COMMUNICATIONS LASER #17

Laser#17 - Fraktal Text Akkumulation => Global-Politix und Micro-Welt, Randnotizen und Fussnoten => Topic started by: Textaris(txt*bot) on August 13, 2006, 10:03:26 PM

Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 13, 2006, 10:03:26 PM
"Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job." - Kurt Beck zu einem Arbeitslosen, 13. Dezember 2006

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Quote[...] Es wird diskutiert, dass den Armutsberichten ein Herrschaftsverhältnis eingeschrieben ist, da von den verfassten Armutsstatistiken oftmals abhängt, wer Zugang zu Wohlfahrtshilfen erhält und wer nicht. Objektive Maßzahlen lassen sich dabei nicht konstruieren. Wo die Armutsgrenze verläuft und wie viele Menschen unterhalb dieser Grenzziehung verortet werden, war und ist damit auch eine politische Frage.  ... Im Jahr 2001 hatten nach Angaben der Weltbank 21 % der Weltbevölkerung weniger als ein US-Dollar, 50 % weniger als zwei US-Dollar in lokaler Kaufkraft pro Tag zur Verfügung und galten damit als extrem arm. ...
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Armut (https://de.wikipedia.org/wiki/Armut) (2017)

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Kontext: [Menschen in Schichten und Klassen... ] ---> https://www.subf.net/forum/index.php/topic,268.0.html (https://www.subf.net/forum/index.php/topic,268.0.html)
QuoteDie Statistik zeigt die Anzahl der reichsten Menschen mit genauso viel Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung in den Jahren von 2009 bis 2018. Laut Oxfam besaßen die 26 reichsten Menschen der Welt im Jahr 2018 genauso viel Vermögen wie die ärmsten 3,8 Milliarden Menschen auf der Welt. [2009 waren es noch 380].

Erhebungszeitraum: 2009 bis 2018 - Hinweise und Anmerkungen: Den Daten liegt eine Analyse der Reichtumsungleichheit zugrunde, die auf Angaben aus dem "Credit Suisse Global Wealth Databook" und der Forbes-Liste der Milliardäre basiert.


Aus: "Reichste Menschen mit so viel Vermögen wie ärmere Hälfte der Weltbevölkerung bis 2018" Veröffentlicht von J. Rudnicka (21.01.2019)
Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/502649/umfrage/reichste-menschen-mit-genauso-viel-vermoegen-wie-aermere-haelfte-der-weltbevoelkerung/ (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/502649/umfrage/reichste-menschen-mit-genauso-viel-vermoegen-wie-aermere-haelfte-der-weltbevoelkerung/)

--> https://www.subf.net/forum/index.php/topic,268.0.html (https://www.subf.net/forum/index.php/topic,268.0.html)

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Quote[...] In Deutschland leben über 2,5 Millionen Kinder in Armut, eine deprimierende Rekordstatistik, die der deutsche Kinderschutzbund jetzt vorgelegt hat. Viele wollen es noch immer nicht wahrhaben: Das reiche Deutschland braucht Suppenküchen, die nicht nur für ein warmes Essen sorgen, sondern auch für ein bisschen Geborgenheit. Eine davon ist in Gütersloh.


Aus: "Neue Kinderarmut in Deutschland - Hilfe für Familien in der Suppenküche" (Sendung am 13.08.2006)
Quelle: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,3967091,00.html (http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,3967091,00.html)
Title: [...im Reihenhaus der Bergers]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 14, 2006, 12:59:34 AM
Quote[...] Die Republik teilt sich. Nie in ihrer Geschichte lagen Reich und Arm weiter auseinander. »Auf der einen Seite wächst der Wohlstand, auf der anderen die Gruppe der wirtschaftlich Ausgegrenzten«, sagt der Berliner Sozialforscher Martin Kronauer. Nach dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gehört den wohlhabendsten zehn Prozent der Deutschen inzwischen fast die Hälfte des gesamten Nettovermögens. Die unteren zehn Prozent besitzen nichts mehr. Sie haben nur Schulden.

So entsteht in Deutschland eine neue Unterschicht der Besitzlosen. Anders als das Proletariat vergangener Tage ist sie in sich fast so verschieden wie der Rest der Gesellschaft. Zu ihr zählen gescheiterte Anwälte oder Architekten ebenso wie Niedriglöhner oder Sozialhilfeempfänger. Die einen sind tief gefallen, die anderen haben nie abgehoben. Unten treffen sie sich. Finanziell gesehen, haben sie vom Leben nichts mehr zu erwarten, das haben sie gemeinsam.

Überall im Land sind die Angehörigen der neuen Unterschicht anzutreffen. In Hamburg genauso wie in Berlin und im Schwarzwald. Oder in München, im Reihenhaus der Bergers.

[...] 3,13 Millionen Haushalte in Deutschland sind überschuldet, anderthalb mal so viele wie vor zehn Jahren, mehr als je zuvor.



Aus: "Die neue Unterschicht" (DIE ZEIT 10.03.2005 Nr.11)
Quelle: http://www.zeit.de/2005/11/Unterschicht?page=1

Title: [Trotz des enormen Wirtschaftswachstums...]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 17, 2006, 12:28:58 PM
Quote[...] Mehr als ein Drittel aller Menschen in Indien haben im vergangenen Jahr Hunger gelitten. Wie aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage hervorgeht, hungerten 35 Prozent der rund 1,1 Milliarden Inder mindestens einmal. Acht Prozent erklärten, jemand aus ihrer Familie habe mehrfach nicht genug zu Essen gehabt. Die Ergebnisse der Befragung erinnerten daran, "dass Hunger nicht nur etwas mit Naturkatastrophen oder Hungersnöten zu tun hat. Er gehört in unserem Land zum Alltag", schrieb die Tageszeitung "Hindu", die die Umfrage gemeinsam mit dem Nachrichtensender CNN-IBN gemacht hatte. Trotz des enormen Wirtschaftswachstums leben in Indien fast ein Drittel der aller Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag.


Aus: "Über ein Drittel aller Inder litten im vergangenen Jahr Hunger" (14. August 2006)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/14082006/286/ber-drittel-inder-litten-vergangenen-jahr-hunger.html
Title: [Lebensmittel, Obdachlose und Parkanlagen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 23, 2006, 11:06:30 AM
Quote[...] Seit Ende Juli ist das Verteilen von Lebensmitteln an Obdachlose in städtischen Parkanlagen verboten. Verstöße können mit einer Geldbuße von 1000 Dollar (rund 775 Euro) und bis zu sechs Monaten Gefängnis geahndet werden. "Dieses Risiko nehme ich gerne in Kauf", versicherte Sacco. "Hier muss man einfach etwas tun, um die Menschenrechte zu wahren".

Die Stadt begründet ihr Vorgehen mit einer Vielzahl von Beschwerden von Anwohnern über eine wachsende Zahl von Bedürftigen, die es sich in Grünanlagen bequem machten. "Viele Familien haben schon Angst, einen Park zu besuchen", verteidigte Stadtratsmitglied Gary Reese in der "New York Times" die umstrittene Vorschrift. Zudem sei es besser, wenn die Armen Suppenküchen aufsuchten, statt sich von Privatleuten helfen zu lassen, argumentieren die Stadtväter.

Ganz konkret verbietet das Gesetz Essenspenden an "mittellose Menschen". "Das ist doch absurd", regt sich Sacco auf. "Ich könnte also mit einer Gruppe von reichen Leuten im Park Picknick machen, darf aber meine Lebensmittel nicht mit Armen teilen".

[...] In den vergangenen drei Wochen hat die Polizei in dem Spieler-Paradies schon gegen vier Leute Anzeige erstattet, darunter gegen Mitglieder der Gruppe "Food Not Bombs" ("Essen statt Bomben"), die kostenlos Nahrung verteilen. Sie müssen im Oktober vor Gericht erscheinen.

[...] Als erste Stadt in den USA macht Las Vegas die Versorgung Obdachloser in städtischen Parkanlagen zum illegalen Akt. In Orlando (Florida) muss seit diesem Monat jeder eine schriftliche Erlaubnis einholen, der mehr als 25 Leute in öffentlichen Anlagen beköstigen will. Im kalifornischen Santa Monica zog die Verwaltung einen ähnlichen Plan zurück, nachdem empörte Gruppen mit einer Klage drohten.

In Las Vegas hat sich die Zahl der Obdachlosen in den vergangenen zehn Jahren auf rund 12.000 verdoppelt. Viele hätten nicht das Geld, um mit dem Bus zu städtischen Suppenküchen in anderen Stadtteilen zu fahren, sagt Sacco. Und bei der großen Hitze im Sommer sei ans Laufen gar nicht zu denken. Mit dem Verteilen von Essen auf der Straße umgeht die Wohltäterin die strikten Vorschriften. "Wenn mir nicht danach ist, im Park verhaftet zu werden, dann parke ich mein Auto am Straßenrand und die Leute holen sich hier ihr Essen ab", erzählt Sacco. Doch meistens geht sie an die alten Stellen zurück. "Schon aus Prinzip, denn die Vorschrift ist einfach sinnlos".


Aus: "Las Vegas - Penner füttern verboten" Von Barbara Munker/DPA (stern.de; 22. August 2006)
Quelle: http://www.stern.de/politik/ausland/:Las-Vegas-Penner/568206.html (http://www.stern.de/politik/ausland/:Las-Vegas-Penner/568206.html)

Title: [Tafel-Ausgabestellen... (Frankfurt )]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 23, 2006, 04:32:57 PM
Quote[...] Frankfurt - Im Frühjahr musste die Frankfurter Tafel die Notbremse ziehen. "Die Lebensmittel reichten nicht aus, und die Wartezeiten waren zu lang", sagt Edith Kleber vom Vorstand. Jede Woche drei Stunden vor der Ausgabestelle Schlange stehen, um die mitgebrachten Tüten mit frischem Obst oder Gemüse füllen zu können - das sei nicht mehr menschlich gewesen. Zudem bliebe in den Läden nicht mehr so viel übrig, weil der Einzelhandel wesentlich knapper als noch vor zwei Jahren kalkuliere. Deshalb können die Kunden seit April nur noch im Zwei-Wochen-Rhythmus zu den drei Tafel-Ausgabestellen im Gallus, Bahnhofsviertel und in Offenbach kommen. 1950 Menschen sind es pro Woche. Behinderte, Familien mit Kindern und in jüngster Zeit vermehrt Polen oder Russen.


Aus: "Armentafeln - Lebensmittel sind knapp" (23.08.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/frankfurt/?em_cnt=953532 (http://www.fr-aktuell.de/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/frankfurt/?em_cnt=953532)
Title: [Grüne Zelte und Klagen von Anwohnern... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 24, 2006, 12:07:44 PM
Quote[...] Kleine grüne Zelte sieht man derzeit überall im Pariser Straßenbild. Sie stehen meist zu mehreren in ruhigeren Ecken von Plätzen und Boulevards, selbst am Rande des für den Sommer aufgeschütteten Strandes am Ufer der Seine. Die Bewohner sind nicht etwa Touristen, die so Hotelkosten sparen wollen, sondern Obdachlose. Sie lagerten auch vorher an diesen Stellen, nur fallen sie jetzt durch die Zelte mehr auf.
Im vergangenen Winter hatte die Hilfsorganisation »Medecins du Monde« (Ärzte der Welt) mehr als 400 einfache Wanderzelte an Pariser Obdachlose verteilt. Damit sollten sie sich gegen Wind, Kälte und Regen schützen sowie für die Nacht zurückziehen können. »Dass die Obdachlosen dadurch auffallen und das Problem ins Bewusstsein der Pariser gerückt wird, war natürlich auch unsere Absicht«, räumt Graziela Robert von der Hilfsorganisation ein. »Es sollte nicht zuletzt deutlich gemacht werden, dass es an dauerhaften Lösungen des Problems fehlt.«
Die Aktion sorgte indes auch für Unmut. Aus verschiedenen Stadtvierteln häuften sich Klagen von Anwohnern und Geschäftsinhabern über wilde Lager von bis zu 20 Zelten, die dauerhaft Gehwege okkupieren, den Zugang zu Grünanlagen und Spielplätzen blockieren. Nacht für Nacht komme es zu lautstarken Saufgelagen oder Prügeleien, rundherum häufe sich Müll. In einem Viertel, wo das Betteln besonders aggressiv sein soll und gewalttätige Übergriffe auf Anwohner vermeldet wurden, gingen als Vergeltung ein paar leere Zelte in Flammen auf.

Die Ärzte der Welt wiesen die Vorwürfe zurück: »Die Leute regen sich nicht über das Elend auf. Es stört sie nur, dass sie es sichtbar vor der Nase haben.« Doch mit dieser Polemik heizte die Organisation die Debatte nur weiter an und sieht sich inzwischen auch unter den Hilfsvereinen ziemlich isoliert. Andere Organisationen sowie der sozialistische Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoe, werfen ihr vor, die tagtägliche aufopferungsvolle Arbeit von Sozialbehörden, Vereinen und unzähligen Freiwilligen schlicht zu negieren. »Es ist schwerer geworden, mit den Obdachlosen ins Gespräch zu kommen und ihnen Hilfsangebote zu unterbreiten. Sie ziehen sich jetzt einfach in ihr Zelt zurück«, meint ein Sozialarbeiter. Das Angebot von Übernachtungsplätzen in Heimen werde immer öfter ausgeschlagen. Die Stadtverwaltung hielt diese Unterkünfte, die früher in den Sommermonaten oft geschlossen waren, in diesem Jahr durchgehend geöffnet. Doch Nacht für Nacht bleiben viele Plätze leer.
Das liegt auch an den Zelten, aber nicht nur. Viele Obdachlose kritisieren, dass sie in diesen Schlafsälen keine Ruhe finden, dass es oft zu Diebstählen und Gewalttätigkeiten kommt. Vor allem aber sind sie damit unzufrieden, nur übernachten zu dürfen und am frühen Morgen wieder auf die Straße gesetzt zu werden. Hilfsvereine fordern daher abgestufte Hilfsangebote, je nach Resozialisierungsbereitschaft der Betroffenen.
Angesichts der sich zuspitzenden Polemik hat jetzt die stellvertretende Sozialministerin Catherine Vautrin Sofortmaßnahmen der Regierung angekündigt. Bis zum kommenden Frühjahr sollen 1100 Heimplätze für Obdachlose geschaffen werden. Dabei handelt es sich nur zu einem Drittel um neue Plätze, während die anderen als Übernachtungsplätze bereits bestehen, aber umgewandelt werden sollen. Geplant ist die Schaffung spezieller Heime, in denen die bisher Obdachlosen mehrere Monate leben können – mit intensiver Betreuung, die sie auf eine Rückkehr in ein geordnetes Leben vorbereitet. Am Ende der »Wiedereingliederung« soll die Zuweisung einer kleinen Sozialwohnung stehen.

»Schöne Worte, um die Gemüter zu beruhigen und Razzien gegen die Zeltbewohner zu rechtfertigen«, meint der Vorsitzende der christlichen Hilfsorganisation Emmaus, Alain Raillard. »Es ist im Prinzip der richtige Weg, aber es fehlt am politischen Willen, ihn auch zu Ende zu gehen, und vor allem am Geld.« 1100 sozial betreute Heimplätze seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn allein in Paris gebe es rund 2000 Obdachlose und im ganzen Land 20 000. »Jeder dritte von ihnen arbeitet, aber das geringe Einkommen reicht nicht aus, um die Miete für eine Sozialwohnung, wenn er diese denn bekommt, zu bezahlen.«


Aus: "Zelte an Pariser Boulevards - Hilfsaktion von »Medecins du Monde« für Obdachlose provoziert Anwohner und Regierung" Von Ralf Klingsieck, Paris (nd-online.de; 22.08.06)
Quelle: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95803&IDC=2 (http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95803&IDC=2)

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Quote[...] Schätzungsweise 100.000 Menschen in Frankreich leben dauerhaft auf dem Campingplatz. Nicht, weil sie die Nähe zur Natur schätzen, sondern weil sie ein festes Dach über dem Kopf verloren haben. Damit verstoßen sie gegen das Gesetz, denn in Frankreich müssen Zeltplätze in den Wintermonaten geschlossen werden.

[...] Camus half auch denen, die sonst kein Dach mehr über dem Kopf gehabt hätten. 42 sind es inzwischen. "In dem Moment, in dem einer zu mir kommt und sagt 'ich sitze auf der Straße', nehme ich ihn auf. Ohne Wenn und Aber", sagt Camus.

[...] Den Campingplatz von Camus will im nächsten Jahr die Gemeinde Itterville übernehmen. Dann sollen alle Dauercamper davongejagt werden. "Ich könnte noch viel mehr Menschen aufnehmen, aber dann würden meine 200 Stellplätze nicht ausreichen. Es ist dramatisch", sagt Camus, und fährt fort: "Ich weiß nicht, was im nächsten Winter wird. Die Zahl der Frauen, die kommen, steigt. Da hinten habe ich eine Mutter, die mit drei Kindern hier gelandet ist. Ganz alleine. Ich weiß nicht, wie das noch enden soll."

[...] Sacco setzt sich zur Wehr. Er hat eine Initiative gegründet, mit dem Ziel, die seiner Meinung nach dummen Vorschriften abzuschaffen: "Wir fordern dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Bürger. Jeder muss sich seine Unterkunft selber wählen können. Jeder muss selbst entscheiden dürfen, wie er lebt", sagt Sacco.

Schon im eigenen Interesse wünschen die Gronieckis Sacco viel Erfolg. Ärger mit den Behörden hatten auch sie genug. Den Wagen konnten sie nur anmelden, weil das Rote Kreuz ihnen eine fiktive Adresse vermittelte. Sie wollen Ruhe haben. Solange, bis ihr größter Wunsch in Erfüllung geht. "Ich möchte im Lotto gewinnen und und mein Traumhaus bauen", so Marie-Laure Groniecki.

Ein Traum, den all die anderen wohl auch träumen, die das Schicksal auf einen Campingplatz verschlagen hat. Der alte Kommunist und Gewerkschafter Camus hat längst aufgegeben, daran zu glauben, dass sein Land noch einmal sozialer werden könnte. Im Gegenteil - wo doch auch in Frankreich heute Geld mehr zählt als humanistische Ideale: "Wir haben 68 geträumt. Wir haben 1980 geträumt. Das ist vorbei. Heute träumen wir nicht mehr."

Er will noch einmal zehn Jahre dranhängen auf seinem Campingplatz. Wenn die Stadtverwaltung von Itterville nicht garantiert, dass alle, die hier leben, bleiben dürfen.


Aus: "Leben auf dem Campingplatz - Kein Wahlrecht, keine Adresse und viel Stress" Von Georg Kellermann, ARD-Studio Paris (27.08.2006)
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5850272_TYP_THE_NAV_REF3,00.html (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5850272_TYP_THE_NAV_REF3,00.html)

Title: [Streit um Zwangsumzüge...]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2006, 03:50:12 PM
Quote[...] Berlin (dpa) - Die Sozialgerichte in Deutschland können sich vor Klagen gegen die Auswirkungen der Hartz-IV-Arbeitsmarktreform kaum retten. Eine dpa-Umfrage bei Gerichten und Landesjustizministerien ergab, dass sich die Zahl der Verfahren in etlichen Bundesländern annähern verdoppelt hat.

Selbst das höchste deutsche Sozialgericht, das Bundessozialgericht in Kassel, bekommt die juristischen Auswirkungen des am 1. Januar 2005 eingeführten Arbeitslosengeldes II (ALG II) bereits zu spüren.

Bei den Prozessen geht es vorwiegend um das ALG II. Aber auch die Wohnkosten wie Heizungsgeld, der Streit um Zwangsumzüge oder Kriterien für Bedarfsgemeinschaften sind Thema für Juristen. Etliche Gerichte mussten wegen der Klageflut bereits zusätzliche Richter einsetzen.

Die acht Sozialgerichte in NORDRHEIN-WESTFALEN verzeichneten einen «sprunghaften Anstieg» der Klagen im ersten Halbjahr. Von einer «Überlastung» oder «Klageflut» mit katastrophalen Zügen könne aber keine Rede sein, sagte der Sprecher des Landessozialgerichts in Essen, Carsten Karmanski. Nach seinen Angaben gingen bis zum 30. Juni insgesamt 38 519 neue Verfahren bei den Sozialgerichten ein, davon 9769 gegen die Auswirkungen der Hartz-IV-Reform. Im Vorjahreszeitraum hatte es insgesamt 37 075 neue Verfahren gegeben, von denen nur 5984 gegen die Hartz-IV-Auswirkungen gerichtet waren.

In THÜRINGEN stieg die Zahl der Hartz-IV-Verfahren in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Angaben des Justizministeriums von 1050 auf rund 1900. Einen Anstieg gab es auch bei Eilverfahren. Ihre Zahl wuchs auf knapp 370, eine Steigerung um 63 Prozent.

In MECKLENBURG-VORPOMMERN gingen laut Justizministerium im ersten Halbjahr 2260 Klagen ein, zudem gab es 302 Eilverfahren. Im gesamten Jahr 2005 habe es 3321 Klagen und 427 Eilverfahren gegeben. Allein 1648 Klagen (2005: 1845) drehten sich um das ALG II.

In BRANDENBURG waren Ende Juni mehr als 3000 Klagen anhängig. Oft setzten sich die Kläger gegen Behördenentscheidungen zur Übernahme von Mietrückständen oder Stromkosten, von Umzugskosten oder zur Anrechnung von Kindergeld zur Wehr, sagte eine Sprecherin des Landessozialgerichts. Im ganzen Jahr 2005 waren 4700 Brandenburger wegen der Hartz-IV-Folgen vor Gericht gezogen.

In BERLIN betrifft fast jedes zweite neue Verfahren die Reformgesetze. Die Zunahme um 2000 Verfahren in den ersten sieben Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum seien allein durch Hartz-IV-Verfahren verursacht. Insgesamt gingen 14 220 Klagen ein, davon 6140 zu Hartz IV (43 Prozent).

In SACHSEN-ANHALT gingen laut Justizministerium im ersten Halbjahr 2486 Klagen und 575 Eilverfahren ein. 2005 wurden 2993 Klagen und 699 Eilverfahren gezählt. Beim Landessozialgericht in Halle war die Zahl der Verfahren schon im ersten Halbjahr höher als im gesamten Vorjahr.

In SACHSEN gingen im ersten Halbjahr nach Angaben des Justizministeriums 5273 Klagen und 654 Eilverfahren ein. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind dies rund 2330 Verfahren mehr.

Auch in BADEN-WÜRTTEMBERG und BAYERN, den Ländern mit den niedrigsten Arbeitslosenzahlen, schnellte die Zahl der Klagen nach oben. In Baden-Württemberg seien in der ersten Jahreshälfte 3425 Klagen eingereicht worden. 2005 wurden laut Justizministerium 4012 entsprechende Verfahren verhandelt. Hochgerechnet auf 2006 wäre dies eine Steigerung um 70,7 Prozent. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) sagte, im Freistaat habe sich die Zahl der Klagen um gut acht Prozent auf knapp 22 000 erhöht. Rund 3500 befassten sich mit dem ALG II. 2005 war die Zahl der Verfahren vom ersten auf das zweite Halbjahr von 1649 auf 2646 gestiegen.

In HESSEN haben sich die Beschwerden nach Angaben des Landessozialgerichts «auf hohem Niveau eingependelt». Im ersten Halbjahr gingen bei Gerichten erster Instanz 2574 Klagen zum ALG II ein - 17 Prozent mehr als im zweiten Halbjahr 2005. Beim Landessozialgericht als zweiter Instanz seien in den ersten sechs Monaten des Jahres 131 ALG-II-Klagen eingegangen - 29,7 Prozent mehr als im zweiten Halbjahr 2005. Zunahmen verzeichnen auch das SAARLAND und RHEINLAND-PFALZ. In Mainz wurden im ersten Halbjahr fast 3000 Klagen registriert, 2005 waren es 5054.

«Tendenz stark steigend» meldete auch das Arbeitsministerium in SCHLESWIG-HOLSTEIN. Einzig HAMBURG verzeichnet annähernd gleich bleibende Zahlen. «Von einer Klageflut kann man in Hamburg nicht wirklich sprechen», sagte ein Sprecher des Hamburger Sozialgerichts. Es habe in diesem Jahr pro Monat durchschnittlich 130 Klagen und 135 Eilverfahren gegeben. Die Zahlen hätten sich im Vergleich zum Vorjahr «nicht wesentlich geändert».


Aus: "Sozialgerichte ertrinken fast in Hartz-IV-Klagen" (Sonntag 27. August 2006)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/27082006/3/sozialgerichte-ertrinken-fast-hartz-iv-klagen.html

Title: [12,6% oder jeder achte... (Notiz, USA)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 31, 2006, 11:38:29 AM
Quote[...] 37 Millionen amerikanische Bürger – 12,6% oder jeder achte - leben nach den Zahlen der US-Statistikbehörde in Armut. Als arm gilt ein Haushalt mit vier Personen mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 19.970 Dollar und weniger, bei einem Single liegt die Grenze bei 9.973 Dollar oder 7.700 Euro (in Deutschland lag nach dem Armutsbericht 2005 die Zahl der Armen 2003 bei 13,5%, als arm gilt, wer weniger als 938 Euro, d.h. 60 % des Durchschnittseinkommens bezieht). Auffällig in den USA ist, dass die Zahl der sehr Armen, die weniger als die Hälfte des für die Armutsgrenze festgelegten Einkommens erhalten, zwischen 2000 und 2004 stark angestiegen ist, nämlich um 20% oder 3,6 Millionen Menschen.

[...] So ist 2005 die Zahl derjenigen Menschen, die keine Krankheitsversicherung haben, gegenüber 2004 weiter auf 46,6 Millionen angestiegen. Waren 2000 14,2% der Menschen ohne Krankenversicherung, so sind es jetzt 15,9%. Dazu gehören 8,9 Millionen Kinder, von denen 19% nicht versichert sind. Bei den Latinos ist die Zahl der Unversicherten am höchsten. Experten [extern] erklären den Anstieg der Unversicherten u.a. dadurch, dass weniger Arbeitnehmer bereit seien, eine Krankenversicherung zu übernehmen, da die Zahl der Arbeitslosen zurück gegangen ist. Die mangelnde Gesundheitsversorgung der Armen wird dafür verantwortlich gemacht, dass deren Lebenserwartung in den USA unter das Niveau von Bangladesh gesunken ist.


Aus: "Zunahme der Armen in den USA -  Seit 2000 ist nach der Statistikbehörde [http://www.census.gov/prod/2006pubs/p60-231.pdf (http://www.census.gov/prod/2006pubs/p60-231.pdf)] der Anteil der ganz Armen um 20 Prozent gestiegen, Wissenschaftler warnen vor der wachsenden Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung" Von Florian Rötzer; TP; 31.08.2006
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23443/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23443/1.html)

Title: [Zwangsräumungen... (Baden-Württemberg)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 11, 2006, 11:21:03 AM
Quote[...] Im vergangenen Jahr hätten in Baden-Württemberg rund 21.000 Menschen kein eigenes Dach über dem Kopf gehabt, sagte Frieder Claus von der Diakonie Württemberg in Stuttgart. Als wesentliche Ursachen nannte er den Verlust der Arbeit, Abbau der Wohnbauförderung und weniger Wohngeld für Arbeitslose nach Hartz IV.

Claus verwies darauf, dass die Wohnbauförderung gegenwärtig nur noch etwa zehn Prozent dessen betrage, was die öffentliche Hand Anfang der 80er Jahre aufgewendet habe. Darunter zu leiden hätten vor allem Hartz-IV-Bezieher. Viele von ihnen müssten sich preiswertere Wohnungen suchen. "Wer nichts Günstiges findet, der bekommt die Miete nicht mehr ausreichend bezahlt", kritisiert Claus. In einzelnen Regionen hätten deshalb Zwangsräumungen deutlich zugenommen.

Zugenommen habe auch die Zahl von jungen Arbeitlosen, die auf der Straße leben. "Für junge Leute unter 25 Jahren werden keine Kosten für die Wohnung übernommen, wenn sie ohne besonderen Grund zu Hause ausziehen", bemängelt Claus.

Den beträchtlichen Anstieg der Zahl obdachloser Frauen erklärte er unter anderem mit wachsender Armut bei Alleinerziehenden. Andererseits seien viele Frauen in der Statistik nicht aufgetaucht. "Wir wussten, dass es bei Frauen eine enorme Dunkelziffer gibt", berichtete er. Sie hätten ab und zu bei Männern Unterschlupf "unter Einsatz ihrer Arbeitskraft oder ihres Körpers" gefunden. Das passiere heute aber immer weniger, weil die Armut allerorten wachse.


Aus: "Stuttgart - Immer mehr Frauen leben auf der Straße" (10.09.2006)
Quelle: http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1537864/qw8tmn/index.html (http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1537864/qw8tmn/index.html)

Title: [Unsere Gesellschaft ist, was Armut betrifft, autistisch... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 20, 2006, 11:23:31 AM
Quote[...] Hier schreibt der Chefredakteur der WirtschaftsWoche Roland Tichy.

[Roland Tichy 24.11.2012, 05:45]: Es wird viel geredet vom sozialpolitischen Kahlschlag, von der zunehmenden Spaltung in Arm und Reich, von der Verelendung großer Teile der Bevölkerung und vom angeblichen neoliberalen Anschlag auf den Sozialstaat. Das Orchester des Elends spielt laut zu den Parteitagen von Grünen, SPD und CDU. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Die Ausgaben für Sozialprogramme sind seit Einführung der Statistik im Jahr 1960 Jahr für Jahr gestiegen; von jedem erwirtschafteten Euro werden unverändert 30 Cent für Soziales ausgegeben. Selbst die berüchtigten Hartz-Reformen steigerten die Sozialausgaben um zehn Milliarden Euro. Neuerdings gibt es einen Rechtsanspruch auf Kleinstkinderbetreuung; und wer keinen Kita-Platz im monatlichen Gegenwert von 1000 Euro erhält, kriegt demnächst 150 Euro Betreuungsgeld. Der Armutsbericht konstatiert, dass die gesellschaftliche Spaltung eher ab- statt zugenommen habe und dass sich die Lage der ärmeren Teile der Bevölkerung deutlich gebessert hat – zwei Millionen neuer Jobs sei Dank, von denen die übergroße Mehrheit klassische, gut bezahlte und behütete Normalarbeitsverhältnisse sind. Trotz des Versagens der Bildungspolitik ist die Jugendarbeitslosigkeit gering, anders als in Frankreich, Italien und Spanien, wo Mindestlöhne und starre Arbeitsmärkte jeden zweiten Jugendlichen aussperren.

Nun wollen Rote und Grüne und Teile der CDU genau solche Mindestlöhne wieder einführen und kämpfen um weitere Sozialprogramme in zweistelliger Milliardenhöhe. Denn das Elend, von dem keine Statistik weiß, dominiert die öffentliche Meinung und lenkt die Politik.
Warum reden wir uns so verzweifelt arm? Warum können wir uns nicht über eine gar nicht so schlecht gelungene Sozialstaatlichkeit freuen und gezielt daran arbeiten, dass endlich bessere Schulen und Bildungsprogramme heute die Armut von morgen verhindern? Warum wird weiter Geld für fragwürdige Hilfen verschleudert, statt den Zugang in den Arbeitsmarkt zu verbessern? Denn nur Arbeit schafft neben Lohn auch jene Wertschätzung, die die Menschen so dringend brauchen. Abhängigkeit von reinen Unterstützungsleistungen produziert nur Sozialressentiments.

Die letzten liberalen Ultras meinen, dass Sozialpolitik nur eine moderne Form der Stallhasenhaltung ist, in der die Insassen Selbstverantwortung und Freiheitsrechte gegen den Anspruch auf Fütterung eintauschen und die Sozialbürokratie zum gesellschaftlichen Hegemon wird. So weit muss man ja nicht gehen. Aber viele Politiker meinen, Notstände aufspüren zu müssen, damit sie ihre Wichtigkeit, Tatkraft und soziale Sensibilität mithilfe öffentlicher Mittel beweisen können – eine Art parteiübergreifende professionelle Deformation der Stimmenmaximierer.

Unterstützt werden sie dabei von den riesigen Maschinerien der Sozialindustrien des Staates, der Kirchen und Wohlfahrtsverbände, die mit dem herbeigeredeten Wachstum der Armut nur ihre Macht und die PS-Zahl der Dienstwagen ausdehnen – eine Erklärung für die kontinuierliche Ausdehnung des Sozialstaats unter allen Parteien. Bei den Grünen kommt noch der Hass der zurzeit noch führenden Clique der Altlinken auf alles dazu, was nach Marktwirtschaft klingt; irgendwie muss diese doch zu exorzieren sein! Bei der SPD sind längst jene Gewerkschaftler frühverrentet, die dafür gesorgt haben, dass der Schlot raucht und die Malocher ordentlich Zuwachs in der Lohntüte finden. Dort haben die Sozialarbeiter die Regie übernommen, die Wirtschaft allenfalls im Oberseminar zu kritisieren lernten.
Allen scheint eines zu fehlen: die Fähigkeit, ein bisschen stolz zu sein auf dieses Land und seine Menschen, die nicht nur permanent Böses tun, sondern auch tolle Dinge leisten, wie die sozialen Leistungen. Und die CDU? Diese Überzeugung werden sie auch von deren Repräsentanten nicht hören. Das könnte ja den Zeitgeist verscheuchen, den man gerade in den grünen Spießbürgerquartieren erhaschen will.


Aus: "Sucht nach dem Elend" Roland Tichy (24.11.2012) | https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Tichy (https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Tichy)
Quelle: http://blog.wiwo.de/chefsache/2012/11/24/sucht-nach-dem-elend/ (http://blog.wiwo.de/chefsache/2012/11/24/sucht-nach-dem-elend/)


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Quote[...] In Deutschland ist es fast unmöglich, über Armut zu reden. Das liegt auch daran, dass die Debatten über die Unterschicht von denen geführt werden, die noch nie in ihrem Leben unten waren.

... Sagen wir es gleich am Anfang freiheraus: Ja, in diesem Land gibt es Armut, und sie breitet sich immer weiter aus.

Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Ausländer, Schulversager, kinderreiche Familien - sie alle sind davon betroffen. Genauso wie Menschen aus der bislang für sicher gehaltenen Mitte der Gesellschaft: Leute, die Arbeit haben, aber schlecht bezahlt werden, Akademiker mit Doktortitel, die keine Anstellung finden, Facharbeiter, die nach zwanzig oder dreißig Jahren ihren Job verlieren und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit nur noch von Hartz IV leben.

Das Schicksal liegt im Alltäglichen. Es muss in Deutschland nichts Außergewöhnliches mehr geschehen, damit Menschen sozial abstürzen. Elf Millionen sind arm oder von Armut bedroht, sieben Millionen leben auf Sozialhilfeniveau, fünf Millionen haben keine Arbeit, drei Millionen Haushalte sind überschuldet.

Das Zusammenleben in unserer Gesellschaft wird härter und unsolidarischer. Die Republik teilt sich wieder in "die da oben" und "die da unten", in Gewinner und Verlierer. Die alten Klassen- gegensätze kehren zurück.

[...] Es ist fast unmöglich, in diesem Land über Armut zu reden. Man wird ständig genötigt zu betonen, dass Deutschland reich ist. Als wäre das Problem der Armut dadurch gelöst.

[...] Das Problem wird relativiert, bis es so klein ist, dass man es nicht mehr erkennen kann.
Ja, Deutschland ist ein sehr reiches Land, immer noch. Darf es deswegen keine Armen geben? In Deutschland gibt es Langzeitarbeitslose, Opfer der Deindustrialisierung und Hartz-IV-Empfänger. Erwerbsfähige Hilfebedürftige und nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige. Menschen aus bildungsfernen Milieus. Menschen mit Migrationshintergrund. Die alte Unterschicht. Die neue Unterschicht. Alles, aber um Himmels willen keine Armen! Die Begriffe sollen suggerieren, die Gesellschaft habe das Problem im Griff.

[...] Und dass es in diesem Land zehntausende Kinder gibt, die hungern, die Montag für Montag mit Magenknurren in die Kindergärten und Schulen kommen, weil sie zu Hause nicht ausreichend zu essen haben oder niemand sich um sie kümmert, daran glauben wir einfach nicht.

Es gibt ja keine Armen in Deutschland. Und Hunger leiden muss hierzulande schon gar niemand.

Der eklatante Mangel an sozialer Empathie ist übrigens nicht neu, und er hat einen Grund. "Wir sind arm an Wissen über Armut", sagt Heiner Geißler. Diesen Befund erstellte der CDU-Politiker bereits 1976; damals war er Sozialminister in Rheinland-Pfalz.

Unsere Gesellschaft ist, was Armut betrifft, autistisch. Sie interessiert sich, wie viele Autisten, nur für Systeme. Sie diskutiert die "Agenda 2010", sie predigt den "Umbau des Sozialstaates", sie wägt den Vorteil von "Teilhabegerechtigkeit" gegenüber der "Verteilungsgerechtigkeit" ab, sie kennt tausende Statistiken über die deprimierende Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie spuckt Zahlen, Diagramme und Schaltpläne aus. Sie kann alles abstrahieren. Aber den Kontakt zu denen, die das betrifft, die damit klarkommen müssen, die darunter leiden, diesen Kontakt hat die Gesellschaft verloren. Sie ist unfähig, sich in die Lage armer Menschen hineinzuversetzen oder gar sie zu verstehen. Sie schildert stets eine völlig andere Welt, obwohl doch beide, die Mehrheitsgesellschaft und ihre Armen, in derselben Welt leben.

[...] Das liegt auch daran, dass die Debatten über die Unterschicht von denen geführt werden, die noch nie in ihrem Leben unten waren. Journalisten, die in Talkshows behaupten, das wahre Elend am Rande unserer Gesellschaft sei gar keine Armut im Portemonnaie, sondern eine Armut im Geiste, erhalten allein als Honorar für 45 Minuten im ARD-Presseclub 600 Euro - mehr Geld, als die Menschen, über die sie reden, für den ganzen Monat zur Verfügung haben.

Aus der Perspektive von oben verschwimmen ganz schnell die feinen Unterschiede, die für viele Menschen im Alltag existenziell sind. In dieser Journalistenwelt sind 10 Euro Praxisgebühr im Quartal kein Problem, mit Verschärfung von Armut haben sie schon gar nichts zu tun. Dahinter verbirgt sich nicht nur eine Wahrnehmungsschwäche, sondern ein Grundproblem.

Die meisten Journalisten in Deutschland reflektieren oft nur noch ihr eigenes Herkunftsmilieu. Mehr als zwei Drittel von ihnen stammen aus der Mittelschicht, stellte der Hamburger Journalistikprofessor Siegfried Weischenberg 2005 in einer repräsentativen Studie über deutsche Journalisten fest.

Andere Lebenswelten als die eigenen werden nicht mehr richtig wahrgenommen. "Die große Mehrheit der Journalisten hat ausschließlich Freunde, die auch Journalisten sind", sagt Weischenberg.

Dabei pflegen wir Journalisten immer noch gern den Mythos, wir seien so etwas wie der Anwalt der kleinen Leute, deren Rächer im Kampf mit der Obrigkeit. Viele Journalisten sind jedoch längst Teil des Establishments geworden. Mit den Mächtigen, die wir kontrollieren sollen, sitzen wir oft an einem Tisch. Wir betätigen uns gern als ihre Souffleure. Die smarte neue Mitte genügt ganz sich selbst.

Um die Frage, was Armut in Deutschland bedeutet, überhaupt debattieren zu können, müssen wir unseren Standort verlassen.

[...] Stellen wir uns einfach vor, wir sehen unsere Gesellschaft mit den Augen der Betroffenen. Schon diese Perspektive enthält einen Maßstab für Gerechtigkeit: Das Ansehen eines Gemeinwesens bemisst sich am Wohl der Schwachen. Ihnen muss die gleiche Würde zuerkannt werden wie den Starken.

Erkennen wir uns in diesem Blick wieder?


Aus: "Es gibt hier keine Armen?" (taz vom 20.9.2006, S. 3, 296 Z., Von NADJA KLINGER und JENS KÖNIG)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/09/20/a0118.1/text (http://www.taz.de/pt/2006/09/20/a0118.1/text)
Title: [Geringe Löhne und der Pool der Qualifizierten]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2006, 12:45:57 PM
Quote[...] Mehr als drei Viertel der Geringverdiener in Deutschland haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar einen akademischen Abschluss.

,,Insgesamt können sich die Unternehmen zunehmend auch für geringe Löhne aus dem Pool der Qualifizierten bedienen", sagte Professor Gerhard Bosch am Dienstag bei der Vorlage einer Studie des Gelsenkirchener Instituts Arbeit und Technik (IAT) zum Thema Mindestlöhne.

[...] Akademiker arbeiten laut Studie unter anderem in Weiterbildungseinrichtungen sowie als Übersetzer oder als Taxifahrer. Unter den Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung seien Einzelhandelskaufleute, Hotelangestellte sowie Friseure. Un- und angelernte Arbeitnehmer seien etwa in der Fleischindustrie, dem Reinigungsgewerbe und der Bauwirtschaft beschäftigt.

Insgesamt arbeiteten rund sechs Millionen Menschen für Stundenlöhne unter der Niedriglohnschwelle, die im Westen bei 9,83 Euro pro Stunde und im Osten bei 7,15 Euro liege. Eine ,,starke Zunahme" sei derzeit aber auch im so genannten Niedrigstlohnsektor mit Stundenlöhnen um fünf Euro zu beobachten, sagte Bosch.


Aus: "Taxifahrer mit Diplom" (10.10.2006)
Quelle: http://focus.msn.de/jobs/niedriglohnsektor_nid_37162.html


Title: [Tränengas und Gummigeschosse... (Bangladesch)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2006, 01:01:54 PM
Quote[...] Dhaka (AP) In Bangladesch ist es am Dienstag zu schweren Zusammenstößen zwischen streikenden Textilarbeitern und der Polizei gekommen. Bei einer Demonstration von tausenden Arbeitern in Uttara am Rand der Hauptstadt Dhaka wurden Polizisten nach Angaben der Behörden mit Steinen beworfen. Die Beamten gingen daraufhin mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Menge vor. Die Streikenden fordern einen Mindestlohn von monatlich 3.000 Takas (35 Euro).


Aus: "Tränengas gegen streikende Textilarbeiter in Bangladesch" (10. Oktober 2006)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/10102006/12/traenengas-streikende-textilarbeiter-bangladesch.html (http://de.news.yahoo.com/10102006/12/traenengas-streikende-textilarbeiter-bangladesch.html)
Title: [...ein jahrhundertealtes Spiel der Politik]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2006, 01:27:48 PM
Quote[...] Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat sich besorgt über eine größer werdende Unterschicht ohne Aufstiegswillen in Deutschland geäußert. Es sei Besorgnis erregend, dass in weiten Teilen der Bevölkerung das Streben nach sozialem Aufstieg nachlasse, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin stimmte Beck ausdrücklich zu und sprach von einem "interessanten Kurswechsel" der SPD.

[...] Es gebe viel zu viele Menschen, die sich keinerlei Hoffnung mehr machten, den Aufstieg zu schaffen, so Beck. "Früher gab es in armen Familien, auch in meiner eigenen, das Streben der Eltern: Meine Kinder sollen es einmal besser haben." Heute fänden sich viele mit ihrer Situation ab. "Sie haben sich materiell oft arrangiert und ebenso auch kulturell." Inzwischen gebe es Fernsehsender, bei denen regelrecht von "Unterschichten-Programmen" gesprochen werde.

Deutschland habe ein zunehmendes Problem, "manche nennen es Unterschichten-Problem". Der Staat müsse hier "unterstützend eingreifen, fördern und fordern", verlangte Beck. In Kinderbetreuungsstätten müssten Sprachfähigkeit und Leistungswille gefördert werden, damit Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern die Chance und den Ehrgeiz hätten, aufzusteigen. "Ohne Leistungswillen kann keine Gesellschaft auf Dauer bestehen." Die SPD werde sich dieser Aufgabe annehmen.

Die Liberalen sähen dieses Problem ähnlich, betonte Koppelin. "Wenn sich die Politik dieses Problems nicht annimmt, dann wird die Chance für radikale Parteien größer", warnte der FDP-Politiker. Es werde jedoch nicht ausreichen, den vorsorgenden Staat weiter auszubauen. Vielmehr müsse der Staat dafür sorgen, dass sich Leistung lohne.


Aus: "Beck beklagt mangelnden Aufstiegswillen - SPD-Chef warnt vor "Unterschichten-Problem"" (08.10.2006)
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5985520_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5985520_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html)

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Quote[...] "Wenn nichts mehr geht, wird den Opfern die Schuld an ihrer Misere zugeschoben, und die Politik appelliert an die Selbstverantwortung." Christoph Butterwegge, Politikprofessor an der Universität Köln, überrascht die Klage des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck über eine wachsende Resignation "der Unterschicht" nicht: "Das ist ein jahrhundertealtes Spiel der Politik."

Für Butterwegge allerdings ein verlogenes Spiel: Die Ideologie des Jeder-ist-seines-Glückes-Schmied verschleiere, dass "Politik und Wirtschaft die objektiven Strukturen geschaffen haben, die Arme arm halten und ihnen keine Chance lassen, rauszukommen".

[...] Der Appell zur Selbstverantwortung lenke nur davon ab, "dass sich die Gesellschaft durch neoliberale Wirtschaftsstrukturen und Globalisierung verändert hat". Strukturen, sagt Butterwegge, die wie nie zuvor in Gewinner und Verlierer spalteten. Und: Strukturen, die allein Politik und Wirtschaft zu verantworten hätten.

Massenarbeitslosigkeit und die steigende Zahl prekär Beschäftigter, deren Lohn nicht zum Leben reicht - das sind auch aus Sicht von Karl August Chassé, Professor für Kinder- und Jugendarbeit an der Fachhochschule Jena, die Ursachen für die "neue Armut". Mit eigener Motivation könne ihr niemand entrinnen. Zumal immer mehr um Arbeit und Auskommen konkurrierten: Armutsforscher rechnen, dass allein von aktuell 11,65 Millionen Jugendlichen bis 15 Jahren in Deutschland 2,5 Millionen arm sind. Chassé widerspricht auch Becks Warnung vor dem "Unterschichten-Problem": Leuten, die sich einrichteten mit knappen Mitteln und seichtem Unterschichten-TV und nicht mehr danach strebten, dass es ihre Kinder besser haben sollten. Chassé sagt: "Studien belegen, dass sich gerade arme Eltern alles absparen, um ihre Kinder möglichst wenig von ihrer Armut spüren zu lassen."


Becks Ankündigung, die SPD wolle der Resignation mit einem "vorbeugenden Sozialstaat" begegnen, der schon im Kindergarten Sprachfähigkeit und Leistungswillen trainiert und Chancengleichheit in der Bildung bietet, nennen die Armutsforscher Etikettenschwindel: "Es wird suggeriert, dass mit besserer Bildung alle Probleme zu lösen sind", sagt Butterwegge. Armut werde auf Bildungsarmut reduziert. "Aber dann konkurrieren die Menschen eben auf höherem Bildungsniveau um Arbeit, die es nicht gibt."

Die Politik müsse sich statt dessen um eine "Verteilgerechtigkeit des Geldes" bemühen, sagt Butterwegge. Er sieht die Bundesregierung aber auf dem genau entgegengesetzten Weg. "Vorsorgender Sozialstaat" sei nur eine schön klingende Legitimation für die weitere "Demontage des nachsorgenden Sozialstaats", die mit Agenda 2010, Gesundheitsreform, Hartz IV und Druck auf Empfänger von Arbeitslosengeld II im Gange sei: "Leistungskürzungen ändern nichts daran, dass Arbeit fehlt."


Aus: "Armutsforscher sauer auf Beck "Politik zerstört Aufstiegswillen"" Von Anita Strecker (Erscheinungsdatum 11.10.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=a003e14caee1eb8f6353ca2aa1b57296&em_cnt=986698 (http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=a003e14caee1eb8f6353ca2aa1b57296&em_cnt=986698)

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Quote[...] Dass das "Problem der Unterschichten" wächst, ist allerdings eine richtige Beobachtung des SPD-Vorsitzenden, seine Partei hat mit Hartz IV dazu beigetragen. Durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe leben mittlerweile in Deutschland 6,8 Millionen Menschen auf dem Niveau der Sozialhilfe, darunter 1,7 Millionen Kinder.


Aus: "Ermahnungen an die sozial Verwundbaren - Soziologische Anmerkungen zu Kurt Becks Unterschichtenproblem" (Rudolf Stumberger; TP; 12.10.2006)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23735/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23735/1.html)

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Quote[...] Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Stefan Hilsberg kritisierte im Berliner ,,Tagesspiegel": ,,Wir haben den Menschen vorgegaukelt, daß mit Fordern und Fördern jeder den ersten Arbeitsmarkt erreichen kann und Steuersenkungen für die Unternehmen die Probleme lösen." Insofern sei die Hartz-IV-Politik der früheren rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder eine ,,Lebenslüge". Schröder habe ,,zu kurz gedacht", bemängelte er. Der SPD-Linke Ottmar Schreiner warf seiner Partei vor, Mitschuld am Entstehen einer gesellschaftlichen Unterschicht zu tragen.

Als Reaktion auf die Studie fordert der Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ,,konkrete Hilfen" besonders für Kinder, Jugendliche und Arbeitslose. Es gebe in Teilen der Gesellschaft eine Verwahrlosung, sagte Kauder in einem vorab verbreiteten Bericht der ,,Süddeutschen Zeitung".

Grundsätzlich begrüßte Kauder die vom SPD-Chef Beck angestoßene Debatte über eine so genannte neue ,,Unterschicht". Er lehne den Begriff aber strikt ab. ,,Dieser Ausdruck stigmatisiert und sorgt dafür, daß man diese Leute nicht mehr erreichen kann", sagte er. Er spreche deshalb lieber von Menschen mit sozialen und Integrationsproblemen.

Kauder betonte, das Phänomen gebe es seit etwa zehn Jahren als Folge der Massenarbeitslosigkeit, die Politik habe es jedoch unzureichend wahrgenommen. Zwar habe es schon immer ,,so genannte Sozialhilfekarrieren" gegeben. Aber das Problem habe sich ,,deutlich verschärft". Dies zeige sich auch an den schrecklichen Fällen mißhandelter und vernachlässigter Kinder.


Aus: "Studie: Acht Prozent der Bevölkerung gehören zur ,,Unterschicht"" (Text: löw, F.A.Z. 16. Oktober 2006, dpa)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub28FC768942F34C5B8297CC6E16FFC8B4/Doc~E6AF2EDCE188845A48606DA4E5E32BE58~ATpl~Ecommon~Scontent.html (http://www.faz.net/s/Rub28FC768942F34C5B8297CC6E16FFC8B4/Doc~E6AF2EDCE188845A48606DA4E5E32BE58~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

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Quote[...] Berlin – In der SPD ist eine heftige Debatte um sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten und Verwahrlosung und den Umgang damit entbrannt. Der SPD- Linke Ottmar Schreiner warf der eigenen Partei vor, mit schuld am Entstehen einer gesellschaftlichen Unterschicht zu sein. ,,Armut und soziale Ausgrenzung sind nicht über uns gekommen", sagte Schreiner dem Tagesspiegel am Sonntag, ,,sie sind das Ergebnis der Politik von Gerhard Schröder." Besonders die ,,liberalistische" Hartz-IV-Arbeitsmarktpolitik des Ex-SPD-Bundeskanzlers mit Mini-, Ein- Euro- und befristeten Arbeitsverhältnissen habe dazu geführt, dass ,,Millionen Menschen keine Chance mehr haben, aus dem Niedriglohnsektor mit seinen Hungerlöhnen herauszufinden", sagte Schreiner.

[...] Heil räumte ein, dass es Fehlentwicklungen im Sozialsystem gebe: ,,Die Art und Weise, wie wir heute den Sozialstaat organisieren, führt in vielen Bereichen nicht mehr dazu, dass wir die Gesellschaft durchlässiger machen", sagte der SPD-Politiker. ,,Wenn im Sicherheitsgewerbe in Thüringen 3,50 Euro Stundenlohn gezahlt wird", sagte er, ,,dann ist das schlicht und ergreifend Ausbeutung." Deshalb setze sich die SPD für die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne ein, wenn tarifvertragliche Lösungen nicht ausreichten.

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Aus: "SPD-Linke: Wir haben Millionen in Armut gestürzt Schreiner macht Schröders Politik verantwortlich Heil fordert neuen Umgang mit Unterschichten" Von Antje Sirleschtov (15.10.2006)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/15.10.2006/2838136.asp (http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/15.10.2006/2838136.asp)

Quote[...] Wunderbar! SPD-Generalsekretär Hubertus Heil will ,,mit einem vorsorgenden Sozialstaat" mehr Lebenschancen für die Ausgegrenzten des geldwirtschaftlichen Reproduktionssystems in diesem unserem Lande sorgen. Wie - bitteschön - soll das laufen, wenn sich vor allem politische Repräsentanten und -tinnen völlig dem Geldprozess und seinen Agenten unterworfen haben und den Wahnsinn des Ökonomismus auch noch permanent lobpreisen? Wie überhaupt auf nationaler Ebene Handlungskompetenz wiedergewinnen, wenn die Unterwerfung unter das global vernetzte Geld-Diktat vollkommen ist? Welche alternativen Ansätze sind überhaupt möglich, wenn auch das Denken sich von "Geld" und "Konkurrenz" - äh, "Wettbewerb" - mental nicht mehr lösen kann?
Technologische Innovation und Rationalisierung machen menschliche Arbeitskraft zunehmend überflüssig. Da gibt es keine Umkehr. Kein noch so absurdes ökonomisches "Wachstum" wird dies überwinden, mal abgesehen davon, dass uns der Globus vor lauter ,,Wachstum" ohnehin bald ökologisch um die Ohren fliegen dürfte (Seefisch ist ja schon dabei, sich von der Speisekarte zu streichen). Ein Großteil der Menschheit ist schlicht überflüssig geworden.

Kommentar:
Svedese (15.10.2006 14:06 Uhr)


Quote

Lebenslügen der Linken

1. Es ist Unsinn, dass westlichen Gesellschaften mit hohen Löhnen die Arbeit ausgeht. Ein Beispiel dafür sind nicht nur die vielgescholtenen USA, wo in den letzten 20 Jahren 25 Millionen neue Jobs geschaffen wurden, sondern auch Irland, Dänemark, Finnland, Österreich die Schweiz. Hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Ausgrenzung ist nicht das Schicksal unserer Zeit sondern nur das Schicksal des deutschen Sonderwegs.

2. Es ist tragisch, dass sich in Deutschland nach wie vor die Diskussion im Kern um das Verteilen von Wohlstand dreht, nicht aber darum, was geschehen muss, um mehr Wohlstand zu schaffen. Lieber gemeinsam gleichmässig arm werden statt ungleichmässig reich. Das wird auf Dauer nicht hinhauen.

3. Die Linke wollte seit den 70igern, dass die Dritte Welt endlich mehr sein darf als nur Rohstofflieferant. Jetzt ist es soweit, dass 1 Mrd Chinesen und 1 Mrd Inder in den Weltwirtschaftsskreislauf zunehmend integriert sind. Damit hat sich das weltweite Angebot an Arbeit innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Das Angebot an Kapital jedoch nicht. Das muss zwangläufig zu Verschiebungenn zu Lasten von (minderqualifizierter) Arbeit führen. Einige etbalierte Industrieländer (siehe oben) haben sich dem erfolgreich angepasst. Andere, wie Deutschland, nur in Teilbereichen, wie zB überweigend die grossen DAX-Konzerne. Für die Nichtanpassung in vielen anderen Bereichen wird das Land weiterhin einen hohen Preis bezahlen.

3. Erschreckend, wieviele Kommentare auf grössere wirtschaltliche Abschottung abzielen (Outsorcing verhindern, Anwanderung in Billiglohnländer verhindern, sich über Polen lustig machen). Für ein Land, dessen Einkommen zu einem Drittel vom Export abhängt und dessen Schicksal somit stark an weiterhin erfolgreiche Globalisierung geknüpft ist, ist das Selbstmord.

4. Ich hätte nicht gedacht, dass es unter Tagesspiegel-Nutzern so viele weinerliche Wirklichkeitsverweigerer gibt.


Grüsse
Lothar Eckstein


Quote

Endlich machen auch mal ein paar Politiker den Mund auf und geben das völlige Versagen zu. Nachdem über Jahre die Arbeitslosen für ihre Situation selbst verantwortlich gemacht wurden, als würden sie die hohen Gehälter in Politik und Wirtschaft kassieren und dabei ihren Job nicht erledigen,tut es richtig gut wenigstens einmal ein paar Halbwahrheiten zu hören.
Zu dem Gesagten von Ottmar Schreiner möchte ich als Betroffene aber betonen: Es ist auch erniedrigend, wenn immer wieder von wenig gebildeten, lernunwilligen Menschen gesprochen wird. Ich habe mit 42J eine Umschulung zur Industriekauffrau begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Dies tat ich auf eigenen Wunsch, um trotz Krankheit arbeitsfähig zu bleiben. Nach dem erfolgreichen Abschluss kam der soziale Abstieg. Der intellektuelle Abstieg beginnt mit dem finanziellen Chaos. Selbst wenn man sich selbst immer wieder fordert, sobald man nur noch an Veranstaltungen "für Arme" teilnehmen kann, wird man immer mehr ausgegrenzt. Und noch eins: Bei den wirklich ungebildetetn Menschen in unserem Lande ist es doch so, dass sie, solange sie selbst noch in Arbeit sind, nicht viel mit solch erfolglosen Menschen zu tun haben wollen.Das ist unser Alltag.
Man ist nicht nur verunsichert, man wird müde, lebensmüde. Ich habe nach all den Kämpfen in Ost und West jetzt keine Lust mehr, langsam immer mehr in`s Elend zu sinken. Ich hatte mir nach einem arbeitsreichen Leben einen schönen Lebensherbst gewünscht. Jetzt wünsche ich mir eine Krankheit, die mich schnell aus diesem Leben erlöst. Das ist das Fazit der Politk, das haben Politiker ihren Landsleuten angetan für die sie da sein sollen, nicht anders herum.

Kommentar:
Andrea Trautmann (16.10.2006 8:39 Uhr)


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Quote[...] Hamburg - Dies berichtet die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf eine repräsentative Studie von TNS Infratest im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Zur neuen Unterschicht zählen laut der Studie "Gesellschaft im Reformprozess" 20 Prozent der Ost- und vier Prozent der Westdeutschen. Viele dieser Menschen empfänden ihr Leben als "gesellschaftlichen Abstieg"; ihr Bildungsgrad sei überwiegend einfach, berufliche Mobilität und Aufstiegswillen seien nur gering ausgeprägt.

Zwei Drittel der neuen Unterschicht haben laut der Studie ihren Job bereits verloren, die Übrigen empfinden ihren Arbeitsplatz "häufig als nicht sicher". Der Studie zufolge leidet die Unterschicht unter "größter finanzieller Unsicherheit: sehr niedriges monatliches Haushaltseinkommen, kaum Wohneigentum oder finanzielle Rücklagen, Schulden, wenig familiärer Rückhalt". Die neuen Armen, so heißt es weiter, zeigten "ausgesprochene Verunsicherung", fühlten sich gesellschaftlich im Abseits und vom Staat alleingelassen. Selbst in den eigenen vier Wänden hätten sie "kaum das Gefühl, ihr Leben weitgehend selbst bestimmen zu können". Viele glaubten, die "Abschottung gegenüber Ausländern" löse ihre Probleme.

Nach Angaben des Blatts bewertet die SPD-Spitze die Ergebnisse der Studie als "handfesten gesellschaftlichen Skandal".

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Aus: "Studie: Neue Unterschicht ein "gesellschaftlicher Skandal"" (15.10.2006)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/studie/77214.asp (http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/studie/77214.asp)

Quote
Jetzt erst erkannt ?

Ich finde es Phänomenal , daß die SPD jetzt erst dahinter kommt , daß es Armut
mit steigender Tendenz in Deutschland gibt. Nicht die Arbeitsunwilligkeit sondern die fehlenden Job sind das Problem . ALG II Harz IV sind die Tore zur Armut aus dieser Spirale gibt es fast kein entrinnen mehr. Ich kann da mitreden , denn ich bin ein Betroffener
der nach 500 Bewerbungen und sehr großer Mobilität zwar nocht nicht resegniert hat , aber auch nicht euphorisch in die Zukunft schaut.

Kommentar:
Boonekamp (15.10.2006 11:40 Uhr)


Quote
Neue Unterschicht??

Es erscheint mir wie Hohn, wenn eine Partei durch eigenes Verhalten oder fehlende Visionen zu einer erschreckenden Situation beträgt, diese Situation immer noch verschärft und anschließend deklamiert, dass diese Situation unhaltbar sei. Ist dieser soziale Sprengstoff nicht erkennbar? Fehlt es an der Einsicht, dass wir Menschen uns darüber klar werden müssen, ob wir innenpolitisch aufrüsten wollen, um den Schutz einger Privilegierter zu gewährleisten oder ob wir zur Menschlichkeit zur wirklichen Nachbarschaftshilfe zu gemeinnützigen Leistungen zurückfinden wollen. Vielleicht sollte sich hierin die Creativität unserer politschen Elite beweisen. Dies würde jedochbedeuten, dass man sich mit den Problemen der Bürger ehrlich auseinandersetzen müsste, statt aus unangreifbarer Position Menschen wie unmündige Kinder zu behandeln.

Kommentar:
Dirk Heintzen (15.10.2006 11:43 Uhr)

Quote
Wo ist unten, wo ist oben?

Die "neue" Unterschicht ist in den Medien angekommen, eigentlich schon ein Skandal an sich. Da ist doch tatsächlich jeder 13. Bürger der Republik aus ökonomischer Sicht ein Lumpenhund, der nicht einsieht, sich zumindest auf dem europäischen Arbeitsmarkt nützlich zu machen. So zumindest werden einige, nicht wenige, denken, die nicht richtig denken können. Ist es doch für einen Logiker nicht neues, dass wenn wenige viel haben wollen und können, dann auch viele wenig haben müssen. Immerhin ist der Fakt der Schichtengesellschaft jetzt Diskusions-tauglich, so wird man auch so tun, als ob man eine Lösung des Problems anstrebe. Leider wird kein Politiker erwirken, dass die Verteilung des Mehrwertes eine neue Richtung erhält. Wer abkassieren kann, wird dies tun bis er umfällt, wohl hoffend, dass er dies im Kreise seiner gierigen Lieben tun kann und nicht im Reigen der tobenden Massen. Ob diese dann rote Fahnen schwingen oder braune Hemden tragen bleibt vorerst offen, allerdings eines sollte jedem klar sein, auch den Medien: Wenn erst mal alles auf dem Kopf steht, ist unten oben.

Kommentar:
Willi Fiebranz (15.10.2006 11:59 Uhr)


QuoteBin ich hier im falschen Film?

"...ihr Bildungsgrad sei überwiegend einfach, berufliche Mobilität und Aufstiegswillen seien nur gering ausgeprägt."

Bin ich hier im falschen Film? Das ist doch DIE Definition der Unterschichtenmentalität, die es immer gab und immer geben wird und wir sollten eigentlich froh sein, dass es nur 8% sind. Man verwechselt doch hier Ursache und Wirkung. Diese Leute sind nicht unten, weil die Umstände schlecht sind, sondern ihre Umstände sind schlecht, weil sie eben diese Unterschichtenmentalität besitzen.

Das einzig "Neue" daran ist, dass uns langsam das Geld ausgeht, so etwas auch noch weiterhin staatlich zu sponsorn.

Wann wird man endlich einsehen, dass nicht alle gleich talentiert, motiviert, intelligent und durchsetzungsfähig sind und dass es nicht Aufgabe der Gesellschaft ist, sämtliche Ungerechtigkeiten auszugleichen?

Und hier posten gebildete Leute, die 500,00 Euro "Stütze" mickrig finden (wir klagen auf sehr hohem Niveau!) und im richtigen Leben einen weiten Bogen um diese Unterschicht machen würden. Gutmenschen-Mitleid auf Kosten Anderer, nämlich der Leute, DIE Steuern zahlen und dieses Sponsoring des Versagens notgedrungen tragen müssen, ist eine wohlfeile Sache.

Kommentar:
Nora Brinker (15.10.2006 15:10 Uhr)


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Quote[...] Mit 3000 Befragten sei die Untersuchung die breiteste in den letzten Jahren, sagt Autor Karl im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die Ergebnisse belegen das, wovor Ökonomen und Sozialwissenschaftler seit langem immer wieder warnen. Nur dass zuvor kein Wissenschaftler solch harte Begriffe benutzt hat wie Karl.

Schon der im vergangenen Jahr veröffentlichte zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erklärte, der Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze sei seit 1998 von 12,1 auf 13,5 Prozent gestiegen. Jeder achte Haushalt war demnach betroffen. Insgesamt elf Millionen Menschen.

24 Prozent der Migranten gehörten zu dieser Gruppe, bei den Alleinerziehenden waren es über ein Drittel, so die weitere Schreckensbilanz. Und: Die Unterschiede zwischen Reich und Arm sind stark gewachsen. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte teilten sich rund 47 Prozent des Privatvermögens, ein Zuwachs von rund zwei Prozent seit 1998. Die Zahl der verschuldeten Haushalte nahm von 2,77 auf 3,13. Millionen zu.

Als arm galten in der Studie all diejenigen, deren Einkommen bei weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens lag - also unter 938 Euro. Grundlage für den Armutsbericht waren Daten von 2003 - doch seitdem ist es nicht besser geworden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam wenige Monate nach der Bundesregierung aufgrund von Zahlenmaterial aus dem Jahr 2004 bei der gleichen Berechnungsmethode auf 16 Prozent Arme in Deutschland - nach 11,5 Prozent im Jahr 1999. 2005 waren es dem Institut zufolge schon 16,5 Prozent. Und in den neuen Bundesländern waren den DIW-Forschern zufolge sogar 21,5 Prozent arm.

"All solche Berechnungen sind natürlich relativ", erklärt Martin Werding, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Arbeitsmarkt beim Ifo-Institut in Berlin: "Was wir als 'arm' ansehen hat im Vergleich zu anderen Ländern sogar etwas Zynisches." Immerhin werde der Armutsbegriff im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen des Landes definiert.

Trotzdem zeigen alle Studien zum Thema eine beunruhigende Entwicklung, wie viele Wissenschaftler bestätigen: Die Schere zwischen Arm und Reich geht etwa seit dem Jahr 2000 auch in Deutschland weiter auf. Der Osten fällt immer weiter zurück. Und: In Deutschland gibt es besonders viele Langzeitarbeitslose, "und je nach Berechnungsmethoden sind 40 bis 75 Prozent gering qualifiziert", erklärt Werding. Auch Waltraut Peter vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bestätigt: "Bildungsarmut und Langzeitarbeitslosigkeit sind typisch deutsche und sehr extreme Probleme. Das weiß man schon lange."


[...] Die Studie offenbart auch eine paradoxe Tatsache: Während der Staat in Deutschland extrem hohe Sozialausgaben hat - sie entsprechen rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - sind die Verhältnisse unterdurchschnittlich schlecht. In einem Sozialranking von 24 Staaten kommt Deutschland so mit Rang 21 extrem schlecht weg.

Auch die bedenklichen politischen Einstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung, die die Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt feststellte, ist eigentlich keine große Neuigkeit. Immer mehr Menschen seien von der Demokratie enttäuscht, hieß es erst kürzlich bei der Vorstellung des Datenreports 2006, den unter anderem das Statistische Bundesamt und die Bundeszentrale für Politische Bildung gemeinsam erarbeiten. Demnach hielten in den neuen Bundesländern 2005 nur noch 38 Prozent der Menschen die Demokratie für die beste Staatsform in Deutschland.

So sind die Schlussfolgerungen, die Karl nach eineinhalbjähriger Forschungsarbeit zieht, eigentlich erwartbar - wie er auch selbst einräumt. Wirklich entsetzt habe ihn aber das Ausmaß der Resignation innerhalb des sogenannten Prekariats, erklärt der Wissenschaftler. "Diese Menschen fühlen sich als Verlierer, im gesellschaftlichen Abseits", sagt Karl. "Und das Schlimmste ist: Auf die Frage, ob es den Kindern wohl einmal besser ergehen werde, antworten die meisten mit Nein."


Aus: "UNTERSCHICHT-DEBATTE: Verloren, verarmt, verdrängt" Anna Reimann und Anne Seith (16. Oktober 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,442859,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,442859,00.html)

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Quote[...] Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse verteidigte die Reform ebenfalls. Hartz IV sei nicht Ursache der Armut, sondern bringe sie nur an die Oberfläche. "Als Hartz IV eingeführt wurde, haben wir ja nicht versprochen, die Arbeitslosigkeit abzuschaffen, sondern versucht, auf den globalisierten Arbeitsmarkt und auf die finanziellen Nöte des Sozialstaates zu reagieren. Besserung ist nicht eingetreten." Armut verfestige sich, wenn es Bildungsungleichheit, Arbeitslosigkeit und die Einschränkung von Aufstiegsmöglichkeiten gebe. Zugleich sagte er, in Deutschland gebe es eine Klassengesellschaft. "Unsere Gesellschaft ist von unten nach oben zweifelsohne undurchlässiger geworden", sagte der Sozialdemokrat.

Er widersprach damit Müntefering, der gesagt hatte, in Deutschland gebe es keine Ober- und Unterschichten.Unions-Fraktionschef Volker Kauder sprach sich in der ARD-"Tagesschau" dafür aus, etwas für Langzeitarbeitslose zu tun, damit die Kinder in deren Familien positive Vorbilder bekämen.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, betonte, Hartz IV sei zwar nicht die Ursache zunehmender Armut. "Primär ist die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich." Die Arbeitsmarktreform habe aber "den Trend hin zu zunehmender Armut verstärkt". Zugleich forderte Sommer Konsequenzen aus der Diskussion. Dazu gehört eine Intensivierung der Bildungsanstrengungen für sozial Schwächere, eine Strategie gegen die Jugendarbeitslosigkeit und eine neue Verteilungsdiskussion in der Gesellschaft.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte, ihn wundere, dass die zunehmende Armut plötzlich als neue Erkenntnis gehandelt werde.

[...] Hilgers sieht auch einen Zusammenhang zwischen wachsender Armut und der gestiegenen Zahl von Fällen der Kinderverwahrlosung. Zwar gehe der überwiegende Teil der armen Menschen "sehr liebevoll" mit seinen Kindern um, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dennoch sei Armut ein Risikofaktor: 99 Prozent der Verwahrlosungsfälle würden in armen Familien registriert.

Der Vorsitzende der Sozialkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gert Wagner, sieht keinen Zusammenhang zwischen Armut und Hartz IV. Das dahinter stehende Problem seien Bildungsarmut und Langzeitarbeitslosigkeit. "Wir schicken derzeit 20 Prozent eines Jahrgangs ohne verwertbaren Schulabschluss ins Leben. Denen droht lebenslange Armut", betonte er.


Aus: "UNTERSCHICHT-DEBATTE: Koalition streitet über Ursachen der Armut" (SPON; 17. Oktober 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,442909,00.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,442909,00.html)

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Quote[...] Die Diskussion über ein angebliches ,,Unterschichten-Problem" hat in der SPD eine kontroverse Debatte über Folgen und Verantwortlichkeiten der Sozialpolitik ausgelöst. ...

Nach Beratungen des SPD-Präsidiums am Montag in Berlin widersprach Generalsekretär Hubertus Heil Vorwürfen aus Reihen der SPD-Linken, wonach die Arbeitsmarktgesetze der alten rot-grünen Bundesregierung für die Fehlentwicklungen verantwortlich seien. Die Arbeitsmarktreformen seien nicht ursächlich für die ,,neue Armut", sondern sie hätten den Blick dafür geöffnet, wie viele Menschen in der Sozialhilfe gefangen gewesen seien, sagte er.

Aus: "SPD: Heftiger Streit über ,,Unterschicht"" (16.10.06)
Quelle: http://focus.msn.de/politik/deutschland/spd_nid_37517.html (http://focus.msn.de/politik/deutschland/spd_nid_37517.html)

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Quote[...] Abgesehen von der Diskussion um die Benennung des Problems bringt die Untersuchung nichts wirklich Überraschendes. Das ,,abgehängte Prekariat" ist geprägt von Arbeitslosigkeit und der Erfahrung des sozialen Abstiegs. Überproportional vertreten sind ostdeutsche Männer. Viele sehnen sich nach einem starken Staat, der Absicherung garantiert. Besonders viele von ihnen wählen gar nicht, rechtsextrem oder Linkspartei.

Diese Erkenntnis ist nicht revolutionär, doch vielleicht passt sie gerade deshalb so gut in eine Zeit, in der Entsetzen herrscht über den qualvollen Tod von Kindern in sozial schwachen Familien. Mit Blick auf tragische Fälle wie den des kleinen Kevin in Bremen ist die Bestürzung der Politiker über ganze Stadtviertel, die nach und nach verwahrlosen, groß. Soziologe Hartmann stellt über solche Viertel knallhart fest: ,,Wir haben Ansätze von Slumbildung in deutschen Städten."


Aus: "Armut: ,,Slumbildung in Deutschland"" Von von FOCUS-Online-Redakteurin Nina Baumann (16.10.2006)
Quelle: http://focus.msn.de/politik/deutschland/armut_nid_37504.html (http://focus.msn.de/politik/deutschland/armut_nid_37504.html)

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Quote[...] Auch mit dem Aussprechen der Wahrheit lässt sich trefflich lügen. Nichts demonstriert diesen Kniff der Propagandakunst besser als die neue Debatte über Deutschlands ,,Unterschicht".

Es gebe ,,viel zu viele Menschen", die sich mit ihrer Armut ,,arrangiert" hätten, erklärt da SPD-Chef Kurt Beck, und beklagt, es mangle ihnen am Leistungswillen. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder entdeckt plötzlich ,,Verwahrlosung in Teilen der Gesellschaft" und fordert ,,konkrete Handlungskonzepte", insbesondere für Kinder. Und mit Ausnahme einiger versprengter Linker in- und außerhalb der SPD sind sich alle Beteiligten in einem Punkt einig: Eine eigene Mitschuld an der sich ausbreitenden Armut und der Resignation vermögen sie nicht zu erkennen. Genau das ist die Lüge.

Beispiel Hartz IV: Zahllose Praktiker haben gewarnt, dass die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe vor allem Kinder und Jugendliche treffen werde, nicht zuletzt deshalb, weil ein Viertel der von der Kürzung Betroffenen alleinerziehende Mütter sind. Doch Beck, Kauder und ihre Mittäter kümmerte das nicht. Wenn sie jetzt angesichts der Verdoppelung der Kinderarmut in nur zwei Jahren über die Folgen klagen, ohne die eigene Verantwortung zu benennen, ist das bloße Heuchelei im Amt. Noch schwerer wiegt, dass sie die Verarmung der Verlierer bewusst vorantreiben, indem sie die Mehrwertsteuer erhöhen und eine Gesundheitsprämie einfordern. Beides wird wieder die Geringverdiener am härtesten treffen.

Beispiel 400-Euro-Jobs: Jeder Experte hat gewusst, dass die Begünstigung von Midi- und Mini-Jobs den Abbau regulärer Beschäftigung massiv beschleunigen würde. Doch die Gesetzesmacher der vermeintlichen Volksparteien scherte das wenig. Vielmehr förderten sie von der Befristung bis zur Leiharbeit alles, mit dem sich das Angebot an unsicherer, schlecht bezahlter Arbeit ausweiten ließ. Sich nun darüber zu beklagen, dass die so erzeugten Arbeitslosen ihre Bezüge mit Mini-Jobs aufbessern anstatt nach einem der neuen Hungerlohnjobs zu suchen, ist eine zynische Provokation.

Beispiel Qualifizierung: Jede Arbeitsmarktanalyse mündet in der Feststellung, dass die Nachfrage nach ungelernter Arbeit sinkt, es folglich besserer Ausbildung bedarf. Doch die große Koalition scheute sich nicht, die Ausgaben für die Nachqualifizierung von Arbeitslosen binnen zwei Jahren um zwei Drittel zu kürzen. Die Frage muss erlaubt sein, wem es da eigentlich an Leistungswillen mangelt, den Arbeitslosen oder den Arbeitsmarktpolitikern.

Schlimmer noch, trotz aller Sonntagsreden über Chancengerechtigkeit durch Bildung geschieht nichts, um die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens zu bekämpfen. Bei den Ausgaben pro Grundschüler liegt Deutschland im Vergleich der Industrieländer der OECD weit unter dem Durchschnitt auf Rang 22, gleich vor Mexiko. Insgesamt investieren Deutschlands Politiker gerade mal 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in Bildung, 20 Prozent weniger als im Durchschnitt der OECD-Staaten üblich ist. Den Dänen ist ihr Nachwuchs sogar fast doppelt so viel wert.

Vor diesem Hintergrund gilt: Wer es ernst meint mit der Sorge um die ,,Unterschicht", der sollte die Fehler von gestern ehrlich benennen und für einen radikalen Kurswechsel in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik eintreten. Wer das nicht will, sollte zu den Problemen der Armen besser schweigen. Zynische Belehrungen treiben sie nur den Neonazis in die Arme.


Aus: "Unterschicht-Debatte: Heuchelei im Amt" Von Harald Schumann (17.10.2006) 
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/17.10.2006/2840423.asp (http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/17.10.2006/2840423.asp)

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Quote[...] Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, nannte die Debatte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau "nicht glücklich": "Die Ursachen liegen teilweise 20 Jahre und mehr zurück. Für die Politik kommt es darauf an, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Chancen auch wahrzunehmen."

Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, sagte der FR: "Menschen, die in Armut leben, sind kein Problem, sondern eine bittere Tatsache unserer Zeit." Über die Schicht der Ärmsten hinaus seien "weite Teile der Gesellschaft" verunsichert: "Unternehmen erwarten Planungssicherheit, den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und ihren Familien wird sie verweigert." Der DGB-Chef sieht Arbeitgeber in der Pflicht: "Folgen sie den Erbsenzählern und Renditejägern? Oder investieren sie endlich wieder in die Zukunft?"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Wir finden uns nicht ab damit, dass diese Spaltungen so existieren, wir tun aktiv etwas." Sie sprach sich für eine Stärkung der Familien aus. Ein zentraler Punkt sei, dass Kinder ähnliche Chancen bekämen. Die Schulkarriere sei entscheidend für die Ausbildungschancen und damit für den Weg in den Arbeitsmarkt. krp/rtr/ap/dpa


Aus: "Deutscher Sozialstaat in der EU abgehängt" - Untersuchungen beleben Debatte über "Unterschichts"-Problem Deutschland liegt als Sozialstaat in der EU auf einem Abstiegsplatz. In der Armutsdebatte distanzieren sich Koalition wie Opposition vom Begriff "Unterschicht" (17.10.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=2bddb07ac2f48b9afbc3010365a7668c&em_cnt=990765 (http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=2bddb07ac2f48b9afbc3010365a7668c&em_cnt=990765)

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Quote[...] Jetzt also, seit Kurt Beck merkt, dass es in Deutschland eine Unterschicht gibt, die nicht nur Probleme hat, sondern Probleme macht, wird die Bildung und werden damit auch Kindergarten und Schule als Ort der Volkserziehung neu entdeckt. Es ist ein Jammer, wie wenig Sozialdemokraten sich ihrer jüngsten Geschichte bewusst sind. Als Willy Brandt 1969 die Parole ausgab: "Mehr Demokratie wagen", was wagte er da? Er wagte mehr Bildung. Nicht nur das Bafög, auch die von der sozialliberalen Koalition entwickelte Durchlässigkeit des Bildungssystems, ermöglichte hunderttausenden Kindern der Unterschicht sich hochzuarbeiten - trotz auch damals verbreiteter Bildungsunwilligkeit der Eltern. Vieles von Brandts wegweisenden Entscheidungen wurde im Laufe der Zeit von einer falsch verstandenen Elitendiskussion leider verschluckt.

Aber Vorsicht: In der politischen Debatte wird jetzt so getan, als könne Bildung das Problem der Unterschicht, die ja in erster Linie als ökonomische Unterschicht definiert wird, lösen. Das kann sie nicht. Denn das Beispiel der 70er Jahre zeigt ja auch, dass damals Bildung zu etwas führen konnte. Nämlich tatsächlich zu Aufstieg. Das hat zwar nicht verhindert, dass es ein Heer akademischer Taxifahrer gab und dies selbstverständlich ein volkswirtschaftlicher Unfug war. Aber wer wollte, der konnte mit einer guten Ausbildung sozial aufsteigen. Bildung heute als mechanisches Mittel zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit zu begreifen, ist genauso falsch, wie zu behaupten, durch die Lockerung des Kündigungsschutzes würden Ältere schneller einen Job finden. Bildung schafft keine Arbeitsplätze. Und selbst wenn durch mehr sehr gut Ausgebildete in Deutschland ein Anreiz entstünde für hochspezialisierte Betriebe, sich anzusiedeln, löste das nicht das Problem der vielen Menschen, die nicht hochqualifiziert sein wollen oder können. Genau für die aber fehlt in Deutschland die Masse der Arbeitsplätze zu akzeptablen Löhnen.

Der gravierendste Unterschied zu den 70er Jahren ist, dass die heutige Unterschicht ihren Platz in der Gesellschaft oft schon in der zweiten oder gar dritten Generation einübt. Wenn eine junge Frau - wie jüngst in Berlin - eine Lehrstelle als Friseurin abbricht mit der Begründung, sie bekomme mehr Geld, wenn sie Hartz IV beantrage und schwarz putzen gehe, dann hat die Politik vieles falsch gemacht. Unter anderem zugelassen, dass staatliche Alimentation zu einer gesellschaftlich anerkannten Lebensform wird, die jeglichen individuellen Aufstiegswillen verschüttet.

Aufstieg als Massenphänomen, wie ihn Kurt Beck kennt und wie es ihn in den 60er und 70er Jahren der alten Bundesrepublik gab, ist Geschichte. Dazu brauchte es auch die Wachstumsraten und Lohnabschlüsse dieser Zeit. Diese Entwicklungen spielen sich derzeit woanders in der Welt ab. In China, Brasilien, Indien. Aufstiegsmöglichkeit in Deutschland kann gesellschaftlich nur noch heißen, jeder sollte eine Chance haben, eine Arbeit zu finden, die ihn ernährt. Egal auf welchem Niveau. Und jeder muss das Recht auf Bildung nach seinen Fähigkeiten haben. Weil er ein Mensch ist. Nicht eine Arbeitskraft.


Aus: "Kommentar Bildung: Raus aus der Unterschicht" VON BRIGITTE FEHRLE (17.10.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/meinung/kommentare_aus_der_zeitung/?sid=a73eaf79aec4e5a72ccdca2c55216a8e&em_cnt=990757 (http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/meinung/kommentare_aus_der_zeitung/?sid=a73eaf79aec4e5a72ccdca2c55216a8e&em_cnt=990757)


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Quote[...] Die Gründe für die sinkende Aufwärtsmobilität liegen u.a. im "Outsourcing", der Ausgliederung schlecht bezahlter Tätigkeiten in besondere Unternehmen oder auch Leiharbeit, denn innerbetrieblicher Aufstieg wird damit abgeschnitten. Kombilohnmodelle - auch die Kombination von Teilzeitarbeit und ALG II - und Minijobs mit weniger Abgaben halten schlecht Bezahlte in diesen Tätigkeiten fest. "Die Politik hat durch die Deregulierung von Leiharbeit und Minijobs und das Kombilohnmodell ALG II zur abnehmenden Aufstiegsmobilität beigetragen", kritisiert Bosch. "Abnehmende Aufstiegsmobilität bedeutet aber Verfestigung des Niedriglohnsektors mit Armut."


Aus: "Vom Tellerwäscher zum Millionär ist es schwer - IAT untersuchte Aufstiegsmobilität" - Niedriglohnsektor mit Armut verfestigt sich Von Prof. Dr. Gerhard Bosch (24.10.2006; Forum für Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft)
Quelle: http://www.innovations-report.de/html/berichte/wirtschaft_finanzen/bericht-72612.html (http://www.innovations-report.de/html/berichte/wirtschaft_finanzen/bericht-72612.html)

Title: [richtig Hunger haben]
Post by: lemonhorse on October 14, 2006, 06:23:43 PM
Quote[...] Laut Schmidt waren vor viereinhalb Jahren 67 Familien Kunden der Tafel, heute sind es 1447 Erwachsene und 492 Kinder, die sich in den Räumen an der Elbinger Straße regelmäßig Lebensmittelspenden abholen. Insbesondere mit der Einführung von Hartz IV habe sich die Lage dramatisch verschlechtert.
Erschütternd auch die Darstellung des Leiters der Parkschule, der darüber berichtete, dass viele Kinder zur Schule kommen und ,,richtig Hunger haben". Aber auch in anderen Bereichen, wie etwa der Finanzierung von Klassenfahrten, sei die Armut deutlich spürbar.

[...] Mit Blick auf die Definition von Armut plädierte Mattern dafür, den Begriff nicht nur auf den Mangel an finanziellen Mitteln zu reduzieren. ,,Es gibt auch Bildungsarmut sowie Armut an Chancengleichheit und Selbstbewusstsein", stellte der Verwaltungsvertreter klar...


Aus: "In Delmenhorst dem deutschen Elend begegnet" (Delmenhorster Kreisblatt 2006; 14. Oktober 2006 )
Quelle: http://www.dk-online.de/index.php?artikel=1205117

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Quote[...] In der Union herrscht Uneinigkeit über weitere Einschnitte für Hartz-IV-Empfänger. Kanzleramtschef de Maizière wies Vorschläge für weitere Kürzungen zurück. Zur Begründung verwies der CDU-Politiker darauf, dass im neuen Jahr ohnehin eine verschärfte Regelung für Hartz-IV-Empfänger in Kraft tritt. Danach könnten die Leistungen drastisch gekürzt werden, wenn die Empfänger eine zumutbare Arbeit ablehnen. Diesen Mechanismus solle man erst einmal wirken lassen. Zuvor hatte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion und frühere CDU-Generalsekretär Meyer gefordert, vor allem die Kinder-Zuschläge auf den Prüfstand zu stellen. Wer Arbeitslosengeld II beziehe, erhalte für seine Kinder ungefähr doppelt so viel Unterstützung wie jemand, der arbeite und Kindergeld bekomme.


Aus: "CDU uneins über Kürzungen für Hartz-IV-Empfänger" (14. Oktober 2006)
Quelle: http://www.mdr.de/nachrichten/meldungen/3608665.html
Title: [Hartz IV in Deutschland und La Famiglia in Italien]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 16, 2006, 12:12:44 PM
Quote[...] Während es hierzulande Kritik an Hartz IV hagelt, gibt es in Italien gerade mal ein halbes Jahr lang Unterstützung für Arbeitslose. Danach zahlt der Staat keinen Cent mehr - die Sozialversicherung heißt dann: la famiglia. Wenn die nicht einspringt, hilft nur noch die Caritas.


Aus: "Arbeitslosigkeit in Italien: Hartz IV auf italienisch: La Famiglia" (15.10.2006)
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6004828_TYP_THE_NAV_REF3,00.html
Title: [In Zahlen ausgedrückt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 16, 2006, 12:15:35 PM
Quote[...] In Zahlen ausgedrückt: Erhielten am 21. Dezember 2004 noch 270 585 Berliner laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, waren es ein Jahr später nur 8266 Personen. Dafür ist die Zahl der Berliner, die unter die Hartz-IV-Gesetze fallen - dazu zählt das neue Sozialgesetzbuch II -, im vergangenen Jahr explosionsartig gestiegen. Als Anfang 2005 Arbeitslosengeld und Sozialhilfe bundesweit zusammengelegt worden waren, zählten die Jobcenter 225 000 Bedarfsgemeinschaften mit 310 000 Menschen. Im März 2005 waren es bereits 279 000 Bedarfsgemeinschaften, im Oktober 314 000. Und bis April 2006 stieg die Zahl auf 335 000 Haushalte an.


Aus: "Die Armut in Berlin steigt rapide an: Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt zu - Mehr Jobs im Niedriglohn - Letzter Ausweg Sozialhilfe" (2006/10/16)
Quelle: http://www.morgenpost.de/content/2006/10/16/politik/859959.html (http://www.morgenpost.de/content/2006/10/16/politik/859959.html)

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Quote[...] Zunächst einige Fakten: Roach konstatiert, dass der Lohnanteil am Volkseinkommen in den Ländern der so genannten G7 plus (USA, Kanada, Japan, Großbritannien und den zwölf Ländern der Euro-Zone) zwischen 2001 und 2006 von 56 Prozent auf den anscheinend niedrigsten je gemessenen Wert von 53,7 Prozent gefallen ist. Die Zahlen für die etwas andere Grundgesamtheit der G10 zeigten jedenfalls, dass diese 53,7 Prozent niedriger waren als in irgendeinem Jahr seit 1975. Es scheint sich international dasselbe Bild zu ergeben, das der Sachverständigenrat in seinen Gutachten für Deutschland zeichnet: dass der Anteil der Löhne am Sozialprodukt irgendwann in den 70er-Jahren zugunsten des Anteils der Gewinne zu sinken begann und dass dieser Prozess sich in den 90er-Jahren noch beschleunigt hat.

Wer in einem der untersuchten Länder lebt, wird die Daten für plausibel halten. Hohe Arbeitslosigkeit, stärker werdende soziale Ungleichheit, Armut bei steigendem, öffentlich zur Schau getragenem Reichtum, all das ist heute sogar in den relativ egalitären Staaten Westeuropas augenfällig - auch ohne Diskussionen über neue Unterschichten. Man kann dieser Entwicklungsrichtung der kapitalistischen Gesellschaften gleichgültig gegenüberstehen, man mag sich darüber empören oder sich darüber sorgen, ob solche Gesellschaften noch eine Zukunft haben.


Aus: "Kolumne: Wenn das Pendel zurückschwingt" von Lucas Zeise (FTD; 31.10.2006)
Quelle: http://www.ftd.de/meinung/leitartikel/126959.html (http://www.ftd.de/meinung/leitartikel/126959.html)



Title: [...dass die Klientel sich verändert habe]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2006, 12:26:06 PM
Quote[...] "Wohungslose haben bei einem Regelsatz von 345 Euro monatlich bei exakter Wirtschaftshaltung genau 13,20 Euro pro Monat für die Gesundheitspflege und — vorsorge zur Verfügung" , so Geiger. Wobei bereits das "exakte Wirtschaften" die reine Illusion sei. Das Leben auf der Straße verändere die Menschen dazu zu sehr. Viele der heutigen Wohnungslosen seien von massiver Existenzangst betroffen. Die Selbstmordgefahr sei bei dieser Klientel deutlich erhöht. Wohnungslose litten überproportial stark an Infektionen, Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen, Störungen des Verdauungsapparates, oft chronisch. Schlechter Zustand der Zähne sei die Regel. Besonders problematisch wegen der hohen Zuzahlungen seien Zahnersatz und Sehhilfen. Willi Rosenberg, Betroffener und vor sieben Jahren Initiator der Pflasterstuben-Idee: "Damals hatten wir es am häufigsten mit offenen Wunden zu tun, mit Blasen, mit Magenschmerzen." Heute sei signifikant, dass die Klientel sich verändert habe. Die Leute seien jünger, und sie seien immens psychisch belastet.


Aus: "Armut macht krank, Krankheit macht arm" (Badische Zeitung vom Donnerstag, 12. Oktober 2006)
Quelle: http://www.badische-zeitung.de/lokales/lokalausgaben/offenburg/1,51-11819854.html

Title: [Zwischen den Tomatensträuchern... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2006, 12:31:48 PM
Quote[...] "Wir werden wie Sklaven gehalten. Wir müssen täglich zwischen zehn und 15 Stunden schuften, für einen Stundenlohn von drei Euro. Für Überstunden oder Nachtarbeit sehen wir keinen Cent mehr."

Untergebracht werden die illegalen Erntehelfer in verlassenen, heruntergekommen Baracken - ohne Wasser, oft auch ohne Strom. Den Kontakt zur Außenwelt blocken kriminelle Vorarbeiter ab, die so genannten "Caporali". Sie sind meist ebenfalls Osteuropäer, die die Schmutzarbeit für die italienischen Landbesitzer erledigen.

[...] Es ist ein Boden ohne Menschenrechte, den man nur undercover betreten kann. Dazu entschloss sich im Juli dieses Jahres der italienische Journalist Fabrizio Gatti: "Ich habe vorgegeben, ein rumänischer Immigrant zu sein. Auf den Feldern habe ich eine Welt entdeckt, die eines europäischen Landes unwürdig ist. Tausende Menschen, die unter brütender Sonne zwischen den Tomatensträuchern kriechen. Einmal habe ich miterlebt, wie ein Pole, dem ein Karton mit Tomaten umgefallen war, krankenhausreif geschlagen wurde."

[...] "Wenn man bedenkt, dass allein die Provinz Foggia in Apulien weit über 5.000 Arbeiter für die Ernte bräuchte, ist klar, warum dieses Loch von der Schwarzarbeit gefüllt wird. Dank der Polen und Rumänen können die italienischen Tomatenhändler dem Price-Dumping aus China Stand halten. Sie nehmen daher die dramatischen Vorgänge auf ihren Feldern gerne in Kauf."
Mysteriöse Todesfälle
Wenn jemand die Zwangsherrschaft nicht mehr in Kauf nehmen will, wird er krankenhausreif geschlagen. So geschehen im Juli dieses Jahres durch den 39-jährigen Rumänen Pavel Marin, der sich über die Arbeitsbedingungen beschwerte und in seine Heimat zurückkehren wollte. Als er vom Spital entlassen wurde, musste er sich tagelang vor den Mafiapaten in einer Baracke verstecken, um nicht erneut im Spital zu landen. Pavel Marins Peiniger sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft.

Viele Osteuropäer aber hatten auf den süditalienischen Erntefeldern weniger Glück: Seit 2005 sind ein Litauer und 13 Polen auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Auf Drängen der polnischen Behörden wurde die Anti-Mafia-Kommission in Bari eingeschaltet. Mittlerweile konnten 26 Personen, die im Verdacht stehen, Menschen getötet und verbrannt zu haben, festgenommen werden.




Aus: "EU-Bürger als Sklavenarbeiter - Ausbeutung von Osteuropäern made in Italy" Text: Nadja Bernhard (10/2006?)
Quelle: http://oe1.orf.at/highlights/67235.html (http://oe1.orf.at/highlights/67235.html)


Title: [Fettleibigkeit in Europa... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2006, 01:00:22 PM
Quote[...] Zum einen haben die Vereinten Nationen die reichen Länder zum Kampf gegen den Hunger vor allem bei Kindern aufgerufen. Zum anderen prangert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die zunehmende Fettleibigkeit in Europa an.


Aus: "Welternährungstag mit krassen Gegensätzen" (dpa; 16.10.2006)
Quelle: http://www.vitanet.de/aktuelles/Gesellschaft/20061016-Welternaehrungstag-mit-krassen-Gegensaetzen/ (http://www.vitanet.de/aktuelles/Gesellschaft/20061016-Welternaehrungstag-mit-krassen-Gegensaetzen/)

Title: [Demoralisierung und Demobilisierung... (zum Prekarität)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 18, 2006, 12:27:42 PM
Quote[....] Es ist deutlich geworden, dass Prekarität heutzutage allgegenwärtig ist. Im privaten, aber auch im öffentlichen Sektor, wo sich die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitstellen vervielfacht hat; in den Industrieunternehmen, aber auch in den Einrichtungen der Produktion und Verbreitung von Kultur, dem Bildungswesen, dem Journalismus, den Medien usw. Beinahe überall hat sie identische Wirkungen gezeigt, die im Extremfall der Arbeitslosen besonders deutlich zutage treten: die Destrukturierung des unter anderem seiner zeitlichen Strukturen beraubten Daseins und der daraus resultierende Verfall jeglichen Verhältnisses zur Welt, zu Raum und Zeit. Prekarität hat bei dem, der sie erleidet, tiefgreifende Auswirkungen. Indem sie die Zukunft überhaupt im Ungewissen lässt, verwehrt sie den Betroffenen gleichzeitig jede rationale Vorwegnahme der Zukunft und vor allem jenes Mindestmaß an Hoffnung und Glauben an die Zukunft, das für eine vor allem kollektive Auflehnung gegen eine noch so unerträgliche Gegenwart notwendig ist.

Zu diesen Folgen der Prekarität für die direkt Betroffenen gesellen sich die Auswirkungen auf die von ihr dem Anschein nach Verschonten. Doch sie lässt sich niemals vergessen; sie ist zu jedem Zeitpunkt in allen Köpfen präsent (ausgenommen den Köpfen der liberalen Ökonomen, vielleicht deshalb, weil sie - wie einer ihrer theoretischen Gegner bemerkte - von dieser Art Protektionismus profitieren, den ihnen ihre tenure, ihre Beamtenstellung verschafft und die sie der Unsicherheit entreißt). Weder dem Bewusstsein noch dem Unterbewussten lässt sie jemals Ruhe. Die Existenz einer beträchtlichen Reservearmee, die man aufgrund der Überproduktion von Diplomen längst nicht mehr nur auf den Qualifikationsebenen findet, flößt jedem Arbeitnehmer das Gefühl ein, dass er keineswegs unersetzbar ist und seine Arbeit, seine Stelle gewissermaßen ein Privileg darstellt, freilich ein zerbrechliches und bedrohtes Privileg (daran erinnern ihn zumindest seine Arbeitgeber bei der geringsten Verfehlung und die Journalisten und Kommentatoren jeglicher Art beim nächsten Streik). Die objektive Unsicherheit bewirkt eine allgemeine subjektive Unsicherheit, welche heutzutage mitten in einer hochentwickelten Volkswirtschaft sämtliche Arbeitnehmer, einschließlich derjenigen unter ihnen in Mitleidenschaft zieht, die gar nicht oder noch nicht direkt von ihr betroffen sind. Diese Art "kollektive Mentalität" (ich gebrauche diesen Begriff hier zum besseren Verständnis, obwohl ich ihn eigentlich nicht gern verwende), die der gesamten Epoche gemein ist, bildet die Ursache für die Demoralisierung und Demobilisierung, die man in den unterentwickelten Ländern beobachten kann (wozu ich in den 60er Jahren in Algerien die Gelegenheit hatte), die unter sehr hohen Arbeitslosen- und Unterbeschäftigungsraten leiden und permanent von der Angst vor Arbeitslosigkeit beherrscht werden.


Aus: "Zur Aktualität eines Begriffs: Prekarität ist überall" VON PIERRE BOURDIEU (18.10.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=dfdbb3a68cc0cfb80af96f44ef3e1a4d&em_cnt=991473 (http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?sid=dfdbb3a68cc0cfb80af96f44ef3e1a4d&em_cnt=991473)

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Quote[...] Kleinverdiener, die in Autos oder unter Brücken wohnen sowie brennende Autos und randalierende Jugendliche - Zeichen von sozialer Ungerechtigkeit, Perspektivlosigkeit, Rassismus und Massenarbeitslosigkeit, die in Frankreich eine neue Debatte über Armut und Ausgrenzung auslösen.

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Rund fünf Prozent der 60 Millionen Einwohner leben am Existenzminimum. Vor allem in den Großstädten ist die Armut sichtbar, wo Obdachlose unter Brücken und in U-Bahn-Schächten hausen oder Kleinverdiener in Autos oder Zelten leben, weil die Mieten unerschwinglich sind.

Die Vereinigung ADT-Vierte Welt schätzt die Zahl der Personen, die in Frankreich kein festes Dach über dem Kopf haben oder in unzumutbaren Unterkünften leben auf rund 3 Millionen, davon sollen 100 000 auf der Straße leben. Nicht alle sind zwangsläufig auch arbeitslos. Viele von ihnen halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Für eine Mietwohnung - auch in Pariser Randgebieten - reicht das Geld oft trotzdem nicht. Selbst der gesetzliche Mindestlohn (SMIC) in Höhe von rund 1 200 Euro monatlich für eine geregelte Arbeit garantiert kein festes Dach über dem Kopf. Immer mehr Menschen leben in ihrem Auto oder quartieren sich wechselnd bei Verwandten und Freunden ein.

Auch die Zahl der Empfänger von Sozialhilfe, die zwischen 400 Euro für einen Alleinstehenden und etwas mehr als 900 Euro für ein Paar mit zwei Kindern liegt, nimmt explosionsartig zu. So zählte man in Frankreich Ende 2005 rund 3,5 Millionen Sozialhilfeempfänger - 100 000 mehr als im Jahr zuvor. Am stärksten betroffen sind Alleinerziehende sowie Menschen unter 30 Jahren und Rentner. Rund eine Million Kinder leben in Armut.

In Frankreich gibt es 2,16 Millionen Arbeitslose. Vor allem Jugendliche aus Einwandererfamilien aus dem Maghreb und Westafrika sind von dieser Beschäftigungslosigkeit betroffen, die nicht zuletzt im vergangenen Herbst zu den heftigen Gewaltausbrüchen in Frankreich geführt hat.


Aus: "Analyse: Auch in Frankreich wächst die Kluft" (TA; 17.10.2006; dpa)
Quelle: http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.politik.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20061017-296-dpa_12886328.nitf&kategorie=&catchline=%2Fthema%2F%23story&other=tdt&dbserver=1 (http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.politik.volltext.php?zulieferer=dpa&redaktion=bdt&dateiname=iptc-bdt-20061017-296-dpa_12886328.nitf&kategorie=&catchline=%2Fthema%2F%23story&other=tdt&dbserver=1)

Title: ["White Trash" als "unterste Sozial-Schublade"... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 18, 2006, 12:36:01 PM
Quote[...] Washington - In den USA gilt als arm, wer als Single weniger als 9973 Dollar (7961 Euro) im Jahr verdient. 20 000 Dollar sind die Grenze für eine vierköpfige Familie. Laut Statistik sind dreimal mehr Schwarze als Weiße arm. Als "Underclass" (Unterschicht) gelten in der Umgangssprache jene, die aus dem System gefallen sind und keine Aufstiegschancen haben. Arme Afroamerikaner werden auch "Poor Blacks" genannt. Die ethnischen Verunglimpfungen von armen Weißen sind facettenreicher. Sie reichen von "Joe Dirt" (Joe Schmutz) über "White Blacks of America" bis hin zum besonders häufig gebrauchten "White Trash" (Weißer Abfall).

Diese Stigmatisierung zielt auf arme und einkommensschwache Weiße gleichermaßen ab und schiebt als Art Oberbegriff für schlechtes Benehmen, Mangel an Bildung und geringe moralische Standards die Betroffenen in die unterste soziale Schublade. "White Trash" wird oft auch mit Trunkenheit oder lautem Benehmen assoziiert.

Rund 37 Millionen US-Bürger oder 12,6 Prozent der Gesamtbevölkerung gelten als arm. 46,6 Millionen haben nach Angaben der US-Statistikbehörde keine Krankenversicherung. Arbeitslosengeld wird etwa im Bundesstaat Virginia nur zwischen zwölf und 26 Wochen gezahlt. Die Summe schwankt laut Behörden zwischen 54 und 330 Dollar (263 Euro) pro Woche. dpa


Aus: "USA: "White Trash" markiert unterste Sozial-Schublade" (fr; 18.10.2006)
Quelle: http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=3be3387b2a43356b961f038781809280&em_cnt=991516 (http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=3be3387b2a43356b961f038781809280&em_cnt=991516)


Title: [Kinder in Osteuropa... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2006, 10:50:14 AM
Quote[...] Obwohl sich die wirtschaftliche Lage in den osteuropäischen Regionen insgesamt verbessert habe, lebten zum Beispiel in Kirgisien noch bis zu 80 Prozent der unter 15-Jährigen in Haushalten, die mit weniger als 1,70 Euro pro Tag auskommen müssten, teilte das Hilfswerk der Vereinten Nationen in Köln in ihrem Osteuropa-Bericht mit.

Armut sei auch der Hauptgrund dafür, dass eine große Zahl von Kindern in Bulgarien und Rumänien eben nicht in ihren Familien, sondern in Heimen aufwachse.

Im Vergleich zu den neunziger Jahren ist die Zahl der Kinder, die in Armut aufwachsen, laut Unicef-Bericht zwar von 32 auf 18 Millionen gesunken. Das liege aber weniger an verbesserten Lebensumständen als an einer drastisch gesunkenen Geburtenrate. Diese hat Unicef zufolge in den untersuchten 20 Staaten Südosteuropas und der ehemaligen Sowjetunion von 1998 bis 2003 um elf Millionen abgenommen.

In Fragen der Gesundheitsversorgung, bei sanitären Einrichtungen und der sozialen Infrastruktur zeichne sich statt Fortschritten vielfach nur Stagnation ab, hieß es.

Aus: "STUDIE: Kinder in Osteuropa extrem arm - Jedes vierte Kind in Südosteuropa und der ehemaligen Sowjetunion lebt in extremer Armut. Das geht aus einer Unicef-Studie hervor" (SPON; 18. Oktober 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,443215,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,443215,00.html)

Title: [Kinderarmut in Hamburg... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2006, 10:56:47 AM
Quote[...] Diskutiert werden in den Medien gelegentlich Einzelfälle; ein misshandeltes oder unterversorgtes Kind oder auffällige Jugendliche. Aber die ,,verlorenen" Kinder dieser Stadt sieht man selten. Sie ,,verirren" sich kaum auf die Flaniermeilen rund um die Alster; sie sind nicht zu sehen in den schicken Einkaufspassagen der Innenstadt.


Unter der CDU-Mehrheit in Hamburg hat sich die Kinderarmut verschärft. ,,Seit 1992 bemühen wir uns, Politik und Öffentlichkeit – leider ohne erkennbaren Erfolg – wachzurütteln. Waren 2003 15% aller Kinder in Hamburg arm, sind es heute bereits 23%," so Professor Wulf Rauer, Vorsitzender des Kinderschutzbund Hamburg.

[...] Armut führt besonders bei Kindern zu einer Lebenslage in der wichtige Lernprozesse verhindert werden und Ausgrenzung erlebt wird. Den Kindern fehlt Erfahrungsreichtum und damit Verhaltenskompetenz. Durch die aktuellen bildungspolitischen Trends wird in Hamburg die intensive schulische Selektion gefördert und dies reduziert die Bildungschancen für benachteiligte Schüler maßgeblich. Die ,,Ghettoisierung" von Armut, d.h. die sozialräumliche Ausgrenzung von Armutsbevölkerung in spezielle Quartiere und Stadtteile verstärkt die Not noch.

[...] Nach der neuesten Untersuchung der SPD Frau Andrea Hilgers schätzen sogar 20% der Kita-Leitungen in den sozial benachteiligten Stadtteilen die ,,pädagogische Kontinuität" als schlecht ein, sie klagen über fehlende Mitarbeiter und wenige Mittel. Ebenfalls Folge des ,,Gutschein-Systems" in diesen Gebieten: fast jede zehnte Familie ist mittlerweile bei den Einrichtungen verschuldet.


Aus: "Kinderarmut in Hamburg: ,,...die im Dunklen sieht man nicht"
Kategorie: Wirtschaft & Soziales, hiz berichtet
Von: hp/hiz
Ein Viertel der Kinder in Hamburg lebt von Hartz IV. Fast 75.000 Kinder, deren Entwicklungs- und Bildungschancen in dieser reichen Stadt Hamburg fast aussichtslos sind" (20.10.2006)
Quelle: http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/kinderarmut-in-hamburg-die-im-dunklen-sieht-man-nicht/ (http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/kinderarmut-in-hamburg-die-im-dunklen-sieht-man-nicht/)

Title: [Versteckte Armut... (Deutschland, Scham und Armut)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 19, 2006, 11:24:26 AM
Quote[...] Wenn es um die ausufernden Kosten für das Arbeitslosengeld II (ALGII) geht, lenkten Politiker bisher gerne die Aufmerksamkeit auf den vermeintlich grassierenden Missbrauch. Dabei ist das Arbeitsministerium - wollte man zynisch sein - letztes Jahr mit rund 26 Milliarden Euro noch recht gut weggekommen. Denn tatsächlich nehmen viele Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation sehr wohl Anrecht auf ALG II hätten, den Anspruch gar nicht wahr.

Das zeigt eine neue Studie, die die Forscherin Irene Becker jetzt im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erstellt hat. Mitten in der hitzigen Debatte über Armut in Deutschland zeigt die Untersuchung außerdem, dass das Problem noch sehr viel größer ist als die offiziellen Statistiken vermuten lassen.

Mithilfe von Daten aus dem Sozioökonomischen Panel, einer jährlichen Haushaltsbefragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, berechnete die Wissenschaftlerin: Eigentlich wären statt der rund 7,4 Millionen Menschen, die aktuell in Haushalten mit Hartz-IV-Unterstützung leben, etwa zehn Millionen Menschen ALG-II-berechtigt. Über 30 Milliarden Euro müsste die Bundesregierung Beckers Einschätzung zufolge insgesamt jährlich aufbringen, wenn sich alle Leistungsberechtigten bei den zuständigen Jobcentern melden würden.

Der immer wieder hochkochenden Missbrauchs-Debatte will die Autorin mit ihrer Studie den Zündstoff nehmen. Denn ihre Ergebnisse ständen "in auffallendem Kontrast" zu der Vermutung, die jetzt schon hohe Zahl an ALG-II-Empfängern lasse sich mit den zahlreichen Trittbrettfahrern erklären, die die Unterstützung eigentlich gar nicht nötig hätten. Auch die viel diskutierte These, die Hartz-IV-Unterstützung motiviere zum Nichtstun, sei ihren Forschungsergebnissen nach zumindest höchst diskutabel. "Viele Bedürftige verzichten auf Arbeitslosengeld II - und das Hauptmotiv ist Scham", sagte Becker zu SPIEGEL ONLINE. Offensichtlich hätten viele Menschen das Bedürfnis nach Anerkennung und Selbständigkeit.

In der aktuellen Armuts-Debatte liefert die Studie außerdem noch einmal die erschreckende Wahrheit über die deutschen Verhältnisse. Besonders oft bedürftig sind der Untersuchung zufolge Alleinerziehende, Geringqualifizierte und Teilzeitjobber. 3,4 Millionen Kinder und Schüler leben in bedürftigen Familien. Je mehr Kinder in einem Haushalt leben, desto höher das Armutsrisiko.

Besonders eindrücklich sind solche Fakten angesichts der strengen Kriterien, die Forscherin Becker ansetzt. Während sonst häufig bei Studien zu dem Thema jeder als arm gilt, dessen Einkommen unter 60 Prozent des deutschen Durchschnitts liegt, zählt Becker nur ALG-II-Berechtigte dazu.

Die offiziellen Statistiken verraten nur die halbe Wahrheit, lautet die Schlussfolgerung Beckers. "Dabei hat mich das Ausmaß des Entsetzens schon verwundert", kommentiert die Wissenschaftlerin die aktuelle Armuts-Debatte. Denn die Ergebnisse der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über das "abgehängte Prekariat", die die Debatte angestoßen hat, habe letztlich nur längst bekannte Erkenntnisse bestätigt.


Aus: "VERSTECKTE ARMUT: Zehn Millionen Deutsche sind bedürftig" (ase; SPON; 18. Oktober 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,443327,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,443327,00.html)

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Quote[...] «Sie leben in verdeckter Armut - und mit ihnen etwa eine Million Kinder», stellte Becker fest. Betroffen seien vor allem gering Qualifizierte, Teilzeitbeschäftigte, die keine volle Stelle finden, sowie Familien mit drei oder mehr Kindern. Hinzu kämen 1,5 Millionen Haushalte, die auch ein Vollzeiteinkommen nicht vor Bedürftigkeit schütze.

Die Ökonomin hat für ihre Studie das Ausmaß der Bedürftigkeit auf Basis einer seit 1984 fortgeschriebenen Datensammlung geschätzt. Dabei seien die jüngsten zur Verfügung stehenden Zahlen von 2004 zu Grunde gelegt worden. Für das so genannte sozioökonomische Panel werden jährlich mehr als 11 000 Haushalte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin befragt.


Aus: "Studie zu verdeckter Armut veröffentlicht - Millionen Menschen verzichten auf die ihnen zustehende Unterstützung" (18.10.06)
Quelle: http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1160644260689&openMenu=987490165154&calledPageId=987490165154&listid=994342720546 (http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1160644260689&openMenu=987490165154&calledPageId=987490165154&listid=994342720546)

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Title: [Häufig im Verborgenen... (Armut in der Türkei)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 20, 2006, 11:11:22 AM
Quote[...] Etwa ein Viertel der mehr als 70 Millionen Einwohner der Türkei lebt nach Berechnungen der Statistiker in Ankara unterhalb der Armutsgrenze. Wer noch weniger hat - fast eine Million Menschen oder ein Prozent der Bevölkerung - fristet ein Dasein an der Grenze des Hungers. Nach Angaben der Behörde ist die Armut auf dem Land weiter verbreitet als in der Stadt und nimmt mit der Größe der Familie zu. So lebt etwa jede zweite türkische Familie mit sieben und mehr Angehörigen unterhalb der Armutsgrenze.

[...] Nicht jeder ist bereit, seine Bedürftigkeit offen zur Schau zu tragen. Wer in Armut lebt, tut dies häufig im Verborgenen, das ist in der Türkei nicht anders als anderswo auf der Welt.


Aus: "Armut in der Türkei: "Wenn doch immer Ramadan wäre"" (Donnerstag, 19. Oktober 2006)
Quelle: http://www.n-tv.de/722795.html (http://www.n-tv.de/722795.html)

Title: [Diese Sonderstellung ist weg... (BRD und die soziale Durchlässigkeit)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 24, 2006, 11:40:02 AM
Quote[...] "Die 10 Prozent der reichsten Menschen in Deutschland konzentrieren über 46 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland", stellt Professor Ernst-Ulrich Huster, Politikwissenschaftler an der Evangelischen Fachhochschule Bochum, fest.

Doch über diese Kernaussage hinaus bleiben verlässliche wissenschaftliche Angaben über die Reichen in Deutschland schwierig. In Datenerhebungen wird oft in der höchsten Einkommensgruppe nicht ausreichend differenziert, zudem halten sich die Reichen mit Auskünften zurück. "Der Arme will, dass seine Armut wahrgenommen wird, der Reiche schweigt und genießt", sagt Huster. "Der Reiche - das scheue Wild", fasste Rolf Stöckel, Sprecher der "AG Verteilungsgerechtigkeit" der SPD-Fraktion, die unzureichende Datenlage zusammen.

[...] Früher sei Deutschland zudem weltweit vorbildlich für die soziale Durchlässigkeit seiner politischen Klasse gewesen, erklärte Hartmann weiter. Die Volksparteien hätten gerade auch Angehörige der mittleren und unteren Schichten in die politische Verantwortung gebracht. "Diese Sonderstellung ist weg", fuhr er fort. Durch die Mitgliederverluste von SPD und CDU/CSU und die Verweigerungshaltung weiter Bevölkerungsteile spiegele die Politikerklasse immer weniger die reale Bevölkerung wieder. Die Politikerklasse nähere sich mit ihrer gehobenen sozialen Zusammensetzung der Wirtschaftsklasse an, so Hartmann. "Je näher Polit- und Wirtschaftseliten aneinanderliegen, desto größer ist die Gefahr, dass ihre Wahrnehmung von sozialer Wirklichkeit nicht mehr mit der von vielen Menschen in Deutschland korrespondiert", warnte Hartmann.


Aus: "Die unbekannte Oberschicht" taz vom 24.10.2006, S. 7, 133 Z. (TAZ-Bericht), CHRISTOPH GERKEN
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/10/24/a0076.1/text (http://www.taz.de/pt/2006/10/24/a0076.1/text)

Title: [Vergleich der traurigen Zahlen... (Köln)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2006, 11:16:52 AM
Quote[...] Auch in Köln wächst die Armut. Fast 13 Prozent der Menschen können ohne staatliche Unterstützung ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Beinahe jedes vierte Kind gilt als arm.

[...] Wie die meisten hier kommt sie regelmäßig zur kostenlosen Essensausgabe. Rund 450 Personen werden jeden Dienstag zwischen 14 und 18 Uhr von ehrenamtlichen Helfern mit dem Nötigsten versorgt: Brot, Gemüse, Obst, Nudeln, Milch, Mehl. Heute gibt es außerdem Sauerkraut und Joghurt.

Von 1000 Kölnern leben 129 von staatlichen Transferleistungen. Sie beziehen Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Grundsicherung oder Hilfen zum Lebensunterhalt. Nicht in der Zahl enthalten sind die Arbeitslosen, die normales Arbeitslosengeld bekommen. Das sind bei 1000 Kölnern noch einmal mehr als 15 weitere Betroffene, die man jedoch keinesfalls pauschal als ,,arm" bezeichnen darf.

Die Stadtverwaltung hat für den nächsten Sozialausschuss die Ergebnisse eines Kennzahlenvergleichs der 16 größten Städte Deutschlands vorgelegt. Köln schneidet etwas besser ab als der Durchschnittswert des interkommunalen Vergleichs, wonach 139 von 1000 Großstädtern von staatlichen Transferleistungen leben. Die größte Gruppe unter ihnen bilden die ,,Hartz IV"-Betroffenen. Mit der Einführung des Arbeitslosengeldes II ist die Zahl der Empfänger der klassischen Sozialhilfe zum Beispiel in Köln auf unter 0,2 Prozent der Bevölkerung gesunken.

Unter den Kölnern bis 65 Jahre fielen im Jahr 2005 fast 14,2 Prozent unter die Regelungen der ,,Hartz IV"-Gesetze. Am stärksten betroffen sind Kinder: Für 227 von 1000 Kindern unter 15 Jahren wird Sozialgeld gezahlt, weil ihre Eltern Langzeitarbeitslose sind oder weniger verdienen, als die ,,Hartz IV"-Bemessungsgrenze vorsieht. Somit kann fast jedes vierte Kind in Köln als ,,arm" bezeichnet werden. Am zweitstärksten ist die Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener von 15 bis 25 Jahre betroffen. Im interkommunalen Vergleich der traurigen Zahlen schneidet Köln besser ab als andere.


Aus: "Rangliste der Bedürftigkeit birgt Sprengstoff" VON HELMUT FRANGENBERG (Kölner Stadt-Anzeiger; 25.10.2006)
Quelle: http://www.ksta.de/html/artikel/1161673298300.shtml (http://www.ksta.de/html/artikel/1161673298300.shtml)

Title: [Resultat des Handelns... (Die seelischen Defizite)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 31, 2006, 10:40:20 AM
Quote[...] Sowohl das Wirtschaftswunder im Westen als auch die sozialistische Idee im Osten waren nach dem Krieg geeignet, demokratische Verhältnisse zu etablieren, ohne dass man sich ernsthaft der möglichen Heilung vorhandener seelischer Schäden bei Millionen Deutschen annehmen musste, die Nationalsozialismus, Krieg und Völkermord erst ermöglicht hatten. Dank der tiefenpsychologischen und neurobiologischen Forschung wissen wir, wie frühe Beziehungsstörungen, die Kinder erleiden, noch im Erwachsenen-Alter zu destruktiven innerseelischen Vorgängen führen, die sich bei sozialer Not, psychischer Angst und geeigneter Verführung als kollektiver Wahn abreagieren können, wenn eine Mehrheit davon betroffen ist. Die Zerstörung, die am Ende einer solchen massenpsychologischen Verblendung steht, ist dann das äußere Abbild eines gegebenen innerseelischen Zustandes.

Man mochte sich in beiden deutschen Staaten anfangs mit Aufbauleistungen der Täuschung hingeben, es sei möglich, aus dieser prekären seelischen Notlage herauszuwachsen. Ein verhängnisvoller Irrtum, der durch die Spaltung Deutschlands zusätzlich befördert wurde. Die Täuschung erlaubte es, die innerseelischen Störungen auf die jeweils andere Seite zu projizieren, um eigene Verletzungen und Entfremdungen nicht wahrnehmen zu müssen.

Wir wissen, ein hohler Sozialismus, dessen Ideale eben nicht innerseelisch verankert werden konnten, ist durch den Verlust an Überzeugung und durch seine Mangelwirtschaft kollabiert. Und wir sehen heute, wie eine global entfesselte Marktwirtschaft das humane, soziale und ökologische Gleichgewicht zerstört. Erneut sind wir alle beteiligt an einer derartigen Fehlentwicklung. Wiederum darf keiner sagen, er hätte nichts gewusst. Wir wissen, dass materielles Wachstum begrenzt ist, wir wissen, wie Profitstreben Arbeitslosigkeit und Armut schafft, und wir wissen, dass unsere Lebensform die natürlichen Ressourcen vernichtet und unser Klima im wörtlichen wie übertragenen Sinne zerstört. Wir haben inzwischen auch erfahren, dass es selbst in einer Demokratie möglich ist, Kriege auf der Grundlage von Lügen zu führen. Es gibt also bereits wieder Mehrheiten, die sich von Suggestionen, Manipulationen und verlogenen Ideologien leiten lassen.

Mit der großen Koalition haben wir unter all diesen Unständen auch noch eine Regierung gewählt, die bestenfalls moderiert und verwaltet. Bei der jede Vision in der verlogenen Umarmung des Partners erstickt wird.

Da kann es doch eigentlich niemanden überraschen, dass die "Unterschicht" aus Menschen gebildet wird, deren Schicksal dazu angetan ist, unsere Lage wie ein Schatten abzubilden - sei es durch Armut, Krankheit, Sucht, Gewalt, Kriminalität oder Radikalisierung.

[...] Die "Unterschicht" ist schließlich nichts weniger als Resultat des Handelns all derer, die eine "Oberschicht" bilden und bleiben wollen. Der Wille, möglichst stärker und erfolgreicher als andere zu sein, grenzt zwangsläufig Schwache und Erfolglose aus. Und wer durch äußere Gewinne seine inneren Defizite befriedigen will - ganz profan gesagt, sein Liebesdefizit mit Geld begleichen will -, der braucht erkennbare Verlierer.

Nach meiner Lebenserfahrung werden wir einer nächsten großen schweren Krise nicht entgehen. Die bitteren Wahrheiten, die sich mit einer zunehmend größer werdenden sozialen Kluft in unserer Gesellschaft zeigen, sind nur ein weiteres Alarmsignal. Der jäh anschwellende Unterschichten-Diskurs war für ein paar Tage, wie zu erwarten, wortgewaltig und veränderungsresistent. Aber machen wir uns da nichts vor: Wollen wir die hier angedeuteten und sich abzeichnenden destruktiven Tendenzen aufhalten, brauchten wir - so formelhaft das auch klingen mag - eine Politik, die fähig ist, die Macht des Kapitals weltweit so zu zügeln und zu kontrollieren, dass menschliche Grundbedürfnisse wieder im Mittelpunkt stehen. Und wir brauchten eine Bevölkerungsmehrheit, die ihre seelischen Defizite nicht mehr im Kaufen und Besitzen kompensieren muss. Entspannte soziale Beziehungen sind ein Grundbedürfnis des Menschen, das aber nur durch eine angemessene Empörung, durch Trauer und Schmerz über erlittene Beziehungsstörungen in der eigenen Lebensgeschichte befriedigt werden kann. Ich halte dies allen Ernstes für wahr - und leider für nicht realisierbar. Ein Volk passt eben nicht auf die Couch!

So bleibt die Frage für jeden Einzelnen - in welcher "Schicht" er auch leben oder landen mag -, wie er sein Menschsein findet und wahrt. Reichtum korreliert nicht mit Glück, und Armut ist keine Schande. Wert und Würde eines Menschen sind nicht "schichtgebunden". Schändlich und gefährlich aber ist eine Gesellschaft, die den sozialen Zusammenhalt aufgibt, für den allerdings wir alle verantwortlich sind.


Aus: "Aus der Haut fahren - Die seelischen Defizite einer sozial zerrissenen Gesellschaft bleiben völlig ausgeblendet" Von Hans-Joachim Maaz (27.10.2006; Dr. med. Hans-Joachim Maaz leitet die Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Diakoniewerk in Halle/S.)
Quelle: http://www.freitag.de/2006/43/06430101.php (http://www.freitag.de/2006/43/06430101.php)

Title: [...Winter in Polen]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 02, 2006, 10:34:00 AM
Quote[...] Sieben der zehn ärmsten Regionen der EU befinden sich in Polen, vor allem im Süden und Osten des Landes. Laut Statistik leben 45 Prozent der Polen am Rand des Existenzminimums. Nach einer Studie der Weltbank ist Polen eines der wenigen Länder Ostmitteleuropas, in denen die soziale Kluft zwischen neuem Wohlstand und Verarmung größer geworden ist.

[...] Junge Leute fliehen in die Städte oder ins Ausland. Zurück bleiben die Alten, die Kinder und die Gescheiterten, die nicht einmal mehr die Energie zum Weggehen haben.

Arbeitslosenunterstützung haben sie seit Jahren nicht mehr bekommen, den verarmten Gemeinden fehlt das Geld für Aufbauprogramme. Vom Frühjahr bis spät in den Herbst stehen deshalb vor allem die Frauen auf der Landstraße, verkaufen Beeren, Pilze, Früchte, um wenigstens ein paar Zloty von dem zu verdienen, was in Wäldern und Gärten gesammelt werden kann.

In den Großstädten dagegen sind an den Ausfahrtstraßen immer mehr Kinder und Jugendliche zu sehen, die an Ampelkreuzungen auf stehende Fahrzeuge zulaufen und die Windschutzscheibe in der Hoffnung auf ein Almosen putzen. Rentner verkaufen an Straßenecken Schnürsenkel und andere Kleinigkeiten, um mit dem bescheidenen Gewinn die kleine Rente aufzubessern.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Mutter jemals mehr als 30 Zloty (knapp acht Euro) im Portemonnaie hatte", beschreibt etwa die 17-jährige Aneta aus dem nordpolnischen Tczew die desolate Lage ihrer Familie. "Aber irgendwie leben wir halt doch." Das Irgendwie bedeutet Kleidung aus dem Lumpenhandel und oft der Verzicht auf eine warme Mahlzeit. Von Kinobesuchen, Kosmetik oder modischen Turnschuhen können Jugendliche wie Aneta nur träumen.

Es sind Verhältnisse wie diese, die die Polnische Humanitäre Aktion (PAH) 1998 zur Aktion Pajacyk (Hampelmann) bewogen hat. Der hölzerne Hampelmann ist nicht nur das Symbol einer Hungerseite im Internet, sondern für tausende Kinder ein Stück Hoffnung. Sie erhalten eine kostenlose Schulspeisung – für die meisten von ihnen die einzige warme Mahlzeit am Tag. Dabei haben etwa im ländlichen Masuren viele Kinder einen Schulweg von mehr als zehn Kilometern, längst nicht alle werden von einem Schulbus abgeholt.


Lehrer klagen immer wieder über schwache, unkonzentrierte Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können, weil sie oft nicht einmal ein Stück Brot zu essen hatten.


Aus: "Die Armut wird sichtbar: Winter in Polen" (1. November 2006)
Quelle: http://www.n-tv.de/727610.html
Title: [Höllische Zahnschmerzen, offene Beinen oder eine Nierenbeckenentzündung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 08, 2006, 11:53:10 AM
Quote[...] Der jüngste Gesundheitsbericht, den das Robert-Koch-Institut im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums auf Basis zahlreicher Einzelstudien veröffentlichte, liefert eindrückliche Zahlen dafür, wie sich die Schere zwischen den Bevölkerungsschichten öffnet: Viele Leiden wie permanente Rückenschmerzen, chronische Bronchitis, aber auch Schlaganfälle treten bei Männer in der unteren Sozialschicht deutlich häufiger auf als bei den gut Ausgebildeten und Gutverdienern. Für Frauen lassen sich zudem mehr Herzinfarkte und Diabetesfälle beobachten. Auch die psychische Gesundheit ist im unteren Gefüge der Gesellschaft schlechter.

Welche gesundheitlichen Probleme Menschen am untersten Ende der Gesellschaftsskala haben, sieht Sozialarbeiter Thomas Winistaedt jeden Tag auf der Krankenstation der Berliner Stadtmission. Zu ihm kommen Menschen ohne festen Wohnsitz, sie haben höllische Zahnschmerzen, offene Beinen oder eine Nierenbeckenentzündung. Mit ihren Leiden kommen sie fast immer viel zu spät. ,,Das liegt vor allem an den 10 Euro Praxisgebühr beim Arzt", sagt Winistaedt. ,,Diese Summe schreckt ab."

Zu der finanziellen Hürde komme die Scham, sich schlecht gekleidet in eine Arztpraxis zu setzen. Das sichtbarste Zeichen für Armut sind für Winistaedt die schlechten Zähne der Kranken. ,,Da macht sich die Mangelernährung sofort bemerkbar", berichtet er. ,,Viele Menschen sehen auch deutlich älter aus als sie sind."

Nur ein Gesundheitsproblem haben Obdachlose nicht: Sie leiden selten unter Übergewicht. Damit bleiben sie unter den sozial benachteiligten Schichten eine Ausnahme.


Aus: "Armut wird zunehmend sichtbar" Von Andrea Barthélémy und Ulrike von Leszczynski (7.11.2006)
Quelle: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1317068 (http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1317068)

Title: [Es gehe hier nicht um ein Sicherheitsproblem...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 08, 2006, 12:18:03 PM
Quote[...] Die Zielgruppe sei jünger geworden, berichtet Rieck. "Früher gab es die selbstbewussten Berber, die ihr Leben im Griff haben." Heute handele es sich oft um Menschen, die Arbeit, Familie und Freunde verloren hätten. "Ich dachte, ich war vorbereitet, als ich vor zwei Jahren anfing", sagt Helferin Marlies Thomsen. "Aber dann hat mich umgehauen, wie jung die sind."


Aus: "Obdachlose werden jünger" - Hamburg: Seit zehn Jahren versorgt der Mitternachtsbus Menschen, die auf der Straße leben. Nüchterne Bilanz: Die Armut zu besiegen ist nicht gelungen. Für ehrenamtliche Helfer gibt es derzeit eine Warteliste" von KAIJA KUTTER (taz Nord vom 7.11.2006, S. 24)
Quelle: http://www.taz.de/pt/2006/11/07/a0283.1/text

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Quote[...] Paris. SDA/DPA/baz. Nach einem erneuten Brandanschlag auf einen Bus am Sonntagabend haben die Busfahrer von 117 Pariser Vorstadt-Linien am Montagabend die Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaften forderten «mehr Geld für die Sicherheit».

Der Anschlag sei nicht in einem Problemviertel erfolgt, sondern vermutlich von einem Kommando gezielt in einem ruhigen Gebiet verübt worden. Ein Jahr nach den Jugendunruhen in französischen Vorstädten war es in den vergangenen Wochen wiederholt zu Anschlägen auf Busse gekommen.

Am Sonntagabend warfen in Tremblay bei Paris drei Vermummte Brandsätze in einen Bus. Der Fahrer konnte das Feuer löschen, erlitt aber Verletzungen und einen Schock.

Die private Busgesellschaft erklärte, sie habe bereits 18 Konfliktberater auf heiklen Busstrecken im Einsatz. Man könne nicht jeden Bus begleiten. Es gehe hier nicht um ein Sicherheitsproblem, sondern um ein beunruhigendes Gesellschaftsproblem.


Aus: "117 Buslinien in Pariser Vororten nach Anschlag lahm gelegt" (06.11.06)
Quelle: http://www.baz.ch/news/index.cfm?startpage=1&ObjectID=BF1C9DB1-1422-0CEF-7034B989D27695B5

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Quote[...] "In diesem Land sind 10 Prozent sehr reich, 20 Prozent leben gut, aber die Hälfte hungert. Schrecklich, was in diesem Land passiert."

Tausende Menschen leben auf diese Weise rund um Budapest. Noch will von offizieller Seite niemand das Wort Slum in den Mund nehmen. Verstärken sich die Probleme aber in den kommenden Jahren, könnten sich Elendsgürtel, ähnlich denen in Südamerika, um die ungarische Metropole legen.


Aus: "Ungarns Weg in die Armutsfalle: Zahl der Obdachlosen in Budapest steigt" (Deutschlandradio; 07.11.2006)
Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/560437/

Title: [Wichtige Triebfedern...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 13, 2006, 10:58:54 AM
Quote[...] Deutschlands Exportwunder beruht auf zwei Pfeilern: Dumpingpreise bei den Steuern und Schleuderpreise bei den Löhnen. Schon 2004 haben Deutschlands Unternehmen gemäss der neuesten OECD-Studie mit 1,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts die tiefsten Steuern aller Industrieländer (mit Ausnahme Islands) bezahlt. Mit 3,4 Prozent liegt der Durchschnitt aller OECD-Länder mehr als doppelt so hoch. Doch das reicht offenbar noch nicht. Mit der neuesten Steuerreform sollen die Unternehmen noch einmal um jährlich 5 Milliarden Euro sinken.

Die sinkenden Steuern und der so ausgelöste Druck auf die Löhne der Staatsangestellten sind zugleich auch einer der wichtigsten Triebfedern des allgemeinen Lohndrucks. Von 2003 bis 2006 ist zwar die reale Produktivität pro Arbeitsstunde um 5 Prozent gestiegen, die realen Stundenlöhne sind jedoch um 1,5 Prozent gesunken. Dadurch ist die Konkurrenzfähigkeit der Deutschen Industrie enorm gestiegen.

Umgekehrt wird es für die Nachbarstaaten immer schwieriger, ihre Waren und Dienstleistungen nach Deutschland zu exportieren: Erstens werden ihre Produkte relativ immer teurer. Zweitens fehlt den deutschen Haushalten zunehmend das Geld, und angesichts der Jobmisere auch die Lust zum konsumieren.

Diese Entwicklung bedeutet, dass Deutschlands Dumping-Wirtschaft nicht nur im eigenen Land, sondern auch bei seinen Handelspartner je rund zwei Millionen Jobs zerstört hat. Das gefährdet einerseits die Stabilität des Euro. Italien, Griechenland und Portugal sind praktisch konkurrenzunfähig geworden. Frankreich leidet auch schon unter dem (für Rest-Euroland zu teuren) Euro. Anderseits fällt auch Deutschland selbst zunehmend auseinander.

Von 1995 bis 2000 hat die reale Lohnsumme in Deutschland praktisch stagniert. Seither ist sie sogar um rund 5 Prozent gesunken. Ein wenig beachtetes Sonderkapital des neuen Berichts des deutschen Sachverständigenrates zeigt zudem, dass sich die Zunahme der Ungleichheit seit 1999 noch einmal stark beschleunigt hat. Von 1999 bis 2004 wurde nicht weniger als 10 Prozent der Markt- Einkommens der ärmsten 30 Prozent an die reichsten 30 Prozent von unten nach oben umverteilt. Dies wurde durch staatliche Umverteilung (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld) nur teilweise ausgeglichen. Die Armutsquote hat damit seit Mitte 1988 markant von rund 12 auf 17 Prozent der Bevölkerung markant zugenommen.



Aus: "Immer tiefere Löhne, noch weniger Gewinnsteuern: Deutschlands Dumping legt Europas Aufschwung lahm" VON WERNER VONTOBEL (11.11.2006)
Quelle: http://www.blick.ch/news/wirtschaft/artikel48982

Title: [Deutlich reicher und deutlich ärmer...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 13, 2006, 11:04:24 AM
Quote[...] Hamburg (dpa) - In den vergangenen zehn Jahren sind die Reichen in Deutschland nach einer Studie deutlich reicher und die Armen deutlich ärmer geworden. Nach der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat das ärmste Zehntel der Bundesbürger zwischen 1995 und 2005 rund fünf Prozent seines Anteils am Gesamteinkommen eingebüßt. Das oberste Zehntel dagegen hat gut ein Prozent hinzugewonnen. Besonders dramatisch seien die Einkommensunterschiede in Ostdeutschland gewachsen, berichtet «Der Spiegel».


Aus: "Schere zwischen Reich und Arm geht laut Studie weiter auseinander" (2006/11/12)
Quelle: http://www.businessportal24.com/de/Schere_Reich_Arm_Studie_71985.html

Title: [...der Blick auf die wirklichen Zustände]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2006, 12:27:10 PM
Quote[...]  Laut einer Studie der Stiftungen Annie E. Casey, Ford und Rockefeller leben derzeit in den USA mehr als 39 Millionen Menschen trotz Arbeit in Armut. Jeder vierte Job bringt nicht genügend ein, um eine Familie zu ernähren. Wie viele täglich kämpfen müssen, um trotz Arbeit nicht ins Elend abzurutschen, darüber gibt es keine Statistik. Das ist aber der Alltag für die amerikanische Mittelschicht.

Härter als in Europa war es in Amerika immer. Doch seit Roosevelts New Deal in den dreißiger Jahren gab es immer eine gewisse Grundversorgung, die aber zuletzt in radikaler Weise gekürzt worden ist. Einerseits wurden die Sätze der Unterstützung drastisch gesenkt, andererseits die Dauer für Langzeitarbeitslose auf fünf Jahre begrenzt. Die parallel versprochenen Bildungsmaßnahmen wurden nicht verwirklicht.

Das Resultat konnte sich auf den ersten Blick sehen lassen: Die Arbeitslosenquote sank auf drei Prozent, die Wirtschaft schien zu boomen. Doch die niedrige Rate verdeckt nur den Blick auf die wirklichen Zustände. Einerseits sind die sozialen Systeme der USA nun schlechter denn je darauf vorbereitet, eine wirtschaftliche Rezession durchzustehen. Zum anderen ist das amerikanische Jobwunder der letzten Jahre zu einem großen Teil ein Statistikbetrug.

Es wird immer schwieriger, staatliche Unterstützung zu bekommen. So sind immer mehr Menschen gezwungen, unter Bedingungen zu arbeiten, die vor Jahren noch nicht vorstellbar waren. Fast die gesamte untere Mittelschicht droht ins unterste Einkommensniveau abzurutschen, während große Teile der ehemaligen Arbeiterschicht mittlerweile als arm gelten. Soziale Unterstützung erhalten sie trotzdem nicht. Millionen arbeiten bis zu 16 Stunden am Tag, um überhaupt ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gleichzeitig sind die Einkommen der reichsten Amerikaner in den letzen 15 Jahren um 80 Prozent gestiegen. Die Einkommen der Ärmsten nur um 2 Prozent.

Für alle, die einmal in diesen Teufelskreis von Armut und dem damit verbundenem Zwang, in den Niedriglohnsektor zu gehen, geraten sind, wird es immer schwieriger, wieder herauszukommen. Einerseits bieten Beschäftigungen als Reinigungskraft oder in Fastfood-Ketten wenig Aufstiegschancen. Will man aus dem Trott heraus, muss man sich selbstständig um andere Arbeit bemühen. Die zeitliche Arbeitsbelastung von 60 und mehr Stunden pro Woche macht dies jedoch kaum möglich.

Im Gegenteil. Sie führt oftmals zu gesundheitlichen Problemen. Und hier beginnt der weitere Absturz, denn Kranksein ist mit einem kaum zu kalkulierenden finanziellem Risiko verbunden. Niedriglohnarbeiter müssen sich in den USA größtenteils privat versichern. 500 Dollar kostet dies im Monat. Das aber kann sich kaum einer leisten. Die staatliche Krankenversicherung Medicaid, die für die Ärmsten der Armen einspringt, zahlt nur noch in lebensbedrohlichen Notfällen, und so entsteht eine ,,Unterschicht" aus finanziellen und sozialen Verlierern – zumeist trotz ,,Vollzeitbeschäftigung".
Dieser Spirale fallen die möglichen Lösungen als erstes zum Opfer: Soziokulturelle Einbindung, Aus- und Weiterbildung. Das Gefühl von Perspektivlosigkeit in einer Struktur, die fallen lässt und gleichzeitig fordert, statt zu fördern, ist ein fruchtbarer Boden für jegliche Form von Radikalisierung.

Hört sich bekannt an?

[...] Wir leben in einer kapitalistischen Welt, mit allen Vor- und Nachteilen. Wir haben uns in den Wohlstandsländern in dieser Situation eingerichtet und merken eigentlich nicht – oder jetzt vielleicht doch langsam? –, dass die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Zukunft und Perspektivlosigkeit, immer größer wird. Soziale Ungerechtigkeit existiert, und es macht keinen Sinn die Augen davor zu verschließen, im Gegenteil. Diskussionen um Definitionen und neue Begrifflichkeit werden da wenig helfen.


Aus: "Gesellschaft: Unsere Unterschicht ist Amerikas Mittelschicht" Von Holger Ernst (13.11.2006) | [Der deutsche Regisseur Holger Ernst hat jahrelang in den USA gelebt. In seinem Kinofilm ,,The House is Burning" beschäftigt er sich mit Armut und Verwahrlosung. Die deutsche Unterschichten-Debatte erfasst nur einen Teil der Probleme]
Quelle: http://www.welt.de/data/2006/11/13/1109588.html

Title: [..."eine Art Imbissbude", wie ein arbeitsloser Psychologe spöttelt]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 17, 2006, 09:18:01 AM
Quote[...] [Berlin-Pankow] Aus dem quaderförmigen Flachbau steigt der dampfende Geruch von Nudeln und Gemüse ins Freie. Pünktlich zur Mittagsstunde zieht sich vor der Suppenküche des Franziskanerklosters eine Menschenschlange, akkurat in Zweierformation, vom laubbedeckten Vorgarten bis zur belebten Straßenecke.

Für Schwester Rita sind solche Szenen vertraut. Sie kennt sie aus ihrer brasilianischen Heimat. Und trotzdem kann sie dem Anblick kaum trauen: Das soll Deutschland sein, der berühmte Wohlfahrtsstaat und seine trendige Hauptstadt Berlin? Das hatte sie sich doch ganz anders vorgestellt.

Was sich in der Wollankstraße im Stadtteil Pankow, einst von Udo Lindenberg sehnsüchtig besungen, vor ihren Augen abspielt, ist die Kehrseite des Hauptstadtglanzes. Bis zu 500 Menschen stellen sich hier Tag für Tag - mit Ausnahme des Sperrtags am Montag - zum Mittagessen an, vor allem am Monatsende, wenn das Geld knapp wird.

"Hast du Roland gesehen?", fragt einer und ruft hinterher: "Kommst du morgen wieder?" Treffpunkt Suppenküche: für viele "eine Art Imbissbude", wie ein arbeitsloser Psychologe spöttelt. Für Thomas Dannat, einen 38-jährigen arbeitslosen Maler, und seinen Kumpel, einen 33-jährigen Schlosser mit charakteristischer Zahnlücke, ist die Adresse Wollankstraße 19 Fluchtpunkt eines tristen Alltags - und existenzielle Notwendigkeit in ihrem Überlebenskampf.

Untergebracht in einem Wohnheim im Stadtzentrum, scheuen sie nicht den Weg per S-Bahn nach Pankow, dem früheren Wohnviertel der DDR-Nomenklatura und der regimefreundlichen Intelligenzija. "Anderswo kostet das Essen 50 Cent", sagt Thomas. Für einen, der mit zehn Euro am Tag auskommen muss, fällt eine derartige Kalkulation durchaus ins Gewicht. Zumal er Wert legt auf frisch zubereitetes Essen und gesunde Ernährung.

Abseits und sichtbar auf Distanz zum Menschenauflauf blättert ein Mittsechziger ein wenig verstohlen in seinem Mathematik-Lehrbuch. Er hält viel auf Disziplin, geistige Fitness - und ein Mindestmaß an Sozialkontakten. Die Hoffnung, dass es wieder aufwärts gehen möge, hat er noch längst nicht aufgegeben. Er wälzt den Plan, sich im Frühjahr mit dem Zug nach Österreich abzusetzen.

Die Mehrheit hat sich mit ihrem Schicksal mehr oder weniger abgefunden: die Mutter mit ihrem schulpflichtigen Kind, die verhärmte Drogensüchtige, der zynische Psychologe, der Querulant, der einst Betriebswirtschaft studiert hat, der gewitzte Bauarbeiter aus dem Arbeiterbezirk Wedding mit dem Bandscheibenschaden oder der Mann im grauen Geschäftsanzug - ein Abbild der Gesellschaft.

Beinahe 300.000 Menschen sind in Berlin ohne Arbeit, zumeist bereits seit vielen Jahren. Sie schlagen sich mit Sozialhilfe durchs Leben, unter Abzug von Wohn- und Heizkosten müssen sie als Bezieher von Hartz IV mit 346 Euro im Monat oder als Ein-Euro-Jobber über die Runden kommen. Und ab 2007 wird auch noch die Mehrwertsteuer erhöht.

Bruder Antonius Maria Schütze, der Chef der karitativen Einrichtung der Franziskaner, bringt es auf den Punkt: "Es ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig."

Den 50-jährigen lebensfrohen Rheinländer im braunkarierten Flanellhemd, in salopper Cordhose und Sandalen, ein Hüne von einem Mann, wirft so leicht nichts um. Aber die grassierende neue Armut entringt ihm schon einmal ein herzhaftes Schimpfwort. "Es ist eine üble Gesellschaft, in der niemand krank, alt oder arbeitslos werden darf." Neuerdings bemerkt er eine traurige Tendenz: "Es kommen immer mehr Familien zu uns, und immer mehr fragen nach Nahrungsmittel fürs Frühstück und Abendessen." Das "Publikum" werde jünger.

Neben der Ausspeisung bieten die Franziskaner eine Hygienestation zum Waschen, eine Kleiderkammer und eine Sozialberatung. Im Speisesaal löffeln die Schützlinge des Bruder Antonius derweil aus ihrem Eintopf. Manche schmökern in der Zeitung, manche dreschen einen Skat. Als Dessert gibt es heute abgelaufene Donuts aus dem Supermarkt und Obst. Spenden wie diese würden immer seltener, erklärt Antonius. Sein Jahresbudget beträgt 380.000 Euro.

"Es ist schlimm, wie weit es mit Deutschland gekommen ist. Unsere Soldaten stehen im Nahen Osten, und wir werden als Sozialschmarotzer hingestellt", schimpft Udo Saiszhowa, der sich als Hilfsgärtner verdingt und von sich selbst längst sagt: "Ich gehöre hier schon zum Inventar."


Aus: "Reportage: Und das soll Deutschland sein?" Von THOMAS VIEREGGE (Die Presse; 17.11.2006)
Quelle:  http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=a&id=599296

Title: ["Nahrungsmittelunsicherheit" und Lebenswirklichkeit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 20, 2006, 01:37:00 PM
Quote[...]  Der neue Hungerbericht der US-Regierung ist für viele gleich dreifach schlimm. Erstens: Das zuständige republikanisch geführte Landwirtschaftsministerium hat ihn bewusst bis nach der Kongresswahl zurückgehalten. Die Demokraten sprechen von einem üblen Manöver: Unangenehme Fakten seien da verheimlicht worden. Zweitens: Zwar gibt es drei Millionen weniger hungrige Menschen in den USA als vor einem Jahr, aber noch immer sind 35 Millionen betroffen, allesamt arm und überwiegend Angehörige nicht-weißer Minderheiten.

Das dritte Ärgernis: Offiziell gibt es gar keinen "Hunger" mehr. Elf Prozent der Bevölkerung leidet laut Mark Nord vom Landwirtschaftsministerium statt dessen an - wie es offiziell heißt - "Nahrungsmittelunsicherheit". Künftig klagt man in Amerika also nicht mehr über "Hunger", sondern spürt eine gewisse "Nahrungsmittelunsicherheit".

[...] Elf Prozent der US-Bevölkerung hatten dem Bericht zufolge während des Jahres Probleme, genug zu Essen auf den Tisch zu bekommen. Es gibt zwei Gruppen: Die mit geringer und die mit sehr geringer Nahrungsmittelsicherheit. Die Erwachsenen ließen Mahlzeiten ausfallen oder aßen nur ein bisschen, weil sie kein Geld hatten. Oder sie gaben ganz allgemein an, zu wenig gegessen zu haben. Unter anderem auch, damit wenigstens die Kinder einigermaßen versorgt werden konnten.

Doch selbst das war im vergangenen Jahr nicht überall möglich. "Alleinerziehende Mütter haben viel größere Nahrungsmittelunsicherheit als andere. 2005 war jede Dritte betroffen, acht Prozent davon ging es besonders schlecht." Sie wiederum gehören zu der Gruppe, die im Gegensatz zum allgemeinen Trend größer geworden ist, zu denen mit "sehr geringer Nahrungsmittelsicherheit". 10,8 Millionen Amerikaner teilen dieses Schicksal, 100.000 mehr als im Jahr 2004. Damals durften die Fachleute noch von "Nahrungsmittelunsicherheit mit Hunger" sprechen, bevor man beschloss, dieses hässliche Wort zu streichen.

"Leider hat es unsere Regierung nicht geschafft, den Hunger selbst zu beseitigen", werden nun Aktivisten wie Pastor David Beckman von der "Anti-Hunger"-Gruppe in amerikanischen Medien zitiert. Seine Forderung an die Regierung in Washington: Wir sollten das Wort "Hunger" nicht scheuen, denn Hunger ist für viele Amerikaner nach wie vor ein Stück Lebenswirklichkeit.


Aus: "Regierung stellt Bericht vor: Amerika schafft den Hunger ab" Von Carsten Schmiester, NDR-Hörfunkkorrespondent Washington (17.11.2006)
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6104578_REF1,00.html (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6104578_REF1,00.html)
Title: [Gegensätze zeigten sich tagtäglich sehr konkret...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 21, 2006, 10:33:04 AM
Quote[...] Die sozialen Gegensätze zeigten sich tagtäglich sehr konkret: In einem einzigen Klassenzimmer säßen Kinder nebeneinander in sündhaft teurer Markenkleidung und Kleidern aus Secondhandshops. Da seien Jugendliche mit eigenen Kreditkarten und Jugendliche, denen das Geld für Schulbücher, für den Schulausflug oder für einen Aufenthalt im Schullandheim fehle. Dannhäuser beklagte, dass Armut oft der Grund sei für schlechte Bildungschancen. Von 100 Kindern, die bereits im Kindergarten arm waren, schaffen lediglich vier den Sprung ins Gymnasium.


Aus: "Soziale Spannungen spiegeln sich in den Schulen" Juergen Spaniol (20.11.2006)
Quelle: http://www.teachersnews.net/te68/index.nsf/url/A10F4428CDAC7FF8C12570A60077FC52?OpenDocument

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Quote[...] In Deutschland leben 1,7 Millionen Kinder in Armut, also jedes siebte Kind. In Berlin und vielen anderen west- und ostdeutschen Großstädten stieg die Kinderarmut auf fast 30 Prozent und mehr. Damit sind dort rund ein Drittel der Kinder vom normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, denn für diejenigen, deren Eltern im Zuge der Hartz-IV-Reformen vom Arbeitslosengeld II leben müssen, ist vieles tabu, was für andere Kinder selbstverständlich ist: Turnvereine, Musikunterricht, Zoobesuche, Einkaufsbummel. Nachhilfeunterricht ist unbezahlbar, geschweige denn ein kleiner Urlaub. In den meisten betroffenen Familien ist es sogar undenkbar, dass täglich ein warmes Essen auf dem Tisch steht.


Aus: "Mama, sind wir arm?" (21.11.2006)
Quelle: http://www.mdr.de/tv/programm/prog_detail+771616.html
Title: [Wachsende Armut lässt sich wiegen...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 22, 2006, 11:58:44 AM
Quote[...] Schwedt (MOZ): [...] "Gebrauchte Kleidung ist gefragter denn je", bestätigt DRK-Geschäftsführerin Emmy Strauch. Mehr als 700 Menschen fragen jeden Monat dort nach kostenloser Kleidung. Derzeit gesucht: Winterjacken und Pullover.Wachsende Armut hat Gewicht und lässt sich sogar wiegen. 13 000 Kilogramm Kleidung gab die DRK-Kleiderkammer im ersten Halbjahr 2006 an Bedürftige ab. Zwei Tonnen mehr als im ersten Halbjahr 2005. Allein im Oktober holten sich mehr als 700 Menschen gut 6700 Kleidungsstücke. Nach dieser Statistik gibt es innerhalb eines Jahres zehn Prozent mehr arme bzw. bedürftige Menschen in der Stadt.

Aus: "Wachsende Armut lässt sich wiegen" (moz.de; 21. November 2006)
Quelle: http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Uckermark/id/162120
Title: [...zunehmend "untypische" Beschäftigungsformen]
Post by: lemonhorse on November 23, 2006, 01:17:25 PM
Quote[...] Brüssel. Ein fixer, unbefristeter Job ist in Europa zu einem immer selteneren Luxus geworden. Die Norm sind zunehmend "untypische" Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Zeitarbeit oder Freelance-Verträge - oft ohne soziale Absicherung für den Arbeitnehmer. Dies geht aus einer Studie hervor, die die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel präsentierte.

Demnach verändert sich die Arbeitswelt in Europa rasant: Im vergangnen Jahr hatten in der EU 40 Prozent der Beschäftigen keinen festen Arbeitsvertrag. 2001 waren es noch 38 Prozent.


Aus: "Immer weniger haben einen fixen Job" Von SUSANNA BASTAROLI (Die Presse; 23.11.2006)
Quelle: http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=p&ressort=eu&id=600614


Title: [Zahl der Hilfesuchenden...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 29, 2006, 01:17:13 PM
Quote[...] Wenn Mahnungen kamen, schaute sie sie sich kurz an und legte sie dann zur Seite. Jeder Gang zum Briefkasten wurde ein Alptraum, sie bekam kein eigenes Bankkonto mehr, die Telefongesellschaften versagten ihr Laufzeitverträge und Klamotten gab's nur noch aus der Kleiderkammer.

So [...] es rund 7,2 Millionen Menschen in Deutschland, wie eine Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform belegt. Sie gelten als überschuldet, das heißt, diese Menschen können auch auf absehbare Zeit ihre Zahlungsverpflichtungen nicht begleichen. Die Stadt Brandenburg nimmt dabei einen traurigen Spitzenplatz ein: Mit 16,62 Prozent weist sie bundesweit die neunthöchste Schuldnerquote auf, direkt vor Frankfurt (Oder), die mit 16,78 Prozent auf dem achthöchsten Platz liegt. Schuldner-Hochburg ist Bremerhaven mit 20,68 Prozent.

[...] Arbeitslosigkeit und die Trennung vom Partner sind die Hauptgründe für den finanziellen Kollaps. "Hinzu kommt, dass viele Leute einfach nicht gelernt haben, mit ihrem Geld richtig zu wirtschaften", sagt Annett Kießig von der Caritas-Schuldnerberatung in der Stadt Brandenburg. 300 Klienten, deren durchschnittliche Schuldenlast bei 18 000 Euro liegt, berät sie jährlich. Allein in diesem Jahr sind 150 neue Klienten hinzugekommen, von denen etwa 69 Prozent Arbeitslosengeld II beziehen, 13 Prozent Rentner und acht Prozent Auszubildende sind. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Hilfesuchenden rasant zugenommen, berichtet sie.


Aus: "Wenn jeder Gang zum Briefkasten ein Alptraum wird" - 7,2 Millionen Deutsche sind überschuldet (28.11.2006 / Brandenburg/Havel)
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10826000/61009/1#seitenliste
Title: [Kinderarmutsquote in Deutschland...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 29, 2006, 01:34:14 PM
Quote[...] Einer UNICEF-Studie zufolge steigt die Zahl der in Armut lebenden Kinder in den meisten reichen Nationen. Die Situation von Kindern hat sich in 17 von 24 OECD-Staaten verschlechtert. In Deutschland ist die Kinderarmut mit 2,7 Prozentpunkten seit 1990 allerdings stärker gestiegen als in den anderen Industrienationen. Hierzulande ist jedes fünfte Kind arm. Mit einer Sozialhilfequote von 7,2 Prozent Ende 2003 weisen sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mit einer Quote von 3,4 Prozent einen deutlich höheren Hilfebedarf auf. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind enorm. Während die Kinderarmutsquote im Westen 12,4 Prozent beträgt, sind es im Osten 23,7.

Die Stadt mit der höchsten Kinderarmut bundesweit ist Bremerhaven. 6.450 Kinder leben dort unter Hartz-IV-Bedingungen, das sind vier von zehn Kindern; in Bremen sind es 21.049. Erst vergangene Woche hatte das Bundessozialgericht in Kassel entschieden, dass die Hartz-IV-Regelsätze verfassungsgemäß sind. Das Arbeitslosengeld II in Höhe von 345 Euro monatlich führe nicht zu einer sozialen Ausgrenzung von Hartz-IV Empfängern, begründeten die Richter ihre Entscheidung.


