rezension von Carolin Ströbele (10. Oktober 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/film/2018-10/4-blocks-berlin-neukoelln-gangster-clan-serie-staffel-zwei/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/film/2018-10/4-blocks-berlin-neukoelln-gangster-clan-serie-staffel-zwei/komplettansicht)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 08, 2019, 11:14:07 AM
Quote[...] Von Odysseus und Siegfried bis zu Superman: Helden wurden immer schon bewundert und verehrt. Der Held der Mythologie und der Sage – das ist stets eine Figur mit übermenschlichen Kräften, die per Definition Großes, ja Übergroßes vollbringt. Die Helden des Mythos gibt es nicht mehr. Heroismus gilt heute als Relikt einer vormodernen, archaischen Zeit, der Held als potenziell gefährlicher Kraftkerl und Extremist. Und doch brauchen wir gerade heute "Helden", die sich unerschrocken ihrer Aufgabe stellen. Was bedeutet Heldentum wirklich?

Der Held – das war zunächst einmal immer ein Mann. Das lateinische Wort vir meint Mann und Held zugleich. Der Held kam vor dem Patriarchat. Ein "Held", so belehrt der Duden, sei eine "Person, die sich in bewundernswerter und vorbildlicher Weise persönlich einsetzt". Das Wort "Held" leitet sich ab vom altgermanischen Substantiv Halil oder Halub. Es bedeutet so viel wie "Krieger" – oder schlicht: "Mann". Ein Heros, das war ein Held in der griechischen Mythologie, ein Halbgott zumeist oder einer, der wenigstens als ein solcher verehrt wurde; daher stammt nicht nur das Adjektiv "heroisch" (für heldenmütig, heldisch, erhaben), sondern auch der "Held" unter den Opioiden: das "Heroin".

Der Heros der Mythologie und der Sage – das ist eine überlebensgroße Figur, furchtlos, durchtrieben, tollkühn, aber nicht wirklich weise. Einer, der nicht selten aus allzu menschlichen Motiven handelt. Da ist Gilgamesch, der aus Trauer über seinen toten Freund selbst unsterblich werden will. Da ist der beinahe unverwundbare Achill, Held des Trojanischen Krieges, der sich beleidigt aus dem Kampf zurückzieht, weil ihm Agamemnon eine Frau wegschnappte; die "Ilias" besingt seinen Zorn. Da ist Siegfried, der Drachentöter aus dem "Nibelungenlied", der gern mal eine Frau flachlegt, wenn es seinen Zwecken dient. Und da ist Odysseus, der sich nach Penelope verzehrt und doch vor lauter heroischer Abenteuerlust nicht umhin kann, auf dem Weg nach Ithaka zehn Jahre zu vertrödeln.

Das Problem des Ur-Helden war seit je seine Tendenz, ein Desaster anzurichten. Ihm fehlte die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion, die Fähigkeit, hinter den eigenen Standpunkt zurückzutreten. Mit anderen Worten: Der archaische Held hat kein modernes Selbst – sondern eher ein kindliches, kindisches Naturell. Auch Achill war trotz aller Stärke und Kühnheit ein Kind, das mit seiner beleidigten Wut-Reaktion seine Kampfgenossen fast in den Untergang stürzte. Ähnliche Muster erkennt man bei Donald Trump. "Wir werden mit Feuer und Zorn antworten", schleuderte der US-Präsident dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un in einem besonders großen Hulk-Moment entgegen, als dieser ihm mit Atomwaffen gedroht hatte. Das Problem mit der heroischen Männlichkeit ist, dass sie nicht wirklich reif, sondern eben oft kindisch ausfällt.

Der klassische Held darf nicht reifen, nicht erwachsen werden, weil er früh sterben muss. Der tragische Tod des Achill verbürgt scheinbar sein starkes, intensives Leben. Die Sehnsucht nach dem Heroischen ist vielleicht auch die Sehnsucht des Mannes nach ewiger Jugend, ewiger Virilität, ewiger Potenz. Das gilt umso mehr für den Mann mit Populisten-Hirn. Und erst recht für den Profi-Populisten. Wie der tragische Tod Achills auf dem trojanischen Schlachtfeld schon vom Schicksal vorgezeichnet ist, so muss auch der Populist zwangsläufig scheitern. Er verliert seinen Kampf an seine eruptive Engstirnigkeit, die letztlich alles in den Abgrund reißt. Am Ende auch ihn selbst.

Wenn wir den Mann heute verstehen wollen, müssen wir uns mit seinem Ursprung auseinandersetzen: dem archaischen Heros. Der Ur-Held vollbringt per Definition Großes, Übergroßes. Doch nicht nur das Siegen, auch das Scheitern ist ein integraler Bestandteil des Heroismus. Der Held ist eine zutiefst fragwürdige, ambivalente Figur. Zwar besticht er durch seinen Mut und die Kompromisslosigkeit, mit der er seine Sache durchzieht. Oft schützt er Frauen vor der Vergewaltigung, so wie Herakles, der dafür sogar mit dem Leben bezahlt. Doch makellose, moralisch völlig integre Helden gab es nie und wird es auch nie geben (nicht mal auf Netflix). Schon die Helden der griechischen Mythologie haben ihre Schattenseiten. Mit kaum einem von ihnen nimmt es ein gutes Ende.

Der Ur-Held ist kein Sittenwächter oder Tugendapostel, sondern ein zupackender Kraftkerl, ein Macho, könnte man sagen, zuständig für die ganz harten, gefährlichen Aufgaben. Ein beherztes Muskelpaket, das nebenher auch in weniger ehrenwerten Disziplinen brilliert, etwa im Konkurrenten-Ausschalten und Weiber-Vernaschen. So wie die griechischen Götter ist auch der griechische Held kein Heiliger. Was für den Helden zählt – das Einzige, was zählt –, das ist die Aufgabe, die Tat, die zu vollbringen ist.

In diesem Sinne diagnostizierte der Mythenforscher Joseph Campbell (1904–1987) in den unzähligen Heldengeschichten, die es in allen Kulturen gibt, einen einzigen heroischen "Monomythos". Immer hat der Held einen Job zu erledigen, und stets muss er zu diesem Zwecke eine Reihe Herausforderungen, Prüfungen und Abenteuer bestehen. Der griechische Held Iason holt das geraubte Goldene Vlies zurück, Parzifal sucht nach dem Heiligen Gral, Buddha nach Erleuchtung. Der wahre Held opfert sein Leben für etwas, das "größer ist" als er selbst. Der Ur-Heros besticht durch seinen Drang zur Expansion, sein Streben nach Singularität, Potenz und Transzendenz wie durch seinen Extremismus, sein Genie, seine Irrationalität. Der echte Heroismus zielt weniger auf Kooperation als auf Autonomie. Er liegt in der Ausschließlichkeit der Selbstüberwindung.

Ur-Helden gibt es nicht mehr, und gerade deshalb werden sie bewundert. Die, die ihnen heute vage ähneln, zeichnet man gelegentlich mit dem Bundesverdienstkreuz aus oder verleiht ihnen – wie in Frankreich jenem Flüchtling aus Mali, der vor einiger Zeit als "Spiderman von Paris" eine Fassade erklomm, um ein Kleinkind zu retten, das vom Balkon zu stürzen drohte – die Staatsbürgerschaft. Aber erst wenn von Amts wegen die Unbedenklichkeit geklärt ist. Das 20. Jahrhundert sah schon zu viele maligne Heroen, zu viele "Heldentode". Das 21. Jahrhundert hat genug vom Sterben und Töten, von einer Ära, in der der deutsche "Übermensch" sechs Millionen "Untermenschen" ermordete. Heute werden Monster präventiv eingehegt. Potenzielle Helden, die (wie einst Odysseus) als Penner herumlaufen, verlegt man in Obdachlosenheime, um streunende einäugige Riesen kümmert sich die Polizei, und Drachen stehen unter Tierschutz.

Der archaische Held ist tot. Aber es waren ganz sicher nicht die Frauen, die ihn umbrachten. Es war das Patriarchat, die von den Heroen selbst errichtete männliche Vorherrschaft. Die Geschichte des Patriarchats ist auch eine Geschichte der Zivilisierung und Sublimierung des männlichen Heroismus, allen zeitweiligen Rückschritten zum Trotz. Der Heroismus des Mannes hat das Patriarchat hervorgebracht – und das Patriarchat hat den Helden getötet. Oder vielmehr: Es hat ihn auf Lebensgröße geschrumpft.

In den ersten Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte ergänzten sich Mann und Frau gleichsam komplementär. Männer versorgten Frauen und Kinder, initiierten ihre Söhne und gingen auf die Jagd. Der Jäger – mutig, innovativ, stark: Prototyp des Helden. Der Mann war der Heros, aber die Frau war eigentlich die Potente. Denn sie allein konnte dem stets drohenden Tod den Mittelfinger zeigen: durch ihre Fähigkeit, neues Leben zu gebären.

Die ersten Götter waren Göttinnen. Die berühmte Figurine der Venus von Willendorf (um 30.000 v. Chr.) imponiert mit ausladenden weiblichen Rundungen, die vor Fruchtbarkeit nur so strotzen. Erst im mittleren Neolithikum, als der Mann Viehzucht und Ackerbau erfand, begann sich das Blatt zu wenden. Der Mann akkumulierte Privateigentum und fing an, anzusagen: Plötzlich war sein ökonomischer Reichtum mehr wert als ihr biologischer Schatz. Plötzlich beanspruchte er das Besitzrecht für sich. Er erklärte Frauen und Kinder zu seinen Frauen und Kindern. Die athenische Demokratie des 5. vorchristlichen Jahrhunderts machte die männliche Vorherrschaft – das "strenge Patriarchat" (Elisabeth Badinter) – dann endgültig zum Standardfall. Mit der Institutionalisierung von Viehzucht und Ackerbau wurden auch die Götter männlich.

Mann und Frau drifteten in zwei verschiedene hierarchisch getrennte Sphären auseinander. Der Mann in die Sphäre der Technik, der Ratio, der Souveränität, die Frau in die der Sorge, der Emotion, der Abhängigkeit. Die Eroberung neuer Kontinente, die Erschließung neuer Märkte, die Wende von einem religiösen zu einem mehr und mehr naturwissenschaftlich geprägten Weltbild brachte das Patriarchat Ende des 16. Jahrhunderts voll zum Erblühen – und bewirkte eine zunehmende Verhärtung der sexistisch ausgelegten geschlechterbinären Grenzen. Für den Reformator Johannes Calvin (1509–1564) verkörperte der Mann die Vernunft, die Frau den Leib. Das Patriarchat platzte fast vor Macht.

Erst durch die Industrialisierung begann das Patriarchat (ideologisch) zu erodieren. Die Fabrikarbeit deformierte es zu einer strukturell unheroischen, langweiligen Angelegenheit. Die Digitalisierung hat diesen Prozess noch verschärft. Heute ist das in Institutionen, Organisationen, Bürokratien aufgehobene "Patriarchat" zu einer diffusen Kategorie verkommen. Sein Geist herrscht überall dort, wo institutionalisierte Männlichkeit herrscht. Im Office ist noch Platz für Platzhirsche, aber nicht mehr für den klassischen Heroismus.

Zwischen Bildschirmen, Konferenztischen und Tischtenniszonen ist Herkules auf die Dimension des "Knotenmanns" geschrumpft (wie in dem 1977 erschienenen Roman Le und die Knotenmänner der Dänin Herdis Moellehave). Der leitende männliche Angestellte besiegt keine wilden Tiere mehr, er trägt eine Krawatte, und sein Krawattenknoten entspricht der Verknotung seiner Gefühlswelt.

Der Manager durchschlägt "gordische Knoten" nicht mit dem Schwert, er bearbeitet sie maschinell. Er löst sie digital. So ist der Held zum Funktionär geworden. Und doch ist der Heroismus nicht totzukriegen. Er sucht sich neue Wege, wird dysfunktional, korrupt und neurotisch. Paradigmatisch sind die Finanzkrise von 2008, der Dieselskandal und die deutsche Automobilkrise. Die weißen Turnschuhe von Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche dürfen nicht nur als Statement der Big-Boss-Coolness gelten, sondern auch als Symptom des neurotisch gewordenen Heroismus.

Das Patriarchat mag durch Quotendruck und Diversity-Maßnahmen institutionell, organisationell und bürokratisch gebändigt erscheinen – der Heroismus ist es nicht. Um Simone de Beauvoir (1908–1986) zu variieren: "Man wird nicht als Mann geboren, man wird es." Wie? Indem man sich selbst als Held beweist, und diesen Beweis von anderen anerkennen lässt. Sexismus und Misogynie zählen zu den klassischen Disziplinen des Mannes, der seinen Heroismus nicht anders auszuleben versteht. Der verhinderte Held hat keine zwölf Arbeiten mehr zu verrichten, sondern viele, meist kleinteilige, unzusammenhängende "Projekte", für die er oft nicht genug Wertschätzung erfährt. Seine Wut darüber richtet sich dann etwa auch auf ein weibliches Gegenüber, das sich nicht mit der Potenz des Gebärens zufriedengibt, sondern überdies die Frechheit besitzt, in sein Terrain einzudringen, ihm seine Position, sein Gehalt, seine Macht streitig zu machen. Er kann nicht anders, er muss diese Frau aufgrund ihres Geschlechts diskriminieren. Von der erstarkten, autonom agierenden Kollegin, Mitarbeiterin, Praktikantin, Chefin, muss er sich unterscheiden, abgrenzen, abheben.

Je größer die Autonomielust der Frau, desto größer die sexistische Wut des Mannes. "Man wird nicht als Mann geboren." Aber man kann sich dazu machen (lassen). Indem man Frauen ohne ihre Zustimmung zum Schweigen bringt, sie schlecht bezahlt, belästigt, ignoriert, betrügt, vergewaltigt? Für die amerikanische Philosophin und Feministin Kate Manne "rechtfertigt und rationalisiert" Sexismus das, was vom Patriarchat heute übrig geblieben ist.

Misogynie wiederum ist für Kate Manne das Werkzeug, das patriarchale Normen und Erwartungen praktisch "kontrolliert und durchsetzt". Ein Sexist hält alle Frauen für schlecht, minderwertig. Ein Misogyniker belohnt die "guten" (= der Männlichkeit dienenden) und bestraft die "schlechten" (= männliches Terrain penetrierenden) Frauen. So erklärt sich, warum US-Präsident Donald Trump kein Sexist ist. Wäre er Sexist, hätte der Großtwitterer keine einzige Frau in sein Kabinett berufen. Trump ist Misogyniker. Die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton war nicht Opfer von Trumps Sexismus, sondern der Misogynie Trumps (und von Frauen, die misogyne Verhaltensweisen verinnerlicht haben). Der Geist des Patriarchats ist der Boden, auf dem Misogynie und Sexismus blühen, aber er ist nicht deren erste Ursache. Die erste Ursache ist der männliche Zwang zum Heroismus.

Der Mann ist verunsichert. Wenn er sich selbst verstehen und seiner Lage entkommen will, muss er seinen Heroismus verstehen. Er muss verstehen, dass weder die Frau noch er selbst schuld ist an seiner Lage. Sondern der zwar stark diffundierte, aber immer noch einflussreiche Geist des patriarchalen Systems. Es hat ihn institutionalisiert und zum Schrumpfhelden gemacht. Der geschrumpfte Held von heute hat viele Gesichter, man trifft ihn in allen sozialen Schichten. Fifty Shades of Man, das sind die Heroismen des Managers, des Rennfahrers, des Kampftrinkers, des Sportverrückten. Man trifft den Schrumpfhelden in der Steilwand, auf dem Surfbrett, über gefährlich kalte Wellen brausend, auf der linken Autobahnspur ebenso wie in der Kneipe nebenan, wo er ein Bier nach dem anderen kippt. Alle Männer wollen Helden sein – denn Männlichkeit "ist" nicht. Sie muss durch bestimmte Akte, Mutproben, Prüfungen, Grenzerfahrungen immer neu verifiziert werden.

"Man wird nicht als Mann geboren, man wird es." Alle Männer wollen Helden sein – aber sie können es nicht. Der Ur-Held ist tot. Der Weg, der ihnen heute allein offensteht, ist der des Schrumpfhelden. Der geschrumpfte Held ist keine erhabene, gottgleiche Figur, sondern eine Karikatur. Er kann nicht, wie er will. Oft kann er gar nicht. Eine Welt, in der gilt: "Die Zukunft ist weiblich!", ist nicht für Helden gemacht. Selbst wenn der Mann wollte, er könnte nicht einfach mal so eben einen Drachen erlegen. Zuvor muss er in vielen Fällen Pausenbrote schmieren und die Kinder zur Schule bringen. Das nächste Abenteuer – Freesolo-Klettern oder Motorrad-Rallye – muss er sich verdienen, und zwar mit bezahlter Arbeit. Die moderne Frau möchte einen leistungsstarken, souveränen, gut verdienenden Mann, den sie nicht lange bitten muss. Bevor er den Augiasstall ausmistet, soll er gefälligst den Müll runtertragen.

Das Schrumpfheldentum markiert die Grenzen der Verständigung zwischen Mann und Frau. Keine Frau versteht den einsamen heroischen Trinker, der doch nicht einfach nur süchtig und schwach ist, sondern auch mindestens tief verzweifelt über die Welt, an der er so tragisch gescheitert ist. Keine Frau versteht, warum derselbe Mann, der gestern noch alles zu reißen meinte, heute glaubt, an einem Schnupfen zugrunde zu gehen. Man kann sich über den berüchtigten Männer-Schnupfen lustig machen. Doch darin steckt die tiefe Tragik des verhinderten Helden, der mit heftigen Niesanfällen wie mit übermächtigen Feinden ringt.

Der Mann ist verunsichert, denn der Ur-Held, der in ihm tobte, ist tot. Fast. Einige letzte Relikte des archaischen Heroen findet man heute noch. Paradigmatisch scheinen sie im Sportler auf. Im Rennfahrer, im Tennisspieler, im Boxer, vor allem aber im Fußballer. Wer besonders trickreich mit dem Ball umzugehen vermag, bekommt sogleich die Attribute "Held", "Kaiser" oder gar "Gott" verpasst. Das Tolle am Kicker-Helden ist, dass er niemandem schadet, da sich seine Taten auf maximal 120 mal 90 Meter beschränken. Außer seinen Gegenspielern und sich selbst – siehe Kreuzbandriss und Mittelfußbruch – wird der Profifußballer niemandem gefährlich. Es herrschen Regeln, an die auch er sich halten muss. Deshalb ist auch der Fußballer natürlich kein wirklicher Held. Sondern eine Ersatzfigur, die sich der moderne Mann schuf, um ihn zu bewundern, sich (projektiv) mit ihm zu identifizieren, ihm nachzueifern.

"Ein jeglicher muss seinen Helden wählen, dem er die Wege zum Olymp hinauf sich nacharbeitet", heißt es in Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) Iphigenie auf Tauris. Selbst der neidischste Mann verzeiht dem Fußballer, dass er für seine Virilität so monströs viel Geld kassiert. Der Kicker nimmt das Heldentum für ihn und alle anderen Männer auf sich. Jeder Sportler ist ein halb realer, halb imaginierter Held, der für alle verhinderten in den Krieg zieht, siegt und verliert – eine Art "Heros by Proxy", ein Stellvertreter-Held. So wie Boris Becker, der nach zahlreichen Grand-Slam-Gewinnen zwei gescheiterte Ehen und eine Insolvenz anmeldete und auf Instagram seine heroische Bilanz in zehn Punkten meisterlich zusammenfasste: "Erfolg. Harte Arbeit. Ausdauer. Lange Nächte. Versagungen. Opfer. Disziplin. Kritik. Zweifel. Fehler."

Die ersten Helden seien Götter gewesen, befand einst Thomas Carlyle (1795–1881). Es gibt keinen Odysseus, keinen Prometheus, keinen Achilles mehr. Es gibt aber auch keinen Gott mehr, keinen Über-Mann, vor dessen viriler Allmacht auch der größte irdische Held verstummt. Friedrich Nietzsches (1844–1900) Übermensch war letztlich auch nur ein Versuch, selbst zum Gott zu werden, um den Göttern "würdig zu erscheinen". Geblieben sind verunsicherte Männer, die in Extremsportarten den Kick suchen, weil ihnen die heroische Aufgabe fehlt.

Geblieben sind Fifty Shades of Man, die vielen von Wut und Schweigen getriebenen Manager, Autoraser und Oktoberfest-Kampftrinker, Misogyniker und Sexisten, die nicht wissen, wohin mit ihrem Schrumpfheldentum – und zudem von den Frauen ziemlich unter Druck gesetzt werden. Alle Männer wollen Helden sein. Alle Frauen wollen, dass Männer Helden sind – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Was die moderne Frau will, ist die Quadratur des Kreises: den "vernünftigen" Helden "auf Augenhöhe".

Der Mann ist verunsichert. Wenn er Held sein will (immer!), darf er es nicht. Wenn er nicht mal nach dem Schrumpfheldentum strebt, gilt er als Versager, Schlappschwanz, Weichei. Das Dilemma des heutigen Mannes ist, dass er weder Held sein kann noch ein Waschlappen, und zwar weder im Job noch beim Kindergeburtstag noch im Bett. So sieht sich der Mann zu einem seltsamen Zwischenwesentum verdammt.

Er darf nicht über seinen Männer-Schnupfen jammern. Das nächste Ungeheuer besiegen darf er aber auch nicht. Stattdessen muss und soll er im Gym Bizeps und Trizeps aufbauen, um mit den erworbenen Muskeln noch eleganter Einkäufe schleppen und Smoothie-Fläschchen öffnen zu können. Im paradigmatischen Narrativ der "Heldenreise" kehrt der Held von seinen Abenteuern irgendwann in die Alltagswelt zurück, um sie im Lichte seiner Erfahrungen zu verändern. Der heutige Schrumpfheld schafft es oft gar nicht erst, die Reise überhaupt anzutreten. Daher seine Wut und sein Schweigen.

Wozu ist der Mann gut, wem dient seine Virilität? Der Mann ist ein Held, zumindest potenziell. Er kann dem langweilig gewordenen Patriarchat, das er zwar selbst geschaffen hat, in dem es aber meist kaum mehr zu holen gibt als geschlechtsspezifisch bedingte Gehaltserhöhungen und Beförderungen, jederzeit ein heroisches Upgrade verleihen. Er kann es zum Schrumpfhelden bringen. Je ausgeprägter der heroische Trieb, desto tiefer der Fall. Von Thomas Middelhoff zu Harvey Weinstein: Der geschrumpfte Held besticht durch seine Abnormität. Und seine neurotische Dysfunktionalität.

Einst erlegte der Mann Eber und zog in den Krieg, heute arbeitet er sich auf dem Bau, in der Firma, im Büro, im Coworking Space halb tot. Warum ackert er? Weil er seine Männlichkeit beweisen muss. Weil ein Mann nicht "ist", sondern immer erst "wird". Für wen ackert er? Für die Frau, die er liebt. Jene, die ihm seine heroischen Fehlleistungen verzeiht, deren Autonomielust sich hoffentlich in kalkulierbaren Grenzen hält, die für ihn – wenigstens in Teilzeit – kostenlos kocht, wäscht und putzt und ihm den Rücken freihält. Ob Hausfrau, Karrierefrau oder Working Mom. Seine Frau ist immer eine gute Frau. Die Mutter 
seiner Kinder. Für sie tut er alles. Für sie modernisiert er seine
 archaische Blutrünstigkeit. Er
 verzichtet auf Blutschwüre und
 Blutsbruderschaften. Er hält
 den Atem an – und zieht in den 
Kreißsaal.

Der Heroismus gilt einerseits als überwunden. In der modernen, aufgeklärten Welt braucht es keine keulenschwingenden Kraftprotze mehr, sondern agile, flexible Postheroen, die mit ihren "weichen" Skills wie Empathie und Teamgeist mehr Menschlichkeit in die Welt bringen. Von den Herausforderungen der Digitalisierung bis zum Kampf gegen den Klimawandel sind mehr denn je Helden ganz neuen Typs gefragt, die nicht sich und anderen dauernd etwas beweisen müssen, sondern die ihren Kopf und ihr Herz einschalten, bevor sie irgendetwas tun. Und doch scheint das Bedürfnis nach dem zupackenden Helden, der mit Entschlossenheit und über menschlicher Energie Probleme im Alleingang löst, ungebrochen zu sein. Das zeigt auch das Phänomen monströser Attentäter, wie jenem von Christchurch, die sich als Helden inszenieren und auch als solche von ihren Anhängern gefeiert werden. ...

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im "Hohe Luft Magazin" Nr. 04/2019.


Aus: "Männlichkeit: Wer rettet den Helden?"  Rebekka Reinhard und Thomas Vašek (7. Juli 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2019-07/maennlichkeit-heroismus-heldentum-vaeter-maenner-patriarchat-sexismus/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2019-07/maennlichkeit-heroismus-heldentum-vaeter-maenner-patriarchat-sexismus/komplettansicht)

QuoteDindi #1

Die Autoren verstehen das Heldentum völlig miss, bzw. aus einer Perspektive des postmodernen, gemixt mit neofeminismus. Also sie verstehen es gar nicht.

Was für ein trauriger Artikel.

An die Männer kann ich nur senden: Vertraut euch selbst, lasst euch von diesen neuen postmodernen, feministischen Spinnereien nichts einreden. Sie sind lediglich die Ausgeburt einer von (durch Ausbeutung entstandenen) Wohlstandes. Wenn die Dinge wieder schwierig werden kräht kein Hahn mehr nach diesen neoUnsinn. Dann ist Heldentum unabdingbar. Nur Mut.


QuoteDeserteur 2.0 #1.7

Ihr Bild ist noch trauriger als das was sie den Feministinnen vorwerfen.

Erst wenn alles den Bach heruntergeht, wenn das Elend wieder vor der Tür steht, wenn es uns nicht mehr gut geht, dann dann naht die Stunde des Mannes!

Und das soll uns jetzt adeln?

Wir Männer bekommen in guten Zeiten nichts auf die Reihe bzw. könnten uns diesen nicht anpassen, sondern müssen jetzt auf die nächste Katastrophe warten um endlich wieder einen Sinn zu erlangen?

Ja durch durch den Feminismus und dadurch das es uns allen gut geht hat sich die Lebensrealität im Westen verändert und es wäre traurig wenn wir Männer darauf hereinfallen würden an der Vergangenheit zu besaufen.

- Männer müssen nicht mehr der Ernährer sein, sie müssen nicht mehr der Alleinverdiener sein
- Männer müssen sich nicht mehr bei Sonnenaufgang duellieren
- Männer können die Kindheit und Jugend ihrer Kinder viel mehr erleben als früher
- Männer haben die Möglichkeit aus der vorgegebenen Schablone die ihnen früher übergestülpt wurde zu befreien

Ja manches ist neu und ja neu Antworten müssen auf die neuen Umstände gefunden werden, aber dieses Idealisieren der angeblichen heroischen Vergangenheit nutzt niemandem.

Vor 100 Jahren warst du als Mann, entweder Schlachtvieh im Krieg, Maulesel auf der Arbeit, musstest deine Familie mit einer kleinen Lohntüte durchs Leben bringen, wenn du krank warst fiel der Lohn für die ganze Familie weg und ansonsten hattest du auch nichts zu melden außer zu funktionieren.

[Heldentum, Tapferkeit, Ehre, Prinzipientreue
Warum sollte ich etwas gegen diese Dinge haben?
Nur warum sollen diese Dinge rein Männlich sein oder nur dem Manne als Fundament seines Wesens dienen?
Sind das nicht Dinge die man von einer Frau nicht genauso erwarten kann?]


QuoteBaum2k #9

Ein Kreislauf:
Harte Zeiten bringen starke Männer hevor.
Starke Männer bringen gute Zeiten hevor.
Gute Zeiten bringen schwache Männer hevor.
Schwache Männer bringen harte Zeiten hevor.

Unsere Zeit wird kommen!


QuoteTobias87 #9.1

"Starke Männer bringen gute Zeiten hevor."

Ich vermute, in der Wehrmacht und der SS gab es den ein oder anderen starken Mann.
Irgendwas stimmt mit der These nicht. ...


QuoteKioto-Zeit #23

Ich habe das Gefühl, der Artikel wirft vieles durcheinander und verfehlt eine sauber Analyse. Die Begriffe "Held" und "Anführer" haben wenig miteinander zu tun und im Laufe der Zeit ihre Bedeutung stark gewandelt. Heute verstehen wird doch unter einem Helden jemand, der eine schwierige Situation, altruistisch und vielleicht unter Einsatz aller seiner Kräfte oder sogar seines Lebens für sich und andere meistert. Das Führung und Heldentum in alter Zeit häufig zusammenhingen, hat sicherlich mit den damaligen Prozessen der Gruppenbildung zu tun. Man folgte demjenigen, der auch für sich ein großes Risiko einging. Das war nicht notwendigerweise immer ein Mann (Johanna von Orleans). Die Gründe für die Nachfolge waren natürlich der Wunsch nach Erfolg, Beute, Anerkennung und bestehen bei Mann und Frau gleichermaßen.
Heutzutage hat Führung nichts mehr mit Heldentum zu tun. Insofern greifen die Beispiele heutiger Führungspersonen in Politik und Wirtschaft kaum, denn sie gehen meist keinerlei eigenes Risiko ein (Deutsche Bank).
Und wer sich das Verhalten von Frauen in Führungspositionen ansieht, bemerkt sicherlich keinen großen Unterschied zu dem von Männern in gleicher Position.
Die Idee mancher Feministinnen, man könnte durch Abschaffung der "Männlichkeit" die Welt verbessern, wird deshalb fehl gehen.


QuoteMentor73 #25

Ich habe den Artikel zunächst mit Interesse angefangen zu lesen. Je weiter ich kam desto dünner fand ich ihn. Die Autoren haben letztendlich überhaupt keine Ahnung von Männlichkeit. Männlichkeit auf dumbem Heroismus zu beschränken ist letztendlich Misandrismus, um in der Terminologie der Autoren zu bleiben. Mann sein bedeutet viel mehr als Heldentum. Um archaische männliche Stereotypen zu bemühen. So gibt es das Stereotyp des Königs, der weise und umsichtig herrscht, des Mentors und so weiter. Es ist kein Wunder, dass Jungen angesichts dieses seltsamen Bildes von Männlichkeit zunehmend verunsichert fühlen, in einer Gesellschaft, die das Männliche entweder verteufelt oder lächerlich macht. Es braucht kraftvolle, intelligente, planende und standhafte Männer.


QuoteDer Korrektor #25.1

Genauso wie es kraftvolle, intelligente, planende und standhafte Frauen braucht. Das Beispiel für eine sehr junge solche Frau liegt auf der Hand, oder?
Aber das ist kein Widerspruch. Ich sehe nicht, dass in der Realität das Männliche verteufelt oder lächerlich gemacht würde. Zum Glück wird das Patriarchale lächerlich gemacht.
Aber ein Mensch, der sich Mühe gibt, sein Leben trotz aller Widrigkeiten ordentlich auf die Reihe zu bringen, Verantwortung für seine Mitmenschen zu übernehmen, der verdient jeden Respekt. Ich denke an meine Nachbarn:
Den Typ, der den Bioladen aufgemacht hat und sehr engagiert führt,
der Lehrer, der bis tief in die Nacht arbeitet, damit er seine Schüler ordentlich durch die Prüfungen bekommt,
der Programmierer, der längere Zeit arbeitslos war, weil er diese Sache nicht machen wollte.
Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Gut, außer bei dem Typen, der die Waschmaschine reingetragen hat.


Quote11meter #33

Sobald die Zeiten wieder schwieriger werden und der Wohlstand geringer, werden Menschen wieder beliebt, die klassische männliche Attribute verlangen. Wenn dann aus den schwierigen Zeiten Krieg entsteht, dann werden wieder starke Männer häufiger zu sehen sein. Das hat weder mit einer Machoeinstellung zutun, oder sonst was, sondern entspricht der Biologie, was man auch in Ländern sehen kann, die sich in kriegerischen Auseinandersetzungen befinden. Krieg katapultiert den Menschen immer in seiner Ursprungsform, dh Männer=Männer und Frauen= Schutz der Kinder


QuoteFloMei #33.1

Die Zeiten sind vorbei. Eine Kurdin kann auch ziemlich gut mit einer Maschinenpistole umgehen und mit einer Drohne kann selbst ein Kind Tausende Männer wegradieren egal wieviel Spinat die vorher gefressen haben. Was schwerer ist, ist Frieden zu halten. ...


QuoteIslamisch Grün #36

Christentum und Islam sind wesentlich dafür verantwortlich, dass Frauen jahrhundertelang weniger gewürdigt wurden und das gilt bis heute.


QuoteBetrand #36.1

Das wird in der Zeit gern vergessen, das die Wüstenreligionen den Status der Frauen und der normalen Bevölkerung in die Halbsklaverei herabgedrückt haben. Von dem was diese Sektierer Glaubensanweichern und Schwulen und Lesben 2000 Jahre lange angetan haben, gar nicht zu reden.