Aus: "Wachsende Kinderarmut in Deutschland"  Von Mareike Engelken (28.11.2006)
Quelle: http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=28112006ArtikelBBaktuell1

Title: [Ziemlich unterschiedlich...]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 30, 2006, 09:54:42 AM
Quote[...] Berlin - Das Geld in Deutschland ist zunehmend ungleich verteilt. Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB (WSI) ist der Anteil der Arbeitnehmer am Einkommen aller privaten Haushalte permanent gesunken und hat 2005 mit 41,2 Prozent ,,einen historischen Tiefstand erreicht". In diesem Jahr könnte diese sogenannte Nettolohnquote sogar unter 40 Prozent fallen. Parallel dazu nimmt der Anteil der Einkommen aus Unternehmensgewinnen und Vermögen zu und erreichte zuletzt fast ein Drittel (32,6 Prozent). Als Hauptgrund hat das WSI die höheren Unternehmensgewinne ausgemacht. So hätten Kapitalgesellschaften im vergangenen Jahr 11,5 Prozent mehr verdient, nachdem es bereits 2004 ein Gewinnplus um 15,1 Prozent gegeben habe.

Der ,,langjährige Rückgang beim Kaufkraftpotenzial der Arbeitnehmer" hat nach Einschätzung der Gewerkschafter negative Folgen für die Konjunktur, weil wegen der ,,schwachen Entwicklung bei den Masseneinkommen" die Binnennachfrage nicht in Schwung kommen könne. Ferner würden ,,zentrale Vorhaben der Bundesregierung" (Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheitsreform, Unternehmenssteuersenkung) vor allem Geringverdiener und somit die Konjunktur belasten. ,,Die Politik der Bundesregierung schmälert vor allem niedrige Einkommen erneut", sagte der WSI-Verteilungsexperte Claus Schäfer. Bereits heute seien mehr als 20 Prozent der Bevölkerung hierzulande von Armut betroffen.

Ziemlich unterschiedlich ist nach Erhebung des WSI auch die Steuerbelastung. Während die Arbeitnehmereinkommen derzeit mit 18 Prozent belastet sind, werden auf Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen nur sechs Prozent direkte Steuern fällig; 1960 waren das noch 20 Prozent.


Aus: "Unternehmer verdienen immer mehr - Arbeitnehmer-Kaufkraft fällt auf Tiefstand" (tagesspiegel.de; alf; 30.11.2006)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/archiv/30.11.2006/2927377.asp
Title: [Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen...]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2006, 08:48:08 AM
Quote[...] Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen wird im Jahr 2006 deutlich steigen. 89 700 Menschen strebten eine Schuldbefreiung im Gegenzug für eine sechsjährige ,,Wohlverhaltensperiode" an, teilte der Verband der Vereine Creditreform am Donnerstag in Frankfurt mit. Das sind ein Drittel mehr als im Vorjahr. Dadurch wird sich der Prognose zufolge die Gesamtzahl der Insolvenzen um 12,1 Prozent auf den Rekordwert von 153 100 erhöhen.

[...] Die Zahl der Firmeninsolvenzen ließ der Konjunkturaufschwung hingegen deutlich sinken. In diesem Jahr sei mit 31 300 Insolvenzen zu rechnen, 15,1 Prozent weniger als 2005, teilte der Verband mit. Es ist der dritte Rückgang in Folge nach dem Rekord von knapp 40 000 Pleiten im Jahr 2003. In der ersten Jahreshälfte 2007 soll sich der Trend fortsetzen. ,,Für das zweite Halbjahr ist wegen der steigenden Zinsen aber wieder mit einem Anstieg der Insolvenzen zu rechnen", sagte Rödl.


Aus: "Verbraucherinsolvenzen - Immer mehr Deutsche pleite" (focus.de; mbe/Reuters; 30.11.2006)
Quelle: http://www.focus.de/finanzen/news/verbraucherinsolvenzen_nid_40241.html

Title: [dass die Gebühren »einen gewissen Effekt«...]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2006, 09:29:24 AM
Quote[...] Er könne »nicht ausschließen«, dass die Gebühren »einen gewissen Effekt« gehabt hätten, sagt Pinkwart. »Wenn das so sein sollte, handelt es sich um ein vorübergehendes psychologisches Phänomen.«

Ein erstaunliches Eingeständnis für einen der entschiedensten Verfechter des Bezahlstudiums, der immer wieder die soziale Verträglichkeit der Gebühren betont hatte. Die alarmierend schlechten Ergebnisse in einem Bundesland, das sich bundesweit als Vorreiter in der Einführung präsentiert, scheinen jenen Kritikern Recht zu geben, die vor Abschreckungseffekten warnen. Zwar betont Pinkwart, für das Wegbleiben der Jungakademiker seien »in erster Linie« neue NCs verantwortlich, die die Hochschulen eingeführt hätten, um »endlich die Betreuungsrelationen zu verbessern, besonders in den neuen Abschlüssen Bachelor und Master«.

[...]  »Die jungen Leute haben Angst, sich zu verschulden, und wandern in die Ausbildungsberufe ab«, sagt Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) in Berlin. Ein gefährlicher Trend, der Anteil deutscher Hochschulabsolventen liegt schon heute unter dem OECD-Schnitt.

Gebühren-Befürworter warnen trotzdem vor Panikmache. Aus den Einschreibezahlen allein lasse sich der Beweis kaum erbringen, dass die Gebühren eine schädliche Wirkung entfaltet hätten, sagt der Chef des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), Detlef Müller-Böling: »Da wird jetzt viel Kaffeesatzleserei betrieben.« Das CHE, das von Bertelsmann Stiftung und Hochschulrektorenkonferenz finanziert wird, plädiert für die Einführung von Studiengebühren.

[...] Ein Blick auf Hochschulen anderer Bundesländer, die Gebühren zum Teil kategorisch ausgeschlossen haben, spricht für die Sichtweise Müller-Bölings: So hatte die Uni Mainz keinen Ansturm zu verkraften, sondern zählte drei Prozent weniger Neulinge. Und das in Rheinland-Pfalz, dessen Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) seit Jahren gegen die Campus-Maut kämpft.

Doch die schlechten Einschreibezahlen in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen stehen nicht allein. Denn gleichzeitig beklagen die Studentenwerke in Niedersachsen einen Einbruch bei Bafög-Anträgen um mehr als acht Prozent, und die landeseigene N-Bank, die für die Vergabe der Studienkredite zuständig ist, hat mit Erstsemestern gerade 713 Kreditverträge abgeschlossen. Ursprünglich hatte die Bank damit gerechnet, dass mehr als 4000 Studenten, 20 Prozent der Neuen, einen zinsgünstigen Kredit beantragen würden. In Nordrhein-Westfalen lief es mit einer Kreditquote von zehn Prozent etwas besser.

Weniger Studenten, weniger Bafög-Bezieher, kaum Kreditanträge – umgekehrt hatte die Bundesagentur für Arbeit schon vor vier Wochen gemeldet, dass sich dieses Jahr neun Prozent mehr Abiturienten um eine Lehrstelle beworben haben. Fügt man das zusammen, lassen die Statistiken nur einen Schluss zu: Die abschreckende Wirkung der Studiengebühren im ersten Semester ist kein Hirngespinst weniger Gebührengegner, sie ist real.

Besonders Abiturienten aus den unteren Einkommensgruppen, die schon jetzt deutlich unterrepräsentiert sind an deutschen Hochschulen, haben aus Angst vor unkalkulierbarer Verschuldung vor den Hörsälen kehrtgemacht. Und sie verdrängen weniger qualifizierte Schulabgänger von den knappen Ausbildungsplätzen.


Aus: "Studenten fürchten Schuldenfalle" - Die Statistiken von Niedersachen und Nordrhein-Westfalen beweisen es: Studiengebühren schrecken sozial Schwache von einem Studium ab. Aus Angst vor Schulden machen viele Abiturienten lieber eine Lehre |  Von Jan-Martin Wiarda (DIE ZEIT, 9.11.2006 Nr. 46)
Quelle: http://www.zeit.de/2006/46/C-Studiengebuehren

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Quote[...] Die Zahl der Studienanfänger ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent gesunken. An den Universitäten sind es minus fünf Prozent; die Fachhochschulen verbuchten lediglich ein Prozent weniger Einschreibungen . "Da zeichnet sich ein Negativtrend ab", so Martin Beck vom Statistischen Bundesamt, das die vorläufigen Zahlen heute veröffentlichte.

Es ist bereits das dritte Mal in Folge, dass die Statistiker weniger Erstsemester melden - obwohl die Zahl der Jugendlichen mit einem Abi oder Fachabitur gestiegen ist. Rund 344.000 Anfänger haben sich zu diesem Sommersemester und Wintersemester immatrikuliert. Vor drei Jahren waren es noch fast 378.000.

[...] Die Hochschulrektoren schlugen heute prompt Alarm. "Um den Negativtrend umzukehren, brauchen die Hochschulen vor allem bei den neuen betreuungsintensiven Studiengängen bessere Unterstützung", forderte HRK-Präsidentin Margret Wintermantel. Der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring erklärte, die Wissenschaftsminister vieler Länder bekämen nun eine "schallende Ohrfeige" für hohe Zulassungshürden; die niedrige Erstsemesterquote sei ein "bildungspolitisches Armutszeugnis. Nach Auffassung von Gehring schreckt auch die Einführung von Studiengebühren viele junge Menschen vom Studium ab.

[...] Eindeutig belegbar ist dieser Zusammenhang bislang nicht. Die Rektoren sehen keinen klaren Einfluss der Campusmaut auf das Studierverhalten. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen diese Frage offen. So bitten Niedersachsen und einige Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ihre Erstsemester jetzt schon zur Kasse. NRW-Unis, die erst zum Sommersemester 2007 ihre Studenten zahlen lassen, verzeichneten nicht generell mehr Bewerber als die, die bereits kassieren - der Exodus blieb aus.

Im gebührenfreie Rheinland-Pfalz gibt es zwar mehr Erstsemester als 2005, aber die ebenfalls mautfreien Ostländer oder Schleswig-Holstein profitieren nicht. Flensburg hat keinen starken Zustrom erlebt, an der Uni Kiel hat sich der Anteil der niedersächsischen Nachbarskinder leicht von neun auf elf Prozent erhöht. "Wir haben 100 Studienanfänger mehr aus Bundesländern, in denen bereits Gebühren verlangt werden", sagte der Kieler Rektor Thomas Bauer SPIEGEL ONLINE. Das könne man "noch nicht als Ansturm bezeichnen, aber als Tendenz", die sich erst in den nächsten Jahren überprüfen ließe.

][...] Die Zahl der Studienanfänger ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent gesunken. An den Universitäten sind es minus fünf Prozent; die Fachhochschulen verbuchten lediglich ein Prozent weniger Einschreibungen . "Da zeichnet sich ein Negativtrend ab", so Martin Beck vom Statistischen Bundesamt, das die vorläufigen Zahlen heute veröffentlichte.

Es ist bereits das dritte Mal in Folge, dass die Statistiker weniger Erstsemester melden - obwohl die Zahl der Jugendlichen mit einem Abi oder Fachabitur gestiegen ist. Rund 344.000 Anfänger haben sich zu diesem Sommersemester und Wintersemester immatrikuliert. Vor drei Jahren waren es noch fast 378.000.

[...] Die Hochschulrektoren schlugen heute prompt Alarm. "Um den Negativtrend umzukehren, brauchen die Hochschulen vor allem bei den neuen betreuungsintensiven Studiengängen bessere Unterstützung", forderte HRK-Präsidentin Margret Wintermantel. Der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring erklärte, die Wissenschaftsminister vieler Länder bekämen nun eine "schallende Ohrfeige" für hohe Zulassungshürden; die niedrige Erstsemesterquote sei ein "bildungspolitisches Armutszeugnis. Nach Auffassung von Gehring schreckt auch die Einführung von Studiengebühren viele junge Menschen vom Studium ab.

[...] Eindeutig belegbar ist dieser Zusammenhang bislang nicht. Die Rektoren sehen keinen klaren Einfluss der Campusmaut auf das Studierverhalten. Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen diese Frage offen. So bitten Niedersachsen und einige Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ihre Erstsemester jetzt schon zur Kasse. NRW-Unis, die erst zum Sommersemester 2007 ihre Studenten zahlen lassen, verzeichneten nicht generell mehr Bewerber als die, die bereits kassieren - der Exodus blieb aus.

Im gebührenfreie Rheinland-Pfalz gibt es zwar mehr Erstsemester als 2005, aber die ebenfalls mautfreien Ostländer oder Schleswig-Holstein profitieren nicht. Flensburg hat keinen starken Zustrom erlebt, an der Uni Kiel hat sich der Anteil der niedersächsischen Nachbarskinder leicht von neun auf elf Prozent erhöht. "Wir haben 100 Studienanfänger mehr aus Bundesländern, in denen bereits Gebühren verlangt werden", sagte der Kieler Rektor Thomas Bauer SPIEGEL ONLINE. Das könne man "noch nicht als Ansturm bezeichnen, aber als Tendenz", die sich erst in den nächsten Jahren überprüfen ließe.




Aus: "ERSTSEMESTER-EBBE: Wolle mer se reinlasse?" Von Antonia Götsch und Jochen Leffers  (29. November 2006)
Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,451419,00.html

Title: [...er finde die Verteilung unbefriedigend]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 05, 2006, 01:24:40 PM
Quote[...]

QuoteWider den amerikanischen Traum

Für die Mittelschichten gibt es nur noch begrenzte Möglichkeiten

Status: Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre ist an den Mittelschichten vorbeigegangen. Das Jahreseinkommen der Median-Haushalte (exakt in der Mitte des Spektrums) liegt heute um 1200 Dollar unter dem Wert von 1999. Stetige Zuwächse gibt es nur bei den Spitzen der Gesellschaft. Die aktuelle "Forbes"-Liste der 400 reichsten Amerikaner enhält erstmals nur Milliardäre. Zugleich leben immer mehr Bürger ohne Krankenversicherung.

Ursachen: Globalisierung und technischer Fortschritt verschieben die Arbeitsnachfrage. Hoch Qualifizierte sind gesucht und können ihre Gehälter steigern. Geringer Qualifizierte verlieren hingegen Einkommen, etwa weil Industriejobs wegfallen. Auch die Kapitaleinkünfte steigen durch die höhere weltweite Kapitalnachfrage.

Chancengleichheit? Für Aufsehen sorgt derzeit eine Studie des Ökonomen Tom Hertz. Danach ist in kaum einer anderen westlichen Gesellschaft der Aufstieg aus armen Verhältnissen an die Spitze so schwierig wie in den USA - und der Abstieg aus reichen so unwahrscheinlich.

[...] Schon in den vergangenen Jahren ist das Einkommen der Median-Haushalte - derjenigen in der Mitte des Einkommensspektrums - gesunken. Gewonnen haben nur die oberen 20 Prozent. Bei abkühlender Konjunktur dürfte die Verteilung umso schiefer werden. Sogar Finanzminister Paulson gestand kürzlich, er finde die Verteilung unbefriedigend. Im Bush-Camp etwas Neues.


Aus: "USA: Der Blick ins Herz" Von Henrik Müller (manager-magazin.de; 04.12.2006)
Quelle: http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,443415,00.html

Title: [Die Zahl der wohnungslosen...(Stuttgart)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 06, 2006, 11:45:34 AM
Quote[...] Die neuntausend "Berberinnen" und "Berber" dieses Jahres sind genau doppelt so viel als allein im letzten Jahr. Die Zahl der wohnungslosen Frauen hat sich in diesem Zeitraum sogar verdreifacht. Ihr Anteil an den Obdachlosen im Land betrage derzeit 21,4 Prozent. Nach Ansicht der Liga spiegeln die Daten die zunehmende Armut wider.


Aus: "Stuttgart: Zahl der Obdachlosen in diesem Winter verdoppelt" (stattweb.de-News; 05.Dezember 2006)
Quelle: http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=1223

Title: [...zu ihrem Glück zwingen]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 10, 2006, 09:27:32 PM
Quote[...] "Die Erhöhung ist maßvoll und tragbar", sagt dagegen CDU-Sozialexperte Egbert von Frankenberg. Denn das Hauptproblem bei den Bedürftigen sei nicht das Geld, sondern die Psychologie. "Deshalb muss man sie an die Hand nehmen und mit sanften Druck zu ihrem Glück zwingen", erklärt von Frankenberg die Regierungsposition.


Aus: "OBDACHLOSE MÜSSEN IN NOTUNTERKÜNFTEN MEHR BEZAHLEN" (08.12.2006)
Quelle: http://www.mopo.de/2006/20061208/hamburg/panorama/zynische_politik.html (http://www.mopo.de/2006/20061208/hamburg/panorama/zynische_politik.html)

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Quote[...] Berlin - Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat die Debatte über neue Armut, Prekariat und Hartz IV kritisiert. "Das Jammern über Armut in Deutschland muss endlich aufhören", sagte er in einem Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Wer heute von Hartz IV lebe, habe meist einen höheren Lebensstandard "als in meiner Jugend ein Facharbeiter mit Frau und Kindern".

Eine Unterschicht gebe es "in jedem Land der Welt und zu jeder Zeit der Welt. Das hat es im 19. Jahrhundert gegeben, im 20. und auch im 21. Jahrhundert. Allerdings wird es weitgehend dramatisiert.


Aus: "Ex-Kanzler Schmidt kann "Jammern über Armut" nicht mehr hören" (09. Dezember 2006)
Quelle: http://www.net-tribune.de/article/091206-15.php (http://www.net-tribune.de/article/091206-15.php)


Title: [Die Idee, Bänke zu entfernen...]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 12, 2006, 01:31:43 PM
Quote[...] Kaufleuten in der Innenstadt hatten in den vergangenen Wochen gegen die Unterstandslosen protestiert, die ihrer Ansicht nach die Straßen verschmutzen und Touristen vertreiben. Die Entfernung der Bänke rief wiederum Protest hervor. Unter den Demonstranten war auch der Germanist und Schriftsteller Claudio Magris. "Auf den Bänken haben wir alle angenehme Stunden verbracht. Oft sind sie mit Momenten der Liebe verbunden", erklärte er.

Nach der Entfernung der Bänke machten sich mehrere Obdachlose nach Rom auf. Geblieben ist nur noch Giorgio Ivancich, der mit einem Rucksack und einem Weinkarton durch die Stadt wandert. "Ich schlafe in einem Lager unweit des Bahnhofs und mache niemandem Probleme. Ich will Triest nicht verlassen", sagte Invancich, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt: "Ich bin vor Jahren nach Italien gekommen, wo meine Tochter lebt. Ich habe keine Familie mehr. Eine Zeit lang bin ich auf der Suche nach einer Arbeit durch Italien gefahren und in Triest gelandet."

Die Idee, Bänke zu entfernen, um Obdachlosen das Leben schwer zu machen, ist nicht neu. Der Ex-Bürgermeister der norditalienischen Stadt Treviso, Giancarlo Gentili, hatte vor einigen Jahren mit seiner Initiative Schlagzeilen gemacht, illegalen Einwanderern die Benutzung öffentlicher Bänke zu untersagen.


Aus: "Obdachlose raus: Triest ließ Sitzbänke aus der Innenstadt entfernen" (News Networld - 11. Dez. 2006)
Quelle: http://www.networld.at/index.html?/articles/0650/15/158955.shtml (http://www.networld.at/index.html?/articles/0650/15/158955.shtml)


Title: [Brüning fügt hinzu, die Armut habe sich verändert...]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 20, 2006, 01:20:52 PM
Quote[...]  Brüning fügt hinzu, die Armut habe sich verändert. Manche ihrer Hilfe suchenden Klienten hätten sogar Abitur und ein Studium abgeschlossen oder ihre eigene Firma geführt. Diese Personen gerieten beispielsweise nach dem Verlust ihrer Arbeitsstelle in Not, oder weil aus unterschiedlichsten Gründen ihr soziales Netzwerk wegbreche. Die Sozialarbeiterin unterstreicht: "Betroffen sind immer mehr ganz normale Menschen." (Von Mey Dudin, ddp)


Aus: "Armut: "Betroffen sind immer mehr ganz normale Menschen" - Die Zahl der Hilfsbedürftigen wächst in Berlin. Soziale Einrichtungen wie Kleiderkammern, die Berliner Tafel und Beratungsstellen verzeichnen seit Einführung der Hartz-Gesetze einen größeren Zulauf. (19.12.2006)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/armut-berlin-drk-kleiderkammern-berliner-tafel/85173.asp (http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/armut-berlin-drk-kleiderkammern-berliner-tafel/85173.asp)

Title: [Das Lager der "gefühlten Wohlstandsverlierer"...]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 27, 2006, 01:15:21 PM
Quote[...] ,,Das Lager der ,,gefühlten" Wohlstandsverlierer wird stetig größer." [...] ,,In der immer älter werdenden Gesellschaft bekommt die Gesundheit fast Religionscharakter, und das Gesundheitswesen wird zum Megamarkt der Zukunft."


Aus: "Freizeitforscher sieht ,,Armut-Wohlstands-Schere" - ,,Lager der gefühlten Wohlstandsverlierer wird stetig größer"" (HANDELSBLATT, Mittwoch, 27. Dezember 2006)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Journal/Vermischtes/_pv/_p/204493/_t/ft/_b/1197145/default.aspx/lager-der-gefuehlten-wohlstandsverlierer-wird-stetig-groesser.html (http://www.handelsblatt.com/news/Journal/Vermischtes/_pv/_p/204493/_t/ft/_b/1197145/default.aspx/lager-der-gefuehlten-wohlstandsverlierer-wird-stetig-groesser.html)

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Quote[...] «Die Kinder von Don Quichotte» übergaben Frankreichs Präsidialamt ihre «Charta vom Kanal Saint Martin». Darin fordern sie unter anderem ganztägige und ganzjährige Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose, sofortige Angebote von Interims-Herbergen und den Bau neuer Sozialwohnungen.


Aus: "Obdachlosen-Helfer in Paris fordern mehr Unterstützung" (Quelle: sda / Dienstag, 26. Dezember 2006)
Quelle: http://www.nachrichten.ch/detail/262221.htm (http://www.nachrichten.ch/detail/262221.htm)

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Quote[...] Iglu zählt gewöhnlich 40 Besucher täglich. Heiligabend waren es 102. Schubert meint, "dass die Zahl derer, die in Braunschweig an der Grenze zur Obdachlosigkeit leben, zunimmt". Er habe beobachtet: "Die Armen werden immer jünger und sie leben immer häufiger in prekären Lebensverhältnissen."

Die geringe Zahl der Obdachlosen erkläre sich zum Beispiel dadurch, "dass viele Jüngere einfach bei Freunden oder Freundinnen mitwohnen. Oft [ ] schließen [sie] Nutzungsverträge für Wohnungen und keine Mietverträge ab. Einen Schutz oder Perspektive bieten solche Lebensumstände natürlich nicht."


Aus: "Die Armen werden immer jünger" - Weihnachtsfeier der Stiftung Wohnen und Beraten am Heiligabend: Gefahr der Obdachlosigkeit nimmt zu ; Von Jörn Stachura (27. Dezember 2006)
Quelle: http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2048/artid/6230565 (http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2048/artid/6230565)

Title: [Mallorca-Karin, Jacht-Hans und die Disziplinierung durch Armut...]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 01, 2007, 05:19:21 PM
Quote[...] Das aktuelle BSG Urteil (für Arbeitslose: Bundessozialgericht) bringt es ebenfalls auf den Punkt. 345 euro sind genug.
Arbeitslose sind allerdings gut für die Volkswirtschaft: Sie unterstützen den Tabak- und Hightechmarkt. find ich gut.
Arbeitslose gehen nicht ins Theater oder in die Oper.
Ihr kulturelles Leben findet for dem Fernseher statt. Arbeitslose haben auch keine Bücher sondern nur Videokasseten mit Buchrücken mittlerweile allerdings DVDs. Menschen wie Mallorca-Karin oder Jacht-hans sind keine Außnahmen sondern leider die Regel. Wann schafft es die Politik endlich Arbeitslose mit wirksamen Instrumenten zu bestrafen und ihnen massenunterkünfte und essensmarken zu geben, wenn sie einen "zumutbaren" Job ablehnen.

Wer faul ist hat keinen anspruch auf Hartz 4!!


Aus: "gegen-hartz.de » Politik » Hartz ist reichtum" Von <Ernie> unregistriert (Erstellt am 30.11.2006 - 19:21)
Quelle: http://www.razyboard.com/system/index.php?id=sevenid&forumid=1487769&threadid=3902830 (http://www.razyboard.com/system/index.php?id=sevenid&forumid=1487769&threadid=3902830)


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Quote[...] Seit der SPD-Vorsitzende Kurt Beck in einem Interview, das die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 8. Oktober 2006 veröffentlichte, eher beiläufig den Begriff »Unterschichten« erwähnte und ihnen mangelnden Aufstiegswillen vorwarf, hat die deutsche Öffentlichkeit nach etlichen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten erstmals wieder das Thema Armut entdeckt. In einer manchmal beinahe hysterischen Weise wurde erörtert, ob es das Phänomen überhaupt gibt, was daran neu ist, wer dafür die Verantwortung trägt und was getan werden muß, um ihm zu begegnen.

Wie die Sozialgeschichte der Armut zeigt, unterliegt letztere einem ständigen Wandel. Was darunter verstanden wird, ist vom jeweiligen Wohlstandsniveau, von der Produktivkraftentwicklung und den Besitz-, Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen sowie den hierauf basierenden Normen und Werten, ihrer Widerspiegelung im Massenbewußtsein und den soziokulturellen Traditionen einer Gesellschaft abhängig. »Armut« gehört zu jenen Begriffen, die zwar fest im Alltagsbewußtsein verankert sind, unter denen aber jeder etwas anderes versteht.

Überblickt man die politischen, publizistischen und wissenschaftlichen Armutsdiskussionen, fallen regelrechte Konjunkturen des Themas ins Auge. Perioden der Tabuisierung, Verharmlosung und Beschönigung wechselten mit allerdings viel selteneren Phasen der öffentlichen Thematisierung ab. Wie auch in der jüngsten Diskussion über eine »neue Unterschicht« gingen Dramatisierung und Verdrängung, Skandalisierung und Bagatellisierung des Problems teilweise sogar Hand in Hand. Insgesamt hatte das Problem »Armut« in der öffentlichen Diskussion der Bundesrepublik einen äußerst niedrigen Stellenwert.

Das unvorstellbare Nachkriegselend mit Wohnungsnot, Kältetoten und Hungermärschen wich im Laufe der 50er Jahre, durch günstige weltpolitische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen gefördert, einem wachsenden Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten. Vor diesem Hintergrund versprach der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) 1957 in seinem Buch »Wohlstand für Alle«, das Auf und Ab der Konjunkturzyklen zu überwinden, Vollbeschäftigung zu gewährleisten und den privaten Reichtum durch Verstetigung des Wachstums ohne Umverteilung zu maximieren. Tatsächlich schien die große Rentenreform desselben Jahres die (Alters-)Armut schon bald so weit zu verringern, daß man allgemein glaubte, Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz vom 30. Juni 1961 nur noch im Einzelfall der persönlichen Notlage, aber nicht mehr massenhaft im Sinne eines Kollektivschicksals sozial Deklassierter gewähren zu müssen. Während des westdeutschen »Wirtschaftswunders« gegen Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre wurde die Armut zum Randphänomen in der Hinsicht erklärt, daß sie ein zu vernachlässigendes Problem sei und nur noch völlig irrelevante Randgruppen wie Drogensüchtige, Trinker, geistig Behinderte und psychisch Kranke treffe.

Nach dem Regierungswechsel im Herbst 1969 (Ablösung der großen durch die sozial-liberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt) entdeckten der damalige rheinland-pfälzische Sozialminister Heiner Geißler und andere CDU-Politiker um die Mitte der 70er Jahre, was sie »Neue Soziale Frage« nannten. Das zwar wenig präzise, aber nicht unpopuläre Schlagwort erfüllte seinen Zweck, der darin bestand, organisierte und nichtorganisierte Gruppen – unabhängig von der Vereinbarkeit ihrer Interessen wie der Berechtigung ihrer Ansprüche gegenüber der ständig wachsenden Kapitalmacht – auseinanderzudividieren, ganz gut.

Während der 80er Jahre vollzog sich eine Spaltung zwischen Beschäftigten und Erwerbslosen, die hauptsächlich im Gewerkschaftsbereich registriert und mit dem Begriff »Neue Armut« etikettiert wurde. Mit den Kindern geriet zum erstenmal eine Betroffenengruppe ins Blickfeld, die man nicht selbst für ihr Schicksal verantwortlich machen und der man schwerlich Leistungsmißbrauch vorwerfen kann.

Peter Glotz (SPD) prägte 1984 die Formel der »Zweidrittelgesellschaft« für Spaltungstendenzen, die sich damals abzeichneten. Je mehr sich der damit bezeichnete Zerfallsprozeß zuspitzte, desto weniger wollte die Sozialforschung davon wissen. Hatte die westdeutsche Soziologie zur Zeit des »Wirtschaftswunders« in den späten 50er und frühen 60er Jahren die These von der »nivellierten Mittelstandsgesellschaft« des Soziologen Helmut Schelsky übernommen, so erschien ihr die Bundesrepublik jetzt gewissermaßen als pluralisierte Milieugesellschaft, in der soziale Antagonismen, aber auch Klassen und Schichten gar keine Rolle mehr spielten. Modernisierungs- und Individualisierungstheorien der etablierten Fachwissenschaft überdeckten jene Marginalisierungstendenzen, die eher einem Rückfall in den Frühkapitalismus als einer Überwindung dieser Gesellschaftsordnung ähnelten.

Daß sich die Gesellschaft aufgrund der Umverteilung »von unten nach oben« während der 80er Jahre immer deutlicher in Arm und Reich spaltete, sich das Kapital in wenigen Händen konzentrierte und mit der Massenarbeitslosigkeit vermehrt alte Deprivationserfahrungen um sich griffen, entging jenen Soziologen, die sich nach Schüler- und Studentenbewegung, außerparlamentarischer Opposition und »Linkswende« wieder den gesellschaftlichen Machtverhältnissen anpaßten, und US-amerikanische Forschungsmethoden genauso unkritisch übernahmen wie andere Bürger des Landes Moden. Die meisten Wissenschaftler wandten sich von der Klassenanalyse, die nach 1968 zumindest das Image des Fachs bestimmt hatte, ab und der Vielfalt soziokultureller Milieus, Lebensformen und -stile zu. Hingegen wurden materielle Not, Notlagen und Ausgrenzungsprozesse kaum noch zur Kenntnis genommen.

Ulrich Beck sprach 1986 in seinem Buch »Risikogesellschaft« von einem sozialen »Fahrstuhleffekt«, der die Gesellschaftsklassen und Schichten gemeinsam nach oben befördert habe: »Es gibt– bei allen sich neu einpendelnden oder durchgehaltenen Ungleichheiten – ein kollektives Mehr an Einkommen, Bildung, Mobilität, Recht, Wissenschaft, Massenkonsum. In der Konsequenz werden subkulturelle Klassenidentitäten und -bindungen ausgedünnt oder aufgelöst. Gleichzeitig wird ein Prozeß der Individualisierung und Diversifizierung von Lebenslagen und Lebensstilen in Gang gesetzt, der das Hierarchiemodell sozialer Klassen und Schichten unterläuft und in seinem Wirklichkeitsgehalt in Frage stellt.« Ungefähr zwei Jahrzehnte später sah Beck die Bundesrepublik, obwohl sie nie zuvor so reich gewesen war, als eine »Gesellschaft des Weniger« auf der sozialökonomischen Talfahrt, und schrieb zur Bundestagswahl im September 2005: »Jetzt, am Beginn des 21. Jahrhunderts, lauern überall Gefahren – und der Fahrstuhl bewegt sich nach unten.« Dabei übersah der Münchener Soziologe erneut, daß sich die Gesellschaft dialektisch entwickelt und ein Paternostereffekt dominiert: In demselben Maße, wie einige nach oben gelangten, ging es für die meisten nach unten. Mehr denn je existiert im Zeichen der neoliberalen Globalisierung ein soziales Auf und Ab, das Unsicherheit und Existenzangst für eine wachsende Zahl von Menschen mit sich bringt.

Die gegenwärtige Dramatik der Armut wird erst verständlich vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Weltmarktdynamik. Denn die wirtschaftliche Globalisierung führt keineswegs zur Verallgemeinerung des Wohlstandes. Vielmehr wirkt der Globalisierungsprozeß im Rahmen der Standortpolitik als »soziales Scheidewasser«, das die Bevölkerung der Bundesrepublik wie die anderer Länder in Gewinner und Verlierer, diese jedoch wiederum in Marginalisierte (Dauerarbeitslose, Deprivierte und Langzeitarme) einerseits sowie Geringverdiener (prekär Beschäftigte, von Überschuldung Bedrohte und Kurzzeitarme) andererseits spaltet. Während die Dauerarbeitslosen ohne Hoffnung auf Reintegration den »sozialen Bodensatz« im Gegenwartskapitalismus bilden, verkörpern die Niedriglohnempfänger, oftmals Migranten und ethnischen Minderheiten entstammend, eher das »Treibgut« des Globalisierungsprozesses.

Bereits seit geraumer Zeit bildet die Bundesrepublik – sich damit anderen hochentwickelte Staaten des Westens angleichend – eine zweiteilige Armutsstruktur aus: Den armen Erwerbslosen, die wegen niedriger oder fehlender Lohnersatzleistungen auf das Existenzminimum zurückgeworfen werden, treten die erwerbstätigen Armen zur Seite, deren Lohn für ein Leben im gesicherten Wohlstand nicht ausreicht. Während sich die Langzeit- und Mehrfacharbeitslosigkeit älterer und/oder gering qualifizierter Personen zur Dauerarbeitslosigkeit verfestigt und die Betroffenen ansatzweise eine soziale Schicht völlig Deklassierter, d. h. vom Arbeitsmarkt wie auch von der gesellschaftlichen Teilhabe Ausgeschlossener bilden, nimmt die Zahl jener Personen bzw. Haushalte, deren Einkommen trotz kontinuierlicher Lohnarbeit in Form eines oder mehrerer Arbeitsverhältnisse nicht oder nur knapp über der relativen Armutsgrenze liegt, gleichfalls zu. Auch hat sich während der 90er Jahre ein breiter, seinem Umfang nach oft unterschätzter Niedriglohnsektor herausgebildet, der längst nicht mehr nur typische Frauenarbeitsplätze umfaßt. Kombilöhne sind keine Lösung, sondern ein Teil des Armutsproblems.

In einer kapitalistischen Hochleistungsgesellschaft, die Konkurrenz bzw. Leistung geradezu glorifiziert und mit Prämien, Gehaltszulagen oder Lohnsteigerungen prämiert, scheint Armut funktional zu sein, weil sie nur das Pendant dessen verkörpert, was die »Tüchtigeren und daher Erfolgreichen« in des Wortes doppelter Bedeutung »verdient« haben. Armut ist mithin kein »Betriebsunfall«, vielmehr ein soziales Abfallprodukt der Marktwirtschaft. Sie dient im neoliberalen »Umbau«-Projekt als ein höchst willkommenes Disziplinierungsinstrument, während materieller Wohlstand und privater Reichtum ein geeignetes Lockmittel darstellen, das die »Leistungsträger« zu besonderen Anstrengungen motivieren soll.


Aus: "Disziplinierung durch Armut" Prof. Dr. Christoph Butterwegge leitet die Abteilung für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Zum Thema erschien von ihm »Kinderarmut in Ost- und Westdeutschland«, »Krise und Zukunft des Sozialstaates«, »Zuwanderung im Zeichen der Globalisierung« (Junge Welt, 25.10.2006)
Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/10-25/008.php (http://www.jungewelt.de/2006/10-25/008.php)

Title: [Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung...]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 02, 2007, 01:37:56 PM
Quote[...] Nur 2,6 Prozent der Münchner Hartz-IV-Empfänger haben 2006 Kürzungen beim Arbeitslosengeld II hinnehmen müssen, weil sie sich an der Arbeitssuche nicht wie vorgeschrieben beteiligt haben. Mit Jahresbeginn drohen dennoch erheblich verschärfte Sanktionen, die sogar zum Verlust der Wohnung führen können. Statt Geld gibt es für die Betroffenen nur Lebensmittel-Einkaufsgutscheine.

Im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München (Arge) gegen 2,6 Prozent der erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen Sanktionen verhängt worden, also nur gegen knapp 1300 Menschen von 49000. Durch die im Sommer 2006 vom Bundestag beschlossene Verschärfung der im Sozialgesetzbuch II geregelten Sanktionen zum 1. Januar 2007 könnten nun mehr Langzeitarbeitslose empfindlich getroffen werden. Denn erstmals müssen nun Langzeitarbeitslose bei Pflichtverstößen nicht nur mit Kürzungen des Arbeitslosengeldes II rechnen, sondern mit einer kompletten Streichung - auch die Miet- und Heizungskosten werden dann nicht mehr bezahlt.

Zu den Pflichten etwa gehört nicht nur, eine sogenannte Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben und zum Beispiel auch einen Ein-Euro-Job anzutreten, erklärt Helga Rieck vom Amt für soziale Sicherung. Auch wer sich nicht an Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung hält, also etwa nicht die vereinbarte Zahl der Bewerbungen losschickt, die Berufsberatung nicht wie vereinbart aufsucht oder den Termin bei der Suchtberatung einfach verstreichen lässt, muss mit einer Leistungskürzung rechnen. Bei ,,nachgereichten Begründungen'' für Versäumnisse gelte ein ,,strenger Maßstab'', denn das Gesetz verlange dazu einen ,,wichtigen Grund''. Wer einen Termin schlicht verschlafen hat, kann nicht mit Milde rechnen. Und wer ins Feld führt, dass der häusliche Computer kaputt ist, kann ebenso wenig auf Gnade zählen, denn im Bewerberzentrum der Arge stünden Geräte bereit, so Helga Rieck.

Nach dem ersten Verstoß wird das Arbeitslosengeld II für drei Monate um 30 Prozent gekürzt, nach dem zweiten um 60 Prozent, beim dritten wird es für drei Monate ganz gestrichen. Das könnte zur Folge haben, dass betroffene Haushalte ihre Miete nicht mehr bezahlen können und die Wohnung verlieren. Da aber die Stadt für die Unterbringung von Obdachlosen zuständig ist, müsste sie den Betroffenen dann Plätze in Notunterkünften zuweisen. Eine kuriose Situation: Die eine Behörde - die für die Hartz-IV-Leistungen zuständige Arge für Beschäftigung München - beschert der anderen - dem Wohnungsamt - zusätzlich Arbeit. Die Rathaus-Grünen haben das Problem jetzt auf Initiative ihres Fraktionschefs Siegfried Benker in einer Anfrage aufgegriffen und wollen Auskunft darüber haben, wie der drohende Wohnraumverlust zu vermeiden ist.

Bisher war eine Leistungskürzung bei drei per Bescheid festgestellten Verstößen innerhalb von drei Monaten in Stufen um bis zu 90 Prozent zwar denkbar. In der Praxis spielte das wegen der Kürze dieser ,,Bewährungsfrist'' aber keine Rolle, wie Helga Rieck bestätigt. Doch nun läuft die Frist erheblich länger, nämlich ein Jahr. Dreimal in diesem Zeitraum gegen Pflichten verstoßen, dann ist das Arbeitslosengeld II für drei Monate ganz weg. Wegen der Verlängerung rechnet Helga Rieck mit einem Anstieg der Problemfälle. In Verhandlungen mit der Arbeitsagentur hofft das Sozialreferat, die schlimmste Folge verhindern zu können: Zwangsräumungen von Wohnungen sind belastend für die Betroffenen und die Notunterbringung kommt die Stadt in der Regel erheblich teurer als eine Wohnung. Ganz zu schweigen davon, dass die Arbeitsvermittlungschancen durch die Obdachlosigkeit nicht eben besser werden.

Da besonders Familien mit Kindern nicht völlig unversorgt bleiben können, hat das Sozialreferat Lebensmittel-Einkaufsgutscheine drucken lassen, die für einige Läden und Discounter gelten.


Aus: "Verschärfte Sanktionen: Harte Zeiten für Langzeitarbeitslose - Untätigen Hartz-IV-Empfängern droht der Verlust der Wohnung, die Stadt steht damit vor neuen Problemen" Von Sven Loerzer (01.01.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,zm4/muenchen/artikel/749/96653/ (http://www.sueddeutsche.de/,zm4/muenchen/artikel/749/96653/)



Title: [Reinigungskräfte in Luxushotels...]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 09, 2007, 01:13:13 AM
Quote[...] Hamburg - In Hamburg arbeiten Reinigungskräfte in Luxushotels zum Teil für weniger als 2,50 Euro pro Stunde. Das ergibt sich nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus dem Fall einer jungen Frau, die Ende 2006 im Dorint am Alten Wall für die Reinigung der Zimmer verantwortlich war. Die 23-jährige Antonia H. arbeitete im November laut DGB 168 Stunden an 21 Tagen in dem Fünf-Sterne-Hotel als Reinigungskraft. Dennoch bekam sie ausweislich der Monatsabrechnung, die dem Abendblatt vorliegt, lediglich 413,18 Euro brutto - und damit einen durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von 2,46 Euro. Als sich H. bei der Firma beschwerte, sagte diese eine Nachzahlung zu - und schickte postwendend die Kündigung.

Hintergrund: Das Dorint hat die Zimmerreinigung an eine externe Firma vergeben, die Firma Lieblang. In den Verträgen, die Lieblang mit seinen Reinigungskräften schließt, heißt es: "Auf der Grundlage des gültigen Tariflohns von 7,87 Euro und der vorgegebenen tariflichen Leistungsparameter je Zimmer erfolgt die Abrechnung nach der Anzahl der gereinigten Zimmer." Pro Zimmer werden 3,50 Euro vergütet - einen festen Stundenlohn gibt es damit nicht mehr. Da oft keine Zimmer zum Reinigen frei seien, entstünden Wartezeiten, in denen das Personal gar nicht bezahlt werde, so der DGB. So liege der Stundenlohn oft weit unter dem Gebäudereinigertarif von 7,87 Euro, der in diesem Fall gilt.

Lieblang-Projektleiter Eberhard Witte verteidigte das Prinzip: "Um Tariflohn zu erreichen, muss auch eine gewisse Leistung erbracht werden." Die Konditionen bei Lieblang seien besser als bei anderen Firmen, so Witte. Andreas Suß, Geschäftsführer der zuständigen Gewerkschaft IG Bau, bezeichnete den Fall als "sittenwidriges Lohndumping". Dass Hotels oder deren Dienstleister Löhne unter den ohnedies niedrigen Tarif drückten, komme immer häufiger vor. Das habe auch die Großrazzia in Hamburger Hotels im Februar ergeben, bei der viele Fälle von Schwarzarbeit und Lohndumping erfasst worden seien. "Seitdem hat sich wenig verbessert", so Suß, der betonte, dass es verboten sei, Stundenlöhne durch Pauschalen zu unterlaufen. Er forderte das Dorint auf, sich "umgehend von dieser Reinigungsfirma zu trennen". Marc Schneer, Sprecher der Accor-Hotels, zu denen das Dorint gehört, wies jede Verantwortung von sich. Dafür, dass "Recht, Gesetz und Tarif" eingehalten würden, sei nicht das Dorint, sondern Lieblang verantwortlich.


Aus: "2,46 Euro pro Stunde - "Dumpinglöhne" in Hamburger Hotels - Beauftragte Reinigungsfirma verteidigt sich: Andere Unternehmen zahlten noch weniger" Von Jens Meyer-Wellmann (8. Januar 2007)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2007/01/08/665159.html (http://www.abendblatt.de/daten/2007/01/08/665159.html)
Title: [World Institute for Development Economics Research... (WIDER)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 16, 2007, 01:42:19 PM
Quote[...] Es ist hinreichend bekannt, dass derzeit zwei Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, die Hälfte der Weltbevölkerung von knapp zwei Dollar. Wir wissen, dass die soziale Ungleichheit weltweit rasch zunimmt, innerhalb der einzelnen Länder und Regionen ebenso wie zwischen "armen" und "reichen" Ländern. Zu Rousseaus Zeiten - so scheint es nach der Datenlage - war die ökonomische Ungleichheit zwischen den Weltregionen noch gering. Geringer jedenfalls als innerhalb der einzelnen Länder. Nach 1800 änderte sich das gründlich, und um 1900 herum betrug das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommensniveau in den reichen Ländern des "Nordens" und dem in den armen Ländern des "Südens" bereits 1 : 4. Ein Jahrhundert später, in der Ära der Globalisierung, haben wir ein Verhältnis von 1 : 30.

Folglich wird die Kluft zwischen Armut und Reichtum weltweit immer größer, auch wenn die absolute Zahl der Armen in jüngster Zeit rückläufig scheint. Vorrangig eine Folge des Aufstiegs der "Schwellenländer" China, Indien, Brasilien, Südkorea und Türkei. Nach wie vor leben aber 2,8 Milliarden Menschen auf der Welt in Armut, 1,3 Milliarden davon in extremem Elend. In Deutschland, einem der reichsten Länder, stieg die Zahl der Armen auf einen Bevölkerungsanteil von 13,5 Prozent, wie mittlerweile zwei "Armutsberichte" der Bundesregierung eingestehen. Ein Armutszeugnis für sieben Jahre rot-grüner Regentschaft.

Wissenschaftliche Studien darüber, wie sich Armut und Reichtum verteilen, sind Mangelware. Für die globale Einkommensentwicklung reichen die aktuellsten Daten nur bis 1998. Für Weltbank und IWF war die soziale Ungleichheit im Weltmaßstab nie ein Thema von Rang. Für die Vereinten Nationen schon. Sie haben zuletzt mit dem Weltsozialbericht 2005 das rapide wachsende ökonomische Gefälle zwischen den Weltregionen wie innerhalb einzelner Länder als entscheidende Ursache von Gewalt und (Bürger-)Kriegsgefahr benannt und bezweifelt, ob das Millenniumsziel des Kopenhagener Weltgipfels von 1995, die extreme Armut in der Welt zu halbieren, je erreicht werden kann.

Kurz vor dem Jahreswechsel hat nun das World Institute for Development Economics Research (WIDER) der UN-Universität in Helsinki eine neue Studie veröffentlicht, die erstmals für mehr als 94 Prozent der Weltbevölkerung die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie deren Entwicklung bis zum Jahr 2000 detailliert untersucht. Damit wird eine große Forschungslücke annähernd geschlossen, die von der Bundesregierung mit ihrem Armutsbericht 2006 vornehm beklagt wurde. Wohl wissend, dass die Untersuchung des Reichtums der Reichen und Superreichen dieser Welt, der privaten Vermögen und des Kapitals, auf dem heutzutage Macht beruht, seit jeher eines der heißen Eisen ist, von denen die offizielle Sozialwissenschaft lieber die Finger lässt.

Aus einzelnen Länderstudien wissen wir seit langem, dass die Vermögensverteilung in aller Regel noch weit ungleicher ausfällt als die Einkommensverteilung. Ein halbwegs zutreffendes Bild von der tatsächlichen ökonomischen Ungleichheit erhält nur, wer beides gleichermaßen analysiert. Die Autoren der WIDER-Studie haben das zum ersten Mal getan. Dank ihrer Pionierarbeit verfügen wir endlich über einigermaßen verlässliche Daten zum Verhältnis von Armut und Reichtum in der Welt von heute. Untersucht wurde die globale Verteilung des Reichtums für die erwachsene Weltbevölkerung im Blick auf Haushaltsvermögen (netto, nach Abzug der Schulden).

Die Studie reicht bis 2000, aktuellere Daten sind weltweit nicht verfügbar. Nur für die relativ kleine Zahl von 18 Ländern gab es überhaupt vollständige Erhebungen, auf die WIDER zurückgreifen konnte. Für eine Reihe weiterer Staaten war man auf Umfragedaten angewiesen, die freilich einen gewaltigen Nachteil haben: Schulden und Finanzvermögen (besonders Immobilien) werden in der Regel nicht vollständig oder viel zu niedrig angegeben. Dies schlägt auf die Schätzungen durch, die von den Autoren der Studie mit Hilfe der Datensätze aus 38 Ländern für weitere 150 vorgenommen wurden.

Dem vorliegenden Material lässt sich entnehmen: 90 Prozent des weltweiten Reichtums (Netto-Haushaltsvermögens) befinden sich in Nordamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum (Japan, Australien). Auf Nordamerika, mit sechs Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung entfällt allein ein Drittel des Weltvermögens - auf Indien mit mehr als 15 Prozent der Erwachsenen weltweit hingegen nur ein knappes Prozent. Aber auch zwischen den reichen Ländern des Nordens variieren die Vermögenswerte beträchtlich: In Irland gehören dem obersten einen Prozent der Vermögenden 10,4 Prozent aller privaten Haushaltsvermögen, in der Schweiz sind es nicht weniger als 34,8 Prozent, in den USA (wegen notorisch unvollständiger Daten für die Superreichen) "nur" 33 Prozent. Dafür entfallen dort auf die Spitzengruppe der obersten zehn Prozent der Vermögensinhaber fast 70 Prozent der gesamten privaten Haushaltsvermögen. In China halten die obersten zehn Prozent gerade 40 Prozent.

Wer zur Topliga der Reichen dieser Welt gehören will, muss über ein Vermögen von mehr als 500.000 Dollar verfügten. Diese Spitzengruppe umfasst immerhin 37 Millionen Erwachsene. Seit dem Jahr 2000 dürfte sich die Mindestsumme an Vermögen, die man braucht, um in diese Kategorie aufzurücken, jedoch erhöht haben - um geschätzte 32 Prozent.

Daraus folgt, dass den obersten zehn Prozent gut 85 Prozent des Weltvermögens gehören. Wer sich zu dieser Gruppe rechnen darf, besitzt im Durchschnitt 40 mal mehr als der Weltdurchschnittsbürger. In der unteren Hälfte dieser Pyramide muss sich die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung hingegen mit gerade einmal einem Prozent des Weltvermögens begnügen.

Nehmen wir den berühmten Kuchen, den die konservativen Damen und Herren so schätzen, um uns und sich weiszumachen, jede Umverteilung sei sinnlos, da man bekanntlich nicht mehr verteilen könne als produziert werde. Übertragen wir die Struktur der weltweiten Vermögensverteilung auf eine Gruppe von zehn Menschen, die sich den bewussten Kuchen teilen, dann müssen wir uns einen Herrn vorstellen, der 99 Prozent des Kuchens für sich allein beansprucht, während sich die übrigen neun das verbleibende eine Prozent teilen. Würde der Kuchen umverteilt, würde der eine nicht daran sterben, und den anderen neun ginge es erheblich besser als zuvor.

Wo sind die Reichen und Superreichen dieser Erde zu finden? Nordamerika, Europa, Japan und Australien wurden bereits erwähnt. In den USA zum Beispiel leben 37 Prozent der Superreichen, es folgt Japan mit 27 Prozent. Auf Brasilien, Indien, Russland, die Türkei und Argentinien entfällt jeweils knapp ein Prozent der globalen Spitzengruppe, China hat schon 4,1 Prozent der reichsten Weltbürger vorzuweisen. Nach der WIDER-Studie gab es 2000 bereits 13,5 Millionen Dollar-Millionäre weltweit (erheblich mehr also als in den Studien der Vermögensverwalter Merrill-Lynch und Forbes verzeichnet) und genau 499 Vermögens-Milliardäre. Inzwischen dürften es erheblich mehr sein.


Aus: "Die Armen und die Superreichen" - BRISANTE WIDER-STUDIE AUS HELSINKI - Erstmals gibt es verlässliche Daten zur Verteilung von Einkommen und Privatvermögen in der Welt von heute | Von Michael R. Krätke - Der Autor ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität von Amsterdam (12.01.2007)
Quelle: http://www.freitag.de/2007/02/07020601.php (http://www.freitag.de/2007/02/07020601.php)

Title: [Dreck, Ungeziefer, Gestank...]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 29, 2007, 04:12:15 PM
Quote[...] Berlin (ddp). Verstopfte Toiletten, Schimmel im Kühlschrank, Ungeziefer in den Zimmern, überall bestialischer Gestank - immer öfter holen Polizisten Kinder aus völlig verwahrlosten Wohnungen. Allein seit Jahresbeginn sind in Deutschland mindestens sieben Fälle bekannt geworden, bei denen mehr als 20 Jungen und Mädchen in katastrophalen Verhältnissen lebten.

«Die ersten drei Wochen 2007 lassen nichts Gutes erahnen», sagt der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, im ddp-Interview. «Und die zunehmende Zahl der Fälle liegt längst nicht nur an der größeren Sensibilität der Nachbarn», weiß der Experte. Erst jüngst trafen Beamte in Berlin-Reinickendorf sechs Kinder und Jugendliche im Alter von 2 bis 17 Jahren in einer Wohnung an, deren Zustand selbst hartgesottene Ermittler fassungslos gemacht hat. Zuvor waren sieben meist Minderjährige ebenfalls in Berlin in einer verdreckten Wohnung entdeckt worden. In Nürnberg retten Polizisten eine Zweijährige und ihren vierjährigen Bruder aus Müllbergen.

Hilgers befürchtet, dass die Fälle von Vernachlässigung bundesweit «drastisch» gestiegen sind. Zwar gebe es noch keine abschließende Statistik für 2006, jedoch sei schon aus der Vielzahl der bekannt gewordenen Einzelschicksale zu schließen, dass mit zunehmender Armut auch immer mehr Kinder unter verwahrlosten Wohnverhältnissen leiden müssen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) erfasste 2005 bundesweit 1178 Fälle, in denen Eltern ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzten. 2003 ermittelten die Statistiker 1240 Fälle, wie eine BKA-Sprecherin in Wiesbaden sagt. Vor einem Jahrzehnt waren es 1020.

Der Kinderschutzbund geht von einer hohen Dunkelziffer aus. »Wir kennen immer mehr Fälle als die Polizei«, sagt Hilgers. Andere Statistiken sprächen auch von rund 2900 Vernachlässigungsfällen für 2005. Der Bielefelder Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann schätzt, dass rund 80 000 Jungen und Mädchen im Alter bis zu zehn Jahren von extremer Vernachlässigung durch ihre Eltern bedroht sind.

Nach Angaben des Kinderschutzbundes hat sich die Zahl armer Kinder in Deutschland seit 2004 mehr als verdoppelt. Von 15 Millionen Kindern hätten 2,5 Millionen «kaum Bildungschancen» und lebten "mit einem hohen Gesundheitsrisiko».

»Familien, die keine Perspektiven mehr für sich sehen, übertragen dies oft auf ihre Kinder«, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Werner Hesse. Er warnt jedoch davor, von der sozialen Not einer Familie pauschal abzuleiten, dass die Kinder vernachlässigt würden. Der überwiegende Teil der finanziell schlecht gestellten Eltern gehe «sehr liebevoll» mit den Kindern um, fügt Hilgers hinzu.

Er beklagt, dass für Präventionsmaßnahmen oft das Geld fehle. «Viele Jugendämter sind so schlecht finanziell und personell ausgestattet, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können», sagt Hilgers. Es reiche nicht aus, alle drei Monate eine Problemfamilie zu besuchen. «Normalerweise muss es in schweren Fällen eine zwei- bis dreijährige Intensivbetreuung geben, bei der Sozialhelfer zwei- bis dreimal wöchentlich hinschauen», fordert er.

Vernachlässigte Jungen und Mädchen wüchsen zu «weit mehr als 90 Prozent» in Familien auf, die von «Hartz IV» und Perspektivlosigkeit betroffen seien, sagt der Kinderschutz-Präsident.

Bei vielen Problemfällen hätten die zumeist jungen Eltern in ihrer Kindheit selbst nicht ausreichend elterliche Zuwendung erfahren. Deshalb will nach Niedersachsen und Bremen ab Ende März auch Sachsen in vier Modellregionen mit dem Frühwarnsystem Pro Kind starten. Junge Mütter und Eltern sollen dann in schwierigen Lebenslagen unterstützt und ein Stück begleitet werden. Anzeichen, die eine familiäre Fehlentwicklung zur Folge haben könnten, sollen so früh wie möglich erkannt werden. (ddp)


Aus: "Dreck, Ungeziefer, Gestank" (Samstag 27. Januar 2007, 13:43 Uhr)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/27012007/336/dreck-ungeziefer-gestank.html (http://de.news.yahoo.com/27012007/336/dreck-ungeziefer-gestank.html)

Title: [Studiengebühren, Geburtenrate und Akademikerinnen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 01, 2007, 11:57:14 AM
Quote[...]  In den USA haben sich Studiengebühren bereits in einer stark unterdurchschnittlichen Geburtenrate unter Akademikerinnen niedergeschlagen. "Studiengebühren in dieser harten Form scheinen ein effektives Verhütungsmittel darzustellen", sagt Gerd Grözinger.

Die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland erheben vom kommenden Sommersemester an Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester. Zinsgünstige Kredite sollen auch Einkommensschwachen ein Studium ermöglichen.


Aus: "DIE ZEIT: Studiengebühren senken Geburtenrate" - Studiengebühren könnten die niedrige Geburtenrate bei Akademikerinnen weiter senken, weil zur Zahlung der Gebühren aufgenommene Kredite genau in der Lebensphase getilgt werden müssten, in der junge Frauen sich gewöhnlich für Kinder entscheiden... (25.01.2007)
Quelle: http://www.carelounge.de/sozialberufe/news/news_ansehen.php?meldungID=1779 (http://www.carelounge.de/sozialberufe/news/news_ansehen.php?meldungID=1779)

Title: [„Hier kann ich viel essen“... (Kinderarmut)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 01, 2007, 12:17:58 PM
Quote[...] ,,Als wir hier angefangen haben, haben wir das Gefühl gehabt, so, wie manche Kinder sich äußern, gucken sie zu Hause den ganzen Tag Pornofilme und sind gewaltbereit", sagt Inge Rehbein. Inzwischen habe sich das geändert: ,,Wir sind an sie rangekommen." Wärme und Verlässlichkeit bieten die Mitarbeiterinnen den Kindern, sie stärken sie und vertrauen ihnen, sie nehmen sie an und ernst. Dennoch sieht Inge Rehbein die Situation realistisch: ,,Der größte Teil der Kinder wird es trotzdem nicht schaffen. Hier essen unsere erwachsenen Gäste von morgen."

Nach und nach füllt sich die Suppenküche, die Kinder stehen an für Käsesuppe, Rosenkohl, Kartoffeln, Putenrollbraten, Milchreis und Apfelmus. Die zehn Jahre alte Ricarda, ein hübsches dunkelhaariges Mädchen mit langen, dünnen Beinen, antwortet auf die Frage, was ihr hier am besten gefalle: ,,Hier kann ich viel essen."

[...] Ein alleinerziehender Vater sitzt mit einer alleinerziehenden Mutter ganz in der Ecke an einem Tisch, ihre Kinder spielen draußen. Der Mann, der einen Ein-Euro-Job als Hausmeister hat, lebt mit seinen beiden drei und acht Jahre alten Söhnen von 599 Euro im Monat, die sich nach seinen Angaben aus Unterhaltsvorschuss, Kindergeld und dem Lohn für den Ein-Euro-Job zusammensetzen. Wie genau, weiß er nicht. ,,Ich weiß nur, dass ich, auch wenn wir hier jede Woche essen, am Ende des Monats nicht mehr Geld habe als am Anfang. Weil das Geld schon am Ersten des Monats fast auf null ist."

Eine andere alleinerziehende Mutter berichtet, während einer Zeit der Arbeitslosigkeit sei bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden, inzwischen lebten sie und ihre Tochter von Einkaufsgutscheinen, alle zehn Tage einer im Wert von 40 Euro für Lebensmittel und Hygieneartikel. ,,Mein Antrag auf Hartz IV wird seit Monaten geprüft, ich habe seit drei Monaten keine Miete mehr gezahlt."

[...] Ricardas Mutter, eine kräftige junge Frau mit einem silbernen Eckzahn, ist inzwischen gegangen. Wie also kommt Ricarda nachher nach Hause? Sie zuckt mit den Schultern. ,,Wir erleben das immer wieder, diese Beziehungsunfähigkeiten zwischen Eltern und Kindern", sagt Inge Rehbein. ,,Da nimmt sich die Mutter einen Teller und isst und guckt nicht, ob ihr Kind was hat." Die Mitarbeiterinnen gingen dann mit dem Kind zu dem Tisch, an dem die Mutter esse, und sorgten dafür, dass die beiden gemeinsam äßen. ,,Aber mit ganz viel Fingerspitzengefühl, damit die Eltern nicht dastehen wie die Idioten."

Zahlreiche Schulungen haben die Mitarbeiterinnen inzwischen absolviert, sie gehen liebevoll, aber professionell mit ihren Gästen um. ,,Helfen aus Mitleid passiert bei uns nicht", sagt Inge Rehbein. ,,Wir haben feste Regeln und auch eine Abgrenzung für uns, wir wollen nämlich nächste Woche die gleiche Leistung wieder bringen."

Bevor die Suppenküche schließt, dürfen alle Kinder abgepacktes Essen und Kleidung einstecken. Ricarda langt kräftig zu. Was gibt es bei ihr zu Hause zu essen, wenn nicht gerade Freitag ist? ,,Wenn ich aus der Schule komme, kommen zwei Frauen und bringen was, oder meine Mutter geht zur Tafel und bringt was mit."



Aus: "Kinderarmut: Deutschlands Hungerleider" Von Katrin Hummel (F.A.Z, 31. Januar 2007)
Quelle: http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~ED98201EF96604FCA9B4139237C5A2712~ATpl~Ecommon~Scontent.html (http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~ED98201EF96604FCA9B4139237C5A2712~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

Title: [Globalisierungskinder... (Generation Praktikum)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 01, 2007, 12:51:47 PM
Quote[...] Svenja rollt mit den Augen, "das Thema nervt". Sie kann die Frage nicht mehr hören. Die Frage nach ihrer Arbeit, ihrer Finanzierung, ihrem Lebensgefühl. Zu viel ist schon geschrieben worden.
[...] Die Generation Praktikum ist von sich selbst genervt.

[...] Betroffen sind nicht mehr nur die Arbeitsverhältnisse der Praktikanten. Auch befristete Verträge, Teilzeit, Werk- und Honorarverträge, schlecht bezahlte Volontariate und Traineestellen, selbständige Existenzgründungen und Gelegenheitsjobs gehören zu den Bedingungen der Globalisierungskinder. "Standen in den 70er-Jahren noch Wertefragen wie Wohlstand und Selbstverwirklichung im Vordergrund, so ist der Schlüssel heute Unsicherheit." Die Übergangsphase dauere in der Regel drei bis fünf Jahre, "danach finden die meisten ihren Platz". Verpasst man den Anschluss, besteht die Gefahr, den Weg in die Leistungsgesellschaft nicht mehr zu finden.

Längst hat das Globalisierungsrisiko auch etablierte Berufe erfasst. Bei den Juristen stieg die Arbeitslosenzahl von 2000 bis 2004 um fast das Doppelte auf knapp 10.000 Joblose. Die 30-jährige Juristin Juliane aus München schleppt Möbel in ihr Büro. Sie gehört zu denen, die sich lieber selbständig machen, als lange auf den Traumjob zu warten. "Die Mandanten kommen erst langsam zu mir", sagt sie. Leben kann die Rechtsanwältin nicht von ihrer Mini-Kanzlei. "Meine Eltern schießen immer wieder was dazu, damit ich die Rechnungen alle bezahlen kann."

Damit ist sie nicht allein: Laut "Soldan-Gründungsbarometer" können 31 Prozent der jungen Kanzleigründer ihren Lebensunterhalt lediglich mit Einschränkungen bestreiten. Mehr als die Hälfte muss auf Einnahmen zurückgreifen, die nicht aus ihrer Anwaltstätigkeit stammen. Ein Drittel der jungen Rechtsanwälte wählt den Weg in die Selbständigkeit, weitere 11 Prozent arbeiten zunächst als freie Mitarbeiter. Der Anteil der Gründer, die staatliche Fördermittel in Anspruch nehmen, hat sich seit 1997 verdreifacht. Über die Hälfte der Einzelanwälte üben ihre Anwaltstätigkeit in der eigenen Wohnung aus, Tendenz steigend.

Wer die konkrete Situation der westlichen Globalisierungskinder verstehen will, muss eine umfassende politische Analyse vornehmen. Dazu gehören, so Blossfeld, sowohl "Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik als auch die Familienpolitik". Denn die Unsicherheiten der jungen Generation machen an Ressortgrenzen nicht halt: Berufseinsteiger müssen Studienschulden oder künftig -gebühren abbezahlen - und sich gleichzeitig um die Altersvorsorge kümmern; gleichzeitig wird das Kindergeld auf 25 Jahre beschränkt. Die verunsicherten Hochschulabsolventen reagieren auf ihre Situation, indem sie kurzfristiger denken. Langfristig bindende Entscheidungen schieben sie auf, die Jugendphase wird verlängert und der Übergang in das Erwerbsleben verläuft chaotisch. Manche hüpfen von Praktikum zu Praktikum, andere bleiben länger im Bildungssystem. Eine Promotion als Warteschleife ist heute gang und gäbe.

Zunehmend entwickeln sich auch geschlechtsspezifische Strategien im Umgangs mit der Unsicherheit. Männer sind in immer geringerem Maße in der Lage, als "Ernährer" eine langfristige Einkommenssicherheit für den Haushalt zu übernehmen. Sie schieben die Familiengründung auf. Umgekehrt hängt der Wunsch hochqualifizierter Frauen, Kinder zu bekommen, davon ab, dass sie ihre Berufschancen durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf wahren können. "Die langfristige Selbstbindung an Kinder übernehmen die meisten erst mit gesichertem Status", beschreibt Blossfeld die Auswirkungen. "Frauen, die mehrere Jahre unsichere Jobs hinter sich haben, überlegen es sich zweimal, ob sie die einmal erreichte berufliche Stellung aufs Spiel setzen möchten." In Deutschland ist der Karriereknick mit Kind Realität. Junge Erwachsene verschieben den Kinderwunsch oder geben ihn sogar ganz auf.

In Italien und Spanien sorgte die "Generation Mille Euro", "die 1.000-Euro-Generation", in den letzten Jahren für Schlagzeilen. Dort, wo die "Insider-Outsider"-Märkte mit am stärksten ausgeprägt und befristete Verträge für Hochschulabsolventen an der Tagesordnung sind, machten junge Aktivisten mit ungewöhnlichen Mitteln auf ihre prekäre Lage aufmerksam. Politisch herausgekommen ist nicht viel: Zwei junge, findige "Precari" haben einen Internet-Roman über das Leben der modernen Tagelöhner initiiert, ihn als Buch verlegt und die Filmrechte verkauft. Die Lockerung des Kündigungsschutzes, die in Frankreich für Empörung sorgte, wurde in Italien ohne größere Proteste in Gesetz gegossen. In Frankreich polterten die Praktikanten so lange durch die Straßen, bis sie eine geplante Regelung zu einer zweijährigen Probezeit für Berufseinsteiger verhindern konnten. Heute ist das Thema verebbt. In Brüssel diskutiert man jetzt das Modewort "Flexisecurity", das seinen Ursprung in den skandinavischen Ländern hat. Flexibilität und Sicherheit sind danach keine unvereinbaren Gegenpole, sondern in Balance zu bringen. Anders als in einigen Nachbarländern steht diese Diskussion hierzulande erst am Anfang.

Dass das Thema Generation Praktikum fachlich und politisch schwer einzuordnen ist, bemerkten auch die deutschen Parlamentarier. Zunächst landete das Thema beim Bildungsministerium, anschließend machte Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) das Thema zur Chefsache, inzwischen ist wieder Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zuständig. Ihre Partei will erst einmal verlässliche Zahlen, bevor sie weiter debattiert. Bundeskanzlerin Merkel reagiert gereizt, wenn man sie zum Thema befragt.

Die Unsicherheit, mit dem Thema umzugehen, ist gerade bei den jungen Abgeordneten mit Händen zu greifen. "Wenn wir ehrlich sind, wissen wir überhaupt nicht, was wir mit der Generation Praktikum machen sollen", sagt Swen Schulz. Der SPD-Bundestagsabgeordnete ist wenigstens ehrlich. Andere schwanken zwischen der Entschlossenheit, etwas tun zu wollen - und der Unsicherheit, "mit gut gemeinten Gesetzen der Generation Praktikum die letzten Arbeitsplätze wegzunehmen". Die Formel, auf die sich die jungen Parlamentarier einigen könnten, ist wohl die des Grünen Kai Gehring: "Die Generation Praktikum ist kein Medienhype, sondern für Tausende junger Menschen prekäre Realität."

Ein kämpferischer Beitrag der Betroffenen bleibt aus. "Man hofft ja doch immer, dass man einen Job bekommt und sich die ganze Situation auszahlt", erwidert ein junger Berufseinsteiger auf die Frage, warum seine Generation denn nicht auf die Straße gehe und demonstriere. Die Betroffenen begreifen ihren eigenen Weg als individuell. Sich einzugestehen, dass sie Teil eines großen Ganzen sind, würde diesem Verständnis zuwiderlaufen. Wenn ihnen die Generation Praktikum auf die Nerven geht, dann, weil sie sich von ihr distanzieren wollen. Ihr Individualismus verbietet ihnen, eine andere Geschichte zu erzählen.


Aus: "Wir sind alle Praktikanten" Von MELANIE ZERAHN (taz vom 31.1.2007, S. 18, 287 Z. (TAZ-Bericht))
Quelle: http://www.taz.de/pt/2007/01/31/a0231.1/text (http://www.taz.de/pt/2007/01/31/a0231.1/text)

Title: [Moralisch-ethisch erstaunlich provinziell... (Notiz, Moldawien)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 06, 2007, 12:50:51 PM
Quote[...] Laut Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) lebt jedes vierte Kind in Südosteuropa in extremer Armut. Berechnungen zufolge stehen ihnen pro Kopf umgerechnet 1,70 Euro pro Tag zur Verfügung. Die Realität sieht freilich noch dramatischer aus. Denn viele Familien haben gar nichts. Die Eltern keine Arbeit, die Kinder keine Chance auf Ausbildung, das Haus keinen Strom und kein Gas, niemand etwas zu essen. Geld für teure Medikamente gibt es schon gar nicht, der Staat ist nicht in der Lage zu helfen.

[...] Die durch den völligen Zusammenbruch sozialer Strukturen hervorgerufene Perspektivlosigkeit treibt jährlich viele junge Menschen ins Ausland. So hat etwa ein Viertel der Bevölkerung Moldawiens die Heimat verlassen, meist mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dabei werden eine Vielzahl an Mädchen oft Opfer von Menschenhändlern. Der versprochene Job als Kellnerin in Griechenland, Italien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten entpuppt sich meist als Mogelpackung. Brutale Misshandlungen, Prostitution und moderne Sklaverei treiben die jungen Frauen häufig in den Freitod.

[...] "Das Leben auf der Straße ist für die Kinder in diesen Ländern kein Spiel sondern ein täglicher Kampf ums Überleben", appellierte Caritas-Präsident Franz Küberl im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien. Und Michael Landau, Direktor der Caritas Wien, die allein in Moldawien 19 Projekte betreut, ergänzte: "Wir handeln heute wirtschaftlich global, politisch multilateral und moralisch-ethisch erstaunlich provinziell. Was Not tut, ist eine Globalisierung des Verantwortungsbewusstseins."



Aus: "Laut Kinderhilfswerk der Unicef: Jedes vierte Kind in Südosteuropa lebt in Armut" (apa/red; networld.at; 02/2007)
Quelle: http://www.networld.at/index.html?/articles/0706/10/163670.shtml (http://www.networld.at/index.html?/articles/0706/10/163670.shtml)

Title: [Es ist reines Glück, dass es bei uns noch keine Krawalle gibt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 06, 2007, 12:56:43 PM
Quote[...] BERLIN Vor "französischen Verhältnissen in den Vorstädten" hat Professor Hubertus Lauer, Vizepräsident des deutschen Kinderschutzbundes, bei einer Podiumsdiskussion zur Kinderarmut in Berlin gewarnt. "Es ist reines Glück, dass es bei uns noch keine Krawalle gibt, Frustration gibt es genug", sagte Lauer.

Zwischen 1,7 und 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben nach Schätzungen der Sozialverbände unter der Sozialhilfegrenze – mit steigender Tendenz, wie Oliver Tomaszewski von der Integ-Jugend betonte. Allein in den letzten zehn Jahren habe sich die Zahl nahezu verdoppelt. Mittlerweile wachse jedes siebte Kind in Deutschland in Armut auf.

Über die Ursachen wurde im Podium teilweise erregt debattiert. Der Sozialverband Deutschland machte eine fehlgelenkte Sozialpolitik und insbesondere die Hartz-IV-Reform für steigende Kinderarmut verantwortlich. Marlene Rupprecht, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Kinderkommission, widersprach: "Nicht Hartz-IV macht arm, sondern der Arbeitgeber, der entlässt", sagte sie. "Die Höhe der Sozialleistungen ist nicht das Problem. Wir müssen sicherstellen, dass das Geld auch bei den Kindern ankommt", pflichtete Wolfgang Büscher, Pressesprecher des Berliner Hilfswerks "Die Arche" bei. Oft bräuchten die Eltern Hilfe und Anleitung bei der Erziehung.

Heide-Rose Brückner, Bundesgeschäftsführerin des Kinderhilfswerks, warf den Medien vor, Kinderarmut entweder zu verschweigen oder ein verzerrtes Bild zu zeigen. "In Deutschland verhungert kaum ein Kind, aber die psychischen Schäden von Armut sind immens", betonte sie und forderte die Medien auf, das stärker abzubilden.

Darin immerhin war sich das Podium einig: Die sozialen Folgen der Kinderarmut sind immens: gesellschaftliche Ausgrenzung, kaum Zugang zu Bildung und Chancenarmut. Arme Kinder werden häufiger krank und haben eine geringere Lebenserwartung.

Bei den Lösungsansätzen gingen die Meinungen auseinander. Die SPD-Abgeordnete Rupprecht forderte mehr Engagement der Länder, Kreise und Kommunen, für Wolfgang Büscher von der "Arche" ist eine frühe Ganztagsbetreuung gefährdeter Kinder der wichtigste Schlüssel. Hubertus Lauer warnte vor einer falschen Scham im Umgang mit Kinderarmut: "Wenn wir Angst vor Stigmatisierungen haben, können wir den Kindern nicht helfen – mit keinem Geld der Welt."


Aus: "Jedes siebente Kind von Armut betroffen: Die sozialen Folgen sind immens" (05.02.2007)
Quelle:  http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10866199/492531/ (http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10866199/492531/)

Title: [84 227 Privatpersonen... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 08, 2007, 12:00:34 PM
Quote[...]  Neuss - Der wirtschaftliche Aufschwung lässt die Zahl der Firmenpleiten weiter sinken. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform haben im vergangenen Jahr 31.300 Unternehmen Insolvenz angemeldet, das Statistische Bundesamt kommt seiner vorläufigen Hochrechnung für 2006 zum selben Ergebnis. Das sind 15,1 Prozent Fälle weniger als im Vorjahr. Damit hat die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland den niedrigsten Stand seit sechs Jahren erreicht.

Keine Entwarnung gibt es dagegen bei den Verbraucherinsolvenzen: Ihre Zahl stieg laut Creditreform 2006 auf 89.700 Fälle. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes mussten allein von Januar bis November 84 227 Privatpersonen ihre Zahlungsunfähigkeit erklären - ein Plus von 36,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.


Aus: "Firmen gehen seltener pleite, Privatinsolvenzen steigen" Von Nikolaus Doll (07.02.2007)
Quelle: http://www.welt.de/data/2007/02/07/1202834.html (http://www.welt.de/data/2007/02/07/1202834.html)

Title: [gefährdete Privatkredite... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 14, 2007, 01:02:14 PM
Quote[...] Russische Verbraucher kaufen immer mehr auf Pump, doch mit der Rückzahlung hapert es. Die Zentralbank warnte vor einem rasch wachsenden Anteil gefährdeter Privatkredite.


Aus: "Russen in der Schuldenfalle" (13. Februar 2007)
Quelle: http://www.n-tv.de/765957.html (http://www.n-tv.de/765957.html)

-.-

Quote[...] Die Nationalbank sehe in den rasch wachsenden Ausfällen eine Bedrohung für das immer noch schwache Banksystem Russlands. Die Banken sollten verpflichtet werden, genauer auf die Effektivzinsen ihrer Schnellkredite hinzuweisen. Die Russen haben bei ihren Banken umgerechnet 58 Milliarden Euro geliehen. Nach Zentralbankangaben haben 35 Prozent der Russen schon einmal einen Privatkredit aufgenommen und sich mit durchschnittlich 40 000 Rubel verschuldet.


Aus: "Russen türmen faule Kredite auf" (HANDELSBLATT, Dienstag, 13. Februar 2007)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/news/Unternehmen/Banken-Versicherungen/_pv/_p/200039/_t/ft/_b/1224639/default.aspx/russen-tuermen-faule-kredite-auf.html (http://www.handelsblatt.com/news/Unternehmen/Banken-Versicherungen/_pv/_p/200039/_t/ft/_b/1224639/default.aspx/russen-tuermen-faule-kredite-auf.html)

Title: [Symbol und Kernstück der Politik... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 26, 2007, 12:27:06 PM
Quote[...] Die EU-Kommission will mit dem Papier ihrer Politikberater eine breite Debatte über die soziale Wirklichkeit in Europa anregen. Diese gibt den Experten zufolge vielfachen Anlass zur Sorge. Neben Problemen der Umweltverschmutzung und wachsenden Verstädterung nehmen sie vor allem die Armut unter die Lupe: "Die Statistiken zeigen, dass Europa ein ernsthaftes Armutsproblem hat." 72 Millionen Bürger - das sind 15 Prozent der EU-Bevölkerung - lebten mit einem Armutsrisiko, weitere 36 Millionen seien gefährdet. Dabei wachse die Gefahr, das Armut von einer Generation zur nächsten vererbt werde.

Armutsrisiko. 12 der 72 Millionen Europäer mit Armutsrisiko seien Ältere. Aber auch viele Alleinstehende unter 30 Jahren kommen dem Bericht zufolge kaum über die Runden: In Großbritannien seien es 37 Prozent dieser Gruppe, in Deutschland sogar 42 Prozent und in den Niederlanden 49 Prozent. Hinzu komme, dass fast jeder fünfte Jugendliche unter 18 Jahren mit einem Armutsrisiko aufwachse: Das sind 18 Millionen in einer Gruppe von 94 Millionen jungen EU-Bürgern. "In den Gesellschaften mit der größten Ungleichheit ist das Armutsrisiko am höchsten", führen die EU-Fachleute aus.

Kluft zwischen Arm und Reich. "In vielen EU-Ländern glaubt Umfragen zufolge eine deutliche Mehrheit der Bürger, dass die Kluft zwischen Arm und Reich zu groß ist", stellt der Bericht weiter fest. In mehreren Ländern, darunter Deutschland und Großbritannien, habe sich diese Schere weiter geöffnet. Ein britischer Unternehmer, der vor 20 Jahren rund 30 Mal so viel verdient habe wie einer seiner Verkäufer, kassiere heute das 100fache seines Angestellten. Aber 1999 habe einer von zwölf allein erziehenden Elternteilen den Kindern dort keine tägliche warme Mahlzeit und keine regenfeste Kleidung kaufen können.


Aus: "EU-Experten warnen: Lebensqualität in Europa in Gefahr" (25.02.2007)
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/356341/index.do (http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/356341/index.do)


-.-

Quote[...]  In den USA wird die Kluft zwischen Arm und Reich gemäss einer Studie immer grösser. Die Zahl der in äusserster Armut lebenden Menschen ist so hoch wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

Das geht aus einer am Samstag (Orstzeit) in den USA veröffentlichten Studie hervor, die auf den jüngsten verfügbaren statistischen Angaben von 2005 beruht. Demnach leben 16 Millionen in «tiefer oder schwerer Armut».
Das bedeutet, dass diese Menschen mit einem Einkommen von weniger als 9903 Dollar (rund 12 200 Franken) im Jahr für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern auskommen müssen. Zwischen 2000 und 2005 stieg die Zahl der schwerarmen US-Bürger laut der Studie um 26 Prozent.

Dieser Anstieg sei um 56 Prozent höher als die Zunahme der gesamten armen Bevölkerung im gleichen Zeitraum, heisst es in der Studie. Von den insgesamt 37 Millionen Armen im Land seien 43 Prozent in extreme Armut abgerutscht.

Das ist die höchste Rate seit 1975. Verfasst wurde die Studie vom US-Medienkonzern McClatchy Newspapers, der zahlreiche Tageszeitungen herausgibt.

Auch im europäischen Raum sind Probleme rund um die Armut allgegenwärtig. Massgebliche EU-Experten warnen vor wachsenden Gefahren für die Lebensqualität in Europa. In einem Bericht weisen die Fachleute auf schwerwiegende Folgen von Arbeitslosigkeit und ungelösten Problemen verbreiteter Armut hin.

Die Kluft zwischen Arm und Reich sei in vielen EU-Staaten gewachsen. Das steigere bei vielen Bürgern auch Stress, Fettleibigkeit und Drogenkonsum. Die Entwicklung verstärke zudem das Risiko psychischer Erkrankungen und von Verbrechen.

Dies ging aus Bericht hervor, den die EU-Kommission am Montag in Brüssel vorlegen wollte. 72 Millionen Bürger - das sind 15 Prozent der EU-Bevölkerung - lebten mit einem Armutsrisiko, weitere 36 Millionen seien gefährdet. Dabei wachse die Gefahr, das Armut von einer Generation zur nächsten vererbt werde. (sda)


Aus: " WASHINGTON: Immer mehr grosse Armut in den USA" (25.02.2007)
Quelle: http://www.mzbern.ch/pages/index.cfm?dom=31&rub=100004699&nrub=0&sda=1&Artikel_ID=101497831 (http://www.mzbern.ch/pages/index.cfm?dom=31&rub=100004699&nrub=0&sda=1&Artikel_ID=101497831)

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Quote[...] Das kleine Land Moldawien ist einer der ärmsten Staaten Europas. Rund 80 Prozent der Menschen leben hier in Armut. Und die Situation wird immer auswegsloser. Wer kann, verläßt das Land. Ein Viertel der Bevölkerung ist bereits ins Ausland gegangen. Nur der Mädchen- und Organhandel blühen.

Bis zu seiner Unabhängigkeit Anfang der 1990er Jahre war Moldawien eine der wohlhabendsten Sowjetrepubliken. Seither hat sich wegen des ungelösten Transnistrien-Konflikts (1992) die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert. Im Jahr 2002 betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerade einmal 1,5 Milliarden Euro. Der durchschnittliche Monatslohn beträgt etwa 30 Euro, Pensionisten bekommen oft nur 12 Euro im Monat.

Um ihr Elend zu mindern, verkaufen manche Moldawier alles. Sogar ihre Kinder oder ihre Körperteile. 1.500 Euro kriegt man derzeit für eine Niere, 50 Euro wenn man seine Tochter als Prostituierte zum Beispiel nach Albanien verkauft. Von ihren Peinigern werden die Mädchen oft eingesperrt, mit Eisenstangen gefügig geprügelt und vergewaltigt. Viele kamen nur als seelische und körperliche Wracks in ihre Heimat zurück.

Angeblich wird im Schnitt alle 6 Minuten ein menschliches Organ von einem Moldawier entfernt und verkauft. Moldawische Regierungsbeamte sollen dabei enorme Profite ernten. Das behauptet zumindest die transnistrische Tiraspol Times, die sich auf die deutsche Nachrichtenagentur DPA stützen will. Doch sicher ist dies alles nicht.

Der rumänische Staatspräsident Traian Basescu rechnet angesichts der elenden Lage im Nachbarland mit einer Welle von Einwanderern aus Moldawien, da Rumänien durch die EU-Mitgliedschaft ein attraktiveres Ziel geworden sei. Derzeit liegen demnach rund 800.000 Anträge von Moldawiern auf rumänische Staatsbürgerschaft vor. Bis Ende dieses Jahres rechne man mit 1,5 Millionen Anträgen, bei einer Gesamtbevölkerung von 3,8 Millionen Moldawiern.


Aus: "Mädchen- und Organhandel in Moldawien: Massive ökonomische Probleme führen zu drastischen Erwerbsquellen" Von Karin Burghofer (26.Februar 2007)
Quelle: http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=26022007ArtikelPolitik2 (http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=26022007ArtikelPolitik2)

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Quote[...] Der Ansturm der deutschen Arbeitskräfte in die Schweiz hat vor allem einen Grund: Deutschland hat sich innerhalb weniger Jahre mutwillig zum Billiglohnland und zum Armenhaus gemacht. Selbst im «Boomjahr» 2006 gingen die Löhne weiter zurück.

Deutschland erlebt zurzeit einen Boom: Das Statistische Bundesamt meldet für 2006 ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent. Doch man muss genauer hinsehen: Gestiegen sind auch 2006 nur die Gewinne, nämlich um rund 30 Milliarden Euro. Die Summe aller Löhne hingegen ist trotz leicht zunehmender Beschäftigung erneut gesunken – und das mitten im Aufschwung!

Das geht schon lange so. Seit inzwischen zehn Jahren tut sich in Deutschland punkto Reallohn gar nichts mehr. Die Kaufkraft der Löhne ist in dieser Zeit um 5,1 Prozent gesunken. Das ist einmalig in der Nachkriegsgeschichte. In den Jahren zuvor waren auch in Deutschland jährliche Reallohnsteigerungen von 1 bis 3 Prozent üblich.

Dieser Lohnzerfall ist nicht die zwingende Folge der Konkurrenz aus den Billiglohnländern – sonst wären in Deutschland die Gewinne gesunken und hätten auch andere Industrieländer ihre Reallöhne nicht erhöhen können. Deutschlands Misere ist das Ergebnis einer bewussten Politik. Das Stichwort heisst «Lohnzurückhaltung». Deutschland war Mitte der Neunzigerjahre mit einem hohen DM-Kurs in den Euro eingestiegen und hat versucht, seine Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Das ist geglückt: Deutschlands Lohnkosten sind im Vergleich zur Konkurrenz um 15 bis 30 Prozent gesunken. 2006 wurde ein Exportüberschuss von 162 Milliarden Euro erzielt. China, das andere grosse Billiglohnland brachte es bloss auf 135 Milliarden Euro Überschuss.

Symbol und Kernstück der Politik der Lohnzurückhaltung ist die drastische Kürzung des Arbeitslosengeldes: Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit sinkt es für Alleinstehende auf 345 Euro plus 318 Euro Wohngeld. Doch auch diese Mini-Leistungen (rund 1100 Franken monatlich) werden erst gewährt, wenn das eigene Vermögen (falls vorhanden) aufgebraucht ist. Dieser «Stachel der Armut» macht auch Hungerlöhne von weniger als 6 Euro attraktiv.

Das eigentliche Drama spielt sich deshalb am unteren Ende der Lohnskala ab. Dort sind die Löhne regelrecht eingebrochen. Das betrifft nicht nur die Krisenbranchen, sondern generell die Leute, die aus der Ausbildung oder aus der Arbeitslosigkeit in das Berufsleben einsteigen. Für diese rund 10 Millionen Arbeitssuchenden sind die Lohnaussichten inzwischen so mies, dass die Schweiz geradezu als Paradies erscheint.

Wie «abartig» sich Deutschland in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat, zeigt der Vergleich mit anderen Ländern: Überall sonst sind die Löhne gestiegen. Ausserhalb der Euro-Zone waren jährliche Reallohnzuwächse von 2 Prozent und mehr an der Tagesordnung – genau so wie einst auch in Deutschland. Die relativ bescheidenen Lohnzuwächse in Frankreich und in der Schweiz zeigen aber auch, dass Deutschlands Lohndumping (via Auswanderung und durch die billigen Exporte) auch das Lohnniveau der direkten Nachbarn und Konkurrenten gedrückt hat.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und das Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, wollen zwar von einem Lohndruck nichts wissen. Doch das sind politische Stellungnahmen. Andere sind weniger befangen. So hat etwa Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth neulich in der «Finanz und Wirtschaft» die Frage, ob die Freizügigkeit die Löhne nach unten drücke, wie folgt beantwortet: «Man kann vermuten, dass angesichts der grösseren Flexibilität das Salärniveau weniger steigt als in ähnlichen konjunkturellen Situationen in der Vergangenheit».

Vor diesem Hintergrund stellt sich die bange Frage, ob Deutschland seine Billiglohnpolitik weiterführen wird. Die Hoffnungen sind leider gering: Erstens gibt es kaum Anzeichen dafür, dass der exportgetriebene Aufschwung in Deutschland zu einem selbst tragenden Boom ausweitetet. Dazu sind die privaten Konsumausgaben viel zu schwach. Daran dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern. So hat etwa das in Deutschland angesehene Institut für Weltwirtschaft in Kiel diese Woche dringend für eine erneute Nullrunde bei den Löhnen – somit also für einen Rückgang der Reallöhne um rund 2 Prozent – plädiert. Dass die Renten nicht erhöht – also real um 2 Prozent gesenkt werden – ist bereits beschlossene Sache. Und schliesslich bremst auch die Europäische Zentralbank. Ihr Präsident Jean-Claude Trichet hat kürzlich offen mit einer Zinserhöhung gedroht, falls Deutschlands Löhne zu stark steigen sollten.

Deutschland wird wohl noch lange Zeit ein Auswanderungsland bleiben.


Aus: "Serie: Wie viele Deutsche verträgt die Schweiz? - Flucht aus dem Armenhaus" VON WERNER VONTOBEL (25.02.2007)
Quelle: http://www.blick.ch/sonntagsblick/wirtschaft/artikel56773 (http://www.blick.ch/sonntagsblick/wirtschaft/artikel56773)

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Quote[...] Dresden - Immer mehr Menschen in Sachsen kommen mit ihren finanziellen Mitteln ohne fremde Hilfe nicht mehr über die Runden. Vor allem seit der Einführung des Hartz IV-Gesetzes im Januar 2005 hat sich die Zahl der Hilfsbedürftigen drastisch erhöht, wie eine dpa-Umfrage unter den Tafeln im Freistaat ergab. Um den Bedürftigen das tägliche Brot zu sichern, sammeln die Tafeln Lebensmittelspenden. 7,8 Millionen Menschen leben in Deutschland nach Angabe der Nationalen Armutskonferenz von Sozialleistungen. 670 Tafeln unterstützen deutschlandweit sozial schwache Menschen. In Dresden stehen 9500 Bedürftige wöchentlich vor den Türen der Tafel. Im vergangenen Jahr wurden 1900 Tonnen Lebensmittel verteilt, sagte Edith Franke, Chefin der Dresdener und Vorsitzende der sächsischen Tafeln. ,,Einmal in der Woche werden 180 Menschen mit Lebensmittelpaketen versorgt, die etwa für vier Tage reichen." Zudem können sozial Schwache in Dresden-Gorbitz seit kurzem jeden Tag in angenehmer Runde eine vollwertige Mahlzeit zu sich nehmen. Sie müssten dafür zwischen 70 Cent bis zu einem Euro zahlen. ,,Wir spüren eine steigende Hoffnungslosigkeit unter den Bedürftigen und wünschen uns für die Zukunft, dass sich die Lage verändert", sagte Franke.

Etwa 10.000 Menschen wurden 2006 nach den Angaben der Leipziger Tafel-Chefin Ramona Büttner pro Monat in den Leipziger Einrichtungen versorgt. 2005 waren es noch halb so viele. ,,Mit Hartz IV hat sich die Zahl der Hilfesuchenden verdoppelt. Wir denken sogar darüber nach, die Essensausgabezeiten um eine Stunde zu verlängern", sagte sie. 2006 habe die Einrichtung ein neues Domizil erworben, um die Bedürftigen zu versorgen.

,,Wir haben EU-Fördermittel bekommen und uns noch stärker um Spenden bemüht", sagte Büttner. Der Leipziger Kleingärtnerverein habe angeboten, Gärten zum Anbau von Obst und Gemüse zur Verfügung zu stellen. ,,Wir sind unheimlich froh über das Angebot", sagte Büttner.

,,Wir wünschen uns, dass wir noch mehr Lebensmittelspender gewinnen können", sagte die Chemnitzer Tafel-Chefin Christiane Fiedler. Mangel gebe es vor allem an Obst und Gemüse sowie Brotaufstrichen. ,,Wir bemühen uns, dass wir genug anbieten können. Bislang mussten wir noch niemanden wegschicken", sagte sie. Aber auch in Chemnitz zeichne sich durch Hartz IV eine deutliche Zunahme der Menschen, die Unterstützung brauchten, ab. (dpa)


Aus: "Sachsen: Zahl der Bedürftigen drastisch gestiegen" ( Sonntag, 25. Februar 2007)
Quelle: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1417393 (http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1417393)

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Quote[...] Frankfurt/Main - "Ich habe mich nur gewundert, dass so viel Polizei hier ist", sagte die Schauspielerin Marie-Luise Marjan ("Lindenstraße"). "Wir sind mit dem Taxi hierher gekommen und haben gar nichts gemerkt", schilderte Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping. "Überflüssig und doof", war der Kommentar von Schauspieler Wolfgang Fierek ("Ein Bayer auf Rügen") zu den Demonstrationen: "Wenn sie etwas mitzuteilen haben, sollen sie es auf eine intelligentere Weise tun."

[...] "Ich gehe immer gerne auf Bälle, weil ich so viele Bekannte treffe und auch gerne tanze", erzählte die "Mutter Beimer" aus der TV-Serie "Lindenstraße" gut gelaunt. Als Tanzmuffel outete sich dagegen Ex-Schwimmerin Franziska van Almsick, die sich lieber angeregt mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) unterhielt. Die am meisten fotografierte Frau des Abends dürfte die italienische Schauspielerin Ornella Muti gewesen sein: Sie ließ das Blitzlichtgewitter der Fotografen allerdings meist nur mit einem genervten Gesichtsausdruck über sich ergehen.


Aus: "Deutscher Opernball: Krawalle am Festabend" (ZEIT online, Tagesspiegel | 25.02.2007)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2007/02/25/93520.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2007/02/25/93520.xml)

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Quote[...] Frankfurt/Main - Die Demonstration gegen Sozialkürzungen anlässlich des traditionellen Frankfurter Opernballs ist heute Abend in einem Gewaltausbruch eskaliert. Wie ein Polizeisprecher der Mainmetropole mitteilte, warfen zahlreiche Demonstranten nach Ende der Kundgebung mit Steinen, zerstörten Fensterscheiben und begingen weitere nicht näher bezeichnete Sachbeschädigungen. Es sollen auch Container angezündet worden sein. Der Frankfurter Polizeipräsident sagte der Nachrichtenagentur AP am Rande des Opernballs, es habe 100 bis 120 Festnahmen gegeben. Gegen 19.30 Uhr endeten die Gewalttätigkeiten, die Demonstranten zogen sich zurück.

Als die etwa 2200 Gäste des Opernballs, darunter die Schauspielerin Ornella Muti und die ehemalige Schwimmerin Franziska van Almsick, in der Alten Oper eintrafen, waren die Krawalle bereits beendet.

Rund 600 Demonstranten waren von 16 Uhr an zunächst friedlich vom Hauptbahnhof in die Frankfurter Innenstadt gezogen. Als es um 18 Uhr zu Auseinandersetzungen kam, wurde die Demonstration als beendet erklärt. Laut Polizei zogen daraufhin etwa 200 Teilnehmer randalierend durch die Innenstadt. Einsatzkräfte waren seit den Mittagstunden entlang der Marschroute aufgestellt. In den vergangenen beiden Jahren war es nach dem Protestzug zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen linksgerichteten Demonstranten und der Polizei gekommen.

Der Opernball selbst begann gegen 20.30 Uhr mit halbstündiger
Verspätung. Zu den Gästen zählten neben anderer Prominenz aus Politik und Showgeschäft auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung. Die Besucher des Opernballs haben pro Karte zwischen 130 und 655 Euro bezahlt. Rund 180 Künstler unterhalten die Gäste, unter ihnen die britische Popsängerin Kim Wilde, die Boney M.-Frontfrau Liz Mitchell und der amerikanische Sänger Al Martino.


Aus: "FRANKFURTER OPERNBALL - Gala mit Gewaltausbruch" (kai/AP/dpa; SPON; 24. Februar 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,468483,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,468483,00.html)

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QuoteAm 30.11.2002(!) hat der Berliner Dipl. Ingenieur Reinhard Dunkel vor der Delegiertenversammlung der IG Metall Berlin eine Rede zu den Hartz-Gesetzen u.a.m. gehalten. Weil das eine gute Vorhersage war und zugleich belegt, dass unsre Verantwortlichen wissen konnten, was sie tun, und dennoch einige heute aus der Verantwortung fliehen wollen, geben wir den Text wieder, einschließlich eines aktuellen Nachtrags des Autors. Albrecht Müller.

An die Delegiertenversammlung der IG Metall Berlin am 30.11.02


[...] hier stehe ich und kann nicht anders. Ich darf zu Ihnen sprechen, als Gast.
Ich will das Wort an Sie richten, als Gewerkschafter und Mitglied des Arbeitskreises Arbeitslosigkeit.
Ich muss meine Stimme erheben, denn ich bin betroffen vom Bild und der Stellung des Arbeitslosen in diesem Deutschland und als Betroffener.
Und gegen die Einbindung des Hartz-Programms in die Sparbeschlüsse.

Ich war arbeitslos und bin bald wieder arbeitslos, im Januar 03, liege dann auf meiner faulen Haut und in meiner sozialen Hängematte, liege dem Steuerzahler auf der Tasche und bringe Deutschlands Wirtschaft an den Rand des Ruins.
Zusätzlich bin ich noch ein potentieller Frührentner, der Deutschlands Sozial- und Rentenkassen plündern will, um sich in südlichen Gefilden zu erholen auf Kosten und zu Lasten der Jungen Generation.
Dabei habe ich doch gar nichts in die Rentenkasse gezahlt bis 1990, da ich aus dem Osten bin, wo es eine hohe versteckte Arbeitslosigkeit gab. Und nach der Deutschen Einheit musste der Steuerzahler auch noch Solidaritätszuschlag für mich bezahlen.

Genug vom Sarkasmus.

Ich bin mit den Arbeitslosen konfrontiert, nicht mit dem Bild, das in dieser Gesellschaft geschürt wird.

Sie kennen die Sprüche in Variationen und unzähligen Wiederholungen:

    * Wer Arbeit will, findet auch welche.
    * Arbeitslose liegen uns auf der Tasche
    * Arbeitslosen geht es noch viel zu gut
    * Die meisten wollen doch gar nicht arbeiten
    * Wenn ich mal arbeitslos wäre, würde ich jede Arbeit annehmen
    * Ich würde ehrenamtlich tätig sein

Presse, Rundfunk und Fernsehen wetteifern förmlich miteinander, um für die Verbreitung zu sorgen.
(Vor etwa 25 Jahren, soweit erinnere ich mich, geisterte der arbeitslose Ingenieur durch das Bild, saß auf seiner Yacht im Mittelmehr und kassierte intelligent jahrelang ALG.)
Heute sitzen angebliche Arbeitlose in Talkshows für Geld stolz vor der Kamera und bedienen das Bild vom Sozialschmarotzer. Zufällig?
Fast täglich werden wir über Sozialmissbrauch von Sozialhilfebeziehern und auch Asylanten informiert, von krank geschriebenen Arbeitnehmern wird berichtet, die schwarzarbeiten oder das Haus bauen und und und.

Razzien nach Schwarzarbeitern werden veranstaltet, haben Sie schon mal von Razzien nach den Arbeitgebern gehört

Wie kam es dazu?

Mit den 50er und 60er Jahren der sogenannten Vollbeschäftigung war es in den 70er Jahren vorbei. Nach der ersten Million: Regierungswechsel. Es kam Kohl und blieb für lange Jahre.
Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und Erneuerung der Gesellschaft.
Trotzdem stiegen die Arbeitslosenzahlen weiter, auf 3 Millionen 1989.
Krise gab es nicht. Nur Ölschock, veraltete Industrien, abflauende Konjunktur, Strukturkrisen, zu hohe Lohnnebenkosten, zu geringe Arbeitszeit,
Im Westen nichts Neues.
Dann Deutsche Einheit, Explosion der Arbeitslosenzahlen, vor allem in den Neuen Ländern, weit über 4 Millionen.
Es fehlen in Deutschland 7 Millionen Arbeitsplätze, grob geschätzt.

Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit wurde mehr und mehr ein Kampf gegen die Arbeitslosen. Und so war es nicht verwunderlich, dass plötzlich von der sozialen Hängematte gesprochen wurde, die die Menschen und speziell die Arbeitslosen daran hindern, etwas für sich und Deutschland zu tun.
Wer kennt noch den Satz: Wer sich keine Milch kaufen kann, soll sich keine Kinder anschaffen.
England, Frau Thatcher! Der Gewerkschaftstöter.
Oder das Wort vom sozialverträglichen Ableben von Alten
Rentnerschwemme, den Rentnern geht es viel zu gut.

Dann kam eine neue Regierung: Kampf der Arbeitslosigkeit ihr Kredo, das Ziel 500tausend weniger, der Aufschwung war ja da und die Meßlatte schien nicht zu hoch.
Zwei Jahre später war alles anders, der Ausspruch über die faulen Arbeitslosen zeugte von der Hilflosigkeit. Statt Kampf gegen die Arbeitslosigkeit Kampf gegen den Arbeitslosen.

Wieder geriet der Sozialschmarotzer in die Schlagzeilen. Ausrutscher von Beamten oder Sozialamtsangestellten erregen kaum Interesse

Es häuften sich leere Versprechungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Bündnis für Arbeit, was wurde daraus? Nichts!
Wer erinnert sich noch an die Greencard für 10tausend IT-Spezialisten und die dazu versprochenen 300tausend Arbeitsplätze, die durch ihre Anwesenheit geschaffen werden. Ein Riesenflop, die Branche kriselt.
Wer erinnert sich an den Haushaltsscheck "Blümscher" Prägung zur Schaffung haushaltsnaher Arbeitsverhältnisse mit Sozialabgaben?
Der Flop lässt grüßen, speziell Herrn Hartz.

Hartzkommission und Regierung haben sicher zuerst gute Absichten gehabt, aber die Betroffenen wurden weder um Rat gefragt noch um Mitarbeit gebeten.

Statt dessen sind die flotten Sprüche wieder da und wie.
Professoren und andere Gutverdienende geben solche in Presse und Fernsehen gefragt und ungefragt von sich.
Ein Grüner namens Kuhn: Es ist noch viel Saft in der Zitrone!
Wen er meinte, ist klar, Arbeitslose und andere. Aber wie kommt ein Mann zu dieser Ansicht und Einstellung?
Da sagte ein Superminister Clement: Viel Arbeitsplätze werden es nicht werden, aber es trägt zur Konsolidierung des Haushaltes bei.
Am Wesen des Arbeitslosen wird der Haushalt leider nicht genesen.

Eine andere Grüne namens Scheel blickt scheel auf die Frührentner und meint, dass die Abzüge bei Verrentung mit 60 viel zu niedrig sind.
Und der Weise Miegel erklärt das noch wissenschaftlich und der Gesundbeter Rürup will auch gleich das Rentenalter auf 67 steigend bis 70 anheben.
Sozial verträgliches Ableben fällt mir dazu nur ein.

Lasst uns doch erst einmal bis 60 arbeiten, statt uns mit 50 in die Arbeitslosigkeit zu schicken.

Vielleicht sollten Beamte und Politiker ein Arbeitslosengeld beziehen entsprechend Dauer und Alter bis max. Bemessungsgrenze und dann wieder mal arbeiten. Und keine lebenslange Pension.
Wenn ich mit 60 in Rente gehen muss, bekomme ich also 82 % , aber über 10 % eines Arbeitslebens fehlen bereits. Da ich im Osten groß geworden bin, fehlen noch weitere 15 % und das Rentenniveau wird wohl erst nach meinem Ableben ausgeglichen. Überschlägich denke ich, dass ich dann nur rund 60 % der Rente eines vergleichbaren Eckrentners erhalte. Bestätigte mir gerade Ministerin Schmidt mit angeblich 70 %, aber Sie kennt wohl nur den Westrentner.

Da kann Kuhn noch viel Saft herauspressen, notfalls wird meine Rente dann auf die Höhe vom Grundbedarf auf Antrag wieder aufgestockt.
30.000 Anspruchsberechtigte gibt es mindestens in Berlin.
Grundbedarf etwa 800 Euro.

Zum Vergleich:
4 Millionen Arbeitslose, ein Viertel davon ohne Entgeltersatzleistung.
1,7 Mio Arbeitslosenhilfeempfänger, durchschnittlich 500 Euro AlHi.
Altersarmutsgrenze

Ich soll beweglich gemacht werden durch ein umfassendes System von Strafandrohungen, besser sollte man sagen gefügig.
Da sollen Zeitarbeitsfirmen nach Tarif zahlen, zum Einstieg darf schon mal für das Arbeitslosengeld netto gearbeitet werden.
Nichts Neues nach SGB III.
Ich arbeite zuzeit netto zu meinem Arbeitslosengeld, gekürzt 80% Lohn bei 90 % Arbeitszeit, also 72 % Lohn nach Tarif, weiter geht der Abstieg nicht bzw. ist nicht zumutbar.
Aber bald, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten.

Wie war die Stellung des Arbeitslosen in dieser Gesellschaft:
Er hat keine Stellung, denn er ist arbeitslos. Und das Bild des Arbeitslosen, wie es in dieser Gesellschaft von Politikern, Wirtschaftsweisen, Bankern, Vorstandsvorsitzenden und Reportern in Presse, Rundfunk und Fernsehen dargestellt wird, ist ein Zerrbild.
Ein Schelm, der Arges dabei denkt.
Gipfel eines solchen Zerrbildes war die beabsichtigte Arbeitslosen-Show, deren Sieger einen Arbeitsplatz erhalten sollte.
Im Rundfunk werden Arbeitsplätze vermittelt, nach dem Motto: Wir können es, das Arbeitsamt nicht.
Dazu gehörte auch die Kampagne gegen das Arbeitsamt und seine Mitarbeiter. Ich bin auch mit vielen Dingen beim Arbeitsamt nicht glücklich. (Etwa wenn mir eine 25jährige Vermittlerin erklärt, dass ich mit 55 zu alt für eine Weiterbildung bin.)
Aber diese pauschale Herabsetzung des AA hatte Methode und lenkte von Fehlern von Politik, Wirtschaft und auch Gewerkschaften ab.

Auszug aus dem DGB Forderungen an die neue Regierung (vor der Wahl) Zitat:

,,Mit dem Regierungswechsel im Jahre 1998 hat eine Wende hinzu einer neuen Politik für Arbeit und sozialer Gerechtigkeit begonnen."

Das muss in einem anderen Land gewesen sein, in einer anderen Zeit, denn der Sozialabbau ist ungehindert weitergegangen und ein Riester hat den Ausstieg der Arbeitgeber aus der Sozialverantwortung möglich gemacht. Bismarck ist sauer.
Wer hat bloß den Schröder als Kanzler gewollt, war`s der Zwickel.
Das Hartz-Programm lehne ich ab. Es stinkt mir zu sehr, das umgesetzte Programm.
Nicht der Herr Hartz. Der ist auch schon sauer.

Reinhard Dunkel

Nachtrag des Autors vom Februar 2007:

Rückblickend bin ich einerseits stolz auf meine damalige weitsichtige Ausarbeitung und traurig darüber, dass es den in den Hartz-Vier-Parteien (CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP) wirkenden Verantwortlichen gelungen ist, auch wegen des fehlenden Widerstandes der Eliten, diese Gesetzgebung durchzudrücken.
Das sage ich immer wieder, wenn sie erklären, sie hätten ja nicht geahnt, wie groß die Zahl der Betroffene war und erklären es noch als Verdienst, sie hätten die verdeckte Armut ans Tageslicht gebracht:
'Herr, vergib Ihnen nicht, denn Sie wissen was sie tun!'

Und erklären, es war doch gut, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzuführen. Ja, aber nicht auf dem Niveau der Sozialhilfe!

Und heute versuchen diese Partei-Eliten uns weiszumachen, sie selbst hätten das ja nicht gemacht, das waren ja die anderen. So auch ein Bütikofer, der sich doch mit seiner Partei, den Grünen, als Motor und Mutter der Reformen sah, tut heute so, als habe er mit Hartz IV nichts zu tun gehabt und fordert plötzlich auch weitgehende Änderungen und Erhöhungen des Regelsatzes und einen Mindestlohn. Na schau doch mal an. Habe ich einem Beitrag im 'Neuen Deutschland' vom 14.07.2007 entnehmen können.
Oder sucht er nur die vergesslichen und verdummten Wähler für die Grünen zu gewinnen?

R.D.


Aus: "Die Folgen der Hartz-Gesetze waren vorhersehbar" (25. Februar 2007 um 12:29 Uhr)
Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=2138 (http://www.nachdenkseiten.de/?p=2138)

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Quote[...] Berlin - "Es geht darum, die Leute zu aktivieren", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in einem vorab veröffentlichten Spiegel-Interview. Seine Hoffnung sei, dass niedrig bezahlte Tätigkeiten dadurch attraktiver würden. "Die Leute werden sich sagen: Wenn ich auch für das Arbeitslosengeld II etwas tun muss, dann kann ich auch gleich einen Job annehmen, selbst wenn der nur ein bisschen besser bezahlt ist." Ein entsprechendes Kombilohn-Modell will das Wirtschaftsministerium demnächst vorstellen.

Ziel des Modells ist, dass jeder künftig eine "Gegenleistung" (Glos) für die Grundsicherung erbringt, die mit den Zuschüssen für Wohnen und Heizen bei etwa 630 Euro liegt. Heute gebe der Staat den Langzeitarbeitslosen ein "Garantieeinkommen", ohne etwas zu verlangen. "Damit setzen wir die falschen Anreize", kritisierte der Wirtschaftsminister.


Aus: "Hartz IV nur gegen Arbeit - Bundeswirtschaftsminister Michael Glos will Hartz-IV-Empfänger zur Arbeit verpflichten. Sein Ministerium entwickelt derzeit ein passendes Kombilohn-Modell." (25.02.2007)
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=39dda640ad409cb45fbdd6ca2a91476e&em_cnt=1082692 (http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=39dda640ad409cb45fbdd6ca2a91476e&em_cnt=1082692)


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Quote[...] Die Konjunktur helfe zwar massiv, aber ein Großteil der Arbeitslosigkeit sei strukturell bedingt. "Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein schwieriger und langwieriger Prozess", sagte Zimmermann. Auch in diesem Jahr werde die Arbeitslosigkeit im Schnitt bei 4,1 Millionen liegen, und nicht unter vier Millionen, wie von vielen Experten erwartet.

Zugleich warnte der DIW-Präsident die große Koalition vor "neuem Unfug" am Arbeitsmarkt: "Damit meine ich Kombi- und Mindestlöhne." Die Grundidee des Kombilohns sei schon oft durchgerechnet worden. "Das Ergebnis war immer: Das schafft erhebliche Zusatzkosten, bringt nur wenig für den Arbeitsmarkt."


Aus: "Arbeitsmarkt-Entwicklung: DIW bleibt zurückhaltend" (Montag, 26. Februar 2007)
Quelle: http://www.n-tv.de/770817.html (http://www.n-tv.de/770817.html)

Title: ["Sie arbeiten primär mit dem Geschäftsmodell Lohndumping" ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 28, 2007, 03:15:09 PM
Quote[...] Vierzig Stunden die Woche ordentlich arbeiten, doch das Geld langt hinten und vorne nicht. Wir haben Menschen getroffen, die genau in dieser Lage sind. Briefträger.

Das war einmal ein schöner Beruf, viel Bewegung, Kontakt mit Menschen und ein sicherer Arbeitsplatz bei der Post. Das aber war gestern, heute drängen immer mehr so genannte Briefdienstleister in das Geschäft, was nicht schlimm wäre. Warum soll sich nicht auch ein Großunternehmen wie die Post dem Wettbewerb stellen?

Maik Möhle ist im Dauerstress. Er ist Briefzusteller bei Jurex in Berlin, verteilt Behördenpost wie zum Beispiel Bußgeldbescheide. Vierzig Stunden die Woche. Dafür bekommt er rund 800 Euro im Monat netto ausbezahlt.

O-Ton, Maik Möhle: »Mir ist es unheimlich peinlich. Also unangenehm und peinlich, einfach mal, dass ich als 28-Jähriger kein, kein vernünftiges Einkommen habe.«

Im Dezember verdiente er sogar nur 494 Euro. Im Januar 588 Euro. Jurex hatte ihm noch Geld für einen Schaden am Dienstwagen abgezogen.

Leeres Konto trotz Vollzeitjob. Wer ist dafür verantwortlich. Wir fragen nach bei Jurex-Chef Norbert Lüer. Seine überraschende Antwort:

O-Ton, Norbert Lüer, Geschäftsführer Jurex:
»Wenn wir die Berliner Situation betrachten, sprechen wir da über ein durchschnittliches Entgeld von knapp 1.400 Euro, was der Mitarbeiter hat. Was in der Lohnabrechnung steht, zusätzlich das Dienstfahrzeug.«

1.400 Euro? Da haben wir andere Informationen. Wir zeigen ihm die Gehaltsabrechnung von Maik Möhle.

O-Ton, Norbert Lüer, Geschäftsführer Jurex:
»Das ist eine Abrechnung, ich weiß nicht, ob das jeden Monat so ausschaut bei diesem Mitarbeiter.«

Frage: Im nächsten Monat da wurde für zwei Monate abgezogen, im nächsten Monat waren es 588. Da gibt es andere Mitarbeiter, die auch vierzig Stunden voll durcharbeiten, die liegen bei 800 Euro. Also ich habe mehrere Mitarbeiter und die liegen alle in diesen Kategorien. Finden Sie das nicht besorgniserregend?


O-Ton, Norbert Lüer, Geschäftsführer Jurex:

»Ja, das finde ich schon. Das finde ich schon.«

Frage: Aber Sie sind doch verantwortlich dafür?

O-Ton, Norbert Lüer, Geschäftsführer Jurex:
»Nee, ich bin nicht verantwortlich für die Nettolöhne, Herr Schober.«

Frage: Aber wenn Sie mehr brutto bezahlen würden, würde doch auch netto mehr rauskommen?

O-Ton, Norbert Lüer, Geschäftsführer Jurex:
»Wenn die öffentliche Hand bereit wäre, mehr zu zahlen, für diese förmlichen Zustellungen, wäre natürlich auch mehr drin.«

Wieso zahlt die öffentliche Hand so wenig? Günter Schulz ist Beamter im Landesverwaltungsamt Berlin. Sein Amt schreibt Aufträge für die Briefzustellung der Berliner Behörden aus. Das Ziel: Die Dienstleistung soll möglichst kostengünstig sein. Egal, wie viel die Briefzusteller verdienen.

O-Ton, Günter Schulz, Landesverwaltungsamt Berlin:»Das Land Berlin ist zur sparsamen Verwaltung seiner Mittel gehalten. Und, wenn Möglichkeiten bestehen hier Gelder einzusparen, ohne Qualitätsverluste, dann sind diese Möglichkeiten zu nutzen.«


Im Klartext heißt das: Das Land Berlin spart zwar bei der Briefzustellung, der Staat hat aber dadurch Mehrausgaben an anderer Stelle.

Beispiel Nick Reß: Er verdient so wenig, dass der Staat aushelfen muss. Sein Arbeitgeber: Auch Jurex in Berlin. Sein Entgelt rund 800 Euro pro Monat plus Kindergeld. Seine Lebensgefährtin sorgt derzeit für den sechs Monate alten Nachwuchs, kann deshalb nicht arbeiten. Weil die Familie von 800 Euro nicht leben kann, erhält der Jurex-Mitarbeiter zusätzlich 618 Euro Hartz IV.

O-Ton, Nick Reß:
»Ich finde es einfach eine Sauerei, dass Leute, die 40 Stunden arbeiten gehen, nicht das Geld haben, um ihre Familie wirklich über die Runden zu kriegen. Also sprich, dass ich wirklich noch zum Arbeitsamt gehen muss und Hartz IV beantragen muss, um Zuschüsse zu kriegen, um meine Familie durchzukriegen. Das finde ich traurig und ich bin wütend darüber.«

Die Gewerkschaft Ver.di läuft Sturm gegen solche Hungerlöhne. Sie hat ein Gutachten über die Beschäftigungsbedingungen bei neuen Briefdienstleistern in Auftrag gegeben.

Demnach verdient ein Jurex-Berlin Mitarbeiter laut Arbeitsvertrag nur 1.159 Euro brutto im Monat. Und nicht 1.400, wie Jurex behauptet. In Westdeutschland liegen die Löhne bei den neuen Briefdienstleistern im Durchschnitt bei 1.169 Euro brutto, im Osten sogar nur bei 985 Euro.

Zum Vergleich, die Post zahlt Tariflöhne von 1.978 Euro. Die Dumpinglöhne der Konkurrenz sind Postpersonalvorstand Walter Scheuerle ein Dorn im Auge.

O-Ton, Walter Scheurle, Personalvorstand Post AG:
»Ich sehe da eine gravierende Fehlentwicklung, bei Löhnen und Arbeitsbedingungen. Die neuen Wettbewerber setzen primär auf Kostenvorteile durch prekäre Beschäftigung. Sie arbeiten primär mit dem Geschäftsmodell Lohndumping.«

Bei solchen Fehlentwicklungen müsste eigentlich die Bundesnetzagentur eingreifen. Ihr wird im Postgesetz eine entscheidende Rolle zugewiesen. Sie darf einerseits Briefdienstleistern Lizenzen erteilen, damit sie am Markt agieren können, andererseits muss sie laut Gesetz diesen Firmen die Lizenz versagen, wenn die ,,wesentlichen Arbeitsbedingungen" nicht eingehalten werden.

Was aber sind wesentliche Arbeitsbedingungen? Darüber gibt es Streit. Gehört dazu auch die Höhe des Gehaltes? Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, hat dazu eine klare Position.

O-Ton, Matthias Kurth, Präsident Bundesnetzagentur:
»Der Gesetzgeber hat uns nicht die Befugnis gegeben, dem Lizenznehmer zum Beispiel zur Auflage zu machen, bestimmte Löhne in einer bestimmten Höhe zu zahlen.«

Ver.di und die Deutsche Post kritisieren diese Haltung der Bundesnetzagentur.

O-Ton, Andrea Kocsis, Ver.di:
»Deshalb, sagen wir, hat sie ihren Auftrag verfehlt, indem sie einfach ohne große Überprüfungen den Unternehmen Lizenzen vergeben hat.«

O-Ton, Walter Scheurle, Personalvorstand Post AG:

»Die Bundesnetzagentur hat aus meiner persönlichen Sicht, aus meiner tiefsten Überzeugung, ihren Job nicht gemacht. Und ist deshalb dringlich aufgefordert umzudenken.«


Im Verlaufe unserer Recherchen erklärt die Bundesnetzagentur, sie wolle jetzt auch diese Frage prüfen, habe unter anderem auch Informationen über die Lohnhöhe von Briefzustellern angefordert.

Die Löhne stehen auch bei der Post auf dem Prüfstand. Sollte sich an der derzeitigen Situation nichts gravierend ändern, dann droht auch den 80.000 Postbriefträgern der soziale Abstieg.

O-Ton, Walter Scheurle, Personalvorstand Post AG:

»Wenn nicht endlich die sozialen Lizenzanforderungen des Postgesetzes so durchgesetzt werden wie vom Gesetzgeber gewollt, dann sehe ich in der Tat mittel- bis längerfristig die Gefahr, dass sich auch, mit den genannten Folgen, eine Deutsche Post dieser Entwicklung anpassen muss.«

Frage: Das heißt Dumpinglöhne und Hartz IV bei den Briefzustellern?

O-Ton, Walter Scheurle, Personalvorstand Post AG:
»Das heißt, sehr, sehr niedrige Löhne. Das heißt, sehr viel schlechtere Arbeitsbedingungen, das hieße, möglicherweise, auch Inanspruchnahme von staatlichen Transferzahlungen.«

Hartz IV trotz eines 40 Stunden-Jobs. Eine Demütigung für Nick Reß und die nächste steht bevor. Die Briefzustellungen für die Berliner Behörden wurden neu ausgeschrieben. Nick Reß und rund hundert weitere Mitarbeiter sollen für Ende März gekündigt werden. Die Lohnspirale geht wohl noch einmal nach unten.

Abmoderation Fritz Frey:
Wenn auf der einen Seite eine Behörde Portokosten spart und auf der anderen Seite der Steuerzahler mit Hartz IV ein halbwegs erträgliches Leben finanzieren muss, dann läuft etwas gründlich schief. Mit Verlaub, auch so etwas gehört in die Debatte um Mindestlöhne in Deutschland.


Aus: "Schuften für Hungerlöhne: Das Elend der Briefzusteller" (swr.de (report); 26.02.2007)
Quelle: http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=1910880/s3ghh1/index.html (http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=1910880/s3ghh1/index.html)

Title: [Die "kühnste Erwartungen"... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 28, 2007, 03:34:12 PM
Quote[...] Die Telekom will in der Billig-Tochter vor allem Mitarbeiter der bisherigen Festnetzsparte T-Com unterbringen. Die Mitarbeiter sollen nicht nur wie derzeit 34,5 Stunden in der Woche arbeiten, sondern 40 oder 40,5 Stunden. Ihr Stundenlohn soll deutlich unter dem bisherigen Niveau liegen.

Quote28.02.2007  08:50:39

Monika Koe geheime Strategien

Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird die langsame aber stete Enteignung und Entmenschlichung des Volkes praktiziert. Das Volk wollte diese Strategien und Gefahren nicht wahrhaben (Wegsehmentalität). Ob Enteignung über Banken oder Börsen oder über andere Konzerne, ob über die Politik oder über den Zwang durch die Technik . . . unsere Welt wird denaturiert, entmenschlicht. Es steuern Gehirne, die therapiert gehören, aber nicht auf die Menschheit losgelassen bleiben dürfen.


27.02.2007  19:47:11

Rainer Wegmann

gesders: "jetzt was wohl der herr klar dazu sagen wuerde..."


Kommentar der Woche.


Quote27.02.2007  19:05:21

gesders

jetzt was wohl der herr klar dazu sagen wuerde...

und was sagt der herr soeder?

Quote
Die Bürger erwarten von der Union laut Söder mehr als bloße Wirtschaftskompetenz. Vor allem in der Familienpolitik dürften CDU und CSU ihre Kernklientel nicht ausschließen: ,,Nicht nur die Karriere-, auch die Hausfrau, die sich bewusst für die Erziehung der Kinder entscheidet, braucht ihre Heimat in der Union." Konservativ zu sein heiße auch, bei der inneren Sicherheit kompromisslos Flagge zu zeigen. Für ihn bedeute das: ,,Keine Gnade für RAF-Terroristen, die ihre Taten nicht bereuen."

Quote
Roberto J. De Lapuente (16.02.2007 13:03 Uhr)
  Muster-Tautologe
Söder liebt das nichtssagende Sagen. Und seine "Argumente" lauten nicht selten, so wie das oben zitierte: "Kein Linksruck, weil links falsch ist!" - Man könnte genauso leer formulieren: "Konservativ bleiben, weil es richtig ist und weil es richtig ist, konservativ bleiben!" Stramme Geistesleistungen vollziehen sich da in der CSU. Man bete katholisch-bayerisch, vielleicht regnet es doch noch Hirn!

Aus: "Söder im FOCUS-Interview: ,,Links ist immer falsch""
Quelle: http://www.focus.de/politik/deutschland/soeder-im-focus-interview_nid_44749.html (http://www.focus.de/politik/deutschland/soeder-im-focus-interview_nid_44749.html)



Aus: "Pläne für den Aufsichtsrat: Telekom lagert 55.000 Jobs aus" Von Ulrich Schäfer (27.02.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/739/103636/ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/739/103636/)

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Quote[...] (live-PR.com) - Köln (ddp). Eine «Lohnpolitik mit Augenmaß» hat in Deutschland von Mitte der neunziger Jahre bis 2006 nach Ansicht von Experten rund 600 000 sozialversicherungspflichtige Jobs erhalten oder neu geschaffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag in Köln vorgestellte Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Entscheidend für die Entwicklung sei gewesen, dass die Lohnsteigerungen sich am Produktivitätsfortschritt orientiert hätten. So habe sich die wirtschaftliche Produktivität je Arbeitsstunde von 1995 bis 2006 um 20 Prozent erhöht. Die Tariflöhne seien
im gleichen Zeitraum mit einem branchendurchschnittlichen Plus von 23 Prozent nicht viel kräftiger gestiegen.
Angesichts der immer noch mehr als vier Millionen Arbeitslosen sollte die Strategie der Mäßigung auch in den aktuellen Tarifrunden befolgt werden.


Aus: "Wirtschaftsforscher: Lohnverzicht hat 600 000 Stellen gesichert" (27.02.2007)
Quelle: http://www.live-pr.com/wirtschaftsforscher-lohnverzicht-hat-r5058.htm (http://www.live-pr.com/wirtschaftsforscher-lohnverzicht-hat-r5058.htm)

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Quote[...] Die großen deutschen Unternehmen übertreffen mit ihren Ausschüttungsankündigungen dieser Tage selbst die kühnsten Erwartungen. Rechneten die Profis zu Beginn des Jahres bei Deutschlands 30 Top-Konzernen noch mit einem warmen Regen von 26,7 Mrd. Euro, so ist die Summe inzwischen auf weit über 27 Mrd. Euro angewachsen.
Nicht zuletzt so ist die anhaltende Dax-Rallye zu erklären. Gestern schloss das Börsenbarometer zum ersten Mal seit November 2000 über der Marke von 7000 Punkten. Seit Anfang des Jahres hat der Index 6,5 Prozent zugelegt.

[...]  Die größten Überraschungen lieferten bislang die Deutsche Bank, die Allianz und die BASF, die ihren Aktionären teilweise doppelt so viel überweisen wollen wie 2006.

[...]  Dadurch rückt eine Dividendensumme der Superlative von 28 Mrd. Euro beim Dax in greifbare Nähe. Sollte die Deutsche Telekom, wie am Markt gemunkelt, am Donnerstag eine Erhöhung ihrer Ausschüttung ankündigen, wäre diese Schwelle erstmals in der Geschichte überschritten.


Aus: " Geldsegen: Ausschüttungen übertreffen kühnste Erwartungen" (welt.de;  26. Februar 2007)
Quelle: http://www.welt.de/finanzen/article736974/Ausschuettungen_uebertreffen_kuehnste_Erwartungen.html (http://www.welt.de/finanzen/article736974/Ausschuettungen_uebertreffen_kuehnste_Erwartungen.html)

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Quote[...] js Frankfurt - Die Geldmenge im Euroraum ist im Januar stärker als erwartet gewachsen und dürfte der Europäischen Zentralbank (EZB) Argumente für eine weitere Zinserhöhung liefern. Unterdessen sorgten Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern für einige Verwirrung zur Einschätzung über die weiteren Schritte der Notenbank.

Das breite Geldmengenaggregat M 3 sei im Januar gegenüber dem Vorjahr um 9,8 % gestiegen und damit genauso kräftig wie im Dezember, teilte die EZB in Frankfurt mit. Analysten hatten mit einem etwas verlangsamten Geldmengenwachstum von 9,5 % gerechnet. Im gleitenden Dreimonatsdurchschnitt (November bis Januar) wuchs die Geldmenge mit einer Jahresrate von 9,7 nach 9,2 % im vorangegangenen Zeitraum. Die Vergabe von Krediten an den privaten Sektor legte mit 10,6 % etwas langsamer zu als im Vormonat mit 10,7%, liegt aber immer noch auf sehr hohem Niveau.

Das rekordhohe Geldmengenwachstum bestätigt die einhellige Erwartung von Analysten, die EZB werde am 8. März ein weiteres Mal an der Zinsschraube drehen. Sie hat seit Dezember 2005 bereits sechs Zinserhöhungen um insgesamt 150 Basispunkte auf derzeit 3,5 % vollzogen, zuletzt im Dezember.


Aus: "Geldmenge im Euroraum wächst im Rekordtempo" (Ausgabe Nr. 41 vom 28. Februar 2007)
Quelle: http://www.boersen-zeitung.com/online/redaktion/aktuell/bz041083.htm (http://www.boersen-zeitung.com/online/redaktion/aktuell/bz041083.htm)

Title: [und mit Aktenordnern beworfen... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 03, 2007, 10:25:25 PM
Quote[...] München - Die Unfallkassen schlagen Alarm wegen eines Anstiegs gewalttätiger Übergriffe auf Mitarbeiter öffentlicher Verwaltungen nach der Hartz-IV-Reform: Im Jahr 2005 seien rund 1.600 Angestellte Opfer von externer Gewalt geworden und dabei so stark verletzt worden, dass sie Leistungen der Unfallkasse in Anspruch hätten nehmen müssen, erklärte eine Sprecherin vom Bundesverband der Unfallkassen am Freitag in München bei der Vorstellung eine Präventionsprojekts für die kommunalen Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften.

«Immer häufiger kommt es zu gewalttätigen Übergriffen auf Mitarbeiter in öffentlichen Verwaltungen wie Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV», erklärte die Sprecherin und verwies auf einen Fall im oberfränkischen Kronach: Dort habe kürzlich ein Arbeitsloser eine Angestellte des Job-Centers niedergeschlagen und mit Aktenordnern beworfen. Der Bundesverband der Unfallkassen habe deshalb das Modellprojekt «ABBA» (Arbeitsbelastungen und Bedrohungen in Arbeitsgemeinschaften nach Hartz IV) ins Leben gerufen. Dabei sollen Mitarbeiter geschult und auch die Situation für Leistungsempfänger - etwa durch kürzere Wartezeiten - entspannt werden.

Eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit erklärte jedoch, keine Informationen über einen Anstieg gewalttätiger Vorfälle nach Hartz IV zu haben. «Gewalt ist für uns aber kein neues Phänomen», fügte sie hinzu. Bereits lange vor der Arbeitsmarktreform sei es immer wieder zu Übergriffen auf Mitarbeiter gekommen.


Aus: "Hartz IV: Gewalt auf Ämtern nimmt zu" (02. März 2007)
Quelle: http://www.net-tribune.de/article/020307-233.php (http://www.net-tribune.de/article/020307-233.php)
Title: [Die Überflüssigen sind Menschen in den Industriestaaten... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 15, 2007, 12:28:49 PM
Quote[...] Sehr geehrte Frau Diana Raedler,

Wir Überflüssigen sind heute aus einem ganz besonderen Grund zusammengekommen: Der Verleihung des ,,goldenen Meterstabs". Sicherlich werden Sie sich freuen, mit diesem Preis ausgezeichnet zu werden. Jedoch fragen Sie sich vielleicht warum?
Diese Frage wird jedoch angesichts Ihrer großen Kaltherzigkeit gegenüber den so genannten ,,Verlierern der Gesesschaft nicht lange unbeantwortet bleiben.

Erinnern wir uns nur an den Fall vor einigen Wochen. Damals wurden einem 60jährigen Harz IV Empfänger die staatlichen Zuwendungen gekürzt. Nun soll er mit lediglich 4 € am Tag auskommen. Als Grund dafür gab das Kreissozialamt eine 10m?2; zu große Wohnung an. Dieser Fall gab den Ausschlag dafür, dass Sie heute auf diese Weise geehrt werden. Dass man Menschen wie Ihnen zeigen muss, dass wir nicht mir der Kürzung der Sozialleistungen einverstanden sind, dass diese Kürzungen nur die Not der ohnehin schon Mittelosen vergrößert, ist die eigentliche Ursache für die Preisverleihung.
Nach eingehender Beratung haben wir uns also für Ehrung ihrer Person entschieden. Schließlich stehen wir für die vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossenen. Wie penibel Sie auf die genaue Einhaltung der vorgegebenen Grenzen der Quadratmeter achten, ist wirklich alles andere als vorbildlich. Deshalb verleihen wir Ihnen, Frau Raedler, nun auch feierlich den"goldenen Meterstab".


[...] Mit Aktionen, die am Rande der Illegalität sind, wollen sie auf die Situation der Arbeitslosengeld II Empfänger/innen aufmerksam machen. In einer Broschüre heißt es:

"Die Überflüssigen sind Menschen in den Industriestaaten, die vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen werden. Sie sind das Ziel des Klassenkampfes von oben und der aktuellen Armutskampagne in Deutschland, sie sind Erwerbslose, deren Rechte weiter beschnitten werden, sie sind Flüchtlinge, die ins Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sie sind allein erziehende Frauen, die in Niedrigstlohnjobs gedrängt werden, sie sind die Alten, die ihre Winterschuhe beim Sozialamt erbetteln müssen, sie sind die Kranken, denen 10 Euro Praxisgebühr fehlen."



Aus: "Überflüssige überreichen "Auszeichnung"" (14.03.07)
Quelle: http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/0344e198f30995f01.php (http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/0344e198f30995f01.php)

Title: [meine Matratze, den Schlafsack, die Urne mit der Asche... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 21, 2007, 01:08:57 PM
Quote[...] «Die Bulldozer der Polizei räumten alles ab, was ich besass: meine Matratze, den Schlafsack, die Urne mit der Asche meiner Enkelin, sämtliche Familienfotos, Kleider und Medikamente. Am Ende der dritten Razzia beschloss ich, mich meiner Bürgerrechte zu bedienen.» Die Stimme von Pamela Kincaid drückt jene Dezidiertheit aus, die die Entscheidungsträger ihrer Stadt das Fürchten gelehrt hat. Nachdem die Polizei im vergangenen Herbst mehrmals ohne jegliche Rücksicht auf materielle Verluste die behelfsmässigen Zeltunterkünfte von Kincaids Gruppe zerstört hatte, suchte diese einen Anwalt auf und klagte die Stadtbehörden ein. Der zuständige Richter verfügte, die Vandalenakte der Polizei seien verfassungswidrig und daher einzustellen. Keine Behörde dürfe den Besitz seiner Bürger zerstören, auch wenn diese auf der Strasse lebten.

Die Stadt am Pranger ist Fresno, ein bis in die achtziger Jahre verschlafenes Provinznest mitten im Central Valley, dem fruchtbarsten Landwirtschaftsgürtel im Westen der USA. Heute hat das in rasantem Wachstum begriffene Zentrum der Stadt dank der obligaten Einkaufsmeile und zahlreichen Glaspalästen beinahe grossstädtischen Charakter, und auch in den aus dem Boden gestampften noblen Aussenquartieren, die zur neuen Heimat für Zuzüger aus noch teureren Gegenden wie San Francisco und Los Angeles geworden sind, erinnert nichts mehr an die einstigen Barackenbauten der Gemüse- und Erdbeerpflücker. Dass jene Arbeiter, deren Einkommen sich im untersten Lohnsegment bewegen, aber nicht einfach verschwunden sind, beweist ein Abstecher in den Süden und Westen der Stadt.

Halb zerfallene Holzbuden und niedere Steinbauten mit kleinen Fenstern säumen hier unzählige Reihen staubiger Strassenzüge. Untersuchungen von Wohltätigkeitsorganisationen haben ergeben, dass über die Hälfte dieser Behausungen von Ungeziefer befallen ist und aufgrund der gültigen Asbest-Reglemente gar nicht mehr bewohnt werden dürfte. Laut einer neuen Studie der Brookings Institution, die Fresno als amerikanische Stadt mit der höchsten Konzentration an armen Einwohnern einstuft, wohnen hier mehrheitlich Leute, die zwar einer geregelten Arbeit in der Landwirtschaft oder auf dem Bau nachgehen, deren Auskommen aber kein Leben über dem Existenzminimum erlaubt. Demnach verdienen über 43 Prozent aller registrierten Familien in Fresno jährlich weniger als 17 600 Dollar (in den USA festgelegtes jährliches Existenzminimum für eine dreiköpfige Familie) und leben in extrem ärmlichen Verhältnissen. Immer mehr Menschen können ihre Miete nicht mehr bezahlen und leben deshalb auf der Strasse.

«Fresno ist eine Stadt mit zwei Gesichtern», sagt der Bürgermeister, Alan Autry, auf die Frage eines Journalisten. Das Regierungsamt habe er im Jahr 2000 hauptsächlich übernommen, um die Situation der Minderbemittelten zu verbessern. In der City Hall werde mit einer neuen «Poverty Task Force» den Bereichen Arbeitsvermittlung und verbesserte Lebensbedingungen erste Aufmerksamkeit geschenkt. Seit der Veröffentlichung der Brookings-Studie und den Medienberichten über Polizeirazzien auf die Zeltlager der Obdachlosen ist aber das Vertrauen der Wähler in den Bürgermeister gesunken. Autry, für den die Obdachlosen nach eigenen Aussagen im Wesentlichen Drogensüchtige und Randalierer sind, die «den Jugendlichen der Stadt ein schlechtes Beispiel geben», steht im Schussfeld der Presse. Die Stadt habe während Jahren eine zu wenig aggressive Sozialpolitik betrieben und die für die Armutsbekämpfung gedachten Bundesgelder den Polizeibehörden für Razzien zur Verfügung gestellt, wird bemängelt. Ein Vergleich mit New Orleans, Louisville, Miami und Atlanta, alles Metropolen, die in der Brookings-Studie auch schlecht abschneiden, belegt überdies, dass es in Fresno viel zu wenig Notunterkünfte für die Obdachlosen gibt.

Für insgesamt rund 8000 permanent obdachlose Personen (die höchste Zahl einer Stadt pro Einwohner im gesamten Westen der USA) bietet Fresno nur 1200 Notbetten an. Die einzige Notunterkunft für Frauen ist ein privat betriebenes Haus mit 24 Schlafgelegenheiten. In den vier Suppenküchen der Stadt, die mehrheitlich mit Privatspenden betrieben werden, verteilen Freiwillige täglich rund 2000 Gratismahlzeiten.

Die Bekämpfung der Armut in Fresno sei schwieriger als in andern urbanen Zentren, sagen jene Experten, die den Bürgermeister unterstützen. Einer der Gründe liege im ausgesprochen niedrigen Bildungsniveau der Arbeiterschaft des Central Valley. Während im Jahr 1970 lediglich 7 Prozent der Einwohner Fresnos nicht in den USA geboren worden waren, liegt diese Rate heute bei mindestens 22 Prozent (ohne die hohe Dunkelziffer der illegalen Einwanderer). Diese Personen verfügen mehrheitlich über keinen Schulabschluss und sprechen nur rudimentär Englisch. Sie können daher einzig in Niedriglohnjobs beschäftigt werden, die in der Landwirtschaft, dem im Central Valley nach wie vor dominierenden Sektor, oftmals nur saisonaler Natur sind. Dies mag erklären, weshalb viele Obdachlose nicht das ganze Jahr auf der Strasse leben, sondern nur dann, wenn sie keine Lohnzahlungen erhalten.


Aus: "Die Obdachlosen in Fresno wehren sich" Das Armenhaus der amerikanischen Westküste - Fresno ist die Stadt mit der höchsten konzentrierten Armut der USA, sagt eine Studie der Brookings Institution. Kritiker bemängeln, die verfehlte Politik der Behörden sei dafür verantwortlich / snu. Fresno, im März (20. März 2007, Neue Zürcher Zeitung)
Quelle: http://www.nzz.ch/2007/03/20/vm/articleEZYNC.html (http://www.nzz.ch/2007/03/20/vm/articleEZYNC.html)

Title: [obwohl viele Vollzeit arbeiten... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 28, 2007, 12:11:59 PM
Quote[...] Berlin - Seit Jahren streiten Politiker, ob sie den Mindestlohn einführen sollen: 6 Euro die Stunde? Oder sogar 8,50? Realität ist: In Berlin arbeiten Menschen derzeit für 2 bis 3 Euro - am Tag!

Carsten Förster (33) aus Mariendorf arbeitet als Briefzusteller für die "Jurex mail Berlin GmbH". Rund 40 Stunden in der Woche radelt er durch die Stadt. Im Februar bekam er dafür rund 72 Euro (!) überwiesen. "Oft ist es noch weniger", schimpft er.

Das reicht natürlich nicht. Also lebt Förster von Hartz IV. Fast alle Kollegen beziehen Arbeitslosengeld I oder II, obwohl viele Vollzeit arbeiten. Der Arbeitgeber zahlt ihnen 12 Cent pro Brief, den sie zustellen. Das klingt viel. Aber anders, als die Kollegen der gelben Post, stellen die Jurex-Mitarbeiter oft nur einen Brief pro Straße zu, müssen weite Strecken radeln.


Aus: "Die Hungerlohn-Firma von Berlin: Briefzusteller für 70 Euro im Monat" Von Kevin P. Hoffmann (Berliner Kurier, 28.03.2007)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/print/berlin/165178.html (http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/print/berlin/165178.html)

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Quote[...] Berlin (dpa) - Die Unterschriftenaktionen von SPD und CDU- Arbeitnehmerflügel für Mindestlöhne empören die Spitzen von CDU und CSU. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla distanzierte sich von der Aktion der eigenen CDU-Gewerkschafter und kritisierte zugleich scharf die gemeinsame Kampagne von SPD und den Gewerkschaftsvorsitzenden.

[...] Wie Pofalla zeigte auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer Unverständnis für die beiden Unterschriftenaktionen. «Das läuft irgendwie ins Leere. Sich selbst zu etwas aufzufordern, leuchtet mir nicht ein.» Der Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, sagte: «Die parlamentarische Mehrheit für die Einführung von verlässlichen Mindestlohnregelungen ist gegeben, aber die SPD nutzt sie nicht. Sie sucht Profilbildung statt Fortschritt.» Niemand, der in Deutschland Vollzeit arbeitet, sollte im Monat weniger als 1000 Euro verdienen.

In dem SPD-Aufruf heißt es: «Deutschland ist - gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Leistung - so reich wie nie zuvor. Trotzdem arbeiten viele Menschen den ganzen Tag, können aber sich und ihre Familien vom erarbeiteten Lohn nicht ernähren.» Während Spitzengehälter zunähmen, stagnierten die Löhne für viele Beschäftigte. Verwiesen wird zudem darauf, dass nur 68 Prozent der Beschäftigten im Westen und 53 Prozent im Osten tariflich vereinbarte Löhne erhielten. Erstunterzeichner des Aufrufes sind alle SPD- Präsidiumsmitglieder, DGB-Chef Michael Sommer sowie die Vorsitzenden der DGB-Einzelgewerkschaften.

Der CDA-Aufruf steht unter dem Motto: «CDU-Gewerkschafter gegen Armutslöhne - Anständiger Lohn für anständige Arbeit.» Neben Sehrbrock zählen IG-Metallvorstandsmitglied Regina Görner und einige CDU-Bundestagsabgeordnete zu den Erstunterzeichnern.

In Europa gibt es Mindestlohn-Regelungen in 20 von 27 Staaten.


Aus: " Mindestlohn: Unterschriftenaktionen empören Unionsspitze" (03/2007)
Quelle: http://www.svz.de/news/brennpunkte/svz-14154954_1175088378000.html (http://www.svz.de/news/brennpunkte/svz-14154954_1175088378000.html)

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Quote[...] Hamburg - Die Beschäftigten der deutschen Industrie müssen mehr arbeiten und bekommen dafür weniger Geld. Wie das Statistische Bundesamt heute in Wiesbaden mitteilte, stieg die Zahl der Beschäftigten im Januar 2007 im Vergleich zum Vorjahresmonat um knapp ein Prozent auf etwa 5,2 Millionen.


Aus: "INDUSTRIE: Mehr Arbeit für weniger Geld" (29. März 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,474596,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,474596,00.html)

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Quote[...] Die Forscher werteten Löhne, Gehälter, Unternehmer- und Vermögenseinkünfte von 1992 bis 2001 aus und erfassten erstmals auch sehr hohe Einkommen. Die 10 Prozent der Bevölkerung mit den höchsten Einkünften erhöhten ihren Anteil am Gesamteinkommen um gut 7 Prozent.

Die 650 Personen mit dem höchsten Einkommen erzielten einen Zuwachs von 35 Prozent. 2001 habe ihr Durchschnittseinkommen 15 Millionen Euro betragen. "Die kleine Gruppe der 65 Superreichen konnte ihr Einkommen sogar um über 50 Prozent steigern", schrieb das DIW.

Das DIW geht davon aus, dass sich die Ungleichheit der Einkommen seit 2001 weiter erhöht hat. Gründe dafür seien die in den vergangenen Jahren gestiegene Arbeitslosigkeit und eine sinkende Lohnquote. Gleichzeitig sei der Anteil der Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen am gesamten Volkseinkommen gestiegen.


Aus: "EINKOMMEN: Reiche Deutsche immer reicher" (28.03.2007)
Quelle: http://www.manager-magazin.de/koepfe/artikel/0,2828,474473,00.html (http://www.manager-magazin.de/koepfe/artikel/0,2828,474473,00.html)

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Quote[...] Berlin (dpa) Die Armut in Deutschland hat nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung (DIW) in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Sie konzentriere sich auf gering qualifizierte Bevölkerungsgruppen.


Aus: "Studie: Armut in Deutschland nimmt zu" (22.03.2007)
Quelle: http://www.szon.de/news/politik/aktuell/200703221180.html (http://www.szon.de/news/politik/aktuell/200703221180.html)

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Quote[...] Die Armut in Deutschland hat sich in den vergangenen fünf Jahren verfestigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung. Der Mittelstand bleibt allerdings bislang verschont.

Grundlage für die Studie war ein sozio-ökonomisches Panel. "Eine Ausbreitung der Prekarität, das heißt des Pendelns zwischen der 'Mitte' und der 'Armut' ist nicht zu beobachten", resümierte Olaf Groh-Samberg, der Autor der Studie.

Damit widerspricht die Studie Szenarien, nach denen große Teile der Gesellschaft von Armut bedroht seien. "Wer von einer kollektiven Abstiegsbedrohung der gesamten Gesellschaft spricht, dramatisiert das Armutsproblem und blendet die Realität aus", so Groh-Samberg. Der 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hatte die Einkommensarmut auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren verortet. Er dient seither als Beleg für eine Abstiegsbedrohung der Mittelschicht.

Das DIW misst Armut am Haushaltseinkommen und an Notlagen in verschiedenen Lebensbereichen (Wohnungsprobleme, Konsumdefizite, Arbeitslosigkeit oder fehlende Rücklagen). Die ausländische Bevölkerung wird dabei berücksichtigt. Als Prekariat werden Haushalte bezeichnet, deren permanentes Einkommen 60 Prozent des Durchschnittseinkommens beträgt und die damit dauerhaft von Armut bedroht sind. Seit Beginn der 90er Jahre, so das DIW, ist diese Zone jedoch weit gehend stabil.


Aus: "Armut trifft Arbeiter besonders hart" (21. März 2007)
Quelle: http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/176715.html (http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/176715.html)

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Quote[...]  «Immer mehr Menschen, die voll erwerbstätig sind, erhalten dennoch Arbeitslosengeld II», so Heinrich Alt vom BA-Vorstand - weil ihr Lohn so niedrig ist, dass sie Anspruch auf ergänzende «Stütze» haben.

Im August 2006 erhielten rund 570 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte Sozialleistungen, davon 470 000 mit einem Vollzeitjob. Im Januar 2005 waren es 287 000. Die Zahl der «Aufstocker» hat sich also verdoppelt. «Eine Entwicklung, die besorgniserregend ist», so Alt. «Kann man das hinnehmen?»

Aufgestockt

Er kritisiert die Rolle der Arbeitgeber, die solch niedrige Löhne zahlen: «Das ist ein Lohn, der zu Lasten des Steuerzahlers geht», denn die kommen für ergänzende Sozialleistungen auf. Auch im öffentlichen Dienst gibt es 13 000 solche gering Beschäftigten mit Anspruch auf Hartz IV. Sogar die BA selbst hatte einige Fälle unter ihren Beschäftigten, reagierte aber sogleich. Alt: «Die Bundesagentur hat die Löhne und Gehälter von gering bezahlten Mitarbeitern inzwischen auf das Existenzminimum aufgestockt. Wir können die ja schlecht in die Jobcenter schicken, damit sie dort Arbeitslosengeld II beantragen.»


Aus: "Immer öfter reicht das Geld nicht zum Leben: Erwerbstätige mit Anspruch auf «Stütze»: In knapp zwei Jahren hat sich die Zahl der «Aufstocker» verdoppelt" Alexander Jungkunz (30.3.2007)
Quelle: http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=626855&kat=3&man=12 (http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=626855&kat=3&man=12)
Title: [Liquiditätsengpässe... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 30, 2007, 12:39:50 PM
Quote[...] Von den insgesamt 39 Mio. Haushalten in Deutschland standen im Jahr 2006 rund vier Prozent vor gerichtlichen Schuldeneintreibungsmaßnahmen. "Hauptgründe für die anhaltende Verschuldung der Konsumenten und dadurch betroffener Kleinunternehmer ist nach wie vor die hohe Arbeitslosigkeit sowie vorübergehende Liquiditätsengpässe", erklärt die Bürgel-Sprecherin. Der vernünftige Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Einkommen stellt viele Bürger vor große Probleme.


Aus: "Globalkredite: Deutsche Privathaushalte verschulden sich weiter" Von Oliver Hammel (29.03.2007)
Quelle: http://www.visavis.de/finanzen/modules.php?name=News&file=article&sid=9209&mode=&order=0&thold=0 (http://www.visavis.de/finanzen/modules.php?name=News&file=article&sid=9209&mode=&order=0&thold=0)
Title: [Das ist absolut kein Einzelfall... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 31, 2007, 04:37:30 PM
Quote[...] Ein langes Arbeitsleben – und dann arbeitslos. 61 Jahre alt – und nun nicht genug zu essen. Die ARGE verweigert Hartz-IV-Zahlungen. Das Gericht verurteilt sie zu zahlen, denn die Unterstellungen der ARGE waren unhaltbar. Trotzdem wird nicht gezahlt. Man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen. Das ist die Situation von Josef S., heute, hier, in Deutschland.

Welche Exzesse die von Party zu Party eilende Politikerkaste mit ihrem Hartz IV provoziert hat, zeigte sich einmal mehr an diesem Fall, der vom Erwerbslosen-Forum Deutschland (Elo-Forum) veröffentlicht wurde.

Nennen wir ihn Josef S.. Ihm wurde von der ARGE Dorsten unterstellt, mit seiner Vermieterin in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Das war zwar nicht der Fall, aber was kümmert eine deutsche Behörde die Wirklichkeit.

Ausserdem wurde behauptet, der Sohn von Josef S. würde bei ihm leben. Der hat zwar in Wirklichkeit einen anderen Wohnsitz, was leicht nachprüfbar gewesen wäre, aber man muss ja dem Staat Geld sparen, also behauptet man einfach einmal darauf los.

Da Josef S. nun weder Verdienstbescheinigungen seiner Vermieterin beibringen konnte noch die seines Sohnes, zahlte man ihm nichts. Den ,Sozialschmarotzern' werden wir es zeigen, nicht wahr, liebe ARGE Dorsten?

[...] Er hatte nicht mehr genug zu essen. Als er dies dem Sachbearbeiter sagte, erntete er ein Lächeln.

Vor Gericht hielt keine der Behauptungen der ARGE stand. Sie wurde verpflichtet zu zahlen. Trotzdem schickte man Josef S. aber nach Hause. Er werde einen Anruf bekommen. Auf den wartet er heute noch. Nicht genug zu essen. Wirklichkeit, heute, hier, in Deutschland.

Währenddessen hetzen die Politiker, die ihre Schäfchen längst im Trockenen haben, gegen die Arbeitslosen ,,Anspruchsdenken, Sozialschmarotzer!".

Wird einer von ihnen angesprochen auf so einen Fall, so erklärt er, man brauche sich nur zu rasieren und die Haare zu schneiden, dann bekäme jeder Arbeit.

Die ARGE Dorsten gibt unterdessen Josef S., dem der Magen knurrt, täglich unterschiedliche Auskünfte. Einmal ist die zuständige Sachbearbeiterin nicht im Haus, ein anderes Mal heisst es, die zuständige Stelle habe den Gerichtbeschluss noch nicht weitergegeben, dann, man habe ja vier Wochen, um Rechtsmittel einzulegen.

Mertin Behrsing vom Erwerbslosen-Forum sagt: ,,Das ist absolut kein Einzelfall. Es ist menschenverachtend."



Aus: "Nicht genug zu essen: Hartz IV-Realität in Deutschland 2007" Von Karl Weiss (31. März 2007)
Quelle: http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=31032007ArtikelPolitik1 (http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=31032007ArtikelPolitik1)
Title: [Bonität und Zahlungsprobleme... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 05, 2007, 12:44:09 PM
Quote[...] New York (Reuters) - In den USA geraten einem Zeitungsbericht zufolge immer mehr Menschen mit ihren Hypotheken in Zahlungsverzug.

Im Januar hingen 14,3 Prozent der Kunden mit schlechter Bonität mit ihren Zahlungen mindestens 60 Tage im Rückstand, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Zahlen der Marktforschungsfirma First American Loan Performance. Im Dezember lag die Zahl der verspäteten Zahlungen bei verbrieften "Subprime"-Hypotheken lediglich bei 13,4 Prozent, vor einem Jahr sogar nur bei 8,4 Prozent.

Der rasante Anstieg der Zahlungsprobleme hat bereits zum Bankrott viele Hypothekenanbieter geführt - Das prominenteste Opfer war in dieser Woche der größten unabhängige Anbieter für zweitklassige Darlehen, New Century. Auch bei der nächsthöheren Hypotheken-Kategorie "Alt-A" nahmen die Zahlungsverzüge der Zeitung zufolge zu und zwar auf 2,6 Prozent im Januar von 2,3 Prozent im Dezember und 1,3 Prozent vor einem Jahr.

Aus: "Zeitung: Immer mehr Amerikaner können Hypotheken nicht bedienen" (Mi Apr 4, 2007 12:32 MESZ162)
Quelle: http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=economicsNews&storyID=2007-04-04T113212Z_01_HUM441495_RTRDEOC_0_USA-HYPOTHEKEN.xml&archived=False (http://de.today.reuters.com/news/newsArticle.aspx?type=economicsNews&storyID=2007-04-04T113212Z_01_HUM441495_RTRDEOC_0_USA-HYPOTHEKEN.xml&archived=False)

Title: [vor allem Familien und Alleinerziehende... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 11, 2007, 03:09:09 PM
Quote[...] 10. April 2007. Freitagmorgen, kurz vor zehn. Vor einem maroden Flachbau am Stadtrand von Stralsund wartet eine Menschengruppe auf Einlass. Es regnet in Strömen.

Männer, Frauen und Kinder stehen Schlange für eine Tüte Lebensmittel. Seit elf Jahren verteilt die Stralsunder Tafel Obst, Gemüse, Brot und andere Waren, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, an Bedürftige. Wer keine Arbeit hat, darf sich einmal in der Woche anstellen. Früher kamen viele Obdachlose. ,,Heute kann es jeden treffen, vor allem Familien und Alleinerziehende", erzählt Waltraut Marzahn, die Leiterin der Einrichtung des Roten Kreuzes. ,,Bei uns steht die neue Armut täglich vor der Tür."


Elf Millionen Menschen leben in Deutschland am Rande des Existenzminimums. Doch viele schämen sich dafür, dass sie auf Almosen angewiesen sind. Rainer Köhn hat Jahre gebraucht, bevor er zur Tafel ging. ,,Vielleicht bekomme ich ja doch noch einmal eine ABM-Stelle", meint der arbeitslose Stahlbauer und Vater von drei Kindern. Optimistisch klingt er jedoch nicht. Die Hoffnung hat es schwer in Mecklenburg-Vorpommern. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Arbeitslose. Fast jeder fünfte ist hier im Nordosten der Republik ohne Job.


Hauke Wendler hat mit einem Kamerateam des NDR zwei Wochen lang bei der Stralsunder Tafel gedreht. Er begleitete ehrenamtliche Mitarbeiter bei ihrer täglichen Fahrt zu Supermärkten, Gemüsehändlern und Bäckereien und lernte bei der Tafel Menschen kennen, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen mehr haben.


Aus: ",,ARD-exclusiv: Schlange stehen für altes Brot"" NDR-Reportage über die Stralsunder Tafel (10.04.2007 Hamburg (pressrelations); Sendetermin: Mittwoch, 23. Mai, 21.45 Uhr, Das Erste)
Quelle: http://www.urlbase.de/include.php?path=content/articles.php&contentid=2410 (http://www.urlbase.de/include.php?path=content/articles.php&contentid=2410)


Title: [„Aufstocker“... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 11, 2007, 03:32:03 PM
Quote[...] Die Konjunktur springt an. In Berlin betrug das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr 1,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote sinkt hier schneller als anderswo in der Republik. Vergangenes Jahr waren es noch 18,5 Prozent, nun sind es 16,3 Prozent. Gleichzeitig gibt es viele Menschen, die von ihrem sozialversicherungspflichtigen Job nicht leben können. Trotz 40-Stunden-Woche verdienen manche Beschäftigte so wenig, dass sie weiter Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen. Politiker nennen sie ,,Aufstocker". Unter den Begriff fallen aber auch Beschäftigte, die Teilzeit arbeiten oder einem Minijob nachgehen. Die Agentur für Arbeit in Berlin hatte im April vergangenen Jahres 12 125 ,,Aufstocker" registriert, deutschlandweit sind es nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit eine Million, 300 000 davon arbeiten in Vollzeit.