QuoteTabberta #38

Heroismus und Mythen wurden in den letzten Jahrtausenden durch herrschende Eliten kreiert, um letzten Endes alle Frauen und den größten Teil der Männer zu unterwerfen. Ich fragte mich schon immer, warum über Jahrtausende bis heute, sich die große Mehrheit der Männer von einer verschwindend geringen Minderheit der Männer in Schach halten lässt? Von den fehlenden Möglichkeiten der Frauen möchte ich hier gar nicht sprechen. Scheinbar genügte den Männern die bloße Möglichkeit der Teilhabe bzw.die Möglichkeit sein eigener Held zu sein-das heißt heute Privateigentum, Macht und Geld- um sich über die Jahrtausende hinweg von kleinen machthabenden Männergruppen dominieren zu lassen. Die Männer müssen erkennen, dass die Frauen nicht ihr Kriegsschauplatz sind, sondern elitäre machthabende Männergruppen, die Ihnen eine gründliche Gehirnwäsche verpasst haben. Männer haben sozusagen die Strukturen ihrer eigenen Unterdrückung geschaffen und halten Sie mit Mythen am laufen.


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 28, 2019, 06:46:50 PM
Quote[...]  Rollen Als türkischstämmiger Mann soll ich immer stark und aufrecht sein. Ein Wort erinnert mich täglich daran - Fikri Anıl Altıntaş

... Delikanlı, gesprochen ,,Delikanle", ist kein gewöhnlicher Begriff im Türkischen. Seine deutsche Übersetzung, ,,wildblütig", wird ihm nicht gerecht. So klingt er wie ein Honig, süß, simpel und harmlos. Aber er kann sauer, komplex und giftig für Männer sein. Das türkische Äquivalent zum Duden, die Türk Dil Kurumu, ist sich nicht einig. Entweder bezeichne der Begriff einen jungen Mann, der seine Pubertät hinter sich gelassen hat, oder jemanden, der bei seinem Wort bleibt, aufrichtig ist und Ehre besitzt (,,Sözünün eri, dürüst, namuslu kimse.").  ...

Ich bin in einer als türkisch gelesenen* Familie in Deutschland groß geworden. Seit einigen Jahren – und besonders seit der Silvesternacht in Köln 2015 – wird heftig und häufig über Männlichkeit von als muslimisch markierten Männern und Jungen öffentlich diskutiert. Das geschieht in der Regel, ohne die Personen aus der Gruppe selber zu befragen. Stattdessen wird oft in rassistischer Weise über uns geredet. Ich habe als türkisch gelesene Männer zu ihrem Verhältnis zu dem Wort Delikanlı befragt. Beginnen werde ich aber bei mir.

Meine Familie und ich in Deutschland haben viel Kontakt zu unserer Familie in der Türkei. Wenn ich als 13-Jähriger dort im Urlaub – wie jedes Jahr – sechs Wochen verbrachte, flogen oft Begriffe durch den Raum, die ich nicht verstand. Das Wort Delikanlı fing ich öfters auf. Es erfüllte mich mit besonderem Stolz, wenn meine Tanten und Onkel feststellten, wie sehr ich ein Delikanlı geworden sei. Was genau mich dazu qualifizierte, wusste ich nicht. Aber ich sah in den Augen meiner Familie, wie egal das ist. Sie waren glücklich, deshalb war ich es auch. Ab diesem Zeitpunkt wurde dieser Begriff mein ständiger Begleiter. In vielen türkischen Soaps und alten Fernsehserien aus den 70er und 80er Jahren, die bei uns zu Hause andauernd zu sehen waren, lief der Begriff rauf und runter. Er definierte ein Männlichkeitsbild, über das ungern konkret gesprochen wurde. Cüneyt Arkın, Fernsehstar in der Türkei der 70er Jahre, galt als personifizierte Standfestigkeit und Hüter der Aufrichtigkeit. Er war ein Delikanlı.

2003 erschien in der taz ein Interview mit dem Sozialarbeiter und Erziehungswissenschaftler Hakan Aslan. Es trug den Titel ,,Ehre und hohle Männlichkeit". Dort heißt es: ,,Die jungen Männer werden als Delikanlı, als ,Wildblütige' bezeichnet, und in dieser Altersphase wird geradezu von ihnen erwartet, Grenzen auszutesten, um so ihren Mut und ihre Tapferkeit zu trainieren." Männlichkeit als Mutprobe? Hakan Aslan spricht weiter: ,,Der Begriff der Ehre ist eine der wichtigsten Triebfedern in der Sozialisation türkischer Jungen. Denn für die Verteidigung der Ehre der gesamten Familie ist der Mann zuständig, und das heißt auch der Sohn."

War ich das? Davon war mir bis heute nicht so viel bewusst. In meinem Umfeld der als türkisch gelesenen Männer in Deutschland fragte ich, was der Begriff für sie bedeutet. Erstaunlich viele wollten teilen, was sie mit dem Wort verbinden. Einige, die ich fragte, wiesen auf den harmlosen Charakter hin. Ein Delikanlı sein hieße, man sei kein Kind mehr. So benannt zu werden, kann als Kompliment für das eigene jugendliche Aussehen verstanden werden. Grundsätzlich bezeichne das Wort jemanden, der sein Wort hält und Aufrichtigkeit als Grundlage seines Charakters definiert. Tugay, Ende 40, erklärte mir: ,,Es bedeutet, dass du nun ein neues Level erreicht hast, du bist kein Kind mehr. Erst viel später erkannte ich, dass du im Grunde genommen nur ein nicht logisch denkender, mit Testosteron angehäufter Möchtegernheld bist, welcher versucht, seinen Platz auf dieser Welt zu finden." Einige andere Äußerungen gingen in die gleiche Richtung. Der 29-jährige Erzieher Ümit meinte zu mir: ,,Delikanlı war für mich immer eine Bezeichnung für unkontrollierte Draufgänger. Einer, der unbedacht, aber entschlossen Sachen angeht oder redet."

Mit jeder dieser Geschichten begreife ich mehr, was meine Tanten und Onkel in der Türkei mit dem Begriff meinten. Die erfolgreiche Qualifikation zum Delikanlı ist vielschichtig, aber immer durch Erwartungen gefüllt, die abweichenden Vorstellungen keinen Platz einräumen. ,,Delikanlı ol" – sei ein Delikanlı – bedeutet: Bleib bei dir und deinem Wort, schütze dich und deine Familie, habe keine Angst, sei stark und sei dir deiner Rolle als Mann bewusst – wachse mit der Aufgabe, deine Ehre zu schützen. Das sind implizite, unausgesprochene Erwartungen, die mich ständig begleiten und meine Sicht auf mich selber vernebeln.

Diese Vernebelung ist auch nicht nur eine vorübergehende Phase, wie die Jugend eben oft voller Verwirrung und Suche nach Orientierung ist. So sagte mir mein Vater im Anschluss an unser Gespräch: ,,Delikanlı sein ist nichts, was nach der Pubertät aufhört. Es beginnt vielmehr erst dann und wird nicht nur ein loser Begriff, sondern ein Lebensstil." Er erzählte mir auch, wie er heute noch – teilweise im Spaß – ältere Männer als Delikanlı bezeichnet. Ernsthaft erklärte er mir wiederum, dass jemand sein Leben als Delikanlı gelebt habe, wenn er immer aufrichtig und sich selbst treu war und keine Angst vor nichts hatte.

Mannsein als Lebensaufgabe – sei einer, aber sprich nicht über Männlichkeit? Nachdem ich nun so viele verschiedene Meinungen zu dem Begriff gehört habe, wünsche ich mir, dass er auch anders verstanden werden könnte. Nicht als ein Ausdruck von Ehrfurcht, der das Reden über Erwartungen und Vorstellungen in Bezug auf die eigene Person unmöglich macht. Im Gegenteil, er müsste für eine ganz andere Form von Mut stehen, den Mut, sich mit Erwartungen auseinanderzusetzen, Rollenklischees zu verstehen und zu reflektieren – und auch mit der eigenen Familie darüber sprechen zu können. Denn der Austausch mit anderen ist immer die beste Möglichkeit, sich besser zu verstehen. Gerade dann, wenn das Selbst von anderen definiert wird.

*Mit dem Ausdruck ,,als türkisch markiert" bzw. ,,als türkisch gelesen" bezeichnet man Menschen, die nicht notwendigerweise in der Türkei geboren wurden, denen diese Herkunft aber zugeschrieben wird

Fikri Anıl Altıntaş ist freier Autor in Berlin und schreibt unter anderem für das Missy Magazine und bento




Aus: "Delikanlı über alles" Fikri Anıl Altıntaş (Ausgabe 48/2019)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/delikanli-ueber-alles (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/delikanli-ueber-alles)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 28, 2019, 02:19:48 PM
Quote[...] Es ist nicht wegzudiskutieren: Der weltweite Aufstieg homophober, sexistischer und rassistischer Patriarchen, die unablässig mit ihrem Reichtum, ihrer Macht und ihrer Potenz prahlen, von Donald Trump über Boris Johnson bis zu Erdoğan, Salvini und Orbán, hat die Politik der vergangenen Dekade überschattet. Warum sich so viele Menschen – darunter offenkundig auch viele Frauen – nach dieser Art von krumm gehobelten Führerfiguren sehnen, bleibt eines der großen Rätsel der Zehnerjahre. Man konnte eine historische Rückwärtsorientierung von Männern beobachten und auch eine flächendeckende Verwahrlosung, sowohl in ästhetischer Hinsicht wie auch in Bezug auf ihre Manieren und Umgangsformen. Was ist eigentlich los mit der Männlichkeit? Warum wurden erfolgreiche und wirkmächtige Männerbilder zuletzt vor allem von rechts definiert?

Ihr Aufstieg kam freilich nicht aus dem Nichts, er wurde mit einigen Jahren Vorsprung in der Popkultur vorbereitet. Wenn wir auf das Jahr 2010 zurückblicken, stellen wir fest, dass sich das Charaktermodell des politisch inkorrekten Mannes damals gerade auch unter generell liberal gestimmten Beobachtern einer großen Beliebtheit erfreute. Als erfrischend und originell wurden in jener Zeit vor allem Männer betrachtet, die sich in rhetorischer und sozialer Weise gegenüber Frauen grundsätzlich abwertend und abweisend verhalten, wie Dr. House aus der gleichnamigen Serie oder Don Draper aus Mad Men. Es waren Männer, die mit der zivilisatorischen Verfeinerung der Geschlechterverhältnisse in den späten Neunziger- und frühen Nullerjahren grob brachen und entsprechend auch mit dem Verständnis von Männlichkeit. Wie würde man eigentlich Dr. House heute sehen und bewerten, wenn die Serie noch einmal ganz neu ins Programm käme?

Die hegemoniale Männlichkeit verschob sich in den Zehnerjahren aber nicht nur nach rechts; diese Verschiebung verband sich mit einem generellen Verlust an männlichem Stilbewusstsein. Selbst die Nazis sahen ja früher besser aus: Man betrachte beispielsweise noch einmal die Auftritte des Neonaziführers Michael Kühnen in den Achtzigerjahren, es war ein fescher Kerl mit scharfen Zügen und einer ebenso geschnittenen Frisur, der gern in schwarzen Ledermänteln posierte wie kurz vor ihm noch David Bowie als Thin White Duke. Er umgab sich und seine Gefolgschaft mit einer Aura der Gefahr und des Bösen und hörte gern gute Musik von okkultistisch interessierten Neofolkbands wie Death in June. Die Erotik, die Michael Kühnen verströmte, konnte man selbst dann interessant finden, wenn man nicht zur Gruppe der Holocaustleugner gehörte; er war schwul und starb 1991 an Aids.

Hingegen wirken die rechten Männer von heute, die man in der AfD und der Identitären Bewegung findet, bloß noch wie unzufriedene verklemmte Bankangestellte: mit ihren randlosen Brillen und mühsam unterdrückten Gewaltfantasien. Es geht keine Souveränität von ihnen aus – dazu präsentieren sie sich auch allzu ausgiebig als Opfer des Systems, der Eliten, der Lügenpresse und des Feminismus oder von alldem zusammen. Sie werden von keiner Aura des anziehend Bösen umleuchtet, weil sie entweder jammern oder brüllen; sie sind öde angezogen und es umgibt sie nichts Sexuelles. Und wenn sie überhaupt über Sex reden, dann vom "Genderwahn" oder über die schändliche Hyper- oder auch Frühsexualisierung in der Gesellschaft: Sex, das ist für sie etwas, von dem es überall viel zu viel gibt und dessen Herrschaft zurückgedrängt werden muss. Die Männer der Neuen Rechten in Deutschland sind freud- und lustlose Figuren, deren Libido keine Perspektive besitzt außer dem Rücksturz in die Restauration des Patriarchats: Blümchensex bei gelöschtem Licht.

Das prägendste Männlichkeitsmodell in der gegenwärtigen Popmusik wird – jedenfalls im deutschsprachigen Raum – wiederum von den sogenannten Straßen- oder Gangsterrappern gestellt. Diese inszenieren sich als omnipotente Typen, denen es um nichts anderes geht als um Reichtum, Macht und Statussymbole; um den – gleich mit welchen Mitteln – erzielten Erfolg im unablässigen Kampf aller gegen alle. Anders als bei den Männern der Neuen Rechten wird hier Sex zwar häufig zum Thema, doch geht es dabei nicht um Lust, Genießen oder Erotik, sondern um Sex als Mittel zur Selbstermächtigung und Erniedrigung anderer. Frauen werden hier ausschließlich als Objekte betrachtet, als willige Schlampen oder Prostituierte – oder eben als Anhängsel anderer Männer, deren sexuelle Eroberung oder brutale Behandlung den Konkurrenten hinsichtlich seiner Potenz erniedrigt.

Dass ein unter jungen Hörern derart dominantes musikalisches Genre so flächendeckend patriarchal, sexistisch und homophob geprägt ist – das ist ein in der Geschichte der deutschen Popmusik neuartiges Phänomen, das viel über die Gesellschaft verrät, aus der es erwachsen ist. Neu ist allein schon der Umstand, dass eine ganze Generation junger Männer mit einer Art von Popmusik aufwächst, in der es keine Liebeslieder mehr gibt und auch keine Lieder über Liebeskummer. Die über Jahrzehnte gültige Boy-meets-girl-and-girl-leaves-boy-now-boy-is-very-sad-Formel besitzt hier keine Bedeutung mehr. Männer erscheinen in diesem Genre nicht mehr als Wesen, die lieben und leiden und sich vergebens romantisch verzehren, sondern lediglich als Typen, die mit ihrer Eroberungsfähigkeit und Brutalität prahlen.

Dazu passt, dass zu den beliebtesten Genres in der aktuellen Porno-Bewegtbild-Industrie die cuckold-Filme gehören, in denen der Sex von einem hyperpotenten Mann mit einer Frau vor den Augen deren impotenten Ehemanns vollzogen wird. Wobei dessen Impotenz wahlweise biologisch begründet sein kann (der Betreffende kriegt eben keinen hoch) oder – häufiger – daraus rührt, dass er von dem dominanten Teilnehmer der Szene zum Zuschauen gezwungen und gefesselt oder geknebelt oder sonst wie erniedrigt wird. In der Sprache der Neuen Rechten in den USA – von der Alt-Right-Bewegung bis zum komplizierten Feld der Konkurrenten in Donald Trumps Entourage – hat sich die Rezeption dieses Genres im Begriff des cuckservative niedergeschlagen. Damit sind Konservative gemeint, die nicht potent genug sind, um in der Härte der politischen Auseinandersetzungen ihren Mann zu stehen. Wer wiederum einen Konkurrenten am Aufstieg in höhere politische Positionen zu behindern vermag, darf sich des Cockblockings rühmen, also der Verhinderung des Einsatzes des Schwanzes.

In den USA sind die Sprache und die Selbstverständigung rechter Männer also weit stärker sexualisiert als in Deutschland. Dort spielt aber auch der maßlos übersteigerte Größenwahn eine stärkere Rolle, also die Frage, wer von allen Männern den Längsten hat. Das gilt in der Politik ebenso wie in der Popkultur: So wie der bedeutendste Politiker in der zweiten Jahrzehnthälfte, Donald Trump, sich unablässig als größten amerikanischen Führer aller Zeiten preist, so wurde der bedeutendste Popstar der ersten Jahrzehnthälfte, Kanye West, nicht müde, sich mit Gott, Jesus Christus, dem Heiligen Geist, dem Heiligen Paulus oder doch wenigstens Pablo Picasso zu vergleichen. Auch ließ er in seinen Selbsteinschätzungen nicht den geringsten Zweifel daran, dass seine Musik besser und bedeutender ist als alles, was jemals zuvor von irgendwem aufgenommen wurde.

Der größenwahnsinnige und hyperpotente Mann findet sein dialektisches Gegenbild im Typus des viktimisierten Mannes. Also in jenem Mann, der sich als Opfer der Umstände und Zustände betrachtet und aus der Empfindung des Zu-kurz-gekommen-Seins die Legitimation für Zorn, Wut, Hass und Gewaltanwendung zieht. In die Opferposition kann man sich beispielsweise dadurch gerückt fühlen, dass einem der nach eigener Ansicht zustehende ökonomische Wohlstand von anderen Männern streitig gemacht wird; dass man also nicht so reich, potent und sorgenfrei leben kann, wie man es eigentlich doch verdient (zum Beispiel qua Herkunft oder Staatsangehörigkeit). Zugleich gibt es bei dieser Viktimisierung eine starke sexuelle Komponente: Diese besteht darin, dass viele Männer sich sexuell zurückgesetzt fühlen und die Schuld daran in der weiblichen Emanzipation der letzten Jahrzehnte suchen. Jedenfalls zählt zu den wesentlichen Konstanten des Männlichkeitsbilds in den – ansonsten ja durchaus unterschiedlich ausgeprägten – Filiationen der Neuen Rechten in den USA und Europa der Hass auf die befreite Frau.

Die US-amerikanische Philosophin Kate Manne ist in ihrem – 2019 auch auf Deutsch erschienenen – Buch Down Girl. Die Logik der Misogynie der Frage nachgegangen, warum der Frauenhass gerade in einer Zeit wieder wächst, in der Frauen immer stärkeren Anteil am gesellschaftlichen und kulturellen Leben gewinnen. Er wächst, so schreibt Manne, gerade deswegen: Misogynie entsteht und verstärkt sich, wenn Frauen auf ein Terrain vordringen, das Männer für sich allein beanspruchen; und wenn Frauen sich nicht mehr so verhalten, wie es von ihnen erwartet wird. In der patriarchalen Gesellschaft sind sie zu fürsorgenden, empathischen, "gebenden" Wesen bestimmt, gleich ob in der Rolle der Mutter, der Sexualpartnerin, der Mitarbeiterin oder der Konkurrentin auf dem Arbeitsmarkt. Wenn sie sich diesen Erwartungen verweigern, wenn sie also selbst nach Souveränität streben oder von Männern das fordern, was in deren Vorstellung bloß die Frauen zu geben haben – dann fühlen sich manche Männer als Opfer, denen etwas genommen wird, das ihnen zusteht. Aus diesem Selbstbild erwächst ein Hass, der sich in verächtlicher Sprache oder sexueller Gewalt bis hin zum Mord manifestieren kann.

Der aus dieser Lage resultierende Typus des nach eigener Ansicht sexuell zu kurz gekommenen Mannes ist in den Zehnerjahren als Incel bekannt geworden: Dieser sieht sich als Opfer eines involuntary celibacy, eines unfreiwilligen Zölibats. Die New Yorker Kulturwissenschaftlerin Angela Nagle hat in ihrem 2017 erschienenen Buch Kill All Normies (in Deutsch 2018 als Die digitale Gegenrevolution) dargelegt, wie die Selbstbemitleidung der Incels im Lauf der Zehnerjahre in Hass umgeschlagen ist und welche Rolle die sich in Internetforen wie reddit aufstachelnden Männer bei der Durchsetzung des Alt-Right-Gedankenguts gehabt haben: "Der Niedergang der Monogamie hat sexuelle Muster hervorgebracht, die für eine Elite von Männern eine größere sexuelle Wahlfreiheit bedeuten, für eine beträchtliche männliche Bevölkerungsschicht am unteren Ende der Hackordnung jedoch zunehmend weniger Sex. Deren Angst und Wut über ihren niedrigen Status sind exakt die Gründe für die harte Rhetorik, mit der sie die Durchsetzung von politischer Hierarchie gegenüber Frauen und Nichtweißen fordern. Der Schmerz ständiger Zurückweisung schwärt in diesen Foren und erlaubt diesen Männern, sich als Meister der grausamen natürlichen Hierarchien zu fühlen, die ihnen so viel Demütigung zugefügt haben." 

Aus dem ideologischen Gehege der Incels ist eine Vielzahl von brutalen, misogynen Shitstorms gegen emanzipierte Frauen hervorgegangen. Die ersten und prominentesten davon richteten sich gegen Journalistinnen und auch gegen Softwaredesignerinnen, die es wagten, in die von diesen Männern exklusiv für sich beanspruchte Gamingwelt einzudringen (wie etwa 2014 gegen die Spieleentwicklerin Zoë Quinn). Außerdem tauchte die Incel-Ideologie zunehmend in den Pamphleten rechts geprägter, mordender Männer auf, wie bei dem Studenten Elliot Rodger, der 2014 versuchte, die Bewohnerinnen eines kalifornischen Studentinnenwohnheims zu massakrieren, oder zuletzt in Deutschland bei dem Attentäter in Halle, der sich unter anderem als Vorreiter einer weltweiten "Incel-Rebellion" beschrieb.

Diese Art der Maskulinität wird auf der anderen Seite des politischen Spektrums als toxisch bezeichnet. Hier finden sich all jene Männer, die ihre Sexualität einem detox unterziehen, also von jeder Art der Gewalttätigkeit und Dominanz befreien wollen. Auch hier lässt sich ein buntes Sammelsurium von Typen beschreiben, vom Metrosexuellen über den Hafermilchmann bis zu den Trägern antitoxischer Bärte. Alle diese Männer wollen weich, gefühl- und verständnisvoll wirken. Darum haben sie – anders als die meist glatt rasierten Männer der Neuen Rechten – auch ein derart ausgeprägtes Faible für buschigen Gesichtsbewuchs. Ihre Bärte tragen sie, zumindest in christlich geprägten Gesellschaften, gerade nicht als Ausweis einer naturbelassenen Virilität, sondern als paradoxes Zeichen der Verweiblichung und Verweichlichung: Wichtig ist nicht die maskuline Potenz, die sich in der archaischen Behaarungsanmutung zeigt, sondern die im gewachsenen Bart zur Erscheinung gelangende Dauer des Wachsens selbst. Es sind Bärte der Renitenz und der Prokrastination; sie stehen für ein lustvolles Sich-nicht-entscheiden-Können und passives Gewährenlassen. Prägende Träger solcher Bärte des Werdens und Wartens sind seit Mitte der Nullerjahre Neofolksänger wie Devendra Banhart, Bonnie "Prince" Billy oder die Fleet Foxes. Der bedeutendste neue Bartträger, der in den Zehnerjahren erstmals die Bühne betreten hat, entspringt wiederum dem Feld der Literatur: Es handelt sich um den norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård, der mit seiner melancholischen Virilität und seinen ebenso radikal entschleunigten wie endlos wuchernden Büchern zum meistangeschmachteten Sexsymbol der gebildeten Mittelschichtsfrauen wurde.

Nicht alle Bärte bezeugen natürlich eine antitoxische Männlichkeit oder liberale Gesinnung. Ebenfalls in den Zehnerjahren ist der aufwendig und regelmäßig gestutzte, geölte und behandelte sogenannte Hipsterbart zum Supersymbol pseudoindividualistischer Angepasstheit an die neoliberale Wettbewerbsgesellschaft geworden. Der gegenwärtig bekannteste deutsche Träger eines neoliberalen Chef- und Untertanenbarts ist der Start-up-Unternehmer und neue Verleger der Berliner Zeitung, Holger Friedrich. Und natürlich kann man den Bartbewuchs auch zum populistischen Zeichen des heroischen Widerstands gegen die hyperkulturalisierten und von der wahren Welt entfremdeten Eliten umwidmen, wie es zum Beispiel in Italien von Matteo Salvini von der Lega praktiziert wird.

Nicht nur politisch, auch als Mann erscheint Barack Obama mit seinen guten Manieren, der gepflegten Sprache, den gut sitzenden Anzügen und seiner zurückhaltenden, aber dadurch interessanten erotischen Ausstrahlung wie die größte denkbare Antithese zu seinem Nachfolger Donald Trump. Andererseits kann man Obama in einer bestimmten Hinsicht gerade auch als Vorläufer Trumps und der größenwahnsinnigen Männer der Gegenwart betrachten: nämlich als messianischen Typus, der immerhin seinerseits nicht weniger versprach als eine grundstürzende Veränderung der globalen Verhältnisse zum Besseren hin. Wie es mit solchen Versprechen ist, erweisen sie sich alsbald als nicht einzuhalten; nach dem Ende von Obamas zweiter Amtszeit 2016 ging der Messianismus in der Politik an Kinder und Frauen über. Eine Zwergenvariante dieses Messianismus in der deutschen Politik findet sich bei Robert Habeck, der in seinem Natürlichkeit symbolisierenden Bartfrisurstil und seinem hemdsärmeligen Auftreten in stilistischer Hinsicht seinem scheinbaren Politik-Antipoden Salvini übrigens erstaunlich nahekommt.

Die wichtigsten Fortschritte in der sexuellen Emanzipation haben wir in den Zehnerjahren natürlich der #MeToo-Bewegung zu verdanken; hier waren es ausschließlich Frauen, die die Impulse setzten. Wenn Männer im #MeToo-Zusammenhang auftauchten, dann als Täter oder Leugner oder eingebildete Opfer – oder als verständnisvolle, aber auch fundamental verunsicherte Neosofties, die sich in die neuen Verhältnisse einzufügen versuchten durch den Beweis besonderer Sensibilität, sexueller Unauffälligkeit und Zurückhaltung. Damit passen sie perfekt zu jener Generation, für die in den Zehnerjahren der Begriff snowflake gängig geworden ist. Das Collins English Dictionary, das ihn 2016 erstmals verzeichnete, definiert "Schneeflocken" als Angehörige einer Alterskohorte, die "als weniger belastbar und anfälliger für Beleidigungen angesehen wird als frühere Generationen".

Auf den Bühnen der deutschen Popkultur gab es wenigstens in der ersten Hälfte der Zehnerjahre eine Konjunktur solcher männlichen Snowflakes, sie hießen beispielsweise Tim Bendzko, Philipp Poisel und AnnenMayKantereit; lauter Typen, die in etwa so wirkten, als seien sie als antimachistische Idealtypen von einem feministischen Uniseminar ausgedacht worden. Doch gerade damit waren die feministischen Kommentatorinnen nun auch wieder nicht zufrieden. So Nina Pauer im Jahr 2012 in der ZEIT, unter lautem Beifall ihrer Leserinnen: "Auf die junge Frau wirkt die neue männliche Innerlichkeit, das subtile Nachhorchen in die tiefsten Windungen der Gefühlsregungen, schrecklich kompliziert. Und auf die Dauer furchtbar unsexy."

Wie man es macht, macht man es eben falsch. Tatsächlich ist es ja keine triviale Aufgabe, wenn man die männliche Sexualität einem detox unterziehen und zugleich den Eindruck einer erotisch anziehenden Souveränität wahren will. In den Zehnerjahren ist dies nur wenigen Heterosexuellen gelungen: Sicher gehört dazu Adam Driver, der die maskulinen Prägungen aus seiner Vergangenheit bei den Marines in anregender Weise mit den Selbstzweifeln des antitoxischen Neosofties verbindet. Diesen dialektischen Männlichkeitsentwurf, der gleichermaßen intro- wie extrovertiert, passiv wie souverän erscheint, hat er gerade in dem von Kritik und Publikum so sträflich unterschätzten neuen Star-Wars-Film Der Aufstieg Skywalkers zu einer Paraderolle auszubauen verstanden. Ansonsten wurden nennenswerte Modelle von origineller, reflektierter und anziehender Männlichkeit in den letzten zehn Jahren vor allem von schwulen, transgender oder sonst wie queer geprägten Männern entwickelt, beispielsweise von Frank Ocean und Harry Styles, von Lil Nas X, Anohni und Conchita Wurst.

Für den bekennendermaßen heterosexuellen und zugleich nicht reaktionären Mann sind die Zehner eine schwierige Dekade gewesen. Alle scheinbaren Selbstverständlichkeiten gerieten von rechts wie von links unter Druck; in gewisser Hinsicht ist er im letzten Jahrzehnt an den Nullpunkt seiner Performance gelangt. Dass es von dort aus nur wieder nach oben oder wenigstens irgendwo anders hingehen kann – das ist das matte Versprechen, mit dem wir in die Zwanziger wechseln.
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Aus: "Männlichkeit: Wer lässt den Mann noch ran?" Ein Essay von Jens Balzer (27. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2019-12/maennlichkeit-aussehen-umgangsformen-macht-sexualitaet-popkultur-zehnerjahre/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2019-12/maennlichkeit-aussehen-umgangsformen-macht-sexualitaet-popkultur-zehnerjahre/komplettansicht)

Quotekiraly #5.2

Der Autor hat die neuen und alten Linken vergessen. Diese Spezies war noch nie sexy.


QuoteBrontodocus #10

Die Vokabel "Blümchensex" ist der Versuch, sich über die zu erheben, die es nicht nötig haben, ihr Sexualleben durch kleinbürgerliche Vergewaltigungsfantasien aufzupeppen. ...


QuoteRobert Nozick #10.1

"Die Vokabel "Blümchensex" ist der Versuch, sich über die zu erheben, die es nicht nötig haben, ihr Sexualleben durch kleinbürgerliche Vergewaltigungsfantasien aufzupeppen"

und ich möchte aus eigener Erfahrung fortsetzen: "und deren Ehefrauen dann mit 45 in irgendeiner Datingbörse auftauchen und erstaunt feststellen, dass das Sex mehr ist als Licht aus, drauf und warten bis er fertig ist."


Quoteriurja #14

Ich muss zumindest Protest anmelden, wo es um Robert Habeck geht, weil hier mein ich die Projektion von außen doch ein bisschen sehr stark mit seiner (mutmaßlichen) Selbstwahrnehmung vermengt wird, das ist im Falle Obamas doch anders, der sich seiner Wirkung nicht nur immer sehr bewusst war, sondern es natürlich auch drauf anlegte. Habeck scheint dagegen viel mehr so "passiert", manchmal scheint es sogar auch sich selbst, und eigentlich reichte ein Blick auf seine - in mancher Hinsicht erstaunliche - Biografie, um ihn hier ein Stück weit auszunehmen. Im Gegensatz zu Trump, Johnson, oder gar Orbán, Typen die es immer gab, ist er schon eher ein wirklich neuer Typus Politiker. Und es passt höchstens ganz gut in die Zeit, dass er sich kaum "machte" oder machen musste.

Auch sonst kann man es ein bisschen gewollt finden, zumindest wenn man sich nicht grad auf die zehn Jahre versteifte fiele natürlich manches unter den Tisch, sage nur mal Ankunft der Cosplay-Szene, davor Emo, passte hier so gar nicht rein. Aber ist schon auch viel Wahres dran.


QuoteGlöck.chen #26

Kühnen und seine Truppe haben übrigens gemordet. Die Erotisierunz von Kühnen durch den Autor löst also einen leichten Kotzreiz bei mir aus. Eine Aura des Böses ist dann nichts anderes als die Aura eines Mörders, aber so what. Genauigkeit und Differenzierung hat bei diesem Text sowieso keinen Platz...
Scheinen schwierige Feiertage gewesen zu sein ;)


QuoteA65 #26.1

Ich finde auch, dass es kurios ist Kühnen als ästhetische Figur zu betrachten. Aber über Geschmack kann man nicht gut streiten.


QuoteIch bin dann Mal weg #31

Selten so einen Schwachsinn gelesen.


Quoteelfotografo #31.1

Selten so gut begründete Kritik gelesen.


QuoteMalparte #34

Der "Essay" kreist in den Vorstellungswelten eines großstädtischen Intellektuellen Mileus das nichts außer sich kennt. Phänomene wie ,,gut ausehender Porsche Fahrer" sind ja nicht tot, weil die Medien "weiter" sind. ich war vor zwei Jahren mit zwei ,,Elite"-Soldaten – Gebirgs Fallschirmjäger – auf Abend Tour und Genderdebatte hin oder her – Frauen stehen auf Typen mit diesem Mindset und dem Body - um es höflich auszudrücken. ...


QuoteÖmbelbi #34.1

Kann ich als Frau bestägigen. Tja


QuoteHangmans Lullaby #34.2

Ich kann das als Frau nicht bestätigen. Im Gegenteil mit solchen Männern kann ich in der Regel nicht allzu viel anfangen, dabei stehen die auf mich. Klein, schlank und schmal... genauso ein Klischee.
Sie werden aber sicher noch ein paar Frauen finden, die das bestätigen, dass Frauen auf dieses Körper und das Mindset abfahren.