Diejenigen, die zuvor ALG II empfangen haben, arbeiten jetzt vor allem im Niedriglohnsektor. Wachpersonal, Reinigungskräfte und Zimmermädchen schuften nicht selten für zwei bis drei Euro brutto in der Stunde. Auch Friseure müssen mit kargen Löhnen auskommen. Da bleibt netto oft weniger übrig als mit Hartz IV: Wer ALG II bezieht, bekommt als Single 345 Euro im Monat, zusätzlich bezahlt der Staat Miete und Nebenkosten. Je nach Wohnung kommt ein Alleinstehender also in etwa auf 600 bis 700 Euro Förderung vom Staat.

Wer als Wachmann oder Zimmermädchen wenig verdient, kann weiterhin ALG II beziehen, um die Differenz auszugleichen. De facto existiert der Kombilohn, über den die Parteien noch streiten, schon längst. Die ehemals Arbeitslosen sind in den Arbeitsmarkt integriert und doch weiter hilfsbedürftig.


Aus: "Hartz IV – trotz Vollzeitstelle: Immer mehr Berliner verdienen so wenig, dass sie zusätzliche Hilfe vom Staat brauchen" (11.04.2007)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/11.04.2007/3192806.asp (http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/11.04.2007/3192806.asp)

Title: [Die Erfolgsmeldungen der Arbeitsagentur... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 16, 2007, 01:34:57 PM
Quote[...] Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hat vor der Einführung eines Mindestlohns gewarnt. Stattdessen müsse man die unteren Löhne von drei oder vier Euro womöglich "noch einmal senken, damit mehr Stellen entstehen", sagte das Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dem "Tagesspiegel".


Aus: "Wirtschaftsweiser will Niedriglöhne weiter senken - Drei Euro sind noch zuviel" (15.04.2007)
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6624798_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html (http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6624798_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html)

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Quote[...] Grevesmühlen - Erfolgsbranche Callcenter - mehr als 8000 Beschäftigte sind in etwa 100 Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern angestellt. Die Arbeitsagenturen jubeln angesichts des Wachstums in der Branche, denn die Mitarbeiter waren vornehmlich arbeitslos, bis sie hier einen Job fanden. Ganz billig ist die Sache für den Steuerzahler nicht. Denn wer Langzeitarbeitslose beschäftigt, erhält eine Förderung von der Arbeitsagentur. Was einer der Hauptgründe dafür ist, dass die CallCenter zum überwiegenden Teil in den neuen Bundesländern ihren Sitz haben. Eine ostdeutsche Erfolgsstory? Mitnichten, denn der Traum vom festen Job endet nicht selten in einem Albtraum.

Edith H. (Name von der Redaktion geändert) sitzt in der Küche ihres kleinen Hauses und starrt auf zwei DIN A 4-Blätter, die vor ihr liegen. Es ist ihr Arbeitsvertrag, den sie vor wenigen Wochen unterzeichnet hat. Die 50 Jahre alte Frau aus Nordwestmecklenburg ist Angestellte in einem Callcenter in Schwerin. Doch die Freude über den festen Job hält sich in Grenzen. Denn im zweiten Absatz des Vertrages steht klipp und klar, "dass das Arbeitsverhältnis am 31. Juli endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf". Nicht einmal ein halbes Jahr hätte sie dann für das bundesweit agierende Unternehmen geschuftet.

"Wir haben alle solche Verträge", sagt sie. Alle, das sind etwa 80 Mitarbeiter, überwiegend Frauen, die direkt von der Arbeitsagentur zum Callcenter vermittelt wurden und nun Tag für Tag in den kleinen Boxen hocken und Anfragen von T-Online-Kunden bearbeiten. Mindestens acht pro Stunde. "80 Anfragen am Tag muss jeder bearbeiten, sonst gibt es Ärger." Alle paar Wochen müssen die Mitarbeiter zum Feedback-Gespräch bei der Geschäftsleitung antreten. "Da wird den Leuten klar gesagt, dass sie zu langsam sind. Die sind fix und fertig, wenn die da wieder rauskommen", sagt Edith H. Aber was sollen sie machen? "Wir haben alle Angst um unseren Job, deshalb ist das Klima auch so schlecht. Keine traut sich, den Mund aufzumachen."

Die Sorge um den Job treibt alle um. Trotz der miesen Bezahlung. Laut einem Bericht des Schweriner Wirtschaftsministeriums beträgt das Durchschnittsgehalt eines Callcenter-Agenten bei einem Acht-Stunden-Tag 1398 Euro im Monat. Darüber kann Edith H. nicht einmal mehr müde lächeln. 6,76 Euro brutto pro Stunde bekommen sie und ihre Kolleginnen. Das sind in guten Monaten etwas mehr als 900 Euro netto. Doch die guten Monate sind rar.

"Im Moment haben wir so wenig zu tun, dass wir meistens nach zwei bis drei Stunden nach Hause geschickt werden." Bezahlt wird nur die Zeit, in der gearbeitet wird. Das ist zwar illegal. Aber es gibt weder eine Gewerkschaft, die sich um solche Dinge kümmert, geschweige denn einen Betriebsrat. Dafür jede Menge Frust, den jeder mit sich allein herumträgt. "Wir sitzen alle in Kabinen mit grauen Wänden links und rechts, da gibt es keine Möglichkeiten, sich zu unterhalten."

Dass hier irgend jemand länger als sechs Monate arbeitet, daran glaubt Edith H. schon längst nicht mehr. "Wir haben doch schon bei der Einarbeitungszeit gemerkt, wie das hier läuft." Zwei Monate werden die Leute in den regulären Arbeitsablauf eingespannt, bevor es Verträge gibt. Wenn es denn welche gibt.

"Wir waren 15 Leute in der Trainingsmaßnahme, erst kurz vor Schluss haben sie uns gesagt, wer übernommen wird." Neun bekamen einen Vertrag. Die zwei Monate Einarbeitungszeit bezahlt die Arbeitsagentur voll.

Sie ist sauer auf ihren Arbeitgeber - und auf die Politik. "Niemand schert sich darum, was mit uns passiert." Die Erfolgsmeldungen der Arbeitsagentur liest sie schon längst nicht mehr. Sie erträgt es nicht.


Aus: ""Moderner Sklavenhandel" - Agentin eines Callcenters packt aus" Leistungsdruck. Schlechte Bezahlung. Keine Zukunftschancen. Das sind die Bedingungen, über die die Angestellte eines Callcenters berichtet. Von Michael Prochnow, LN (15.04.2007)
Quelle: http://www.ln-online.de/lokales/2119180 (http://www.ln-online.de/lokales/2119180)

Title: [Die Zahlen zeigen eindeutig... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 23, 2007, 09:05:17 AM
Quote[...] Die Zahl der von Sozialleistungen abhängigen Kinder ist nach einem Bericht der "Thüringer Allgemeinen" innerhalb eines Jahres um über zehn Prozent gestiegen. Das Blatt beruft sich auf eine Studie des Bremer Institutes für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ).

Danach lebten 2006 im Jahresdurchschnitt 1,887 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Deutschland von Sozialgeld in einer Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft. Das seien über 173.000 mehr als 2005 gewesen. Den vorläufigen Höchststand habe die Zahl der bedürftigen Kinder im Dezember 2006 mit über 1,9 Millionen Betroffenen erreicht.

"Die Zahlen zeigen eindeutig, dass die ärmeren Familien mit Kindern vom wirtschaftlichen Aufschwung faktisch nicht profitieren", kommentierte BIAJ-Forscher Paul Schröder die Untersuchungsergebnisse. Im Westen nahm die Zahl der von Sozialgeld abhängigen Kinder demnach 2006 mit elf Prozent stärker zu, als im Schnitt der neuen Bundesländer (sieben Prozent). Den größten Armutszuwachs habe es in den wirtschaftlich starken Südländern Baden-Württemberg (plus 13 Prozent) und Bayern (plus zwölf Prozent) gegeben.


Aus: "Erschreckende Studie: Immer mehr Kinder arm" (Montag, 23. April 2007)
Quelle: http://www.n-tv.de/793713.html (http://www.n-tv.de/793713.html)


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Quote[...] Mehr als jedes dritte Kind in Berlin lebt inzwischen von Hartz IV. Nach Angaben der Senatssozialverwaltung erhalten rund 144 000 von etwas mehr als 400 000 Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren Sozialgeld, 10 000 mehr als Ende 2005. Nach einer Studie des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe wachsen 37 Prozent der Kinder in Haushalten auf, die auf Arbeitslosengeld II (ALG II) für die erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder und Sozialgeld für die Kinder angewiesen sind. Laut Studie ist in Berlin die Quote mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Nur in Sachsen-Anhalt und Bremen liegt sie auch über 30 Prozent. Für Institutsgeschäftsführer Paul Schröder zeigen die Zahlen, dass es für Familien mit Kindern schwer ist, aus dem Bezug von ALG II herauszukommen: ,,An diesen Familien geht der Aufschwung vorbei." Langzeitarbeitslose profitierten noch nicht von der Erholung des Arbeitsmarktes.

In Berlin erhalten 325 000 Bedarfsgemeinschaften ALG II, davon sind rund 90 000 Haushalte mit Kindern.

[...] ,,Berlin ist die Hauptstadt der Kinderarmut", sagt Sabine Walther vom Kinderschutzbund. ,,Die Stadt muss aufpassen, dass nicht fast eine halbe Generation aussichtslos erwachsen wird." Für viele arme Familien sei schon das monatliche Kita-Essensgeld in Höhe von 23 Euro zu viel. Sie schickten ihre Kinder nicht dorthin, obwohl diese es besonders nötig hätten. Laut Oswald Menninger vom Paritätischen Wohlfahrtsverband ist für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten vor allem eine gute Bildung wichtig, damit sie später unabhängig von sozialen Transferleistungen leben können.

Quote
Heimatverwurzelt

die Berliner warten darauf, dass die Arbeitsplätze zu ihnen kommen, das ist die große Illusion.
Mittlerweile werden in anderen Regionen händeringend Arbeitskräfte gesucht, zur Zeit über eine halbe Million - darunter auch viele gering qualifizierte. Was spricht dagegen, wenn Familien, in denen niemand in Berlin eine Arbeit hat, in eine andere Region umziehen; viele Ossis haben das doch auch müssen. Ich kann das gejammere nicht mehr hören. Man kann nur dann dort leben, wo es einem gefällt, wenn man sich das auch leisten kann.

Holzmichel aus München (25.4.2007 8:47 Uhr)

Quote
Jedes dritte Berliner Kind lebt von Hartz IV

Gleichzeitig zur Berichterstattung über die Kinderarmut in Berlin wird der Nachbau des Berliner Schlosses verkündet- mit Beteiligung Berlins.Ein Privatmann aus Hamburg wünscht sich das Berliner Schloss, mobilisiert dafür Politik und Öffentlichkeit. Keinen Pfennig sollte diese Idee Berlin kosten. Und jetzt? Nichtmal der Förderverein hat die geplante Summe beisammen aber, kaum mahnt Frau Merkel die Bebauung des Schlossplatzes an, werden innerhalb zweier Tage Gelder bewilligt! Und jedes dritte Kind in Berlin lebt von Hartz IV! Kinder sind Zukunft- Themenwoche der ARD! Ist das nicht Verhöhnung der Menschen, die in Armut leben müßen.
Gerrit (24.4.2007 20:20 Uhr)

Quote
Kinderarmut wegen Schloßbau???

@ Gerrit:
Mal angenommen, Berlin würde die 50 Mio anstelle des Schloßbaus in die armen Kinder investieren. Dann wären das 50 Mio / 144 tsd = 347 € pro Kind.
Das ist ungefähr der Gegenwert von 1 Woche Mallorcaurlaub. Die Almosen sind schnell verbraucht; eine investition wie das Stadtschloß hingegen steht hunderte von Jahren!
Durch diese berliner Sehenswürdigkeit, wird der boomende Berlin-Tourismus weiter angekurbelt und zu den 15 Mio Touristen pro Jahr werden jede Menge weitere Besucher hinzukommen, dadurch sich das Schloß über kurz oder lang definitiv refinanzieren. Dies ist der entscheidene Unterschied zwischen Investitionen und Almosen.
Berlinbewunderer (25.4.2007 8:39 Uhr)

Quote
@Berlinbewunderer

Schade, manche Leute begreifen gar nichts, sie plappern nur jeden Unsinn nach.
Gebürtigerberliner (25.4.2007 9:08 Uhr)


Aus: "Jedes dritte Berliner Kind lebt von Hartz IV: Hauptstadt liegt damit bundesweit an der Spitze An armen Familien geht der Aufschwung vorbei" Sigrid Kneist (25.04.2007)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/25.04.2007/3222518.asp (http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/25.04.2007/3222518.asp)

Title: [Das Gesicht der Überflüssigen... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 08, 2007, 02:44:50 PM
Quote[...] Über die Überflüssigen: Die Überflüssigen setzen sich, wie viele kämpfende AktivistInnen weltweit, weiße Masken auf. Sie greifen die Barbarei des Kapitalismus an, in der Menschen nicht als Menschen, sondern als gesichtsloser auszubeutender Rohstoff vorkommen und ihre Vielfalt für rassistische und sexistische Unterdrückung instrumentalisiert wird. Ihr Respekt und ihre Verbundenheit gelten den Sans Papiers, Piqueteros, streikenden Frauen in Weltmarktfabriken, Landlosen, Prekarisierten, Unsichtbaren.

[...] Die Überflüssigen sind solidarisch mit denen, die dorthin gehen, wohin Not und Hoffnung sie treiben, und die sich immer wieder einen Lebensunterhalt aus dem Nichts erfinden müssen.

Die Überflüssigen sind überall und grenzenlos wie die kapitalistische Ausbeutung selbst.

Die Überflüssigen stehen für den Teil der Menschen auf der Erde, deren Alltag seit jeher aus Erwerbslosigkeit, Armut, Hunger und Krieg besteht.

Die Überflüssigen sind Menschen in den Industriestaaten, die vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen werden. Sie sind das Ziel des Klassenkampfes von oben und der aktuellen Armutskampagne in Deutschland, sie sind Erwerbslose, deren Rechte weiter beschnitten werden, sie sind Flüchtlinge, die ins Asylbewerberleistungsgesetz fallen, sie sind allein erziehende Frauen, die in Niedrigstlohnjobs gedrängt werden, sie sind die Alten, die ihre Winterschuhe beim Sozialamt erbetteln müssen, sie sind die Kranken, denen 10 Euro Praxisgebühr fehlen.

Die Überflüssigen sehen die Ursache ihrer Situation in einem profitfanatischen System, das nicht unangenehme Arbeiten überflüssig macht, sondern Menschen. Sie bieten dem Zwang, sich immer umfassender zurichten zu müssen, um leben zu dürfen, gemeinsam Paroli.

Die Überflüssigen lassen sich nicht länger auf Abfallprodukte des Kapitalismus reduzieren.
Die Überflüssigen haben die Schnauze voll davon, sich immer wieder in Verteilungskämpfen gegenseitig fertig zumachen.
Die Überflüssigen brechen aus der 2-Raum-Couchtisch-Haltung aus und machen selbst Programm.



Aus: "Über die Überflüssigen" (Datum: 2007 (?))
Quelle: http://ueberfluessig.myblog.de/ueberfluessig/about (http://ueberfluessig.myblog.de/ueberfluessig/about)

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Quote[...] das Gesicht der Überflüssigen ist von Land zu Land verschieden. Die Armutsforschung
in den USA nannte sie die "inner city poor", die in Großbritannien die "dangerous classes"
und die Exklusionsforscher in Frankreich fanden schon vor Jahren die Exkludierten, die
Ausgeschlossenen, im "Aus der Vorstädte". In Deutschland ließen sich ähnliche soziale
Problemzusammenballungen bisher nicht ausmachen. In der Tendenz vielleicht hier und da,
doch im Grunde genommen herrscht noch Waffenruhe.

[...] Das Überflüssig-Sein ist über das Land verteilt. Es versteckt sich hinter properen
Aufschwungfassaden, die mit Steuersubventionen aufgehübscht wurden.
Nur gelegentlich stolpert man über industrielle Brachen oder starren
eingeschlagene Fenster abrissbereiter Wohnblocks in die leere Landschaft. Die Folgen
werden wir so oder so alle bezahlen.


Aus: "Wo stehen unsere Banlieues?" Andreas Willisch (Berliner Zeitung; Dienstag, 22. November 2005)
Quelle: http://www.thuenen-institut.de/Publikationen/AW%20Wo%20stehen%20unsere%20Banlieues.pdf (http://www.thuenen-institut.de/Publikationen/AW%20Wo%20stehen%20unsere%20Banlieues.pdf)

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Quote[...] "Lidl zur Hölle - wir ins Paradies" schallte es ab 12 Uhr aus einem innnovativen Soundsystem am Frankfurter Tor in Berlin Friedrichshain. Im Rahmen der Maisteine-Aktionstage versammelten sich kritische Lidl-KundInnen, prekär Beschäftigte und viele andere, um gegen das Lidl-Ausbeutungsregime anzutreten.
Der Auftaktredner klärte über die widrigen Arbeitsbedingungen bei Lidl auf. Lidl steht stellvertretend für Schlecker, Aldi, Walmart, Opel Bochum und die Kneipe nebenan. Eben für alle, die von den durch Hartz IV ausgeweiteten Zwängen profitieren und immer beschissenere Arbeitsbedingungen zu unverschämt niedrigen Löhnen durchdrücken können.


Aus: "Lidl zur Hölle - Aktionstagsbericht (Berlin)" Von wir.die (Themen: Soziale Kämpfe; Datum: 23.04.2005)
Quelle: http://de.indymedia.org/2005/04/112702.shtml (http://de.indymedia.org/2005/04/112702.shtml)

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Quote[...] In Oldenburg haben Menschen mit roten Kapuzen und weißen Gesichtern am Wochenende auf der Jobmesse demonstriert. Es fand eine "Informationsveranstaltung" statt, die vor allem Jobs von den Arbeitgebern Lidl und der Bundeswehr anpries. Bei den Vorträgen ging es um "Taktiken bei Bewerbungsgesprächen" und weitere Hinweisen, um sich besser auf dem Arbeitsmarkt "anbieten" zu können. Die "Überflüssigen" demonstrierten mit Konfetti in den Räumlichkeiten und entwendeten Kugelschreiber und Bonbons. Bei der Aktion der Überflüssigen kam es zu einem großen Polizeiaufgebot. Während der Aktion wurden Flugblätter der "Überflüssigen" verteilt. Laut einer im Internet kursierenden Meldung, wollten die Protestierer gegen die "Verwertungsmechanismen" und Eingliederungsmaßnahmen von Hartz IV Empfängern demonstrieren. Erst Ende April war es in Köln zu einer Aktion der ,,Überflüssigen" gekommen, als sie einen Hartz IV-Ermittler aufsuchten uns seine fragwürdigen Ermittlungsmethoden öffentlich an den Pranger stellten.

Der Hintergrund dürfte die von Gewerkschaften kritisierten Arbeitsbedingungen bei der Supermarktkette "Lidl" sein, die seit Jahren immer wieder thematisiert werden. Auch die Werbung für Bundeswehrjobs in Arbeitsagenturen stößt vor allem bei Erwerbslosen- Initiativen immer wieder auf Kritik.

Bei der Aktion der Überflüssigen kam es zu einem großen Polizeiaufgebot. Wieviele Demonstranten festgenommen worden sind, steht zur Zeit noch nicht fest.

Als die Überflüssigen" bezeichnen sich Menschen aus verschiedenen Orten, die unter einem gleichen Namen Aktionsformen des sozialen bzw. zivilen Ungehorsams praktizieren. Sie wenden sich nach eigenem Bekunden gegen Kapitalismus, Unterdrückung, Rassismus, Sexismus, Prekarisierung und Ausgrenzung. Der Name wurde als Kampfbegriff gewählt, weil sie sich als Menschen verstehen, die in einem ,,profitfanatischen" System überflüssig gemacht werden.


Aus: ",,Die Überflüssigen" bei Jobmesse im Mercedes Autohaus in Oldenburg" (07.05.2007)
Quelle: http://www.elo-forum.net/hartz-iv/071-07052007-401.html (http://www.elo-forum.net/hartz-iv/071-07052007-401.html)

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Quote[...] Kein Mensch ist gerne überflüssig. Dennoch gibt es viele Menschen, die sich so fühlen. Und noch mehr, die dazu gemacht werden. In der deutschsprachigen Soziologie wird der Begriff seit geraumer Zeit verwendet, um eine wachsende Gruppe der Gesellschaft zu beschreiben: Langzeitarbeitslose, prekär Beschäftigte, Menschen, die keine soziale Anerkennung mehr bekommen.    
         
In einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift "Transit-Europäische Revue" klopft die Soziologin Sabine Hark von der Universität Potsdam den Begriff der "Überflüssigkeit" auf seine Tauglichkeit ab.

[...] In einem ersten Schritt liefert Hark einen Überblick über verschiedene Beschreibungen, die in den vergangenen Jahren die "neuen sozialen Gefährdungen" charakterisierten.

Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann etwa sprach in seiner ihm typischen Art von einer "in die Milliarden gehenden Menge", die weltweit unter Bedingungen von Exklusion leben - wobei heute "die Mehrfachabhängigkeit von Funktionssystemen den Exklusionseffekt verstärkt".

Manuell Castells - bekannt geworden durch sein Buch der "Netzwerkgesellschaft" - diagnostizierte, dass wir uns "von einer Situation sozialer Ausbeutung zu einer Situation funktionaler Irrelevanz" bewegen, und wir einen Tag erleben werden, "an dem es ein Privileg sein wird, ausgebeutet zu werden".

Und selbst der liberale Rolf Dahrendorf spricht von einer "beträchtlichen Kategorie nicht nur von Verlierern, sondern von Verlorenen", die "zwar in der Gesellschaft leben, aber nicht mehr dazugehören".

Allen Theoretikern gemeinsam ist der Versuch, die Subjekte der gesellschaftlichen Veränderungen auf den Begriff zu bringen: Ausgeschlossene, funktional Irrelevante, Verlorene - zusammengefasst: Überflüssige - das sind die Armen, die Langzeitarbeitslosen, die Jugendlichen ohne Perspektive, die prekär Beschäftigten, die Migranten, im globalen Maßstab die Landflüchtlinge und Slumbewohner, wie Hark schreibt.

Quote
Sabine Hark: "Sinnbildlich könnte man daher sagen, dass aus Sicht der Gesellschaft diejenigen überflüssig sind, die die Anforderung - aus welchen Gründen auch immer -, nicht bedienen können, sich flüssig zu verhalten, auf jedwede Kontingenz flexibel zu reagieren, ... die nicht beweglich genug sind, um Chancen zu ergreifen, bevor ein anderer es tut."     
->   Neue Selbstständigkeit: "Prekariat" verändert die Welt (29.4.05)

Die Soziologin kritisiert nun den Standpunkt dieser Beschreibungen: Dabei handle es sich "in der Regel um eine Außenperspektive, ... die vom Markt her denkt."

Implizit liege diesen Diagnosen eine "Zwei-Welten-Theorie von Exklusion" zugrunde: auf der einer Seite eine "Welt der Chancen und der Berücksichtigung", auf der anderen Seite "eine Welt des Ausschlusses und der Ignorierung".

Diese starre Trennung hält Hark für ein überholtes Konzept, das sich an historischen Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert anlehnt.

Gesellschaftlicher Ausschluss sei heute eher als Verhältnis und nicht als fixer Zustand zu denken - als "Zugleich von Drinnen und Draußen, als Ausschluss nicht aus der Gesellschaft, sondern in der Gesellschaft".

Menschen, so argumentiert Hark weiter, werden nicht plötzlich in ein imaginiertes Draußen befördert, sondern Biografien verlieren ihre Festigkeit - sie werden "sinnbildlich gesprochen flüssiger".

"Die Überflüssigen dokumentieren daher kein präzises Defizit einer Lebenslage, sondern ... soziale Vorgänge des Überflüssig-Machens." Und das ist auch der zentrale Satz von Harks Analyse.

Nicht um eine Phänomenologie der Überflüssigen sollte es der Soziologie gehen - wie etwa in der Beschreibung des berühmt-berüchtigten Nachbars, der den ganzen Tag fern sieht, apathisch in seiner Wohnung hockt und sich von Fast Food ernährt, bis ihm der hohe Blutdruck zu Gesichte steht.

Diese Konzentration auf die Ausgeschlossenen, auf die "Überflüssigen" berge immer die Gefahr, dass man als Wissenschaftler zu dem Vorurteil beiträgt, wonach die Menschen "selbst schuld" seien an ihrem Schicksal.

Besser sei eine soziologische Diagnostik "jener sozialen Vorgänge, durch die Menschen ... überflüssig gemacht werden".

Diese Diagnostik müsste "dynamisch, vieldimensional und episodisch" konzipiert werden und von konkreten Gefahren ausgehen, mit denen sich Individuen auseinandersetzen - und dies reiche von Auseinandersetzungen mit staatlichen Behörden bis zur Mobilisierung von Hilfeleistungen durch Freunde und Verwandte.

Erst dabei, so Hark, könnte die Metapher der Überflüssigen eine Schlüsselrolle einnehmen. Konkrete Umsetzungen dieses Ansatzes hat sie bereits ausgemacht: Allerdings nicht im deutschen Sprachraum, sondern in Frankreich - bei Pierre Bourdieu und seinem 1997 erschienenen Buch "Das Elend der Welt".

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 15.7.05

Quote
     stupdidup | 16.07, 00:38
im endeffekt sind wir sowieso alle überflüssig...
...weil wir in der masse einfach zu dumm sind, die konsequenzen unserer entscheidungen zu sehen

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     konroth | 15.07, 21:35

dieser artikel ist z.b. überfluessig, wie sagt obelix "die sehen den wald vor lauter bäumen nicht mehr" - pseudo-intellektuelle die die welt nur von ihrem schreibtisch aus kennen verzapfen solche überflüssigen studien und werden auch noch dafür bezahlt.

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     isotop | 15.07, 19:27
ich würde zu diesen "Überflüssigen"
auch noch die arbeitende Bevölkerung dazuzählen, die im Job wie jemand Austauschbarer behandelt wird. Dieser Mensch geht nicht in seiner Arbeit auf und fühlt sich genauso ausgeschlossen, weil seine Tätigkeit einfach nicht dem entspricht was er wirklich machen will, sondern das was er tun muss um Geld zu bekommen.

Quote
     veteranofthepsychicwars | 15.07, 18:27

ich finde ja eher manche soziologen überflüssig...

Aus: "'Die Überflüssigen': Überflüssiger Soziologie-Begriff?" (2005 (?))
Quelle: http://science.orf.at/science/news/138068 (http://science.orf.at/science/news/138068)

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Quote[...] Doch fragen wir noch einmal genauer, von welchen gesellschaftlichen Umbrüchen die Überflüssigen künden. Haben sich neue soziale Ungleichheiten herausgebildet, die nicht länger vertikal, sondern entlang einer horizontalen, gleichwohl asymmetrischen Innen/Außen-Spaltung organisiert sind – und für die es folglich neuer soziologischer Beschreibungen bedarf? Produziert der neue Kapitalismus, wie auch immer er in verschiedenen Theorieprogrammen charakterisiert wird, eine wachsende Zahl Überflüssiger, die dauerhaft keinen Platz finden in der Sozialstruktur? Ist eine Population – les Misérables, die Pauper, die Elenden des 19. Jahrhunderts, das Lumpenproletariat, das tote Gewicht der Reservearmee – zurückgekehrt, die einer historisch längst überwunden geglaubten Phase der Entwicklung kapitalistisch organisierter Gesellschaften zugehört? Und künden diese Überflüssigen von der Wiederkehr entsprechender gesellschaftlicher Verhältnisse, wie sie das 19. Jahrhundert kannte: Verhältnisse, die von einer so profunden inneren Spaltung bestimmt waren, dass Beobachter von den »zwei Nationen« (Benjamin Disraeli) innerhalb einer Gesellschaft sprachen, zwischen denen es weder sozialen Umgang noch Mitgefühl gebe?

[...] Statt einer Diagnostik jener sozialen Vorgänge, durch die Menschen, man kann es nicht oft genug betonen, überflüssig gemacht werden, wird eine »Diagnostik der Überflüssigen« (Steinert 2000) erstellt, in der Überflüssigkeit zu einer Art »master status« wird, zum dominierenden Merkmal einer Person. Unweigerlich landet beispielsweise Heinz Bude (1998) so immer wieder in Form einer Quasi-Phänomenologie bei einer Diagnostik, die sich eher von der Semantik des Über/Flüssigen und dem literarischen Vorbild des überflüssigen Menschen, wie er insbesondere die russische Literatur des 19. Jahrhunderts bevölkert, leiten lässt, als sich strikt an der soziologischen Beschreibung und Analyse der Prozesse des Überflüssig-Machens zu orientieren. Zwar hebt Bude das Zusammenspiel des Prekärwerdens von Erwerbsarbeit, der Schwächung sozialer Nahbeziehungen sowie der Erosion sozialer Teilhabe und die entwürdigende Behandlung durch sozialstaatliche Agenturen hervor. In seinem Karriere-Modell des »Überflüssigwerdens« (Bude 1998, S. 374) aber ist das »vielleicht wichtigste Strukturmerkmal von Prozessen sozialer Ausgrenzung (...) der Körper« (ebd., S. 376). »Für die Feststellung von Überflüssigkeit« sei am Ende ein »bestimmter phänomenologischer Befund entscheidend, der etwas mit einem Körperausdruck von Müdigkeit, Abgestumpftheit und Apathie« zu tun habe (ebd., S. 377). [11]

Es soll nicht bestritten werden, dass es Bude sehr wohl darum zu tun ist, eine Begrifflichkeit zu entwickeln, die das gesellschaftlich verursachte Leid derjenigen soziologisch zugänglich macht, die von Exklusion bedroht sind. In seiner Konzeption des Überflüssigen zeigt sich allerdings die Ambivalenz dieses Unterfangens, ist doch Budes menetekelhafte Beschreibung selbst noch imprägniert von dem heiligen Schauder derjenigen, die sich (noch) dazugehörig fühlen: »In Deutschland«, so Bude jüngst, sei »es nicht das öffentliche Ghetto, sondern es sind die privaten vier Wände, wohin sich die Exkludierten zurückziehen. Der Nachbar, der vom vielen Weißbrot, der fettigen Wurst und den gezuckerten Getränken außer Fasson gerät, weil er die meiste Zeit des Tages vor dem Fernsehgerät verbringt, ist die Figur des ›Überflüssigen‹, an welcher der deutschen Gesellschaft das andere ihrer selbst vor Augen tritt« (Bude 2004, S. 15).

Nun kann es nicht darum gehen, soziologisch von diesem Leid zu schweigen. Selbstredend muss Sozialwissenschaft auch und gerade von jenen sprechen, die in extremem Maße von Exklusion bedroht oder betroffen sind. Doch gerade weil dieses Leid meist die Schwelle der öffentlichen Sichtbarkeit oder gar der politischen Artikulation noch nicht überschritten hat, ist es umso dringlicher, dass die soziologischen Rekonstruktionen, die dieses Leid sichtbar machen, selbst beständig und rigoros daraufhin geprüft werden, ob sie an der gesellschaftlich verursachten Entwertung partizipieren oder nicht. Wie dies gelingen kann, nämlich durch konsequente »Objektivierung des Subjekts der Objektivierung« (Bourdieu 2004, S. 172), hat das Team um Pierre Bourdieu in Das Elend der Welt (1997) eindrucksvoll demonstriert.


Aus: "Sabine Hark: Überflüssig. Deutungsbegriff für neue gesellschaftliche Gefährdungen?" (Transit - Europäische Revue, Nr. 29/2005)
[Institute for Human Sciences / Institut für die Wissenschaften vom Menschen]
Quelle: http://www.iwm.at/index.php?option=com_content&task=view&id=276&Itemid=454 (http://www.iwm.at/index.php?option=com_content&task=view&id=276&Itemid=454)

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Quote[...] Das Projekt "Die Überflüssigen" entstand 1998 im Hamburger Institut für Sozialforschung aus der Beobachtung heraus, dass wir für die neu entstandenen sozialen Ungleichheiten keinen präzisen Begriff haben. Wir haben den Begriff der Überflüssigen gewählt, weil er alle Schichten erfasst, auch die klassische Mittelschicht. Die gesellschaftlichen Veränderungen hinterlassen in vielen Bereichen Überflüssigkeit. So wie es ganze Quartiere in schrumpfenden Städten gibt, die nicht mehr gebraucht werden, so werden auch Menschen überflüssig, weil ihre Qualifikationen nicht mehr gebraucht werden, oder auch nur, weil sie am falschen Ort wohnen.

Eine "neue Unterschicht" gibt es also nicht?

Man kann sich zwar auf die Schicht konzentrieren, in der sich die Probleme häufen, aber in diesem Fall kommt man mit dem klassischen Begriff der Armut noch immer weit genug. Heute geht es um neue Phänomene der Exklusion, um Formen sozialen Auseinanderbrechens, die mit der klassischen Ausbeutung und Ausgrenzung nicht mehr viel zu tun haben.

Warum muss man ein so gewöhnungsbedürftiges Wort wie "Prekariat" einführen?

Die alte Einteilung der Gesellschaft in oben und unten wird immer mehr überlagert durch eine Teilung in innen und außen. Das wird erfasst durch den Begriff der Prekarität: Die damit benannte Verunsicherung zieht sich durch viele soziale Milieus; sie prägt die Medienbranche, die Wissenschaft, auch weite Teile der Facharbeiterschaft und natürlich Teile der armen Schichten. Diese verfügen allerdings oft über mehr Sicherheit mit knappen Mitteln umzugehen. In den Mittelschichten ist die Verunsicherung viel größer.

Es gibt die Angst, dass der Begriff Unterschicht demütigen könnte. Stellen Sie Menschen nicht erst recht ins Abseits, wenn sie von Überflüssigen sprechen?

Wenn man Probleme erkennen will, muss man sie in ihrer Tragweite genau benennen. Wirklich verletzend wird ein Begriff wie Unterschicht, wenn man ihn mit diffamierenden Beschreibungen versieht: bildungsfaul, träge, kulturlos.

In Definition der neuen Unterschichten geht es häufig nicht um wirtschaftliche, sondern um kulturelle Merkmale: Zur Unterschicht zählt, wer sich gehen lässt, sich schlecht ernährt, viel raucht und trinkt, keine Lust an Politik und Bildung hat, dauernd fern sieht und seine Kindern vernachlässigt. Was ist richtig an der Kulturalisierung des Begriffs Unterschicht?

Die bloße Konstatierung einer Unterschicht wäre banal und an sich nicht aufregend. Erst durch die Kulturalisierung wird der Begriff zum beachteten Skandal. Nach meinen Untersuchungen kann ich sagen: Es stimmt; Viele ernähren sich schlecht. Sie gucken schon nachmittags fern, sie haben keinen Bock auf Bildung. Aber es wäre fatal, dieses Verhalten allein als ein Problem individueller Verantwortung zu debattieren. Es ist unser aller Umgang mit dem Problem sozialer Ungleichheit, der zu der kulturellen Auffälligkeit führt.

Das ist ziemlich abstrakt.

Nehmen wir als Beispiel meine Tätigkeit als Biolandwirt. In Vorpommern gibt es nicht nur 20 Prozent NPD-Wähler, sondern auch die meisten Bio-Betriebe Deutschlands - mit einem Anteil von 20 Prozent ein florierender Wirtschaftszweig. Es ist doch paradox, dass in der Gegend, in der die besten Lebensmittel hergestellt werden, sich die Leute diese nicht leisten können und wohl auch nicht leisten wollen. Auch ich liefere zwei Drittel unseres Bio-Fleisches nach Berlin. Das Drittel, das in Mecklenburg verbleibt, wird vornehmlich vom Mittelstand verzehrt, von Lehrern und Beamten. Ähnlich wie die konventionellen sind mittlerweile auch unsere Öko-Betriebe aus ihrem sozialen Umfeld vollständig entbettet. Es gibt keinen Zusammenhang mehr zwischen ökonomischer und sozialer Entwicklung. Vom Aufstieg der Wirtschaft profitieren die Leute nicht. Sie bekommen keine Jobs, sie sind auch abgeschnitten von der Art und Weise der Herstellung der Lebensmittel.

Als ein Merkmal der neuen Unterschichten wird deren Bildungsferne beklagt. Nimmt die Bildungsunlust wirklich zu?

Ich glaube, dass der Zusammenhang zwischen Erfolg und Leistung nicht mehr so plausibel ist. Ein Beispiel: Zu den Regeln für den Anspruch auf Arbeitslosengeld II in unserem Untersuchungsgebiet in Mecklenburg gehört, dass Jugendliche sich pro Woche bei zehn Betrieben zu bewerben haben, wenn sie ihren Anspruch behalten wollen. Niemand bei der Arbeitsagentur geht davon aus, dass sich bei diesen willkürlich aus dem Internet herausgesuchten Betrieben tatsächlich eine Chance ergeben würde. Die Prozedur ist nur dazu da, die Vorschrift zu erfüllen. Eine qualifizierte Vermittlung wird gar nicht erst angeboten. Stellen Sie sich
einen Jugendlichen vor, der das auch nur ein halbes Jahr lang macht.

Was müsste sich ändern, damit die Überflüssigen wieder in die Gesellschaft integriert werden?

Ein allen Förderungsmaßnahmen gemeinsamer Mangel ist die Bevormundung der Leute. Man muss die zivilgesellschaftlichen Potenziale auch in diesen Bereichen stärken. Die Menschen müssen sich die Projekte aussuchen können, in denen sie gefördert werden, sie müssen selbst Projekte entwickeln. Die Zivilgesellschaft selbst muss einen Bedarf an Arbeit formulieren, der gebraucht wird. Es gibt in Ansätzen solche Maßnahmen wenn auch nur in den starren Formen staatlicher Förderung - Bleiben wir noch einmal bei der Ernährung: Jugendliche schreiben im Rahmen von Ein-Euro-Jobs mit Kindern zusammen Koch-Bücher.

Sie würden also der konservativen Kritik zustimmen, dass die Förderungsmaßnahmen die Menschen entmündigt statt fördert?

An der Kritik ist gar nichts konservativ. Konservativ daran ist die Absicht, die eingesetzten Mittel einfach zu kürzen. Das allerdings wäre der falsche Weg.


Aus: "Die Überflüssigen" - Der Soziologe Andreas Willisch über Unterschichten, Prekariat und das Phänomen der sozialen Entbettung" Das Gespräch führte Harald Jähner (Berliner Zeitung, 21.10.2006)
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/spezial/dossiers/armut_in_deutschland/49166/index.php (http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/spezial/dossiers/armut_in_deutschland/49166/index.php)

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Quote[...] Am heutigen Nachmittag tauchte überraschend eine Gruppe von 7 ÜBERFLÜSSIGEN in der ostdeutschen Kleinstadt Aschersleben im "E-Center" in der Geschwister-Scholl-Str. auf. Getreu dem neuen gastronomischen Trend, "All you can eat", folgend, begannen sie in der Lebensmittelabteilung in die Regale zu greifen und stillten ihren Hunger. Auch die neuesten statistischen Taschenspielertricks der staatlichen Agentur für Armutsverwaltung machte sie nicht satt.


Aus: "Die Überflüssigen in Aschersleben" (Michael Maurer; 29.09.2006 00:14)
Quelle: http://de.indymedia.org/2006/09/158063.shtml (http://de.indymedia.org/2006/09/158063.shtml)

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Quote[...]  Diese Woche tauchten sie vor dem Prozess gegen Peter Hartz auf: die Aktivisten, die sich die Bezeichnung "Die Überflüssigen" gegeben haben. Sie protestierten stumm gegen Peter Hartz, weil er ihrer Meinung nach für ein "soziales Entrechtungsprogramm" steht. Was ist das für eine Gruppe, die immer wieder in den Medien auftaucht und auf die auch der Berliner Verfassungsschutz schon ein Auge geworfen hat?
Am Mittwoch stand Peter Hartz vor Gericht. Der ehemalige VW-Personalvorstand und Namensgeber der Arbeitsmarktreformen musste sich wegen der Veruntreuung von 2,6 Millionen Euro und der Bestechung des Betriebsrats rechtfertigen. Begleitet wurde sein Auftritt mit Protest. Eine Gruppe von Demonstranten schaffte es, besonders oft in das Blickfeld der Kameras zu kommen. Etwa acht bis zehn Menschen trugen weiße Masken und rote Kapuzenpullis. Auf ihren Rücken konnte man ,,die Überflüssigen" lesen.


(http://www.subfrequenz.net/visuals/albums/userpics/peterunddieueberfluessigen2007.jpg)

Aus: "Rote Pullis, weiße Masken: Wer sind "die Überflüssigen"?" Text: simon-poelchau (19.01.2007)
Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/356993 (http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/356993)

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Die Überflüssigen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%9Cberfl%C3%BCssigen (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%9Cberfl%C3%BCssigen)

Title: [Laut Bandansage war die Telefonzentrale überlastet... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 09, 2007, 03:42:36 PM
Quote[...] Die Auszahlung von Hartz-IV-Geldern in Köln steht vor dem Kollaps, und vielen Arge-Mitarbeitern geht es nicht besser: Krankmeldungen häufen sich, sogar der Rettungsdienst musste schon kommen. Vor den Schaltern des Hauptamtes an der Luxemburger Straße stehen seit drei Wochen Sozialhilfeempfänger Schlange, um etwa Mittellosigkeit anzumelden. Die Ursache: Durch ein neues Organisationsmodell stapeln sich die Akten.

Doch den Mittellosen muss sofort mit Bargeld geholfen werden. ,,Das passiert heute zwölfmal am Tag, früher ein- oder zweimal in drei Tagen", sagt die Frau am Schalter. Fatal: Sie ist von der Bearbeitung von Anträgen abgezogen worden, die sich nun auf ihrem Schreibtisch stapeln. Hinzu kommen die Anträge, die Kollegen bearbeiten sollten, die sich aber stressbedingt krankgemeldet haben. Der Personalrat ahnte bis zur ,,Rundschau"-Nachfrage nichts davon.

Der Druck in der Arge ist gewaltig. In dem gemeinsamen Gebilde von Arbeitsagentur und Stadt treiben die Teamleiter ihre Mitarbeiter angeblich bis aufs Äußerste an. ,,Die Dauer des Gangs zur Toilette wird kontrolliert und freiwillige Arbeit auch am Sonntag erzwungen", sagt ein Mitarbeiter. ,,Wenn Sie das nicht schaffen, sehen Sie die Theke von der anderen Seite!", sei ihm offen gedroht worden.

290 der 1178 Arge-Leute haben einen befristeten Vertrag. Er läuft zum Jahresende aus. ,,Die Arge startete vor zwei Jahren mit 864 Leuten. Wir bräuchten aber 1400", sagt der Personalratsvorsitzende Josef Krämer. Seinem Stellvertreter, dem Verdi-Funktionär Gerd Zimmer, ist bekannt, dass die Anzahl der Kollegen steigt, die psychologische Betreuung in Anspruch nehmen. ,,Führungskräfte, vor allem die städtischen, haben ,Coaching beantragt - ein Training, das beim Umgang mit gestressten und belasteten Mitarbeitern hilft. Viele Teilzeitkräfte machen so viele Überstunden, dass sie Vollzeit arbeiten." 169 Stunden im Monat gelten als Festanstellung. ,,Wir könnten alleine dafür 15 Leute einstellen."

Mehr noch als der Druck durch Vorgesetzte treibt Gewissenhaftigkeit die Mitarbeiter in den Kollaps. Was sie nicht schaffen, müssen die Kollegen mitmachen. Und jeder sagt: ,,Die Leute müssen doch ihr Geld bekommen."

,,Ich kann es immer noch nicht glauben", sagt Krämer. ,,Bei der Personalversammlung in den Sartory-Sälen gab es nicht mal ein Raunen, als ich den Arge-Chef Josef Ludwig zum Beispiel nach einem Zeitlimit für die Betreuung gefragt habe. ,,Da wurde ich einfach belogen. Es gebe kein Zeitlimit und werde auch keines geben", so Krämer.

Auf Geheiß von Unternehmensberater Roland Berger, dem Vater der Umstellung, muss aber schon seit drei Wochen ein Kunde nach drei Minuten einen Termin bei einem Sachbearbeiter haben. Dieser darf sich nur noch 15 Minuten mit ihm befassen, statt einer Stunde. ,,In einer Viertelstunde kann man gar nichts beurteilen. Alle haben geschwiegen und mir falsche Zahlen gegeben", gibt sich Krämer geschlagen, nachdem er gerade noch das neue Modell einer Trennung von Arbeitsvermittlung und Leistungsbewilligung vehement verteidigt und Probleme abgestritten hatte. Zimmer erfuhr die Wahrheit im Telefonat mit einem Kollegen vom Schalter.

Der Chef der Arge war gestern nicht ans Telefon zu bekommen. Laut Bandansage war die Telefonzentrale überlastet.


Aus: "Hartz IV: Im Chaos zusammengebrochen" VON MANFRED REINNARTH (08.05.07)
Quelle: http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1176130313438.shtml (http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1176130313438.shtml)
Title: [Neue Armut in den Städten ist die alte... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 07, 2007, 10:34:00 AM
Quote[...] Bochum - In der öffentlichen Diskussion ist oft die Rede von "bildungsfernen Schichten", "geringer Wahlbeteiligung", "Kinderarmut" oder "dicken Kindern".

Für Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier sind all dies verschiedene Facetten desselben Problems: Der Armut in den Städten.

Auf Einladung des Vereins "Pro Ruhrgebiet" sprach der Bochumer Stadtsoziologe am Dienstagabend im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets. Er setzte damit die Vortragsreihe "Ruhrstadt" fort, die sich in ihrer dritten Ausgabe mit "Licht und Schatten der Metropole" beschäftigt und damit wieder auf großes Publikumsinteresse stößt.

Mit vielen empirischen Daten führte Strohmeier überzeugend vor Augen, dass die "Neue Armut", mit der sich das Ruhrgebiet und Städte in ganz Deutschland auseinandersetzen müssen, eigentlich ein altes Problem ist: "Wenn man wissen will, wo die neuen Armen leben, kann man auf Daten der Volkszählung von 1987 zurückgreifen: In Gebieten mit damals hohem Arbeiteranteil findet man heute verarmte Familien, arbeitslose Jugendliche, einen hohen Ausländeranteil, einen schlechten Gesundheitszustand und wenig Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft." "Integration ist die umfassende Herausforderung", zog Strohmeier ein Fazit. Es müsse eine Bildungsoffensive stattfinden, informelle Netzwerke und die Solidarität unter den Bewohner von sozial schwachen Stadtteilen gefördert werden.


Aus: "Neue Armut in den Städten ist die alte" Von Max Florian Kühlem (06. Juni 2007)
Quelle: http://www.westline.de/nachrichten/lokal/index_nachricht.php?file_name=630_001_3696745&newsline=lokal&catchline=bo/%25/ln&szm_flag=1 (http://www.westline.de/nachrichten/lokal/index_nachricht.php?file_name=630_001_3696745&newsline=lokal&catchline=bo/%25/ln&szm_flag=1)
Title: [Laut Anklage... (Notizen)]
Post by: lemonhorse on June 14, 2007, 02:22:42 PM
Quote[...] Ein ehemaliger leitender Bankangestellter in Nordbaden soll einen Millionenbetrag veruntreut haben. Das Besondere daran: Er gab das Geld bedürftigen Kunden, heißt es.

Seit Donnerstag muss sich der 45-Jährige vor dem Landgericht Mosbach verantworten. Laut Anklage hatte er von Januar 2001 an fünf Jahre lang Geld bestimmter Bankkunden auf Konten solcher Kunden verschoben, die seiner Ansicht nach an Geldmangel litten und keine Bankkredite mehr bekommen konnten. Insgesamt soll er 2,1 Millionen Euro unterschlagen haben.

[...] Der 45-Jährige hat gestanden: «Ich hatte Mitleid mit Arbeitslosen und sozial Schwachen und wollte ihnen helfen», sagte der Vater eines 13-jährigen Sohnes. Die Staatsanwaltschaft wies dem Beschuldigten insgesamt 179 Fälle von Untreue zwischen 2001 und 2006 nach.


Aus: "Banker verschob Geld auf Konten Bedürftiger" (NZ; 14. Jun. 2007)
Quelle: http://www.netzeitung.de/vermischtes/673145.html (http://www.netzeitung.de/vermischtes/673145.html)

Title: [Eine Entwicklung, die nicht allein Großbritannien betrifft... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 26, 2007, 10:53:57 AM
Quote[...] So konnte die wirtschaftliche Elite, die lediglich 0,1 Prozent der Einkommensbezieher ausmacht, ihren Wohlstand um bis zu 600 Prozent steigern. Dagegen ist das Einkommen der ärmsten zehn Prozent der Briten gesunken - von umgerechnet 134 Euro wöchentlich im Jahre 2002 auf 131 Euro im Jahre 2006. Sogar gutgemeinte Mindestlöhne, die in Großbritannien bereits seit 1999 Gesetz sind, konnten die Kluft nicht schließen. Ein Heer arbeitender Arme, für die ein Hartz-IV-Einkommen einschließlich Mietzuschüssen ein Traum wäre, zählt in London, Manchester und Birmingham zur sozialpolitischen Realität.

Dies ist eine Entwicklung, die nicht allein Großbritannien betrifft. Eine wachsende Generation von McJob-Inhabern macht die Hilflosigkeit sozialdemokratischer Politikkonzepte gegenüber der Urgewalt der Globalisierung deutlich. Ebenso wie in Großbritannien geht in Europa der rapide Abbau traditioneller Industriezweige weiter. Der Arbeiter, der sein Leben lang an der Drehbank steht und mit spätestens 65 Jahren eine gesicherte Pension erwarten kann, ist eine aussterbende Spezies.

Die Vision von der Dienstleistungsgesellschaft, die in Großbritannien mit dem Finanzzentrum London zumindest teilweise Realität geworden ist, ist für den industriellen Aderlass kein Ersatz: Erstens lassen sich Arbeitslose aus dem verrotteten Industriegürtel Mittelenglands nicht ohne weiteres zu Web-Designern umschulen.

Zweitens hat die boomende Finanzindustrie Großbritanniens eine spezielle Kaste von Spekulanten und Finanzjongleuren kreiert, die sich nur wenig um den auseinanderdriftenden sozialen Unterbau einer Gesellschaft kümmert. Die Banker und Broker würden ohnehin von heute auf morgen ihre Koffer packen und nach New York oder Schanghai umziehen, wenn sie dort ihre Millionen schneller machen können.

Gewiss hat es der neue Regierungschef Brown im Gegensatz zu seinem Kollegen auf dem europäischen Festland einfacher: Schmerzhafte Reformen des Arbeitsmarktes hat Großbritannien hinter sich. Doch der Labour-Politiker steht nun vor der Herkulesaufgabe, die soziale Desintegration zu stoppen. Großen finanziellen Spielraum hat er nicht. Allein das marode, staatliche Gesundheitssystem NHS kann sich das Land kaum noch leisten. Ansetzen kann Brown aber beim unfairen Steuersystem.

Wenn eine Putzfrau in Großbritannien prozentual einen höheren Steuersatz zahlt als ein Private-Equity-Manager, ist dies durch nichts zu rechtfertigen.


Aus: "Wohlstands-Kluft in Großbritannien: Blairs gescheiterte Mission" Ein Kommentar von Andreas Oldag (25.06.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/wirtschaft/artikel/290/120140/ (http://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/wirtschaft/artikel/290/120140/)

Title: [Die Zahl der Privatinsolvenzen... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 10, 2007, 11:19:20 AM
Quote[...] Trotz der guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt haben sich in den ersten vier Monaten so viele Verbraucher zahlungsunfähig erklärt wie nie zuvor. Die Zahl der Privatinsolvenzen stieg zum Vorjahr um gut 22 Prozent auf rund 35.000 Fälle, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das ist der höchste Stand seit Einführung der Verbraucherinsolvenz 1999, mit der sich Privatpersonen innerhalb von sechs Jahren entschulden können.
Hingegen sanken im April dank des kräftigen Aufschwungs die Firmenpleiten. Die Gerichte meldeten mit gut 2.200 Fällen rund 14 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Damit setze sich der seit mehr als zwei Jahren anhaltende Rückgang der Unternehmensinsolvenzen fort, schrieben die Statistiker.

Die Gesamtzahl der Insolvenzen von Januar bis April stieg um mehr als zehn Prozent auf fast 55.000 Fälle. Dazu gehören auch die Pleiten ehemals Selbstständiger, von Gesellschaftern und aus Nachlässen. Die voraussichtlichen offenen Forderungen der Gläubiger bezifferten die Gerichte für April mit 2,3 nach 3,4 Milliarden Euro vor einem Jahr. Davon entfielen knapp 60 Prozent auf Unternehmen.


Aus: "Immer mehr Privatinsolvenzen - Pleitewelle rollt" (Montag, 9. Juli 2007)
Quelle: http://www.n-tv.de/824833.html (http://www.n-tv.de/824833.html)
Title: [...zweitens muss ein Notstand überhaupt erst einmal bekannt werden]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 31, 2007, 03:04:01 PM
Quote[...] "Haben Sie sich schon mal überlegt, warum McDonald's Gerichte für einen Euro anbietet?", fragt Wolfgang Büscher vom Kinderprojekt "Die Arche" in Berlin. Vom Schulessen würden viele Kinder abgemeldet werden, oft laute die Begründung: Das Schulessen ist zu teuer. Dem Armutsbericht des Berliner Senats zufolge lebt fast jedes vierte Kind in der Hauptstadt in Armut. Vor allem Kinder von Arbeitslosen haben Probleme, das Essen in der Schulkantine zu bezahlen. Für die Mahlzeiten ihrer Kinder können Hartz-IV-Empfänger am Tag zwischen 2,57 und 3,43 Euro ausgeben, so sehen es jedenfalls die Regelsätze vor. Ein warmes Mittagessen in der Schule kostet im Schnitt aber schon zwei Euro fünfzig. Da bleibt für Frühstück und Abendessen nicht mehr viel übrig.

In der "Arche" können Kinder kostenlos zu Mittag essen, 680 Mahlzeiten gibt das Haus in Berlin-Hellersdorf täglich aus. Der Verein hat sich darauf eingestellt, dass von Seiten der Kommune nicht viel Hilfe zu erwarten ist. Vom Bezirk bekommt die Arche 18.000 Euro pro Jahr, allein für Mittagessen verbraucht sie jedoch 250.000 Euro. Ohne Spenden wäre das nicht möglich.

Oft lassen sich Schulen ihre Kantinen von Firmen beliefern. "Wir können dem Anbieter doch nicht die Preise vorschreiben", sagt ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums. Dort weiß man zwar, dass sich manche Kinder das Schulessen nicht leisten können, sieht aber nicht unbedingt die Schulen in der Pflicht, das Problem zu lösen. Stattdessen müssten die Sozialhilfeträger diese "besondere Situation der Sozialhilfeempfänger" berücksichtigen.

Vielerorts kümmern sich Schulen, Elternvereine und Sozialverbände darum, günstige Essen zu organisieren, ob nun die Trierer Nothilfe, der Sozialdienst katholischer Frauen oder die "Arche". Vieles, was Staat und Familien nicht leisten, kann durch gesellschaftliches Engagement aufgefangen werden - aber das Netz hat Löcher. Erstens gibt es nicht überall entsprechende Vereine, und zweitens muss ein Notstand überhaupt erst einmal bekannt werden. Sich Hilfe von außen zu holen, kostet die Schulleiter und die Familien Überwindung.

[...] In einigen Bundesländern gibt es das Modell des Ein-Euro-Essens: Kinder von Hartz-IV-Empfängern oder Asylbewerbern brauchen für ein warmes Mittagessen nur noch einen Anteil von einem Euro zu bezahlen. Vorreiter des Modells ist Rheinland-Pfalz. "Die Schulen haben uns gemeldet, dass Kinder mit finanziellen Begründungen vom Mittagessen abgemeldet wurden", sagt der Sprecher des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums. Vor den Landtagswahlen 2006 hatte die SPD die Schulverpflegung zum Wahlkampfthema gemacht, nach der Wahl richtete sie einen Sozialfonds ein. Von einem Essen, das zwei Euro fünfzig kostet, bezahlen das Land und die Eltern je einen Euro, die Kommunen 50 Cent.

Ein ähnliches Programm soll nach den Sommerferien in Nordrhein-Westfalen anlaufen. Zehn Millionen Euro pro Schuljahr will die Landesregierung dem Fonds "Kein Kind ohne Mahlzeit" zur Verfügung stellen. Auch hier trägt das Land zwei Drittel der Kosten, ein Drittel sollen die Kommunen beisteuern. Der Fonds ist zunächst für eine Dauer von zwei Jahren geplant. Nordrhein-Westfalen will sich außerdem im Bundesrat dafür einsetzen, den Regelsatz für Kinder von Hartz-IV-Empfängern zu erhöhen.

Ob sich die Schulverpflegung über einen höheren Regelsatz besser steuern lässt, ist aber umstritten, weil man sich bei manchen Eltern nicht darauf verlassen kann, dass das Geld tatsächlich den Kindern zugute kommt. Büscher sieht bei seiner Arbeit in der "Arche" oft genug Eltern, die das wenige Geld, das sie haben, lieber für sich ausgeben und sogar die Weihnachtsgeschenke ihrer Kinder "verscherbeln".

Schuldzuweisungen an die Eltern nützen allerdings wenig. "Man muss direkt bei den Kindern ansetzen", meint Büscher, "und nicht den Umweg über die Elternhäuser gehen".


Aus: "Schule: Lernen mit knurrendem Magen - Wenn die Schulkantine unerschwinglich wird: Kinder von Hartz-IV-Empfängern können sich das Essen nicht leisten" Von Anna Mielke  (SZ vom 30.7.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,tt6m3/jobkarriere/berufstudium/special/571/43528/index.html/jobkarriere/artikel/911/125721/article.html (http://www.sueddeutsche.de/,tt6m3/jobkarriere/berufstudium/special/571/43528/index.html/jobkarriere/artikel/911/125721/article.html)
Title: [Ein Trugbild... (Hartz-IV)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 01, 2007, 11:44:10 AM
Quote[...] Entgegen der insgesamt rückläufigen Arbeitslosenstatistik beklagt der Deutsche Landkreistag (DLT) eine stetig wachsende Zahl von Hartz-IV-Empfängern. "Die Zahl der Menschen, die von Hartz IV-Leistungen abhängig sind, hat einen absoluten Höchststand erreicht", sagte DLT-Präsident Hans Jörg Duppré. Demnach stieg die Zahl der Hilfeempfänger im April dieses Jahres auf rund 7,4 Millionen.

Der Landkreistag kritisierte, dass die Zahl der Hartz-IV-Bezieher bislang auf die Langzeitarbeitslosen verengt werde. Ein-Euro-Jobber mit mehr als 15 Wochenstunden, Kranke oder Ausbildungsplatzsuchende etwa fänden sich dagegen nicht in der Arbeitslosenstatistik wieder, obwohl deren Lage oft nicht besser sei. Gleiches gelte für Erwerbstätige im Niedriglohnbereich, die zusätzlich auf "Hartz IV" angewiesen seien.

"Es wird endlich Zeit, dass wir uns den vielschichtigen Problemen offen stellen und uns eingestehen, dass die Zahl der Personen wächst, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind", mahnte Duppré. Die hohe Zahl an Hilfsbedürftigen entwickele sich gegenläufig zur sinkenden Langzeitarbeitslosigkeit und nehme beständig zu. "Das muss nachdenklich machen."

In der aktuellen Arbeitslosenstatistik seien von den 7,4 Millionen "Hartz-IV-Sozialfällen" lediglich rund 2,5 Millionen Menschen erfasst, betonte DLT-Sprecher Markus Mempel. Die von der Politik verkündete "positive, hoffnungsvolle Botschaft" sei ein Trugbild. "Es geht nicht bergauf, ganz im Gegenteil", betonte Mempel. (mit ddp)


Aus: "Arbeitsmarkt: Zahl der "Hartz-IV"-Empfänger erreicht Höchststand" (31.07.2007)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2007/07/31/2349240.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2007/07/31/2349240.xml)
Title: [Selbst wer nur beim Discounter kauft... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 02, 2007, 01:30:16 PM
Quote[...] Das Arbeitslosengeld (ALG) II reicht nicht aus, um Kinder und Jugendliche ausgewogen zu ernähren. Zu diesem Schluss kommt das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) der Universität Bonn. Demnach veranschlagt der Gesetzgeber für Nahrung und Getränke bei 14- bis 18-Jährigen lediglich 3,42 Euro pro Tag.

Selbst wer nur beim Discounter kauft, muss im Schnitt 4,68 Euro täglich ausgeben, um den Appetit eines Teenagers mit ausgewogener Kost zu stillen, hat das Institut in einer Studie nachgerechnet.


Aus: "ALG II macht Kinder dick" (02. Aug. 2007)
Quelle: http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/703639.html (http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/703639.html)
Title: [Viele Menschen sind heute nicht mehr in der Lage... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 09, 2007, 12:30:15 PM
Quote[...]Mainburg/Kelheim. Wenn die Rente nicht für das Existenzminimum reicht, stellt die Grundsicherung den Lebensunterhalt sicher. Die Grundsicherung ist für alle, die entweder 65 Jahre und älter oder dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, wie das im Amtsdeutsch heißt.

Aus: "Grundsicherung garantiert Lebensunterhalt" (3. August 2007)
Quelle: http://www.idowa.de/hallertauer-zeitung/nachricht/nachricht/nac/2153309/red/9.html (http://www.idowa.de/hallertauer-zeitung/nachricht/nachricht/nac/2153309/red/9.html)

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Quote[...] Die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist eine eigenständige Sozialleistung. Es gibt sie seit dem 1. Januar 2003. Aktuell beziehen weit über 600.000 Menschen Grundsicherung, um ihr Existenzminimum zu sichern. Die Kosten haben sich seit Einführung im Jahre 2003 mehr als verdoppelt und betragen nunmehr knapp drei Milliarden Euro.

[...] Gründe für die steigende Zahl der Grundsicherungsempfänger sind neben der Alterung der Gesellschaft auch Einschnitte in vorgelagerten Sicherungssystemen. Viele Menschen sind heute nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt über Rentenbezüge zu bestreiten.


Aus: "Bund will Mittel für Grundsicherung senken" (08/2007)
Quelle: http://www.solms-braunfelser.de/ap/apnews.php?code=20070808APD9646 (http://www.solms-braunfelser.de/ap/apnews.php?code=20070808APD9646)
Title: [Subprime... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 13, 2007, 11:29:19 AM
Quote[...] Als Subprime werden Schuldner mit niedriger Bonität bezeichnet, arme Menschen, die sich den Kredit, den sie aufnehmen, eigentlich nicht leisten können.
Title: [Perspektive und Darstellung... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 13, 2007, 04:56:03 PM
Quote[...] Nichts hat die Armut gelindert, weder der Aufschwung noch die sinkenden Arbeitslosenzahlen. Immer mehr Menschen, nun schon 7,4 Millionen, sind von Hartz IV abhängig. Selbst wenn sie einen Job finden, brauchen sie zu oft zusätzlich Sozialhilfe, weil Familien von Dumpinglöhnen nicht leben können. Arbeitgeber missbrauchten das Sozialsystem, klagt der Deutsche Städtetag.

Niedriglöhne haben die Armut verhärtet, auch wenn die CDU das nicht wissen will. Nirgendwo in den westlichen Industrienationen, von den USA abgesehen, leben Kinder länger in Armut als in Deutschland, überall in Europa hat man bessere Rezepte.

Fast zwei Millionen Kinder hängen von der Sozialhilfe ab, in Städten wie Bremerhaven oder Halle fast jedes zweite Kind. Der Staat ignoriert das. Es ist bekannt, dass diese Kinder häufiger krank und in ihrer Entwicklung behindert sind als solche aus besseren Verhältnissen, dass sie in der Schule versagen . Die Sozialhilfe gibt ihnen nicht genug für Bildung, Kleidung und Nahrung.

Kinder können nicht für 2,57 Euro pro Tag ernährt werden. Mittagessen in Schulen sind für arme Kinder zu teuer, manche essen den ganzen Tag nichts. Das Geld reicht nicht für Schulhefte und Stifte. Die Kinder sind benachteiligt und sie werden es ihr Leben lang bleiben.

Eine bundesweite Pauschale hat der Gesetzgeber 2003 als Regelsatz geschaffen, in der guten Absicht, dass nicht das Sozialamt, sondern die Armen selbst sich um ihren Alltag kümmern sollen. Doch die Pauschale passt nicht, allein die Lebenshaltungskosten zwischen München und Kiel sind zu unterschiedlich.

[...] Die Pauschale ist zu niedrig angesetzt, um 20 Prozent, sagen die Wohlfahrtsverbände. Nichts darf passieren, ein kaputter Kühlschrank, steigende Preise für Arzneien, Energie, für den Bus oder das Essen sind eine Katastrophe. Es wird nicht genügen, die Sozialhilfe nachzubessern. Der Regelsatz muss reformiert werden, er sichert das Existenzminimum nicht, er hat große Fehler. Er wird nur alle fünf Jahre geprüft und zusätzlich mit der mageren Rentenanpassung erhöht. Zwei Euro mehr gab es Anfang Juli erstmals seit 2003. Sie decken nicht einmal die Inflationsrate, die auch ein Maßstab sein könnte für bessere und gerechtere Regelsätze.

Die Gerechtigkeit aber bleibt auf der Strecke. Manche Politiker wollen nur den Kindern mehr Geld geben, sie vergessen die Alten. Andere sagen, Eltern würden das Geld für ihre Kinder in Alkohol und Zigaretten umsetzen, sie dürften es nicht bekommen. Solche Mütter und Väter gibt es. Doch was ist mit den schätzungsweise 90 Prozent der Eltern, die ihre Kinder umsorgen? Sollen sie ohne Geld bleiben? Nicht nur der Regelsatz muss reformiert werden, sondern auch mancher Gedanke mancher Politiker.

Das Soziale ist teuer und es wurde viel gespart in den vergangenen kargen Jahren. Dabei ist es geblieben, von der Krisenintervention für gefährdete Kinder abgesehen. Es fehlt die Hilfe für Alte und Kranke, die oft in unerträglichen Verhältnissen vegetieren; für Erwachsene und Kinder, die mit dem Alltag nicht zurechtkommen; für Migranten und immer mehr Obdachlose, weil billige Wohnungen rar werden. Spenden und bürgerliches Engagement können helfen, aber sie können den Staat nicht ersetzen.

Wenn sich Armut weiter ungehindert ausbreitet wie eine Seuche, dann wird es gefährlich. Armut raubt dem Staat die Zukunft. Der bejubelte Aufschwung in Deutschland ist nur ein Teil der Wahrheit: Wer auf die inflationären Zahlen in den Armutsstatistiken schaut, wird nicht mehr von Aufschwung reden.

Quote

12.08.2007 19:08:57

Halimsky: Mehr Überwachungskameras . . .

Von diesen Menschen möchte "der Staat" sich eigentlich trennen, das geht bereits aus vielen philosophischen Ergüssen der neoliberalen Thinktanks Amerika's hervor und schleicht sich wie eine Seuche , die Seuche des neoliberalen Denkens" auch bei uns ein. Survival of the Fittest" heißt das in Amerika.

Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Autoindustrie nur noch im Bereich der Oberklassewagen Wachstumsraten zu verzeichnen hat, sich alles - die gesamte Dienstleistungsindustrie und Hightech - auf die Höherverdienenden fokussiert, bildet sich langsam so ein "Bodensatz der Versager" dieser "Wohlstandsgesellschaft" heraus, den man am liebsten sich selbst überläßt.

Wer wird denn kontrolliert mit den zunehmend an öffentlichen Plätzen installierten Kameras? Sicher nicht die besser oder gut oder sehr gut Verdienenden, sondern eher die Verlierer dieses Systems. Kann schon sein, dass daraus in Zukunft noch ungemütliches entstehen wird, das an dem Wohlstand der Wenigeren kratzen wird.

Quote12.08.2007 18:38:56
Chris.83: Notwendiger Artikel!

Dieser Artikel war schon lange einmal fällig. Der einfache Bürger merkt schon seit einiger Zeit, dass in diesem Lande etwas schiefläuft. Da können die Politiker noch so viel versuchen, dem Bürger Sand in die Augen zu streuen. Der Bürger bekommt die harte ungeschminkte Realität doch Tag für Tag am eigenen Leibe zu spüren.

Quote12.08.2007 19:20:08
Thomas14: Arbeit lohnt sich nicht

Je mehr Hartz IV erhöht wird, desto weniger Menschen bemühen sich um Arbeit. Das sogenannte "Arbeitslosengeld 2" ist eine Leistung ohne Gegenleistung. Kein Wunder, dass viele Lebenskünstler darauf verzichten, sich von früh bis spät abzurackern. Mit Hartz IV plus ein bisschen Schwarzarbeit kann man viel leichter, lockerer und teilweise auch wohlhabender leben als jemand, der von seinem schlechtbezahlen Job Steuern und Sozialabgaben zahlen muss.

Quote12.08.2007 19:23:50
anderwandlang: Thomas14: Ihre Denke zu Arbeit und Geld ist Klischee, leider.

Sie sind doch sicher zu mehr fähig, einfach sich hinsetzten und still sein und Gedanken kommen und gehen lassen. Fürs erste. Befreien Sie sich davon, vorgekaute Gedanken aufzunehmen. Das sollte helfen. Sie sind es sich doch wert, oder?

Quote12.08.2007 19:03:48
drmartin:

Leider ist dieser Artikel nur allzu wahr. Die Abkoppelung der Funktionselite von der Realität hat deutlich zugenommen, gerade noch die Sozialverbände können auf diese Realität hinweisen. Es ist schlicht wahr: Schon die Kohlära und dann die erheblich kürzere Schröderära konnten nur durch verstärktes Engagement von karitativen Verbänden etwas gemildert werden.
Aber natürlich wird mit diesem Artikel auch das dominierende Betrachtungsmodell angegriffen. Es ist richtig, dass gerade die untere Mittelschicht aggressiv auf Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger reagiert, weil ihr Netto so wenig mehr bleibt als man allein durch "Faulenzen" und dem Sein als Couchpotatoe per staatliche Transferleistung bekommt. Das ist ein wichtiges Thema, aber es ist klar, dass es kaum je wieder zu den Vollbeschäftigungszeiten der ersten Hälfte der 1970er Jahre kommt. Und hier ist allmählich eine ehrliche und nicht diskriminierende Debatte nötig, zumal durch die dem Ökosystem zugefügten Schäden weitere Geldleistungen langfristig schon festgelegt sind.

Quote12.08.2007  19:41:01

McKiri: Eine Frage der schönen Darstellung

In unserem Land habe es die Politiker gelernt, dank der Hilfe ihrer Medienberater (auch bezahlt von den Steuerzahlern), jedes Thema positiv darzustellen. Wie in der Werbung werden Worte verwendet, die eine leichte Anmutung haben und somit von der eigentlichen Schwere ablenken. Die texte kommen von Redenschreibern und Werbeagenturen.
In diesem Sinne wird dann gerne in Kauf genommen, daß Hand in Hand mit einem soliden Wachstum der Wirtschaft auch ein Wachstum der Armut einhergeht. Das sind dann die sogenannten Nebenefekte.
Wie immer, wird sich die Politik dieses Problems erst annehmen, wenn es nicht mehr zu übersehen ist und die Schönfärberei nichts mehr hilft. Wenn die Autos brennen, wird die augenblickliche Regierung nur achselzuckend auf die Vorgängerregierungen verweisen.
Die Worte Demokratie und Sozialstaat stehen doch nur noch für Illusionen, die mehr und mehr an Glanz verlieren. Die Demokratie in Deutschland, eine Anhäufung von Fehlentscheidungen. Bei nächsten Wahl werden wieder alle dummdreist fragen, warum die Wahlbeteiligung weiter zurückgegangen ist, aber diese Frage wird dann schon von den Spitzenpolitikern in den Hintergrund gedrängt, die für ihre Partei ein historisches Ergebnis reklamieren und sei es auch nur im Wahlkreis 4711. Es ist alles eine Frage der Perspektive und schönen Darstellung.

Quote12.08.2007 19:45:57
Einzelmeinung:

McKiri: "Wenn die Autos brennen, wird die augenblickliche Regierung nur achselzuckend auf die Vorgängerregierungen verweisen."

Schlimmer. Sie wird die eigenen Bürger zu Terroristen erklären.

Quote12.08.2007 19:52:20
der-idrus: Und weil ich gerade so schön wütend bin !

Wir werden alle gegeneinander ausgespielt und in Schubladen (Lobbys) gesteckt; damit wir denen auf den Leim gehen; denen es NUTZT !

Quote12.08.2007  19:53:23
dasauge: Die Welle wird zurückschwappen

und die Armut Vieler wird zur Existenzbedrohung der Habenden. Alles bekannt, alles in den Geschichtsbüchern zu Hauf dokumentiert. [...]

Quote

12.08.2007 20:10:01

Palamedes: Die Sache ist doch:

Wir müssen etwas tun! WIR!!! Die Bürgerinnen und Bürger. Unser Staat gerät aus den Fugen, langsam aber sicher. Die Unternehmen bereichern sich zunehmend. Rekordgewinne heißt das im Vokabular der Medien. Die Bürger bleiben zunehmend auf der Strecke, ALLE, nur nicht die ganz, ganz oben, die "oberen 10.000". Die Unternehmen werden sich nicht besinnen, solange sie Gewinne machen. Später werden Sie auf die Defizite des Staates bei der Erhaltung der Allmendegüter verweisen (Sicherheit, Stabilität!).

Jetzt sind wir gefragt! Gegenseitigkeitsprinzip. Denen aktiv helfen, die es am nötigsten brauchen. Vereine gründen. Parteien beitreten, Verantwortung selbst übernehmen, da wo der Staat nicht mehr leisten kann oder will. Uns nicht korrumpieren lassen von Macht und Geld, auch wenn das *verdammt* schwer sein wird.

Wenn wir das nicht hinbekommen, dann sieht es nicht rosig aus für unser Land.

Quote12.08.2007  20:44:46

dasauge: der-idrus: Arbeitsplätze - woher?


Wo gibt es Jobs? Wie wäre es, wenn die 1€-Jobber ein normales Gehalt bekommen würden, so, wie wenn sie normale Festangestellte wären? Einen Festvertrag, unbefristet, eben anständig. Man möge in Betracht ziehen, dass einer der größten Beschäftiger der 1€-Jobber der Staat und seine Behörden sind plus die Sozialdienste. Und offenbar gibt es hier Beschäftigungsbedarf. Damit wären schon mal ca. 3,5 Mio. weniger unterwegs.

Weitere chronische Unterbesetzung herrscht im Erziehungswesen, in den Schulen, in den Krankenhäusern. Die Frage ist immer: Wer zahlt bzw. wer würde weniger Gewinne machen, wenn Leute zu einem vernünftigen Gehalt eingestellt werden würden .

Und die Frage, wohin das Geld fließt, beinhaltet gleichermaßen die Antwort darauf, welche Wichtigkeiten hier in der Republik bedient werden. 8 Mrd. sind für einen Börsencrash mal schnell locker zu machen, während die soziale Stabilisierung durch Förderung von z.B. alternativen Energiemodellen und der Aufbau des Erziehungswesens als Nebensache abgetan wird. Nur wundert man sich über die Zunahme von Gewalt an Schulen, die mangelnde Integration von Ausländern etc.

Ich bin überzeugt, dass es genügend hier im Land zu tun ist - nur bedeutet das nicht gleichzeitig, dass die Kapitalinteressen bedient werden, sondern die Interessen der Menschen im Vordergrund stehen müßten. Soweit ist aber dieses Staatswesen noch nicht gediehen, als dass dies der Mittelpunkt des politischen Denkens und Handelns wäre.

Im Moment begnügt man sich damit, die abgehängte Unterschicht als Sozialschmarotzer zu brandmarken, statt es als Aufgabe zu sehen, hier ein Potential zu sehen, dass integriert werden muss, um eine dauerhaft stabile gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Nicht umsonst trifft Herr Sch. Vorkehrungen hinsichtlich der inneren Sicherheit, nachdem inzwischen fast 10% der Bevölkerung (!) täglich ohne Aufgabe ihr Dasein fristen müssen, und diese Bevölkerungsgruppe sicherlich auch als Risikopotential gesehen werden kann.

Quote

12.08.2007 21:01:11

herbertsch: Armutslobby

Armut nimmt in Deutschland VOR ALLEM zu, weil es hier Leute gibt, die sich noch nie angestrengt haben, um dauerhaft in Lohn und Brot zu kommen. "Begleitet" werden sie dabei vom Artikel-Autor und den im Artikel zitierten "Sozial-Ingenieuren", schließlich garantiert das deren Lohn und Brot und das auch für die Zukunft, das zeigen alle Statistiken über Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen ohne Ausbildung.
In einer ähnlichen Situation befanden sich vor einigern Jahren auch die USA, bis Clinton (!) die Bezugsdauer für Sozialhilfe befristet hat und Familien mit Mehr-Generationen-Abhängigkeit von öffentlicher Unterstützung plötzlich für sich selbst sorgen konnten.
Ob es in Deutschland auch noch so weit kommt? Da habe ich meine Zweifel, im Land der Dichter und Denker entdeckt und schließt man sich lieber dem ex-getürmten Demagogen Lafontaine und den ehemaligen Mauerarchitekten an.

Viel Glück auf dem globalisierten deutschen Weg!