QuoteMalparte #34.3

Mir ging es nicht darum, alle Frauen über einen Kamm zu scheren. Ich denke, dass es sehr viel vershiedene Milieus gibt und die Medien das Biotop in dem ihre Angestellten leben, masslos überschätzen - geben tut es dieses Milieu aber auch - neben vielen anderen


Quote1Frizze1 #36

Der Artikel beschreibt meines Erachtens nur einen Teil des Erscheinungsbildes der heutigen Männer. Diese angeführten Rollenbilder gab es jedoch so oder doch zumindest ganz ähnlich so "schon immer" (also schon lange).
Neu ist der Typus, der so politisch nicht korrekt gemeinhin als "Lappen" bezeichnet wird (von anderen Männern wie durchaus auch von Frauen). Den "Waschlappen" gab es im Volksmund ja schon immer, der "Lappen" ist aber relativ neu. Der Letztere zeichnet sich durch große Verunsicherung in seiner Rolle als Mann aus. Er ist stets darauf bedacht, sich unter allen Umständen so zu verhalten (Sprache, Kleidung, Benehmen, Interessen), dass er in seinem gesellschaftlichen Umfeld als politisch korrekt wahrgenommen wird, er möchte unter allen Umständen nicht als "Macho" beschimpft werden (obwohl er das gerne wäre). Er nimmt seiner Freundin/Frau die Hausarbeit größtenteils ab und sorgt für die Sauberkeit in der gemeinsamen Wohnung. Auch bemüht er sich, den Kinderwagen öfters zu schieben als seine Freundin/Frau.
Wenn man Frauen alleine bzw. mit Freundinnen im Urlaub erlebt, dann kann man allerdings sehr oft sehen, worauf sie stehen, falls es (wenigstens) dort für sie eine passende Gelegenheit dazu gibt ...
Im ZEIT-Artikel ist von anderen negativen Beispielen die Rede. In diesem Artikel fehlt jedoch der moderne "Lappen"-Typus ...
Meine Meinung: Männer wie Frauen haben ein gewaltiges Rollenproblem ...


Quote_jemand #38

Und jetzt den ganzen Artikel nochmal im gleichen Ton auf Frauen gemünzt.


QuoteMehowSri #38.1

Wir wollen doch nicht, dass ein Journalist wegen Misogynie fristlos gekündigt wird.


Quote
Henk S. #46

Ich bin sooo froh schwul zu sein.
Die Rollen, die meine Freunde bei ihren Frauen ausfüllen müssen sind mir viel zu ambivalent.
Stark, schwach, hart, weich. mitfühlend, bestimmend, sensibel, beschützend, progressiv. altbacken, Jäger, Helfer...

Bei meinem Mann darf ich noch einfach ein Mann sein. Alt, weiß, männlich und gerne auch toxisch.


QuoteDesaguliers #54

,,Warum wurden erfolgreiche und wirkmächtige Männerbilder zuletzt vor allem von rechts definiert?"

Weil sämtliche Männlichkeitskonzepte von links diskreditiert wurden, deshalb.


QuoteSorny #54.3

Linke Männlichkeitskonzepte hatten schon immer das Grundproblem, dass sie mit Männlichkeit wenig bis nichts zu tun haben. Also mit Mut, Kraft, Stärke, Ausdauer und Erfolg. Wenigstens eines oder zwei davon.

Linke Männlichkeit besteht meist lediglich aus der Selbsterkenntnis teilweise oder gar total versagt zu haben und der faschen Schlussfolgerung, dass daran alle anderen Schuld sind. Ganze vorne weg die "Kapitalisten". Also die erfolgreichen.

Das nennt man Eifersucht.


QuoteImhotep1111 #6

Eine wirklich gute umd treffende Analyse.

"Für den bekennendermaßen heterosexuellen und zugleich nicht reaktionären Mann sind die Zehner eine schwierige Dekade gewesen. Alle scheinbaren Selbstverständlichkeiten gerieten von rechts wie von links unter Druck; in gewisser Hinsicht ist er im letzten Jahrzehnt an den Nullpunkt seiner Performance gelangt. "

Ich würde dies eher gute Jahre nennen. Das Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit ist, mal kurz Anfassen kein "Herrenwitz sondern sexuelle Belästigung sind und die Erkenntnis das es männliche Seilschaften sind, sie die Karrieren von Frauen behindern, sind Erfolge von vielen dieser Zeit.

Schwierig ?: Nur für jene Männer, die vom Denken in dem 1960ern stehen geblieben waren, oder als religiös oder kulturellen Gründen, das soziale Gleich sein nicht akzeptieren konnten.

Keine Entwicklung bleibt ohne Gegenbewegung.

Ende dieser Jahre bleibt eins: Die Entwicklung zu Akademisierung um Dinge wie :Autofahrer oder Autofahrende, wird mit _ * oder Innen gegendert.
? "Probleme einer neuen akademischen feministischen Elite, die nicht mehr für die realen Probleme einer Gesellschaft und vor allem de Frauen stehen.

Im Streit um einen Witz über das dritte Klo , zwischen Safe Space, Triggerwarnung und PC übersieht diese Minderheit, das es Alphamännchen wie Trump und Co. Sind, die gerade dabei sind, die Uhren 50 Jahre zurückdrehen.

Der zivilisierte Mann? Eine westliche Eigenheit, der weltweit eine verschwindende Minderheit ist.


QuotefelixJongleur #73

Mich berührt das alles irgendwie gar nicht. Im Alltag merke ich da nix, auch nicht im Freundeskreis. Wenn die Chemie stimmt findet man sich, ganz normal. Die einen stehen auf laute, andere auf ruhige Typen, bei einen ist Geld umd Sicherheit wichtig, bei anderen nicht etc. ...


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 15, 2020, 05:57:36 PM
Quote[...] Falk Richter - geboren 1969 in Hamburg, ist Regisseur und Dramatiker. 1999 gelingt ihm der Durchbruch mit ,,Gott ist ein DJ" und ,,Nothing Hurts".Mittlerweile zählt Richter zu den international erfolgreichsten deutschen Dramatikern mit über 35 Theaterstücken, die in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. 2018 wurde seine Inszenierung von Elfriede Jelineks ,,Am Königsweg", die er am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg inszeniert hatte, zum Berliner Theatertreffen eingeladen und er zum ,,Regisseur des Jahres" von Theater heute gekürt.
Am 15. Januar 2020 wird am Maxim Gorki Theater in Berlin ,,In My Room" uraufgeführt. ...  In Berlin bringt er sein Stück ,,In my room" heraus, eine Auseinandersetzung mit Vätern und Männern in der Krise.


Nicholas Potter: Herr Richter, Ihr neues Stück geht der Frage nach, welche Spuren unsere Väter in unserem Leben hinterlassen haben und was das für Kons­truktionen der Männlichkeit bedeutet. Diese Frage ist nicht gerade neu und wird zurzeit viel diskutiert von Autoren wie Didier Eribon, Édouard Louis und Jack Urwin. Fehlt Ihnen etwas in der Diskussion bisher?

Falk Richter: Ja, wahrscheinlich mein sehr eigener Blick dar­auf. Es ist ein sehr persönliches Stück geworden, so wie ich das sonst nicht unbedingt mache. Während der Schreibphase ist mein Vater auch gestorben, was sehr viel in mir aufgewühlt hat. Zusammen mit dem Ensemble wollte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, was mein Vater eigentlich mit mir gemacht hat, wie er mich zugerichtet hat und welche Zurichtungen er selbst erfahren hat. Die Personen, die Sie erwähnen, sind keine Theatermacher, sondern Soziologen und Romanautoren. Ich wollte mich nicht allein, sondern zusammen mit den Schauspielern mit diesen Fragen beschäftigen.

Wie biografisch ist das Stück für Sie?

Das Stück beginnt mit einem Monolog, der meine Beziehung zu meinem Vater beschreibt, der als Soldat noch im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges gekämpft hat. Er wurde für den Krieg erzogen: Als Achtzehnjähriger wurde er aus der Schule noch eingezogen. Später war mein Vater Teil des Wirtschaftswunders und hat mehrere Hamburger Unternehmen geleitet. Er ist eben aus dieser Phase eines jungen Menschen, der durch den Krieg traumatisiert wurde, in ein Leben reingegangen, das komplett der Leistung des Geld­erwirtschaftens gewidmet war. Es hatte erst sehr spät in seinem Leben eine Reflexion gegeben über das, was stattgefunden hat. In seiner Vorstellungswelt war es jahrelang gar nicht denkbar, dass er über seine Gefühle reden kann, dass er Nähe zu einem anderen Mann haben und ihn nicht nur als Konkurrenten ansehen kann.

Welche Spuren hat das in Ihnen hinterlassen?

Mein Vater war bis kurz vor seinem Tod nicht in der Lage, eine nicht hierarchische Kommunikation zu führen oder sich überhaupt auf meine emotionale Welt, auf mein Schwulsein einzulassen. Das war für ihn ein großes Problem. Dieses Männlichkeitsbild erfährt gerade eine Renaissance in Deutschland durch die AfD, die Identitäre Bewegung und neue faschistische Gruppierungen, die wirklich sagen, wir müssen unsere Männlichkeit wieder erobern und entdecken. Das ist genau die Art von Männlichkeitskonstruktion, die meinen Vater total unglücklich gemacht. Er war ein seelisch und emotional zerstörter Mensch durch das gewesen, was er damals erfahren hat.

Ist die Krise der Gegenwart eine Krise der Männlichkeit?

Es ist eine Krise bestimmter autoritärer Handlungsweisen, die meistens Männern zugeschrieben werden. Es gibt aber auch eine toxische Männlichkeit, die Frauen praktizieren. Alle Frauen der AfD sind eigentlich Patriarchinnen in ihrem Verhalten: Sie sind homophob, rassistisch und fordern ein soldatisches Männerbild. Diese Männlichkeitskonstruktion enthält aber einen Widerspruch: Kein Mann, der diese Härte performt, ist ja so hart. Die Zusammenbrüche, die Burn-outs haben sie dann zu Hause.

Das Toxische daran ist, dass wir eigentlich erkennen, dass gerade wahnsinnig viel falsch läuft, dass wir zum Beispiel den Planeten weiter zerstören und es dennoch weiterhin machen. Es ist eine egoistische Haltung, die sagt, ich ändere mich nicht, stelle mich nicht infrage und alles, was ich bislang in meinem Leben gemacht habe, war richtig. Dass man sich nicht reflektiert und Fehler eingesteht. Man setzt sich selbst ins Recht, dass man anderen Unrecht zufügen darf. Und das haben in der Hauptsache Männer beigebracht bekommen.

Trump ist ein Paradebeispiel für diesen Widerspruch: Er spielt gern den autoritären Vater, ist aber in Wirklichkeit sehr dünnhäutig.

Es geht um ein Bild von Stärke. Wenn dieses Bild gekränkt wird, setzt man Aggression ein, um es zu verteidigen. Interessanterweise verkörpert jemand wie Trump all das, was in diesen restaurativen Kons­truktionen häufig Frauen zugeschrieben wird: Irrationalität, Impulsivität, Gemütsschwankungen. Aber genau das ist das Gefährliche an dieser Renaissance des starken Mannes, wie es jetzt auch mit Orbán und Erdoğan daherkommt. Das sind eigentlich komplett wankelmütige, überemotionale, irrationale Herrscher. Sie können weder Stress noch Kritik ertragen.

Ihre Stücke entwickeln Sie meistens mit dem Ensemble während der Proben, Sie fangen aber oft mit Textfragmenten an. Was war hier Ihr Ausgangspunkt?

Der kreative Impuls dafür war eine Männlichkeitskonferenz, ,,Mann sein 2019", die ich vor einem knappen Jahr mit dem Dramaturgen Daniel Richter besucht habe. Es interessierte mich, dass es plötzlich immer mehr Angebote für Männer gibt, die ihre Männlichkeit kritisch hinterfragen wollen oder einfach verwirrt sind. Viele heterosexuelle Männer wissen nicht genau, wie sie sich jetzt verhalten sollen. Auf der Konferenz gab es ein großes Angebot: von Haka-Workshops, wo man den neuseeländischen Maori-Tanz lernt, bis hin zu Vorträgen über Vater-Sohn-Beziehungen. Es war sehr diffus.

Sind Sie dort zu irgendwelchen bereichernden Erkenntnissen gekommen?

Dass es eine große Verwirrung bei vielen Männern gibt, die sich bedroht fühlen durch die Frauen, durch #MeToo. Sie haben das Gefühl, nichts mehr machen oder sagen zu dürfen. Auf der Konferenz gab es zwei Lager: die, die absolut bereit sind, sich zu ändern, die aber nicht genau wissen, wie ein neues Männerbild eigentlich aussehen könnte. Da haben sie auch nicht unrecht, denn es gibt so wenige positive Vorbilder. Wir befinden uns noch in der Dekonstruktion, wissen aber nicht so richtig, wo es hingehen soll. Und dann gibt es einen Teil, der oftmals politisch den neuen Rechten zuzuordnen ist, die sagen, dass Frauen zu mächtig werden und daher zurückgedrängt werden müssen.

In ebendiesen neurechten Kreisen scheinen Sie einen Nerv getroffen zu haben. Wegen Ihres Stücks ,,Fear" wurden Sie angeklagt und erhielten Hassmails und Morddrohungen. Hat Sie das als Künstler eingeschüchtert?

Es war ein Realitätsschock. Es war eine Reise in die Finsternis, zu sehen, wie radikal diese neurechten Gruppierungen um die AfD herum agieren. Ich übe eine Kritik an den Neurechten, und ihre Antwort ist: Wir bringen dich um. Eingeschüchtert bin ich aber nicht. Es hat nicht dazu geführt, dass ich mich nicht mit ihnen auseinandersetze oder jetzt harmloser geworden bin. Im Gegenteil: Ich beschäftige mich umso intensiver mit Rechtsextremismus.

Die tatsächliche Wirkungsmacht des Theaters wird oft infrage gestellt, aber die Angst der Neurechten weltweit vor kulturellen Institutionen ist vielsagend. Das haben wir zuletzt in Ungarn gesehen, wie Orbán gegen das Theater vorgeht. Theater scheint doch eine reale Bedrohung für die Rechten darzustellen. Das gibt einem Hoffnung.

Die reine Existenz von einem Raum, der wirklich frei ist, in dem man wirklich seine Meinung sagen und freie Kunst machen kann, ist so eine Irritation im Weltbild von diesen autoritär strukturierten Menschen. Das halten sie einfach nicht aus. Deshalb ist eigentlich der Wunsch da, das Theater und die freie Kunst zu vernichten, was in allen Diktaturen passiert: weil es diese Gegenstimme nicht geben soll. Wir haben jetzt hier einen Raum, in dem wir sie satirisch überhöhen, kritisieren, dekons­truieren – und das soll eben nicht mehr existieren. Deshalb ist das auch eine reale Gefahr.


Aus: "Falk Richter über toxische Männlichkeit: ,,Er wurde für den Krieg erzogen"" Das Interview führte: Nicholas Potter (15.1.2020)
Quelle: https://taz.de/Falk-Richter-ueber-toxische-Maennlichkeit/!5652457/ (https://taz.de/Falk-Richter-ueber-toxische-Maennlichkeit/!5652457/)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 15, 2020, 10:02:30 AM
Quote[...] Da ist also der Vater, ein Hilfsarbeiter und Proletarier, der säuft, schlägt und prügelt – seine Kinder, die Frau, der er in der Schwangerschaft in den Bauch tritt, wie später auch seiner Tochter, die daraufhin mit ihm bricht und in die USA flieht.

Die Mutter, sie ist vielleicht die eigentliche Heldin in dieser erschütternden wie erbauenden Geschichte, ergibt sich weitgehend diesem Leben aus Erniedrigung und Gewalt, sie ist depressiv, zeigt in einigen Momenten aber eine entwaffnende Empathie und Liebe.

Man ahnt, warum sie einst den Wunsch hatte, Dichterin zu werden. Die Lyrik, die Literatur, das Schreiben sind der Schlüssel in dieser wuchtigen und herzzerreißenden Erzählung von Christian Baron, in der es um nichts anderes geht als um sein Aufwachsen, sein Leben in einer Familie, die manche wohl als "asozial", abgehängt" und "unterschichtig" bezeichnen würden.

Denn der Autor lernt von dieser Empathie, sie zerrt ihn heraus aus diesem Horror in der deutschen Stadt Kaiserslautern – in ein anderes Leben. Er studiert, er schreibt, er wird Journalist. In seinem Buch Ein Mann seiner Klasse (Ullstein) versucht er, zu begreifen, wo er eigentlich herkommt, wie er geworden ist, was er ist – schreibend und nachfühlend.

Anders als Didier Eribons Rückkehr nach Reims lotet Baron, der bei der Berliner Wochenzeitung Freitag arbeitet, sein Aufwachsen ausschließlich erzählend aus. Es gibt keine soziologische Erklärungsmodelle und kaum Reflexionsanstrengungen, auch keinen politisch-ideologischen Überbau, der auf eine allzu klare, womöglich allzu eindimensionale Botschaft und irgendwie eindeutige und erlösende Erklärung hinauslaufen würde.

Die Literatur ist das richtige Mittel der Wahl, um Zwischentöne, Widersprüche und Ambivalenzen deutlich zu machen. Die muss man aushalten können, wenn man sich auf Barons Lebensspuren begibt.

Da gibt es beispielsweise die Szene, als der kleine Christian, nachdem seine Geschwister und er tagelang nichts zu essen bekommen haben, verzweifelt mit den Fingernägeln den Schimmel von der Wand im Kinderzimmer kratzt und isst, um den Hunger zu stillen, während sein Bruder ihn ängstlich beobachtet, weil er befürchtet, Christian könne daran sterben.

Als die Mutter wieder einmal zum Opfer eines Gewaltanfalls ihres Mannes wird, sitzt sie tagelang apathisch auf der Couch. Ihr Sohn Christian tut nichts anderes, als sich zu ihr zu legen, sie schweigend zu umarmen, um sie aus ihrem Zustand wieder erwecken zu können. Was ihm auch gelingt: "Sekunden später kraulte mich eine Hand. Ich hob den Kopf und blickte in Mamas lächelndes Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen, stand sie auf, begleitete mich händchenhaltend ins Bett und drückte mir einen Gutenachtkuss auf die Stirn."

An einer anderen Stelle wird Christian ins Krankenhaus gebracht, er spuckt Blut, er wird siebenmal operiert, die Ärzte geben ihn schon fast auf.

Und wer ist es, der bei seinem todkranken Sohn wacht und nicht von seiner Seite rückt? Der Vater, dieses vermeintliche Monster und Scheusal: "Mein Vater war da. Er hatte mir das Leben gerettet. Seine sich mit Rasierwasser vermengende Alkoholfahne duftete für mich tausend Mal besser als jeder Teller Spaghetti Bolognese."

Es sind diese Momente im Buch, die den Leser sprachlos zurücklassen, die einen wütend machen, die aber auch von beschwichtigender Kraft sind. Neben der empathischen Aufschlüsselung eines Lebens hat das Buch noch andere Erzählstränge, die nur angedeutet werden.

Christian Baron versucht, sie in seinen vielen Interviews auszuformulieren: So gebe es in Deutschland nur wenige Empathieanstrengungen, sich mit anderen Milieus gesellschaftspolitisch adäquat auseinanderzusetzen. Stattdessen herrschten Vorbehalte und die Tendenz zur sprachlichen Abkanzelung, was sich mitunter Parteien wie der AfD zunutze machen.

Überhaupt sei das Klassen- oder Milieubewusstsein ausgeprägter als man zugeben würde, was Baron an seiner eigenen schmerzhaften Zerrissenheit erklärt. Dann ist da die geringe soziale Durchlässigkeit und die fehlende Unterstützung von Kindern aus sozialschwachen Familien, die seit vielen Jahren in Deutschland kritisiert wird.

Im Deutschlandfunk Kultur sagte Baron: "Ich sehe mich eher als Ausnahme. Ich hätte Einstein sein können und hätte es ohne fremde Hilfe trotzdem nicht geschafft. Wer annimmt, dass jeder, der möchte und sich anstrengt, in Deutschland es schaffen kann zu studieren, der muss ja angesichts der Zahlen annehmen, dass man automatisch oder von Natur aus dümmer ist, wenn man in einem nicht-akademischen Elternhaus geboren wird, als wenn man in einem Haus voller Bücher aufwächst. Das ist eine biologische Argumentation von Erblichkeit von Intelligenz." (Ingo Petz, 13.6.2020)


Aus: "Der Vater, das Scheusal und die Zerissenheit des Sohnes" Ingo Petz (14. Juni 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000118028303/der-vater-das-scheusal-und-die-zerissenheit-des-sohnes (https://www.derstandard.at/story/2000118028303/der-vater-das-scheusal-und-die-zerissenheit-des-sohnes)

Quote
braz1

Ich habe das Buch heute fertig gelesen. Erschütternd was manche Kinder ertragen müssen...


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RobHoc

Der Artikel zum Vatertag! Schön, wie positiv Mannsein hier präsentiert wird. Ich hoffe auf Ähnliches zum nächsten Muttertag. Großen Bericht bitte, was Mütter alles anstellen!


Quotepsychon.aut

Es gab zum Muttertag einen Artikel, in der auch die Mutter nicht besonders gut wegkam. Es gibt also keinen Grund sich benachteiligt zu fühlen.
https://www.derstandard.at/story/2000117309313/kaffeehausbesitzerin-susanne-widl-ich-habe-meiner-mutter-verziehen (https://www.derstandard.at/story/2000117309313/kaffeehausbesitzerin-susanne-widl-ich-habe-meiner-mutter-verziehen)


Quote
Susanne_B

Wow! Sie fühlen sich von einem Bericht über das Buch EINES Mannes, in dem dessen triste Kindheit geschildert wird, angegriffen. Wenn Sie von einem Mann auf alle schließen, ist das bitte Ihr Problem, dessen Sie sich dringend annehmen sollten. ...


Quote
RobHoc

Wenn Sie die Meta-Ebene meines Kommentares nicht verstehen, dann macht eine Diskussion mit Ihnen keinen Sinn und ist vergeudete Zeit. In diesem Sinne, schönen Tag Ihnen.


Quote
Susanne_B

Ah, die Metaebene... Sie meinen die, auf der Sie Ihren offensichtlichen Frust und Ihre offensichtliche Aggressivität ausleben?


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 05, 2020, 10:56:02 AM
Quote[...] Berlin - Einfache Beats, drei Akkorde, eine Mädchenstimme fängt an dilettantisch zu rappen. "Kurde verreck', weißt du was, du Hurensohn, du hast es nicht gecheckt: Türken sind am Start, also geh weg!"

Das sind noch die harmlosen Beleidigungen in einem YouTube-Video, das in neun Monaten mehr als 79.000 Mal abgerufen wurde. Fäkalausdrücke und brutale Drohungen werden hier in schlechtem Deutsch aneinander gereiht.

Eine der jüngsten Antworten von kurdischer Seite sieht so aus: "Wir sind Killerkurden, kämpfen für die Freiheit unseres Landes Kurdistan gegen euch Missgeburten!", rappt ein Junge in einem Video mit schlechter Tonqualität. Im Hintergrund sieht man Kemal Atatürk, den Vater der Türken, mit einem Hundekörper, der gerade auf die Türkeifahne pinkelt. Die Rapperstimme schimpft weiter: "Das ist kein Scheiß, ich mein's ernst, wenn ich Krieg sag. Ich ficke jeden Bozkurt!" Aufrufe des Videos: 1100 in einer Woche.

[...] Der Extremismus-Expertin zufolge ziehen die Jugendlichen aus den jeweiligen Ideologien die Symbole von Macht und Überlegenheit – auch um ihr Verlierer-Dasein zu überwinden. Wohl deshalb geht es in den Internetforen so hart her: "Meine Kugel trifft deinen Kopf", rappen türkische Jungs - und kurdische antworten: "Die Straße gehört uns."

"Es handelt es meist um perspektivlose Jugendliche, die sich hier nicht angenommen fühlen, die sich in ihre ethnische Identität zurückziehen und daraus ihr Selbstwertgefühl schöpfen", sagt Dantschke. Das Problem sei "von hier" und "nicht etwa aus der Türkei importiert".


Aus: "HASSVIDEOS VON TÜRKEN UND KURDEN: "Die Straße gehört uns"" Von Ferda Ataman (18. Dezember 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,523367,00.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,523367,00.html)

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Quote[...] Wer hat euch wehgetan, Männer? Das darf doch echt nicht wahr sein, dass ihr da draußen immer noch rumlauft und faschistische Milizen gründet. Habt ihr sonst keine Hobbys? Wie wärs mal mit Backen?

Nehmen wir die ,,Proud Boys" als Beispiel. Diese Schlägertruppe, die in den Nachrichten ist, weil sie in Portland bewaffnet aufläuft und sich der US-Präsident nicht von ihnen distanzieren wollte. Diese ,,Stolzen Jungs" sind zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil Familienväter in der Midlife-Crisis, denen Bartpflege und männlich-weiße Weltherrschaft wichtig sind. [https://taz.de/US-Praesident-Trump-und-die-Proud-Boys/!5713246/ (https://taz.de/US-Praesident-Trump-und-die-Proud-Boys/!5713246/)], [https://taz.de/Antifeminismus-in-Nordamerika/!5524323/ (https://taz.de/Antifeminismus-in-Nordamerika/!5524323/)]

Gegründet hat sie 2016 ebenfalls ein Familienvater in der Midlife Crisis; als eine Art Deppenwitz der Geschichte, und das sind sie auch geblieben, außer, dass sie eben eine unkontrollierte Miliz sind, denen der Präsident diese Woche zugerufen hat, sie sollen sich bereithalten – auch wenn er später angeblich nichts mehr von ihnen wissen wollte. [https://www.fr.de/politik/proud-boys-neonazis-donald-trump-usa-tv-debatte-bereithalten-joe-biden-90056880.html (https://www.fr.de/politik/proud-boys-neonazis-donald-trump-usa-tv-debatte-bereithalten-joe-biden-90056880.html)]

Aber lassen Sie sich gar nicht erst in ihren ,,Ach, die USA ..."-Lehnstuhl fallen. Hier drüben im Heiligen Römischen Reich haben wir die rechtsextremistischen ,,Identitären", die sich im Sommer in einem Sägewerk in der Lausitz getroffen haben, um nach antikem olympischen Vorbild Nahkampf zu trainieren und sich im Lagerfeuerschein gegenseitig ihre gestählten Herrenrasse-Waden zu bewundern. [https://twitter.com/ibdoku/status/1297125565519060992 (https://twitter.com/ibdoku/status/1297125565519060992)]

Die ,,Identitären", ebenso wie die ,,Proud Boys", Prepper und andere Iterationen der maskulinistischen Neuen Rechten, versuchen ihr Tun mit Historie, mit Mythos aufzuladen, mit Rückgriffen auf projizierte alte Ideale und angebliche Former Glory – dabei geht es bloß um Sport, Minderheitenhass und homoerotische Spannung. Also nichts weiter als deutsches Vereinswesen. [https://taz.de/Neue-Rechte/!t5020823/ (https://taz.de/Neue-Rechte/!t5020823/)]

Sich selber und uns, die Beobachter*innen und Analyst*innen, wollen sie überzeugen, dass da noch mehr ist: eine Tradition, ein inneres Narrativ. Die ,,Proud Boys" pflegen deshalb Rituale (oder behaupten es) wie die Einschränkung des Masturbationsverhaltens, um daraus angebliche innere Stärke und Ruhe zu generieren. Das ist übrigens christlich-abendländischer Unsinn – bei der Kontrolle von Sexualität geht es immer nur um Kontrolle, nichts weiter. Und die ,,Identitären" geben sich gerne Spitznamen aus Zach Snyders Sparta-Softporno-Blockbuster ,,300".

Ich frage mich dann oft: Wie kann man euch heilen? Worum geht es euch wirklich? Vielleicht ist es ja doch diese Zukunfts-, diese Globalisierungsangst oder die Furcht vorm Machtverlust. Adressierbare, bearbeitbare Themen also. Maybe you should talk to someone?

Aber erstens würde ich alle diese Typ-A-Klemmschwestern nur therapieren, wenn man mich so richtig obszön dafür bezahlt (Honorar im Bereich Luxus-Ledermantel müsste das schon sein). Und zweitens ist dies ja genau Teil des Spiels. Bedeutung suggerieren, wo es bloß um infantile Instinkte geht: erniedrigen, einschüchtern, verängstigen, herrschen.

Man tut aber so, als ginge es um männliche Identität, Nationalstolz, Bruderschaft und Anti-Globalisierung. Mag sein, dass alle diese Dudes ihre individuellen biografischen Gründe haben, Dicks geworden zu sein. Der eine ist vielleicht wirklich einfach ganz doll gegen entgrenzten Kapitalismus. Der nächste hatte einen cholerischen Dad, der dritte hat Erektionsprobleme und noch einer ein leicht behandelbares, aber bislang undiagnostiziertes psychisches Problem.

Mag ja alles sein. Aber nichts davon führt unweigerlich dazu, dass Leute Arschlöcher, Chauvis und Schläger werden. Sorry aber, baby, we ain't born this way. Arschlöcher, Chauvis und Schläger sind Arschlöcher, Chauvis und Schläger, weil sie sich entschieden haben, Arschlöcher, Chauvis und Schläger zu sein. Da gibt es nichts hineinzudeuten. Und diesen Gefallen sollten wir ihnen auch nicht tun.


Aus: "Rechtsextremismus und Midlife-Crisis: Die Infantilität des Bösen " Kolumne von Peter Weissenburger (4. 10. 2020)
Quelle: https://taz.de/Rechtsextremismus-und-Midlife-Crisis/!5718223/ (https://taz.de/Rechtsextremismus-und-Midlife-Crisis/!5718223/)

QuoteCoriolis - 04.10.2020, 20:23

Proud Boys, Identitäre, Graue Wölfe, Schwarzer Block, Wehrsportgruppe Hoffman usw.

Es gibt in jedem Alter und in jeder Gruppe Menschen, die beim Denken nicht so viel Glück haben. Damit müssen wir wohl leben....


Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 08, 2020, 10:44:36 AM
Quote[...] Es war ein altbekanntes Manöver: Im TV-Duell gegen Joe Biden richtete sich Donald Trump, anstatt sich von White Supremacy (dem Glauben an die Überlegenheit Weißer) zu distanzieren, an die "Proud Boys". "Haltet euch zurück und haltet euch bereit." Außerdem müsse jemand etwas gegen die "Antifa" unternehmen. Die Reaktionen waren absehbar: Rechtsextreme jubelten, Republikaner gaben sich konsterniert, nach ein paar Tagen verurteilte Trump dann schließlich White Supremacy. Ein Medienzirkus, wie er ihn schon viele Male durchgespielt und der diesmal die "Proud Boys" ins Scheinwerferlicht gerückt hat.

Doch die "Proud Boys" sind mehr als eine weitere Neonazi-Schlägertruppe. Sie sind das Ergebnis einer vielschichtigen Verflechtung von Popkultur, Neo-Faschismus, Porno, Troll-Kultur und Incels (Involuntary Celibates). Der Code ist dezidiert uneindeutig, schon allein visuell: Sturmgewehr, Tarnhose und Trumps rotes "Make America Great Again"-Basecap mag man auch von anderen rechten Milizen kennen, jedoch eher nicht die mal gezwirbelten und mal zotteligen Hipsterbärte sowie schwarz-gelbe Polohemden des Modelabels Fred Perry (das jüngst verkündet hat, die Produktion dieser Modelle einstellen zu wollen). Dass die Mitglieder der "Proud Boys" meist eher bullige Männer zwischen 20 und 40 sind, die zurück wollen zu einer brachialen, gewalttätigen Männlichkeit, ist unzweifelhaft. Andererseits baut das aber erklärtermaßen auf einem "Fight Club"-Gedanken auf. Sollte der Bürgerkrieg, wenn er denn – "Haltet euch bereit" – wirklich kommt, ernsthaft in einem Topos gründen, dem das liberale Hollywood zu entscheidender Bekanntheit verholfen hat?

Gegründet wurden die Proud Boys 2016 vom Kanadier Gavin McInnes, 1994 ebenfalls Mitgründer von Vice Media, nicht unbedingt ein bevorzugtes Medium der Alt-Right. McInnes fiel schon vor seinem Abschied bei Vice im Jahr 2007 (wegen "kreativer Differenzen") mit frauen- und minderheitenfeindlichen Polemiken auf. Doch er nahm auch etwas von dort mit: Dem Hipster-Kosmos entlieh er neben äußerlichen Attributen das Stilmittel der Ironie und der Tirade, von der man nie ganz genau sagen kann, ob sie sich nicht eventuell selbst persifliert. Damit werden dann heute antisemitische Hetzreden wie "10 Dinge, die ich an Israelis hasse" verbrämt.

Der Name "Proud Boys" leitet sich aus einem Lied des Disney-Films "Aladdin" ab, das "Proud of your Boy" heißt. Der Wahlspruch der Gruppe ist das swahilische "Uhuru", "Freiheit". Neue Mitglieder werden zur Initiation verprügelt, bis sie fünf Sorten Cornflakes genannt haben. All diese Dinge führen dazu, dass die "Proud Boys" im Gegensatz zu anderen gewaltbereiten Banden eher als skurril oder gar albern wahrgenommen werden können. Zudem behaupten sie gern, sie seien keine White Supremacists, weil sie ja auch – bis hin zum heutigen Vorsitzenden Enrique Tarrio – BPOC (Black People of Colour)-Mitglieder hätten. Dazu passt, dass sie nicht etwa eine weiße oder arische, sondern eine neue "westliche" Männlichkeit verkörpern wollen.

Was die "Proud Boys" nun aber so gefährlich macht, ist zum einen die Nähe zu Trump und seinen Kreisen. Gegründet im Jahr seiner Wahl, wird ihre Mitgliederzahl inzwischen auf mehrere hundert geschätzt. Sie stellten unter anderem schon für den rechten Blogger Milo Yiannopoulos und die rechte Publizistin Ann Coulter bei Veranstaltungen die Security, teils mit chaotischen Ergebnissen. Und auch Roger Stone, ehemaliger Trump-Berater, hat die "Proud Boys" bereits als Bodyguards angeheuert. Erst kürzlich bedankte sich die republikanische Kandidatin für den Senat in Delaware, Lauren Witzke, bei der Gang für ihre "kostenlose Security" auf ihrer Wahlkampfveranstaltung. Man muss nicht gleich zur Saalschutz-Funktion der SA gehen, um diese Nähe zur rechten (Medien-)Macht bedenklich zu finden. Ein Verweis auf die Hells Angels, die in den späten 60er-Jahren "nur" bei Konzerten Angst und Schrecken verbreiten durften, tut es vielleicht auch.

Zum anderen ist es wichtig, den vermeintlich eher harmlosen Zusatz "westlich" im Kontext von rechtsextremen Codes zu verstehen: Angestrebt wird hier eindeutig eine von Weißen dominierte, heteronormative, patriarchale Welt. Die Ideologie baut auf Elemente der rechtsradikalen Verschwörungserzählung von einem angeblich drohenden "Weißen Genozid". Nach diesem Narrativ steht die "westliche" Kultur "unter Belagerung" von nicht-weißen Kräften und droht auszusterben. Es ist ein Verschwörungsmythos, der inhärent antisemitisch, islamophob und antimigrantisch geprägt ist. Neben Gemeinsamkeiten beim optischen Durchbrechen neonazistischer Codes finden sich hier auch ideologische Parallelen zur "Identitären Bewegung" in Europa und ihrer Erzählung vom "großen Austausch".

Jeder Mann könne Mitglied der "Proud Boys" werden, heißt es – aber nur, solange anerkannt wird, dass "weiße Männer nicht das Problem sind". In ihren zehn Grundprinzipien sprechen sich die "Proud Boys" gegen "rassischen Schuldkult" (racial guilt) und politische Korrektheit aus. McInnes sagte im Oktober 2018, er lehne Rassismus ab, fällt aber immer wieder mit rassistischen Statements auf. Mit den "Proud Boys" hat das allerdings nur noch bedingt zu tun, erklärte McInnes doch wenig später seinen Austritt aus der Gruppe, um sie zu schützen. Zuvor hatte das FBI "Proud Boys" (es gibt widersprüchliche Angaben, ob nun die ganze Gruppe oder nur einzelne Mitglieder) als extremistisch eingestuft und ihnen Verbindungen zum "weißen Nationalismus" attestiert.

Die "Proud Boys" selbst sehen sich als Erleuchtete: Durch "Red Pilling", das Schlucken einer metaphorischen "roten Pille" (eine Matrix-Anspielung), "erwachen" zukünftige Mitglieder und erkennen plötzlich, dass fremde Kulturen die "westliche" bedrohen. Relevant für die Konstruktion einer neuen "westlichen" Männlichkeit ist die Cuckold-Pornografie. Es handelt sich dabei um ein Genre, in dem meist ein weißer Mann zusieht, wie seine Frau mit einem schwarzen Mann Sex hat, wodurch ihr Partner erniedrigt und entmännlicht wird. Die "Proud Boys" übertragen diesen Fetisch allerdings auf die heutige Gesellschaft: Gemäßigte Konservative und Linke seien "cucks", die sich von Schwarzen und anderen Minderheiten vorführen ließen. Der Begriff "cuck" ist mittlerweile ein fester Bestandteil neurechter Codes im Internet geworden. Dieser Entmännlichung könne man sich nur entziehen durch das Aufgehen in Gewalt und strenge Masturbationskontrolle. Das soll den Zusammenhalt der Gruppe stärken und zudem motivieren, sexuellen Frust nicht selbst abzubauen, sondern "rauszugehen" und Frauen zu treffen. Diese Gedankengänge sind auch der Incel-Szene nicht fremd.

Um dieser, nach eigener Aussage "pro-westlichen Bruderschaft" beizutreten, müssen laut dem "Southern Poverty Law Center", einer gemeinnützigen Organisation, die rechtsextreme Gruppen beobachtet, vier Grade durchlaufen werden: Am Anfang steht die öffentliche Erklärung: "Ich bin ein westlicher Chauvinist und ich weigere mich, mich für die Schaffung der modernen Welt zu entschuldigen." In einem zweiten Schritt folgt das Cornflakes-Prügelritual – das diene der Adrenalin-Kontrolle. Außerdem müssen sich Mitglieder an das Masturbationsverbot halten. Pornografie ist übrigens verboten. Ein Mitglied des dritten Grades muss sich ein "Proud Boys"-Tattoo stechen lassen. Der vierte Grad ist dann erreicht, wenn der Anwärter öffentlich Gewalt gegen angebliche Angehörige der in rechten Kreisen verhassten "Antifa" ausübt. Spätestens hier wendet sich also die Gewaltbejahung gegen das gesellschaftliche Außen, wird ein zutiefst toxisches und rein physisch ausgerichtetes Männlichkeitsideal zu einer realen Bedrohung.

Zu dieser Weltanschauung gehört selbstverständlich auch ein aggressiver Antifeminismus: Gründer McInnes, der sich noch nach seinem Weggang von Vice mit lustigen Homevideos als moderner Vater inszenierte, ist bekannt dafür, Feminismus als "Krebs" bezeichnet zu haben und zu behaupten, Frauen wollten misshandelt werden – gleichzeitig dienen ihm Stereotype über Frauenhass in der islamischen Welt für rassistische Diffamierung. Stattdessen wünschen sich die "Proud Boys unter dem Wahlspruch "Verehrt die Hausfrau" ein (vermeintliches) Ideal der 50er-Jahre zurück. Das beinhaltet auch Stress für Männer: Die "Proud Boys" verabscheuen Dinge, die sie für "verweichlicht" halten – ein amerikanischer Mann soll lieber Steaks essen und Äxte werfen, anstatt zu lesen.

Gelesen wird aber manchmal trotzdem, und das ist durchaus verräterisch in Bezug auf die Behauptung, nicht einer Ideologie der White Supremacy anzuhängen: Der Gründer fasste den Charakter der Treffen mal mit "saufen, kämpfen und laut aus Pat Buchanans Der Tod des Westens vorlesen" zusammen. Buchanan, ein ehemaliger Redenschreiber für Präsident Richard Nixon und mittlerweile ein White Supremacist, behauptet in dem Buch, dass das weiße Christentum durch Immigranten verdrängt werde, die Verschwörungserzählung des "Weißen Genozids" klingt auch hier an.

Gleichzeitig wirkt auch das Saufen-Kämpfen-Lesen-Statement eher schräg als initial bedrohlich. Dahinter steckt eine Strategie: Wer nicht ernst genommen wird, kann sich besser ausbreiten. Wer weiß schon, dass die Verwendung von "Uhuru" die Verhöhnung eines Aktivisten ist, der mit demselben Wahlspruch in einem Video Reparationen für die Versklavung Schwarzer forderte? Oder, dass McInnes als Grund für die Cornflakes-Prügel nennt: "Den Westen gegen Menschen, die ihn zerstören wollen, zu verteidigen, ist wie sich an Cornflakes zu erinnern, wenn du mit zehn Fäusten bombardiert wirst. Die Kameradschaft und Bindung, die diese Gewalt produzieren, ist inspirierend."

Die "Proud Boys" sind eine neofaschistische, frauenfeindliche und rassistische Gang, die sich in Einschüchterung und Gewalt übt. Der Richter Mark Dwyer, der 2019 zwei "Proud Boys" zu vier Jahren Haft verurteilte, nachdem sie antifaschistische Demonstrierende angegriffen hatten, sagte: "Ich weiß genug über Geschichte um zu wissen, was in den Dreißigerjahren in Europa passiert ist, als die Justiz politischen Straßenkämpfen nicht Einhalt gebot." Besonders bedrohlich ist das auch deshalb, weil sich die "Proud Boys" eben kaum noch zurückhalten, wie Trump es vorerst gefordert hat: Sie tauchen mittlerweile immer öfter auf Black-Lives-Matter-Demonstrationen auf und versuchen, Gewalt zu provozieren. Die "Proud Boys" verfügen außerdem über eine paramilitärische Untergruppe, die sich "Fraternal Order of the Alt-Knights" nennt – eine klare Anspielung auf den Terminus "Alt-Right". Von dem distanzierten sich Sprecher der Gruppe dann ganz gemäß der Taktiken des Trollens mit Vor- und Zurückrudern und Es-nicht-so-und-im-Zweifel-nur-ironisch-Gemeinthabens.

Trumps Aufruf an seine Fans, im November in Wahllokalen "für Sicherheit" zu sorgen, dürfte bei den "Proud Boys" auf Begeisterung gestoßen sein. Sie verkaufen mittlerweile Fanartikel mit Trumps Aufforderung "Stand Back and Stand By". Der Gründer des neonazistischen Daily Stormer schreibt dazu: "Ich habe Gänsehaut. Ich habe immer noch Gänsehaut, er [Trump] sagt den Leuten, sie sollen sich bereithalten. Bereit für den Krieg." Am Samstag wurde Gavin McInnes vor dem Walter-Reed-Krankenhaus gesichtet.


Aus: ""Proud Boys": Mehr als nur ein Neonazi-Schlägertrupp" Eine Analyse von Annika Brockschmidt (7. Oktober 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2020-10/proud-boys-us-wahl-white-supremacy-gavin-mcinnes-rechtsextremismus/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2020-10/proud-boys-us-wahl-white-supremacy-gavin-mcinnes-rechtsextremismus/komplettansicht)

QuoteHFLM #1

As Gay Twitter reclaims #ProudBoys hashtag, Proud Boys change name to "Leather Men"
https://www.thebeaverton.com/2020/10/as-gay-twitter-reclaims-proudboys-hashtag-proud-boys-change-name-to-leather-men/ (https://www.thebeaverton.com/2020/10/as-gay-twitter-reclaims-proudboys-hashtag-proud-boys-change-name-to-leather-men/)


QuoteOnlyOnePlanet #1.3

... Ist der Beaverton so was wie der Postillion hier?


QuoteSir Lawrence #1.7

"Ist der Beaverton so was wie der Postillion hier?"- Yep


Quotenucleolus #1.10

"Übrigens: Sich lustig machen über vermeintliche Homosexualität von offen homophoben Gruppen ist immer insofern schwierig, als dass das nur dann funktioniert, wenn man selbst Schwulsein als Witz begreift."

Stimmt nicht. Der Witz hier ist die Ironie, das Heuchlerische. Dass mit Klischees gespielt wird, liegt wiederum an der Natur von Witzen.


QuoteSchievel2 #1.11

Ne?
Man kann kann auch Homosexualität ernst nehmen und sich trotzdem darüber lustig machen, wenn sich homophobe darüber aufregen mit homosexuellen in Verbindung gebracht zu werden. Warum soll das in Ihren Augen ein Widersprich sein?


QuoteSonderze.chen #1.15

Und extremreligiöse Männer sind dann auch nie frauenfeindlich, weil sie ja Frauen heiraten? ...


QuoteNobelix #2

Die queeren Jungs, die den hashtag "ProudBoys" gekapert haben, sind da doch deutlich symphathischer. Wenn Trump das auch so sehen würde, wäre noch ein Hauch von Hoffnung gegeben.


QuoteCantHappenHere #4

"aber sie sind popkulturell vielschichtig, arbeiten mit Albernheiten und Ironie. Das bedeutet Gefahr."

...und, im Rahmen der Gesetze, auch zunächst mal schlicht politische Meinungsäußerung. Will sagen: die Ideologie macht sie wenn dann gefährlich, nicht die Tatsache, dass auch Rechtspopulisten bis hin zu Neonazis sich inzwischen intelligenterer Mittel bedienen als der tumben Herummarschiererei in Springerstiefeln.


Quoter.schewietzek #4.2

Joah. Aber diese Fixierung aufs Masturbationsverbot lässt tief blicken. Freud lässt grüssen.


QuoteDer Reimer #4.3

Jedenfalls ist die ganze Angelegenheit letztlich wieder SO ne Seifenblase der Medien.
Diese "Proud Boys" sind letztlich einfach eine unter vielen mehr oder weniger reaktionären unzähligen Gruppen, die es in den USA halt wohl gibt, sicher weder die gefährlichste noch die bedeutsamste.
Der Name wurde halt von Trump ins Spiel gebracht, weil er da selber wohl mal was von gehört hat, bei FOX vermutlich...letztlich taugen die allenfalls als Synonym.

Immerhin ne nette Werbeaktion für die, schätz ich mal. Sachlich konkret ne Albernheit.


QuoteMeefrangge #4.14

Ich gebe dem Mitforist nicht zu 100% Recht, aber was Wahres ist nunmal dran.

Beispiel Feminismus - für viele Frauen der Grund, sich "endlich auch mal wie die Machos der 80er aufzuführen".
Dann gibt's noch die Schwarzer Fraktion, die einen Kachelmann auch dann noch als Vergewaltiger betitelt, obwohl rechtskräftig klar ist dass seine Frau gelogen hat.
Dann die, die sich in die rhetorische Opferrolle begeben, und auf Mitleid pokern.

Wenn Biden also im Interview Trump so einen Knochen hinwirft, und der Journalismus macht das hier draus, frage ich mich schon wer hier eigentlich der Brandstifter ist.
Und ja, man hat ein Recht auf seine eigene, vielleicht falsche Meinung, solange sie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Lieber ein Chauvinist, der zugibt einer zu sein, als einer, der mir mit Honig um den Maul hinterfotzig gegenüber tritt.
Da weiß ich wenigstens woran ich bin.


QuoteRaymond Luxury-Yacht #9

Hmmm... Mal eine ganz spannende Zusammenfassung einer bisher vollkommen unbekannten Gruppe. Die Gruppe als Symptom ist ganz interessant. Die massive Betonung des liberalen Topos von der "toxischen Männlichkeit" bis zum "Mann, als Ursache für alles Übel von Frauen oder Minderheiten"... Es war damit zu rechnen. Ich glaube nicht, dass das eine Massenbewegung wird aber die Ursachen so einer Reconquista des Meinungsspektrums liegen auf der Hand.


Quoter.schewietzek #9.1

Frauen sind nicht mehr gehorsam genug?


QuoteRaymond Luxury-Yacht #9.2

Bei mir war diesbezüglich von Anfang an Hopfen und Malz verloren... LOL


QuoteM_Schæfer #10

Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Redaktion/tg


QuoteRaymond Luxury-Yacht #10.1

Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.


Quotewackelnde Gardine #13

Was ist das eigentlich für eine neue Masche mit diesem "werden als ... gelesen"?
Ist das selbstentlarvendes Korrektsprech für "werden in die Schublade ... gesteckt"?


QuotePedro Navaja #14

Testosteronstau, sexuelle Frustration und politisch vergiftete Stimmung sind ein sehr, sehr gefährliches Cucktail...sorry Cocktail.


Quotehumboldt_redivivus #16

Sehr aufschlussreicher Bericht, also eben dieser Mix aus Macho-Gehabe, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit usw. usw. Problem sehe ich auch, doof sind die nämlich nicht alle und ja - vom Outfit teilweise ziemlich cool. Ich glaube, wir alle müssen uns vom dem antiquierten Nazibild mit Springerstiefeln definitiv verabschieden. Die Rechtsextremisten sind vielschichtiger, fast hätte ich queerer gesagt. und deshalb viel gefährlicher, diese Identitären kommen ja rein optisch teilweise auch recht cool rüber!

Ergänzung: Beim nochmaligen Lesen des Artikels scheint mir eine gewisse homoerotische Aufladung, wie bei anderen Männerbünden, auch noch vorzuliegen und da können dann ja doch Parallelen zur SA ("Röhm-Putsch") gezogen werden.


Quoter.schewietzek #17

Dass die Mitglieder der "Proud Boys" meist eher bullige Männer zwischen 20 und 40 sind, die zurück wollen zu einer brachialen, gewalttätigen Männlichkeit, ist unzweifelhaft.

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Vielleicht werden sie nur nicht damit fertig, daß sie ihr Geschirr selber spülen müssen und ihre Wäsche selber waschen müssen - eigentlich keine Fertigkeiten, die besondere Intelligenz oder Aufnahmefähigkeit verlangen....
Die meisten Männer schaffen das problemlos.


Quotetamsin paine #17.1

Die meisten Männer, die ich kenne, waschen ihre Wäsche und spülen ihr Geschirr normalerweise nicht selbst. Dazu gib es auch Statistiken. Es sei denn, sie sind nicht verpartnert, und das Inceltum scheint ja bei den Proud boys das Problem zu sein.


QuoteJosef Bologna #17.2

Spülen ist die Hölle!


QuoteJ.P._Merz #35

Immer wenn ich Proud Boys höre habe ich sofort einen Hit von Duran Duran im Ohr.


QuoteWurstkuchlbub #35.1

Und ich denke bei den Proud Boys an Kleinkinder, die stolz sind, das erste mal allein aufs Klo gegangen zu sein...


QuoteAbdul Alhazred #38

Ist das sowas wie unsere IB?


QuotePascal P #38.1

Nur mit Waffen...


QuoteTordenskjold #38.2

Wohl eher eine Mischung aus IB und SA.


QuoteManus Cornu #38.5

Eigentlich kein schlechter Vergleich. Zumindest ist das Ziel wohl Ähnlich: Niemand will gerne mit Glatze und Springerstiefeln bzw mit schlechten Zähnen und Schrotflinte in Verbindung gebracht werden, also schaut man, welche Subkultur sonst gerade ~hip~ ist und kopiert deren Ästhetik.


QuoteKlara Denken #60  —  vor 6 Stunden

... "Neue Mitglieder werden zur Initiation verprügelt, bis sie fünf Sorten Cornflakes genannt haben."

Entschuldigung: Was ist denn der Untershied zu schlagenden Verbindungen? Backe hinhalten, aufschlitzen und dann stolz die Narbe vorzeigen.

"All diese Dinge führen dazu, dass die "Proud Boys" im Gegensatz zu anderen gewaltbereiten Banden eher als skurril oder gar albern ..."

Jetzt soll mir mal einer erzählen daß farbentragende Burschenschaften mit ihren Uniformen, Kommersen, Saufgelagen etc. nicht skurril oder albern sind. ...

"Gleichzeitig wirkt auch das Saufen-Kämpfen-Lesen-Statement....".

OK, da gebe ich zu Deutsche Verbindungsstudenten tun nur die ersten zwei Dinge.

"...Taktiken des Trollens mit Vor- und Zurückrudern und Es-nicht-so-und-im-Zweifel-nur-ironisch-Gemeinthabens....".

Genau dasselbe, die Desdensia-Rugia meint es garnicht so, wenn sie die Nachbarschaft mit Goebbels Reden beschallt, wir es mir vor langer Zeit als Student in Gießen passiert ist, als ich das Unglück hatte in der Nachbarschaft zu wohnen.

Wir haben diese "Proud Boys' seit 172 Jahren. Ganze DAX Vorstände bestehen aus solchen Seilschaften.


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 26, 2020, 10:09:05 AM
QuoteWatzi Wiedergaenger (2020)

    Der Strafprozess ist uebertriebene politische Korrektheit...
    Sicher, dieser Unfalltod sollte nicht sein, und die dafuer verantwortlichen sollten bestraft werden - etwa Strafexerzieren, Ausgangssperre am Wochenende, oder aehnliche Sanktionen: Nichts, was ihrerer Karriere schaden koennte!

    Der Zweck des Soldatentums ist das Kaempfen - und da gibt es nun mal Tote. Man sollte es nicht so negativ sehen, wenn ab und zu bei solchen Ritualen jemand stirbt: Es macht den jungen Leuten klar, dass ihr Beruf risikoreich und gewalteinschliessend ist. Nichts schlimmes fuer junge Maenner: Erhoeht den Testosteronspiegel, und damit die Attraktivitaet gegenueber Frauen (genau daher finden auch Profisportler in aggressiven Sportarten, Gewaltkriminelle etc viele willige Frauen..)

Kommentar zu: "Tod bei Initiationsritus an angesehener Militärschule in Frankreich"  Stefan Brändle aus Paris (25.11.2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000121984920/tod-nach-initiationsritus-an-angesehener-militaerschule-in-frankreich (https://www.derstandard.at/story/2000121984920/tod-nach-initiationsritus-an-angesehener-militaerschule-in-frankreich)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 09, 2021, 03:42:19 PM
Quote[...] Peking verbannt Schauspiel-Stars aus dem Fernsehen, die dem gewünschten Macho-Image nicht entsprechen. Man fürchte um die nationale Sicherheit.

China ist längst zur politischen und wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen. Doch gleichzeitig hat die derzeitige Staatsführung in Peking niemals ihre allumfassende Paranoia abgelegt. Diese Fragilität zeigt sich aktuell besonders deutlich: Pekings Regierung fürchtet, die Jugend des Landes könne nicht ,,männlich" genug sein.

Vor einer Woche ordnete die staatliche Fernsehbehörde einen Boykott androgyner Stars aus dem Showgeschäft an, die seit Jahren zu den bestbezahlten Sängern und Schauspielern zählen. Sämtliche Männer ,,mit weiblichem Stil und anderer abnormaler Ästhetik" sollen aus dem TV verbannt werden. In der offiziellen Ankündigung verwendeten die Regierungsvertreter auch den überaus vulgären Begriff ,,Niang Pao": eine beleidigende Abwertung für feminine Männer.

Wer die soziokulturellen Zusammenhänge des Phänomens verstehen möchte, muss ein wenig im Archiv kramen. Die androgyne Ästhetik, die der Kommunistischen Partei ein Dorn im Auge ist, lässt sich zu den japanischen Manga-Comics der 1990er Jahre zurückverfolgen. Internationale Popularität erlangte der neue Look vor allem im benachbarten Südkorea, wo nach der Jahrtausendwende erstmals die sogenannten ,,Kkonminam" auftauchten: wortwörtlich ,,schöne Blumen-Jungen".

Deren exaltierte Mode, sorgsam gestylte Haare und geschminkte Gesichter waren damals durchaus auch ein rebellisches Statement. Zumindest grenzte sich die Jugend zur älteren Generation an Männern ab, die sich – geprägt durch den in Südkorea verpflichtenden Militärdienst – als harte Machos präsentierten: kalte Miene, keine Emotionen und stets eine verspiegelte Pilotenbrille im Gesicht. Das Schönheitsideal in Seoul hingegen könnte gegensätzlicher nicht sein: weiche Gesichtszüge, ,,niedlicher" Habitus und Skinny Jeans zur geschminkt blassen Haut.

Trotz der genderneutralen Ästhetik blieb diese zunächst reine Oberfläche: Zwar spielten die aufkommenden koreanischen Boy Bands äußerlich mit Geschlechter-Stereotypen, doch bedeutete dies nicht im Umkehrschluss, dass sich hinter dem Milchbubi-Gesicht nicht ein waschechter Chauvinist versteckt.

Mit der koreanischen Welle, dem Kulturexport der Popmusik und Fernsehserien schwappten die ,,Blumen-Jungs" auch in die Volksrepublik. Für die konservative Staatsführung Pekings war der K-Pop-Hype schon damals ein Dorn im Auge. Sie fürchteten um den Einfluss auf die heimische Jugend. Diese Paranoia hat wohl auch vor allem damit zu tun, dass sämtliche Parteikader mit nennenswerter Macht in China mindestens 60 Jahre alt und fast ausschließlich männlich sind.

Etliche Politiker machten in den letzten Jahren die ,,Feminisierung" der Jugend für alle möglichen gesellschaftlichen Probleme verantwortlich: Mal hieß es, dass die angebliche Verweichlichung für einen Anstieg an Homosexualität sorgen würde. An anderer Stelle kritisierten vermeintliche Experten, dass die Androgynität der männlichen Jugend deren mangelnde Körperfitness widerspiegele. Nicht selten wurde gar ein Zusammenhang zu der nationalen Sicherheit des Landes hergestellt: Wer sich die Haare stylt und die Gesichtshaut schminkt, könne unmöglich sein Heimatland im Ernstfall verteidigen.

Für die Tattoo-tragenden Celebrities mit den gefärbten Haaren hat sich auf sozialen Medien längst ein abwertender Begriff durchgesetzt: ,,xiao xian rou", was sich in etwa mit ,,jungem Frischfleisch" übersetzen lässt.

Vor Jahren bereits sorgte ein Pekinger Lehrer für mediale Schlagzeilen, als er die durch ,,K-Pop korrumpierte Jugend" mit einem eigens gegründeten Bootcamp wieder zu Alpha-Männern umerziehen wollte – mit Box-Training und Marschgesängen inklusive. Bislang jedoch konnte noch keine staatliche Erziehungsmaßnahme der Attraktivität der neuen Männlichkeit etwas anhaben.


Aus: "Zensur im chinesischen TV: Die alte Paranoia" Fabian Kretschmer, Korrespondent China (9. 9. 2021)
Quelle: https://taz.de/Zensur-im-chinesischen-TV/!5795697/ (https://taz.de/Zensur-im-chinesischen-TV/!5795697/)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 11, 2021, 11:12:33 AM
Quote[...] Die Freundlichkeit des wahren Gentleman, der natürlich ebenso ein Taxifahrer oder Hoteldirektor sein kann ... ist absichtslos und steht nicht im Dienst einer Geschäftstüchtigkeit, eines Flirts oder einer Verhandlung.

Als zwischenmenschlicher Diplomat ist er jederzeit auf Ausgewogenheit und Gerechtigkeit bedacht, er tritt niemals dominant auf, ist nicht nachtragend, spricht ungern über sich und bleibt am liebsten unauffällig, ohne dabei schüchtern zu sein. Er beherrscht die Kunst der verstellbaren Augenhöhe, auf der er sich mit jedem treffen kann. ... Eine oft zitierte Definition stammt von dem Autor John Henry Newman, nach der ein Gentleman insgesamt jemand sei "der niemals Schmerz zufügt".

... Heute aber hat der Gentleman vielleicht ein Update nötig. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, er wäre nur noch eine Kostümrolle aus einem Schwarz-Weiß-Film. Nein, gerade in einer Zeit, in der Rüpelei und Beleidigtsein, populistische Unflat und rohe Muskelspiele wieder zu den Stilmitteln gehören, besteht dringender Bedarf an einem zivilisierten Männerbild. Denn der Gentleman ist mit seiner Haltung und seiner wohlwollenden Klarsicht auch immer Inbegriff der Kultiviertheit und Zierde seiner Zeit. Aber was würde ihn in der Gegenwart auszeichnen?

Zwei Punkte irritieren heute am klassischen Gentleman. Er ist zum einen sehr analog, zum anderen sehr heteronormativ und geschlechtsfixiert. Den Mann trägt er nun ja schon im Namen, es wäre aber angebracht, darüber nachzudenken, ob der Gentleman nicht auch eine Frauenrolle sein könnte, oder noch eher: eine UnisexLebensart. Dagegen ist nichts einzuwenden, wäre da nicht der leise Verdacht, dass viele Gentleman-Eigenschaften an Frauen ohnehin als normale Wesenszüge gelten. Das sanfte, sozial-emotionale, intelligente Wesen, dem grundsätzliche an Harmonie und Respekt gegenüber jeder Kreatur gelegen ist und das sich nicht immer in den Mittelpunkt spielen will? Klingt nach Klischee-Frau. Erst am Hetero-Manne scheint diese Ausstattung zu kontrastieren und damit bemerkenswert. Seit das andere Geschlecht nicht mehr beschützt werden muss, fällt zudem ein prominentes Aufgabengebiet weg. Zum Türaufhalten reicht ein Galan, damit ist ein Gentleman unterfordert.

... brauchbare role models wie der kanadische Premier Justin Trudeau oder der britische Schauspieler Benedict Cumberbatch machen es vor: offensives Bekennen zum Feminismus, bei gleichzeitiger Wahrung einer männlicher Note. Modern ist ein Mann, der sich seiner Maskulinität so sicher ist, dass er problemlos hinter einer Frau zurücktreten kann. Der sich, im Gegensatz zu amtierenden Alphamännchen, nicht zu ernst nimmt und dem man die Gleichberechtigung deshalb nicht abtrotzen muss, der sie vielmehr uneitel und schon aus Solidarität unter Menschen praktiziert, ohne weiteres Aufhebens darum zu machen.

Das ist aber kein Plädoyer für einen schwachen, eingeschüchterten Mann, im Gegenteil - gerade der Gentleman war immer ein brillantes Beispiel dafür, wie man auch in freundlicher Zurücknahme Würde behalten und Stärke ausstrahlen kann. Was der Dandy nur mit Putz und Dekadenz, der Snob nur mit seinem Geld und Extravaganz schafft, vermag der Gentleman schließlich ganz aus sich heraus: zu glänzen. Der Philosoph Martin Scherer schreibt in seinem Standardwerk "Der Gentleman" über ihn: "Das Weniger an Selbstdarstellung bedeutet ein mehr an Offenheit und Entspanntheit."

... der verschmitzte Portier im Grand Hotel oder Peter Ustinov im Schaufelraddampfer auf dem Nil, das sind Ansichten aus dem Gentleman-Bilderbuch. Dabei ist er in der digitalen Welt nicht nur genauso denkbar, sondern umso dringender vonnöten. Schließlich gehört angemessene Kommunikation zu seinen Talenten und die Contenance, die ihn auch angesichts ungeheuerlicher Vorgänge einen kühlen Kopf und sämtliche Manieren behalten lässt. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und intellektuellen Gefasstheit sind gerade im Netz gefragt, wo sich unentwegt Fronten bilden und Ansichten kollidieren. Der Webvordenker und Publizist Sascha Lobo entspricht mit seinem roten Irokesenhaarschnitt vielleicht nicht dem romantischen Phänotyp des Gentlemans. Aber er hat es in der vergangenen Woche geschafft, als solcher eine Netzdiskussion zu moderieren, die sonst in üblicher Kinnhakenmanier geführt worden wäre.

Lobo gelang es auf Facebook, unter seiner Einlassung zur "Nafri"-Debatte alle Lager miteinander ins Gespräch zu bringen, Schreiern und Störern entgegenzukommen und sie einzubinden, gleichzeitig allzu selbstgefällige Seilschaften zu lockern. Seine Waffe der Wahl war eine freundliche und respektvolle Sprache, die jeden einfing. Ein enormer Aufwand, der eines zeigte: Das Netz müsste nicht ein Jahrmarkt der niederen Instinkte sein, gäbe es nur genug Engagement für Kultiviertheit und gelassenen Umgang miteinander.

Ein weiteres Talent macht den Gentleman in der neuen Welt erst recht überlebensfähig: Ironie. Der Philosoph Martin Scherer erkennt sie als eines seiner wichtigsten Merkmale und notiert dazu: "Ironie entsteht aus der Überzeugung, dass es nichts ist mit der einen Wahrheit und gestanzten Lebensnorm für alle. (...) Wenn der Zynismus eine Attitüde der Macht ist, dann ist die Ironie ein Signal der Humanität. Jeder Gentleman zuckt zusammen bei Kaltblütigkeit, aggressiven Parolen oder schneidigen Thesen mit Absolutheitsanspruch."

... Ironie bedeutet auch immer Zulassenkönnen und ist damit eben kein Dogma. Der Gentleman ist deswegen auch nicht jener von Parolen verunstaltete "Gutmensch", dem in seiner ewigen Mildheit angeblich das praktische Maß fehlt. Nein, gerade eine gewisse moralische Großzügigkeit, das Wissen um die ewige Unperfektheit aller Pläne und Systeme und eine kleine Neigung zum Ungehorsam im richtigen Moment - das ist die unwiderstehliche Ironie des Gentleman.