Quote12.08.2007  21:12:47

dasauge: Man wird sich noch wundern

wer in die Kategorie Hartz-IV fällt und fallen wird...
auch der gut ausgebildete Ingenieur, nur leider schon über 40 findet sich dort
der ehemals erfolgreiche Abteilungsleiter, nachdem die Firma jetzt einen jüngeren BWLer eingestellt hat
Handwerker, die am Bau leider nur 3€ Stundenlohn bekommen und deshalb unterhalb der Armutsgrenze leben
der kleine Selbständige, dem Auftraggeber weggebrochen sind...etc

die Generationen-Armut ist sicher ein Punkt, nur, würden die alle zusammengenommen werden, kämen wahrscheinlich nicht mehr als 2 Millionen raus

Die Zahlen steigen ja in einem atemberaubenden Tempo, und wer hier von einer sprunghaften Zunahme von Sozialschmarotzern spricht, überliest wohl die täglichen Meldungen, 3000 Leute hier raus, 10000 Stellen dort abgebaut etc. - die fallen zum Großteil ins Sozialnetz, warum wird das landauf landab ignoriert?

Quote

12.08.2007 21:56:17

bundesboy: Werden Arme etwa dringend benötigt?

Offenbar kotzt die Armut langsam niemanden mehr an, weil viele Menschen ja schon Leidensgenossen geworden sind und sich so subjektiv vieles ausgleicht.

Nicht einmal mehr die Lobby der Einzelhändler, die immer noch regelmässig Umsatzrückgänge zu verzeichnen haben, wagt es noch zu fordern, die Rahmenbedingungen für mehr Konsum durch Armutsbekämpfung zu verbessern.

Viele haben zudem Dagobert Duck Devise "Zeit ist Geld" sowieso einfach umgekehrt und fühlen sich reich an Freizeit. Armut auf dem Lande ermöglicht Menschen mehr Naturkonsum. Armut in der Stadt macht wiederum sensibler für Nachbarschaftshilfe.

Wer nicht mehr konsumiert, als nötig, kann sich sogar so vorkommen, als schütze er die Umwelt. Ein Abenteuer ist es heute ausserdem eher, tausende Kilometer auf dem Fahrrad zurückzulegen, als mit der Eisenbahn, denn wer kommt schon auf den Mond oder überhaupt in den Weltraum?

Insofern Not=Armut=erfinderisch macht, wird Armut sogar benötigt.

Allerdings ist dies oft nur das Privileg von Gebildeten. Geistig verkümmerte Menschen werden wohl kaum zu Erfindungen fähig sein.

Wozu werden Arme dann benötigt? Sollen Arme, die als potentielle Revoluzzer eiingestuft werden, für mehr Beschäftigung bei Sicherheitsdiensten sorgen? Werden Arme zu willigereren Organspendern? Denkt die CDU etwa, Armut kostet nichts? Kann man Arme nicht viel besser zu Dummheiten überreden?

Da bereits von Armenwirtschaft geredet, die Sozialarbeitern ein Einkommen sichert, muss natürlich auch von Terrorwirtschaft gesprochen werden, die den Mächtigen ihre Existenz sichert. Arme werden eben wie Kranke dringend benötigt, denn sonst werden wir ja alle ärmer.

Quote

12.08.2007 22:03:04

Elvloots: Immer das gleiche Geheule

In regelmäßigen Abständen werden solche Berichte wie oben veröffentlicht, und dann ist die Heulerei groß! Der Inhalt solcher Berichte ist uns doch schon seit zig ! Jahren bekannt, nur die Zahlen ändern sich nach oben.
Mal Hand aufs Herz, ist es uns nicht eigentlich völlig egal, solange wir nicht selbst betroffen sind? Morgen ist dieser Bericht schon wieder vergessen und begeistert lauschen wir den Ankündigungen unser Politiker von Aufschwung, Wohlstand, vermehrte Steuereinnahmen, ...Bla bla bla.
Und wenn wieder Wahlen sind, dann wissen wir natürlich, wo ein anständiger Wähler sein Kreuzchen zu machen hat, bei den Etablierten Einheitsparteien Deutschlands, da das Wählen anderer Parteien demokratiefeindlich, rechtradikal, populistisch und politisch unkorrekt ist. Und so wiederholt sich das ganze alle vier Jahre und die Zeit geht ins Land und das Land und Volk gleichzeitig den Bach runter! Das das Ganze nicht ewig gut geht, hat unser Herr Schäuble schon lange begriffen und plant deshalb den Einsatz der Bundeswehr im Innern und viele andere schöne Maßnahmen, damit der Büger nicht auf dumme Gedanken kommt. Das empört uns selbstverständlich und Herr Schäuble ist als Feind des Grundgesetzes entlarvt. Aber unsere Politiker wissen, eines Tages sind wieder Wahlen, und der Bürger steht vor dem Wahlzettel und überlegt, CDU/CSU?, oder doch vielleicht die SPD, die Grünen sind ja auch nicht schlecht, und von der FDP könnte man ja auch ein Stück problieren,.....

Und wieder gehen vier Jahre ins Land und nichts ändert sich !!! Ein funktionierendes System (nur für wen?)!

Quote

12.08.2007 22:10:42

RepresentativerDurchschnittsbürger: Armut???

Meine Frau kam 1992 aus Brasilien nach Deutschland. Angefangen hat sie bei Mc Donalds. Seitdem war sie keine Sekunde arbeitslos, hat noch keinen cent irgendwelche Hilfe beansprucht. Hätte sie auch gar nicht angenommen bzw. sich gar nicht getraut zu fordern. Geld von einem Dritten, einem Fremden? Irgendwo hier steht, die Würde des Menschen ist unantastbar. Steht so im GG. Stimmt. Meine Frau sagt dazu: Die Würde des Menschen ist dann verloren, wenn das überleben nicht mehr aus eigener Kraft möglich ist. In Brasilien behält der Tagelöhner seine Würde, der Bettler hat sie verloren. Und der, der hier zum Amt geht um Hilfe zu beantragen ist nun mal ein Bettler. In Deutschland hatte man es die letzten 60 Jahre nicht nötig, alles zu tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Gesellschaft hat einen ja aufgefangen. Solange sich ein Hartz IV Empfänger noch jeden Tag Kippen und sein Bier kaufen kann, läuft irgendetwas schief.

Quote

12.08.2007 23:59:13

RepresentativerDurchschnittsbürger: Brasilien

Ich habe meine Frau davor gewarnt, ihren Kommentar hier zu veröffentlichen. Ich persönlich oute mich jetzt hier als (gott sei dank ehemaliger) Mitarbeiter eines Sozialamtes einer deutschen Großstadt. Hätte irgendeiner, der hier seine Kommentare abgibt nur zwei Wochen in einem Sozialamt gearbeitet oder nur 5 Sätze mit den meisten Mitarbeitern in den Sozialämtern gesprochen, würde hier nicht so ein dämliches Gesülze von Leistungsbereitschaft, von wollen und nicht dürfen oder können absondern. Ich war auch voll Idealismus, als ich nach dem Studium beim Amt angefangen habe. Nach einem halben Jahr ist man reif für die Klatsche. Mir ist klar, dass das in diesem Forum zerredet wird. Und es ist mir und all meinen ehemaligen Kollegen auch völlig egal, solange Politiker wenigstens in diesem Fall wissen, was sie tun. Ganz besonders lustig fanden wir es immer, wenn (damals noch) Sozialhilfeempfänger in 3. Generation das 3. Kind bekamen und sich die Gesellschaft dann wunderte, dass immer mehr Kinderarmut in Deutschland entsteht. Nicht darüber zu diskutieren brauchen wir, dass es eine Sauerei ist, jahrelange Beitragszahler nach einem oder einandhalb Jahren in die ALG II zu schicken.

Quote[...]  13.08.2007  01:35:17

beyou: Ganz schnell meine Geschichte

Erstmal zum Artikel: ich halte die derzeitige Situation der Hartz-4-Empfänger für ziemlich grauenhaft. Daß in Deutschland für die Erhöhung der Regelsätze noch gekämpft werden muß und diese nicht an die Inflationsentwicklung gekoppelt sind, ist für mich unhaltbar.

Ich bin selbst Hartz-4-Empfänger - allerdings mehr als unfreiwillig, und vielleicht spiegelt meine Geschichte die Situation hier in Deutschland ganz gut wider.

Ich habe eine Ausbildung als Grafiker und Designer gemacht, dann hier in Deutschland keine Arbeit gefunden und dann fast zwei Jahre in Irland bei Apple gearbeitet. Ich bin also schon jemand, den man als "skilled worker" bezeichnen kann. Auslandserfahrung, nahezu perfektes Englisch, berufliche Qualifikation. Hier in Deutschland habe ich trotzdem keine Arbeit gefunden. Bis Ende letzten Jahres, da habe ich mich bei einer Zeitarbeitsfirma beworben, die mich auch prompt in zwei Beschäftigungsverhältnisse vermittelt hat - und wo ich zum Schluß selber wieder gekündigt habe. Warum?
Weil man mir dort 1000 € netto Lohn versprochen hat, ich aber effektiv nur 600 € pro Monat bekam - und ich dem auch noch hinterherlaufen mußte. Ich hatte zwar einen Vollzeitjob, der mir aber nie als "sicher" versprochen wurde. Ich konnte nicht langfristig planen und hatte neben einer teilweise recht stressigen 40h-Woche noch immer finanzielle Probleme. Das ging teilweise soweit, daß ich mich mit einigen Webprojekten nebenbei meinen Vollzeitjob finanzieren mußte.

Herzlich Willkommen in der Arbeitsrealität Deutschland 2007. Nachdem sich dann einige Streßsymptome bei mir einstellten (Heuschnupfen, Magenverstimmungen), ich einige Tage nicht arbeiten konnte und sich damit meine finanzielle Situation noch verschärfte (denn meine ärtzlichen Atteste wurden sowohl von der Firma als auch der Zeitarbeitsfirma einfach nicht anerkannt, ergo bekam ich auch nichts ausgezahlt), beschloß ich, daß ich finanzielle Probleme auch ohne 40h-Woche haben könnte.[...]

Quote13.08.2007 01:27:50
inorbit2: Clementsche "Parasiten"-Propaganda wirkt

Wenn man hier so querliest, wir eines klar: Es ist den Mächtigen famos gelungen, die Gesellschaft zu spalten...

Quote13.08.2007 08:37:35
critico: @ Flinxx:

Arbeit bekommen sie (wohl) nicht ... aber dafür Kinder!

Ist das verantwortungsbewusst???

Quote

13.08.2007 08:33:48

mina4482: Hartz4 und rauchen

Sobald jemand Hartz4 bekommt, hat er ein absolut einwandfreies Leben zu führen!?

Rauchen dürfen nur die, die es sich auch verdient haben. Ich schlage vor, einen Warnhinweis auf die Zigarettenpackung zu machen, wie etwa:
" Raucher sind gefährdet Hartz4 zu bekommen"?

Damit die Gesellschaft kontrollieren kann, ob die üppige Sozialleistung nicht verraucht wird, schlage ich vor, jeden Hartz4 - Empfänger zu kennzeichnen, etwa einen rot-grünen Stern oder so.

Im Artikel wird vorgeschlagen, die Hartz4 - Höhe zu überprüfen. Was ist so schwer daran, dieses einfach nur zu tun??

Quote13.08.2007 09:10:29

WeitwechausLand: Wenn ich manche Kommentare hier lese ...

könnt ich mich übergeben . vorallem die meiner 3 -4 vorhergehenden Kommentatoren.

Lesen mal diese Zeitung ! ...Siemens Milliardenloch zufällig entdeckt .... Arbeitslosigkeit auf den Computer zu schieben und den Hartz 4 empfängern Kinder und Rauchen zu verneinen ... ich kann viele Mitmenschen leider nicht verstehen.

Quote13.08.2007 08:45:30
critico: @ mina4482

Folgender Hinweis auf den Schachteln wäre wohl ratsamer:

"Rauchen mindert Ihr Hartz IV-Einkommen!"

Quote13.08.2007  09:31:54
RegimeGegner: Alles so gewollt und für richtig befunden!

Langsam werde ich sauer...

Absichtlich werden in Deutschland die Löhne und Gehälter niedrig gehalten und die Armut durch sogenannte "Sozialgesetzte" ausgeweitet und zementiert.

Alles nur, damit es ein paar wenigen immer besser gehen kann.
Im Ausland hat man unser "System" schon lange erkannt.

Der Beweis?
Bitte sehr:

QuoteSerie: Wie viele Deutsche verträgt die Schweiz?
Flucht aus dem Armenhaus
VON WERNER VONTOBEL
http://www.blick.ch/sonntagsblick/wirtschaft/artikel56773

Wer das gelesen hat, wird garantiert nachdenklich...

Aber es wird sich nichts daran ändern, solange die Lobbyisten in den Ministerien ein- und aus gehen.
Und fleißig wird die Propaganda gegen die sogenannten "Sozialschmarotzer" geschürt - hauptsächlich von den wirtschaftsgeführten Privat-Medien. Nur um diejenigen die NOCH Arbeit habe gegen diejenigen aufzuhetzen, die keine mehr bekommen. Das nenne ich ein gelungenes Ablenkungsmanöver ("Achten Sie nicht auf den Mann hinter dem Vorhang"...).
Sicher gibt es schwarze Schafe. Aber im Verhältnis wohl mehr bei den politischen und wirtschaftlichen "Entscheidungsträgern" als bei den ärmsten der Armen. Oder? Ich sage nur VW und Siemens...

Die Hartzies haben halt keine Lobby...

[...]


Quote13.08.2007  09:22:34
Unia_1:

Wo ist denn die Selbstverantwortung geblieben?
Wer Kinder in die Welt setzt sollten auch die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
In der Natur funktioniert das wunderbar, Vögel bauen auch zuerst ein Nest....


Quote13.08.2007 09:59:54
Jens//: so .... kann man doch gar nicht sein

@Unia_1

Mal ganz davon abgesehen, dass Fortpflanzung ein Bestandteil des Lebens ist, sind Kinder eine Bereicherung fuer die gesamte Gesellschaft und kein Luxusgut!
Folgte man Ihrer Aussage, so duerften nur die Kinder bekommen, die es sich finanziell leisten koennen.
Sie sollten sich mal fragen, warum in unserer reichen Gesellschaft immer mehr Menschen nicht die Mittel haben um sich dieses Grundelement des menschlichen Lebens leisten zu koennen.
Was haben Sie nur fuer ein Menschenbild???
Insbesondere angesichts der Probleme des demografischen Wandels, fasse ich mich bei solchen Aussagen nur vor den Kopf!!!

Quote

13.08.2007 09:18:21

Ecke80: irgendwie erscheint hier nie der erste Absatzes meiner Aussage...Schade.....

das nicht überall die Lebenserhaltungskosten gleich hoch sind und jemand diese Erhöhung bezahlen muss z. Bsp.: die arbeitende Bevölkerung/ Wähler!!!!!!
außerdem hat jeder "Hilfeempfänger " knappe aber ausreichende Mittel zur Verfügung:
Grundmiete+Betriebskosten+Heizkosten werden übernommen, nur Warmwasser (dürften so max. 15-20€ im Monat sein) nicht......danach hat ein alleinstehender also min 330€ oder ein Ehepaar rund 600€ zur Verfügung..... nix für Ungut aber das muss einfach reichen.
wir (Pärchen) geben im München 200,-€ im Monat für Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfes aus, Fahrkosten (100€), Telefon und wichtigste Versicherungen (150,-), also hätte ein "Hartz-IV-Pärchen" noch min. 150,-€ zur freien Verfügung, da diese vergünstigte Fahrscheine auch bekommen..........

klar mit Kinder wird es sicher nicht einfacher, aber da hilft die Stadt auch: keine Kita- und ermäßigte Essensgebühren (meist so um die 25-40€ im Monat und dafür bekommt das Kind dann ne warme Mahlzeiten), GEZ-Befreiung


Quote

13.08.2007 09:11:10
Ecke80: mina4482: Hartz4 und rauchen

[...] mein Fazit: Ein Leben mit Hartz-IV ist sicher nicht einfach, aber machbar.....man muss halt lernen mit seinem Geld richtig zu wirtschaften und das haben viele einfach nicht gelernt bzw. Leben nur in den Tag hinein und sowas darf nicht unterstütz werden.... wer sein Leben selbst in die Hand nehmen will, findet genug Unterstützung, für München kann ich das auf jeden Fall sagen

Auch sollte jeder der nach einer Erhöhung schreit bedenken, wann gab es für Verkäuferin/ Friseurin/ Reinigungsmitarbeiter/ Küchenhilfen/ Köche oder andere schlecht bezahlten Gewerbe eine Gehaltserhöhung??? Diesen Familien geht es oft schlechter als den Hartz-IV`lern!!!!!!!


PS: Hab nen guten Job, trotz meiner schlechten Rechtschreibung ;-)

Quote13.08.2007  10:16:29

Jens//:

@critico:
ich findes es schlimm, wie Sie Menschen auseinanderdividieren. Hier die guten steuerzahlenden Beschaeftigten drueben die schmarotzenden Arbeitslosen.
Wenn es ein Uebergangsgeld waere, waere es ja auch in Ordnung. Aber was wenn sie nichts finden???? Und die uebergrosse Mehrheit will arbeiten ( zu menschenwuerdigen Konditionen) !!! nur findet leider nichts. Das Problem sind doch nicht die Arbeitslosen, sondern die Firmen, die ihre Gewinne durch Lohnsenkungen und Entlassungen maximieren und somit der Gesellschaft die soziale Last aufbuerden.
Und eines noch viel schlimmer als das niedrige Niveau des ALG II ist doch das Gefuehl des Nichtgebrauchtwerdens und der Perspektivlosigkeit !

Quote

13.08.2007 10:44:47

froilleinwunder: zahlen

#Nahrung, Getränke, Tabakwaren: 131,10 Euro
# Bekleidung/Schuhe: 34,50
# Strom: 27,60 Euro
# Möbel, Apparate, Haushaltsgeräte: 27,60 Euro
# Gesundheitspflege, Praxisgebühr, Medikamentenzuzahlungen: 13,80 Euro
# Verkehr: 20,70 Euro
# Freizeit, Kultur: 37,95 Euro
# Beherbergungs- und Gaststättenleistungen: 10,35 Euro
# Sonstige Waren und Dienstleistungen: 20,70 Euro
# Telefon, Fax: 20,70 Euro

für ein kind bis 14 jahre pro monat
#Nahrung, Getränke: 78,66 Euro
# Bekleidung/Schuhe: 20,70 Euro
# Strom: 16,56 Euro
# Möbel, Apparate, Haushaltsgeräte: 16,56 Euro
# Gesundheitspflege, Praxisgebühr, Medikamentenzuzahlungen: 8,28 Euro
# Verkehr: 12,42 Euro
# Freizeit, Kultur: 22,77 Euro
# Beherbergungs- und Gaststättenleistungen: 6,21 Euro
# Sonstige Waren und Dienstleistungen: 12,42 Euro
# Telefon, Fax: 12,42 Euro

Quote13.08.2007  10:32:46
froilleinwunder: @ecke80

ich weiß nicht, wie es in münchen ist, aber zumindest in hamburg gibt es keine ermäßigten fahrtarife des öpnv mehr - da zahlt man den vollen preis der monatskarte. aber als arbeitsloser braucht man ja eh nicht busfahren,... gell?

und allen ernstes, wenn für ein kind am tag nicht mal 3 euro für essen vorgesehen sind, wie will man das denn mit dem hier so gepriesenen "guten wirtschaften" hinbekommen?

Quote

13.08.2007 11:01:37

critico: Hatz IV

1.500 € NETTO im Monat zu verdienen, ist gar nicht so einfach.

Die Masse der Menschen in unserem Land verdient soviel (auch die Lokführer).

Wenn man von den 1.500 € nun die Miete, Nebenkosten und Warmwasser abzieht, ist man schnell in der "Gegend", was ein Hartz IV-Empfänger erhält.

Ergo:
Die Zahlungen sind angemessen.

Quote

13.08.2007 10:59:06

Der Cherusker: Arbeit ist und ...

bleibt der wichtigste Produktionsfaktor - ohne Arbeit ist eine Mehrung, (Wertmäßig) der anderen Produktionsfaktoren Boden, Kapital - techn. Fortschritt unmöglich.
Vor gut 30 Jahren macht ein von mir sehr geschätzter Politiker (der Herr sei seiner Seele gnädig) die, meines Erachtens beste Aussage zum Thema:
"Menschliche Arbeit hat nicht nur einen Ertrag, sie hat einen Sinn. Für die Mehrzahl der Bürger ist sie die Gewähr eines gelingenden Lebensprozesses: Sie ermöglicht soziale Identität, Kontakte zu anderen Menschen über den Kreis der Familie hinaus und zwingt zu einem strukturierten Tagesablauf." W.Brandt
Arbeit dient dem Erzielen eines Ertrags - soweit so gut, doch sie hat auch einen Sinn, und zwar die Integration in diese, unsere Gesellschaft!
Mit mehr Geld für Hartz IV und anderen Sozial- Caritativen Einrichtungen, werden wir das Problem nicht lösen - Arbeit braucht Akzeptanz, hab mich früher (1992 Ausbildungsbeginn als Gas-Wasserinstallateur) geschämt im Bus sitzend mit dreckigem Blaumann nach Hause zu fahren. Heute bin ich Stolz, wenn ich mir meine Hände anschaue und daran denke, was ich mit ihnen geleistet habe - hat aber erst mal gedauert.
Arbeit muß geschaffen werden und nicht vernichtet - in einem Deutschland, wo Personaldienstleister und Zeitarbeitsfirmen "Moderne Sklaverei" vermarkten kann mir nur noch schlecht werden - ein Umdenken von allen ist längst überfällig, eines steht fest, zumindestens für mich. Der AG Präsi. Hundt ist nicht in der Lage sein WC zu tauschen und erst, wenn er merkt, dass die kleinste Ameise ihren Beitrag zum bestehen der Gesellschaft erfüllt, steht ihm die Sch... bis zur Halskrause!

Lg aus´em Rheinland

Quote13.08.2007 11:02:39
froilleinwunder: zum nachdenken

wer also jammert, dass sich hartz iv empfängerinnen auch noch fortpflanzen, der sollte vielleicht mal überlegen, für diese frauen die pille zu sponsorn. diese wird nämlich prinzipiell auf privatrezept ausgestellt und schlägt im monat schon mit gut 16 euro zu gute. aber das wird es mit den christdemokraten nie geben, vom staat bezahlte verhütung....

Quote13.08.2007  11:18:39
froilleinwunder: interessantes diskussionsniveau

hier bekommt man negativbewertungen, weil man die basiszahlen auflistet, aus denen sich hartz iv zusammensetzt?

Quote

13.08.2007 12:17:47

drmartin: einzelmeinung, critico

Ich finde, dass es besser ist, nicht an den Paradoxa vorbeizudiskutieren, die in diesen Sachverhalten liegen.
Die Sozialleistungen im Bundeshaushalt sind nicht zuletzt deshalb so angestiegen, weil die deutsche Einheit so verlaufen ist wie sie verlaufen ist - und kein zweites "Wirtschaftswunder" sich ereignet hat, wie 1989 doch einige behauptet haben. Ich war im April auf Rügen und habe mir den Wahlkreis von AM angesehen, ganz hohe Arbeitslosenzahl in der Nicht-Ferien-Saison. Folglich müssen Renten, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Hartz IV usf. gezahlt werden, außer man kündigt die Solidarität auf. Darin liegt das Paradox, an dem m. E. besser nicht vorbeigeredet werden sollte, ansonsten kommen wir hier nicht weiter als in Schreisendungen wie SabineChristiansen.
Hartz IV soll nur nach offizieller Rhetorik den Druck auf Arbeitslose erhöhen, aber das ist nur insoweit möglich, wie es Arbeitsplätze für sie gibt. Das ist aber in der Regel nicht der Fall - und darin liegt das Paradox. Das dies alles insbesondere den Sozialdemokraten seit gut zwei Jahren schadet, hat noch nicht dazu geführt, dass sie das Paradox zu entschärfen suchen, Münte hat bisher nur den Mindestlohn, aber da AM nicht mitmacht, kann er auch nichts machen. Also versucht er den Hartz IV-Satz um ein paar Euro anzuheben, mit Wohnungsgeld usf. wird das aber dann wieder für die unteren Lohngruppen gefährlich. Also ist doch noch ein wenig Nachdenken gefragt!

Quote

13.08.2007 12:05:37

Einzelmeinung: Spaltung

Was in diesem Artikel und auch im Denkprozess der Arbeitsplatzbesitzer zu kurz kommt, ist der eigentliche Zweck von H4: Druck auf Arbeitnehmer und mittelfristige Senkung des Lohnniveaus.

Gestern sah ich zufällig eine Reportage, in der ein ostdeutscher Teenager bekannte, nach der Schule "auf keinen Fall in H4" landen zu wollen. So weit ist es schon gekommen. Jugendliche haben Angst vor H4. Das führt dazu, dass sie mit kleinsten Einstiegsgehältern (und mutmaßlich auch schlechten Arbeitsbedingungen) zufrieden sind; in der Folge steigt der Druck auf alle Arbeitnehmer, die heute bereits eine ähnliche Tätigkeit ausführen. Die werden nämlich mit den Konditionen der "Neuen Arbeitnehmer", die sich auch aus freigesetzten Altarbeitnehmern rekrutieren, konfrontiert. In überraschender Offenheit (wenngleich auch trickreich umgekehrt) hat dies Klaus Zumwinkel von der Post vor kurzem überdeutlich dargestellt.

Weitere Druckmittel in Form von Zeitarbeit und faktischem Kombilohn (H4 für Arbeitnehmer) sprechen die gleiche Sprache.

Haben sie sich schon gefragt, warum die Wirtschaft permanent Kommentare zu H4 abgibt, obschon sie damit nichts zu tun hat? Wegen der Lohnnebenkosten? Das ist ein ebenso dreistes wie unzulässiges Argument. Die angepeilte Senkung der LNK bringt wesentlich weniger, als nur ein Husten der Börsen oder ein neuerliche Energiepreissteigerung kosten würde. Aber sie legitimiert die Wirtschaft, hier mit- und reinzureden. Die Ergebnisse sind jeden Tag in der Zeitung zu lesen und werden von Politikern eilfertig repetiert.

Quote

13.08.2007 13:09:42

Marcello50: schreiendes Unrecht

Jens//:
sicher ist es nicht einfach die Heimat aufzugeben.
Aber bedenken Sie,
Millionen Arbeitnehmern hat man zugemutet aus den Mittelmeerländern, aus der Türkei us.w. zu uns zu kommen damit sie hier arbeiten.
Man kann es auch dem Deutschen Michel zumuten ,dass er sich um Arbeit bemüht und dabei den eigenen Stall verlässt.
Denn es ist extrem unsozial aufgrund der eigenen Bequemlichkeit die Anderen zahlen zu lassen.
Nach dem Motto: ich verwirkliche mich selbst, Ihr finanziert mich.

Quote

13.08.2007 13:00:13

ilparasita: @einzelmeinung

Danke für den Beitrag! Und dazu noch folgendes:

Die laute Einmischung der Wirtschaft(sverbände und -führer) in sozialpolitische Themen gehört zur Tatsache, dass es der Wirtschaft, ich meine vor allem den großen, finanzstarken Unternehmen, gelungen ist, bereits vor 20 Jahren die absolute Meinungsführerschaft darüber zu erobern, was Arbeit ist, wozu sie dient, welchen Ansprüchen Gesellschaften zu genügen haben, wiie wir leben wollen (sollen).

Und das ist ein zentraler Punkt. Ehemals lebendige und fruchtbare Diskussionen, beispielsweise bei den Grünen, über Eigenarbeit, ein zufriedenstellendes, schöpferisches Leben, über die Grenzen des Wachstums und die Folgerungen daraus, das es begrenzt ist, all das ist vollkommen verstummt oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Hartz-IV ist nur eine der Folgen dieser Entwicklung, die aber in ihrer zersetzenden Wirkung sehr viel tiefer reicht. Wenn eine Gruppe in der Gesellschaft derart bestimmend wird, dann wird dies unsere Demokratie und letztlich auch die Gruppe selbst in den Abgrund ziehen.

Das Beispiel Siemens demonstriert dies sehr eindrücklich.

Quote

13.08.2007 13:42:15

weimarhias:

@Marcello

Selbstverwirklichung mit Hartz4? :-))))))))))) grööhhhll

Der war gut!
Noch ein paar auf Lager?

Quote

13.08.2007 13:45:33

critico: @ jens

Leider scheinen Sie den Sinn von Hartz IV nicht verstanden zu haben.

Hartz IV ist KEINE Sozialhilfe.
Hier ist nix mit "anständigem Leben führen", denn das soll auch nicht bezahlt werden (das sage nicht ich, sondern der Gesetzgeber).

Hartz IV ist, so der Gesetzgeber, eine Übergangspauschale für Arbeitsuchende!

Quote

13.08.2007 13:52:27

Jens//:

@critico
"Hartz IV ist, so der Gesetzgeber, eine übergangspauschale für Arbeitsuchende! "

Das ist aber fein, dass der Gesetzgeber das so sagt. Nur hat dies mit der Praxis leider rein gar nichts zu tun!
Wir haben um die 6Mio Arbeitslose denen ca. 1Mio verschiedener Stellen gegenueberstehen.
Dann dann gehen Sie mal ueber! Das Problem ist, und ich wiederhole mich hier, nicht die Hoehe des ALG II sondern die Unfaehigkeit der Politik das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit zu loesen.

Quote

13.08.2007 14:21:29

Jens//: na das ist auch ne Logik

@critico
"Es ist NICHT das Problem der Politiker, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. "...
musste mir erst mal ueberlegen ob ich hierauf ueberhaupt antworte!
Aber nun fuer sie zum mitmeisseln: Da die Arbeitslosigkeit wohl eines der groesten Probleme unseres Staates ist, laege eine Bewaeltigung dieses Problems durch die Politker doch wohl in derem Interesse!

"Der Staat und somit letztlich die Politiker sind für die Arbeitslosen verantwortlich, die aus staatlichen Betrieben entlassen wurden. Und nur für die. "

und der Rest schert sich zum Teufel? oder wie darf ich das verstehen? Aber nur mal so ganz nebenbei.

@derblauebarbar
Sie haben voellig recht. Wirtschaftswachstum kann im Gegenteil sogar ja auch Arbeitsplaetze kosten.
Was wir daher wirklich brauchen, sind voellig neue Denkansaetze ueber die Definition von Arbeit




Aus: "Hartz-IV-Debatte: Armut raubt die Zukunft" Ein Kommentar von Heidrun Graupner (12.08.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/980/127774/ (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/980/127774/)
Title: [Der argumentative Alleskleber... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 16, 2007, 05:32:29 PM
Quote[...] Mainz - Arme Menschen sterben in Deutschland Studien zufolge früher und gehen seltener zum Arzt. Die Lebenserwartung zwischen dem ärmsten und dem reichsten Viertel der Bevölkerung weiche bei Männern um 14 Jahre voneinander ab.

Bei Frauen handele es sich um 8 Jahre, berichtete der Vorsitzende des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland, Gerhard Trabert, in Mainz von den Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen.

«Eigenleistungen, Zuzahlungen und zusätzliche Hürden im Gesundheitssystem werden wahrscheinlich dazu führen, dass der Abstand noch größer wird», sagte der Obdachlosen-Arzt. Schon heute gingen einer EU-Studie zufolge arme Menschen seit Einführung der Praxisgebühr trotz Beschwerden seltener zum Arzt.


Aus: "Arme Menschen sterben früher - Praxisgebühr schreckt ab" (15. Aug 2007)
Quelle: http://www.monstersandcritics.de/artikel/200733/article_22722.php/Arme-Menschen-sterben-fr%C3%BCher-Praxisgeb%C3%BChr-schreckt-ab (http://www.monstersandcritics.de/artikel/200733/article_22722.php/Arme-Menschen-sterben-fr%C3%BCher-Praxisgeb%C3%BChr-schreckt-ab)

-.-

Quote[...] ,,Bei der deutschen Post ging es unmenschlich zu. Seit ich hier bin, fühle ich mich wohl wie lange nicht", sagt der 27-Jährige. Eine vier Jahre ältere bayerische Kollegin sieht das neue Dasein dagegen mit gemischten Gefühlen: ,,Ich hab´s mir leichter vorgestellt. Aber vielleicht muss ich ja hier wegen der Job-Probleme zu Hause trotzdem auf Dauer bleiben."

Beide kamen Anfang des Jahres und tragen nun in Kopenhagener Außenbezirken Briefe aus – in knallroter dänischer Postler-Uniform. Während ,,Danmarks Post" bei einer Arbeitslosenquote von unter vier Prozent im eigenen Land nicht annähernd genügend Interessenten für den niedrig bezahlten Botendienst findet, will die Post in Deutschland bei mehr als doppelt so hoher Arbeitslosigkeit kräftig Personal abbauen.

,,Das war unmenschlich. Die haben nur noch ausgesiebt und alle regelrecht bedroht", erinnert sich Möller an die letzten seiner zehn Jahre als Postler im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg. Deshalb und weil er schon immer von Dänemark als Auswanderungsland geträumt hatte, schlug er zu, als sich die deutsche und die dänische Post auf den ,,Export" von Arbeitskraft einigten.

[...] Mit 18 000 Kronen (2500 Euro) bekommt Alexander Möller nach eigener Aussage brutto in etwa so viel wie als Postbote in Deutschland. Aber bei einer Einkommensteuer von 50 bis 63 Prozent, horrenden Wohnungskosten und anderen Ausgaben bleibt unter dem Strich viel weniger. Für seinen sieben Jahre alten Wagen musste er allein 15 000 Euro Einfuhrsteuer zahlen. Mietwohnungen gibt es kaum, und die Kaufpreise für Wohnungen oder Häuser liegen astronomisch hoch.

Deshalb reicht es vorerst nur zum gemeinsamen Wohnen in einer WG mit drei Kolleginnen. Doch seine gegenwärtige Geldnot schreckt Möller nicht: ,,Es ist klar, dass man als Einwanderer nicht mit den tollen Jobs anfangen kann. Aber mir steht hier alles offen, das sagt jeder." Bald schon wird seine Freundin nachkommen.

Quotebonny3 | 45 Kommentare (14.08.2007 21:54)
Es ist wohl etwas faul im Staate Deutschland......
in einer Fernsehsendung wurde die Zahl 900 000 deutsche Fachkräfte genannt, die in der letzten Zeit ins Ausland zogen, um dort zu arbeiten. Ebenso, daß Lokführer in den Nachbarländer das Doppelte verdienen, Krankenschwestern sogar das 3-fache. Auch sind die Preise nicht so explodiert wie in D! Wir sind jetzt wohl ein Hochpreis- aber ein Billiglohnland. Dank den Heuschrecken aus USA und GB und unsere Politik schläft ( nein nicht ganz - sie wollen eine 9,4% Diätenerhöhung wegen der gestiegenen Preise).




Aus: "Arbeitsmarkt: Deutsche Postboten wandern aus - Stellenkürzungen und Lohndumping machen Briefträgern in Deutschland zu schaffen. Viele entschließen sich deshalb, als Gastarbeiter nach Dänemark auszuwandern." (14.08.07)
Quelle: http://www.focus.de/jobs/branchen/tid-7101/arbeitsmarkt_aid_69724.html (http://www.focus.de/jobs/branchen/tid-7101/arbeitsmarkt_aid_69724.html)

-.-

Quote[...] Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler hat seine eigene Partei für die Hartz-IV-Reformen hart kritisiert und angedeutet, dass er in die Linkspartei überwechseln könnte. ,,Die SPD hat mit den Grünen zusammen einen kapitalen Irrtum begangen und ist nicht bereit, diesen Irrtum in der Großen Koalition zu korrigieren", sagte Dreßler im Deutschlandfunk. Auf die Frage des Moderators hin bestätigte er, dass er sich dem Linken-Chef Oskar Lafontaine näher fühle als dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Dreßler saß von 1980 bis 2000 für die SPD im Bundestag und war unter Helmut Schmidt Staatssekretär im Arbeitsministerium.

[...]  Dreßler kritisierte, dass zwar die Arbeitslosigkeit seit den Hartz-Reformen gesenkt, aber Armut nicht überwunden worden sei. ,,Da ist Handlungsbedarf für die Politik gegeben, und genau dieser Handlungsbedarf wird von der Großen Koalition nicht wahrgenommen", sagte der Arbeitsmarktexperte. Auch von der Opposition vermisse er Alternativen.
Besonders Kinder seien von Armut bedroht, mahnte Dreßler weiter. Hartz-IV-Familien würden ihre Kinder zunehmend nicht mehr auf Ganztagsschulen schicken, weil sie die Kosten für das Mittagessen nicht mehr aufbringen können, berichtete der Politiker.
Nach einem Bericht des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) hat die Zahl der Kinder, deren Familien mit Arbeitslosengeld II auskommen müssen, einen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Instituts leben inzwischen 1,929 Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien. Das sind rund 17 Prozent der 11,5 Millionen Kinder in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatte die Zahl armer Kinder bei 16 Prozent gelegen.

Experten erklären sich den Anstieg damit, dass Hartz IV ein erhebliches Armutsrisiko darstelle. ,,Kinder sind die Hauptleidtragenden", sagte der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge der ,,Frankfurter Rundschau". Die konjunkturelle Belebung des Arbeitsmarkts gehe vor allem an alleinerziehenden Müttern vorbei, weil Arbeitgeber an deren flexiblen Einsatz zweifelten.

QuoteNotInParadise meint:
16-08-2007, 11:31 Uhr
Hartz IV hin oder her, scheiß egal ... nur zwei Dinge dürfen nicht egal sein ... Kinder die unter Armut leiden und Hartz IV Empfänger die sich durch "Kinderkriegen" mehr Geld erpoppen wollen !

Quote
Rapunzel meint:
16-08-2007, 11:46 Uhr
Hallo S.Y.S., was redest du da eigentlich? Hast du dich mit dem Wodka zugekippt, den du bei den Hartz4-Beziehern vermutest? Und wie kommst du darauf, dass Hartz4-Bezieher für Ihre Kinder Geld bekommen? Wie meinst du das? Meinst du, sie verkaufen ihre Kinder, oder meinst du damit, dass sie Kindergeld erhalten? Hartz4-Bezieher bekommen kein Kindergeld zusätzlich zum Alg II, denn dass wird sofort als Einkommen angerechnet. Und wieso sind die Hartz4-Eltern unreif? Weil sie Kinder haben? Weil die Kinder von Hartz IV-Beziehern genau so schlau oder dumm sind, wie die von Wohlhabenden? Ich meine, die Hartz4-Bezieher haben Hartz4 nicht erfunden. Es wurde ihnen einfach statt eines Arbeitsplatzes vorgesetzt. Sie müssen Tag ein, Tag aus kämpfen. Mit dem wenigen Geld, mit der Bürokatie, mit sozialen Ängsten, doch am allermeisten müssen sie mit V o r u r t e i l e n kämpfen, die von Dumpfbacken in Nadelstreifen in die Welt gesetzt wurden. "Niemand hat ein Recht auf Faulheit"(Schröder). "Parasiten","Schmarotzer"(Clement) "Asoziales Millieu"(Christa Müller). Hartz4 kann jeden treffen! Dagegen kann niemand vorsorgen! Es reicht bereits, dass dein Chef keine Verwendung mehr für dich hat, und andere Chefs brauchen dich ebenfalls nicht. Da kann man sich dann die Füße rundlaufen, die Finger wundschreiben und das Maul fransig reden; wenn niemand einen einstellen will, hat man keinen Job sondern Hartz4!

Quote
Yep meint:
16-08-2007, 11:46 Uhr
@P.M.:

Wo "hetzt" denn "die Presse"? Sie meinen doch nicht unsere "politisch korrekte" Gutmenschen-Einheitssauce, die ständig moralisierend das Gefasel von der "Armut" anstimmt?

Wenn man mal Fakten auf den Tisch legt, dann ist das eben für sozialgrüne Gutmenschen "politisch unerwünschte Hetze". Ist klar.

Leider ist die Presse regelrecht gleichgeschaltet, im "politisch korrekten" Gutmenschensinne. Was täglich nachzulesen ist (leider auch in den ehemals konservativen Blättern) ist die Predigt von dem Sozialneid, von der Verunglimpfung von Eigenverantwortung und dem Ruf nach "noch mehr Staat" (der alles richten soll). Selbstbedienungsmentalität überall.

Die Parteipolitik der "kostenlosen" Sozialgeschenke mit gleichzeitiger Verdummung, Entmündigung und Gängelung der Bürger hat dafür gesorgt, dass mittlerweile keine einzige gesellschaftliche Gruppe in unserem Land mehr zufrieden ist.

Seit dem Beginn der Politik der Sozialgeschenke (Ende der 60er Jahre) geht es bergab. Da fing die Massenarbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung sowie der immer tiefere Griff in die Geldbeutel der Bürger an. Anstatt den Bürgern einen Rahmen zu schaffen, in dem sie eigenverantwortlich für sich selbst sorgen können, wurden immer mehr Bürger zu Bittstellern degradiert. 7,5 Mio Menschen leben mittlerweile von staatlicher Fürsorge. Das kostet 700 Milliarden Euro im Jahr. Tendenz steigend.

Ja klar, wir brauchen "noch mehr Staat". Was denn sonst? Wir brauchen "mehr Klimaschutz", mehr "Öko". Den Bürgern muss noch mehr Geld aus der Tasche gezogen werden (linksgrüne Enteignungspolitik, die leider auch Gang und Gäbe bei der "konservativen" CDU ist).

Warum werden die Bürger nicht gleich alle kollektiv entmündigt und der Staat (der alles besser kann und weiß) lässt sich die wenigen verbleibenden Löhne direkt überweisen, um das Geld dann en bloc "gerecht" zu verteilen?

Quote
Münsteraner meint:
16-08-2007, 11:50 Uhr
@Yep
Sie sind der einzige hier der es begriffen hat. Je mehr Geld man staatlicherseits den arbeitslosen Armen (Hartz IV) zukommen läßt, indem man es den Arbeit habenden Mittelschichtlern nimmt, desto geringer ist der Anreiz, aus Hartz IV herauszukommen bzw. der Schar der arbeitenden Steuerzahler weiterhin anzugehören. So grausam es klingt: Der Staat muss aus systematischen Gründen in Kauf nehmen, dass, wer keine Arbeit hat, ein extrem bescheidenes Leben führt, und er darf auch keine Anreize setzen, durch Kinderkriegen die eigene Hartz IV-Situation abzumildern. Natürlich tun einem die Kinder leid, die in solche Verhältnisse hineingeboren werden. Aber ihr Leiden abzumildern ist Sache der Mitmenschlichkeit (Beispiel Arche in Berlin), nicht des Staates. Mit anderen Worten: Hartz IV muss aus Systemgründen grausam sein, damit die Betroffenen unbedingt aus Hartz IV herauswollen.

QuoteYep  meint:
16-08-2007, 11:57 Uhr
Hallo S.Y.S.,

viele Familien mit Kindern, in denen mindestens ein Elternteil arbeitet, haben weniger Geld als Hartz-IV-Empfänger und leben auch in sozial bescheideneren Gegenden und Verhältnissen. Ein Hartz-Empfänger hat Anspruch auf eine Wohnung in ,,mittlerer Wohnlage". Die schlechten Wohnlagen sind für die Geringverdiener vorgesehen, die so blöd sind und trotz weniger Wohlstand als ein Hartz-Empfänger noch weiter arbeiten gehen.

Die ,,kostenlosen" (d.h. extrem teuren und von allen zu bezahlenden) Sozialgeschenke entsprechen einem Leben auf Kosten Dritter. Vorliegend den nächsten Generationen. Die können dann die Suppe auslöffeln, z.B. durch den Abbau der Billionen an Staatsschulden, einer um 20% verringerten Rente, anhaltender Massenarbeitslosigkeit und einem Millionenheer an enteigneten und entmündigten Staats-Abhängigen, die die linke Sozial-Parteipolitik erschaffen hat. Daher wird es in Zukunft wohl auch ,,sozial verträgliche" Integrationsprogramme für die immense Gruppe der staatlich erschaffenen Aussteiger geben. Natürlich müssen das ,,kostenlose" (also irrsinnig teure) und kontraproduktive Geldverbrennungsmaschinen sein.

Quotehhs  meint:
16-08-2007, 12:05 Uhr
Die Harz 4 Empfänger vermehren sich eben stärker als Berufstätige. Wer Kinder hat, kann nicht in gering bezahlte Jobs gesteckt werden. Da wird eben mal die Pille vergessen. Die Frage ist, wie lange das noch gut geht, wenn Leute dafür bezahlt werden, dass sie nicht arbeiten und haufenweise Kinder in die Welt setzen, deren Zukunft als Hartz 4ler ebenfalls schon vorgezeichnet ist. Irgendwann fährt Deutschland vor die Wand.

Quoteheiko  meint:
16-08-2007, 12:10 Uhr
Wer sind denn heute die kinderreichen Großfamilien??
Meistens eingewanderte Moslems (besonders Türken)!
Deren Kinder haben dann natürlich infolge schlechter Deutschkenntnisse etc. wieder kaum Berufschancen - so ist der Anstieg der "Kinderarmut" doch vorprogrammiert.

Quote
krank meint:
16-08-2007, 12:15 Uhr
1933 wussten Deutsche auch nicht was man Mitbürgern antat - das geschrei hinterher war riesengross, wie immer, Die Moralisten dieser Gesellschaft können es nicht glauben, schuld sind die Armen selber, wir spenden jeden sonntag in der Kirche oder Brot für die welt, was interessiert mich mein Nachbar? Land voller Egoisten, wie können die nur arm sein? Wir haben doch freiheit und ein soziales netz - ich lach mich krank

QuoteYep  meint:
16-08-2007, 12:21 Uhr
Hallo HHs,

im ,,politisch korrekten" und ,,sozialverträglichen" Gutmenschen-Deutschland werden eben primär Minderheiten gefördert. Die Interessen der breiten Masse zu vertreten wäre verpönter ,,Populismus". Während andere Länder nur gut ausgebildete Menschen ins Land lassen, öffnet Gutmenschen-Deutschland primär den ,,politisch verfolgten" Aussteigern die Pforte. Förderung erfährt nicht die breite Masse der Normalverdiener, im Gegenteil, die werden abgezockt bis zum geht nicht mehr, sondern eben wiederum die durch dreiviertel-sozialistische Gutmenschenpolitik erschaffenen Millionen an ,,armen" Menschen. Die Gutmenschliche ,,Sozialpolitik" ist auf ein stetes Wachstum dieser sozial abhängigen Millionen angewiesen, denn schließlich braucht ein ,,Sozialpolitiker" ein entsprechendes Klientel, dessen ,,Interessen" er zu vertreten vorgaukelt.

Die deutsche Sozialpolitik ist eine Politik der antrainierten Hilflosigkeit, der Entmündigung und der Enteignung. An die Stelle von (Eigen-) Verantwortung ist Bittstellertum und Versorgungsmentalität getreten. (A-) Sozialgeschenke dienen dem Aufbau entsprechender Wählergunst zur Ergatterung, Absicherung und zum Ausbau politischer Macht. Es ist die Welt schlecht zu reden und schlecht zu machen, um sich sodann als messianischer ,,Erretter" der herbeigeführten Verhältnisse zu empfehlen. Die Linke ist in Deutschland deshalb so erfolgreich, weil links-,,soziale" Politik nicht nur für eine fatale Mentalität in der Gesellschaft sorgten, sondern eben weil diese verheerende Politik eben auch im Millionenmaßstab das Klientel erschaffen hat, wofür die ,,tollen" (A-) ,,Sozialgeschenke" gedacht sind.

Die deutsche ,,Sozialpolitik" ist asozial im reinen Sinne der Wortbedeutung, da sie immer mehr Menschen zu Abhängigen, Bittstellern und Hilflosen macht. Alle Begriffe rund um ,,Soziales" werden irgendwann in Serie zu den Unwörtern des Jahres erklärt werden, sobald von genügend Menschen erkannt wurde, wie menschenunwürdig, menschenverachtend und menschenentwertend das ,,Sozial"-Gedöns ist.

QuoteWer nicht arbeite soll auch nicht v......  meint:
16-08-2007, 12:27 Uhr
wir brauchen weniger Staat und mehr Eigenverantwortung. Das viele Kinder in Not leben, liegt daran das viele Transfresleistungsempfänger die Kinder als zusätzliche Geldquelle sehen. Bei den Kindern kommt das Geld nicht an. Eine H4 Familei 2 Erw. 2 Kinder kann gut über die Runden kommen. wenn dann die Kinder Notleiden liegt es an den Eltern.
Statt H4 zur erweitern währe ich für Geburtenkontrolle der Unterschichten. Wer nicht arbeitet soll auch [nicht] vö.....

Quote
Kopfschüttler meint:
16-08-2007, 12:31 Uhr
Wenn der Staat als Existenzminimum Hartz IV definiert - wie kann es denn dann sein das in einem reichen Land wie Deutschland Löhne bezahlt werden, die unter dem Existenzminimum liegen? Das ist modernes Slaventum! Nicht Hartz IV gehört reduziert, sondern Mindestlöhne geschaffen die über dem Hartz IV Niveau liegen. Oder der Staat zieht dem arbeitenden Mittelständler, der in diesem Land die Milchkuh höchstpersönlich ist, nicht mehr das Gros seines erwirtschafteten Gehaltes aus der Tasche! Einfacher wäre es, wenn die Konzernbosse statt sich selber horrende Gehälter in die eigene Tasche zu schaufeln, wieder einen Teil des erwirtschafteten Geldes an die Mitarbeiter ausschüttet. Damit sich arbeiten wieder lohnt!

Quote
Jürgen Beck meint:
16-08-2007, 12:41 Uhr
Wie verkommen und asozial muss diese Gesellschaft noch werden? Wie verblödet noch dazu? Merkt den von den "anständigen deutschen", die sich hier als konservativ outen niemand, dass sie sich vor den Stimmungskarren der wenigen spannen lassen, von denen sie ebenfalls ausgebeutet werden. Das Neidgejammer ist ja schlimmer als das alkoholkranke Gelaber abgestürzter Prekarianer. Seit Ihr überhaupt noch Menschen? Kein Mensch kann etwas dafür das er hier geboren wurde. Der Eine kommt damit klar, der andere nicht. Die größte Errungenschaft unserer Demokratie ist der Recht - und Sozialstaat. Auch die Wiedervereinigung gehört zu den größten Leistungen die Deutschland hervorgebracht hat. Ja, das kostet Geld. Aber, wenn einer von Ihnen, die hier lauthals ihre menschenverachtenden Statements nach dem Stammtischgebot hinausposaunt mal selbst in Schieflage gerät, dann werden sie alle dankbar die Leistungen einfordern, denn sie haben ein Recht darauf. Sie können natürlich auch den Rechtstaat aufgeben und wieder als Gesetzloser sich selbst verteidigen. Wetten, sie würden sich schnell den Rechtstaat zurückwünschen, der ihnen auch eine gewisse soziale Sicherheit bietet. Wer einen Job hat und nicht mehr will, soll aufhören. Er wird dann die "Wohltaten" vom Staat empfangen und sehr bald merken, dass er damit nicht leben kann. Weil Deutschland ein hochpreisiges Land ist. Und nochmal. Hartz IV ist eine Wirtschaftsförderung. Jeder Cent der ausgegeben wird sichert Arbeitsplätze! Denn kein Hartz Empfänger legt etwas auf die Seite, oder auf das Sparkonto. Weil er dann kein Hartz mehr bekäme. Das Geld fließt unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf zurück. Somit sorgt mittleweile jeder neunte Bundesbürger als Hartz Empfänger dafür, dass die Milliarden nicht verzockt werden können, sondern in Deutschland bis zum letzten Cent wieder auf den Markt fließen. Beschweren sie sich bei jedem Beamten, bei Polizisten, beim öffentlichen Dienst, bei Poltikern, bei Parteien bei Lehrern, bei den Bauern, bei den Rentnern, bei Industrieunternehmen sie alle hängen am Tropf Ihrer Steuern.

Quote
Karin meint:
16-08-2007, 12:57 Uhr
An alle kochfaulen Muttis : dann geht doch mal wniger zu Mc Donalds ! Kocht mal was gescheites das ist billiger ! Mal weniger vor der Glotze hockes kann nicht schaden. Einmal weniger Kaffeeklatsch tut der Geldbörse sicherlich gut !

Quotespectator  meint:
16-08-2007, 13:20 Uhr
Hier Posten meiner Meinung nach immer dieselben Trolle, sie kompensieren ihr jämmerliches Dasein an den Kommentaren der Menschen denen es wahrhaftig schlecht geht, und wo versuchen eine richtig durchdachte Diskussion zu führen.
Wirklich boshafte und hinterfotzige Menschen sind das, aber das wissen sie auch , und sie ahnen auch wie es mit ihnen endet.

Hans Meier nicht aufregen, das ist bewusst alles so primitiv ausgelegt. Ignoranz hassen sie am meisten, unproduktive Trolle haben ein übersteigertes Geltungsbedürfnis.

Quote
Knut meint:
16-08-2007, 13:20 Uhr
@Erna
H4 währe innerhalb von wenigen Wochen ein Thema der Vergangenheit wenn es nur noch Gutscheine für Lebensmittel und Bekleidung geben würde. Un dwenn alle H4 Empfänger sich morgen um 7:00 zum Arbeitseinsatz anfinden müssten.

Quote
Yep meint:
16-08-2007, 13:32 Uhr
Hallo Knut,

Gutscheine für Lebensmittel und Bekleidung reichen nicht, denn wo soll ansonsten der neue PC, der neue (Flach-) Fernseher, die neue Hifi-Anlage, das neue Spaß-Handy mitsamt täglich neuer doller Klingeltöne für die "Ärmsten der Armen" herkommen?

Vergessen Sie ferner nicht, dass auch ausreichend Gutscheine für Zigaretten und Alkoholika ausgegeben werden müssen. Ein Leben in dieser tristen "Armut" kann man doch nur narkotisiert ertragen (zumal das rund um die Uhr konsumierte Fernsehprogramm ja so flach wie der Flachbildschirm ist).

QuoteBern Palsen  meint:
16-08-2007, 13:33 Uhr
@Knut

[...] Schon interessant wie schnell Erungenschaften von 2000 Jahren menschlicher Entwicklung von einigen grossmäuligen Stammtischrednern leichtfüssig und hirnlos vom Tisch gewischt werden.

Was kommt als nächstes Knutchen ? Der Ruf nach einem starken Mann der mal so richtig aufräumt unter diesem arbeitsfaulen Jude... aeh Sozialschmarotzergesindel

Quote
Knut meint:
16-08-2007, 13:38 Uhr
@Bern Palsen
die H4ler würden ja nicht ohne Entgeld arbeiten, haben ja schon Geld vom Staat bekommen. siehe Artikel im spiegel http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,498995,00.html
der ist ja nun wirklich keine Zeitung die auf arme rum hackt.
Also wer Geld bekommt sollte dafür etwas tun - im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber nur Handaufhalten ist zuwenig

Quote
Ausgestorben meint:
16-08-2007, 13:44 Uhr
@Matthias

Seid wann seit ihr Deutsche den arbeitsfreudig? Meist stehen hier die besoffenen Deutschen schon Mittags an den Imbissen rum. Wenn wir Ausländer nicht wären, dann wäre der ganze deutsche Staat längst zusammengebrochen.

Quote
Thomas Li meint:
16-08-2007, 14:11 Uhr
Wen wundert´s? Weiß doch inzwischen die ganze Welt, dass Deutschland´s Bürger verarmen und Bildungsungleichheit herrscht. 8 Mio HartzIV-Empfänger und noch immer ist die Regierung nicht bereit, Mindestlöhne einzurichten. Ist ja auch leichter für die Wirtschaft, wenn Arbeitslose von Steuergeldern finanziert werden. Die Konzernwirtschaft kann sich wirklich alles erlauben, wirklich alles. Und wir Kleingewerbetreibende kämpfen jeden Tag ums überleben. Sauerei!

Quote
Eva meint:
16-08-2007, 14:16 Uhr
Die Fastfood.-Muttis können ja mal arbeiten anstadt vor der Glotze zu hocken !
Erziehen können die Ihre Belger schon lange nicht mehr ! wenn man die heutige Jugend sieht sieht man deutlich das Ergebnis POTENZIALER FaULHEIT !!!!!!!!

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Yep meint:
16-08-2007, 14:22 Uhr
Thomas Li, Löhne sollten nicht am grünen Tisch im Politbüro staatlich verordnet werden. Das hatten wir alles schon (vgl. DDR, III. Reich, Sowjetunion usw.) und es hat irgendwie nicht funktioniert. Löhne sollten sich an Angebot und Nachfrage orientieren. Höhere Löhne bedeutet höhere Preise für die Produkte und Dienstleistungen. Äh, oder wollen Sie neue Argumentationshilfen für noch mehr Forderungen nach mehr Geld für die ,,Bedürftigen"? Mindestlöhne erzielen das Gegenteil des Erwünschten: sie sorgen für mehr Arbeitslose und mehr Schwarzarbeit. So ist das mit der linksorientierten Politik: eigentlich ganz gut gedacht und gemeint, jedoch stets das Gegenteil erreicht.
Apropos Schwarzarbeit: das damit erwirtschaftete Volumen wird auf ca. 400 Milliarden Euro geschätzt. Genug, um 1-1,5 Millionen Menschen mit Arbeit zu versorgen. Addiert man die 1 Mio. offenen Stellen, hätten wir eine traumhafte Arbeitslosenquote. Aber das will ja keiner. Besser ist es, auf Mindestlöhne zu setzen, damit die Sozialpolitik in unmittelbarer Zukunft dann ein noch größeres Klientel hat, um sich um deren ,,Interessen" zu kümmern ;-)

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Al-Hakim meint:
16-08-2007, 14:28 Uhr

[...] ich muss ehrlich dazu sagen, dass Familien die nicht rauchen und nicht trinken, völlig ausreichend vom Harz leben können.
Es gibt nichts, was der Harz4 Empfänger nicht haben kann. Sogar Familienreisen alle 2 Jahre sind drin!
aber die Menschen können nicht mit dem Geld umgehen.
Dass es knapp ist, weiß jeder. aber der Staat auch kein Geld zu verschenken.
Mann muss sich eben eine Arbeit suchen oder weiter jammern.
mfg
mohamed.

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Help meint:
16-08-2007, 14:42 Uhr
Hier kann jeder helfen die Zahl der hungernden Kinder in Deutschland nach unten zu bringen.

http://www.kinderprojekt-arche.de/karte.htm

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Yep meint:
16-08-2007, 14:49 Uhr
Hallo Al-Hakim, ich befürchte, dass der Staat in vielen Hartz-Fällen lediglich die Alkohol- und Nikotinsucht finanziert. Bei faktisch jedem Fernsehbeitrag über einen sich empörenden Hartzer sieht man einen gefüllten Aschenbecher auf dem Tisch stehen. Zigaretten und Alkohol gehören aber nicht zum ,,Lebensminimum". Natürlich kann man mit Hartz-Geld keine großen Sprünge machen. Kann man als Azubi, Schüler, Student, Lehrling, Geringverdiener, Rentner mit bescheidener Rente, Familie mit lediglich Normaleinkommen, viele Alleinerziehende usw. aber auch nicht. Dennoch geht es. Die besagten Personengruppen sind zufriedener als Menschen, die ständig nur fordern und keine Gegenleistung erbringen. Es ist kein Wunder, dass sie sich überflüssig und nutzlos fühlen. Aber anstatt ihr Schicksal in die eigene Hand zu legen, suchen sie sich irgendwelche Ersatzpersonen, um ihren Frust abzuladen (notfalls die eigenen Kinder, an denen sich dann abreagiert wird). Hartzler wären selbst beim doppelten Satz nicht glücklicher. Zufriedenheit stellt sich erst ein, wenn man sich ehrlich um eine günstige Lebensgestaltung bemüht, Anerkennung erfährt und Stolz sein kann auf das, was man leistet. Dass selbst Millionenbeträge alleine nicht glücklich machen, sieht man an der überverwöhnten Paris Hilton. Wie viele Jahre wird es noch dauern, bis sie sich das Leben nimmt?

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Hans-Dieter Wege, Oldenburg, Parteilos meint:
16-08-2007, 15:28 Uhr
Al-Hakim meint:
16-08-2007, 15:11 Uhr

[...] Hier geht es aber um das Thema Kinderarmut in Deutschland. Und es sind eben nicht nur die Kinder von angeblichen Arbeitsverweigerern, die übrigens nur einen sehr geringen Anteil ausmachen, betroffen, sondern auch die Kinder von r e c h t s c h a f f e n d e n Bürgern und Arbeitnehmern.
Und es ist eine Tatsache, dass der SGBII-Regelsatz für Kinder nicht ausreichend ist für eine gesunderhaltende besser gesundheitsfördernde Ernährung. Dies wurde auch bereits von der Uni Bonn in einem Gutachten bestätigt. Und es ist eine Schande für eine Regierung, wenn sie die betroffenen
Kinder nicht ausreichend versorgt, aber gleichzeitig verlangt, diese Generation sollte Leistung bringen, für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten, die deutschen Staatsschulden bezahlen und von den jungen Erwachsenen verlangt, sie sollen für ihre späteren Renten private Vorsorge treffen, ihnen aber niemand sagt, wie sie dieses von ihren spärlichen Einkommen, über das die Meisten verfügen, bezahlen sollen.
Das alles nenne ich asoziale Politik!

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Putzl4ppen meint:
16-08-2007, 15:30 Uhr
Hartz4 hin oder her. Sicher gibt es viele, die zu Recht Unterstützung bekommen. Meines Erachtens nach ist aber der Großteil derer, die sich da so laut beklagen nichts als faules, ungebildetes Pack.
Dass man als Hartz4 Empfänger kein Geld hat, um auch noch 2 Kinder mit durchzufüttern (selbst mit Kindergeld) hätte man sich auch vorher an 5 Fingern ausrechnen können.
Somit stellt sich die Frage: Soll die arbeitende Bevölkerung jetzt auch noch die maßlose Fickerei der Unterschicht mit bezahlen? Ich denke nicht. In welchem Land der Welt kann man sich sonst noch auf Staatskosten sämtliche Grundbedürfnisse und teilweise noch einige Luxusgüter (Fernseher, PC) nur durch Kinderkriegen und Nichtstun finanzieren lassen? Ich glaube, mir fällt kein anderes ein außer Deutschland...

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corvus albus meint:
16-08-2007, 15:33 Uhr
Noch dümmer geht nimmer....
Ich denke nicht, dass HartzIV Bezieher noch Geld besitzen um es für Kosmetik, Rauchen, Alkohol, etc. auszugeben... und wenn doch, dann steigert das ja wieder das Wirtschaftswachstum und bringt dem Staat die besten Steuern. Mit solch platten Vorurteilen gehts wohl nicht in die Richtung einer Lösung.
Von der gesetzlichen Terminologie ist die Höhe der HartzIV-Leistungen sowieso nicht verständlich. Einerseits soll es maximal die erforderliche Grundversorgung darstellen - andererseits sollen davon aber noch Rücklagen gebildet werden für besondere Ausgaben wie Renovierungen oder Anschaffungen von Kleidung. Fakt dürfte wohl sein dass es angesichts steigender Lebensmittelkosten bei den meisten kaum noch zum Essen reichen dürfte. Da die Wirtschaft bei Festeinstellungen höhere Kosten hat als bei Zeitarbeitern, und dieser Markt derzeit geradezu explodiert, geht der Trend in den austauschbaren Dienstleistungen eh in diese falsche Richtung und verhindert rentenpflichtige Festarbeit.
Wer den Kindern aus der Armut helfen will sollte nicht so bigott sein dann an den Mitteln zur Mindestsicherung der Existenz zu sparen. Zudem wird das Kindergeld ja voll auf die HartzIV-Leistung angerechnet und stellt so eine Ungleichbehandlung gegenüber wohlhabenden Familien dar, die dies als reizvolles Zubrot bekommen.
Wer dauerhafte Jobs zerstört wird Armut und soziales Chaos ernten - so einfach ist das !

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Hans-Dieter Wege, Oldenburg, Parteilos meint:
16-08-2007, 15:37 Uhr
Hallo Putzlappen!
Tolles Pseudonym!
Glauben Sie, man wird als Hartz IV-Betroffener geboren?
Schon was von den Entlassungswellen gehört, trotz Milliardengewinnen?
Geben Sie sich doch ein zutreffenderes Pseudonym. Mien Vorschlag für Sie:
"Nennen Sie sich doch besser PUTZLUMPEN!

QuoteGlasklar  meint:
16-08-2007, 15:40 Uhr
@Hans-Dieter Wege, Oldenburg
Gebrauchsanweisung:
Lesen Sie sich Ihre Kommentare zu diesem Thema nochmal durch.
Beherzigen Sie Ihre eigenen Worte.
Wenn sie trotzdem noch etwas zu sagen haben
-Beachten sie das Thema und die Begrenzungen.
-Machen Sie sich zum Thema sach- und fachkundig.
-Lassen Sie die Polemik weg.
-Zeigen Sie nachprüfbare Fakten auf.

Quote
Yep meint:
16-08-2007, 15:42 Uhr
Al-Hakim, der größte Faktor der herrschenden Unzufriedenheit bei Hartzern ist ihr Gefühl, überflüssig und nutzlos zu sein. Leider ändern viel zu wenige an ihrem Los etwas, sind zu passiv und ergehen sich in Selbstmitleid und Frustrationen über die ,,blöde Gesellschaft" etc. Sicher auch ein Ergebnis der Entmündigungspolitik (andere sprechen von ,,Sozialpolitik"). Studenten haben sicher weniger Geld als Hartzer. Ein Student muss mit 525 Euro auskommen. Davon zahlt er erstmal die Miete & Nebenkosten. Rechnen wir 250 Euro für eine WG oder ein Mini-Einzelzimmer (was sich kein Hartzer bieten lassen würde), dann bleiben ihm 275 Euro. Davon gehen 60 Euro für die Krankenversicherung drauf, bleiben 215 Euro. Das sind über 100 Euro weniger als ein Hartzer hat (ein Aufschrei ginge durch die Gesellschaft, würde das der Satz für Hartzer sein). Davon ist sein Lebensunterhalt zu bestreiten (Lebensmittel, Kleider) und auch die Dinge zu kaufen, die er, im Gegensatz zu Hartzern, fürs Studium benötigt (Studiengebühren, Bücher, Schreibwaren, Bus-Ticket. . .) Wenn ein Student sich etwas Sonstiges leisten möchte, dann muss er eben arbeiten. Ganz einfach und schon endet frustriertes Gemecker, obwohl Studenten deutlich weniger zur Verfügung haben, als das ,,Lebensminimum" eines Hartzers. Der Satz für Hartz-IV ist zu hoch bemessen, weil es sich einigermaßen leben lässt, wenn man das Geld sinnvoll verwendet. Hilfe zur Selbsthilfe kann nur darin bestehen, dass die betroffene Person ihr eigenes Schicksal in die Hand nimmt und das Beste daraus macht. Das Abhängertum wird leider vom Staat gefördert. Auch deshalb wird es immer mehr Bedürftige geben: sie werden (mental) dazu gemacht und dann erstarren sie in dieser ungünstigen Lebensweise.

Quote
Putzl4ppen meint:
16-08-2007, 15:44 Uhr
@ Hans Dieter Wege, Oldenburg, grenzdebil: Es ist eine Tatsache, dass der soziale Aufstieg gerade in Deutschland extrem schwer ist, wenn man einmal ganz unten hängt. Wen glauben Sie wohl haben diese Kinder als Vorbilder? Mir fallen da zuerst die Eltern ein. Die Folge sind weitere Sozialleistungsempfänger über Generationen hinweg. Und jetzt kommen Sie mal aus ihrer Teletubbie-Welt heraus und lassen sich bessere Brüller einfallen, als den über mein Pseudonym.

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Freidenker meint:
16-08-2007, 15:57 Uhr
Darum gings, der Stein des Anstoßes:
Mich würde mal interessieren, wieviele davon wirklich Deutsch sind, also keine Passdeutschen, Russen, Eingebürgerten usw usw
Also alle, die eigentlich keine echten Deutschen sind , sondern nur den Pass bekammen um die Kriminalstatistiken und Ausländerzahlen zu fälschen.
Kann mir vorstellen das die Zahlen dann ganz anders aussehen und wir hier grösstenteils über importierte Armut aus dem Ausland reden.
Ganz belustigend ist aber : Das die gleichen antideutschen Verblendeten Besser&Gutmenschen , die vorher eine Masseneinwanderung und den Vielvölkerbrei gepredigt haben, sich jetzt als Moralapostel hinstellen und die Folgen beklagen! Wie erbärmlich.
MfG

Quote
wolf meint:
16-08-2007, 16:27 Uhr
lese den artikel (alles bekannte tatsachen) und komme zu den kommentaren.......und da ist er schon wieder, der alltägliche menschenfeind, in form von ausländerhass. gut,dass wir ihn schon so sehr verinnerlicht haben, er "hilft" uns bei fast jedem thema und steht immer zur verfügung. es klappt auch 2007, wie schon 1933.

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Jochen meint:
16-08-2007, 16:41 Uhr
@Freidenker:
Welchen Unterschied macht es, ob ein deutsches oder Russlanddeutsches Kind in diesem Land unterhalb der Armutsgrenze lebt??? Was können die Kinder dafür, woher ihre Eltern kamen oder was diese Eltern tun oder nicht tun? Das Problem wird nicht mit höheren HartzIV-Beiträgen gelöst, sondern mit Ganztagsschulen, an denen alle Kinder ein kostenloses Mittagsessen bekommen. ALLE Kinder in Deutschland müssen besser gefördert werden. Wir ALLE werden davon im Alter profitieren. DAS ist ein Faktum! Als alternde Gesellschaft können wir uns es nicht leisten, denen, die noch Kinder bekommen, zuzurufen: Selbst schuld! Was glaubst Du denn, wer später Deine Rente bezahlt oder Deinen Hintern abwischt, wenn Du im Seniorenheim liegst? Roboter???

Quote
Hans-Dieter Wege, Oldenburg, Parteilos meint:
16-08-2007, 16:51 Uhr
@Glasklar
Die beste Quelle ist man doch wohl selbst.
Ich bin persönlich, trotz eigenem Einkommen aus Erwerbsarbeit betroffen mit meiner Familie.
Ich saufe nicht, übrigens meine Ehefrau auch nicht und auch meine beiden jüngsten Kinder, die noch bei mir zu Hause leben auch nicht.
Es ist aber nun mal eine Tatsache, dass der Regelsatz nach Hartz IV, gerade für Kinder vollkommen unzureichend ist.
Denn dieser Nettoregelsatz beläuft sich auf 140 Euro im Monat und entspricht somit dem Nettoregelsatz von 1993/1994. Dieses kann man nachprüfen. Sämtliche Preiserhöhungen, die Einführung des Euro usw. ließ man aber vollkommen unberücksichtigt.
Seltsamerweise werden Quellen, die nicht unbedingt dem derzeitigen mainstream entsprechen, immzu in Frage gestellt.
Ich bleibe dabei:
"Diese Regierung handelt asozial, sie beläßt Kinder in einer menschenunwürdigen Armut, obwohl in unserem Staat ausreichend Geld vorhanden ist!"

Quote
Freidenker meint:
16-08-2007, 17:01 Uhr
@Jochen meint:
Welchen Unterschied macht es, ob ein deutsches oder Russlanddeutsches Kind in diesem Land unterhalb der Armutsgrenze lebt???
Freidenker meint:
Einen ganz großen gewaltigen Unterschied.
,Das ist importierte Armut ,die uns ,da wir ja diese bezahlen müssen, arm macht und dehalb für Deutsche Kinder nicht mehr genug übrig bleibt(einfach gesagt und für Sie verständlich)(Meine nicht nur Russen)
Auch für Sie verständlich: Wenn wir Armut importieren,
werden wir selber arm.
P.S:Was intressieren mich Neger,Türken und Inder, ich sorge mich um das wohl Deutscher Kinder!
MfG



Aus: " Fünf Jahre Hartz IV: Kinderarmut in Deutschland auf Höchststand" (16. August 2007)
Quelle: http://www.welt.de/politik/article1109778/Kinderarmut_in_Deutschland_auf_Hoechststand.html (http://www.welt.de/politik/article1109778/Kinderarmut_in_Deutschland_auf_Hoechststand.html)

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Quote[...] Vorbei die Zeiten, die Schlote sind erkaltet und was an niederen Tätigkeiten im Lande verblieben ist, reicht gerade noch aus, um jeden zehnten Unqualifizierten in ein prekäres Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Den Rest erledigen preisgünstig die Chinesen. Es bedarf keiner komplizierten volkswirtschaftlichen Berechnungen, um die Folgen dieser Entwicklung zu überblicken: Weniger Arbeitsplätze, weniger Steuereinnahmen, mehr Arbeitslose, höhere Kosten für den Sozialstaat. Da man die heilige Kuh des Profits nur in Maßen zu melken bereit ist, gerät der Staat in die fiskalische Krise und das Geld für die Minderheiten am unteren Ende wird knapp, während ihre Zahl kontinuierlich wächst. Weniger Geld, mehr Anspruchsberechtigte bedeutet geringere Leistungen für den Einzelnen. Auch das leuchtet jedem ein, der die vier Grundrechenarten beherrscht.

Das wär's eigentlich. Aber derart prosaisch geht es nicht zu in unserer Gesellschaft. Um diese einfache Arithmetik rankt sich eine Vielzahl von mehr oder weniger gelehrten Debatten über neue Armut, über Wohlfahrtsmütter, Sozialhilfeschmarotzer und nachlassende Arbeitswilligkeit. Ganz ohne Moral geht es eben doch nicht. Es genügt nicht, den Leuten zu sagen: wir brauchen Euch nicht mehr. Man muss ihnen auch noch klar machen, dass es entweder ihre eigene Schuld ist, oder dass mysteriöse Kräfte wie die Globalisierung am Werke sind, damit sie nicht auf die verwegene Idee kommen, sich über die Verteilung des Reichtums, der ja zweifelsohne weiterhin zugenommen hat, Gedanken zu machen. Also entdeckt der kritische Blick plötzlich, dass die Kinder in der Unterschicht missbraucht werden, zu fett sind, den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen und die Schule schwänzen. Empörung soweit das Ressentiment reicht über die da unten, die sich auf Kosten der hart arbeitenden Leistungsträger einen gemütlichen Lenz machen.

Der argumentative Alleskleber, der diese Rhetorik zusammenhält, bemüht eine Leistungsethik, die im Angesicht der Tatsache, dass weniger als die Hälfte der Einkommen in dieser Gesellschaft aus bezahlter Arbeit stammt, nicht sehr glaubwürdig wirkt. Moralische Mysterienspiele und Vodoo-Ökonomie lösen das Problem nicht. Am einfachsten wäre vermutlich mit klarem Blick ein Rückgriff auf den gesunden Menschenverstand. Wenn der Arbeitsgesellschaft die Lohnarbeit ausgeht, dann braucht sie einen neuen Gesellschaftsvertrag. Dann ist es nicht damit getan, die Abgehängten und Überflüssigen entweder zu beschimpfen oder sie nach dem alten Muster unter die wohlmeinende Kuratel der Sozialarbeit zu stellen. Dann wäre es besser, das Steuer- und Sozialsystem umzubauen, von der Erwerbsarbeit abzukoppeln und dafür zu sorgen, dass ein jeder genügend für ein menschenwürdiges Leben hat. Geld genug wäre ja da, nur noch nicht dort, wo es eigentlich hin gehört.

So aber wird ein Ideal des leistungsbereiten, fortbildungswilligen und flexiblen Arbeitskraftunternehmers gepredigt. Wer dem neuen Regime flexibler Leistungswilligkeit um jeden Preis mangels Qualifikation, Mobilität oder Jugendlichkeit den Tribut verweigert, droht der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Vollbürger. Auf jeden Fall disqualifiziert er sich für jede Art von Ansprüchen an öffentliche Leistungen oder Unterstützungen.

Es entwickelt sich eine Art moralische Basarökonomie: Sag mir was Du bringst und ich sage dir, was du kriegst. Was früher als Solidarität erschien, wirkt heute altbacken und gestrig. Es ist einfach nicht mehr chic, sich im Namen allumfassender sozialer Gerechtigkeit um die Armen und Benachteiligten zu sorgen. Wer sich als harter Verfechter einer Auge um Auge, Zahn um Zahn Ideologie gegen sozialstaatliche Leistungen ausspricht, darf sich unter diesen Bedingungen stolz als vorurteilsloser Realist bezeichnen. Und vermutlich ist es nur mehr eine Frage der Zeit bis einer der üblichen Verdächtigen daran erinnert, dass damals das Dreiklassen-Wahlrecht gar nicht so übel war. Die kulturelle Deckungsreserve dafür dürfte hierzulande vorhanden sein.


Aus: "Soziale Absteiger und Menschenrechte" Von Reinhard Kreissl (15.08.2007)
Dr. Reinhard Kreissl, geboren 1952, ist Soziologe und Publizist. Studium in München, Promotion in Frankfurt/Main. Habilitation an der Universität Wuppertal. Kreissl hat unter anderem an den Universitäten San Diego, Berkeley und Melbourne gearbeitet. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst und schrieb regelmäßig für das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung". Letzte Buchpublikation: "Die ewige Zweite. Warum die Macht den Frauen immer eine Nasenlänge voraus ist". Kreissl lebt in München und Wien.
Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/658201/ (http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/658201/)

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Quote[...] Altersarmut in der Hansestadt: Die Zahl derjenigen über 65 Jahre, die trotz ihrer Rente noch Sozialleistungen beantragen mussten, ist in diesem Jahr weiter gestiegen. "15 500 Menschen dieser Altersgruppe haben zwischen Januar und Juli Grundsicherung bezogen", sagt Jasmin Eisenhut, Sprecherin der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (BSG). Das sind 740 Bedürftige mehr als noch im vergangenen Jahr, 1890 mehr als 2005.

Bei rund 326 000 Bürgern in der Hansestadt, die über 65 Jahre alt sind, ist damit jeder 22. von Altersarmut betroffen. Betrachtet man alle Menschen mit Anspruch auf Grundsicherung, ist deren Zahl sogar um 3000 auf 24 000 gestiegen. Nach einer Studie der Hamburger Gesellschaft für Steuerung und soziale Entwicklung "con-sens" steht Hamburg damit bezogen auf die Zahl der Grundleistungsbezieher und im Vergleich der 16 deutschen Großstädte sogar noch recht gut da. Die meisten Empfänger der Grundsicherung gibt es in Frankfurt und Hannover.