Diese gelassene Distanz zum Weltirrsinn entsteht übrigens wie seit jeher durch Reisen, durch Flanieren, Studieren und waches und geneigtes Beobachten der Umwelt. Vielleicht ist das die wichtigste Eigenschaft des modernen Gentleman: eine echte Weltgewandtheit. Eine, die sich aus der neuen digitalen und alten analogen Welt gleichermaßen speist und ihn in die Lage versetzt, seine Entscheidungen auf Grundlage des eigenen Wissens und einer gereiften Erfahrung zu treffen. Und damit nicht auf eine postfaktische Wirklichkeit vertrauen zu müssen, in der ein Rüpel umstandslos zum Gentleman verklärt wird.



Aus: "Die Rückkehr des Gentleman" Max Scharnigg (11. Januar 2017)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/stil/hoeflichkeit-kuess-die-hand-die-rueckkehr-des-gentleman-1.3318162-0 (https://www.sueddeutsche.de/stil/hoeflichkeit-kuess-die-hand-die-rueckkehr-des-gentleman-1.3318162-0)

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Quote[...] NEW YORK taz | In jedem Unternehmen der USA würde ein Beschäftigter, der per Video auf seinem Twitter-Account eine Kollegin umbringt und den Chef bedroht, fristlos entlassen. Nicht so im US-Kongress. Die Republikanische Partei ließ ihren Abgeordneten aus Arizona, Paul Gosar, gewähren, als er einen Trickfilm veröffentlichte, in dem er der linken Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, den Rücken aufschlitzt und den US-Präsidenten Joe Biden mit zwei Schwertern bedroht. Erst nachdem Hunderttausende Gosars Gewaltphantasien gesehen hatten, löschte er sie am Mittwoch von seinem Twitter-Konto.

,,Gibt es hier Comic-Fans?", hatte Gosar scheinheilig gefragt, als er sein japanischen Mangas nachempfundenes 90-Sekunden-Video am Montag sowohl auf seinem privaten als auch seinem politischen Twitter-Konto veröffentlichte. Es mischt Aufnahmen von Flüchtlingen, die durch den Rio Grande waten, während Worte wie ,,Verbrechen", ,,Drogen", ,,Mord" und ,,Banden" sowie Blutflecken, ins Bild eingeblendet werden, mit Fantasiefiguren, die Gesichter von Kongressabgeordneten haben. Gosar selbst ist der Super-Held in diesem Video. Nachdem er Ocasio-Cortez getötet hat, richtet er seine Waffen gegen Joe Biden.

Twitter warnte, dass das Video seine Regel der Gewaltfreiheit verletze. Das Unternehmen ließ es jedoch auf seiner Seite stehen und begründete das mit dem ,,öffentlichen Interesse". Als immer mehr demokratische Abgeordnete eine Ethik-Untersuchung über Gosar und dessen Ausschluss aus dem Kongress verlangten, verlautete aus dem Büro des Republikaners: ,,Dies ist ein Comic. Entspannt Euch alle". Der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, und andere führende Republikaner sagten nichts zu dem Vorgang.

Ocasio-Cortez, die schon mehrfach von RepublikanerInnen verbal attackiert worden ist – unter anderem nannte sie der Abgeordneter Ted Yoho aus Florida auf einer Treppe des Kongress eine ,,Scheißschlampe" – war unterwegs zur Klimakonferenz in Glasgow, als das Video erschien. Sie reagierte auf Twitter mit den Worten: ,,Ein gruseliger Kollege, mit dem ich zusammenarbeite, und der Geld für Neonazi-Gruppen sammelt, hat ein Fantasievideo geteilt, in dem er mich tötet."

Später fügte die New Yorker Abgeordnete, deren Vorfahren aus Puerto Rico stammen, hinzu: ,,Die weiße Vorherrschaft ist etwas für extrem zerbrechliche Menschen und traurige Männer wie ihn, deren Selbstverständnis auf dem Mythos beruht, dass sie von Geburt an überlegen sind, weil sie tief in ihrem Inneren wissen, dass sie nicht einmal ein Gurkenglas öffnen oder ein ganzes Buch lesen können." Die afroamerikanische Abgeordnete der Demokraten, Cori Bush, fügte hinzu, dass ,,weiße Rassisten" die Grenzen täglich weiter verschieben: ,,Sie wollen sehen, wie weit sie ohne Konsequenzen gehen können."

Zumindest eine parlamentarische Rüge droht Gosar jetzt. Zehn demokratische Mitglieder des Repräsentantenhauses kündigten die Vorlage einer Resolution an, die sein Verhalten Gosars verurteilt. Sein Twitter-Post ,,überschreite die Grenze des Erlaubten", hieß es in einer Erklärung vom Mittwoch, die unter Federführung der Co-Vorsitzenden der Frauenorganisation der Fraktion der Demokraten verfasst wurde. Dies sei ein ,,klarer Fall für eine Rüge". Wie die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar gezeigt habe, könnten böse und vulgäre Botschaften echte Gewalt schüren.

Gosar gehört zu einer Gruppe von mindestens sieben Trump-Getreuen im Repräsentantenhaus, die an den Vorbereitungen des Sturms auf den US-Kongress an den Vorbereitungen für den 6. Januar beteiligt gewesen sein sollen. Das haben mehrere Kongress-Stürmer in Interviews mit dem Magazin Rolling Stone erklärt. Die Abgeordneten Matt Gaetz aus Florida und Lauren Boebert aus Colorado, die ebenfalls zu der Gruppe der Trump-Getreuen gehören, haben darüber gewitzelt, die Metalldetektoren am Kongresseingang zu sprengen, um ihre Waffen ins Repräsentantenhaus bringen zu können.

Die Verrohung trifft auch Abgeordnete aus den Republikanischen Reihen. In diesen Tagen bekommt das Fred Upton aus Michigan zu spüren. Er ist einer der 13 Republikaner im Repräsentantenhaus, die in der vergangenen Woche für das Infrastrukturgesetz gestimmt haben. Upton erhält Todesdrohungen, seit seine Parteikollegin, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, die Telefonnummern der Republikaner, die ,,Bidens kommunistische Machtergreifung" unterstützt haben, in sozialen Medien veröffentlicht hat. Bei einem TV-Interview spielte er eine ab, in der ein Anrufer ihn ,,Verräter" und ein ,,Stück Scheiße" nennt und ihm und seiner Familie den Tod wünscht.


Aus: "Den Rücken aufschlitzen" Dorothea Hahn, US-Korrespondentin (11. 11. 2021)
Quelle: https://taz.de/Mordfantasien-von-US-Republikanern/!5814877/ (https://taz.de/Mordfantasien-von-US-Republikanern/!5814877/)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 04, 2022, 03:40:46 PM
Quote[...] Selbst im Bildungsfernsehen und Zeit-Kolumnen wünschen sich viele den "richtigen Mann" zurück. Warum bloß?

Und das Klischee lebt fort: Männer, die Dickpics verschicken, die Fleisch auf den Grill packen, die sich in Fight Clubs treffen, die auf Seminare gehen, um todsichere Anmach-Techniken zu lernen. Klaus Theweleit hat diese Männlichkeitsbilder als "Körperpanzer" beschrieben. Statt ein Mann zu werden, greift man zu Panzerplatten, d.h. zu erprobten Bildern von Männlichkeit. Die erlauben es einem zu funktionieren. Die werden mit Anerkennung der anderen Männer belohnt, weil sie deren eigenes Verhalten kopieren und so bestätigen. Männer sind also nicht per se männlich, sie imitieren "Männlichkeit". Eine Form von Komplexitätsreduktion – es verringert die vielen Möglichkeiten auf ein paar gesellschaftlich anerkannte. Mut sieht anders aus. Dieses Schissertum, diese Angst, sich auszuleben und auszuprobieren jenseits von Männerklischees, schafft es aber unter großen Anstrengungen, sich als männlich zu geben: breitbeinig und bärtig, mit dunkler Stimme, intellektueller Überlegenheit, Abgeklärtheit und unerschütterlicher Potenz. Aber wie so häufig gilt auch hier der küchenpsychologische Satz: Je mehr etwas betont werden muss, desto fragiler ist es.


... Aber dieses alte Modell des Mannes, der wegen seiner angeblich herausragenden Eigenschaften natürlich die Aufmerksamkeit aller Frauen auf sich zieht, wirkt immer noch fort. Ein aktuelles Beispiel ist der ehemalige Bild-Chef Julian Reichelt, der es als normal empfand, sich vor der Kamera als "super-straight", also als klassischen Mann zu präsentieren – und darunter offenbar leider verstand, untergebene Mitarbeiterinnen solange mit Avancen zu überziehen, bis er sie hatte, wo er sie sich hin wünschte. Interessant ist, dass auch viele Frauen das als normal erachten. Dr. Svenja Flaßpöhler etwa warnte im Gespräch mit Richard David Precht davor, heutzutage werde der Flirt aus dem Büro vertrieben. Der Grund: Weil wir Ambivalenzen, das Ineinanderspielen von Gut und Böse nicht mehr ertrügen: "Die ganze Erotik soll am Arbeitsplatz nichts mehr zu suchen haben". Precht lamentiert voller Zustimmung, dass die Sensiblen ihren "männlichen Kern verloren" hätten.

Machtmissbrauch als Flirt? Für Flaßpöhler ist der echte Mann, der mit "einem männlichen Kern" offenbar eine Idealvorstellung. Hingegen hat sie Probleme mit dem Sensibelchen, das seinen Mann nicht steht. Das verrät sie uns in ihrem aktuellen Buch "Sensibel". Mit dem traditionellen Zerrbild des starken Mannes kommt sie hingegen gut zurecht. Warum? Weil die Komplexitätsreduktion natürlich auch jenen Frauen hilft, die mit ihren Rollenmustern nicht brechen wollen. Wenn die Männer berechenbar in ihrer Rolle sind, können auch die Frauen weiter in ihrem Rollenkorsett bleiben (mit modischen Auflockerungen, siehe Flaßpöhlers Buch ,,Die potente Frau"). Und das schafft Sicherheit. 

... Ich hatte geglaubt, wir wären weiter. Eine kleine Hoffnung bleibt: Das Beschwören des Kerls mit "männlichem Kern" hat deswegen eine solche Konjunktur, weil eigentlich niemand mehr so richtig an ihn glaubt. Wäre er wirklich so potent, bräuchte er keine Rechtfertigung, keine Verteidigerinnen, keinen Zuspruch.  ... Wäre nicht schade drum, wenn er verschwinden würde. Es wäre besser für die Frauen – aber vor allem für die Männer. Die, statt Stereotypen zu imitieren, endlich frei sein könnten.

...


Aus: "Auslaufmodell "Harter Kerl": Mut zur Impotenz" Martin Zeyn (08.12.2021)
Quelle: https://www.br.de/kultur/maennlichkeit-auslaufmodell-harter-kerl-mut-zur-impotenz-100.html (https://www.br.de/kultur/maennlichkeit-auslaufmodell-harter-kerl-mut-zur-impotenz-100.html)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 10, 2022, 04:53:30 PM
Pierin Vincenz (* 11. Mai 1956 in Chur) ist ein Schweizer Bankmanager. Von 1999 bis 2015 war er Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisen Schweiz. ... Am 28. Februar 2018 eröffnete die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen mehrere Personen eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, und Vincenz wurde in Untersuchungshaft genommen. Nachdem die Raiffeisenbank durch die Zürcher Justiz über das Strafverfahren informiert worden war, reichte sie ebenfalls eine Strafanzeige gegen ihren ehemaligen Chef ein. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Pierin_Vincenz (https://de.wikipedia.org/wiki/Pierin_Vincenz)

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Quote[...] Pierin Vincenz und Beat Stocker waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Für sie gilt wie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung. ...


Aus: "U-Haft traf Pierin Vincenz völlig unerwartet - Die brisantesten Aussagen der Abhörprotokolle" (06.02.2022)
Quelle: https://www.blick.ch/wirtschaft/u-haft-traf-pierin-vincenz-voellig-unerwartet-die-brisantesten-aussagen-der-abhoerprotokolle-id17210267.html (https://www.blick.ch/wirtschaft/u-haft-traf-pierin-vincenz-voellig-unerwartet-die-brisantesten-aussagen-der-abhoerprotokolle-id17210267.html)

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Quote[...] Ungetreue Geschäftsbesorgung, gewerbsmässiger Betrug, Urkundenfälschung und passive Bestechung. Die Bestürzung darüber ist gross, dass diese Anklagen ausgerechnet den charmanten Pierin Vincenz treffen, der so anders schien als die arroganten Banker vom Paradeplatz. Er war langjähriger Chef der Raiffeisen-Gruppe und beeindruckte viele mit seiner steilen Karriere. Er baute die kleine Raiffeisenbank zur drittgrössten Bank in der Schweiz auf.

Letzte Woche begann der Prozess gegen Vincenz und sechs weitere Mitangeklagte vor dem Zürcher Bezirksgericht. Im Prozess geht es um womöglich unrechtmässige Gewinne im Umfang von rund 25 Millionen Franken und fragwürdige Spesenabrechnungen über fast 600 000 Franken. Besonders zu reden gibt, dass etwa ein Drittel dieser Spesen für Champagner, Cabaretbesuche und Stripperinnen in Nachtclubs ausgegeben wurde. Die konkreten Verfehlungen der Person mögen spektakulär sein. Doch im Grunde geht es um die Grundstrukturen der Finanzwelt sowie der Gesellschaft insgesamt.

Worum wird bei diesem Konflikt eigentlich gestritten? Was erregt so viel Aufmerksamkeit? Aufregende Sexskandale? Der öffentliche Vertrauensbruch? Der Graubereich zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem? All dies trifft zu, denn immer geht es um Grenzen und deren Überschreitungen. Diese zeichnen die Struktur bürgerlicher Männlichkeit als auch die bürgerliche Gesellschaft insgesamt aus.

Zur Gesellschaft gehört seit der bürgerlichen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts eine Trennung zwischen Ökonomie, Staat und Privatsphäre. Erstere gelten als männliche Bereiche, Letztere als weiblich. Dabei kommt es auch zu Auseinandersetzungen zwischen den männlichen Sphären. Vater Staat und der Unternehmer stehen in einem ständigen Konkurrenzkampf. Die raffinierte Suche nach Schlupflöchern ist das Erfolgsrezept des Unternehmers für die eigene Karriere. Hingegen versucht der Gesetzgeber, mit disziplinierendem Appell oder strafender Hand mal mehr, mal weniger die Schlupflöcher zu stopfen.

Ganz grundsätzlich wird darüber gestritten, ob die Wirtschaft, die Politik oder die Privatsphäre der Ort der Freiheit ist.* Gegenüber beiden männlichen Sphären ist die weiblich und familial konnotierte Privatsphäre abgewertet. Gemeinsam haben die Privatwirtschaft und die Privatsphäre, dass sie nicht direkt unter der Leitung des Staates stehen, gleichzeitig jedoch nur innerhalb der Gesetze und der Vertragsstrukturen des Staates bestehen können (zum Beispiel durch Arbeits- oder Eheverträge).

Die verschiedenen Grenzkonflikte, um die es im Raiffeisen-Prozess geht, hängen in der bürgerlichen, insbesondere unternehmerischen Männlichkeit zusammen. Erfolgreich und anerkannt ist, wer «jemand» wird. Zu «jemandem» wird «Mann», indem man Karriere macht, in der Unternehmenshierarchie möglichst weit aufsteigt und über Status, Geld und Macht verfügt.

Der französische Soziologie Pierre Bourdieu sprach darum von der «libido dominandi», dem Begehren, zu beherrschen. Dieses Begehren war für ihn ein zentrales Element männlicher Herrschaft. Erst das erfolgreich durchgesetzte Bedürfnis, Herrschaft und Kontrolle über andere auszuüben und den eigenen Willen auch in anderen umzusetzen, führt dazu, dass andere eben beherrscht und dem Willen einiger unterworfen werden. Die (Männer-)Welt sähe anders aus, wenn nicht die eigenen Normen und Bedürfnisse gesetzt, sondern bestmögliche Arrangements im Sinne aller angestrebt würden.

Doch Anerkennung von Männern funktioniert oft über Macht, über «Anerkennung der Macht als das Prinzip aller Beziehungen», wie es die Vertreter der Kritischen Theorie Max Horkheimer und Theodor Adorno formulierten. Die verschiedenen Grenzüberschreitungen sind in diesem Streben nach Macht angelegt. «The sky is your limit», lautet das Erfolgsrezept.

Das Machtstreben und die Grenzüberschreitungen betreffen nicht nur die Wirtschaft und das Recht. Auch in den Beziehungen zu Frauen, zur Familie oder in anderen privaten Beziehungen wird dieses Prinzip gelebt. Die Verfügung über den weiblichen Körper zur Erfüllung von Lust und das «Recht», Frauen im öffentlichen Raum, finanziell und in Liebesbeziehungen «in ihre Schranken zu weisen», sind von Beginn an zentrale Elemente dieser Gesellschaft. Und sie sind eng verbunden mit bürgerlichen Männlichkeitsvorstellungen.

Zwar hat sich im Vergleich zur Hochblüte der bürgerlichen Gesellschaft einiges geändert: Die Geschlechtsvormundschaft ist mittlerweile aufgehoben, Frauen dürfen über ihr Vermögen und ihre Einkünfte verfügen und wählen. Auch ist die Vergewaltigung in der Ehe – zwar erst, aber immerhin – seit 1992 strafbar und seit 2004 ein Offizialdelikt. Doch die Abwertung von Weiblichkeit und von Eigenschaften, die mit Weiblichkeit verbunden werden, wie Hilfsbereitschaft, Sorge, Empathie oder Mitgefühl besteht fort und führt zu anhaltender tatsächlicher Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.

Die Abwertung dieser Eigenschaften ermöglicht erst die exorbitanten Höhenflüge vieler Businessmänner, die auf Verantwortungs- und Sorglosigkeit gegenüber anderen beruhen. Auch der Besuch von Striplokalen, die Liebschaften und das Hintanstellen der Bedürfnisse der Familie sind Teil dieses männlichen Machtstrebens. In diesen Punkten ist Vincenz nicht so unkonventionell, wie er oft dargestellt wird, sondern entspricht ganz konventionell bürgerlichen Männlichkeitsvorstellungen des Unternehmers.

Der jetzige Finanzskandal lässt erkennen, wie Männlichkeit mit dem Streben nach Macht sowie mit Korruption und Sexismus zusammenhängt. Auch werden in der Debatte um den Prozess die Konflikthaftigkeit und die Fragilität der bürgerlichen Sphärentrennung deutlich. Erleben wir in diesem Prozess eine Stärkung der Justiz oder eher ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die Macht der Finanzbranche? Denn die Brüchigkeit des bürgerlichen Arrangements ist vielleicht auch Effekt seiner Zersetzung durch multinationale Akteure, die nationale Gesetze umgehen. Auch sie erweitern ihren Handlungsspielraum, indem sie Schlupflöcher nutzen, pflegen und gezielt schaffen.

Dies wiederum schränkt die regulatorische Arbeit der Justiz stark ein. Nationalstaaten müssten koordiniert und solidarisch neue Entscheidungsprozesse mit globaler Tragweite entwickeln. Die Brüchigkeit kann dabei eine Chance sein, denn sie könnte einen Wandel eröffnen hin zu demokratischeren globalen Formen des Zusammenlebens mit mehr gemeinsamer Selbstbestimmung über die Sphärentrennung hinweg. Gelingen Absprachen auf globaler Ebene jedoch nicht, um demokratische Strukturen und Menschenrechte zu sichern, besteht die Gefahr, die bürgerliche Sphärentrennung nicht im emanzipatorischen Sinn zu überwinden, sondern neue globale autoritäre Strukturen zu begünstigen.

Anika Thym promoviert in Geschlechterforschung an der Universität Basel zu kritischen (Selbst-)Reflexionen von Männern aus Führungspositionen in der Finanzbranche und hat dazu über zwanzig Interviews mit Führungskräften aus international operierenden Schweizer Finanzinstituten geführt.

* Korrigendum vom 4. Februar 2022: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion wurde die Privatsphäre nicht erwähnt.



Aus: "Raiffeisen-Prozess - Entgrenzte Männlichkeit" Anika Thym (Nr. 05/2022 vom 03.02.2022)
Quelle: https://www.woz.ch/2205/raiffeisen-prozess/entgrenzte-maennlichkeit (https://www.woz.ch/2205/raiffeisen-prozess/entgrenzte-maennlichkeit)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 08, 2022, 11:41:16 AM
Quote[...] Toxisch heißt so viel wie giftig oder schädlich. Der Begriff der toxischen Männlichkeit kommt aus dem Feminismus. Das Konzept beschreibt, so hat es das feministische "Missy Magazine" schon 2018 im Zuge der Debatten rund um Donald Trump oder #MeToo zusammengefasst, eine Gender-Norm, die folgendes Verhalten und Selbstbild umfasst:

Erstens: Männer dürfen keine Schwäche zeigen, Gefühle nur, wenn es um Wut und Aggression geht.

Zweitens: Konflikte werden durch Gewalt gelöst, nicht etwa durch Kooperation oder Kommunikation. Es geht im Umgang mit anderen vor allem um Konkurrenz und Dominanz. Es wird verlacht, verurteilt und verletzt. Mit toxischer Maskulinität werden deswegen auch Sexismus, Misogynie, Homo- und Transfeindlichkeit assoziiert.

Drittens: Ein Mann muss in diesem patriarchalen Rollenbild einem maskulinen Ideal entsprechen und seine (heterosexuelle) Männlichkeit immer wieder unter Beweis stellen, mithilfe von Hierarchien, Ritualen oder Mutproben.

... Toxische Männer schaden nicht nur Frauen, Minderheiten und Gruppen, die sie unterdrücken und diskriminieren. Sie schaden auch anderen Männern und sich selbst. In der Geschlechterforschung werden Einsamkeit, soziale Isolation, Depressionen und erhöhte Suizidraten als Folgen toxischer Männlichkeit genannt. Die Lebenserwartung von Männern, etwa in Russland, ist geringer als die von Frauen. Alkohol, Gewalt, Suizid und Verkehrsunfälle sind Gründe. Jetzt werden sie in einen Krieg geschickt, der so nicht genannt werden darf. Am Ende zahlen auch sie den Preis für Putins Politik der toxischen Männlichkeit.

Und Putin? Der Krieg habe ihn groß gemacht, schrieb der US-Schriftsteller Jonathan Littellam vergangenen Samstag in der Welt, "ein Krieg wird ihn auch zu Fall bringen". (Mia Eidlhuber, 8.3.2022)


Aus: "Das Gift der narzisstischen Männer" Mia Eidlhuber (8. März 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133917318/das-gift-der-narzisstischen-maenner (https://www.derstandard.at/story/2000133917318/das-gift-der-narzisstischen-maenner)

Quote
Martin Kaffanke
8. März 2022, 07:16:04

Wie ein Mann sein soll sehen wir auch im Fernsehen/Kino/Netflix und co. Solange überall diese "Helden" als männlich gelten, die durch die Welt jagen und mit Gewalt ihre Bedürfnisse abarbeiten, werden wir kein neues Männerbild bekommen.


Quote
10318_1110, 8. März 2022, 07:14:57

"man muss das Geschlecht welches laut Artikel Leid bringt anscheinend laut betonen"

Sie haben den Text nicht verstanden. Es geht nicht um das Geschlecht und nicht um "die bösen Männer", sondern um ein bestimmtes Verständnis von Männlichkeit - und dieses Verständnis gibt es sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

"Alle toxischen Männer haben oder hatten eine Mutter die sie hätte zu einem besseren Menschen erziehen können."

Genau, denn der Vater hat mit der Erziehung bekanntlich rein gar nichts zu tun!


Quote
ungleiches Gleichnis, 8. März 2022, 06:52:03

Ich halte diese Einzeltätertheorien nicht für sinnvoll
Es waren nicht Hitler, Stalin, Mao, Putin, Pinochet, ... alleine.

Es waren und sind keine Einzelakteure im luftleeren Raum. Es geht dabei immer zumindest um ein enges Umfeld an gleichgesinnten Unterstützern und um ein sehr breites Umfeld innerhalb einer gesellschaftlichen, ähnlich gesinnten Masse. Hinzu kommt idR eine sehr große Menge, die zumindest so weit konform geht, dass Widerstand faktisch ausgeschlossen ist.

Lassen wir uns also keinen Sand in die Augen streuen. Es ist nicht Putin und es ist nicht seine Partei. Viel mehr geht es um die "Gesellschaft". Darum wie Menschen mit ihren Ängsten gesteuert werden können. Wie Macht dadurch Ohnmacht erzeugen kann. Es sind vielmehr die Strukturen, als die letztendlichen Täter.



Quote
Franz Salz

Ganz einfach erklärt!
Toxische Männlichkeit entsteht dort, wo das rücksichtsloseste, das gewalttätigste und das lauteste Männchen, die größte Anerkennung, die schönsten Weibchen und das beste Fressen bekommt.
Also in den Reservaten der alten Werte und jeder weiß wo die sind!
Wir in der West-Europa aber auch in anderen Ländern, also zumindest ein Teil von uns, versuchen mit Kultur, Bildung und Wissenschaft diese unheilige Allianz aus Gewalt und Religion zu brechen, um so den Herausforderungen der Zukunft standzuhalten.
Es funktioniert noch nicht so gut wie wir es gerne hätten!
Auch bei uns sitzen viele noch auf den Bäumen und lassen sich nicht herunterlocken aber immerhin wir versuchen es und bewerfen andere nicht mit unserer Scheiße!


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Paul Hoerbiger

Wir können nur kulturelle Ausformungen ändern, nicht aber unsere Instinkte in Bezug auf sexuelle Anziehung, die sich in Millionen Jahren Evolution herausgebildet haben


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Postingnamekannnichtgeändertwerden

Ich habe mich schon öfter gefragt, ob es Eroberungskriege gegeben hätte oder gäbe, wenn mehrheitlich Frauen das Sagen hätten.


Quote
titus lucretius carus

,,Männer dürfen keine Schwäche zeigen, Gefühle nur, wenn es um Wut und Aggression geht."

männer zählen in bewaffneten konflikte noch immer nicht zur vulnerablen gruppe, da greift man dann gern auf das sonst verhasste männerbild zurück...


Quote
Jenesaisquoi

Das ist wahr. Da greift ,,Mann" dann gerne darauf zurück. Ich möchte aber erwähnen, dass ich in den letzten Tagen mindestens drei Artikel/Diskussionsbeiträge von Frauen gelesen haben, die genau das kritisiert haben - auch im aktuellen Fall der Ukraine. Auch Männer haben durchaus ein Recht auf Flucht. Es gibt ja auch Frauen, die zu den Waffen greifen.


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dcdw_thx1138

Mütter machen Männer.


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Leonid Leonid

Väter machen Männer


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The Librarian

Männer machen Männer


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Durchdenken

Medien machen Männer.


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Don Federico

Mama und Papa sind selbst schuld, dass ich wütend bin. Hätten sie mich nur mehr lieb gehabt.


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Ergänzende Fragen

Genau: weil alle Männer so "toxisch männliche" Diktatoren von riesigen Ländern sind. Mit einem Fingerschnippen andere riesige Länder mit der Armee überfallen. Weil ja Frauen in Machtpositionen nicht den Verführungen von Macht & Geld erliegen ; )
Seit auch Frauen die Gelegenheit zu Machtmißbrauch haben, gibt es ihn auch dort. Wie man auch bei österreichischen Politkerinnen - vor allem im rechten Lager - seit Jahrzehnten deutlich sehen kann.

Ich bin für die Emanzipation von ALLEN Menschen im Sinne der Aufklärung - und alle sollen nach ihrer Facon leben. Und das Sexleben der Leute geht mich nichts an - und ich will es auch gar nicht wissen.

Und ich bin gegen die indirekte "Heiligsprechung" von Frauen, Schwulen (da hatten wir schon üble Populisten) und Transvestiten. Wir haben die Gewaltenteilung in unserer Verfassung - weil kein Mensch zuviel Macht haben sollte. Betonung auf Mensch : )


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Jenesaisquoi

Genau. Das ist Feminismus.


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Walbeisser

Übrigens...
...wenn Männer sich nicht-toxisch verhalten, also Empathie, Verletzlichkeit und Sensibilität an den Tag legen, werden sie gerne von Feministinnen (besonders hier im Forum) lächerlich gemacht ("mimimi", "herumheulen", Incel, usw.).
Das finde ich herrlich (sic) ironisch.


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Jenesaisquoi

Gekränkter Narzissmus ist jetzt vielleicht nicht unbedingt die Art Gefühl von der man mehr haben möchte. Und keinesfalls hat das was mit Empathie, Verletzlichkeit und Sensibilität zu tun. Emotionale Inkompetenz heißt nicht, dass man keine Gefühle hat, sondern dass man sich damit nicht auskennt.


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Des Standards wildes Groupie

Gibt es zu "Stutenbissigkeit" eigentlich ein männliches Pendant?


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Dschingis Wahn

Gibt schon einige Analogien aus der Fauna....nur meist mit heroischem Beigeschmack:
Streithähne, Revierkämpfe, Alphamännchen, Silberrücken, Leithamml, Leitwolf, Imponiergehabe...


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Ausgeflippter Lodenfreak

Toxische Männlichkeit ist ein feministisches Konzept um ALLE Männer unter Verdacht zu stellen und zu beschimpfen. Es ist die Allzweckwaffe um bei allem was ein Mann sagt oder tut, was irgendwem nicht passt, das auf sein Geschlecht zurückzuführen. Es ist eine Art Erbschuldmodell für Männer. In seiner völligen Beliebigkeit ist der Begriff auch ungeeignet irgendetwas wirklich zu beschrieben. Außerdem ist er extrem abwertend und man stelle sich vor, jemand würde anderen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe, usw. unterstellen einen toxischen Anteil zu haben. Absurderweise gibt es bei Gender und Feminismus noch nicht einmal toxische Weiblichkeit, obwohl Frauen z.B. auch schon Krieg führten und narzistisch sein können.


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Orjares

Nein

Sie erfinden hier eine Definition und argumentieren dann dagegen.

Toxische Männlichkeit ist eine einzelne Ausprägung von "Mann" unter vielen möglichen. Eine Ausprägung, in der Männer hart sein müssen, keine Ängste haben, Wut die einzige erlaubte Emotion ist, jeder Mann anstreben sollte in der Hackordnung ganz nach oben zu kommen.

Übrigens ist eine Eigenschaft auch, diese Ausprägung als einzig wahre Männlichkeit zu sehen.


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reunion

Wie lange muss man sich dieses Männer-Bashing eigentlich noch geben?


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Da geht noch was

Sind Sie davon betroffen?


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trukazec

Das Forum, wie zu erwarten war, voller getriggerter Kinder. Ich schäme mich schon fast, ein Mann zu sein. Es ist ganz einfach; Wenn ihr nicht Teil davon seid, müsst ihr euch auch nicht angesprochen fühlen. Oder fühlt ihr euch auch angesprochen, wenn es um Mörder, Triebtäter und dgl. geht?


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derbladefranz

alles richtig, aber nicht zu unterschätzen auch die toxische stutenbissigkeit. ;)


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Da geht noch was

Mein Gott sind Sie aber lustig!


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Cap1tal

Wäre Fr. Le Pen Russlands Präsidentin, würden wir uns jetzt in gleicher Situation befinden. ...


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Voestler

Korrekt: ich erinnere an Thatcher und die Falkland Inseln.


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betterknower

Würden die Frauen ihr toxisches Wahlverhalten auch bei uns in Griff bekommen, gäbe es nicht nur in Finnland und Schweden Frauen in der politischen Elite.


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pauletta

ich sags wieder......nehmts euch nicht soooooo wichtig.....und wieder......bedanke ich mich bei all den nicht toxischen männern die grad jetzt im krieg ihren mann stehen, menschen leben retten, wenn sie in tiefe schächte kriechen, feuerwehrmänner, da gibts noch viele.....ohne ein aufheben darum zu machen......arbeitens sie mal in einer abteilung mit nur frauen zusammen, toxischer gehts oft gar nicht. mobbing, intrigen, getuschel..... wurscht wer an der macht ist egal ob mann oder frau, da sinds alle gleich narzistisch ...


Quote
Wieauchnimmer

Narzisstische Frauen sind genauso
am schlimmsten wenn sie Mütter sind.
Noch schlimmer ist es nur wenn sie Single-Mütter sind.


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Wachstumsschmerz

Interessant. Ich brauch mir hier nur die ersten Kommentare durchlesen, schon sehe ich Punkt eins, zwei und drei bestätigt.
Gleich brüllen Alle los: Aber die Frauen sind auch soooooo!!!!

Herrlich


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face_the_truth

"toxische männlichkeit"

diese beschreibung von "toxischer männlichkeit" klingt für mich schlicht nach "a oaschloch sein".
aber wieso brauchts dafür eine neue formulierung? ...


Quote
krendl

Weils unterschiedliche Formen und Ursachen von oaschlöchern gibt.


Quote
face_the_truth

damit kann ich arbeiten


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 19, 2022, 12:44:56 PM
Quote[...] Im Tierreich rüsten die Männchen auf, um Weibchen zu erobern. Sie demonstrieren Stärke, Kraft, lautes Geschrei. Manche singen in hohen Tönen, manche sehen rot. Sie zeigen ihre Eier, ihre Kampfbereitschaft, ihr Gemächt. Das ist, was Russland tut. Seine Eier sind aus Stahl. Sein Sperma ist Schwarzpulver.

150.000 Soldaten mit schwerem Gerät hat Russland an die Grenze zur Ukraine verlegt. Laut US-Geheimdiensten reicht das, um siegesgewiss in die Ukraine einzumarschieren und die Regierung dort zu stürzen, was eines der Szenarien ist.

In endlosen Kolonnen fahren russische Militärfahrzeuge und Panzer an der 2.295 Kilometer langen russischen Grenze zur Ukraine auf. Und an der 1.084 Kilometer langen zwischen der Ukrai­ne und Belarus, denn auch Belarus ist involviert. Von drei Seiten bedrängt Russland sein Nachbarland.

Die demonstrierte Macht der Panzer mit ihren phallischen Kanonenrohren und der Kampfflugzeuge mit ihren geschürzten Schnauzen wirkt obszön. Sie richten sie auf die Ukraine; Ukrayina. In Sprachen mit grammatischem Geschlecht ist die Ukraine weiblich. Die Ukraine also – aber selbst wenn das Land die Frau ist, ist dies kein Freibrief, sie mit Gewalt zur Vereinigung zu zwingen: ,,Nein heißt Nein."

Auch im Tierreich wird vergewaltigt. Also gilt der Vergleich vom Anfang des Textes. ,,Häufig attackieren die Männchen die Weibchen in Gruppen, was dramatische Folgen haben kann" – für manche Weibchen gar tödliche. So ist es auf der Webseite der ARD-Sendung ,,Planet Wissen" zu lesen. Delfine, Fledermäuse, Stockenten sind auf Gang-Bang aus.

Bereits mehrfach wurde die Ukraine bezwungen. Befragen Sie die neuere deutsche Geschichte. Und die russische. Beide Länder haben sich die Ukraine zeitweise einverleibt. Unsere Urgroßväter, Großväter, Väter haben das Land erobert und vergewaltigt. Im Wörtlichen und Übertragenen. ,,We live in Bloodland", wir leben im Blutland, sagte die ukrainische Autorin Hanna Hrytsen­ko, die zu Faschismus und der neuen Rechten forscht, als sie mich im vergangenen Herbst durch die Schlucht von Babyn Jar führte, diesen Ort, wo die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende erschossen.

Vor Jahren habe ich meinen inzwischen verstorbenen Vater, der Wehrmachtssoldat war, auch im Osten, gefragt, ob er im Krieg vergewaltigt hat. ,,Nein. Aber einmal hätte ich gekonnt, nur war ich zu besoffen."

Wenn ich das erzähle, wird mitunter mit Unverständnis reagiert: ,,Warum willst du das wissen?" Und: ,,Was hast du davon?" – Ja, was? Wie anders als durch Fragen, komme ich seiner Wirklichkeit näher? Ich bin eine Frau. Ich will nicht vergewaltigt werden.

Die Panzer, die Russland auffährt, die Kanonenrohre, die Putin zeigt, in ihrer Obszönität sind sie im Grunde lächerlich, wenn sie nicht so sehr die Integrität derer, die sie als Beute auserkoren haben, verletzen würden.

Mich erinnert das an den Mann, der auf einem weitgehend leeren Bahnsteig einer Berliner U-Bahn steht. Nur er und ich. Er trägt einen Mantel; die Hände in den Taschen. Es ist sein unruhiger, nach allen Seiten gehender Blick, der irritiert; er checkt die Umgebung. Langsam kommt er näher. Plötzlich schiebt er mit den Händen, die er in den Taschen hält, als wolle er sogleich eine Waffe ziehen, und das tut er ja auch, den Mantel auseinander und richtet seinen stehenden Schwanz auf mich. Seine Jeans ausgeschnitten rund ums Gemächt. ,,Du Drecksau!", brülle ich: ,,Ich will dein Kanonenrohr nicht sehen." Da kommt Gott sei Dank die U-Bahn. Krieg ist das Ding mit Schwanz.

Der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Krieg, Faschismus und toxischer Männlichkeit. ,,Männerphantasien" heißt sein bekanntes Buch. Letzten Herbst hat er bei der Verleihung des Ador­no-Preises in der Dankesrede einen Satz seiner Frau zitiert: ,,Männer werden zivilisiert durch Frauen; egal wo auf der Welt." Im Umkehrschluss heißt das: Wer nicht zivilisiert werden will, muss Frauen bekämpfen.

Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz mir nichts dir nichts auf die Ukraine zu übertragen. Denn das würde bedeuten, dass dort nicht auch Männer wären, die kämpfen wollen – und es in der Ostukraine seit Jahren tun. Prorussische Separatisten und ukrainische Streitkräfte bekriegen sich dort. Nur geht es in diesem Text nicht um Stellungskämpfe, hier geht es um die Obszönität der russischen Militärinszenierung.

Alles hängt mit allem zusammen. So wie der Armeeaufmarsch rund um die Ukraine derzeit stattfindet, ist es wie ein Déjà-vu.

Russland und Belarus beginnen inmitten von Ukraine-Krise mit Militärmanöver (10.02.2022)
https://www.youtube.com/watch?v=qSkQqZFFLgQ (https://www.youtube.com/watch?v=qSkQqZFFLgQ)

Die Filme der auf gefrorenem, leicht schneebedecktem Boden auffahrenden Kriegsmaschinerie wirken durch das winterliche Schwarz-Weiß der Umgebung wie die Schwarz-Weiß-Filme der Wehrmacht. Die gleiche donnernde Martialität. Auf gleiche Weise wird Stahl und Metall, wird gepanzertes Gefährt und tonnenschweres Gerät, wird Manpower und Testosteron in Szene gesetzt. Es wirkt wie ein Rückgriff ins letzte Jahrhundert. In Europa aber wurde genug Krieg geführt. Niemand will das mehr. Niemand will versehrte Menschen, zerstörte Städte, sinnlose Tote. Krieg ist das Ding mit Bart.

Werden in diesem Jahrhundert Orte zerstört und Menschen getötet, liegt es nicht am Krieg, sondern an der zivilen Zerstörung im Frieden. Die Erderwärmung ist der Killer. Dass sich die Erde erwärmt, hat mit einer ähnlichen Maschinenverliebtheit zu tun, wie die stahlhelmbesoffene Kriegsmaschinerie im letzten Jahrhundert. Trotzdem sind die Herausforderungen jetzt andere. Es geht nicht um Eroberung einzelner Länder, von Putin begründet aus Sicherheit; es geht um die Rückeroberung sicherer Lebensbedingungen für alle. Krieg zwischen Ost und West macht unter den Bedingungen keinen Sinn. Beide Blöcke brauchen den Planeten.

Aus einem weiteren Grund ist die militärische Machtdemonstration von Russland wie aus der Zeit gefallen: Denn auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen hat sich verändert. Heute ist es möglich, die Gewaltstrukturen zwischen den Geschlechtern öffentlich zu diskutieren. Und: Männer hören zu, wenn Frauen sprechen. Nicht alle, aber immer mehr. Sein Gemächt auf eine Frau richten? Gesellschaftlich ist es kein Kavaliersdelikt mehr, sondern ein No-go.

Annalena Baerbock, ,,diese junge Dame, die unsere neue Außenministerin ist", wie Christoph von Marschall vom Tagesspiegel sie patronierend in einem Fernsehinterview titulierte, habe sich, als sie das umkämpfte Separatistengebiet in der Ost­ukrai­ne besuchte, ,,nicht besonders wohl" gefühlt. Man sehe, ,,dass das nicht ihre Welt ist", meint er. Wessen Welt das Kämpfen aber ist, insinuiert sein Statement: die der Männer.

Diese Frau Baerbock aber sagte einen bahnbrechenden Satz beim Staatsbesuch in Ägypten, der von keinem Außenminister je kam: ,,Nur wo eine Frau sicher ist, sind alle Menschen in einer Gesellschaft sicher."

Baerbock ist kaum im Amt, schon ist sie mit einem brandgefährlichen Konflikt konfrontiert, in dem Männer ihre geschwollenen Kämme zeigen. Was macht sie? Sie deutet, wenngleich in einem anderen Krisengebiet, dem in Nahen Osten, mit dem Finger auf Zusammenhänge, die im Kriegsdiskurs so nicht vorkommen. Und sie redet. Redet, wie andere auch, mit allen am Konflikt Beteiligten. Denn der Faden darf nicht abreißen. Konfliktlösung hat viel mit Gespräch zu tun und nicht damit, zur Waffe zu greifen.

Scheherazade hat es vorgemacht, als sie redete, bis der Aggressor, ihr eigener Mann, davon abließ, sie umzubringen. Sie hat von anderen Situationen berichtet, in denen Probleme mit Klugheit pariert wurden, um ihn aus seiner Fixierung, dass all seine Frauen untreu seien und umgebracht gehören, zu lösen. Da ist sie wieder, die Analogie, erscheint Putin die Ukraine doch untreu, weil sie mit der Nato ins Bett möchte.

Reden ist eine weibliche Konfliktlösungsstrategie. Dass in der gegenwärtigen Situation auf der internationalen politischen Bühne alle Akteure weiterhin miteinander reden, macht Hoffnung.

,,Hope is the thing with feathers" [https://www.youtube.com/watch?v=-TbqRaBY9K0 (https://www.youtube.com/watch?v=-TbqRaBY9K0)]– Hoffnung ist das Ding mit Federn – das ist die erste Zeile eines Gedichts der Lyrikerin Emily Dickinson. Sie lebte im 19. Jahrhundert und gilt als die berühmteste amerikanische Dichterin.

Der Aufbau der Thesenzeile dieses Textes, ,,Krieg ist das Ding mit Gemächt", kopiert Dickinsons Vers. Ihr Gedicht beschreibt, dass Hoffnung widerständig ist, auch unter schlimmsten Bedingungen. Und sie spricht darüber, dass Hoffnung nichts von einem verlangt. Sie ist einfach da.

Auch die Hoffnung auf Frieden.


Aus: "These zur toxischen Männlichkeit: Krieg ist das Ding mit Gemächt" Kommentar von Waltraud Schwab (20. 2. 2022)
Quelle: https://taz.de/These-zur-toxischen-Maennlichkeit/!5833610/ (https://taz.de/These-zur-toxischen-Maennlichkeit/!5833610/)

Waltraud Schwab (* 29. Februar 1956 in Oberrimsingen (Breisgau))
https://de.wikipedia.org/wiki/Waltraud_Schwab (https://de.wikipedia.org/wiki/Waltraud_Schwab)

QuoteIgnaz Wrobel

Wenn Panzerkanonen phallische Symbole sind, die durch toxische Männlichkeit bewegt werden, was symbolisieren dann Schächte in Kampfjets, aus denen Bomben fallen?


QuoteBoandlgramer

Frauen mögen noch nicht so viele Gelegenheiten gehabt haben, um erektionslos Kriege zu führen - aber mir fallen da ein paar Beispiele ein, in denen Frauen mindestens so gewalttätig agierten wie in Rede stehenden Männer: Angefangen bei den Königinnen der europäischen Monarchien über Margret Thatcher und die Falklandinseln, Hillary Clinton oder Madeleine Albright, denen man, weiß Gott, keine mäßigende Wirkung auf die imperiale Vorherrschaft der USA unterstellen kann...

Ich halte Gerhard Schröder auch für einen alten Trottel, aber er weigerte sich als Penisträger ohne Evidenz mit in den Irak einzufallen, wohingegen sich die Muschi - äh, nein - Mutti Merkel dem Bush damals schamlos an den Hals warf...

Man sollte Frauen fraglos die Gelegenheit zum Scheitern bieten - aber das wird die Welt nicht per se verbessern.

Und die schlechte Welt jetzt nur mit toxischer Männlichkeit zu (v)erklären, sagt auch eher was über die Erklärerin als über die Welt.

Blöd ist nur, dass man immer erst nach dem Lesen weiß, dass es einen nicht interessiert hat... ;)


QuoteDarmok Jalad

Ich bin der Überzeugung das Putins Männlichkeitsbild ein nicht unwesentlicher Faktor in seinem Handeln ist, aber zu diesem Kommentar fällt mir nur ein:

,,Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel"


QuoteWilli Müller alias Jupp Schmitz

"Hoffnung ist das Ding mit Federn". Danke Frau Schwab für diesen Sinn stiftenden, einfühlsamen Artikel, auch für den Hinweis auf Emily Dickinson.

Trotz allem Relativieren schließt sich der Kreis mit

"Hoffnung ist das Ding mit Federn"!


QuoteColonel Ernesto Bella

Der seid einigen Jahren anhaltende Hype um Theweleits Männerphantasien führt zu seltsamen Verwirrungen. Das Buch ist toll, die Kombination von Text und Bild, seine Charakterstudien und Darstellungen von Charaktermasken mit Beispielen aus Kunst, Propaganda, Populärkultur, diese ganze Art der der Anschaulichkeit und Argumentation ist fantastisch. Das Buch ist perfekt in der Erklärung faschistischer, nationalistischer, kapitalistischer männlicher Charaktere, ihrem Habitus, ihrer Kultur, ihrer Sexualutät, ihrer Phantasien, ihrer Ideologie. Aber, es taugt halt wenig zur Erklärung des Faschismus, es taugt wenig um das geopolitische Gerangel der Nationen zu begreifen, es taugt nicht dazu die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu begreifen, Imperialismus, Nationalismus, bürgerliche Ideologie usw. Man sollte sich die Grenzen der Aussagefähigkeiten von Theweleits Männerphantasien bewusst machen, sonst stiftet man sich nur unnötige Verwirrungen, schafft es aber nicht eine richtige Kritik herrschender Verhältnisse zu formulieren.


QuoteZeuge14

@Colonel Ernesto Bella Lieber Colonel, wahrscheinlich schauen sie (mal wieder eben) aus männlichem Blickwinkel; lässt mich ihr Kommentar vermuten, gele - oder?

Die Autorin schriebt ja selbst: ""Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz... "" Es geht im Artikel eben genau um eine erweiterte Sicht, die eben (auch) das typisch männliche an der putinschen Haltung offenbart... gab es da nicht ein entsprechendes Bild "auf Pferd, mit (zudem aufgerichteter) Knarre und blankem Oberkörper. Und das es nicht nur um Theweleits Konzepte in dem Beitrag geht, ist doch klar....Doch mit "Aber, es taugt halt wenig..." wischen Sie so mal eben den ja richtigen Aspekt vom Tisch. Ein rhetotisch "nettes" Mittel, aber hier an dieser Stelle eben wieder mal "so eben und nebenbei" Ausdruck männlicher Arroganz, oder?


QuoteSandor Krasna

@Zeuge14 Das Problem an dieser erweiterten Sicht, ist doch, dass das Bild halt schief wird, wenn einerseits die Weiblichkeit der Ukraine konstruiert wird, aber das Geschlecht des "Mütterchen Russlands" unterschlagen wird. ...


QuoteMichael Myers

Es gibt nur wenige Länder, in denen es ein so massives Problem mit häuslicher Gewalt gegen Frauen gibt. Es gibt noch nicht einmal ein Gesetz, das häusliche Gewalt bestraft. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4usliche_Gewalt_in_Russland (https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4usliche_Gewalt_in_Russland)

Putins toxische Männlichkeit hat durchaus ihre Entsprechung in der russischen Mehrheitsgesellschaft.


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 01, 2022, 03:19:35 PM
"gun crazy. Ein Videoessay zu Johnny Guitar (Nicholas Ray, USA 1954)" Von Alina Litau, Judith Stobbe, Adnan Zecevic
Entstanden im Seminar Praktische Filmkritik, geleitet von Michael Baute. Wintersemester 2020/21, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
https://newfilmkritik.de/archiv/2021-04/gun-crazy/ (https://newfilmkritik.de/archiv/2021-04/gun-crazy/)

https://vimeo.com/542770165 (https://vimeo.com/542770165)

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Johnny Guitar – Wenn Frauen hassen (Alternativtitel: Johnny Guitar – Gehasst, gejagt, gefürchtet und Johnny Guitar – Gejagt, gehaßt, gefürchtet; Originaltitel: Johnny Guitar) ist ein US-amerikanischer Western von Nicholas Ray aus dem Jahr 1954 mit Joan Crawford in der Hauptrolle. Während der Film bei seiner Veröffentlichung zumeist negative Kritiken bekam, genießt er unter Filmkritikern inzwischen große Anerkennung; häufig wird er sogar als ,,Kultfilm" bezeichnet.  ... Phil Hardy notiert, der Film sei ,,auf eine lyrische und barocke [...] Weise ein Meisterwerk wie nur wenige Western". Die Dialoge seien ,,tranceartig", das Spiel der Schauspieler ,,manieriert", die Lichtsetzung ,,grell, fast surreal". Der einflussreiche US-Filmkritiker Roger Ebert gab Johnny Guitar im Jahre 2008 die Höchstwertung von vier Sternen, es sei eines der ,,radikalsten psychosexuellen Melodrame" im Gewand eines Westerns. Er wies auf die verworrenen Liebesbeziehungen im Film sowie auf die lesbischen Untertöne bei den weiblichen Hauptfiguren hin. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Guitar_%E2%80%93_Wenn_Frauen_hassen (https://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Guitar_%E2%80%93_Wenn_Frauen_hassen)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 02, 2022, 12:12:33 PM
Quote[...] Hammett, Chandler, Cain, vielleicht noch Jim Thompson: Diese Grössen des «hard-boiled», des hartgesottenen Kriminalromans, sind bekannt für diese Literaturgattung. Aber Hughes? Dorothy Hughes? Doch, diese Autorin gehört genauso zum Kanon wie all die Männer. In den Vierzigerjahren, noch vor Patricia Highsmith, schrieb sie Romane, die heute dem Subgenre Noir zugeordnet werden. Gerade mal 2 ihrer 14 Romane erschienen vor 40 Jahren auf Deutsch. Und gingen rasch vergessen. Die Neuübersetzung ihres bekanntesten Romans ermöglicht nun einen Blick auf diese spannende Schriftstellerin. «Ein einsamer Ort» kennt man vor allem durch die Verfilmung von Nicholas Ray aus dem Jahr 1950: «In a Lonely Place». Doch der Film mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle als Dix Steele erzählt eine andere Geschichte als der Roman. Denn ein Star wie Bogart konnte damals nicht ein Serienmörder sein. Und ohnehin war der Plot zu verstörend. Im Roman ist Dix, der im Zweiten Weltkrieg Jagdflieger war, ein Psychopath. Er hadert damit, dass er nicht aus einer reichen Familie kommt und darum nicht sorglos in den Tag hineinleben kann. Und er hasst Frauen. Eigentlich sucht Dix, oder macht sich das mindestens vor, eine Frau fürs Leben. Doch er fühlt sich ständig zurückgewiesen. «Sie waren alle gleich. Betrügerinnen, Lügnerinnen, Huren. Selbst die Frommen warteten nur auf die Gelegenheit, zu betrügen, zu lügen, herumzuhuren.» ...


Aus: "Der erste Serienmörder-Roman" (Hanspeter Eggenberger (31.08.2022)
Quelle: https://www.tagesanzeiger.ch/der-erste-serienmoerder-roman-599623038949 (https://www.tagesanzeiger.ch/der-erste-serienmoerder-roman-599623038949)

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Quote[...] Der Krimi in den Vierzigerjahren ist voller Männer. Sie morden, sie kombinieren, sie decken auf. Den Frauen bleibt da nur noch das Sterben. Bei Dorothy B. Hughes' Buch Ein einsamer Ort ist das anders. Mit diesem erschreckend zeitlosen Kriminalroman wurde sie zu einer – vielfach vergessenen – Pionierin des amerikanischen Noirs. Schon 1947 verwirft sie die festgefahrenen Geschlechterrollen des Genres, das mit einem besonders pessimistischen und gewalttätigen Blick auf die Welt seine Akteure und deren Entwicklung in den Mittelpunkt stellt. Die Darstellung ihres Hauptcharakters, Dix Steele, prägte die Figur des Serienmörders für die kommenden Jahrzehnte.

Dix, ein ehemaliger Kampfpilot, hat sich unter dem Vorwand, ein Buch zu schreiben, nach Los Angeles abgesetzt und führt dort mit der spärlichen finanziellen Unterstützung seines Onkels ein eigenbrötlerisches Leben. Er vermisst die Aufgeregtheit und Rohheit des Krieges und verachtet das bürgerliche Leben mit all seinen Zwängen, das nun stattdessen seinen Alltag dominiert. Hughes versteht es, gesellschaftliche Phänomene und die individuelle Psyche in ein präzises Verhältnis zu setzen. Sie erzählt die Geschichte aus Dix´ Perspektive, einem Kriegsveteranen, der sich ohne seinen Kampfjet seiner Freiheit und seiner Männlichkeit beraubt sieht, in einer Nachkriegswelt, der er sich unendlich überlegen fühlt und die er gleichzeitig fürchtet. All das entlädt sich in seinem unbändigen Frauenhass. "Sie waren alle gleich. Betrügerinnen, Lügnerinnen, Huren. Selbst die Frommen warteten nur auf die Gelegenheit, zu betrügen, zu lügen, herumzuhuren. Sie hatten es ihm bewiesen, wieder und immer wieder. Anständige Frauen gab es nicht."

Jeden Monat sucht sich Dix daher ein neues weibliches Opfer, vergewaltigt und erwürgt es. Hughes macht Dix zu einer personifizierten Form von toxischer Männlichkeit, in einer Zeit, die für dieses Verhaltensmuster noch gar keine Begrifflichkeit kennt. Während die Polizei im Dunkeln tappt, nähert sich Dix seinem ehemaligen Freund aus Kriegstagen, Brub, an. Brub ist mittlerweile Ermittler in der Mordkommission des L.A. Police Department und versucht, den anhaltenden Frauenmorden ein Ende zu setzen. Dix genießt das Risiko, das mit der Freundschaft zu Brub verbunden ist, wähnt sich in seiner naiven Überheblichkeit in Sicherheit, genießt es sogar, mit der Polizei zu wetteifern. Nur Brubs Frau, Sylvia, ist ihm ein Dorn im Auge. Ihr scharfer Verstand und ihre neugierigen Fragen bereiten ihm Sorgen. Und dann ist da noch Laurel, seine wunderschöne Nachbarin, in die er sich Hals über Kopf verliebt, die seine aufbrausende Liebe aber nicht erwidern will und damit seinen Zorn auf sich lenkt. Am Schluss ist es genau dieses Duo, Sylvia und Laurel, das Dix wirklich durchschaut. Wahrscheinlich gerade weil sie das tun, was Dix an Frauen so verabscheut – sie fragen nach, sind neugierig und tratschen. Das macht das Ende umso zufriedenstellender, prognostiziert Dix doch noch selbstsicher, niemals werde ihm ein Fehler unterlaufen.

Ein einsamer Ort ist ein Kriminalroman, der auch 75 Jahre nach seiner Veröffentlichung, oder vielleicht besonders jetzt, funktioniert. Es ist der nüchterne Stil, der Klischees und Konventionen trotzt und das Buch bis zur letzten Seite spannend bleiben lässt. Kein feministisches Feuerwerk, das möchte Ein einsamer Ort auch nicht sein, aber dennoch ein kleiner wohltuender Lichtblick aus einer vergangenen Zeit, in der sonst vor allem Männer ermitteln durften.

Dorothy B. Hughes: "Ein einsamer Ort." Kriminalroman; a. d. Engl. v. Gregor Runge; Atrium  Verlag, Hamburg 2022;  256 S.



Aus: ""Ein einsamer Ort" von Dorothy B. Hughes: Zurück in die Zukunft" Eine Rezension von Eva Sager (2. November 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/2022/44/ein-einsamer-ort-dorothy-b-hughes-kriminalroman (https://www.zeit.de/2022/44/ein-einsamer-ort-dorothy-b-hughes-kriminalroman)

Dorothy Belle Hughes (* 10. August 1904 in Kansas City, Missouri als Dorothy Belle Flanagan; † 6. Mai 1993 in Ashland, Oregon) war eine US-amerikanische Kriminalschriftstellerin und Literaturkritikerin. ... Walter Mosley schrieb über sie: ,,Hughes Romane sind sorgfältig geschaffene Werke, ihrer Zeit voraus in dem Gebrauch von psychologischer Spannung und ihren drückenden Beobachtungen über Klasse und Rasse. Sie zählte zu den besten." ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothy_B._Hughes (https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothy_B._Hughes)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 11, 2023, 11:43:53 AM
Quote[...] In Deutschland sorgen traditionelle Rollenbilder bei jungen Männern teils für eine hohe Akzeptanz von Gewalt in der Partnerschaft. Das geht aus einer bundesweit repräsentativen Studie der Organisation Plan International Deutschland hervor, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt. 33 Prozent der befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren gaben demnach an, es "akzeptabel" zu finden, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin gelegentlich "die Hand ausrutscht".

34 Prozent seien gegenüber Frauen sogar schon mal handgreiflich geworden, um ihnen Respekt einzuflößen, heißt es weiter. "Erschrocken" davon zeigte sich Karsten Kassner, Fachreferent des Bundesforums Männer, gegenüber den Funke-Zeitungen. "Problematisch ist, dass ein Drittel der befragten Männer Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen verharmlosen. Das muss sich dringend ändern", sagte Kassner demnach.

Überdies äußerten die Befragten demzufolge eine hohe Abneigung gegen das öffentliche Zeigen von Homosexualität. 48 Prozent gaben an, dass sie sich davon "gestört" fühlen.

Aus der Studie geht den Funke-Zeitungen zufolge auch hervor, dass das Bild der traditionellen "Hausfrau" in den Köpfen vieler Männer verankert zu sein scheint: 52 Prozent der Befragten sähen ihre Rolle darin, genug Geld zu verdienen – sodass sich die Frau hauptsächlich um den Haushalt kümmern könne. Jeder zweite junge Mann möchte laut den Daten keine Beziehung mit einer Frau eingehen, wenn diese bereits viele Sexualpartner gehabt hat.

51 Prozent hätten zudem angegeben, dass sie schwach und angreifbar seien, wenn sie Gefühle zeigen würden, heißt es weiter. Dabei sagten 63 Prozent, dass sich manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen würden. "Die klassischen Rollenbilder sind eben doch noch in den Köpfen der Gesellschaft verankert", sagte Alexandra Tschacher, Sprecherin von Plan International Deutschland, den Funke-Zeitungen.

Viele Männer seien zwar grundsätzlich bereit, sich für mehr Gleichberechtigung und gegen Rollenklischees einzusetzen, würden dies aber nicht in konkrete Taten umsetzen, sagte Kassner demzufolge. Es sei auch Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen zu verändern. Ein gutes Beispiel sei die von der Bundesregierung geplante bezahlte Freistellung nach der Geburt für Väter.

Für die Umfrage wurden vom 9. bis zum 21. März bundesweit 1.000 Männer sowie 1.000 Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit einer standardisierten schriftlichen Online-Befragung befragt.


Aus: "Umfrage: Jeder dritte junge Mann findet Gewalt gegenüber Frauen "akzeptabel"" (11. Juni 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-06/umfrage-frauen-maenner-gewalt-homosexualitaet-plan-international-deutschland (https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-06/umfrage-frauen-maenner-gewalt-homosexualitaet-plan-international-deutschland)

QuoteDer Jo

Beste Vorausetzungen für die Ewiggestrigen Parteien; das sind ja dann die Einstellungen der

"Guten alten Zeit".

...


Quote
A.Grieger

Gruselig.


Quote
SportlicherGenußmensch

niemals hätte ich auch nur einen dieser werte so hoch geschätzt. wie viele armselige wichte es doch gibt...


QuoteVonKindernFernhalten

Mich wundert es nicht. Andrew Tate ist mit dem Konzept Millionär geworden. Er hat viele, sehr viele Anhänger und seine ,,Botschaften" verbreiten sich immer noch. ... Im Übrigen sind die Gründe für Gewalt gegen Frauen und Homophobie aus meiner Sicht die selben - ein geringes Selbstwertgefühl, das so laut wie möglich aufgeblasen wird. Und für Viele ist Gewalt der logische Weg - vor allem, wenn ,,erfolgreiche" Menschen es vorleben und ja, vielleicht haben die Botschaften der durchschnittlichen Rap-Songs da auch Einfluss.

Nicht zuletzt - hier müsste man sich tatsächlich auch die Herkunft ansehen. Wenn jemand in traditionellen patriarchalen Strukturen aufwächst, dann bringt mehr Erziehungsurlaub für Väter wenig - und auch der Ethikunterricht an der Schule.


QuoteFeery

Wundert mich überhaupt nicht. Denn abseits der eher linksliberalen (sozialen) Medien sieht die Realität genau so aus.


Quote
Colentina54

Unfassbar, das es so viele Männer sind, die Gewalt gegen Frauen richtig finden! Ich habe selbst Schläge in der Ehe erlebt. Mein (Ex-)Mann sah sich dazu berechtigt und zeigte keine Reue. Das war aber im letzten Jahrtausend.
Welche Erziehung durch die Mütter haben diese jungen Männer von heute genossen, dass sie sich immer noch Frauen überlegen fühlen und keine anderen Mittel kennen als Gewalt? Würde Ihnen bei einem Freund auch "die Hand ausrutschen"?


Quotej
jstawl

Wundert mich leider nicht wirklich. Insbesondere in Kreisen mit Migrationshintergrund und ! In rechten Kreisen scheinen Frauenrechte eher unter "Gedöns" zu laufen. Ein trauriges Bild unserer Gesellschaft


Quotegoldi53

Diese Zahlen können sollten die Gesellschaft sehr nachdenklich stimmen. Offensichtlich ist die Einstellung auch von jungen Menschen, nicht soviel anders als die der älteren Generation. Wobei ich zugeben muss, dass diese Zahlen für mich nicht nachvollziehbar sind. ...


Quote
heute789

Bevor man hier pauschal urteilt, wäre es interessant zu wissen, welche Fragen konkret gestellt wurden und welche Bevölkerungsgruppen beteiligt waren. Da ich in meinem gesamten Bekanntenkreis niemanden kenne, der Gewalt gegenüber Frauen befürwortet, halte ich das Ergebnis - zumal nur 1000 Personen befragt wurden - für keineswegs repräsentativ.


QuoteZirbelzalp

Wundert mich nicht.

,,Wie man mit denen laut Andrew Tate umgehen sollte? "Schlagen, schlagen, packen, würgen. Halt's Maul, Schlampe! Sex."

https://www.zeit.de/2023/18/maennerrechtsbewegung-antifeminismus-mannosphaere-red-pill (https://www.zeit.de/2023/18/maennerrechtsbewegung-antifeminismus-mannosphaere-red-pill)


Quoteisabelle_ulrich

Das würde er bei mir nur einmal probieren.


Quote_.-._

An die, bei denen bei dem Begriff "toxische Männlichkeit" die Düse geht: Genau das ist sie:

"33 Prozent der befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren gaben demnach an, es "akzeptabel" zu finden, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin gelegentlich "die Hand ausrutscht"."
"34 Prozent seien gegenüber Frauen sogar schon mal handgreiflich geworden, um ihnen Respekt einzuflößen"
"51 Prozent hätten zudem angegeben, dass sie schwach und angreifbar seien, wenn sie Gefühle zeigen würden, heißt es weiter. Dabei sagten 63 Prozent, dass sich manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen"

Der Begriff meint nicht das Männlichkeit allgemein toxisch wäre, sondern nur dass bestimmte Formen von Männlichkeit wo Gefühle und Unsicherheiten unterdrückt werden die sich dann in Gewalt entladen, toxisch sind.


QuoteAughves

Bei solchen Ergebnissen ist es immer recht spannend, welche Fragen mit welchen Antwortmöglichkeiten da genau gestellt wurden.


QuoteSnelgreb

Ohne Zahlen zu kulturellem Hintergrund und anderen Merkmalen, sind solche Umfragen ziemlich wertlos. "Junge Männer" ist ein weit gefasster Begriff. Ich denke wir wissen alle, was der Elefant im Raum ist.


QuoteShanti Müller

Viele Details fehlen hier, z. B. auch, wer macht überhaupt bei solchen Befragungen mit. ... Das ein sogenannter Migrations Hintergrund auch eine Rolle bei den Ergebnissen spielt ist möglich.


Quote100010011100000010013

Bei einer groben Migrantenquote von ca. 33 % unter Männern, könnte diese Umfrage ein Weckruf sein. Aber nein: Augen zu und durch!