Altersarmut ist ein Problem, das nicht nur karitative Einrichtungen wie die Schuldnerberatung der Diakonie immer stärker in Anspruch nimmt, sondern längst im gesellschaftlichen Leben angekommen ist. Ein Beispiel aus Rahlstedt: Drei bis vier Ausflüge unternimmt der Seniorenkreis der Kirchengemeinde Rahlstedt-Oldenfelde jedes Jahr. "Ein Ausflug kostet knapp 29 Euro", sagt Pastor Jakob Delfs. Doch immer öfter würden Senioren absagen. "Wenn wir dann vorsichtig nachfragen, merken wir, dass sich viele diese Fahrten nicht mehr leisten können." Und es würden immer mehr.

[...] Grund für das soziale Phänomen Altersarmut sei die hohe Zahl älterer Langzeitarbeitsloser, die von der aktuellen Arbeitsmarktpolitik nicht aufgefangen werden konnten, sagt Eisenhut. Einmal den Arbeitsplatz verloren, ist es für viele ehemalige Arbeitnehmer unmöglich, weiterhin genug für ihre Rente zurückzulegen. Dazu seien unter den Bedürftigen und Altersarmen auffallend viele Frauen, sagt Peter Drygalla vom Deutschen Roten Kreuz. Frauen, die mit Teilzeitjobs nur zum Gehalt des Ehemanns dazuverdient oder als Hausfrau nie Rentenbeiträge eingezahlt haben. Die Aufwendungen für Altersarme werden weiter steigen: Für die nächsten Jahre rechnet die Stadt mit einer wachsenden Zahl von Frührentnern, die nicht genug in die Rentenkasse eingezahlt haben.


Aus: "Altersarmut - Hamburgs wachsendes Problem" (15. August 2007 )
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2007/08/15/782672.html (http://www.abendblatt.de/daten/2007/08/15/782672.html)

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Quote[...] 16. August 2007 Als am 16. August 2002 der damalige VW-Personalvorstand Peter Hartz seinen Abschlussbericht an Bundeskanzler Gerhard Schröder übergab, konnte er sein Pathos kaum zügeln. Man habe nach dem Krieg Deutschland aufgebaut, die Wiedervereinigung bewältigt - ,,und jetzt das Arbeitslosenproblem". Der damalige Arbeitsminister Walter Riester lobte bei der anschließenden Feierstunde im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt die Empfehlungen der Hartz-Kommission gar als Rohdiamanten, der nun geschliffen sei.

Doch es kam alles ganz anders: Vor allem das ,,Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", das die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorsah, polarisierte in der Folge die Öffentlichkeit. Die Verfechter des traditionellen Sozialstaats entfachten einen öffentlichen Proteststurm, den die Republik in diesem Zusammenhang noch nicht erlebt hatte. ,,Hartz IV" wurde zur Metapher für eine verarmende Gesellschaft stilisiert und brachte die Menschen zu Großdemonstrationen auf die Straße. Und obwohl nach dessen Einführung im Januar 2005 sogar sechs Milliarden Euro mehr als bisher in das System gepumpt wurden, trug das Gesetz maßgeblich zur Abwahl der rot-grünen Koalition bei.

Wie konnte das kommen? Seit langem war die Existenz zweier unterschiedlicher Systeme vielen ein Dorn im Auge: hier die von den Kommunen bezahlte Sozialhilfe, dort die vom Bund finanzierte Arbeitslosenhilfe. Beide setzten Bedürftigkeit voraus. Doch während die Sozialhilfe als ,,Stütze" nur die Existenz sicherte, orientierte sich die Arbeitslosenhilfe ebenso wie das davor bezogene Arbeitslosengeld am Nettolohn - und versprach damit hohe Zahlungen notfalls bis zur Rente.

Das erklärt, weshalb sich viele deutliche Einsparungen versprachen, als die beiden Leistungen zur neuen Grundsicherung zusammengeführt und auf Sozialhilfeniveau gesenkt wurden. Alleinerziehende oder kinderreiche Familien würden von den großzügigen Pauschalierungen und dem Zugang zu den Leistungen der Arbeitsvermittlung profitieren; langzeitarbeitslose Facharbeiter oder Alleinstehende - die klassische Mittelschicht - würden hingegen zu Reformverlierern.

Doch die Sozialarchitekten hatten sich verschätzt. Weil sich der Bund künftig aller Langzeitarbeitslosen annehmen wollte, die theoretisch zu drei Stunden Arbeit am Tag imstande sind, konnten die Kommunen nahezu ihre gesamte Klientel der Arbeitsverwaltung überstellen. Weniger als 5 Prozent blieben als klassische Sozialhilfeempfänger bei den Sozialämtern. Auch senkte die Wortwahl ,,Arbeitslosengeld II" die Schamgrenze; vom Stigma der früheren ,,Stütze" befreit, traten mehr Bedürftige als bisher den Gang zur Arbeitsagentur an.

Zudem hat die rot-grüne Koalition - offenbar aus Angst vor der eigenen Courage - den drastischen Übergang von der Versicherungs- zur Fürsorgeleistung mit einer Vielzahl von Zulagen und befristeten Zuschlägen abgefedert. Und sie hat - willentlich oder unbewusst - falsche Anreize geschaffen. Viele Kinder zogen aus dem elterlichen Haushalt aus, weil ihnen der Staat nunmehr eine eigene Wohnung finanzierte; Lebensgemeinschaften lösten sich pro forma auf, um nicht in die Vermögensanrechnung einbezogen zu werden. All das führte zu einem Anstieg der sogenannten Bedarfsgemeinschaften, den so niemand vorhergesehen hatte.

Aus dem Spargesetz wurde ein Milliardengrab. Was DGB-Chef Michael Sommer als Massenverelendungsprogramm geißelte, war ein Fass ohne Boden. Hatten Bund und Kommunen 2004 nur 38 Milliarden Euro für die Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger ausgegeben, waren es 2005 - nach der Einführung von Hartz IV - schon mehr als 44 Milliarden.

Seither hat die Koalition versucht, gegenzusteuern: Sie hat die Beweislast für eheähnliche Partnerschaften verschärft, Jugendliche durch Androhung von Leistungskürzungen zurück in die elterliche Wohnung geholt, einen stärkeren Datenabgleich und Außendienst zur Missbrauchsbekämpfung eingeführt und sogar die Rentenbeiträge halbiert - ohne Erfolg. 2005 lagen die tatsächlichen Ausgaben für das Arbeitslosengeld II um 10,5 Milliarden Euro über dem Haushaltsansatz, 2006 waren es immer noch zwei Milliarden mehr, im laufenden Jahr wird mit einer Deckungslücke von mindestens 1,5 Milliarden Euro gerechnet.

Gleichwohl sind weitere Sparmaßnahmen vorerst nicht geplant. Die Arbeitsgemeinschaften sollen in Ruhe ihre Arbeit machen können. Doch vom Aufschwung am Arbeitsmarkt profitieren die Langzeitarbeitslosen kaum. Daher hat die Koalition Abstellgleise eingerichtet, auf die sie Hartz-IV-Empfänger - großzügig mit Erwerbstätigenzuschüssen und Kommunal-Kombilöhnen subventioniert - in gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten abschieben und dort sozialversicherungspflichtig nach Tariflohn beschäftigen kann.

War die rot-grüne Koalition noch so mutig, die bisher verdeckte Arbeitslosigkeit offenzulegen, fängt die schwarz-rote Koalition wieder an, sie in ,,sozialen" Arbeitsmärkten zu verstecken.


QuoteZahlen
Jörg Walter (harrismc)
16.08.2007, 11:05
"Was DGB-Chef Michael Sommer als Massenverelendungsprogramm geißelte, war ein Fass ohne Boden. Hatten Bund und Kommunen 2004 nur 38 Milliarden Euro für die Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger ausgegeben, waren es 2005 - nach der Einführung von Hartz IV - schon mehr als 44 Milliarden"

Heisst dass es ein "Faß ohne Boden" ist, dass die Betroffenen "ohne Ende" Geld erhalten haben?

von 38 auf 44

macht ca. 15 %

AL-Zahlen 2004 und 2005 : 4,38 und 4,9 Mill. (http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosenquote)

das macht ca. 12 %

Inflationsraten 2004 und 2005 : 1,6 % und 1,3 %
(http://wko.at/statistik/eu/europa-inflationsraten.pdf)

Hat der Autor diese Zahlen einmal ins Verhältnis gesetzt?


QuoteAm Hauptproblem vorbei argumentiert...
Sommerfeld Jan (jansommerfeld)
16.08.2007, 09:48
Der Beitrag enthält viele Wahrheiten, wenn man eine Argumentation in die Breite für ausreichend halten möchte. Leider wird nicht in die Tiefe geschaut, mithin grundlegende Probleme des Anstiegs der Ausgaben für ALG II nicht untersucht/angesprochen. Der Verfasser - dies wäre mein Vorschlag - sollte zunächst untersuchen, wie viele der ALG II-Bezieher untätig Leistungen beziehen und welche Anzahl der Leistungsempfänger in regulären Beschäftigungsverhältnissen steht oder freiberuflich tätig ist. Ggf. wäre sodann zu prüfen, in welcher Größenordnung bereits ALG I-Empfänger, ALG II erhalten. Ergäbe die Prüfung, dass der Anstieg der Ausgaben für ALG II auf in Beschäftigungsverhältnissen stehende "Aufstocker" zurückzuführen ist, so ginge der Artikel am Hauptproblem der Zunahme öffentlicher Ausgaben vorbei.


Aus: "Fünf Jahre nach dem Hartz-Bericht: Von der Jahrhundertreform zum Milliardengrab" Von Sven Astheimer und Nico Fickinger (F.A.Z., 16.08.2007, Nr. 189 / Seite 11)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~E79B1E1762EDE4D50AB6984B39D558D78~ATpl~Ecommon~Skomlist.html (http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~E79B1E1762EDE4D50AB6984B39D558D78~ATpl~Ecommon~Skomlist.html)
Title: [Problemkinder... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 23, 2007, 11:29:18 AM
Quote[...] Wie gestern berichtet, leben in Berlin inzwischen 180 000 Kinder in Haushalten, die mit dem Arbeitslosengeld II auskommen müssen. Die Zahl der in Armut aufwachsenden Kinder liegt nach Angaben des Kinderschutzbundes sogar noch höher. Man müsse auch die Familien berücksichtigen, die aufgrund ihres geringen Einkommens einen Kinderzuschlag erhalten, mahnte gestern Katrin Hentze vom Kinderschutzbund. Auch die Asylbewerber kämen noch hinzu. Insgesamt müsse man deshalb von weiteren 20 000 Betroffenen ausgehen.

[...] Da sich die Arbeitslosigkeit in manchen Bezirken besonders ballt, potenzieren sich die Probleme. In Nord-Neukölln etwa leben drei von vier Kindern in sozial schwachen Familien. ,,Dort gibt es ganze Schulklassen, in denen kein Elternteil mehr Arbeit hat", beschreibt Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) den Umfang des Desasters. Nicht umsonst hieß es in dem Rütli-Brandbrief, dass die Schüler mitunter die Einzigen in ihren Familien seien, die morgens aufstünden. Selbst wenn man die besser gestellten Ortsteile Buckow, Britz und Rudow, also Süd-Neukölln, hinzunimmt, lebt in Neukölln fast jeder zweite Schüler in einer Familie, die Transferleistungen bekommt. Ähnlich ist es in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg.

Durch die Ballung der Problemkinder schon in den Kitas würden sie in ihrer Entwicklung zusätzlich zurückgeworfen, mahnen die dortigen Erzieher (siehe nebenstehendes Interview). Manche Kinder könnten keine Berufe aufzählen, weil in ihrer gesamten Umgebung niemand mehr arbeitet. In den entsprechenden Familien kommt zur finanziellen Armut auch noch eine extreme Anregungs- und Bildungsarmut. ,,Die Armut der Eltern schlägt auf die Kinder durch", fasst Georg Kohaupt vom Kinderschutzzentrum die Lage zusammen.

[...] Angesichts der Lage fordert FDP-Jugendpolitikerin Mieke Senftleben ein Bürgergeld, das ,,einfach, gerecht und übersichtlich" sei und einen Kinderzuschlag enthalten müsse. Wenn, wie bisher, in vierzig verschiedenen Ämtern hunderte verschiedener Sozialleistungen beantragt werden könnten, profitierten ,,nicht die Bedürftigen, sondern die Findigen."

Der DGB wies gestern die Forderung von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zurück, den Kinderzuschlag für Geringverdiener zu erhöhen. Damit lasse sich nur für jedes fünfte Kind eine Brücke aus Hartz IV bauen. Besser sei es, einen Mindestlohn einzuführen.

Quotemop, 23.08.2007:

hallo,

vielleicht kann man die kinder "outsourcen" um kosten zu sparen.

[...]


Aus: "Berlin - Leben von Hartz IV: Schwerer Start"  Von Ralf Schönball und Susanne Vieth-Entus (22.08.2007)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Hartz-IV-Mindestlohn;art270,2363540 (http://www.tagesspiegel.de/berlin/Hartz-IV-Mindestlohn;art270,2363540)

Title: ["...als ob das ein Problem wäre!" (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2007, 03:51:41 PM
Quote[...] Sie wollten die staatlichen Zuschüsse für die Parteien um 15 Prozent erhöhen, obwohl nur 5,9 Prozent üblich sind. Nun rudern SPD und Union zurück, wohl auch weil sie um ihr Ansehen fürchten.


Aus: "Parteienfinanzierung: SPD und Union plötzlich bescheiden" (20.08.2007)
Quelle: http://www.zeit.de/news/artikel/2007/08/20/2361762.xml (http://www.zeit.de/news/artikel/2007/08/20/2361762.xml)

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Quote[...] Auf der Kabinettsklausur in Meseberg wird nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch keine Entscheidung über eine Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen fallen. Das Thema werde erst Ende des Jahres geklärt, sagte Merkel in einem Interview der Bild am Sonntag.

Quote19.08.2007 14:56:44
Elvloots: Machtwort

Merkel macht was !!! Sie spricht mit Macht daß nichts gemacht wird!
Etwas Neues !

Quote19.08.2007  17:28:19
koaner: Hose wie Jacke

Frau Merkel hat im Korsett des globalen Kapitalismus in Wahrheit nur noch minimale Gestaltungsspielräume. Auch sie erledigt, was ihr von der Wirtschaft aufgetragen wird. Es ist inzwischen völlig egal, ob uns der "Autokanzler" oder "die gnädige Frau" an die Plutokratie verkauft, die da gerade in diesem Lande entsteht und deren "prophylaktische"
Notstandsgesetzgebung aus dem Hause Schäuble schon ihre Schatten voraus wirft. [...]
Kommentare auf "Hartz-IV-Diskussion: Merkel spricht Machtwort - Merkel hat genug von der Diskussion um Arbeitslosengeld II und Mindestlohn. Vor November werde keine Entscheidung getroffen, sagt die Kanzlerin.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/911/128698/?page=1#readcomment (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/911/128698/?page=1#readcomment)

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Quote[...] Aber anders als bis zur Jahrtausendwende bestreite niemand mehr den stetigen Anstieg der Kinderarmut. Minderjährige sind inzwischen die Bevölkerungsgruppe mit dem größten Risiko, unter die Einkommensgrenze zu rutschen. Das prägt fürs Leben. Mit beunruhigenden Folgen für eine Gesellschaft, die über zu wenig Nachwuchs klagt.

[...] Man darf es sich nicht zu einfach machen. Kinderarmut heißt nicht bloß, dass Kleinkinder auf ihr Lieblingsspielzeug verzichten müssen und Teenager keine Markenklamotten bekommen. ,,Das ist viel zu kurz gefasst", sagt Katrin Hentze vom Kinderschutzbund Berlin, ,,da geht es um eine andere Dimension."

Die Sozialarbeiterin leitet einen Kindergarten im Wedding, den ausschließlich Kinder von Leistungsempfängern besuchen. Sie spricht von der Isolation dieser Familien, in denen kaum jemand den nahe gelegenen Kinderbauernhof kennt, von der schlechten Bildung der Mütter, von Gewalt. In diesen Kreisen wird Armut ,,vererbt", die Resignation ist groß.

In Extremfällen versaufen Väter die Essensration ihrer Zöglinge. Zugleich kommen Eltern aus Zehlendorf und Steglitz in die Beratungsstelle des Kinderschutzbundes, Leute mit anständigen Berufen, die unter der Last der Arbeitslosigkeit einknicken. ,,Wenn man sich als Erwachsener so entwertet fühlt, ist es ganz schwer, die Kinder aufzuwerten und ein Vorbild zu sein", sagt Hentze.

[...] Langzeitstudien haben ergeben, dass es sehr wohl Jungen und Mädchen gibt, die eine Kindheit in Armut unbeschadet überstehen - eben wenn die Eltern geschickt haushalten, Schulnoten und Familienklima wichtiger nehmen als Flachbildschirme und schon vom Kindergarten an die Förderung stimmt.

Nichtsdestotrotz, so Gerda Holz, die diese Untersuchungen am Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik geleitet hat, ist Armut der größte Risikofaktor für die Lebenschancen von Kindern - einflussreicher als etwa der Bildungsgrad der Eltern oder ausländische Herkunft. Dabei gelte grundsätzlich, sagt Holz: ,,Je früher die Armut anfängt und je länger sie dauert, desto größer sind die Folgen."

Arme Kinder gehen später oder seltener in den Kindergarten als Gleichaltrige aus Mittelschichtsfamilien, sie bleiben schon in der Grundschule öfter sitzen und haben als Zehnjährige schlechtere Noten. Das Selbstbewusstsein leidet, die Gesundheit, die soziale Kompetenz.

Für die Kinder selbst ist am schlimmsten, wenn überforderte Eltern keine Geduld und Liebe mehr übrig haben. Und die Einsamkeit. Arme Kinder gehen nicht in die Musikschule oder zum Fußball (weil die Eltern die Beiträge nicht zahlen können). Sie feiern ihren Geburtstag nicht (weil weder ein eigenes Zimmer noch Geld für Apfelschorle und Kuchen da ist).

Wer sich die Klassenfahrt nicht leisten kann, verpasst Schlüsselmomente der Gruppendynamik. Wer nicht mitreden kann über den neuesten Harry Potter, kein Fahrrad besitzt für gemeinsame Unternehmungen am Nachmittag und dann nicht einmal hippe Turnschuhe trägt, gehört eben nicht dazu. Erwachsene nennen das Ausgrenzung.

[...] Vorschläge gibt es viele: Der Politologe Butterwegge kokettiert mit dem Mindestlohn. Nach Meinung der Forscherin Gerda Holz dürften Bildungs- und Freizeitangebote wie Schwimmbäder, Vereine und Kitas für Kinder nichts kosten. Rainer Krebs vom Diakonischen Werk Berlin findet, Alleinerziehende könnten für ihren Dienst an der Gesellschaft ruhig mit einem vernünftigen Einkommen ausgestattet werden.

QuoteKlasse Bericht!
Harry Hirsch (timX)
26.08.2007, 16:41
Gut recherchiert und ohne das übliche populistische und tränenreiche BlaBla. Eigentlich hätte man solchen Bericht von der TAZ, Süddeutsche o. ä. erwartet. So ändern sich die Zeiten. Die Konservativen als System-Kritiker. Man lernt nie aus. Danke FAZ.

QuoteArmut hat auch eine andere Seite
Franz Müller (Franzy)
26.08.2007, 19:14
... nämlich die, dass die Leute wieder lernen, mit dem Geld als etwas Kostbarem umzugehen.

Mein Gott, wenn ich das höre: hat kein Auto, muss wieder zu Fuss gehen ..., als ob das ein Problem wäre! Millionen gehen jeden Tag zu Fuss, und zu Fuss gehen ist gesund und hilft der Figur und dem Kreislauf. Also mal nicht so gemeckert.

Und dass das Essen nicht jeden Tag vom Delikatessenladen stammen kann, ist eine absolute Selbstverständlichkeit in den allermeisten Haushalten Deutschlands und hat mit HarztIV definitiv nichts zu tun.

Armut hindert Kinder nicht, fleißig zu Hause zu lernen, ihre Hausaufgaben zu machen und reich an Bildung zu werden. Wenn ich die binomische Formel lerne, brauche ich dazu keinen Edelbleistift von Faber. Was haben gute Schulergebnisse denn mit Reichtum oder Armut zu tun? Setzt Euch wieder auf Eure Hosenboden und fangt endlich wieder an zu lernen! Und weg mit den Zeit- und Gelddieben Playstation und Handy.

Sapperlot nochmal!


Aus: "Kinderarmut: Der Mangel, die Scham und das Glück" Von Julia Schaaf (26. August 2007 )
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub867BF88948594D80AD8AB4E72C5626ED/Doc~E14413D92474F4814A658CC21C82860B3~ATpl~Ecommon~Scontent.html (http://www.faz.net/s/Rub867BF88948594D80AD8AB4E72C5626ED/Doc~E14413D92474F4814A658CC21C82860B3~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

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Quote[...] Ursula von der Leyen hat in zwei Jahren Erstaunliches geleistet – das Elterngeld durchgesetzt, den Ausbau der Krippen forciert. Doch bei einem Thema versagt die Familienministerin: bei der Bekämpfung der Kinderarmut. Zwei Millionen Kinder leben in Hartz-IV-Haushalten, und trotz Aufschwung kommen mehr dazu. Offenbar leidet die deutsche Familienpolitik an einer Wahrnehmungsstörung: Jedes sechste deutsche Kind wächst unter problematischen Bedingungen auf, doch niemand kümmert das.

Quote27.08.2007 12:18:11

wq122335: Ein guter Bericht über Kinderarmut

Als Konservativer muß ich zugestehen, dass es der CDU nur um das Bildungsbürgertum
(Kinder besser gestellter Eltern) von Frau Bildungs-Ministerin Schavan geht.
Wenn im Hartz IV Kinder-Regelsatz von 208 € kein Cent für Bildung/Schule enthalten ist, sagt das alles aus. Ein Schulmittagessen ist auch nicht drin.
Wer diese Tatsachen relativiert "alles halb so schlimm, man muß sich nur einen Arbeitsplatz besorgen", der betreibt nur "Kommunikationspolitik" .
Das Ziel in jedem Unternehmen ist Gewinnmaximierung. Was mit den Kindern der entlassenen Arbeitnehmer passiert, ist vollkommen egal.
In der Folge ist es die Aufgabe des Staates , diesen armen Kinder eine menschenwürdige
Perspektive mit einer ordentlichen Ausbildung zu ermöglichen.
Denn die "billigen" armen Kinder von heute sind die teuren Erwachsenen (Hartz IV) von morgen.

Quote27.08.2007  11:27:47
Einzelmeinung: Der Leyen neue Kleider

Ergänzend die nackten Tatsachen:
Erziehungsgeld für das "arbeitsscheue Pack" (bis 2007): max. 24 x 300 Euro
Elterngeld (ab 2007): 12 x 300 Euro

Kürzung: bis zu 50%

Quote27.08.2007  10:45:05
DrMacabre: Es gab einmal eine Zeit in diesem Land

....da konnte ein Familienvater seine Familie problemlos selbst ernähren.
Die ganze Diskussion um berufstätige Mütter und Kindertagesstätten wäre völlig unnöten, würden die Menschen ausreichend verdienen!

Doch dann wird lieber Zurückhaltung bei Lohnverhandlungen gefordert.
Und das immer offensichtlicher zum Wohle eine kleinen Elite, die sich dann auf unsere Kosten ein schönes Leben machen kann.

Quote27.08.2007 10:13:19
gigi10: Kinder führen in die Armut

Wer bekommt heute noch Kinder? Das sind Beamte in sicheren Arbeitsverhältnissen, optimistische junge Leute, die es einfach wagen, weil sie Kinder lieben, Frauen, bei denen die biologische Uhr tickt und jene, die aufgrund mangelnder Ausbildung einfach keine andere Lebensperspekive haben und letztendlich jene, bei denen "es" halt einfach passiert.

Eigentlich haben nur noch Beamte die Möglichkeit, ihre Kinder in gesicherten Verhältnissen großzuziehen. Bei allen anderen ist die Zukunft unsicher...Es fehlt in Deutschland inzwischen an allem: an guten Kinderbetreuungseinrichtungen, an guten und modernen Schulen, am familiengerechtem Steuersystem, an familiengerechten Arbeitsplätzen , an existenzsicherndem Einkommen...

Was ist nur aus diesem reichen Staat geworden? Unfähige und satte Politiker sollte man zum.... jagen!

Quote26.08.2007 23:25:01
u_m: Leistung muss sich wieder lohnen

das waren Wahlkampfparolen für Steuersenkungen. Da muss nicht generell dagegen sein. Das bedeutet aber, wenn sich der Staat zurückzieht, müssen private Organisationen Solidarität mit den armen Schichten der Bevölkerung und der Kindern aufbauen. Dies geschieht offensichtlich nicht. Die Steuern wurden gesenkt, aber welche Leistung wurde für diese Gesellschaft eigentlich erbracht? Vielleicht könnte man doch auf bestimmte Leistungsmenschen eher verzichten und sich auf die konzentrieren, deren Förderung einfach nur menschlich ist.

Quote
26.08.2007 23:20:31
der-idrus: @ Ein Armutszeugnis

"Zwei Millionen Kinder leben in schwierigen Verhältnissen, die Familienministerin sieht tatenlos zu" . Das gehört zum Schlimmsten was ein Volk seinem Volk antun kann ! ! zugunsten von Kapitalistischen Interessen ! ! die Vernachlässigung seiner eigenen Zukunft ! !

Quote26.08.2007 22:53:37
cajkacechovs: Armut kaschieren

Wovon handelt dieser Artikel hier? Hat es sich noch nicht rumgesprochen, dass es zum Leben für die breite Masse, selbst wenn zwei arbeiten gehen allerdings nicht mehr ausreicht? Der Journalist kann sich sicher auch keine... Kinder mehr leisten, deswegen diese Reportage! Das: "Die Familienministerin sieht tatenlos zu" könnte im TV als Daily Soap erscheinen. Würde mich auch nicht wundern. überall nur noch ein struggle for life, vom sicheren Schreibstuhl aus kommen keine besonderen Einfälle.

Quote26.08.2007 22:33:10
gantock:

Diesen Kommentar können wir leider nicht veröffentlichen. Bitte beachten Sie unsere netiquette und unsere AGB.



Aus: "Ein Armutszeugnis - Zwei Millionen Kinder leben in schwierigen Verhältnissen, die Familienministerin sieht tatenlos zu" Von Felix Berth
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/meinung/967/129745/ (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/meinung/967/129745/)

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Quote[...] Gegen eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze wandte sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU). "Die aktuellen Preissteigerungen sind auch mit den geltenden Regelsätzen zu verkraften", sagte Kauder dem Magazin "Focus". Es könne nicht bei jeder Preisschwankung eine neue Diskussion über Hartz IV beginnen. Auch FDP-Parteichef Guido Westerwelle wandte sich gegen eine Hartz-IV-Aufstockung. Schon jetzt habe eine vierköpfige Familie mit staatlichen Leistungen zum Teil mehr Geld als dies ein Beschäftigter mit einer einfachen Arbeitsstelle habe, sagte Westerwelle am Sonntag im Deutschlandfunk.

Die hessische SPD-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Januar 2008, Andrea Ypsilanti, plädierte für eine rasche Anhebung der Hartz-IV-Sätze. "Wir müssten die Regelsätze in kürzeren Abständen überprüfen, als dies bisher vorgesehen ist", sagte Ypsilanti der "Stuttgarter Zeitung" (Montag). "Wenn wir die Berichte der Sozialverbände über Kinderarmut hören, von den Klagen, dass Kinder mit der Sozialhilfe nach Hartz IV nicht gesund genug ernährt werden können oder sie kein Geld für den Mittagstisch in der Schule haben, dann dürfen wir das nicht einfach ignorieren."

Der Bundesverband der Selbstständigen (BDS) warnte dagegen vor einem "Linksruck" der Politik. Höhere Hartz-IV-Leistungen und ein flächendeckender Mindestlohn wären der falsche Weg, sagte Verbandspräsidentin Dorothea Störr-Ritter in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Freiburg. Die Wahlerfolge der Linken und das Umfragetief der SPD dürften nicht dazu führen, dass sich die großen Parteien umorientierten und "den Rückwärtsgang einlegen". (dpa)


Aus: "Hartz-IV: Entscheidung erst im Herbst" (19.08.07)
Quelle: http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1187508268480.shtml (http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1187508268480.shtml)

Title: ["Wir leben aus Müllcontainern"... (Notizen, Bulgarien)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2007, 03:58:55 PM
Quote[...] Im Durchschnitt verdienen Bulgaren 150 Euro im Monat - bei Preisen von annähernd westlichem Niveau. Viele Familien können ihre Kinder deshalb nicht mehr ernähren. Oft sind Kinderheime die letzte Zuflucht. Dort stranden Kinder mit vielen Problemen. "Zwei unserer kleinen Jungs haben vorher in einem kleinen Container gelebt, zusammen mit Hunden und Katzen, ohne Essen und mit großen psychischen Problemen. Sie sind jetzt seit drei Jahren hier und entwickeln sich auch physisch sehr stark", sagt Darina Kukewa.

[...] Die Mehrheit der Kinder im Waisenheim Maria Luisa – wie auch in allen anderen bulgarischen Kinderheimen - sind Roma. Sie waren die ersten, die nach der politischen Wende 1989 ihre Arbeit verloren. So wie Anton. Er kümmert sich so gut er kann um seine acht Kinder, auch wenn es ihm sehr schwer fällt. Früher arbeitete er als Werkzeugmacher in einer Fabrik. Als die vor Jahren pleite ging, fand er nie wieder einen Job.



Anton ist nicht nur ein guter Handwerker sondern auch ein begnadeter Sänger. Die Familie verbringt häufig Abende mit gemeinsamem Musizieren. Ein Vergnügen, das nichts kostet und den oft knurrenden Magen vergessen lässt, erzählt der Roma mit einem gequälten Lachen. Anton und seine Familie sind völlig abgemagert. Die Roma kämpfen täglich ums Überleben. Viele andere haben schon aufgegeben. Ihre Kinder landen im Kinderheim.


Aus: ""Wir leben aus Müllcontainern" - Kinderarmut in Bulgarien" (Europa | 24.02.2007)
Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2362210,00.html (http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2362210,00.html)

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Quote[...] Bulgarien (bulg. ???????? [b?lg'arija]) ist eine Republik in Südosteuropa, die an Griechenland, Mazedonien, Rumänien, Serbien sowie an die Türkei grenzt. Der am Schwarzen Meer liegende Staat ist seit 1. Januar 2007 Mitglied der Europäischen Union.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bulgarien (http://de.wikipedia.org/wiki/Bulgarien) (08/2007)

Title: [Internet-Cafes als Ersatzwohnung... (Freeter in Japan)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 28, 2007, 01:13:21 PM
Quote[...]  Für die Erhebung zu den sogenannten ,,Netz-Cafe-Flüchtlingen" hatte das Ministerium rund 2000 Übernachtungsgäste in 87 Internet-Cafes sowie außerhalb solcher Einrichtungen im ganzen Land befragt. Danach schlafen acht Prozent der Befragten in solchen Cafes, weil sie kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Basierend darauf schätze das Ministerium, dass landesweit rund 5 400 Menschen Internet-Cafes als Ersatzwohnung benutzen, hieß es. Viele von ihnen sind ,,Freeter", eine Ableitung vom englischen ,,free" und dem deutschen ,,Arbeiter". So werden in der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt junge Leute genannt, die von einer Teilzeit-Arbeit zur nächsten springen.

Inzwischen arbeitet jeder dritte Beschäftigte in Japan mit einem temporären Vertrag. Dies hat dazu geführt, dass immer mehr Japaner in relativer Armut leben. Mancher leidet unter Depressionen oder an anderen Krankheiten. Wer nicht mehr arbeiten kann, verliert am Ende auch seine Wohnung. Zuflucht suchen viele Freeter dann in Internet- Cafés, die Übernachtungsmöglichkeiten samt Duschen bieten.


Aus: "Gesellschaft: Tausende ,,Internet-Cafe-Flüchtlinge" in Japan" (HANDELSBLATT, Dienstag, 28. August 2007)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/News/Journal/Vermischtes/_pv/_p/204493/_t/ft/_b/1315009/default.aspx/-tausende-internet-cafe-fluechtlinge-in-japan.html (http://www.handelsblatt.com/News/Journal/Vermischtes/_pv/_p/204493/_t/ft/_b/1315009/default.aspx/-tausende-internet-cafe-fluechtlinge-in-japan.html)
Title: [Auf den unteren Etagen der Verdienstskala... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 09, 2007, 01:46:08 PM
Quote[...] Mit vielem hat sich Matthias Rolle arrangiert in seinem langen Berufsleben: Die quälenden Nachtschichten von abends elf bis morgens um sieben, das stundenlange Stehen mit Wollpullover und Thermoweste in einer fünf Grad kalten Kühlhalle, der ständige Blutgeruch von frischem Fleisch. Auch dass er als Schichtarbeiter während der Woche Frau und Kind kaum sieht, hat er gelernt zu ertragen. "Das Familienleben", sagt er, "findet eben am Wochenende statt."

Mit einem aber mag der Dresdner Fleischer sich nicht abfinden. Er arbeitet nicht selten 40 Stunden die Woche und mehr, aber es kommt immer weniger dabei heraus. Matthias Rolle legt einen dreifach gefalteten DIN-A4-Zettel auf den weißen Campingtisch. Es ist seine Verdienstbescheinigung.

Brutto bekommt er im Monat rund 1600 Euro. Nach allen Abzügen bleiben unter dem Strich gut 1200 Euro übrig. Das ist kaum mehr, als mancher Hartz-IV-Empfänger nach Hause bringt. Sein Gehalt ist schon seit Jahren nicht gestiegen, gleichzeitig werden Strom und Lebensmittel immer teurer. "Wohlstand ist ein Traum", sagt er, "der mit ehrlicher Arbeit nicht mehr zu verwirklichen ist."

Die triste Bilanz des Schichtarbeiters deckt sich mit der Erfahrung von Millionen Menschen im Land. Sie arbeiten hart und kommen doch kaum über die Runden. Was sie verdienen, reicht immer weniger zum Leben. Wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte haben die Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren materielle Einbußen hinnehmen müssen.

Bei den meisten stagniert der Verdienst seit Jahren. Immer mehr müssen wieder 40 Stunden oder mehr die Woche arbeiten, immer weniger haben Anspruch auf betriebliche Sonderleistungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Seit 15 Jahren sind die realen Bruttoverdienste der Arbeitnehmer praktisch nicht mehr gewachsen.

Wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe haben die abhängig Beschäftigten das vergangene Jahrzehnt als Verlustphase erlebt. Einkommen, Jobs, Abgaben: Überall stand ein dickes Minus vor der Bilanz. Das galt besonders für jene Werktätigen, die als Bauhelfer, Bandarbeiter oder Lkw-Fahrer auf den unteren Etagen der Verdienstskala angesiedelt waren.

Sie mussten mit ansehen, dass sie am Monatsende oft kaum mehr im Portemonnaie hatten als mancher Fürsorgebezieher. Sie mussten erleben, wie sich ihre einst mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen geregelte Arbeitswelt in eine partiell rechtsfreie Wildwest-Ökonomie verwandelte. Sie mussten hinnehmen, dass sie in vielen Berufen nur noch als Zeitarbeiter, Minijobber oder Scheinselbstständige gefragt waren.

Der Niedriglohnsektor, der lange Zeit als unterentwickelt galt, wächst seit Jahren. Mittlerweile arbeiten nach einer Studie der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit fast vier Millionen Deutsche zu Löhnen, die weniger als zwei Drittel des Durchschnittsverdienstes erreichen. Das ist ein Zuwachs von zehn Prozent innerhalb weniger Jahre.

Bei manchen Armutslöhnern reicht das Gehalt nicht mal mehr aus, wenigstens das Existenzminimum zu decken. Fast eine halbe Million Bundesbürger verdienen mit ihrer Vollzeitstelle so wenig Geld, dass sie zusätzliche finanzielle Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld II benötigen.

Nicht nur, dass immer mehr Deutsche in die Zone materieller Bedrängnis abrutschen, sie finden auch immer seltener wieder heraus. Wer einmal in die Verliererregion aus Niedriglohnjobs und Hartz IV eingetaucht ist, bleibt ihr mit einiger Sicherheit dauerhaft erhalten, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Zwei Drittel aller Armutslöhner sind auch fünf Jahre später noch Armutslöhner, lediglich ein Drittel schafft den Sprung zu einem besser bezahlten Job.

Der Exportweltmeister darf sich damit einer weiteren, eher fragwürdigen internationalen Spitzenstellung rühmen: In keinem anderen Land Europas finden Geringverdiener so schlechte Aufstiegschancen vor wie hierzulande.

Längst hat die Erosion der Arbeitnehmereinkommen das soziale Klima im Land verändert. In der Unterschicht breitet sich das Gefühl aus, dauerhaft von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt zu sein. In der Mittelschicht wiederum fürchten viele, möglicherweise bald selbst in die gesellschaftliche Verliererregion abzusteigen.Von einem "Klima der Verunsicherung" sprechen Soziologen, seit die Entlassungswellen der großen Konzerne auch die Büroflure entvölkern und sich vermehrt Angestellte oder kleine Unternehmer in den Büros der Schuldnerberatungen drängen. 72 Prozent der Deutschen beunruhigt, dass selbst in Firmen, denen es gut geht, die Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind.

Es geht um mehr als um ein paar Euro zusätzlich in der Lohntüte. Es geht um das Vertrauen in die ökonomische und gesellschaftliche Grundordnung der Republik. Noch vor wenigen Jahren galt die soziale Marktwirtschaft als Garant für ökonomisches Wachstum und gesellschaftlichen Ausgleich. Heute glauben nach Erkenntnissen der Meinungsforscher nur noch 28 Prozent der Bundesbürger, dass es gerecht zugeht im Land.

Wo die Ursachen für die verbreitete Unzufriedenheit zu suchen sind, verrät die amtliche Lohn- und Verteilungsstatistik. Mitten im stärksten weltwirtschaftlichen Aufschwung seit Jahrzehnten sind Deutschlands Arbeitnehmer einer Zangenbewegung ausgesetzt, die viele als Anschlag auf den eigenen Lebensstandard erleben. Zum einen nimmt der Staat den Arbeitnehmern erhebliche Teile ihres Einkommens in Form von Steuern und Beiträgen ab, um seine Sozialsysteme zu finanzieren. Das mindert den Nettoverdienst.

Zum anderen schwächt der globale Kapitalismus die wirtschaftliche Position der abhängig Beschäftigten. Was Karl Marx bereits vor 150 Jahren als "rasende Jagd der Bourgeoisie über die ganze Erdkugel" beschrieb, hat heute eine neue Etappe erreicht. Die Opfer sind die Arbeitnehmer in den alten Industrieländern, die ohnmächtig mit ansehen müssen, wie sie die neue Weltwirtschaftsordnung einer bislang unbekannten Konkurrenz aussetzt - und ihre Bruttolöhne drückt.

Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und Indiens sowie der Fall des Eisernen Vorhangs führen dem Weltmarkt ein Millionenreservoir billiger Arbeitskräfte zu. Konkurrenz belebt das Geschäft, aber sie drückt die Preise - auch diejenigen für die Ware Arbeitskraft. Wer bislang als einfacher Arbeiter in der Textil-, Elektronik- oder Gebrauchsgüterindustrie Europas oder Nordamerikas sein Auskommen fand, sieht sich nun oft vor eine höchst unangenehme Alternative gestellt: Entweder er akzeptiert einen niedrigeren Lohn - oder sein Job wandert ins Ausland.

In vielen der alten Industrienationen erwies sich die Globalisierung für die Arbeitnehmer so als "giftiges Gemisch aus Ungleichheit und niedrigen Löhnen", wie der liberale Londoner "Economist" feststellt. Kaum irgendwo aber war der Anpassungsdruck so groß wie in der Bundesrepublik, wo die Arbeitskosten im Gefolge der deutschen Vereinigung auf ein weltweites Spitzenniveau geklettert waren.

Es begann jener Prozess, den Ökonomen auf den verniedlichenden Begriff der "Lohnzurückhaltung" getauft haben. Das klingt nach vornehmer Bescheidenheit und einsichtsvollem Verzicht. Tatsächlich büßten die Arbeitnehmer weit mehr von ihrem Lebensstandard ein, als nötig gewesen wäre.

Denn nach den Faustregeln der Ökonomie hätten die Einkommen im vergangenen Jahrzehnt um 2,5 Prozent pro Jahr steigen dürfen. Um diesen Wert nämlich legte die Wirtschaftsleistung zu, die ein Beschäftigter im Schnitt erzeugte. Tatsächlich aber sanken die realen Nettoverdienste pro Arbeitnehmer im Schnitt um 0,5 Prozent jährlich.

Die Differenz strichen die Unternehmen und der Staat ein. Ihr Gewinn addierte sich, über das gesamte zurückliegende Jahrzehnt gerechnet, auf die ansehnliche Summe von rund 250 Milliarden Euro. Immerhin: Was die Beschäftigten einbüßten, nutzte der Wirtschaft insgesamt. So gering war der Lohnanstieg in den vergangenen Jahren, dass er dauerhaft hinter dem Wachstum der Produktivität zurückblieb; ganz anders als in Ländern wie Frankreich, Italien oder den USA.

Entsprechend wurden die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten immer wettbewerbsfähiger. Maschinenbau, Chemie, Autoindustrie: die Vorzeigebranchen der Republik nutzten die günstige Entwicklung der heimischen Arbeitskosten, um von einem Exportrekord zum nächsten zu eilen.

Erst wuchsen die Umsätze im Auslandsgeschäft, dann legten die Investitionen im Inland zu, und mittlerweile zeigt auch der notorisch erstarrte Arbeitsmarkt ungewohnte Lebenszeichen. Vom Mittelstand bis zur Großindustrie kündigen die Unternehmen mittlerweile an, wieder neues Personal einstellen zu wollen.

Von einem "Lohnkostenwunder" sprechen mittlerweile die Ökonomen und signalisieren damit zweierlei: Erstens, die jüngste wirtschaftliche Erholung kommt kaum weniger überraschend als der mirakulöse Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Weltkrieg.

Zweitens, die Belebung ist vor allem jenen zu verdanken, die mit ihrem Konsum- und Wohlstandsopfer die Kostenseite der heimischen Unternehmensbilanzen wieder in Ordnung gebracht haben. Ausgerechnet die deutschen Arbeitnehmer, die jahrelang als zu bequem, zu unflexibel und zu teuer verspottet wurden, gelten plötzlich wieder als Standortvorteil.

Ein Trost ist das nicht - zu ungleich sind die Früchte des Aufschwungs verteilt. Während Aktienkurse, Gewinne und Managergehälter explodieren, haben die Lohnzuwächse in den vergangenen Jahren vielfach nicht einmal die Preissteigerung ausgeglichen. "Wenn wir es klassenkämpferisch ausdrücken, haben wir in den letzten Jahren eine Umverteilung von Arbeit zu Kapital gesehen", sagt der Frankfurter Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen.

[...]


Aus: "SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung" Von Michael Sauga
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,509965,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,509965,00.html)

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Quote[...] Die Dienstverpflichtung von Menschen – vornehmlich aus "den niederen Klassen" – zu einer Beschäftigung ist eine weit aus der Vergangenheit in die Gegenwart überkommene Konstruktion der jeweils Herrschenden. "Arbeitspflicht" als ihr Instrument ist dabei – bei allen Schwankungen im jeweiligen Gebrauch – historisch nie wirklich überwunden gewesen.

Die Konjunkturphasen und Abschwünge in der Nutzung desselben haben sich vorrangig danach entwickelt, wie sich die politisch-ökonomischen Prozesse formten und welche moralisch-ethischen Werte vorherrschend waren. Stets prägten Entrechten, Strafen, Disziplinieren, Aufbewahren, "Bessern" der Müßiggänger, Querulanten, Simulanten und sonst "Outlaws" die eine Seite des ausführenden Selbstverständnisses. Und stets prägte die Chance, die in diesem Ensemble zwar begrenzten, aber doch gegebenen Arbeitspotenziale zur Reduzierung der Kosten für deren Lebensunterhalt oder gar zur (Mit-)Finanzierung anderer Aufgaben zu nutzen, die andere Seite des verwaltenden Selbstverständnisses.

Dieser Widerspruch hat zuletzt über das Bundessozialhilfegesetz als Prinzip in das Arbeitslosengeld (ALG) II Einzug gehalten. Seine aktuelle Form als "Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung" – im Volksmund auch "Ein-Euro-Job" genannt – war Gegenstand einer empirischen Studie, die unter anderem von der Stiftung W in Auftrag gegeben und von der Diplom-Ingenieurin Irina Vellay mitorganisiert worden ist. 

[...] Welche Schlussfolgerungen lassen sich Ihrer Meinung nach daraus ziehen, dass die vorliegenden Ergebnisse so wenig mit den eigentlich für diese Maßnahmen proklamierten Zielstellungen – "neue Chancen", in Arbeit bringen etc. - in Einklang zu bringen sind?

Irina Vellay: Wie bereits gesagt, es geht den Herrschenden, vertreten durch die bürgerlichen politischen Parteien, um einen anderen als den proklamierten Anwendungsbereich. Insofern sind auch keine der angekündigten Erfolge am 1. Arbeitsmarkt zu erwarten. Hier zeichnen sich Strategien ab, wie man in Zukunft mit den "Überflüssigen" in der Gesellschaft umgehen will.

Wie meinen Sie das?

Irina Vellay: Ein wachsender Teil der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland bleibt auch in Zukunft dauerhaft aus existenzsichernder Erwerbsarbeit ausgegrenzt, weil ihre Arbeitskraft nicht profitträchtig genug verwertet werden kann und weil sie für das geforderte Leistungsniveau zu alt, zu krank oder einfach nicht so wie angefordert ausgebildet sind. Kurz gesagt, sie sind für die Kapitalverwertung "überflüssig" und schmälern durch die anfallenden Unterhaltungskosten auch noch die durchschnittliche Profitrate des Kapitals.

Hier sinnt man auf Abhilfe und ist auf die Idee gekommen, dass die "Restproduktivität" dieser Menschen hinreichen könnte, einen Unterhalt am Existenzminimum annähernd zu gewährleisten. Bislang steht der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für Transferleistungsempfänger allerdings noch das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes entgegen. Sobald jedoch der EU-Vertrag in bisher bekannter Form Gültigkeit erlangt, werden diese Regelungen aufgehoben, da dieser Vertrag keine vergleichbaren Regelungen enthält.

Was also tun?

Irina Vellay: Es gibt nach wie vor erheblichen Aufklärungsbedarf, auch wenn jeder und jede zu wissen glaubt, dass es sich hier um Repressionen handelt, die natürlich abzulehnen sind. Die wesentliche Verschiebung ist, dass den Betroffenen die Bürgerrechte abgesprochen werden, weil sie nicht mehr Vertragssubjekt sind. Das bürgerliche Recht, z. B. das BGB, basiert auf der Idee des Vertrages zwischen zumindest formal gleichen Parteien. Ein Vertrag kann danach nur aus freiem Willen geschlossen werden oder er erlangt keine Rechtsgültigkeit.

Im Rahmen der für erwerblose Leistungsempfänger vorgesehenen Eingliederungsvereinbarung soll jedoch die Behörde eine Unterschrift mit der Androhung von Sanktionen bis hin zum vollständigen Leistungsentzug erzwingen können. Damit ist für die erwerbsfähigen Transferleistungsbezieher als nicht gerade kleiner Teil der Gesellschaft die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft aufgekündigt. Das hat weitreichende Konsequenzen. Wie dünn das "Eis" ist, zeigt sich daran, wie schnell menschenverachtende Verhaltensweisen um sich greifen. So wurde uns außerhalb der Studie von einem Fall beim Dortmunder Tiefbauamt berichtet, wo ein schwer Körperbehinderter gezwungen wurde, beim Müllsammeln den Sack mit den Zähnen zu halten, damit er mit dem gesunden Arm den Müll einfüllen konnte.

Quote9. Oktober 2007 1:59
Ideologisch verbrämte Scheiße
Der Paraklet von Kaborka (mehr als 1000 Beiträge seit 08.10.02)

Wenn ich Wörter wie "Obrigkeit" oder "Herrschende" lesen muss, weiß
ich gleich woher der Wind weht. Das Ergebnis dieser
"wissenschaftlichen Studie" war damit von Anfang an klar.

MfG
Kaborka

Quote9. Oktober 2007 9:26
Weil du als Profiteur der Unrechtsverhältnisse...
demon driver (mehr als 1000 Beiträge seit 25.02.00)

... die Wahrheit nicht hören willst?

Um den Ausführungen im Artikel, die zutreffend ein in den letzten
Jahren verschärftes, institutionalisiertes Unrecht beschreiben, etwas
entgegenzusetzen, bedürfte es schon ein wenig mehr als gebräuchliche
"Wörter wie 'Obrigkeit' oder 'Herrschende'" nicht zu mögen.

d. d.


Quote9. Oktober 2007 6:21
Die Lebenserfahrung ist die einer chronischen Vergewaltigung
Ava Odoemena, Ava Odoemena (261 Beiträge seit 03.10.06)

Gerade heute habe ich mich wieder gefragt ob wir ALGII Asylanten und
Zwangsarbeiter nicht doch Opfer einer besonders obskuren, perversen
Machtsexualisierung sind, eine Art Kinderschändung von Erwachsenen,
die irgendwo bei McKinsey und Mohn Beratern ihren Anfang findet und
sich wie mittels Proxys von verdrahteten Fleischpuppen das System
herunter arbeitet bis sie bei den ALGII Asylanten einschlägt.

Die Übertretungen sind sehr vielfältig und teilweise sehr subtil, da
sind Tatsachen dass wir den Ort nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen
eigentlich fast noch nebensächlich, am unerträglichsten ist der
existenzbedrohende Zwang der über allem schwebt und der alles
abtötet. Motivation, Kreativität, Lebenslust, Würde. Die Armut ist
noch nicht einmal das schlimmste, am schlimmsten ist der defacto
Zustand des offenen Strafvollzugs.

Aber all dies wird ja nicht nur uns angetan (und der Bericht über die
Studie von Irina Vellay ist in den Dingen, die uns sehr wohl angetan
werden sehr akkurat), sondern die Erniedrigung und Ausbeutung von
ALGII Asylanten geht noch weiter, denn man instrumentalisiert uns ja
auch noch als Drohkulisse mit der nicht nur die momentan noch
Arbeitenden eingeschüchtert werden, nein, der Michel liebt es, sein
zweifelhaftes Glück als aktiv Teilhabender des Arbeitswahns, auf dem
Buckel unserer Misere in Abgrenzung zu uns zu definieren. Er reiht
sich also ein in die Schlange derer, die uns lustvoll in den Arsch
fickt. Es ist das alte Prinzip von nach oben ackern und nach unten
treten.

Und in dem Rahmen ist auch die gerade aufgequirlte Diskussion um die
Verlängerung von ALG¹ Zahlungen zu sehen: Dekorationen einer Farce
von Menschen, die Menschen wie uns mit dem Hungermord bedrohen und
diese machtsexuelle Dominanzpsychose christliche Arbeitsethik nennen.

Die mittelbare Zukunft dieses Kastensystems des offenen Strafvollzugs
der Unberührbaren ist bereits im Symbol der Arbeitsagentur
versinnbildlicht: Es ist eine nach innen gekehrte Sackgasse. Die
Automatisierung schreitet unerbittlich voran und anstatt dies als
Vorteil für die Gesellschaft zu nutzen, wenn die Maschinen und IT
denn schoneinmal den Hauptteil unserer Produktivität erbringen, wird
anstelle dessen im Rahmen einer  hochgefährlichen
Betriebswirtschaftsreligion und "Umgestaltung des Staates nach
betriebswirtschaftlichen Prinzipien" ein Krieg des Psychoterrors
gegen Millionen Existenzen geführt.

Ist das die Welt, die ihr euch unterwerfen wollt? 


Quote9. Oktober 2007 10:44
Wer nicht arbeiten WILL, soll auch nicht essen. Thess. 3,10
edipo re (3 Beiträge seit 27.09.07)

Hallo TP-Forum,

vielleicht fällt das den wenigsten noch auf, das *berüchtigte* Zitat
aus Thessalonicher 3,10 wird hier in dem Titel des Artikels polemisch
verkürzt und damit falsch zitiert. Das geschieht meiner Meinung nach
auffälig oft, wenn eine bestimmte Tendenz in der 'christlichen'
Sozialpolitik als unmenschlich diskreditiert werden soll.

Die ursprünglich zitierte Stelle drückt eigentlich genau das
Gegenteil aus, der Wille zur Arbeit korrespondiert mit dem Recht zur
Arbeit und damit zur Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes. Die
Würde und Wahrheit der eigenen Existens liegt nach Paulus in diesem
Wille zur Arbeit. Was nicht angesprochen wird -vielleicht weil es für
Paulus kein Problem dargestellt hat- ist, was passiert eigentlich mit
dem, der nicht arbeitet, weil er keine Arbeit findet?

MFG

Quote9. Oktober 2007 10:59
Das ist richtig,
WTH (6 Beiträge seit 18.03.07)

nur war die im Artikel verwendete Variante eine kommunistische
Abwandlung des ursprünglichen Bibelzitates, um die sozialistische
Arbeitspflicht im realen Kommunismus zu rechtfertigen. Genau das
also, was die Rotlackierten heute lauthals beklagen. Dabei wandert
hierzulande keiner ins Gefängnis, wenn er die angebotenen Arbeiten
nicht annimmt. Im untergegangenen sozialistischen Schlaraffenland
hingegen schon.

Quote9. Oktober 2007 11:13
Zitat
edipo re (4 Beiträge seit 27.09.07)

WTH schrieb am 9. Oktober 2007 10:59

> nur war die im Artikel verwendete Variante eine kommunistische
> Abwandlung des ursprünglichen Bibelzitates, um die sozialistische
> Arbeitspflicht im realen Kommunismus zu rechtfertigen. Genau das
> also, was die Rotlackierten heute lauthals beklagen. Dabei wandert
> hierzulande keiner ins Gefängnis, wenn er die angebotenen Arbeiten
> nicht annimmt. Im untergegangenen sozialistischen Schlaraffenland
> hingegen schon.

Hallo WTH,

das wusste ich nicht, für mich war das Zitat immer eine verkürzte
Form aus Thess.3, aber vielen Dank für deinen Hinweis.

Das mit der Pflicht zur Arbeit ist ja auch so eine Sache, das mit dem
ursprünglich gemeinten nicht zusammengeht. Der Wille zur Arbeit -um
in Würde seinen Lebensunterhalt zu verdienen- ist etwas völlig
anderes, als was die Sozialpolitik heute mit den 1-Euro Jobs daraus
gemacht hat. Paulus geht es ja um den Erhalt der eigenen Würde und
nicht um Zwangsmassnahmen, die Menschen in schwierigsten Situationen
auch noch das letzte bisschen Würde raubt.

Am schlimmsten empfinde ich den lieblosen und kalten Umgang der
Behörden mit Menschen, die aus was für Gründen auch immer auf Hilfe
angewiesen sind. Das ganze nennt man glaube ich 'professioneller'
Umgang, d.h. ohne jede innere Anteilnahme irgendwelche bürokratische
Massnahmen verhängen, Anteilnahme ist Schmerz und Schmerz versucht
Bürokratie aus dem Weg zu gehen.

MFG

Quote9. Oktober 2007 11:35
Keiner will
WTH (7 Beiträge seit 18.03.07)

in diesem Lande will niemand ernsthaft Bedürftigen ein
menschenwürdiges Leben verwehren. Wer nicht arbeiten kann, um seinen
Lebensunterhalt selber zu verdienen, der braucht natürlich die
Unterstützung der Gesellschaft. Die Frage ist allerdings, wer
wirklich der Hilfe bedarf und wer nicht. Hier scheiden sich die
Geister und so verstehe ich auch das Bibelzitat: Wer nicht arbeiten
will, der wird auch nichts zu essen haben. So steht es im Kontext der
Warnung vor dem Müßiggang. Eine banale Wahrheit, die mancher zu
vergessen scheint und sich in krude Traumwelten flüchtet. Keiner hat
das Recht, sich auf Kosten anderer zu ernähren, sofern er für sich
selber sorgen könnte. Arbeit ist so gesehen, außer im
Schlaraffenland, immer mindestens der Zwang für sich selber und
seinem Lebensunterhalt zu sorgen oder darüber hinaus Verantwortung
für andere Menschen zu übernehmen. Das hat nichts mit Kapitalismus,
Obrigkeit oder Unterschicht zu tun. Nicht einmal mit Ausbeutung. Es
ist das Leben.

Die ganze Kontext des Zitates lautet nämlich:

2. THESSALONICHER 3.10 Denn schon als wir bei euch waren, geboten wir
euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. 3.11 Denn
wir hören, daß einige unter euch unordentlich leben und nichts
arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. 3.12 Solchen aber gebieten
wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, daß sie still ihrer
Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen. 3.13 Ihr aber, liebe
Brüder, laßt's euch nicht verdrießen, Gutes zu tun.

Quote9. Oktober 2007 11:58
Leicht OT
edipo re (6 Beiträge seit 27.09.07)

WTH schrieb am 9. Oktober 2007 11:35

>
> Die ganze Kontext des Zitates lautet nämlich:
>
> 2. THESSALONICHER 3.10 Denn schon als wir bei euch waren, geboten wir
> euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. 3.11 Denn
> wir hören, daß einige unter euch unordentlich leben und nichts
> arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. 3.12 Solchen aber gebieten
> wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, daß sie still ihrer
> Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen. 3.13 Ihr aber, liebe
> Brüder, laßt's euch nicht verdrießen, Gutes zu tun.

Hallo WTH,

obwohl das jetzt schon sehr weit vom Thema des Artikels wegführt, der
Kontext ist natürlich auch die Selbstrechtfertigung von Paulus, der
'kein unordentliches Leben geführt'[hat] und bei niemand das Brot
umsonst gegessen [hat]' und der über sich und seine Begleiter sagt
'Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu
fallen'. Er rechtfertigt sein eigenwilliges Leben in der Mission ja
sehr oft mit der Tatsache, das er sein Lebensunterhalt immer und
überall selbst verdient hat.

> Keiner hat
> das Recht, sich auf Kosten anderer zu ernähren, sofern er für sich
> selber sorgen könnte. Arbeit ist so gesehen, außer im
> Schlaraffenland, immer mindestens der Zwang für sich selber und
> seinem Lebensunterhalt zu sorgen oder darüber hinaus Verantwortung
> für andere Menschen zu übernehmen. Das hat nichts mit Kapitalismus,
> Obrigkeit oder Unterschicht zu tun. Nicht einmal mit Ausbeutung. Es
> ist das Leben.

So würde es Paulus wohl auch sehen und dagegen ist auch nichts
einzuwenden. Das Problem mit unseren modernen Arbeitslosigkeit ist
aber doch etwas anderes. Ich kenne genug Menschen, die mit Freuden
arbeiten würden aber im 'normalen' Arbeitsmarkt keine Chance mehr
haben, ein Ingenieur mit Mitte 50 ist etwa in Deutschland nicht mehr
vermittelbar, völlig unabhängig von seinem eigenen Wollen.

Was spricht dagegen, wenn der 'Pflicht' zur Arbeit ein Recht auf
ehrliche Arbeit entsprechen würde, die den Lebensunterhalt auch in
Würde sichert? Eine Gesellschaft, die einen Arbeitswilligen nicht mit
Arbeit versorgt, verhindert nämlich mit ziemlicher Sicherheit, dass
so etwas wie Selbstverantwortung überhaupt erst einmal entsteht.

MFG


Quote9. Oktober 2007 11:58
Kontext
Gooeyduck (283 Beiträge seit 11.03.03)

WTH schrieb am 9. Oktober 2007 11:35
> Die ganze Kontext des Zitates lautet nämlich:
>
> 2. THESSALONICHER 3.10 Denn schon als wir bei euch waren, geboten wir
> euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. 3.11 Denn
> wir hören, daß einige unter euch unordentlich leben und nichts
> arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. 3.12 Solchen aber gebieten
> wir und ermahnen sie in dem Herrn Jesus Christus, daß sie still ihrer
> Arbeit nachgehen und ihr eigenes Brot essen. 3.13 Ihr aber, liebe
> Brüder, laßt's euch nicht verdrießen, Gutes zu tun.

Zum Kontext gehört aber auch, dass es zu dieser Zeit keinen
Sozialstaat gab. Die, die da angesprochen wurden, müssen also Leute
gewesen sein, die es sich leisten konnten, nicht zu arbeiten und
stattdessen 'unnütze Dinge zu treiben' (ansonsten wären sie wohl
wirklich verhungert).

Im Gegensatz dazu meinen heute diejenigen, die von 'Wer nicht
arbeiten will, soll auch nicht essen" reden, garantiert nicht die,
die es sich leisten können nicht zu arbeitn.




Quote9. Oktober 2007 11:28
Unterstellst Du nun allen ein-Euro-Jobbern, dass sie nicht arbeiten wollen?
Gotan (mehr als 1000 Beiträge seit 31.08.00)

Du verkürzt hier auch fleissig, nämlich unterm Strich auf "die faulen
Schmarotzer haben's eh nicht besser verdient". Es geht aber hier
darum, dass ein grosser (und stetig wachsender) Teil der Bevölkerung
nicht produktiv *genug* sind um in den "1. Arbeitsmarkt"
eingegliedert zu werden und die immer wahnsinnigere Jagd nach der
maximalen Rendite legt die Messlatte immer höher.

Das blöde ist nun, dass man diese Leute nicht einfach vom Planeten
kicken kann oder wenigstens ins Meer treiben weil das halt unpopulär
ist. Aber mit Meinungsmache ("Die liegen uns auf der Tasche") kommt
man wenigstens so weit, dass man diese Leute am Existenzminimum hält.
Damit "die" nicht auf dumme Gedanken kommen müssen sie natürlich
beschäftigt werden und ausserdem können die so noch dem Rest der
Bevölkerung als Warnung und schlechtes Beispiel dienen.

Dabei ist das in einer Gesellschaft die in all ihrer glorifizierten
Produktivität reichlich Überfluss produziert unnötig. Es könnten viel
mehr Leute deutlich besser leben wenn das denn politisch gewollt
wäre. Auch die Produktivität der Gesellschaft als ganzes könnte so
gesteigert werden und zum Gemeinwohl eingesetzt werden. Es gibt
nämlich durchaus Arbeit die getan werden muss, die sich aber Bund,
Länder und Kommunen nicht leisten können. Es muss also ein Weg
gefunden werden diese Arbeit halbwegs anständig zu bezahlen.

Entgegen dem dauernden Geschrei nach weniger Steuern brauchen wir
also *mehr* Steuern (und zwar Mehrwertsteuer), damit die öffentliche
Hand all die notwendigen Aufgaben finanzieren kann bei denen Arbeit
anfällt und für die auch Leute da wären, die aber leider keine 10%
Rendite für Aktionäre abwirft.

Da die "freie Wirtschaft" offenbar nicht mehr gewillt ist in
irgendetwas zu investieren wenn es nicht maximale Rendite abwirft
bleibt wohl nur noch der Staat der diesen Teil übernehmen kann.

Stattdessen wird lustig weiter privatisiert und damit das Problem nur
noch verschärft.

Quote9. Oktober 2007 11:58
grün von mir, allerdings unter vorbehalt
wissen ist ohnmacht (mehr als 1000 Beiträge seit 26.04.07)

im wesentlichen hast du recht, aber dieser absatz ist aus meiner
sicht etwas zu ungenau, wenn nicht sogar falsch:

> Entgegen dem dauernden Geschrei nach weniger Steuern brauchen wir
> also *mehr* Steuern (und zwar Mehrwertsteuer), damit die öffentliche
> Hand all die notwendigen Aufgaben finanzieren kann bei denen Arbeit
> anfällt und für die auch Leute da wären, die aber leider keine 10%
> Rendite für Aktionäre abwirft.

die mehrwertsteuer zu erhöhen, macht nur sinn, wenn parallel andere
steuern gesenkt oder abgeschafft werden: alle steuerzahler arbeiten
heute schon mehr als die hälfte des jahres nur für den fiskus, das
ist fakt.

der öffentlichen hand noch mehr geld zu besorgen, ist meiner meinung
nach auch verkehrt: die öffentliche hand versteht es nämlich
ausgezeichnet, ein paar scheine dezent und geschickt in die eigene
öffentliche hose zu stecken! je mehr geld zur verfügung steht, umso
mehr geld wird dann versickern. die summe meiner erfahrungen lässt
leider keine andere schlussfolgerung zu.
[...]

Quote9. Oktober 2007 12:03
Fakt?
Gooeyduck (284 Beiträge seit 11.03.03)

wissen ist ohnmacht schrieb am 9. Oktober 2007 11:58

> alle steuerzahler arbeiten
> heute schon mehr als die hälfte des jahres nur für den fiskus, das
> ist fakt.

Wie kommst Du darauf?
Meines Wissens liegt die Steuerquote in Deutschland bei rund 21
Prozent.




Quote9. Oktober 2007 10:59
Menschenwürde
2007Twister2007, Bettina Winsemann, twister@twister-schreibt.de (373 Beiträge seit 02.09.07)

klaps schrieb am 9. Oktober 2007 1:19

> > So wurde uns außerhalb der Studie von einem Fall beim Dortmunder
> > Tiefbauamt berichtet, wo ein schwer Körperbehinderter gezwungen
> > wurde, beim Müllsammeln den Sack mit den Zähnen zu halten, damit
> > er mit dem gesunden Arm den Müll einfüllen konnte.
>
> Wenn das *wirklich* der Wahrheit entsprechen sollte wäre das ein
> derartiger Skandal, das da mehrere Köpfe rollen müssten.

Ach, das ist doch nur ein Beispiel. Geh mal in einige "caritative
Einrichtungen" Deiner Wahl, die 1EuroJobber einstellen, danach kennst
Du den Begriff Menschenwürde dann so, wie manche ihn definieren.
Da werden dann die Jobber persönlich beleidigt "Meine Güte, wieso
schicken die denn so einen Fetten zum Kehren?"/ "Na, kannst Dich wohl
nicht genug bücken beim Müllaufsammeln, Fettsack?", da werden
offensichtliche Verletzungen einfach ignoriert und damit gedroht, der
Behörde Meldung zu machen, dass man arbeitsunwillig ist, wenn man
sich krankmelden will --- mit solchen Kapriolen wie "wickel ein Tuch
rum und dann geht´s" bei einer eitrigen Wunde am Bein (derjenige
durfte dann mit dem frischumwickelten Bein in den Müllcontainer
klettern und diesen von innen säubern" usw. usf. --- er weigert sich
übrigens bis heute irgendwie gegen diese Dinge vorzugehen oder nur
ein Interview zu führen etc. pp weil er "wenigstens etwas Geld hat
und nicht plötzlich gar keins mehr bekommen will"

Menschenwürde? Sorry, aber wenn Du auf der Klappe liegst, sagt Dir
das Amt recht deutlich, wie weit Dein Anspruch auf Menschenwürde
geht. Das "na ja, ohne Geld für Lebensmittel auszukommen dürfte ja
für Dich kein Problem sein bei den Reserven" liegt mir noch heute im
Magen, gefolgt von "Datenschutz? Höflichkeit? Wollen Sie was von mir
oder nicht? Na also - dann schlage ich vor, Sie sagen mir jetzt die
Sachen, die ich wissen will."

Quote9. Oktober 2007 11:37
Antwort
edipo re (5 Beiträge seit 27.09.07)

2007Twister2007 schrieb am 9. Oktober 2007 10:59

>
> Ach, das ist doch nur ein Beispiel. Geh mal in einige "caritative
> Einrichtungen" Deiner Wahl, die 1EuroJobber einstellen, danach kennst
> Du den Begriff Menschenwürde dann so, wie manche ihn definieren.
> Da werden dann die Jobber persönlich beleidigt "Meine Güte, wieso
> schicken die denn so einen Fetten zum Kehren?"/ "Na, kannst Dich wohl
> nicht genug bücken beim Müllaufsammeln, Fettsack?", da werden
> offensichtliche Verletzungen einfach ignoriert und damit gedroht, der
> Behörde Meldung zu machen, dass man arbeitsunwillig ist, wenn man
> sich krankmelden will --- mit solchen Kapriolen wie "wickel ein Tuch
> rum und dann geht´s" bei einer eitrigen Wunde am Bein (derjenige
> durfte dann mit dem frischumwickelten Bein in den Müllcontainer
> klettern und diesen von innen säubern" usw. usf. --- er weigert sich
> übrigens bis heute irgendwie gegen diese Dinge vorzugehen oder nur
> ein Interview zu führen etc. pp weil er "wenigstens etwas Geld hat
> und nicht plötzlich gar keins mehr bekommen will"
>

Hallo 2007Twister2007,

deine Beispiel bezweifle ich natürlich nicht, aber das generell bei
'caritativen' Einrichtungen ein solcher Umgangston herrscht, würde
ich in der Verallgemeinerung doch anders sehen.

Die etablierten, großen Sozialkonzerne wie etwa die Caritas sind
bestimmt nicht die Inseln der Glückseligen, aber immer noch um Welten
besser, als die gewinnorientierten Konzerne neuen Zuschnittes, die in
Zukunft etwa die soziale Arbeit in den Gemeinden effizienter und vor
allem kostengünstiger ausführen sollen.

Ich wohne in einer Stadt, in der solche Modelle in der neuen
'selbstverantworteten' Kinderbetreuung als Modellversuch gestartet
worden ist, und das ganze läuft auf Selbstausbeutung für die Eltern
und Arbeitslosigkeit für die bisherigen Erzieherinnen heraus, wobei
einer sehr gut verdient, nämlich der Betreiber für das Haus, der
kassiert von der Stadt ohne irgendwelchen größeren eigenen
Aufwendungen für die nächsten 20 Jahre Miete bei garantierten
Mietsteigerungen...

> Menschenwürde? Sorry, aber wenn Du auf der Klappe liegst, sagt Dir
> das Amt recht deutlich, wie weit Dein Anspruch auf Menschenwürde
> geht. Das "na ja, ohne Geld für Lebensmittel auszukommen dürfte ja
> für Dich kein Problem sein bei den Reserven" liegt mir noch heute im
> Magen, gefolgt von "Datenschutz? Höflichkeit? Wollen Sie was von mir
> oder nicht? Na also - dann schlage ich vor, Sie sagen mir jetzt die
> Sachen, die ich wissen will."

Das ist leider ein generelles Problem, selbst die einfachsten Formen
des sozialen Umganges untereinander sind nicht mehr vom Höflichkeit
oder so etwas wie Anstand geprägt. Das Wort 'Anstand' ist heute doch
bestenfalls noch für einen Lacherfolg gut.

MFG




Aus: ""Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" - Workfare statt Welfare: Irina Vellay zu einer ersten Studie über den "dritten Arbeitsmarkt" der Ein-Euro-Jobs" Von Jens Wernicke (TP, 09.10.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26359/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26359/1.html)

-.-

"Der 'workfare state' - Hausarbeit im öffentlichen Raum? - Bericht über eine empirische Studie 2005/2006" (Stiftung W.)
http://www.stiftung-w.de/pic_content/Bericht_Vorstudie_workfare_state-Hausarbeit_2007-1%5b1%5d.pdf (http://www.stiftung-w.de/pic_content/Bericht_Vorstudie_workfare_state-Hausarbeit_2007-1%5b1%5d.pdf)

-.-
Quote[...]  Arm trotz Arbeit? (SPON Forum)

QuoteMathesar
Erfahrener Benutzer
Registriert seit: 18.04.2005
Beiträge: 3.656

[...] Verstaatlichen, "Gerecht" aufteilen, mit "menschenwürdigen" Arbeitsplätzen...blablabla

Das alltbekannte Anspruchsdenken mit der absoluten Gewissheit im "Recht" zu sein und nur das zu verlangen, was einem "Zusteht"...

Dieses realitätsferne Geseiere kann einem wirklich langsam auf den Senkel gehen. Da wird sich gewundert und in schöner Regelmäßigkeit das Grundgesetz zitiert, da wird gejammert, daß sich die Balken biegen und Ansprüche - ohne eigene Gegenleistung - formuliert, daß es dem, in der Minderheit befindliche und gebeutelte Arbeitnehmer nur so an den Ohren schlackert. Richten sollen es die "Reichen", was natürlich eine Milchmädchenrechnung in Potenz darstellt, aber Fakten haben diese "Zurück in die Zukunft"-Strategen ja eh noch nie gejuckt.

Anstatt darüber zu diskutieren, was wir uns im 21 Jhdt. und im Zuge der sich verschlechternden Demographie noch an Sozialstaat leisten können, immer nur das Geschrei nach mehr Kohle vom Staat, am besten für jeden und in ausreichender Menge für Auto, heim und Urlaub, der für sich beschließt nicht arbeiten zu wollen.

Gott sei dank sind trotz allem Geschrei und empörtem Gehabe die Zeiten endgültig vorbei. Willkommen in der Realität.

QuoteRainer Helmbrecht:

Es ist schon erstaunlich, dass Frau Merkel sich offen gegen einen Mindestlohn stellt, ich habe noch nie von ihr vernommen, das sie etwas gegen ungerechtfertigte Gewinne gesagt hätte. Sie überlässt die Menschen, die von ihrer Arbeit leben wollen und müssen, dem freien Spiel undurchsichtiger Kräfte, für die großen Unternehmen fordert sie Schutz und Augenmaß, zu lasten der Bevölkerung.

Das ist es was unsere Demokratie kaputt machen wird. Ehemalige Minister, die nach ihrer aufopfernden Tätigkeit in der Politik, in der Industrie verschwinden, die sie kontrollieren sollen. Selbst EX-Bundeskanzler scheuen sich nicht, bei diesem Spiel mitzumachen.

Südamerikanische und US Verhältnisse, in denen die Reichen in bewachten Wohnanlagen leben, wird es in Europa nicht geben, weil Europa zu dicht besiedelt ist. Wenn man eine Art Bürgerkrieg erreichen will, ist die zur Zeit betriebene Politik der richtige Weg. Eine SPD die selber nicht mehr weiss wofür sie steht. Eine Volkspartei CDU/CSU die nur noch die Wirtschaft im Auge hat und den Steigbügelhalter für die SED spielt, das ist der Sprengstoff der das kaputt macht, was in Deutschland Vorbild für andere Staaten war.

Auch ich dachte, dass eine Frau an der Spitze eine andere Politik ermöglichen würde, aber es ist die Politik die sich vom Volk entfernt. Entweder der Staat wird rigider und darum bricht er auseinander, oder wir wurschteln noch etwas rum und dann bricht er auseinander. Aber der jetzt beschrittene Weg, ist ein Irrweg.

MfG. Rainer

QuoteRainer Daeschler:

"Arm trotz Arbeit?"

Inzwischen werden ja sogar Unternehmen gegründet, wo die Zuzahlung nach Hartz IV fester Bestandteil der Personalkostenplanung ist. Wenn das so weiter gehen würde, erreicht man irgendwann den Punkt, wo immer mehr "Sozialhilfe" beziehen, aber immer weniger da sind, die dafür aufzukommen in der Lage oder willens sind.

[...]

Quotereinhard_m:

Zum Abzocken gehören immer Zwei. Einer der abzockt und einer der sich ausnehmen läßt. Solange die Arbeitnehmer nicht aufmucken, ja und Amen zu Steuer-, Preis- und Abgabenerhöhungen sowie Lohnkürzungen sagen und immer schön die üblichen Parteien wählen, geht es ihnen offensichtlich immer noch viel gut.
Da ist also Jammern und Mitleid fehl am Platze.

QuoteOscar Madison

Es prügelt sich leicht:
Ich halte die ganze Diskussion für sehr fragwürdig. Zugegeben - der Niedriglohnsektor ist ein Problem, aber nicht das Problem der Mehrzahl der Arbeitgeber. Das ist einfach unwahr und - wäre ins gesellschaftliche Leben übertragen - schlicht rassistisch. Aber die Usrachen sind nicht so monokausal, wie hier zu lesen. In Deutschland wird ein hoher Bildungsabschluss angestrebt. Pisa zum Trotz, wir sind ein Bildungsland. Die Schattenseite davon ist, dass ohne Bildung kaum Karriere zu machen ist. Dies ist bitter, aber bitte schön nicht Standard.

Mir stößt es allerdings bitter auf, wenn permanent nur die Präkariats-Debatten geführt werden. Wir haben eine breite Mitte in unserm Land, die auf den ersten Blick gut verdient und all die Wohltaten finanziert, die ständig von den neuen Linken und co. eingefordert werden. Wenn man plötzlich den Kindergarten für 2 bezahlen muss, was die Mutter ohne genügendes Einkommen in Kiel nicht muss, dann ist man eben mal fast 400 Euro pro Monat los, netto! Das setzt sich in allen Bereichen fort. Wir sollten eine Debatte führen, wie sich Arbeit wieder lohnt - dazu gehört eben auch, Sozialleistungen verantwortlich zu verteilen. Und da finden sich Lücken, Probleme und schwarze Schafe - hüben wie drüben. Und mir soll keiner erzählen, dass die Bereitschaft, sich aus dieser Klemme zu befreien, gewachsen ist.

Am 16. März 2006 haben meine Frau und ich ein Geschäft eröffnet, eigenes Risiko. Wir haben eine Arbeitskraft beim Arbeitsamt gesucht. Die Tätigkeit ist angenehm und kundenorientiert, ein Speziallebensmittelgeschäft mit sehr ruhiger und freundlicher Atmosphäre. 5 ALGII-Empfängern wurde unser Geschäft genannt, damit sie sich bewerben können. Es erschienen: Null. Warum? Weil 168 Euro vom Verdienten übrig bleiben, der Rest wird auf das ALG angerechnet. Und für 168 Euro 23 Stunden die Woche arbeiten?
Ich wiederhole es noch einmal: Null.

Minderheitenprobleme als allgemeingültig zu verkaufen, ist wohlfeil. Eien halbe Million AN bekommen Zuschüsse trotz Arbeit. Nicht gut. Aber wieviele Arbeitnehmer haben wir in Deutschland? Wer ist eigentlich Wortführer in diesen zur Zeit grassierenden sozialkompetent anmutenden Scheindebatten?

Quotenewliberal:

Der übliche Schwachsinn..

Bevor hier wieder alle professionellen Klageweiber (mit mehr als 10.000 Beiträgen), entäuschte Ossis und sonstige Absolventen des wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus mit HartzIV Stipendium diese ungerechte Welt und ihr noch ungerechteres Schicksal beklagen, eine Frage: Hat irgend jemand da draussen das Gefühl genug zu verdienen ? Nein
? Wie kommt das nur ?