QuoteAlles-eine-Frage-der-Perspektive

Es ist erschreckend, wie viele Kommentator*innen hier gleich wieder alles auf Muslime schieben und von "patriarchalisch geprägten" Kulturkreisen sprechen. Als wäre Deutschland ein Matriarchat. Als hätte noch nie ein Christ seine Frau geschlagen. Die "jungen Leute" bestehen eben nicht nur aus woken Genderaktivist*innen, auch wenn gern so getan wird. Konservative und frauenfeindliche Weltbilder gibt's in allen Gesellschaftsschichten. Man frage doch mal bei AFD-Anhängern, in abgelegenen Dörfern, die Studenten in Burschenschaften, die Söhne "aus guten Familien"....da gibt es mehr weißen Frauenhass als genug.


QuoteSimsalartist

Jungs, die 50er haben angerufen. Sie wollen ihr Rollenbild zurück haben.


QuoteStadthexlein

... Bitte in Zukunft den Link zur Studie mit veröffentlichen ...


QuoteTeacher_for_Future

30% - eine schlichte Zahl - und so viele Abgründe dahinter. ... Wer Gewalt ausübt, damit mehr "Respekt" da ist, ist aus meiner Sicht ein Idiot, sorry!  ... An alle Männer: Gebt Eure Schwächen zu. Erst dann seid ihr emotional starke Männer: Dann habt ihr so einen Scheiß nicht nötig!!


QuoteFeiner Kerl

Hier würde mich auch die cluster interessieren. Wie schneiden hier die Männer mit Wurzeln aus den neuen Bundesländern ab. Wie ist hier die Parteipräferenz verteilt, wie die Stadt-Land Verteilung. Gibt es Unterschiede zwischen direkten Migranten und denen der 1. Oder 2. Generation. Diese Frage stellt sich wenn es um doppelte Staatsbürgerschaft und dadurch um Wahlrecht.


...
Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 04, 2023, 12:09:14 PM
Quote[...] I don't know of a single woman my age who hasn't engaged with, say, the pro-abortion campaign in Ireland, the outpouring of women's fear post Sarah Everard, the body positivity movement, menopause or the lack of pain relief for gynaecological procedures. This is what we do. It feels normal, useful and, ultimately, positive.

The men of my age, however? When I look at my roughly equivalent male peers – progressive, leftwing, liberal men with public platforms – there is no such culture when it comes to the issues that concern men and boys. There is no semi-organised, progressive movement that habitually raises, and then campaigns in support of, solutions for male problems: educational underachievement and exclusion; sky-high mental ill-health and suicide rates; porn-influenced strangulation; fatherhood being seen as the "lesser" parenting role; and the epidemic of loneliness in older men (nearly a third of men say they have no close friends.) There is no sense of these all being folded in together, under the subject "How things needs to change for boys, and men" in the way they have in feminism. And into this vacuum created by the progressive left: the advent of Tate, Jordan B Peterson and the "incel" movement.

When I started interviewing men my age about their lives, and asking why they didn't talk about these things in public, a certain batch of sentiments came up repeatedly. "Men talking about their problems is boring." "I don't want to make a fuss." "I don't want to be accused of having Emotional Man Flu."
Which is why the difference between where women and men currently are in "talking about their problems" is vast. Women are newly fascinated with being absolutely, viscerally honest about all the problems to do with being a woman: Schumer will do 10 minutes on her vagina "smelling like a small farmyard animal", while Lily Allen will perform under balloons that read "Lily Allen has a baggy pussy". Women just do not give a shit these days, in the best way possible. Breaking a taboo, or being visceral, is now a very viable career path that inspires both relief and love from your fans.

But can you imagine a male comedian talking about a funky-smelling penis?

...


From: "Caitlin Moran: what's gone wrong for men – and the thing that can fix them" Caitlin Moran (Sat 1 Jul 2023)
Source: https://archive.ph/X397I (https://archive.ph/X397I)

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Quote[...] Mareile Poettering ... ist selbstständige Psychologin und hat sich darauf spezialisiert, Männern beizubringen, wie sie ihre Gefühle besser managen. Als wir telefonieren, erzählt sie mir von ihrer Zeit als Klinik-Psychologin, von Polizisten und Soldaten. Viele davon hätten sich nur noch als Maschine gesehen, sagt sie, manche abgerichtet wie ein Hund, die Emotionen abgestumpft von den belastenden Erfahrungen ihres Alltags. Funktionieren. Funktionieren. Immer nur und jeden Tag.

Männer sind nicht als Gefühlslegastheniker geboren, sie werden zu solchen gemacht. Von Geburt an, sagt Poettering, fühlten Menschen erst einmal eine große Bandbreite von Gefühlen. Im Großen und Ganzen könnten Jungen und Mädchen das gleich stark und gleich gut. Studien bestätigen das. Was dann kommt, ist die Erziehung. Wie gut Kinder später mit Gefühlen umgehen, hängt maßgeblich damit zusammen, wie gut das die Bezugspersonen und die Gesellschaft um sie herum können.

Poettering sagt: "Unsere Eltern sind unsere unbewussten Vorbilder für die Art, wie wir lernen, unsere Gefühle zu fühlen oder auch zu verdrängen. Sie geben unseren Gefühlen Worte und auch Bedeutung, durch die Art, wie sie darauf reagieren."
Indianer kennen keinen Schmerz, solche Sätze hören in der Regel nur Jungs. Noch immer. Ich erinnere mich, dass ich mich in meiner Schulzeit oft zum Kotzen brachte, ich glaube, ich hatte Versagensangst. Nicht unbedingt schulisch, viel eher sozial.

... Viele Männer lernten nie, richtig mit ihren Emotionen und ihrer Verletzlichkeit umzugehen, sagt Poettering. Sie lernten nicht, darüber zu reden. Manche lernten nicht einmal, ihre eigenen Gefühle überhaupt ernst zu nehmen.

... Das Ergebnis kann dann etwas sein, das die Wissenschaft "normative männliche Alexithymie" nennt. Also: männliche Gefühlslegastheniker by design. Auch Frauen können alexithym sein, natürlich, vielen wird ja auch derselbe Quatsch erzählt wie den Jungs, aber halt nicht so häufig. Insgesamt gilt ungefähr jede:r Zehnte als alexithym, je nach Studie sind Männer um ein Drittel bis zur Hälfte überrepräsentiert. Besonders häufig sind es ledige Männer, arme Menschen, Menschen mit frühkindlichen Belastungen. Als ich den letzten Punkt lese, muss ich an meine Mutter denken und an meine Kindheit mit ihr. Gäbe es nicht Fotos, würden mir Schwestern und Freunde nicht Geschichten von damals erzählen, ich wäre mir nicht sicher, dass ich damals überhaupt existierte. "Abstumpfung ist ein Schutzmechanismus", sagt Mareile Poettering. Ihre Polizisten- und Soldatenpatienten erzählten ihr regelmäßig von den schlimmen Dingen, die sie erlebten. Ohne sich komplett abzukapseln, dachten sie, überstünden sie das nicht. Erst nicht ran lassen, dann schnell vergessen.

Von der Kindheit mit meiner Mutter ist mir nur ein heftiges Körperzucken geblieben. Ein Reflex. Sobald mir jemand eine Hand vors Gesicht hält, reiße ich meine Hände nach oben, um mein Gesicht vor dem Schmerz zu schützen. Noch immer. Ich erinnere mich auch daran, wie ich früher meine Hand auf ein Buch legen musste und sie ein Pendel darüber hielt. Die Richtung des Pendels verriet ihr meine Gefühle. Der Rest meiner Erinnerung hat sich aufgelöst, fast komplett, wie das lauschige Bizzeln einer Kopfschmerztablette in warmem Wasser.

Wir funktionieren. Nicht weil wir unbedingt möchten, sondern weil uns die Welt dazu zwingt. Für diesen Text treffe ich vor ein paar Wochen Rafael wieder. Wir sitzen in einem fancy Café in München, um uns dünne Start-up-Bros mit dicken Hemdkrägen. Auch Rafael erinnert sich noch genau an die Todesdiskussionsnacht. Er erzählt von einem jungen Kellnerkollegen, dessen Vater ihn kürzlich auf der Arbeit besucht hatte und im Anschluss zusammenbrach. Ein Herzinfarkt auf offener Straße, direkt vor dem Restaurant. In Rafael kam dieses bedrückende Gefühl hoch. Die ganze Schicht bediente er trotzdem durch. Ich stelle ihn mir dabei mit einem Lächeln vor, denn Rafael ist einer, der seine Sache immer gut machen will.
Wie so vieles findet Abstumpfung auf einem Spektrum statt. Sie kann variieren in ihrer Intensität, aber auch in der Art der Gefühle, die nicht mehr in uns hochkommen. 
"Ich bin nicht der aller gefühlvollste Mensch", sagt Rafael.
"Ich bin eher rational", sagt Rafael.
"Ich kann Tote ohne Probleme sehen", sagt Rafael. "Aber dieser persönliche Bezug, das hat mich mitgenommen."

Wir stumpfen ab, um diese Gesellschaft und diese Welt zu ertragen – ein Instagram-Reel nach dem anderen. Flüchtlingsboote kentern im Mittelmeer. Next. Flut und Dürre zerstören Indien. Next. Hubert Aiwangers Gesicht.

Rafael und ich erinnern uns gemeinsam an das Grausamkeits-Best-of unserer Jugend. Beide haben wir das Video der zwei ukrainischen Jugendlichen gesehen, die aus Langeweile wahllos Passant:innen die Gesichter zu blutigem Brei schlugen. Die Videos wurden bekannt unter "Three guys, one hammer", makabererweise angelehnt an "Two girls, one cup". Das Video wurde irgendwann im Jahr 2007 geleakt. Rafael und ich waren 13, vielleicht 14, als wir das sahen. Nachrichten, sagt Rafael, täten ihm schon lange nicht mehr weh.

Die Notwendigkeit zur Abstumpfung ist allgegenwärtig. Ohne sie ist eine Leistungsgesellschaft wie die unsere nicht möglich. Aber, glaube ich, da ist auch die andere Seite. Denn wenn uns der Obdachlose in der U-Bahn nicht mehr kümmert, wenn uns tote Geflüchtete nicht mehr kümmern, wenn uns Klimakrise nicht mehr kümmert, dann sinkt auch das Dringlichkeitsempfinden, die fast alltäglich gewordenen Probleme zum Besseren zu verändern. Der Zugang zu unseren Gefühlen ist also immer auch politisch.

Wo wir schon mal bei negativen Auswirkungen unterdrückter Gefühle sind: Gefühle, mit denen wir uns nicht auseinandersetzen, verschwinden nicht einfach. Sie blieben in uns, sagt Poettering. Ich stelle mir das vor wie einen Kellerraum, der brennt und doch nie gelöscht wird. Irgendwann kommt die Implosion.
Fast schon beiläufig erzählt mir Rafael von einem Nervenzusammenbruch, den er vergangenes Jahr hatte.
"Da wurde mir die Uni zu viel", sagt er. ...

... Ich muss an den Sommer vor zwei Jahren denken. Ich war in Toronto. An einem Abend fuhr ich mit dem Bus durch die Stadt, Bekannte treffen in einer Bar. Der Bus hielt, ich stieg aus und stand plötzlich mitten in einem Tatort. In einem Hauseingang, keine zwei Meter von mir, lag ein junger, Schwarzer Mann in seinem Blut. Leute waren über ihn gebeugt. Von links kamen Polizist:innen mit Sturmgewehren angelaufen. Ich konnte nicht helfen und ging weiter. Nur ein paar Meter weiter führten Einsatzkräfte den Täter an mir vorbei ab. Es war ein großer, weißer, glatzköpfiger Mann. Er zeigte keine erkennbaren Gefühlsregungen.
Ich merkte, wie so etwas wie Panik in mir hochzukriechen begann. Ich nahm mein Telefon aus der Tasche, steckte mir Kopfhörer ins Ohr. Dann drehte ich die Musik so laut, bis ich mich nicht mehr denken hörte.


Aus: "Emotionale Taubheit: Ich, Mann, abgestumpft" Martin Hogger (3. Juli 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/campus/2023-06/emotionale-taubheit-abstumpfung-maenner (https://www.zeit.de/campus/2023-06/emotionale-taubheit-abstumpfung-maenner)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 09, 2023, 02:26:05 PM
QuoteSonnenstrahl70

Abgesehen, dass sich der Artikel in der Welt der Reichen tummelt, eigenständige, selbtbewusste und erfolgreiche Frauen machen sehr vielen Männern Angst. Bedauerlicher Fakt.


QuotePippilangstrumpfvictualia

"Etliche Männer brauchen immer noch das Gefühl, der Versorger zu sein. Und ja, es gibt auch im Silicon Valley viele Männer, die eine traditionelle Frau suchen."

Na, klar. Soweit nicht überraschend!


Quote
My Name

Selten so gelacht. Die Dame lässt kein Klischee aus. ...


...

Quote[...] Als professionelle Matchmakerin verkuppelt Amy Andersen die Elite Kaliforniens. Sie weiß, welche Fehler Frauen und Männer beim Dating machen, wie der Traummann einer Millionärin aussieht und warum eine Karriere bei der Partnersuche schaden kann.

Isabel Fisch: Warum verkuppeln Sie wohlhabende Geschäftsfrauen?

Amy Andersen: Der typische Kunde einer Elite-Partneragentur ist eigentlich ein Mann. Lange gab es keine Agentur, die auch erfolgreiche Frauen bei der Suche nach der Liebe unterstützte. Es lief immer so, dass reiche Männer zu einer Agentur gingen, die gezielt Frauen für sie suchte. Ich wollte das ändern. Ich vermittle Männer, aber auch Frauen. Denn ich will, dass die Frauen nicht mehr nur ausgewählt werden, sondern auch selbst wählen können. Außerdem habe ich gemerkt: Die reiche Szene im Silicon Valley besteht mittlerweile mehr und mehr aus Unternehmerinnen und Gründerinnen – es gibt also genug potenzielle Kundinnen.

Isabel Fisch: Was sind das für Frauen?

Amy Andersen: Frauen, die fast alles haben: Sie sind erfolgreich, sehr gebildet, haben viele Interessen, Freunde und gute Beziehungen. Das Einzige, was ihnen fehlt, ist ein Partner. Anfangs habe ich mich auf Frauen zwischen 30 und 45 Jahren fokussiert. Dann habe ich gemerkt, wie groß die Nachfrage auch bei Älteren und Jüngeren ist. Heute sind meine Kundinnen zwischen 20 und 70 Jahre alt. Manche kommen frisch von der Uni, andere sind geschieden oder haben ihren Partner verloren. Mit älteren Frauen arbeite ich besonders gerne. Sie sind oft selbstbewusst und wissen, was sie wollen. Normale Dating-Apps kommen für sie nicht infrage.

Isabel Fisch: Warum?

Amy Andersen: Sie wollen so diskret wie möglich daten. Mit Apps können sie das nicht. Da müssen sie sich ja öffentlich präsentieren. Ohnehin hat keine meiner Kundinnen Zeit, um stundenlang zu wischen oder chatten. Ich kann sie stattdessen mit Männern verkuppeln, die sie auf Portalen nie finden würden. Das hat zwar seinen Preis, ist es den Kundinnen aber wert.

Isabel Fisch: Wie teuer ist das?

Amy Andersen: Premium-Kundinnen zahlen in meiner Agentur 55.000 Dollar. Eine VIP-Mitgliedschaft kostet mindestens 150.000 Dollar. Je komplexer die Suche, desto teurer wird sie, das kann mal eine halbe Million Dollar sein.

Isabel Fisch: Also unfassbar viel Geld für ein Date.

Amy Andersen: Meine Klientinnen beschäftigen Ernährungsberater, Fitnesstrainer und Personal Coaches, warum sollten sie niemanden haben, der ihnen den idealen Partner sucht? Das Geld ist es ihnen dann wert.

Isabel Fisch: Worauf kommt es Ihren Kundinnen und Kunden an?

Amy Andersen: Alle suchen nach einem gesunden und bewusst lebenden Partner oder Partnerin, mit dem sie ein langes Leben führen können. Ganz interessant ist, dass Männer in der Regel mit der Optik beginnen. Die muss zuerst für sie stimmen. Welche Charaktereigenschaften die Partnerin haben soll, kommt später. Die Frauen hingegen legen genaue Kriterien fest, wie sich ein Partner zu verhalten hat. Beim Aussehen sind sie etwas entspannter. Klar, alle wünschen sich groß und attraktiv, markante Wangenknochen. Aber ihnen kommt es vor allem auf die inneren Werte an. Er soll ein guter Kerl sein. Sie sagen zu mir: "Amy, suche mir einen Mann, der loyal ist und einen Job hat. Das war's, mehr brauche ich nicht."

Isabel Fisch: Eigentlich dürfte es nicht schwer sein, da einen Partner zu finden.

Amy Andersen: Ist es aber! Es kommt mir so vor, als ob die Intelligenz und Unabhängigkeit der Frauen vielen Männern Angst macht. Und es führt zu Konkurrenzgedanken. Die Frau wird zur Rivalin. Die Männer fragen sich: Wenn sie doch alles hat, Macht, Geld, Karriere, wo ist noch Platz für mich in diesem Leben? Sie fühlen sich nicht gebraucht.

Isabel Fisch: Da können Sie als Partnervermittlerin dann auch nichts machen.

Amy Andersen: Ich kann es aber versuchen. Beispielsweise hatte ich so einen Fall in Texas. Sie war 40, zierliche Figur, leidenschaftliche Reiterin, extrem erfolgreich und sehr gut ausgebildet. Aber sie fand keinen Partner und war frustriert. Ich erinnerte mich an einen Mann in meiner Datenbank, der speziell nach einer starken Frau gefragt hatte. Je klüger, desto besser, hatte er mir gesagt. Heute sind die beiden verlobt und ein echtes Power-Paar. Er ist auch erfolgreich und macht sein eigenes Ding, deshalb schüchtert sie ihn nicht ein. Meine Aufgabe ist es, diese Frauen richtig zu vermarkten und einen ebenbürtigen Mann zu finden.

Isabel Fisch: Vermarkten, das klingt so, als wären diese Frauen ein Produkt.

Amy Andersen: Sich richtig zu verkaufen ist in der Liebe wichtig, diese Erfahrung musste ich leider selbst machen, als ich Single war. Ich hatte gerade mein Geschäft aufgebaut und war so stolz darauf. Es war das, worüber ich mich definiert habe und was ich bei Dates erzählte. Ich wollte die Männer damit beeindrucken. Tatsächlich habe ich sie verschreckt. Erfolg lässt einen weniger attraktiv wirken, das beobachte ich bei vielen meiner Klientinnen. Sie wirken nicht wie ein Date, sondern eher wie eine Arbeitskollegin oder eine Möglichkeit zum Netzwerken. Männer nehmen sie in diesem Moment nicht mehr als romantische Partnerin wahr, weil sie sich eher als Geschäftsfrau präsentiert.

Isabel Fisch: Was sie ja auch ist. Warum sollte man das verschweigen?

Amy Andersen: Es geht nicht darum, ihre Intelligenz oder Stärke herunterzuspielen, sondern darum, ein Gleichgewicht zu schaffen. Ich habe eine Regel: Sieben Prozent des Gesprächs, mehr Zeit sollte der Job beim Kennenlernen nicht einnehmen. Ein Date ist kein Geschäftstreffen.

Isabel Fisch: Das hört sich nach einem veralteten Rollenbild an. Wie passt das zum innovativen Silicon Valley?

Amy Andersen: Etliche Männer brauchen immer noch das Gefühl, der Versorger zu sein. Und ja, es gibt auch im Silicon Valley viele Männer, die eine traditionelle Frau suchen. Eine, die sich um Haushalt und Kinder kümmert. Ich habe einige Frauen in der Datenbank, die das auch wollen. Das Wichtigste ist für mich, dass beide dieses Leben wollen. Ich würde niemals eine Frau, die Spaß an ihrer Karriere hat, mit einem Mann matchen, der nach einer Hausfrau sucht. 

Isabel Fisch: Gilt die Regel mit den sieben Prozent nicht für Männer?

Amy Andersen: Ich würde sagen, zehn Prozent sind für sie ein gutes Maß. Viele Frauen suchen bei einem Mann nach Sicherheit und Ehrgeiz. Für Frauen ist es also durchaus attraktiv, seine beruflichen Ambitionen zu sehen. Deshalb können Männer da etwas lockerer sein. Doch auch Männer müssen vorsichtig sein, was berufliche Erfolge anbelangt. Dominiert in dem Gespräch die Arbeit, riskiert ein Mann, als Angeber, Workaholic oder Narzisst wahrgenommen zu werden. Das sind Warnsignale für Frauen, weil sie Angst haben, dass er keine Zeit für sie hat.

Isabel Fisch: Wie finden Sie Dates für Ihre Kundinnen?

Amy Andersen: Ich lebe zwar im Silicon Valley, aber von Technik verstehe ich nicht viel. Meine Matches basieren nicht auf Algorithmen. Meine drei Mitarbeiterinnen und ich suchen für unsere zahlenden Premium- und VIP-Kundinnen Partner. Dafür nutze ich unsere Datenbank, in die ich Menschen aufnehme, die sich bei uns beworben haben und die ich persönlich kennengelernt habe. Mittlerweile stehen dort etwa 1.000 Menschen drin. In die Datenbank aufgenommen zu werden, ist gratis. Wer will, dass ich aktiv nach einer Partnerschaft suche, muss zahlen.

Isabel Fisch: Wer sich für diese Datenbank bewirbt, weiß: Ich treffe potenziell sehr reiche Menschen. Wie stellen Sie sicher, dass es den Bewerbern ernst ist?

Amy Andersen: Dass sich jemand aus den falschen Gründen mit ihnen trifft, ist die größte Angst meiner Kundinnen. Deshalb ist unser Auswahlprozess so gründlich. Wir stellen viele Fragen und treffen alle, die sich bei uns bewerben, persönlich. Vergangene Woche waren wir zum Beispiel in Los Angeles, um einige Menschen für die Datenbank kennenzulernen. Wir fliegen um die ganze Welt dafür, auch mal nach Barcelona oder Paris. Finden wir die Bewerber gut, müssen sie einen Vertrag unterschreiben, genau wie die VIP. Das ist eine Vertraulichkeitserklärung. Da geht es vor allem darum, dass unsere Kundinnen anonym bleiben und ihre Daten geschützt sind. Manche Bewerber weigern sich, den Vertrag zu unterschreiben – und die nehmen wir dann einfach nicht.

Isabel Fisch: Warum suchen Sie weltweit? Klingt unpraktisch, wenn man eine Beziehung führen will.

Amy Andersen: Wir leben in einer globalen Gesellschaft und haben gute Beziehungen zu europäischen Agenturen. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir von überall aus arbeiten können. Wenn der ideale Partner in einem anderen Land lebt, ist das eben so. Meine Kundinnen suchen nach der Liebe – wo und wie, ist egal. Aber: je komplexer die Suche, sprich, je internationaler und je mehr Matches gewünscht sind, desto teurer wird es.

Isabel Fisch: Woran erkennen Sie denn, ob zwei Menschen zueinander passen?

Amy Andersen: Alle, die sich bei uns bewerben, füllen ein mehrseitiges Dokument aus. Dabei sollen sie überlegen, was ihnen wichtig ist – von der Optik über die Persönlichkeit bis hin zur Religion, Bildung sowie Lebens- und Familienplanung. Ich achte beim Verkuppeln darauf, dass die Personen ähnliche Vorstellungen von der Zukunft haben, zum Beispiel was die Frage betrifft, ob sie heiraten und Kinder haben wollen. Auch schaue ich mir an, welche Werte ihnen wichtig sind. Passt es da, dann macht es auch nichts, wenn die Menschen an anderen Stellen unterschiedlich sind. Eine Beziehung muss Leichtigkeit haben, und oft ist das bei zwei komplett verschiedenen Typen so, weil sie sich gut ergänzen. Da trifft ein Introvertierter auf eine Extrovertierte, und trotzdem macht es beim ersten Date Klick. Wichtig ist, dass sie sich respektieren, auch wenn sie stellenweise verschieden sind.

Isabel Fisch: Der Prozess klingt wie bei anderen Dating-Apps auch.

Amy Andersen: Das stimmt, nur ohne die Technik. Ich verlasse mich lieber auf mein Gefühl. Manchmal lerne ich eine Frau kennen und mir schwebt direkt jemand für sie vor. Einmal hatte ich beispielsweise eine Kundin, die suchte einen bestimmten Typ, und ein Mann aus meiner Datenbank passte dazu perfekt. Doch er war zu klein und hatte dunkles Haar. Ich rief sie trotzdem an. Sie war skeptisch, traf sich aber mit ihm. Mittlerweile haben sie drei Kinder. Auf einer Dating-App hätte sie ihn nie nach rechts gewischt, weil er nicht ihrem optischen Typ entsprach.

Isabel Fisch: Ist jede Ihrer Kundinnen und Kunden vermittelbar?

Amy Andersen: Nein, Menschen, die wenig schlafen, sich ungesund ernähren oder süchtig sind, gehen zum Beispiel gar nicht. Oder Workaholics, wer nur arbeitet, hat ohnehin keine Zeit für Dates oder eine ernsthafte Beziehung. Und wenn die Antworten zu strikt sind oder der Kunde überhaupt nicht weiß, wonach er sucht, macht es auch keinen Sinn. Da lehne ich eine Zusammenarbeit ab.

Isabel Fisch: Wie viele Dates vermitteln Sie im Jahr?

Amy Andersen: Mehrere Hundert. Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn zwei Menschen Exklusivität erreichen, also sagen, dass ich nicht weitersuchen soll. Wenn sie den Dating-Markt verlassen, weil sie sich mehr auf diese eine Person, die sie kennengelernt haben, konzentrieren wollen. Ist das geschafft, kommt meistens irgendwann die Hochzeit. Vor drei Wochen erst hat sich ein Kunde verlobt, der ein schwieriger Fall war. Ein sportlicher Typ und Stanford-Absolvent, der gezielt nach einer ebenso sportlichen Absolventin derselben Universität suchte. Ich habe es tatsächlich geschafft. Das war für mich ein Grund, eine Flasche Champagner zu köpfen.

Isabel Fisch: Und wie oft klappt das Verkuppeln nicht?

Amy Andersen: Ich zähle das nicht. Es gibt einige Kundinnen, die nie die Liebe gefunden haben. Doch das wissen sie auch bei Vertragsabschluss. Wenn sie zu mir kommen, haben sie oft keine Hoffnung mehr. Also geht es anfangs auch darum, ihren Wert zu steigern und ihnen zu zeigen, wie toll sie sind. Mit jedem erfolgreichen Date werden sie selbstbewusster. Und wenn alles gut läuft, finden sie jemanden. Es ist wichtig, dass meine Kundinnen realistische Erwartungen haben und verstehen, dass ich nichts versprechen und nur versuchen kann. 



Aus: "Amy Andersen: "Such mir einen Mann, der loyal ist und einen Job hat"" Isabel Fisch (6. Juli 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2023-06/amy-andersen-linx-dating-reiche-frauen (https://www.zeit.de/arbeit/2023-06/amy-andersen-linx-dating-reiche-frauen)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 01, 2023, 02:07:18 PM
Quote[...] Ende Juni hatte es in der Ampel-Koalition Streit über ein Verbot für die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 auf EU-Ebene gegeben. ...


Aus: "Porsche-Gate: Lindner bat um "argumentative Unterstützung" (5. August 2022)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesregierung-porsche-gate-lindner-bat-um-argumentative-unterstuetzung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220805-99-287383 (https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesregierung-porsche-gate-lindner-bat-um-argumentative-unterstuetzung-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220805-99-287383)

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QuoteFrankfurt - Offenbar haben sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Porsche-Chef Oliver Blume häufiger ausgetauscht als bislang angenommen. ...

Aus: "Lindner und Porsche-Chef Blume sollen sich abgesprochen haben" Erkan Pehlivan (05.08.2022)
Quelle: https://www.fr.de/politik/chrisitian-lindner-fdp-porsche-gate-oliver-blume-die-linke-anstalt-zdf-91708206.html (https://www.fr.de/politik/chrisitian-lindner-fdp-porsche-gate-oliver-blume-die-linke-anstalt-zdf-91708206.html)

QuoteMobiman69

Lindner reitet das falsche Pferd.


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Quote[...] Ulf Poschardt muss geahnt haben, dass ein ganzes Buch über ein Auto, zumal über den Porsche 911, des Guten zu viel sein könnte. Ja, und dass seine psychopathologischen Züge womöglich einer Behandlung bedürfen. Deshalb hat er Rat bei einem Psychoanalytiker gesucht und sich grünes Licht geben lassen. Der beruhigt ihn nämlich sogleich, wie man im Prolog von Poschardts ,,911" lesen kann: ,,Nein, Sie müssen sich keine Sorgen machen, weil Sie ein Auto lieben. Erst recht nicht, wenn es ein Auto mit weiblichen Rundungen, einem knackigen Hintern und einem Dekolleté ist, das sogar Autohasser milde stimmt." Rausch und Liebe hin, Regression und Symbiosesehnsüchte her – wenn die ,,Beobachtung der technischen Dinge gegeben" bleibe, also kein Kontrollverlust eintrete, so der Psychoanalytiker, sei doch alles prima.

Ulf Poschardt hat sich zumindest beim Schreiben unter Kontrolle gehabt. Er vermutet zwar, dass es Leser gebe, für die sein Liebesdienst nicht nachvollziehbar sei. Er bezeichnet sein Buch einmal gar als ,,Kulturgeschichte einer Romanze".

Doch bemerkenswert ist allein, dass der Porsche-Fahrer, FDP-Sympathisant und ,,Welt"-Journalist mit ,,911" kein für Journalisten inzwischen typisches Ich-Sachbuch geschrieben hat. Wie er selbst zum Porsche gekommen ist, bleibt außen vor; auch das übertriebene Schwärmen überlässt er lieber anderen, etwa Londons Bürgermeister Boris Johnson, dem US-Komiker Jerry Seinfeld, dem Berliner Clubbetreiber Heinz ,,Cookie" Giannulis oder den Schriftstellern Albert Ostermaier, Moritz Rinke und Ralf Bönt.

Poschardt dagegen hat intensiv im Porsche-Archiv recherchiert, sich lange mit dessen Chef Dieter Landenberger unterhalten und erzählt mehr noch als die Kulturgeschichte einer Romanze die eines Autos, beginnend bei den Anfängen des Unternehmens Porsche in der Nazizeit und endend mit dem jüngsten, 2011 vorgestellten Porsche-911-Modell, dem 991. Dieser gebe ,,von vorn den Intellektuellen und hat hinten die Maske des Rächers übergezogen. Gleichzeitig steckt in ihm ein überzeugter Grüner, denn dank der Start-Stopp-Automatik konnte der Verbrauch gesenkt werden." Und: ,,Für die Traditionalisten bedeutet der 991er trotz der optischen Wagnisse am Heck wie im Innern eine weitere Etappe in der Restauration des klassischen Elfertums."

In einer Mischung aus Feuilleton und ,,Autor-Motor-Sport"-Schreibe hat Poschardt seine Chronik verfasst, was angenehm weit weg ist von dem philosophisch hochgestochenen Ton seines 2002 beim Merve Verlag veröffentlichten Bändchens ,,Über Sportwagen". Dieses sollte damals eine Theorie des schnellen Fahrens als ,,Ergebnis der Valorisierung des Alltagsgegenstandes Auto und seiner Fetischisierung" sein, verlief sich aber in der gesamten europäischen Kultur- und Philosophiegeschichte.

In ,,911" ist Poschardt konkreter. Näher an den Emotionen, die der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiernde ,,Elfer" auslöst, und an den Zeitläufen, die den 911 und seine Nachfolger geprägt haben. Von der Liebe auf den ersten Blick und überhaupt ,,dem ersten Mal" über das Vererben der Leidenschaft von den Eltern auf die Kinder bis hin zum globalisierten, grünen oder auch bösen Porsche (Baader! Der Boulevard-Journalist in Bölls Roman ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum"! Jörg Haider!) reicht das Spektrum der Zugänge Poschardts zu seinem Objekt der Begierde. Auch dass der Elfer in den achtziger Jahren ,,die Sphäre des Gewöhnlichen" erreichte, verschweigt Poschardt nicht, ohne Ärger im Übrigen: ,,Der bewusst 'Proll' Gebliebene versteht das Luxusobjekt möglicherweise besser als jene Schichten, für die der Sportwagen konstruiert war."

Womit er nicht nur die oberen Zehntausend meint, sondern Individualisten, Hedonisten oder auch frühe Gender-Forscher wie den 2012 verstorbenen ,,Elfer"-Designer Ferdinand Alexander Porsche. Der hatte behauptet: ,,Einen typischen Porsche kann man anfassen. Er hat einen Körper. Er ist eine Sie." Es versteht sich bei so einem Satz, dass Poschardt den 911er für kein reines Männerauto hält, dass auch Frauen sich in ihn verliebt haben, von Jil Sander bis Anne-Sophie Mutter.

Es versteht sich aber auch bei einer Hauptfigur wie dem 911, dass technische Details hier nicht zu kurz kommen. Zumal im Verlauf der Jahrzehnte ja nicht nur an der einprägsamen Form (und der kargen Ausstattung) herummodifiziert wurde, sondern es Ende der neunziger Jahre zu einem der größten Traditionsbrüche überhaupt kam, zumindest für die Fans des sogenannten Ur-Elfers: der Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung. Ein Frevel! Ein Seelenklau!, weiß der Traditionalist Poschardt, der in seinem Buch auch immer wieder aufopferungsvoll entlang der Grenzlinien von Tradition, Klassik und Moderne argumentiert.

Sein Buch dürfte im Sinn des (inzwischen ja die Tradition aufs Äußerste pflegenden) Unternehmens Porsche sein. Womöglich legt man in Stuttgart-Zuffenhausen demnächst jedem Porsche- 991-Käufer ein Poschardt-Exemplar neben den Kaufvertrag. Doch selbst wenn man beim Lesen irgendwann genug vom Herausstreichen der vielen Vorzüge dieses Autos hat und sich manche Redundanz einstellt, gelingt es Ulf Poschardt unterhaltsam, den Porsche 911 von einigen Klischees zu befreien: Dass er mehr ist als ein Angeber-Accessoire wie die Rolex, das Reitpferd oder die blonde, wahlweise weibliche oder männliche Begleitung auf dem Beifahrersitz; oder dass er vielleicht wirklich nicht nur etwas ist für Männer in schwerster Mittellebenskrise.

Man muss die Liebe ja nicht so weit treiben, dass sie direkt auf die Couch eines Psychoanalytikers führt. Es reicht doch schon, wenn man nach der Lektüre dieses Buches wieder so unschuldig-intensiv schaut wie ein Kind, wenn so ein Porsche 911 mal wieder neben einem an der Kreuzung steht.

Ulf Poschardt: 911. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2013. 294 Seiten


Aus: "Ulf Poschardt feiert Porsche 911: Im Dienst der Liebe" Gerrit Bartels (14.08.2013)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/im-dienst-der-liebe-6350020.html (https://www.tagesspiegel.de/kultur/im-dienst-der-liebe-6350020.html)

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Quote[...] Für [Ulf Poschardt] haben Elektroautos ,,keine Seele. Das sind keine schönen Gegenstände". Klimawandel hin oder her: das Auto sei für viele mehr als nur ein Transportmittel: ,,Sie wollen Spaß haben", so Poschardt. Ihm fehlen bei den neuen Gefährten die Emotionen. ...

... Vor allem diese Aussage von Poschardt sorgte für Empörung bei vielen Zuschauern. Die machten ihrem Ärger etwa bei Twitter Luft: ,,'Die Seele des Autos' - ist echt das Schwachsinnigste, was ich seit langem gehört habe", schreibt ein Zuschauer. Ein anderer meint: ,,Die Pole schmelzen aber DAS E-AUTO HAT KEINE SEELE".

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Aus: "Plasberg-Gast sagt einen Satz zu Elektroautos - ARD-Zuschauer sind empört" Richard Strobl (05.04.2019)
Quelle: https://www.merkur.de/politik/hart-aber-fair-ard-gast-empoert-mit-satz-zu-autos-zuschauer-auf-barrikaden-zr-11913629.html (https://www.merkur.de/politik/hart-aber-fair-ard-gast-empoert-mit-satz-zu-autos-zuschauer-auf-barrikaden-zr-11913629.html)

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QuoteUlf Poschardt ist für ökologisch denkende Linke der Darth Vader der Medienwelt. Chefredakteur und Sprecher der Geschäftsführung der konservativen Welt-Gruppe, Autoliebhaber und Turboliberaler. Poschardt schreibt gegen vermeintliches grünes Verbotsdenken an, er hasst das Tempolimit und fährt gerne schnell. Triggerwarnung: Die heimliche Hauptrolle in diesem Interview, das in einer Werkstatt in Berlin-Steglitz beginnt, spielt ein schwarzer Ferrari Testarossa, 12 Zylinder, 390 PS, der ,,entspannt" (Poschardt) 280 km/h fährt.

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taz: Herr Poschardt, eigentlich wollten wir eine Spritztour mit Ihrem Ferrari Testarossa machen. Die muss leider ausfallen. Was ist da los?

Ulf Poschardt: Dieses Stück Blech ist eine Diva. Mit so einem Auto führt man eine eher dramatische Beziehung. ...


Aus: "Ulf Poschardt zur Mobilitätswende: ,,Teslas sind öde Autos"" Interview führte Ulrich Schulte (2.7.2021)
Quelle: https://taz.de/Ulf-Poschardt-zur-Mobilitaetswende/!5779417/ (https://taz.de/Ulf-Poschardt-zur-Mobilitaetswende/!5779417/)

QuoteElvenpath, 03.07.2021, 17:41

Ich habe jetzt schon mehrfach Elektroautos gefahren. Das Fahrgefühl ist 1000 mal geiler, als in einem Verbrenner. Ich weiß es nicht, was der Mann da an dummen Zeugs labert. ...


QuoteSchmelzpunkt, 03.07.2021, 16:16

Poschardt schwärmt vom artgerechten Umgang mit dem Auto wie der Amokläufer vom Schnellfeuergewehr. ...


QuotePetra Hansen, 03.07.2021, 15:42

Nehmen wir einmal an das Interview ist echt und keine Satire oder ähnliches. Einmal mehr wirft das alles ein sehr bescheidenes Licht auf unsere Gesellschaft, wenn solche Charaktere wie Herr Posch. zu Geld und Ansehen kommen. ...

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Quote[...] In Griechenland brennen bei 40 °C die Wälder, während zeitgleich in Deutschland eintausend Kilometer Autobahn mehrspurig erweitert werden. Während sonst wenigstens vom Energiesparen gesprochen wird, dürfen überwiegend Männer in SUV (,,Geländewagen") mit einem CW-Wert eines Kleiderschranks bei 250 km/h weiterhin auf der linken Spur ihre Impotenzängste abwehren.

Die Gleichzeitigkeit von Dämonisierungsversuchen gegen Klimaschützer*innen und dem nicht einmal mehr verhüllten Gesetzesbruch der Regierenden an den Klima-Sektoren-Zielen lässt abermals zwei Prämissen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung hell aufscheinen: die Erniedrigung der Vernunft durch einen vernunftlosen technologischen Verstand und ein ökologisch gewendeter Todestrieb.

In allen (ehemals?) entwickelten Gesellschaften sind diese Erosionsprozesse am Werk. Aber wo es in den USA Schusswaffen und Krankenversicherung sind, kristallisieren sie in Deutschland an der Frage um Autobahn, Tempolimit und Radwege. Der Vortrag geht der Frage nach, warum und wie das Auto zu einem so zentralen Signifikanten für fragilen Maskulinismus und Nationalismus wurde.

Conrad Kunze, geboren 1981, ist Soziologe und Historiker und engagiert sich in der Bewegung für Klimagerechtigkeit.
Sein Buch ,,Deutschland als Autobahn. Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus" erschien im Transcript Verlag.


Conrad Kunze - Deutschland als Autobahn
Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus
19. Juli 2022, 460 Seiten
ISBN: 978-3-8376-5943-6
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5943-6/deutschland-als-autobahn/ (https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5943-6/deutschland-als-autobahn/)


Aus: "Deutschland als Autobahn" (27. Juli 2023)
Quelle: http://emafrie.de/deutschland-als-autobahn/ (http://emafrie.de/deutschland-als-autobahn/)

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Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 16, 2023, 03:22:41 PM
Quote[...] Als die AfD den 46 Jahre alten Maximilian Krah zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl kürte, kursierte kurz darauf ein Tiktok-Video des Politikers im Internet. Krah wendet sich darin an junge Männer, die noch nie eine Freundin gehabt haben. Sein Rat an sie: keine Pornos schauen, nicht die Grünen wählen, selbstbewusst und stark sein. ,,Echte Männer sind rechts", mahnt Krah gegen Ende des Videos. Wer das verinnerliche, habe auch bessere Chancen bei Frauen.

Eine aktuelle Studie der Universität Köln spricht eine andere Sprache: Rechts zu wählen dürfte Männern ihre Chancen bei Frauen nicht erhöhen. Denn vor allem junge Frauen wählen – anders als junge Männer – eher links. Der Soziologe Ansgar Hudde zeigt in seiner Untersuchung, dass bei den Frauen zwischen 18 und 24 Jahren in der zurückliegenden Bundestagswahl vor allem die Grünen, aber auch die Linkspartei und die SPD deutlich beliebter waren als bei Männern in dieser Altersgruppe. Die AfD, aber vor allem die FDP, waren hingegen bei Männern deutlich beliebter als bei Frauen. ,,Seit 1953 gab es in der Bundesrepublik noch nie so große Geschlechterunterschiede bei Wahlen wie 2021 in dieser Altersgruppe", sagt Hudde. Die Union sei unter jungen Erwachsenen die einzige Partei mit einer relativ ausgeglichenen Wählerschaft.

Der Soziologe griff für seine Untersuchung auf eine besondere Datenquelle zurück: Angaben zu Alter und Geschlecht, die der Bundeswahlleiter in ausgewählten Wahllokalen zusammen mit der Stimmabgabe erhebt. Diese Informationen beschreiben das tatsächliche Wahlverhalten besser als etwa Umfragen. Für die Bundestagswahl 2021 lagen diese Angaben laut Hudde für etwa 1,9 der 61,2 Millionen abgegebenen Stimmzettel vor.

Hudde nutzte sie, um mehr über das Phänomen des modernen ,,Gendergaps" im Wahlverhalten – Frauen wählen linker als Männer – herauszufinden. Er verglich die Daten aus den Wahllokalen dabei mit älteren, auf Umfragen basierenden Untersuchungen. Sein Ergebnis: Der moderne ,,Gendergap" zeigte sich in Deutschland später als bisher angenommen, nämlich erst in der Bundestagswahl 2017. In anderen OECD-Staaten war das schon in den Neunzigerjahren der Fall gewesen. Zudem hat sich der Wandel mit großer Geschwindigkeit vollzogen. Von 2013 bis 2021 ist der Gap von null auf den höchsten Wert seit dem Zweiten Weltkrieg gestiegen.

Als Erklärung führt Hudde unter anderem an, dass es in Deutschland lange keine etablierte rechtspopulistische Partei gegeben habe. Zwar habe es die Nachfrage nach einer Partei, die eine Rückkehr zur ,,guten alten Zeit" verspricht, vermutlich schon vor der Bundestagswahl 2017 gegeben. Aber erst mit der Gründung der AfD 2013 entstand auch ein entsprechendes politisches Angebot. Zwischen 2013 und 2017 war die AfD, so Hudde, der größte einzelne Treiber hinter der Ausprägung des modernen ,,Gendergaps". Zwischen 2017 und 2021 sei die Wählerschaft zwar etwas ausgeglichener geworden. In der vergangenen Bundestagswahl wurde sie seiner Untersuchung zufolge aber immer noch deutlich häufiger von Männern (13,0 Prozent) als von Frauen (7,8 Prozent) gewählt.

Die AfD will sich darin nicht wiedererkennen. ,,Die AfD ist die starke Stimme für Frauen, wohingegen die anderen Parteien ihre Interessen totschweigen oder gar eigenen ideologischen Zwängen unterwerfen möchten", teilt die Partei auf Anfrage der F.A.Z. mit. Man versuche, ,,Frauen zu begeistern", indem man etwa auf ,,traditionelle Familienstrukturen" setze und für ein ,,sicheres Umfeld" eintrete, in dem ,,Frauen kein Freiwild" seien. Auch den Kampf gegen die ,,Gender-Ideologie" führt die Partei auf: ,,Im Zuge der immer aggressiveren Forderungen linker Gender-Politik fühlen sich viele Frauen in ihren Errungenschaften um Gleichberechtigung zurückgesetzt und ausgespielt."

Der Politologe und Kriminologe Jannik Fischer, der zu Männlichkeit in Verbindung mit rechtsextremen Einstellungen an der Universität Hamburg forscht, glaubt dagegen, die Partei spreche gezielt vor allem Männer an. Die AfD nutze politische Ereignisse wie den Zustrom an Migranten oder den Zuwachs von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, um eine ,,Krise der Männlichkeit" zu suggerieren und ein Bedrohungsgefühl bei jungen Männern auszulösen, sagt Fischer. Daran könne sie mit sehr einfachen Idealen wie dem des ,,deutschen" oder ,,echten" Mannes anknüpfen.

Tatsächlich, so fand Fischer in einer Studie heraus, fühlt sich rund ein Viertel der jungen Männer zwischen 16 und 21 Jahren wegen einer wahrgenommenen Konkurrenz etwa durch Migranten und beruflich erfolgreiche Frauen in ihrer Männlichkeit bedroht. Nicht jeder davon werde automatisch zum AfD-Wähler, betont Fischer. Allerdings erhöhe ein solches Opfernarrativ die Wahrscheinlichkeit für eine Radikalisierung.

Gerade deshalb sei es wichtig, dass demokratische Parteien sich darum bemühen, ,,gekränkte" junge Männer anzusprechen, sagt Fischer: ,,Diese Gruppe junger Männer muss merken: ,Unsere Probleme werden ernst genommen.'" Auch wenn das Video von Krah auf Spott gestoßen sein mag: Es hatte exakt jene Männer als Zielgruppe, während andere Parteien Fischer dort zufolge eine Leerstelle haben.

So werden Männer etwa im Parteiprogramm der Grünen für die Bundestagswahl 2021 nur einmal explizit erwähnt, nämlich mit dem Hinweis, dass Unterstützung für Frauenhäuser auch für männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt gelte. Die Bundesregierung betont hingegen in ihrem Koalitionsvertrag, sie stehe für eine ,,gleichstellungsorientierte Jungen- und Männerpolitik" ein. Dazu gehören laut der Website des Bundesfamilienministeriums vor allem Initiativen, die ,,Rollenbilder und Stereotype aufbrechen" sollen, etwa bei der Elternzeit, der Berufswahl oder bei häuslicher Gewalt.

Die FDP spricht zwar auch junge Männer an, aber offenbar einen ganz anderen Typ als die AfD. Sie warb in den vergangenen beiden Bundestagswahlen für mehr Wandel und Modernisierung. Ziel sei dabei, die jungen Menschen zu erreichen, die die gefühlten oder tatsächlichen Gewinner der Globalisierung und des sozialen Wandels seien, sagt Hudde.

Allerdings scheinen sich junge Frauen mit diesen Botschaften weniger stark identifizieren zu können. Während 26,2 der jungen Männer 2021 die FDP gewählt haben, taten dies nur 14,8 Prozent der Frauen. Die Liberalen teilen mit, sich ,,klar zu einer stärkeren Frauenförderung innerhalb und außerhalb der Partei" zu bekennen. Die von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai geleitete Arbeitsgruppe ,,Chancen durch Vielfalt" erarbeite neue Konzepte, ,,um die Vielfalt in der Partei zu stärken und sie für Frauen noch attraktiver zu machen".

Ob sich der ,,Gendergap" mit Parteipolitik jedoch gänzlich beheben lässt, ist unklar. Die möglichen Gründe für das Phänomen sind vielfältig. Im Wahlverhalten von Frauen lassen sich zwei langfristige Trends beobachten. Zum einen hat die Bedeutung von Religion in den vergangenen Dekaden immer weiter abgenommen und damit wohl auch die Bindung gerade von Frauen an konservative Parteien. Zum anderen arbeiten immer mehr Frauen. Und das oft in Berufen, die man häufig mit der sogenannten neuen Mittelklasse verbindet – einem linksliberalen, urbanen Akademiker-Milieu.

Die Haltungen von Frauen scheinen sich zunehmend besser mit linken Parteien zu decken als früher, sagt Ansgar Hudde. Zudem seien Gleichstellungsthemen, für die sich linke Parteien traditionell stärker einsetzen, vermutlich wahlentscheidender geworden. Was aus diesem Auseinanderdriften der Geschlechter folge, müssten weitere Untersuchungen zeigen, sagt er. Eine Konsequenz zeichne sich aber bereits ab. Bislang hätten geografische oder soziale Trennlinien wie Ost-West im eigenen Umfeld keine so große Rolle gespielt. Familie, Partner und Freunde gehörten überwiegend ähnlichen sozialen Milieus an. Bei der Trennlinie Geschlecht sei dies nun anders: Die ziehe sich mitten durch all diese Beziehungen und könne so neue Konflikte in sie hineintragen. Hudde sieht die jüngste Entwicklung aber nicht nur negativ. ,,Unser Alltag wird politischer." Das könnte mehr Sprengstoff in Familien und Partnerschaften bringen. Gleichzeitig müsse man sich deshalb womöglich mehr mit den Argumenten der Gegenseite auseinandersetzen.


Aus: "Junge Männer wählen rechts, junge Frauen links" Natascha Koch, Anna-Lena Ripperger (10.08.2023)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gender-gap-in-der-politik-junge-maenner-waehlen-rechts-frauen-links-19093311.html (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gender-gap-in-der-politik-junge-maenner-waehlen-rechts-frauen-links-19093311.html)
Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 17, 2023, 12:58:27 PM
Quote[...] In den USA scheitern seit Jahren Versuche, den Verkauf und Besitz von Schusswaffen zu begrenzen. Eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center zeigt nun, dass vornehmlich weiße Männer auf dem Land und Republikaner im Besitz von Schusswaffen sind.

Insgesamt besitzen der am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten Umfrage zufolge 32 Prozent der US-Amerikaner eine Schusswaffe. 47 Prozent der Menschen auf dem Land, 45 Prozent der Republikaner und 38 Prozent der Weißen gaben an, sie hätten eine Schusswaffe. 20 Prozent der Stadtbewohner, 20 Prozent der Demokraten und 24 Prozent der Schwarzen sind nach eigenen Angaben bewaffnet.

Als Hauptmotiv gaben Waffenbesitzer an, sie wollten sich schützen. 72 Prozent sagten, sie hätten ihre Waffen zum Selbstschutz, 32 Prozent zum Jagen und 30 Prozent für den Schießsport. Männer (40 Prozent) sind laut Umfrage eher bewaffnet als Frauen (25 Prozent).

Deutlich weniger Erwachsene unter 30 Jahren hätten Schusswaffen als ältere Jahrgänge. Menschen mit fortgeschrittener Bildung hätten weniger oft Waffen.

In den USA scheitern seit Jahren Versuche, den Verkauf und Besitz von Schusswaffen zu begrenzen. Bei der Erhebung hat Pew 5.115 Menschen befragt. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC sind 2021 in den USA 48.830 Menschen durch Schusswaffen ums Leben gekommen, 54 Prozent davon durch Suizid. (epd)


Aus: "Selbstschutz gilt aus Hauptmotiv: Jeder dritte US-Bürger hat eine Waffe – vor allem weiße Männer auf dem Land" (17.08.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/selbstschutz-gilt-aus-hauptmotiv-jeder-dritte-burger-hat-eine-waffe--vor-allem-weisse-manner-auf-dem-land-10321249.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/selbstschutz-gilt-aus-hauptmotiv-jeder-dritte-burger-hat-eine-waffe--vor-allem-weisse-manner-auf-dem-land-10321249.html)

Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 19, 2023, 03:46:43 PM
Quote[...] Mit vierzehn suchten meine Freundinnen und ich überall nach Traumprinzen. Im Schulhof, auf der Straße, auf dem Sportfest. Wir fanden sie in Hollywood-Filmen und hängten deren Poster auf eine Pinnwand im Klassenzimmer. Auf glänzendem A4-Papier lächelten sie ewig schön. Langweilten uns die Lehrer:innen, ließen wir den Blick schweifen.

Unser Blick auf männliche Körper war grenzenlos. In den 60ern hätten wir wohl James Dean, in den 70ern Clint Eastwood, in den 80ern Patrick Swayze angestarrt. In den 90ern hätten Brad Pitt und Til Schweiger gute Chancen gehabt, auf der Pinnwand zu landen. Schweiger in weißem Tanktop mit muskulösem Bizeps an seinen Opel gelehnt, in seinem Durchbruchsfilm ,,Manta Manta" (1991). Pitt, mit wallendem Haar und aufgeknöpftem Hemd zu Pferd in ,,Legenden der Leidenschaft" (1994). Um damals berühmt zu werden, war ein Sixpack praktisch ein Muss. Heute ist ein Waschbrettbauch nicht mehr so wichtig.

Dazu passt, dass die Teenieschwarms von damals nun Senioren werden. Zumindest, wenn es nach dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache geht, das die 60 als Schwelle zu dieser Altersgruppe definiert. Außer dem Geburtsjahr 1963 haben die beiden aber nicht viel gemeinsam. Sie sind Meister ihrer jeweiligen Domäne: Pitt im Verkörpern ständig neuer, Schweiger im Verkörpern der stets gleichen Rolle, nämlich jener des ruppigen, letztendlich doch liebenswürdigen Machos.

Andererseits könnte man sagen, dass die beiden schon allein aufgrund ihres Geburtsjahrs nicht ganz unterschiedlich sind. Nicht nur, weil sie beide ,,Schützen" (enthusiastisch, euphorisch) und im chinesischen Sternzeichen ,,Hasen" (freundlich, friedliebend) sind. Sondern auch, weil sie der Generation jener männlichen Schauspieler angehören, die, um überhaupt ins Rampenlicht zu gelangen, erst mal ihren Sex-Appeal beweisen mussten. Klar, den hatten auch schon ihre Vorgänger gehabt. Aber gegen Ende der 80er begann Hollywood den Männerkörper für den begehrenden Blick der Zu­schaue­r:in­nen unumwunden freizulegen, ihn zu fetischisieren und mit der Kameralinse abzutasten. Ob ihre schauspielerischen Leistungen allein ausgereicht hätten? Zumindest bei einem der beiden ist die Antwort klar.

Im Roadmovie ,,Thelma & Louise" (1991) gipfelte die erotische Inszenierung des glatten Muskelkörpers in sekundenlangen Kamerafahrten über Pitts Sixpack. Der wurde auch in ,,Fight Club" (1999) gehörig in Szene gesetzt, allerdings so, dass auch Männer bedenkenlos gucken durften – es wurde schließlich nicht mehr geknutscht, sondern gekämpft.

Auch der junge Schweiger trainierte sich einen Waschbettbrauch an, 2006 modelte er in Boxershorts für die Unterwäsche-Marke ,,Skiny". Seine Chancen, ,,Sexiest Man Alive" zu werden, waren aber von Beginn an eher gering, denn seit 1985 haben den Preis des People Magazine fast ausschließlich US-Amerikaner erhalten. Pitt wurde als einem von wenigen zweimal die Ehre zuteil.

Die Einführung des Preises war wie eine Art Metapher auf das, was sich ab den späten 80ern in Sachen Männlichkeit verändern würde: Die größte Trophäe würde nicht mehr die schöne Frau an der Seite, sondern der eigene Körper sein. In Deutschland boomte der Fitnessmarkt, 1997 eröffnete die erste Low-Budget-Fitnessstudiokette ,,McFit". Aus circa 1.000 Fitnesscentern im Jahr 1980 wurden bis Anfang der 2000er rund 6.000.

Inzwischen sind ein paar weitere Generationen junger Schönlinge über die Leinwand gelaufen. Etwa Darren Barnet, der in der Teenie-Serie ,,Never Have I Ever" der Protagonistin seinen entblößten, durchtrainierten Oberkörper fühlen lässt. Der aktuell beliebteste junge Traumprinz Hollywoods, Timothée Chalamet, hat allerdings keinen. Ein:e GenZ-Kolleg:in verriet zuletzt, androgyne Männer seien jetzt IN.

Während Chalamet nun das Pferd satteln darf, sind Schweiger und Pitt aus den Steigbügeln gestiegen. Schweiger setzt mit seinem aktuellen Film ,,Das Beste kommt noch!" ein zum Sechziger passendes Mantra. Und Pitt? Plant seinen ersten Rennfahrerfilm. Allerdings ohne Manta.


Aus: "Männliche Schönheitsideale: Der eigene Körper als Trophäe" Lara Ritter (18. 2.2023)
Quelle: https://taz.de/Maennliche-Schoenheitsideale/!5977663/ (https://taz.de/Maennliche-Schoenheitsideale/!5977663/)

QuotePaul Anther

Dass Sixpacks nicht mehr so wichtig sind, hat die Süddeutsche vor fast genau 2 Jahren in einem Artikel über Chalamets Androgynität bereits festgestellt, aber ich bin als Pumper ja erleichtert, dass die taz mir jetzt versichert, dass ein Darren Barnet immer noch in Ordnung geht. Obwohl mich von beiden Körpertypen immernoch mein zu hoher Körperfettanteil trennt. Wie ein Kumpel, der täglich 45 Minuten HIIT auf dem Hometrainer hinlegt, mein "Problem" treffend analysierte: "Du isst einfach zu gerne." Naja, so ist er einfach nur skinny, für androgyn fehlt ihm wohl noch die richtige Frisur. Und Timothées Jawline.

Ein anderer Kumpel erzählte mir, Frauen würden eh auf Dadbods stehen, also trainiert mit Waschbärbauch-Lifesyle. Der kam hier aber gerade nicht vor. Mist. ["Was ist ein Dad Bod?

Einen "was?" fragen Sie sich nun vielleicht. Wir klären Sie gerne auf: Der Begriff Dad Bod kommt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung für "Dad body", also plump übersetzt in etwa "Vater-Körper". Er beschreibt einen für Väter typischen Körperbau, der ungefähr als "durchtrainiert sein aber gleichzeitig einen (Bier-)Bauch haben" eingeordnet werden kann." https://www.gq-magazin.de/body-care/artikel/dad-bod (https://www.gq-magazin.de/body-care/artikel/dad-bod)]

Egal ob androgyn, mit lackierten Fingernägeln, wie ihn die polyamorösen ACAB-Frauen von OkCupid bevorzugen oder die Pumper von Tinder, Hauptsache 1,80. Oder, ich hab es nochmal für Chalamet und Barnet gecheckt, 1,78. Da kann Hollywood ja eh tricksen. Das kann der 1,70 große Tom Cruise Geschichten erzählen.



QuoteLars Sommer

John Wayne, Gary Grant, Gary Cooper, Alec Guiness, Willam Holden, Burt Lancaster, Kirk Douglas hätten es heute schwer, weil sie einfach Maskulinität ausstrahlten ohne in der Muckibude gewesen zu sein. ...




QuoteStoffel

Der Waschbrettbauch wurde vom Waschbärbauch abgelöst.



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Title: [Männlichkeitskonstruktionen (Notizen) ... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 25, 2023, 01:17:34 PM
Quote[...]  Paul Hildebrandt: Inwiefern unterscheidet sich eine Psychotherapie bei Männern und Frauen?

Björn Süfke: Das Grundproblem von vielen Männern: Aufgrund ihrer eher männlichen Sozialisation wurde ihnen der Zugang zu Gefühlen stark aberzogen. Trauer, Angst, Scham, Schuld: Wir lernen schon in der Kindheit, das unbewusst abzuspalten. Ich habe selbst unter dieser traditionellen Vorstellung von Männlichkeit gelitten. Als Kind habe ich beispielsweise regelmäßig gehört, dass ein Junge nicht weinen soll. Und ich dachte damals: Aber ich bin doch jetzt traurig und weine. Mich hat das irritiert, dieses Sich-darstellen-Müssen, die Unnahbarkeit. Das konnte und wollte ich nicht leisten. Als Männer haben wir in der Regel gelernt, diesen Zugang zu Gefühlen abzuwerten. Aber genau den benötigten wir in der Psychotherapie. Eine wichtige Frage in der Therapie lautet zum Beispiel: "Wie geht es Ihnen?" Männer antworten dann oft: "Das weiß ich jetzt nicht." Sie wechseln das Thema oder wehren ab. Ein klassisches Beispiel: Ein Mann kommt nach Hause und wird gefragt: "Wie geht es dir?" Der Mann antwortet mit einer Floskel: "Muss ja." Das erschwert psychotherapeutisches Arbeiten extrem und das muss ich in der Therapie mit Männern berücksichtigen.

... Wenn jemand im Gespräch eine Abwehrhaltung einnimmt, dann spreche ich das an. Ich sage zum Beispiel: "Jetzt frage ich Sie wieder nach Ihren Gefühlen, Herr Meier. Das werden Sie im Leben ja nicht sehr oft gefragt, oder? Wie war das bei Ihnen?"

... Manche sind berührt davon, dass sich überhaupt jemand für ihre Gefühle interessiert. Viele reagieren auch betroffen, wenn sie realisieren: Sie haben eigentlich keine Antwort auf die Frage, wie es ihnen geht. Die merken dann: Ich beschäftige mich damit, Leistung zu bringen, aber nicht mit meinen Gefühlen. Damit kann ich als Therapeut dann weiterarbeiten und anbieten: "Ich kann Ihnen helfen, das herauszufinden." Das funktioniert natürlich nicht immer, manchmal dauert es einige Sitzungen, um auf diese Ebene zu kommen.

...  In unsere Beratungsstelle kommen Männer, die wegen Magenbeschwerden und anderen Stresssymptomen von der Ärztin oder vom Arzt geschickt wurden, solche, deren Partnerinnen sagen: "Wenn sich nichts ändert, müssen wir uns trennen." Manche Männer schickt das Jugendamt, andere das Gericht, oft wegen Gewaltdelikten. Wir haben Väter, die sich einfach in ihrer Rolle als Vater reflektieren wollen, und Sexualstraftäter, die schlimmste Grenzverletzungen begangen haben. ... Viele Männer erkennen am Anfang nicht, was ihnen eine Therapie bringen könnte. Ich betrachte es mittlerweile als meine Aufgabe, genau das deutlich zu machen. Ich begreife das als Herausforderung, wenn jemand mit verschränkten Armen vor mir sitzt und sagt: "Das Gericht hat mich geschickt. Ich halte von euch Psychoheinis nichts."

... Bei uns kommt jeder Zweite nach dem Erstgespräch nicht wieder. In manchen Männerberatungsstellen sind es sogar 90 Prozent. Ich bin mir sicher, bei Frauen sind es deutlich weniger. Oft kommen Männer mit einem akuten Problem, zum Beispiel nach einer Gewalttat in der Partnerschaft. Doch sobald sich die Situation etwas beruhigt hat, haben sie das Gefühl, dass das Problem gelöst ist.

... Gefühle sind Informationsquellen, die man zum Überleben braucht. Angst zeigt Gefahr an, Ärger zeigt Grenzüberschreitungen an und Hilflosigkeit zeigt: Ich kann das Problem nicht allein lösen. Wenn Sie diese Gefühle nicht lesen können, sind Sie nicht in der Lage, darauf angemessen zu reagieren. Manche Männer können zum Beispiel nicht mit Streit in der Beziehung umgehen, mit der Trauer über die Demütigung. Sie schlagen dann einfach zu. Es kann also gefährlich sein, keinen richtigen Zugang zu seinen Gefühlen zu haben. Es kann uns auch krank machen, denn viele Krankheiten brechen erst durch unterdrückte und abgespaltene Gefühle aus. Und es kann sogar schlimmere Folgen haben. Depressionen werden bei Männern oft nicht diagnostiziert, weil sie sich anders äußern als bei Frauen: Männer mit Depression neigen eher zu Gewalt, zu Straftaten oder zu irrem Leistungsdruck. Drei Viertel der Suizide werden von Männern begangen, das hängt sicher auch mit unbehandelten Depressionen zusammen.

... Männer dürfen heute auch emotional zugewandt sein und zum Beispiel die Kinderbetreuung übernehmen. Aber selbst wenn Sie ein aufgeklärter Mann sind und feministische Bücher lesen: Sie können in dieser Gesellschaft nicht leben, ohne ständig mit traditionellen Männlichkeitsforderungen konfrontiert zu werden. Schauen Sie sich politisch um: Erdoğan, Putin, Trump. Oder die AfD mit Björn Höcke, der arbeitet explizit mit solchen traditionellen Männlichkeitsbildern. Die erleben immer wieder ein Revival. Es braucht unheimlich viel Zeit, Geschlechterrollen zu ändern, weil sie unbewusst funktionieren.

... Es gibt jetzt eine Generation von Männern, die ist mit den Errungenschaften der Frauenbewegung aufgewachsen, mit geteilter Elternschaft und Mädchen, die auf dem Schulhof gleichberechtigt Forderungen stellen. Es gibt einen wahrnehmbaren Wandel, aber grundlegende Aspekte traditioneller Männlichkeit sind weiterhin akut, vor allem eben die Gefühlsabwehr und die Leistungsorientierung. Man könnte auch sagen: Der Marlboro-Mann als männliches Role-Model verändert sich vielleicht, aber er wird uns noch lange begleiten.


Aus: "Psychotherapie für Männer: "Männer haben oft keine Antwort auf die Frage, wie es ihnen geht"" (13. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/campus/2022-02/psychotherapie-maenner-mentale-gesundheit-bjoern-suefke (https://www.zeit.de/campus/2022-02/psychotherapie-maenner-mentale-gesundheit-bjoern-suefke)