Dieser Artikel ist eher dümmlich und unterschlägt vor allem einen Faktor: Den technologischen Fortschritt. Wir nutzten hier alle lustig und mit Freuden das Internet, nur das diese Technologie ein zweischneidiges Schwert ist will niemand wissen. Bereits in den 80ern war diese Entwicklung vorherzusehen. Aufgrund von Automatisierung immer weniger Arbeit in der Industrie. Wir hätten diese Situation jetzt auch ohne Inder und Chinesen.

Die umlagefinanzierte Rente ? Seit Mitte der 70er ist bekannt was aufgrund der demographischen Entwicklung auf das System zurollt. Irgendwelche Reaktionen ? Nada ! Stattdessen wird die Globalisierung, der böse Kapitalismus etc.pp verantwortlich gemacht. Ja, ne is klar ! So jetzt können die Gutmenschen wieder ihr Schicksal und das der Welt bejammern..


QuoteAndreas Pokladek:

[...] Es ist wahr, ich kann es elber kaum glauben wsin diesem Land los ist. Ich gehöre wahrlich nicht zu denen die unsere Gesellschaft die ganze Zewit bekritteln und aus dem nörgeln und jammern nicht mehr herauskommen, aber das hier angeschnittene Thema wird meiner meinung nach viel zu wenig beachtet.

Ich finde es ok, dass Leute die viel Verantwortung tragen und teilweise 12 Stunden Tage absolvieren auch viel verdienen, kein Problem...

Aber ein Facharbeiter, der mit 40 Stunden die Woche nicht wenigsten 1600 netto (aso einfach genug um gut leben zu können) für eine Familie verdienen kann...ich kann's nicht glauben...

Jedes Unternehmen, dass an die Börse geht ist nur noch seinen Aktionären verpflichtet...schei....

Was tun um wieder Werte in die Wirtschaft einzuführen ? Den leuten die Politikmüdigkeit zu nehmen ? "Gerechtigkeit" in die Wirtschaft ? Ich weiß nicht waszu tun wäre...

Ich bin ein großer Anhänger der Freiheit und eigentlich auch des freien Marktes..aber hier kann ich fast wieder zum Sozialist werden.

Eigentum verpflichtet. Die Unternehmer die eine Unternehmerische Ethik walten lassen und Hoffung aufkommen lassen, das es auch anders geht kann man wahrlich an einer Hand abzählen...(Miele, Trigema, DM-Drogeriemarkt....wrr noch ?)

Ratlos und oft entzürnt über die kurzsichtige Borniertheit der Verantwortlichen...

Andreas

Quotehapicko:

Natürlich ist die Politik verantwortlich:
QuoteZitat von matthias schwalbe  Beitrag anzeigen
Wenn in China ein Arbeiter 1 Euro verdient,und ein Deutscher
z.B. 10.- Euro dann ist doch die Politik voellig machtlos.

Aber die Politik ist dafür verantwortlich, dass immer mehr Arbeiter für einen Euro schubbern gehen müssen, obwohl die Lebenshaltungskosten in Deutschland wesentlich höher sind als in China. "Entweder Du nimmst den Sklavenjob, oder Du bekommst keine Sozialhilfe mehr" Glos z.B. fordert: "Auch wenn der Job schlecht bezahlt ist und 100km weit entfernt ist muss er genommen werden. Wenn man jetzt von den im Artikel erwähnten 1200 Euro ein ganzes jahr lang auch noch die Fahrtkosten bestreiten muss, für den schlecht bezahlten Job in 100km Entfernung, dann sieht man ganz schön alt aus. Denn, Fahrkostenerstattung gibt es ja nicht sofort.
Solange von der arbeitenden Bevölkerung nicht erkannt wird, das nicht der HartzIV-Empfänger, sondern der Einkommensmillionär, der Steuern hinterzieht, der Unternehmer, der prekären Lohn für gute Arbeit zahlt, der Politiker, der sich schon während seines Mandats in der Wirtschaft einkauft, der Sozialschmarotzer ist, so lange wird ständig auf die falschen eingeprügelt.
Und dafür ist die Politik und die Presse verantwortlich.

Quotemitwisser:

[...] Was aber viele noch nicht auf der Rechnung haben: es gibt immer mehr, die nicht mehr können (burn out) oder wollen (hohe Unzufriedenheit mit den jobs). Die, die nachrücken, sind von Ängsten und Sorgen geplagt.
Die Tatsache, daß wir dieses Tempo und diese Organisation der Arbeitswelt haben, ist zum Teil lediglich eine Notwehr-Reaktion der Arbeitgeber auf die Gier des Staates.
Lange wird das so aber nicht mehr funktionieren.
Die Globalisierung frißt ihre Väter!

Quotebkoenig:

[...] Das gehört zwar nicht direkt zur Diskussion, aber wenn die NPD erstmal erkennt womit sie den Bauern fangen kann (z.B. mit Mindestlöhnen), dann ist das Problem auch nicht mehr so winzig. Die bringt dann letztendlich das Fass zum Überlaufen. Du hast aber Recht, wenn du sagst, dass die NPD nicht die Wurzel des Problems einer Entdemokratisierung ist; sie ist höchstens ein Symptom.

Quotedg-hamburg:

Sinkende Löhne in Deutschland und wachsende Wirtschaft in China ist die Umverteilung von Reich auf Arm. Wo ist das Problem, ist das nicht richtig, abzugeben? Und durch Sozialabgaben zusätzlich belastete Löhne sind die Folge steigender Kosten einer alternden Bevölkerung - auch das ist gewollt, hat unsere Gesellschaft doch kollektiv auf Kinder verzichtet.

QuotePerleberger:

QuoteZitat von Oscar Madison  Beitrag anzeigen
Am 16. März 2006 haben meine Frau und ich ein Geschäft eröffnet, eigenes Risiko. Wir haben eine Arbeitskraft beim Arbeitsamt gesucht. Die Tätigkeit ist angenehm und kundenorientiert, ein Speziallebensmittelgeschäft mit sehr ruhiger und freundlicher Atmosphäre. 5 ALGII-Empfängern wurde unser Geschäft genannt, damit sie sich bewerben können. Es erschienen: Null. Warum? Weil 168 Euro vom Verdienten übrig bleiben, der Rest wird auf das ALG angerechnet. Und für 168 Euro 23 Stunden die Woche arbeiten?
23 Stunden die Woche x 4,3 Wochen im Monat machen 99 Arbeitstunden im Monat.
Bei 160 Euro anrechnungsfreies "übrig bleiben" ist das lediglich als Bezahlung ein 400 - EuroJob.
Meinen Sie, dass für einen Job von fast 100 Stunden im Monat (mehr als Halbtags-Beschäftigung) 400 Euro ( = 4 Euro pro Stunde, der AlO darf davon 1,60 Euro die Stunde "behalten") eine "Bezahlung" für Arbeit ist? Das ist ein privater "Billigst-Job" auf vergleichbarer Basis eines EinEuroJobs (da dürfen die meisten 1,50 Euro/Stunde behalten). Die mit der Arbeit verbundenen Kosten (Fahrtkosten etc) gehen dann noch ab.

QuoteArion's Voice:

Mythos

Vollbeschäftigung ist ein Mythos, sie ist nicht mehr erreichbar, weil immer mehr Arbeit automatisch erledigt werden kann. Die Folge: Es gibt mehr Arbeitssuchende und weniger Arbeitsstellen, was dazu führt, dass Arbeit immer weniger Wert ist (siehe 1-Euro-Jobs). Dummerweise werden nun Menschen ohne Arbeit vom öffentlichen Leben immer mehr ausgeschlossen (sozial, kulturell, finanziell...), da unsere Gesellschaft eine Arbeitsgesellschaft ist, in der sich jeder nur noch über seinen Beruf identifiziert. Der Staat ist auf die Wirtschaft angewiesen, weil er sonst seine Bürger nicht versorgen kann. Die Wirtschaft weiß das und zieht immer mehr Vorteile aus dieser Situation (würden die Arbeitnehmer umgekehrt wohl genauso machen). Das Ungleichgewicht verschiebt sich immer mehr, weil die Politik Angst davor hat, gegen unsoziales Verhalten seitens der Wirtschaft vorzugehen, weil die immer mit Entlassungen, Wachstumsstillstand oder Auswanderung drohen kann. Oder die Politik wird durch Lobbyisten unterwandert; Resultat bleibt das gleiche.
Das System funktioniert so nicht, weil sich eben kein Gleichgewicht einstellt. Der Markt wird es eben nicht von alleine richten.

QuoteOscar Madison:

QuoteZitat von Perleberger:
23 Stunden die Woche x 4,3 Wochen im Monat machen 99 Arbeitstunden im Monat.
Bei 160 Euro anrechnungsfreies "übrig bleiben" ist das lediglich als Bezahlung ein 400 - EuroJob.
Meinen Sie, dass für einen Job von fast 100 Stunden im Monat (mehr als Halbtags-Beschäftigung) 400 Euro ( = 4 Euro pro Stunde, der AlO darf davon 1,60 Euro die Stunde "behalten") eine "Bezahlung" für Arbeit ist? Das ist ein privater "Billigst-Job" auf vergleichbarer Basis eines EinEuroJobs (da dürfen die meisten 1,50 Euro/Stunde behalten). Die mit der Arbeit verbundenen Kosten (Fahrtkosten etc) gehen dann noch ab.

Ich hätte vollstes Verständnis dafür, dass das SO gesehen, inakzeptabel wäre. Ist es aber nicht. Unser Kraft bekommt von uns den üblichen Lohn in unserer Gegend für eine nichtqualifizierte Arbeit, nämlich knapp 9 Euro brutto. Übrig bleiben deswegen 168 Euro, weil erst alle ALGII-Leistungen "aufgebraucht" sein müssen. Dazu gehört neben den 345 Euro auch Miete und KV. Ihre Einstellung ist nicht richtig. Richtig ist, dass ein normaler Lohn gezahlt wird, und Sozialleistungen gezahlt werden (übrigens nur rund 180 Euro), weil die Person keine weitere Beschäftigung hat. Wem wollen Sie in diesem Fall den schwarzen Peter eigentlich zuschieben? Mir? Sehr witzig.

QuoteSusiisttot:

QuoteZitat von NIEWIEDERSPD  Beitrag anzeigen
Wie lange lassen sich die Menschen noch friedlich ausbeuten ?
Wann ist der erste unterbezahlte oder Hartz 4 Empfänger bei mir im Wohnzimmer um aus Verzweifelung meine Computer ,Tv, usw zu stehlen ? Wann wird mein Auto aufgebrochen ? Wann wird in meiner Werksatt eingebrochen ?
Wann wird ihr Auto aufgebrochen ?


Herrlich! Ihnen macht es also Sorge, ihre Wertgegenstände zu verlieren. Machen Sie sich doch mal Gedanken um die, denen das bereits zugestoßen ist, die ihre Sachen ins Pfandhaus bringen mussten um ihre Familie ernähren zu können oder die täglich für ein kostenloses warmes Essen anstehen müssen was Ihnen vermutlich bisher erspart geblieben ist und dann fragen Sie sich doch mal wie sie persönlich einem HartzIV Empfänger helfen können. Damit würden Sie ganz persönlich den sozialen Frieden vielleicht etwas festigen können und die Chancen für ihre Wertgestände stehen dann auch besser.


QuoteRainer Daeschler:

QuoteZitat von Rainer Helmbrecht
Es ist schon erstaunlich, dass Frau Merkel sich offen gegen einen Mindestlohn stellt,...

[...] Hungerlöhne in der Postbranche
Welche Rolle spielt die Presse?

http://www.swr.de/report/-/id=233454/sgpaia/index.html

Friede Springer, bekanntermaßen eine Freundin von Angela Merkel, würde ihr die Freundschaft aufkündigen und damit wäre es mit der Unterstützung der Springer-Presse und ihren zahlreichen Publikationen (vor allem BILD) vorbei. Der Axel Springer-Verlag ist Hauptaktionär bei PIN und wettert deshalb vehement gegen den Mindestlohn.

QuoteSilverhair:

Eigentlich sollte dieser Artikel

Arbeitnehmer - die wahre Unterschicht
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,509990,00.html

die ewigen "Leistung muss sich lohnen" Befürworter sofort aufwecken und ihnen klar machen das sie dort falschen Propheten gefolgt sind.

Und sie müßten auch die ersten sein die jetzt aufstehen und einen Umbau des gesamten Systems fordern müßten.

Und vielleicht merken sie dann auch, das man ihre Neigung auf andere Neidisch zu sein schamlos von der Politik ausgenutzt hat, und reinste Augenwischerei betrieben hat.

Ein Steuersystem mit 20.000 Paragraphen und Abgabenordnungen hat eben genau nicht zur Steuergerechtigkeit geführt, sondern nur dem Vertuschen der laufend steigenden Lasten.

Und vielleicht fällt auch auf das die H4 Regelungen - die jeden Euro an H4'ler auf den Pfennig prüft obwohl schon von vorneherein klar ist das man mit 350 Euro überhaupt nicht über die Runden kommt ihn .. den Leistungsträger eine Neidsteuer von gut 5 Mrd Euro kostet - nämlich den Betrieb der BA selber - sinnlos - überflüssig und nur ein Kostenfaktor.

70 Mrd Euro - das sind die Bürokratiekosten die entstehen durch eine absolut ausufernde Verwaltung, durch Kontrolle und Überwachung aber auch jeden Handschlags - und davon sind gut 30% alleine der Steuer- und Subventionspolitik geschuldet.

Immer wird gross gefragt wie sich den ein "Bürgergeld/Grundeinkommen" finanzieren soll, und man verlangt "Beweise" dafür das es funktioniert, nur die Antwort ist anders - das jetzige System funktioniert schon lange nicht mehr - und das müßte zu einem Aufschrei führen.

Vielleicht denk der "Leistungsträger" dann auch einmal nach, das "Kosmetik" - mal hier ein paar Euro mehr , mal dort weniger nichts am falschen System ändert, sondern letztlich ja nur durch neue Bürokratiekosten die Abgaben weiter in die Höhe treibt.

Eine zentrale Konsumsteuer, vielleicht für sonderfälle wie Immobilien oder Kapitalanlagen separate - aber nicht mehr als 5 Stück - und dafür weg mit allen anderen Steuern /Abgaben und Subventionen - das wäre der richtige Politische Ansatz - selbst wenn man sich an Skandinavische Verhältnisse gewöhnen müßte (Hohe Mwst beispielsweise).

Jemand etwas "schenken" kann weitaus lukrativer sein als wie jeder Pfennigfuchser dem zentel Pfennig hinterherzulaufen - aber das tut man im Moment massiv.

Man hat 2,3 Mio Kinder an der Armutsgrenze, läuft einem Propheten wie Münte nach der davon 500.000 mit 10 Euro "fördern" will - und anderen die eine "Bildungsoffensive" verkünden - und weiß doch letztlich das wenn es so bleibt diese 2,3 Mio mit sicherheit nie einen Arbeitsplatz haben werden , und auch nie etwas für die Sozialen Systeme leisten können - einfach weil man zu Geizig ist heute das auszugeben was morgen als Gewinn reinkommen soll.

Mal in die Geldbörse geschaut, mal überlegt was einem der Neid auf andere kostet - und dann gründlich die Politik und das Wirtschaftsystem umkrempeln.
Bald steht die Einführung der RFID's im Handel an - das wird nach den Hoffnungen der Wirtschaft nochmal 70 % Rationalisierung bedeuten - oder besser - 7 Mio neue Arbeitslose.
Dann sind von 27 Mio Sozialversicherungspflichtigen nur noch 20 Mio übrig - die dann alles tragen müssen.

Also mal etwas Mut zur Revolution im Kopf - das nämlich die Sprüche der Politik längst nicht mehr die Wirklichkeit reflektieren.

SPIEGEL ONLINE Forum > Diskussion  > Wirtschaft :  Arm trotz Arbeit?
Quelle: http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=2359 (http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=2359)

ETC.
Title: [Es trifft die working poor... (Notiz, USA, Virginia)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 05, 2007, 04:52:23 PM
Quote[...] Eine Krankenversicherung aber hat James Lowe noch immer nicht. So wie 47 Millionen Menschen in den USA keine haben, letztlich aus einem einzigen Grund: Sie können es sich nicht leisten. Es trifft die working poor, so bettelarme Leute wie Lowe, die arbeiten oder gearbeitet haben, aber trotzdem keinen Versicherungsschutz bezahlen können.

Und es trifft immer mehr Menschen der Mittelklasse, die abwägen müssen und sich entscheiden, ob sie eher die Ratenzahlungen fürs eigene Haus oder die Krankenversicherung aufgeben - und dann die Wahl treffen, die wohl jeder treffen würde in der Hoffnung, gesund zu bleiben.

Dazu kommen Millionen Unterversicherter, 20, vielleicht sogar 30 Millionen, die sich auf eine hohe Selbstbeteiligung eingelassen haben und bei einer langen Erkrankung durch exorbitante Arzneimittelpreise und Arztrechnungen schnell in den Ruin getrieben werden können. Zusammengerechnet hat also ein Viertel aller Amerikaner keinen ausreichenden Schutz im Krankheitsfall.

Mit fatalen Folgen. "Allein im vergangenen Jahr", sagt Ross Isaacs, ein Nierenspezialist der Uni-Klinik in Charlottesville in Virginia, "starben in den USA mehr Menschen an vermeidbaren chronischen Erkrankungen als Soldaten in allen unseren Kriegen seit 1775."

[...] In McClure steht an diesem kühlen, sonnigen Herbstmorgen ein weißes Wohnmobil, der St. Mary's Health Wagon, direkt an der Straße auf einer Schotterfläche, sodass Autos anhalten können. Es ist eine mobile Krankenstation, die Teresa Gardner, eine kleine, blasse Krankenschwester fast täglich durch diesen Zipfel Virginias kutschiert. St. Mary's ist von Spenden finanziert, und die medizinische Betreuung ist kostenlos. 14 Jahre macht Teresa Gardner das schon.

Ab und zu sind Ärzte wie Ross Isaacs dabei, je nachdem, ob sie sich von ihren beruflichen Verpflichtungen freimachen können. "Wir sind ein paar Verrückte, die finden, dass etwas in unserem Gesundheitssystem falsch läuft", sagt Isaacs, Facharzt für Nierentransplantationen an der Uniklinik von Charlottesville, über sich und seine Kollegen, die sich freiwillig melden.

"Und solange wir das System nicht von oben korrigieren können, wollen wir es von unten tun - einen Patienten nach dem anderen kostenlos behandeln." Das ist so schön formuliert, das hat Isaacs zweifellos schon öfter gesagt. Sagen müssen.

Es sind Patienten wie Alice Polzin, die er behandelt, eine Frau von 60 Jahren mit etwas üppiger Figur, schriller wasserstoffblonder Frisur und heiserer Stimme. Ohne Hilfe kommt sie die drei Stufen ins Wohnmobil nicht empor. Vorne, hinter Fahrer- und Beifahrersitz, liegt das improvisierte Wartezimmer, dort, wo Camper sonst ihre Essecke haben. In der Mitte, hinter einem Vorhang, registriert Schwester Teresa die Patienten, nimmt Blutproben, gibt Arzneien aus. Hinten ist das Behandlungszimmer des Doktors.

[...] Alice Polzin zittert leicht, und wenn sie aufsteht, hat sie Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Einen kleinen Kosmetikkoffer aus billigem, grauem Kunststoff hat sie dabei. Er steckt voller Arzneien. Sie leidet an hohem Blutdruck und zu hohem Cholesterin, sie hat Multiple Sklerose und Diabetes, sie hat Herzattacken und epileptische Anfälle hinter sich. Und sie hat keine Krankenversicherung. Im Monat bräuchte sie Medikamente für 2500 Dollar.

Deshalb ist sie ständig unterwegs - ihr Mann fährt sie - bei staatlichen Stellen, bei Apotheken und Krankenstationen wie dem Health Wagon, erbettelt Arznei. "Das darf doch eigentlich nicht sein", sagt sie, "dass einem das Gefühl vermittelt wird, es wäre eigentlich besser, wenn man gleich stirbt." Das klingt theatralisch, am Morgen. Nach einem Tag im Wartezimmer von Teresa Gardners Wohnmobil denkt man, dass Alice Polzin ziemlich nüchtern ihre Situation widergegeben hat.

Patienten wie sie sind traurige Routine im Health Wagon. Von seinen 30 Patienten an diesem Tag, erzählt Ross Isaacs später, litten mehr als 20 an gleich mehreren chronischen Erkrankungen, oft hoher Blutdruck, Zucker. "Und die meisten kümmern sich nicht darum, bis ihre Beschwerden richtig schlimm werden."

So wie die bleiche 49-Jährige, der oben die Schneidezähne fehlen und die sich ein Gebiss nicht leisten kann. Erst recht nicht, seit sie vor einigen Wochen am Ohr operiert werden musste und nun eine Krankenhausrechnung von 16 000 Dollar abzahlen soll. Sie wird für den Rest ihres Lebens verschuldet sein. Amerikas Kliniken weisen keine Notfallpatienten ab; sie verlangen aber meist, dass Rechnungen abgestottert werden, und wenn es Jahr um Jahr dauert.

Quote

04.11.2007 00:54:47

Uticensis: seriös?

Mir erscheint die Seriösität dieses Artikels mehr als zweifelhaft. Er enthält eigentlich nur Einzelfallbeschreibungen, Anekdoten und "starke", aber inhaltsarme Worte. Keine einzige empirisch belastbare Erkenntnis.

Dies legt den Verdacht nahe, dass lediglich vorhandene Vorurteile verstärkt werden sollen.

Vor nicht allzu langer Zeit gab es demgegenüber einen Bericht über das US-Gesundheitswesen auf empirisch-wissenschaftlicher Grundlage (Quelle: The Lancet Oncology). Demnach ist bei häufigen Krebserkrankungen die überlebensprognose von US-Patienten - im Durchschnitt aller Patienten - signifikant besser als bei deutschen Patienten.

Also doch ein Vorbild.

Quote

04.11.2007 00:54:47

Uticensis: seriös?

Mir erscheint die Seriösität dieses Artikels mehr als zweifelhaft. Er enthält eigentlich nur Einzelfallbeschreibungen, Anekdoten und "starke", aber inhaltsarme Worte. Keine einzige empirisch belastbare Erkenntnis.

Dies legt den Verdacht nahe, dass lediglich vorhandene Vorurteile verstärkt werden sollen.

Vor nicht allzu langer Zeit gab es demgegenüber einen Bericht über das US-Gesundheitswesen auf empirisch-wissenschaftlicher Grundlage (Quelle: The Lancet Oncology). Demnach ist bei häufigen Krebserkrankungen die überlebensprognose von US-Patienten - im Durchschnitt aller Patienten - signifikant besser als bei deutschen Patienten.

Also doch ein Vorbild.

Quote04.11.2007  01:51:34

klaasklever7: Ich habe mit vielen armen US-Amerikanern gesprochen,

auch mit Bettlern, die in Los Angeles und San Francisco auf der Straße leben. Die fanden ihr Land supertoll. Für ihre Armut haben sie nur ihr (angebliches) eigenes Versagen und den Willen Gottes verantwortlich gemacht, niemals aber den Staat oder die Gesellschaft.

Wir sollten die Amis einfach in Ruhe lassen. Wenn sie es gut finden, dass Millionen Bürger keine Gesundheitsfürsorge haben, dass jeder Depp uneingeschränkt Waffen mit sich herumtragen kann, dass in vielen Bundesstaaten die Todesstrafe gilt, dann müssen das die Amis schon unter sich ausmachen. Es wäre arrogant, in ihre internen Angelegenheiten reinreden zu wollen.

Das einzige, was wirklich verhindert werden müsste, dass die Amis ihre Vorstellungen von Freiheit und Demokratie nicht in andere Länder exportieren. Denn das widerspricht nun ganz erheblich der Vorstellung, wie die meisten anderen Völker auf dieser Erde leben wollen: In Sicherheit und Frieden.

Quote04.11.2007 03:04:47
JordiLC: US Gesundheitswesen

Ja, Ja ... die alte Leier: in Europa geht es den Menschen so gut und in USA leben die meisten in Armut. Mich erinnern solche Artikel immer an die DDR Propaganda gegen die BRD und an den "Sozialistischen Schutzwall" vor den boesen Kapitalisten. Warum wollten trotzdem alle Ossis in den Westen? Genau aus dem Grund, weil auch so viele Leute in die USA auswandern wollen.

Quote04.11.2007 11:08:04
alman85: na ja

Habe selber ein paar Jahre da gelebt. War 3 mal beim Arzt jeweils 15 min, ich hatte auch eine Versicherung. Leider musste ich noch 800 Dollar Selbstbeteiligung zahlen, Das System ist zum Reihern da. Die Ausrede, viele entscheiden sich nur aus Gier gegen eine Krankenversicherung, ist die Selbstlüge des oberen Einkommensviertels, Fox News in Reinkultur!

Quote04.11.2007  12:22:45

Laptopper: Selbstbedienungsmentalität und Anspruchsdenken

Ich kann nicht beurteilen, ob jeder, der es will in den USA eine Krankenversicherung abschließen kann oder nicht, weil er sich das Geld dafür "sparen" will. Ich denke aber, die Anzahl derer, die es wirklich NICHT KöNNEN ist ziemlich hoch.
Als selbst im Gesundheitssystem (in Deutschland) Tätiger wundere und ärgere ich mich aber nahezu täglich über das völlig überzogene Anspruchsdenken der versicherten Patienten bei uns. Ich will um Gottes Willen dem amerikanischen System – falls man es überhaupt System nennen kann, denn eigentlich ist es eben keines – das Wort reden. Aber bei uns herrscht im Gesundheitsbereich zunehmend eine ichbezogene Selbstbedienungsmentalität, dass es oft nur schwer zu ertragen ist. Unseren Versicherten ist schlicht und einfach jegliches Bewusstsein abhanden gekommen, was unsere Gesundheit konkret ,,kostet". Das einfachste Mittel um das zumindest ansatzweise zu ändern ohne irgendjemandem weh zu tun wäre meiner Ansicht nach das, was jeder Privatversicherte als Selbstverständlichkeit kennt. Die Patienten erhalten selbst eine Rechnung, auf der sie detailliert sehen können, was die Behandlung wirklich gekostet hat und sie müssen diese zur Kostenerstattung bei ihrer Krankenversicherung einreichen. Ich bin sicher, den meisten werden die Augen aus dem Kopf fallen. Positiver Nebeneffekt: Der Patient kann selbst erkennen, ob die abgerechnete Leistung auch wirklich erbracht wurde. Warum das unseren ,,bequemen" gesetzlich Versicherten nicht zumutbar sein soll, will mir einfach nicht in den Kopf.

Quote04.11.2007  14:51:07
OttoChilli: Na...
alle Marktradikalen hier im Forum müßten jetzt in Jubelstürme ausbrechen, schließlich richtet der Markt bekanntlich alles. In diesem Fall hat er auch gerichtet, im wahrsten Sinne des Wortes.

[...]


Quote04.11.2007 17:42:25
AnneKlein: Hetze
Die Sueddeutsche glänzt leider mehr und mehr durch Kapitalismus- und USA-Hetze. Ich frage mich, wo die Kritik am deutschen System bleibt. Zeigen Sie doch einmal die wesentlich grösseren Schwächen des deutschen Systems auf, dass dem Missbrauch Tür und Tor öffnet.

Erst vor der eigenen Tür kehren und dann mit dem Finger auf andere zeigen.

Quote04.11.2007 19:04:02
dekla:

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Quote

05.11.2007 03:01:39

Expat: Und das sind die Fakten

In den USA bekommt jeder eine Behandlung, wenn er krank ist - auch ohne jeglichen Versicherungsschutz! Dazu muss man sich nur in die Ambulanz eines Krankenhauses begeben, die VERPFLICHTET ist, einen zu behandeln.
Die zahlreichen illegalen Einwanderer wissen das nur zu gut, weshalb in manchen Gemeinden, wo sich viele (keine Steuern zahlende) Illegale angesiedelt haben, die Kosten fuer das Gesundheitswesen inzwischen derart ins Unermessliche gestiegen sind, dass sie von den ansaessigen Buergern durch deren Steueraufkommen schlicht nicht mehr bezahlt werden koennen - was natuerlich auch sehr viel boeses Blut macht.Denn Amerikaner fuehlen sich, genau wie Deutsche, nicht als Sozialstation der Welt.
Natuerlich duerfen auch amerikanische Buerger wie James Lowe dieses Privileg, kostenlos behandelt zu werden, nutzen.
Im Falle des geschilderten James Lowe nehme ich einfach an, dass er nicht "gewieft" und durchsetzungsfaehig genug war, sich des Systems zu bedienen.
Aber Reymer Kluever sollte dies eigentlich wissen, er hat ja lange genug in diesem Land gelebt. Auch das Verschweigen von Tatsachen ist bewusste Irrefuehrung.


Aus: "Das Schicksal des James Lowe aus Virginia: Armut macht stumm" Von Reymer Klüver (SZ, 02.11.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/327/141025/ (http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/327/141025/)

-.-

Quote[...] Ein Mann verliert bei einem Unfall zwei Finger, im Krankenhaus wird der Wert der beiden Extremitäten beziffert, dann muss der Mann entscheiden, welchen Finger er sich leisten kann. Diesen und ähnliche Fälle präsentiert Moore in seiner üblichen Rolle als Anwalt der kleinen Leute. Dazu bringt er Menschen vor die Kamera, die früher für das System gearbeitet haben und jetzt öffentlich Reue zeigen. Politiker und ihre Verbindungen zur Industrie werden an den Pranger gestellt.

Die eigentliche kritische Spitze gewinnt Moore in "Sicko" jedoch aus dem System-, sprich: Ländervergleich. In den USA gilt jede Form von "sozialisierter" medizinischer Versorgung als Vorstufe zum Kommunismus. In Ländern wie Kanada, England oder Frankreich, in denen das Gesundheitswesen in öffentlicher Hand ist, sind nun aber die Rahmendaten deutlich besser: Die Lebenserwartung ist höher, die Säuglingssterblichkeit ist niedriger, die Wartezeit in Ambulanzen ist kurz.

Vor allem Frankreich wird in "Sicko" zu einem Schlaraffenland des Wohlseins. Ein Höhepunkt des Films ist zweifellos die Szene, in der Michael Moore zu den Klängen von "Je taime" mit verzücktem Blick durch Paris wandert - seine Liebe bezieht sich ganz eindeutig auf das Gesundheitssystem der Grande Nation.

Die windschiefen Vergleiche haben in der Essenz natürlich immer noch Sinn - es gibt gute Gründe für eine weitreichende medizinische Grundversorgung, die nicht von den Kapitalmärkten bestimmt wird. Michael Moore hat allerdings in den Jahren seines kometenhaften Aufstiegs zur großen weißen Hoffnung der globalen Linken das Prinzip der Personalisierung auf beiden Seiten entscheidend vorangebracht: Solange die Schurkenrolle mit George W. Bush noch auf ein weiteres Jahr besetzt ist, muss Moore die persönliche Konfrontation suchen. Es muss, wenn er dem Präsidenten schon nicht direkt die Meinung sagen kann, wenigstens eine gute Provokation her.

"Sicko" wird deswegen im letzten Teil noch richtiggehend aktionistisch: Michael Moore findet in Kuba genau jenes "sozialistische" Gesundheitssystem, vor dem ihn die amerikanischen Politiker immer gewarnt hatten. Er vermag an den kubanischen Röntgenärzten und deren Geräten nichts Verdächtiges erkennen, im Gegenteil hilft auch in Kuba ein Computertomograf bei der Diagnose der Beschwerden eines Mannes, der nach dem 11. September 2001 am Ground Zero gearbeitet und dort giftige Dämpfe eingeatmet hat. 9/11 ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt jeder Agitation in den USA, ob nun vom Präsidenten oder seinem prominenten Gegner.

"Sicko" kümmert sich nicht um die Unterschiede zwischen Selbstironie und kalkulierter Naivität, zwischen "dumm sein" und "sich dumm stellen". Das liegt ganz einfach daran, dass der Kalauer das Genre dieses Films ist. Was an Dokumentarischem noch mitgeliefert wird, stellt den USA kein gutes Zeugnis aus, die Polemik drumherum verfestigt aber eher die ideologischen Fronten, auch wenn Michael Moore sicher das Gegenteil im Sinn hatte: eine paradoxe Intervention.



Aus: "Michael Moore-Film: Gesundheitssystem am Pranger" VON BERT REBHANDL (10.10.2007) [Über "Sicko". Regie: Michael Moore, USA 2007, 113 Min.]
Quelle: http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5826&id=film-artikel&src=SZ&cHash=b337f80020 (http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5826&id=film-artikel&src=SZ&cHash=b337f80020)

Title: [Jeder zweite Deutsche hat keine Ersparnisse... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 07, 2007, 01:46:33 PM
Quote[...] Detailliert wie selten zeigt eine neue Studie, wie ungleich Vermögen in Deutschland verteilt ist. Die reichsten zehn Prozent verfügen über zwei Drittel der Rücklagen, die Hälfte der Bürger hat so gut wie gar keine - besonders betroffen: Frauen, Ostdeutsche, Zuwanderer.


Hamburg - 5,4 Billionen Euro - in Ziffern: 5.400.000.000.000 Euro. So viel Vermögen haben die Deutschen laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)angehäuft. Am Mittwoch wird die Erhebung offiziell vorgestellt, doch die Ergebnisse liegen der "Süddeutschen Zeitung" schon vor - und demnach belegt die Studie bis ins Detail, wie groß derzeit die sozialen Gegensätze in Deutschland sind.

In den 5,4 Billionen Euro sind dem Bericht zufolge Ersparnisse, Immobilien, Rentenansprüche und Versicherungen erfasst, aber etwa auch Sammlungen von Kunst, Münzen und Briefmarken. Die DIW-Forscher haben die Schulden der Deutschen in dieser Aufstellung schon herausgerechnet. Würde man die Summe gleichmäßig auf alle Deutschen ab 17 verteilen, hätte jeder Einzelne Sach- und Geldkapital in Höhe von etwa 81.000 Euro. Allerdings ist die Summe nicht gleichmäßig verteilt:

* Tatsächlich besitzen die reichsten zehn Prozent der Deutschen fast zwei Drittel des Volksvermögens - während mehr als die Hälfte der Bürger "so gut wie nichts" besitzt, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf die Studie. Das gesamte Einkommen dieser Gruppe diene im Prinzip dem Konsum oder der Tilgung von Schulden.
   
* Die Daten zeigen demnach auch, wie groß die Unterschiede bei den Besitzverhältnissen zwischen West- und Ostdeutschland seien. Das Durchschnittsvermögen eines Westdeutschen sei 2,6 mal höher als das eines Ostdeutschen - vor allem weil Ostdeutsche eher verschuldet seien und seltener Wohneigentum besäßen.
   
* Unterschiede gebe es auch bei der Vermögensverteilung zwischen Männern und Frauen, schreibt die Zeitung: Im Durchschnitt ist das Vermögen einer Frau demnach um 30.000 Euro kleiner als das von Männern.

* Besonders wenig besäßen Zuwanderer. Ihr Vermögen liege unter der Hälfte des Durchschnittvermögens.

Wegen höherer Einkommen der reicheren Deutschen haben die sozialen Gegensätze der Studie zufolge in den vergangenen Jahren zugenommen. Der Lohnanteil am Vermögen habe von 1996 bis 2006 stagniert - der Kapitalanteil sei um vier Prozentpunkte auf 33,8 Prozent gestiegen.

[...] Markus Grabka, Autor der Studie, sagte, die Ergebnisse würden zeigen, "dass viele Menschen in Deutschland quasi von der Hand in den Mund" leben. Gleichzeitig häuften die Wohlhabenden "gewaltige Reichtümer" auf. Die Politik müsse diese Schieflage korrigieren - aber nicht durch eine Vermögenssteuer: Die würde nur dazu führen, dass Reiche ihr Vermögen außer Landes brächten.

kaz


Aus: "REICHTUMS-STUDIE: Jeder zweite Deutsche hat kaum Vermögen" (06. November 2007)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,515793,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,515793,00.html)

-.-

Quote[...] Seit den frühen neunziger Jahren sind die Einkommen der Spitzenverdiener auf allen Kontinenten erheblich schneller gestiegen als die Gehälter von Geringverdienern. Experten des Internationalen Währungsfonds nennen dafür vor allem zwei Gründe: Den technologischen Fortschritt und die Liberalisierung des Welthandels. Spezialisten haben dadurch die Möglichkeit, ihr Wissen noch produktiver einzusetzen, gleichzeitig gibt es mehr Konkurrenz unter Niedrigqualifizierten.

Quote

06.11.2007 17:08:58

resonic: Neid

Ich bin für eine Leistungsgesellschaft in der auch die Leute ordentlich verdienen, die etwas tun. Wer nur gering qualifiziert ist, weil er seine Sonder-/Hauptschulzeit lieber mit Sex, Rauchen und Saufen verbracht hat, anstatt etwas für die Bildung zu tun, hat meiner Meinung nach kein Recht zu jammern und kein Recht auf Wohlstand auf Kosten der Besserverdiener!
Dass die Managergehälter nur bedingt mit der Leistungs in Einklag stehen stimmt schon, da stimme ich absolut zu, diese aber mit den Leistungsträgern (Ingenieure, Akademiker, usw.) der Gesellschaft in einen Topf werfen ist blanker Hohn.

Ein Akademiker hat schließlich kaum etwas mit dem Geldadel zu tun. Die Menschen mit einem Einkommen von über 65.000 Euro im Jahr (Das sind 10% aller Beschäftigten) erwirtschaften schließlich rund 50% aller Einkommenssteuereinnahmen. Wer da seinen Neid zeigt und meint man müsste den schlechtqualifizierten mehr bezahlen und diejenigen, die ohnehin schon sehr viel von ihrem sauer verdienten Geld abgeben, weiter bestrafen, hat die Sache mit der sozialen Gerechtigkeit nicht verstanden.

Naja, besser Patrizier als Lehnsherr, war schon immer so, wird zum Glück auch immer so bleiben.

Quote

06.11.2007 17:09:47

totwald: An ihren Werken soll ihr sie erkennen!

Die nackten Zahlen entlarven das hohle politische Gewäsch aller Parteien, die in der BRD in der Regierungsverantwortung standen und stehen.

Die Herausforderung, ein sozial gerechtes und ökologisch nachhaltig wirrtschaftendes Gemeinwesen aufzubauen hat keine einzige Partei in diesem Lande wirlich und wahrhaftig aufgenommen, geschweige denn, wurde ihr jemals entsprochen.

Einen besseren Beweis für eine von letztendlich allen politischen Kräften unterstützte Umverteilung von unten nach oben kann es nicht geben.

Hier raffen die Begüterten hemmungslos auf Kosten der Armen und Schwachen, die jetzt lebenden Generationen verschludert das Erbe ihrer Kinder und Kindeskinder und hinterlassen ein bankrottes Staatswesen sowie - man denke nur an den Klimawandel- eine ökologische Wüste.

Hätte es jemals zuvor einen besseren Grund gegeben, diese Bande zum Teufel zu jagen?

Doch die Deutschen vermögen es nicht. Erst werden es uns die Franzosen wieder einmal vorführen müssen, wie man professionell Revolution macht. Dort dauert es nämlich nicht mehr lange.

Der deutsche Michel wird es dagegen vorziehen, weiter zu klagen und zu greinen bzw. sich seinem Weltschmerz und seinen Depressionen hinzugeben, statt endlich einen Generalstreik auszurufen und der ganzen Mesch poke zu zeigen, wo es langgeht.

Quote06.11.2007  17:17:56

heinmück: Das Gefühl speist sich aus Meldungen

So what? Im (soziale) Marktwirtschaft genannten Kapitalismus werden die Reichen immer reicher? Nein, wer hätte das gedacht? Da gab´s zwar so ein `Gefühl´ (wenn man mal wieder jemand mit dunklem Koffer an der Grenze sah?) aber wenn wir nicht diese SZ exklusiven Experten hätten, wären wir doch nie darauf gekommen. Da sträubt sich doch der volksgesunde CDSUSPDFDPGRüNE Menschenverstand: dank Agenda 2010 geht´s uns doch ALLEN Gold. Und jetzt sowas: nach der Sensation, dass ein Gericht nach wochenlanger Beratung feststellt, Lokführer dürfen tatsächlich ein in der Verfassung verbrieftes Recht wahrnehmen (haben doch alle gedacht, dass dies nur versehentlich im GG steht und eigentlich nix bedeutet!) jetzt diese Megaüberraschung: Reiche werden immer reicher!
Ist wahrscheinlich eine Ente!

Quote

06.11.2007 18:00:27

germanbureau: Leistung und Neid

@benutzer1100:

[...] Die Mär, dass jeder selbst alles erreichen kann, kannste im Kindergarten oder bei den Jungen Liberalen erzählen, hat mit der Realität nichts zu tun!

Und natürlich soll und wird es immer Arm und Reich geben, aber warum soll ich mich mit der krassen Schere abfinden? Ich verdiene sehr gut und jammer nicht, aber ich sehe nicht ein, dass eine wachsende Mehrheit bei uns z.B. dem Renditewahn einiger Weniger zum Opfer fällt und sich dann nicht mal mehr gescheites Essen leisten kann! Nur als Beispiel.

Und das hat nichts mit Neid zu tun!

Quote06.11.2007 18:09:58
oelauge:

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Quote06.11.2007 18:12:38
oneworld: Kurt47: Sehr aufschlussreich Ihr Beitrag

Heute sind wir scheinbar im Jahr 1927/1928?

Die Reichen wissen nicht, wo sie ihr Geld denn wirklich investieren sollen - und die Armen unter uns wissen nicht, wo sie ihr nächstes Geld für die Stromrechnung herbekommen.

Auf der Konsumenta war ein Besucherrückgang von 8% - wann drosselt die Industrie die Produktion?

Quote06.11.2007 18:21:33
RobertOstermeier: Braucht man dafür eine Studie? Und diese Entwicklung hat sich unter einer SPD

Regierung sogar verschärft!
Sozial steht zwar überall drauf, ist nur nicht mehr drin!

Quote06.11.2007 18:26:53
oneworld: kurt47

Fusion Karstadt - Kaufhof, ja warum wohl? Alleine schafft es auch von denen keiner mehr.

Die Armut geht im Kreislauf.

über 50% leben von der Hand im Mund - tja, dann kann sich der Unternehmer, egal welcher Branche auch verreiben, dass er was verkauft - Absatzrückgänge, Umsatzeinbrüche, noch mehr Entlassungen, noch weniger breite Kaufkraft, noch mehr Entlassungen, tja, das Spiel gewinnt an Fahrt....

Alles schon lange sichtbar, aber nur für Sehende, und nicht für Blinde, geschweige denn Opportunisten, die immer noch meinen: Mit Fleiß bringt man es zu was. Irrtum.

Nur wenn man Geld hat oder reich heiratet. Ehrlich Arbeiten macht mittelfristig bankrott.

Quote06.11.2007 18:28:59
Kurt47: Bei Lichte betrachtet

Was hat eigentlich Deutschland über die letzten Jahre seit 2000 erreicht, wenn man es einmal kritisch unter den Alt-EU-Ländern vergleichend betrachtet.

Hier sind die Platzziffern in 2000 und 2006 für Deutschland unter den jeweils vom Statistischen Amt der EU registriert Ländern:

Beim Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt vom 9. auf den 11. Platz unter 15 Ländern.

Beim nominalen Pro-Kopf-Arbeitseinkommen pro Arbeitnehmer vom 2. auf den 7. Platz unter 15 Ländern.

Beim Pro-Kopf-Verbrauch privater Haushalte vom 5. auf den 8. Platz unter 14 Ländern.

Beim Anteil der Langzeitarbeitslosen an der aktiven Bevölkerung vom 12. auf den 11. Platz unter 13 Ländern (jeweils 2. Quartal 00 bzw. 07).

Ist das wirklich so prickelnd?

Quote06.11.2007  18:45:20
Hoplit: GÄÄÄÄHN!

Mal wieder eine "NEUE STUDIE" die der SZ "exklusiv" vorliegt. Wow.
Und was besagt diese Studie: dass die Armen arm bleiben, weil sie nix verdienen und noch nie was verdient haben. Und die Reichen reicher werden, weil sie entweder arbeiten und viel verdienen oder Zinsen auf ihr Vermögen kriegen.
Ja Mensch! Dass ist ja mal eine Erkenntnis!
Schön, dass im Gegensatz zu den üblichen Jammerartikeln wenigstens mal die Definition von "arm" aufgeführt ist. Und was zeigt die uns? Dass "Armut" ein relativer Begriff ist und daher zwangsläufig der Prozentsatz an Armen wahrscheinlich immer gleich bleiben wird.

Quote06.11.2007  18:52:20

footek:

Es ist schon interessant, Otto - normal Bürger hat aufgrund von Inflation, Preis - und Steuererhöhungen immer weniger in der Tasche. Das ist Fakt. Die Politiker reden dabei von Aufschwung. Erschließt sich dem normalen Bürger, was damit gemeint ist? Ich glaube nicht. Ich gehöre selbst zur Mittelschicht, brauch mich also nicht beklagen, idell und materiell (obwohl ich Atheist bin, d.h. ich schöpfe meine Einstellung nicht aus irgend einem Glauben ;)), große Sprünge sind trotz Studium und gutem Job trotzdem nicht drin. Gleichzeitig sehe ich, dass Regierung nichts für die Leute fertig bringt, die die Hauptlast für diesen Staat durch Steuern und Abgaben zahlen. Verdienen tuen nur die oberen zehn Prozent, natürlich bedingt auch durch ökonomische Grundsätze wie Zinsen etc., will sagen der Esel scheißt immer auf den selben Haufen. Aber wie will man der Masse diese Politik und Entwicklung noch vermitteln? Staatlich verordnete Dumpinglöhne und Gängelei, bei gleichzeitiger Anhäufung des Vermögens bei immer wenigeren Personen und ausschließlichen Steuergeschenken für die upper class? Keine Ahnung, aber diese Entwicklung lässt immer nur noch mehr Zustimmung für politische Extreme entstehen. PS. ist schon beeindruckend, wie sich die Philosophien von Marx und Engels bestätigen, die bemerkenswerter Weise vor über 150 Jahren aufgestellt worden sind. Na man schlägt mich zwar gleich tot, aber die kommunistische Idee ist noch lange nicht tot nur ruhig gestellt.

Quote06.11.2007  18:54:38

oneworld: Reichtum vererbt sich


Und Armut leider auch.

In meinem Umfeld gibt es beide Sorten von Menschen.
Meine Beobachtung ist die, dass diejenigen, die nach dem Krieg ein Immobilienschnäppchen gemacht haben bzw. die Väter nach dem Krieg eine Firma anfingen zu bauen, diesen Reichtum erhalten und mehren können. Die, die einem reichen Geschlecht entstammen, sind sowieso im Rennen weit voraus.

Diejenigen, die in meiner Generation anfingen, wie wild zu arbeiten und aus nicht begütertem Hause stammen, mögen vielleicht ein besseres Gehalt erwirtschaften, aber von Reichtum kann nicht die Rede sein. Keiner von denen hat es geschafft, sich in diesem Leben alleine einen Reichtum zu erarbeiten. Dazu braucht es mehr als eine Generation. So sehe ich das inzwischen - ernüchtert. Nachdem auch eine gute Ausbildung und fleißig sein nicht ausreicht, sondern einfach die Verbindungen des Papas, die finanzielle Unterstützung und der Lift in die begüterten Kreise eine erheblich gewichtigere Rolle spielen als uns das immer versucht wurde, weiß zu machen. Es stimmt einfach nicht, dass die gute Ausbildung für eine gute Position mit entsprechendem Gehalt reicht.

Quote

06.11.2007 18:54:54

senfi: Naja,...

1. dass die Arbeitseinkommen in einer der reichsten Volkswirtschaften der Erde im Vergleich zu den Kapitaleinkommen abnehmen kann gar nicht anders sein, wollten wir mit armen und arbeitsintensiven Ländern wie China konkurrieren, dann wäre das fatal. Wo liegt also das Problem?

2. heute hat eine viel breitere Masse Kapitaleinkommen als früher, der Anstieg alleine sagt dehalb rein gar nichts aus

3. wenn - wie in einigen Kommentaren - die richtig Armen mit den richtig Reichen verglichen werden, dann muss bei positivem Wachstum per Definition die Schere größer werden. Es geht um die breite Mitte und die kann sich nur helfen, wenn sie produktiver wird, zu ihr hin umverteilen geht nicht, denn dann wandern die ab, von denen man nimmt (wir sollten also versuchen die richtig Reichen nicht weiter in die Schweiz zu treiben)

4. verglichen mit armen Ländern (häufig keine demokratischen Marktwirtschaften) ist die Spreizung in D viel geringer.

5. traurig ist doch, dass es den wirklich Bedürftigen (Kranken, Alleinerziehenden Müttern, etc.) so wenig geholfen wird (die haben nämlich wirklich keine Lobby), aber viele (nicht alle!) von denen, die lamentieren, sehr wohl in der Lage wären mehr zu tun, sich aber lieber auf Kosten anderer auf die faule Haut vor den neuen Flachbildschirm legen und nur rauskommen, um in der Kneipe ihr Bier zu trinken oder am ihr Auto zu waschen

6. haben die Beispiele Nordkorea, DDR, etc. nicht bewiesen, dass diese Systeme keine Alternative sind bzw. waren

7. wenn ich von Stimulierung der Binnennachfrage (Onkel Keynes und die 60er lassen grüßen) und galoppierender Inflation (2,4%!!!!!!!!!) lese, dann wird mir schlecht

8. wenn ich mich hier so umschaue, dann bekomme ich den Eindruck, kaum einer wählt CDU, SPD und Co., aber nach der nächsten Wahl sieht es dann wieder genauso aus, nur will dann wieder keiner für die gestimmt haben

Die Diskussion dreht sich doch wieder nur um die Kritik am bösen Marktsystem. Sozialer muss es werden, dass scheint klar! Nur wie sehr, darauf wird sich dann wieder keiner einigen können, spätestens, wenn es an den Abbau eigener Privilegien geht.

Kritisieren können hier wieder alle, und das ach so schlau, eine funktionsfähige Alternative zum Marktsystem hat bisher noch keiner geboten.

Also, dann streitet Euch weiter um die Verteilung des Kuchens, eine Lösung werdet Ihr auch dann nicht [...finden (?)]


Quote06.11.2007 19:03:07

woksoll: senfi: Naja,...

"2. heute hat eine viel breitere Masse Kapitaleinkommen als früher, der Anstieg alleine sagt dehalb rein gar nichts aus"

In der Überschrift steht: "Jeder zweite Deutsche hat keine Ersparnisse"

Ohne Ersparnisse keine Kapitaleinkommen. Da macht die gegenteilige Behauptung von ihnen keinen Sinn.

Quote6.11.2007 19:07:28
TransrapidNow:

@footek
Natürlich ist die kommunistische Idee noch lange nicht tot - "There's one born every minute" wie man so schön zu sagen pflegt ;-) Ich persönlich sehe im Kommunismus - so wie er jenseits reiner Phantasie funktionieren kann - schlicht eine Perversion des Kapitalismus. Ober- und Unterschicht wie gehabt, keine Mittelschicht, größere Schere - um's mal ganz banal zu konstatieren.

Quote06.11.2007 19:43:56
LvB: Geben ist seliger als nehmen

Von Apostel Paulus (an die Epheser) kennen wir das Jesuswort "Geben ist seliger als nehmen". Darin liegt die Urdefinition von arm und reich. Die in dem SZ-Artikel geschilderten REICHEN gehören im allgemeinen Volksverständnis zu den NEHMERN dieser Gesellschaft. Dies ist vermutlich in den meisten Fällen auch zutreffend.
Ich zähle mich selbst zu den "mittleren" WOHLHABENDEN, der jedoch noch weit weg ist von den Millionären und Milliardären.
Trotzdem fühle ich mich erst als reich, wenn ich helfen kann - möglichst anonym.

Die reinen NEHMER dieser Gesellschaft sind nach dieser Definition nicht wirklich reich, sie bringen jedoch durch ihre Raffgier das soziale Gleichgewicht bis hin zu einer totalitären Entwicklung (nach rechts oder links) immer mehr ins Schwanken.
Dass sie dies nicht erkennen oder bewusst in Kauf nehmen liegt vielfach auch an deren mangelnder Bildung. Viele REICHE, die ich kenne sind "strunzdumm".

Quote

06.11.2007 19:47:25

Jan.de: @oneworld

ich bin doch kein Träumer.

Der Arbeitsmarkt ist auch ein Markt, bei sinkenden (Real)Löhnen steigt die Beschäftigung, weil die Nachfrage steigt. Immer mehr Grenzanbieter von Arbeitskraft können bei Löhnen von 4 oder 5 Euro beschäftigt werden, gleichzeitig steigt damit aber die Nachfragerente am Arbeitsmarkt, also Nachfrager, die höhere Löhne bezahlen könnten, weil der Laden brummt, bekommen erfreulicherweise die Arbeit auch zu niedrigeren Löhnen, damit steigen dann die Gewinne, wie die Bilanzen zeigen.

Diese Senkung der Reallöhne ist politisch induziert, war mal richtig, und es ist jetzt Zeit, diese Entwicklung zu korrigieren. Durch höhere Einkommen wird dann endlich die Konsumgüternachfrage angekurbelt, was ja bekanntlich auch Arbeit schafft, wenn ein größerer Teil der Früchte der Arbeit wieder bei den Arbeitenden bleibt. Diese Kurskorrektur ist meiner Meinung nach überfällig, und ich bin wirklich kein Gewerkschaftsheini.

Quote06.11.2007 19:56:20

Olly77: Man schweigt darüber

Das Problem ist bekannt, wird aber geflissentlich ignoriert. Von Politikern wie von Talkmastern. Dabei müsste es eigentlich Verfassungsrang einnehmen: Das gesamtgesellschaftliche Gleichgewicht ist bedroht!

Quote06.11.2007 19:59:43
jerschabet: @olly

"... Dabei müsste es eigentlich Verfassungsrang einnehmen" schrieben sie.

sie meinen doch nicht etwa das grundgesetz "vermögen verpflichtet", oder !?

Quote06.11.2007 20:09:20
Olly77: @jerschabet: Nein, nein,

ich meinte ein Pendant zur Störung des "gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes". Im übrigen: Letzteres ist durch extreme Umverteilung ebenfalls gestört, worauf viele hier schon hingewiesen haben.
Natürlich kann man sich über dumme, ungebildete und nichtsnutzige Reiche aufregen, aber das ist nicht der Punkt. Es geht vielmehr ums Versagen der Politik, deren Job es wäre, gegenzusteuern. Die Erbschaftssteuerreform ist ein Offenbarungseid an Unfähigkeit!

Da die Politik mithin weniger als die Hälfte der Bevölkerung nur mehr effektiv vertritt, ist auch die Demokratie bereits Makulatur.

Quote06.11.2007 20:19:53
the-eggs:

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Quote

06.11.2007 20:48:33

sanft+sicher:

ehrlich, ich bins langsam leid, dieses ewige aufeinandereindreschen. gibt kaum einen thread hier ohne beschimpfungen, diskriminierungen, anwaltgedrohe, etc. ja sind wir denn hier im kindergarten?

wer einerseits vom "niedergang" oder "niveauverlust" der sz schreibt, sollte doch BITTE konsequenterweise den geist/die bereitschaft besitzen, andere meinungen (so absurd sie auch sein mögen) auch ohne waschweibgeplärr zuzulassen/zu diskutieren. kann man denn nicht gepflegt miteinander umgehen? ist doch nicht zuviel verlangt. oder doch?

kopf hoch.

Quote06.11.2007 20:50:55
NobleHouse: @alle...JETZT arte (TV) sehen...

A Must: arte 20:40 h Rand der Gesellschaft...!

Quote06.11.2007  21:04:54
HoChiMinh: des Pudels Kern

[...] Das reaktionäre Rudel hat aber nicht den geistigen Horizont Ihnen folgen zu können. Die kämpfen noch die alten Links/Rechts-Kämpfe aus den 80ern, sind neoliberal verblendet und sind nicht mehr dazu fähig die Realitäten des Deutschlands im Jahr 2007 wahrnehmen zu können.

Es gibt von denen die nicht betroffen sind nur einen kleinen Anteil von Menschen, die über ihren eigenen Tellerrand schauen können. Der große Rest macht sein persönliches Interesse und seine Wahrnehmung zur Weltanschaung und sich selbst zum gerechten Richter.


Quote06.11.2007 21:06:37
Mythorus:

@Ernstol

Ich habe gearbeitet, viel Zeit und Risiko darauf verwandt erfolgreich zu sein, und siehe da, es hat funktioniert.

Quote06.11.2007  21:07:41
jpod: Kein Wunder

Viele kaufen sich mit Geld, was einem nicht gehört, neue Dinge, die sie nicht brauchen, um Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen. Wie soll das Volk da noch sparen.

Ansonsten sagt man hier in Hamburg: Geld hat man, aber man redet nicht darüber.


Quote06.11.2007  21:14:03

derblauebarbar: Ja, mythorus: Glückwunsch!

Das ist ernst gemeint. Und jeden Cent sollen Sie in Frieden genießen.

Bitte vergessen Sie dabei aber nicht jene Umstände in Ihr Abendgebet miteinzuschließen, die Sie nicht beeinflußt haben, sondern welche dafür maßgeblich sind, daß sich Ihre Produktivkräfte entfalten konnten.

Zum Thema "Leistung" (aus: zeit.de/2006/52/Starnberg?page=5)

"Er erzählt von einer Studie, die ein befreundeter Soziologe gemacht hat: Das Thema waren zwei deutsche Absolventen einer Elite-Universität, der eine stammte aus wohlhabenden, der andere aus sehr einfachen Verhältnissen. Beide hatten in etwa die gleichen Fähigkeiten. Beide bewarben sich in Firmen um Spitzenjobs, mit radikal unterschiedlichen Ergebnissen: Der aus gutem Hause wurde dem anderen immer vorgezogen, trotz der ähnlichen Qualifikation. Das Fazit des Soziologen: Es hat mit dem gesellschaftlichen Stand zu tun, einem scheinbar unsichtbaren Band. Man sucht seinesgleichen, man erkennt sich, will unter sich bleiben."

Quote

06.11.2007 21:16:49

yankeeforever: @Hoplit: GääääHN Retour!

@Hoplit: GääääHN Retour!
Und worin besteht die "neue" Genialität Ihrer Ganglienverknüpfung(en)? Aus der Tatsache, dass bei uns (noch) niemand verhungern muss?

Abgesehen davon, dass es auf diesem Planeten auch im 21. Jahrhundert "absolute" Armut gibt und Menschen Tag für Tag tatsächlich verhungern, wer bestreitet denn, dass "Armut" in diesem unserem sog. christlichen und sozialen Lande "relativ" ist?

Empirisch schlichtweg falsch ist allerdings Ihre Aussage, dass der "Prozentsatz an Armen wahrscheinlich immer gleich bleiben wird.

Doch darum geht es nicht: Sehr viele der heute in unserer sog. überflussgesellschaft "relativ" Armen haben vermutlich sogar einen (Farb-)Fernseher in ihrer Wohnung stehen, während ein derartiges Gerät sogar für "Normalverdiener" Ende der 60er Jahren unerschwinglich war.

Relative Armut bedeutet nämlich nicht, dass man sich keinen Champagner für 200 Euro, keinen Ferrari als Zweitwagen und keinen mehrwöchigen Luxusurlaub in St. Moritz leisten kann, sondern der Mangel an Freiheit, die Ausgrenzung aus der Gesellschaft und die Umöglichkeit, am stinknormalen Leben teilhaben zu können.

Relative Armut bedeutet, dass man am 25. des Monats kein Geld mehr hat, um die Stromrechnung zahlen zu können. Es bedeutet, dass man ständig das Konto überziehen muss, um die Miete zahlen zu können. Es bedeutet, dass man nicht mit dem 500er Mercedes zu Aldi fährt, um dort auf "Schnäppchenjagd" zu gehen, sondern ständig gezwungen ist, auch bei aldi nur das Billigste vom Billigen zu kaufen. Es bedeutet, dass man seinen Kindern keinen Musikschulunterricht und keine bezahlen kann usw.

DAS IST DIE REAL EXISTIERENDE RELATIVE ARMUT IN DIESEM UNSEREM CHRISTLICHEN UND SOZIALEN LANDE!

Vielleicht sollten sie einmal in einer stillen Stunde über die Begriffe "Arroganz" und/oder "Dummheit" nachdenken.


Quote06.11.2007 21:16:59
Mythorus:

@derblauebarbar

Mein gesellschaftlicher Stand konnte keinen Einfluss haben, denn ich habe keinen Arbeitgeber. Ich war an einer normalen Uni, und hatte kein Stipendium. Also welche Umstände ausser Arbeit bleiben noch übrig?

Quote06.11.2007 21:18:06
Ernstol: "Reaktionäres Rudel"

...lieber HoChiMinh,

Das kostet aber 5 EURO ins Phrasenschwein !

Quote06.11.2007 23:36:54
Mythorus:

Natürlich, wie immer.

Nach einer Erhöhung der Erbschaftssteuer schreien natürlich diejenigen, die eh nie eine zahlen müssen und für den Kuchen nichts getan haben. Wenn meine Frau oder Kinder einst erben werden, dann wurde dieses Kapital bereits mehrfach versteuert. Welches Recht hat denn jemand außer den 3en auf nur einen Cent? Meine Frau und meine Kinder müssen meine geschäftliche Abwesenheit und 60h Woche ertragen. Ach ja, weniger arbeiten ist aber leider nicht möglich, ich habe nämlich eine gesellschaftliche Verantwortung, gegenüber meiner Angestellten, die ebenfalls Familien zu ernähren haben.

Anstatt zu neiden empfehle ich die Energie in Arbeit umzuwandeln, das kann helfen.

Quote

06.11.2007 23:43:02

morgen-morgen:

Es geht nicht um Neid, sondern um eine anständige Bezahlung und um eine funktionierende Volksvertretung, die in der Lage ist, Konzepte zu entwickeln, die nicht diktiert werden durch die Reichen 10% der BRD, sondern die die nationalen und globalen ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen als seriöse Herausforderung annehmen. Die persönliche Orientierung an Luxusgüter kolludiert mit Interessen zur nachhaltigen Förderung des Allgemeinwohls. Es ist im Rahmen unserer Demokratie eine politische Entscheidung welches Maximum und welches Minimum zur Existenzsicherung einer funktionierenden Demokratie einzuhalten ist.

Die 5-Punkte deiner Forderungen, bieten sicher eher eine Möglichkeit zur Ausarbeitung vernünftiger, nachhaltiger Konzepte, als die politische Realität, mit der wir konfrontiert sind.

1. Basisdemokratie
2. Keine Zinswirtschaft mehr
3. Sicherung der Existenzmittel für alle
4. Ökologisch nachhaltige Wirtschaft
5. Subsidiarität und Dezentralität

Quote

06.11.2007 23:53:38

oneworld: morgen-morgen:


Ihre Vorschläge nehmen den Besitzstandswahrern zuviele Erpresshebel auf die Geldbeutel der Bürger weg:

Zinswirtschaft - die Finanzwelt schreit ganz laut auf, nachdem sie ja nichts tut, um Geld zu erwirtschaften (es ist ein Märchen, dass man seine Energie in Arbeit umwandelt, wie Mythorus meint, und schon stimmt der Verdienst.... ), sondern das Geld arbeitet für sie.

Basisdemokratie: gräbt den Lobbyisten ihren Einfluss auf Gesetzgebungen ab

Sicherung der Existenzmittel: Es ist kein Zufall, dass Aldi als Lebens-mittelhändler (=Existenzmittel) reichster Deutscher ist.

Subsidiarität und Dezentralität: siehe momentane Debatte wg. Preisabsprachen der Stromkonzerne - sie haben es in der Hand, ob die Lichter ausgehen, diese Macht werden sie nicht freiwillig nehmen lassen.

Sie haben in all ihren Punkten recht - und genau hier schreien die Pfründesicherer ganz laut auf. Ihre Punkte würde Bürger Chancen eröffnen, die sie faktisch im Moment nicht haben. Abgesehen davon: Wo das Geld konzentriert ist, ist die Macht - möge man noch so eine gute Ausbildung haben, noch so fleißig sein, das nützt alles - nichts.

Quote07.11.2007 00:17:39
oneworld: Wenn das stimmt, dann leben wir auf einem sozialen Pulverfass ersten Ranges !

So ist es. Und deshalb denkt Herr Schäuble ja auch andauernd über Maßnahmen nach, wie er das Volk einfangen und unter Repressalien setzen kann, sollte es tatsächlich langsam jedem dämmern, welches Spiel läuft.

Quote

07.11.2007 03:51:16

Crodino: Neid hilft auch nicht weiter

Das Problem ist nicht, dass manche sehr reich sind.
Sollen sie es sein: ob geerbt, selbst erarbeitet oder im Lotto gewonnen.

Und eine hoehere Erbschaftsteuer ist in diesem Zusammenhang so egal wie irgendetwas. Das ist ein missbrauchtes Politikum, in diesem Fall um Gewerkschaftsmitglieder bei der Stange zu halten und deren Beitraege zu kassieren.

Freigeld wuerde auch nur bedeuten, dass wir "zurueck auf Los gehen" und dann wieder von weiter vorn starten.
Es wird immer Menschen geben die effizienter, zielstrebiger, kreativer und/oder skrupelloser sind und dann die Nase wieder vorn haben.

Und die Zahlen sind in dem Artikel auch absolut unreflektiert und manipulativ gedeutet. Dass Ostdeutsche nach nicht ganz 2 Jahrzehnten und Migranten noch nicht auf dem Stand "Deutscher" sind ist logisch, da zum Zeitpunkt x nicht die gleichen Startvoraussetzungen gegolten haben. Bzgl. der Frauen muesste man sehen, wie Besitztum innerhalb der Familie gewertet worden ist - aber auch hier: Frauen sind in der breiten Masse auch nicht am gleichen Punkt gestartet (Mutter, Kind, Familie)

Und ploetzlich ist die Debatte Integration und Gleichberechtigung.
Und jeder der mehr erreichen will soll sich mal genau ueberlegen was machbar ist.
Qualitaet statt Konsumramsch
Sparen statt Lotto oder/und Rauchen
www.20prozent.org?

Aber das sei jedem selbst ueberlassen ob er seine/ihre Energie jammernd verschwendet oder anderweitig nutzt.


Quote07.11.2007 04:48:21
cheguevara: arme aermer-reiche reicher

das hatten wir doch auch schon mal. vor ca. 150 jahren war der unterschied auch unbeschreiblich gross und das ergebnis war eine umgestaltung der gesellschaftlichen verhaeltnisse. glaubt mir, es dauert heutzutage etwas laenger, aber es kommt!

Quote07.11.2007 05:47:46
DickesMüller:

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Quote07.11.2007  07:52:36

Peter.49: Weises Handeln

Der Mensch an sich ist nicht in der Lage, die Folgen seiner Wünsche kritisch zu überdenken. Der gierige Mensch denkt keine 3 Meter weit. Er denkt nicht nur ans haben wollen und raffen, sondern vor allem auch ans mehr sein, mehr wert sein.

In der innenpolitischen Diskussion wird seit Jahren doch genau das propagiert und angestrebt: Die Vergrößerung der sozialen Unterschiede, das Absenken der Masseneinkommen um mindestens 20% (nach Prof. Sinn), Abschaffung der Vermögensteuer, Erhöhung von Konsumsteuern, Bestrafung der Arbeitsunwilligen durch die Harz-Gesetze, auch wenn keine Arbeit für sie vorhanden ist. Auch die Abschaffung der Erbschaftssteuern war angedacht und im Gespräch, wurde aber nun abgewendet. Die bereits fixierte Absenkung der Eckrenten von 60% auf 40% des letzten Nettogehaltes bedeutet einen Verlust von einem Drittel der Nettorenten. Statt wirklicher Reformen und modifizierter Rentenbeiträge werden die Wehrlosen von einer Bande von Raubrittern beraubt.
Die boomende deutsche Exportwirtschaft sei nicht konkurrenzfähig, die ,,Reformen" müssen weiter gehen. Soll das heißen, das zurückschrauben und Abschaffen aller sozialen Errungenschaften.
Loser haben keine Rechte. Die Macht hat der, der eine Lobby hat und Politiker ,,bei ihrer Arbeit unterstützen" kann.

Zudem das Gedankenkonstrukt: Wenn billige Arbeit ermöglicht wird, schafft diese sich selbst eine Nachfrage, sprich Arbeitsplätze.
Das Ergebnis: Versicherungspflichtige Arbeitsplätze werden massenhaft zu prekären Sklavenlohn-Stellen und Ein-Euro-Jobs. Selbst bayerische Landesbehörden und gut verdienende Firmen ersetzen normale Stellen durch Ein-Euro-Job-Stellen.

Die bereits eingetretenen Folgen: Die sozialen Gegensätze nehmen drastisch zu. Kinderarmut ist, auch bei besser ausgebildeten Eltern, recht häufig und nimmt weiter zu. Die Binnennachfrage geht ständig zurück, wenn auch mit leichten Schwankungen.
Die absehbaren Folgen: Unsere Gesellschaft, unser Land wird instabil. Soziale Spannungen, Aufstände der Elenden sind möglich. (Aber Herr Schäuble hat bis dahin seine Bundeswehr-Einsätze gegen Zivilisten im Grundgesetz.)
Schauen wir mit offenen Augen nach England: In der Londoner City gigantisch verdient, die sozialen Gegensätze sind groß, auf dem Land ersetzen die Rentner kaputte Fensterscheiben durch Pappkarton. [...]

London hat neuerdings die höchste und brutalste Gewaltkriminalität in der Westlichen Welt. Die Täter sind hauptsächlich Kinder und Jugendliche. Schauen wir nach Berlin mit dramatisch steigender Jugendkriminalität: Gangs der besonders Hoffnungslosen, der Einwanderer-Kinder, stechen erst zu und suchen dann nach Beute.
Schöne neue Welt: Ihr Gierigen werdet euch einmauern müssen, in Reichen-Gettos, wie in Brasilien und anderswo. Das schützt euch - wenn ihr dann den Druck im Kessel nicht weiter erhöht. Ich habe keine Hoffnung, denn Gier und das Bestreben nach Ungleichheit sind nicht belehrbar und nicht lernfähig.


Quote07.11.2007  08:25:14
jpspecial: Das Problem ist nur...

...dass die Habenichtse auch ein Wahlrecht haben - und dieses irgendwann auch nutzen werden. Die Nixhaber-Partei könnte dann schnell mit populären Forderungen wie "Jeder soll reich sein - Umverteilung jetzt" 50% der Bundesbürger als Wähler für sich verbuchen.


Quote

07.11.2007 08:36:11

A.Hauß: Feed back

Offenbar trifft der Artikel und das Thema einen Nerv. Die Zahl der Kommentare zeigt es. Die Umfragen auch. Hier gibt es Leute, die das individuelle Konsumverhalten als Grund für nicht vorhandenes Vermögen denunzieren. Als gebe es keine Werbung, keinen gesamtgesellschaftlichen Druck bis in die Schulen hinein, Markenartikel zu tragen.
Als die Ossis befreit wurden und ihr Land und ihre Fabriken erbeutet waren, wurden sie mit alten Glfs und Alsi-Videorecordern befriedigt - wo es das Tittitainment ("Erdbeere") nicht taten. Da ist nun so langsam alls ausgereizt.

Heißt: das geht nicht mehr lange gut. Die Individualisierung (individuelle Schuldzuweisung, Vermeidung des Schlangestehens am AA usw.) geht nur solange okay, solange sich die Individuen nicht treffen und austauschen.
Dann gibt es Zoff.

Quote

07.11.2007 08:36:39

the-eggs: XFlieger

"Muss es denn unbedingt iPod, Dolby Surround 5.1 Anlage, jede Woche neue Klamotten, usw. sein? Die Münchner Fußgängerzone ist voll mit Leuten die ihr Geld for Konsum ausgeben.
Sparen ist out, verantwortungsloser Umgang mit Geld ist in. Konsumieren bis der Arzt kommt, Statussymbole bis an die Decke. Wer will denn schon auf etwas verzichten?

Ich meine hier nicht die Menschen die wirklich von der Hand in den Mund leben.
Die Statistik scheint mir aber grundsätztlich verfälscht, die Randbedingungen nicht ordentlich berücksichigt."

Die Statistik ist soweit schon richtig, dass Reiche immer reicher werden und der Rest irgendwie stagniert, ist ja bekannt und eigentlich nichts neues.
Das Problem ist die Wahrnehmung, es wird suggeriert, man lebe mittlerweile hart an der Armutsgrenze, wenn man nicht mind. 2000€ Netto in der Tasche hat und alle drei Jahre einen Neuwagen vor der Garage stehen hat. Hinzu kommen Zahlen wie 9 Mio ALG II Empfänger, die 1. übertrieben sind und 2. zum großen Teil dazu beitragen, Menschen finanziell zu unterstützen, die zuwenig verdienen.

Dieses aufgebauschte Szenario reicht aus, um bei manchen Fantastereien auszulösen, anstatt sich dem Thema mal sachlich zu widmen. Anscheinend wollen die nicht erkennen, dass der Konsum draußen nach wie vor in vollem Gange ist, denn ich glaube nicht, dass die Reichen sich die Playstations untereinander aufteilen.

Bestes Beispiel mal wieder war die Sendung über Armut auf Arte gestern, die eine Frau zeigte, die von ALG II lebt, im Wohnzimmer aber stolz der LCD Flatscreen Fernseher steht...

Und jetzt los, immer schön das rote Knöpfchen drücken :-)

Quote07.11.2007  08:42:02

Raffinade: Erstaunlich

Das ist schon erstaunlich.

Also nicht die Ergebnisse der Studie, sondern die Tatsache, dass
sich in der öffentlichen Diskussion trotzdem alles darum dreht, wie
man den ärmsten der Armen noch mehr Feuer unterm Hintern machen kann.

Die Strategie der Union ist seit längerer Zeit darauf ausgerichtet.
Mit Sprüchen wie "Leistung muss sich wieder lohnen" und "Wer arbeitet muss mehr in der Tasche haben blah blah" versucht die Union gezielt von den Tatsachen abzulenken.

Dass Problem ist also nicht etwa die Ungleichverteilung der Einkommen, sonder dass Arbeitslose zuviel Geld bekommen.
Oder der Osten. Oder Rentner. Sucht euch was aus.

Teile und herrsche.

Quote

07.11.2007 09:08:55

DigiFan: Ursachen

Hat sich im Rahmen der Studie schonmal jemand gefragt, woher die Ursachen kommen.

"50% leben von der Hand in den Mund."

Frage: Verdienen die so wenig? Sind sie vielleicht überschuldet? Wer definiert eigentlich, was lebensnotwendig ist. Bin ich arm, nur weil mein Nachbar jedes Jahr einen neuen BMW kauft und ich mir allenfalls aller 5 Jahre einen Japaner?


@jpspecial: "Aber denken wir den Gedanken doch einmal weiter: alles Eigentum wird gerecht aufgeteilt. jeder Bürger bekommt also die statistischen 81.000 Euro und alle Schulden werden getilgt. "

Genau das wollte ich auch mit der Frage nach den Ursachen zum Ausdruck bringen. Komischerweise sind nicht alle, die wenig verdienen, ohne Ersparnisse. Und genauso gibt es Spitzenverdiener, die beim ersten kleinsten Karriereknick insolvent sind - schließlich wollen Wohnung, Auto, Reisen und andere Luxusdinge noch abbezahlt werden.

Quote

07.11.2007 09:38:18

Peter.49: Kreditverkäufer

Es gibt Verführte und Verführer. Es gibt Hoffnungslose, die sich durch Konsum Zufriedenheit oder sogar Glück schaffen, wenn auch nur für kurze Zeit. Kinder und Erwachsene mit Sehnsüchten nach dem besseren Leben, die sich, da nicht erfüllbar, in Konsumwünsche transferieren. Es gibt Kredite für sozial Schwache, bar auf die hand oder als Ratenzahlung getarnt.
"Schuld" sind die Verführten selbst, aber auch die Verführer, die Kreditgeber, die Werbestrategen, Werbung die sich an spezielle Kundenkreise wendet. (Die US-Immobilienkriese ist ein Paradebeispiel der Unterschicht-Verführung.)

Wirkliche Ursache ist die Verarmung und Verelendung von 30 bis 40% der Bevölkerung, welche herbeigeführt und in Kauf genommen wird. Zu bemerken höchstens an Armuts-Statistiken, den vielen Obdachlosen in den Großstädten, der steigenden Jugendkriminalität usw., aber ansonsten eine fast unsichtbare Entwicklung.
Meine Argumentation geht nicht gegen die Mittelschicht. Denn diese wird die Folgen bezahlen müssen. Die Mittelschicht zahlt die Steuern, nicht die Reichen. Der Mittelschicht wird der Schädel für 10 Euro eingeschlagen, nicht den Reichen in Panzerautos und bewachten Reichengettos.
Ich sehe im gegenwärtigen menschenverachtenden politischen Modell der Abschaffung aller sozialen Errungenschaften das Problem. Nach Verschwinden des Kommunismus und der Revolutionsgefahr werden alle sozialstaatlichen Komponenten scheibchenweise beseitigt. Das ist nur vorübergehend, bis zum Verschwinden der radikalen LINKEN, auf Eis gelegt.

Quote07.11.2007 10:38:46
Grillikioski: Nix neues...

...was der Artikel beschreibt, früher galt die 80/20 Regel, jetzt sind es halt schon 90/10...
Ich glaube einer der Vor-Kommentatoren sagte es schon, als DINK (Double Income No Kids) kann man es schaffen was auf die Seite zu legen wenn man nicht meint überluxeriös leben zu müssen, der Rest hats schwer wenn man nicht als Beruf Sohn/Tochter ist...

Quote07.11.2007  12:35:49

yankeeforever: Das Märchen von den reichen Hartz-IV-Empfängern und den armen Reichen.

So sieht nämlich die Realität in diesen unserem christlichen und sozialen Lande aus:

Rund 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren leben von Hartz IV – überwiegend sind dies Schüler. Da in den Regelsätzen für Arbeitslosengeld II und Sozialgeld kein Geld für Schulmaterialien vorgesehen ist, haben sie lt. einer aktuellen Entscheidung (10/2007) des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg Anspruch auf ein DARLEHEN (!) zur Anschaffung unbedingt notwendiger Schulmaterialien, sofern eine Finanzierung auf andere Weise nicht möglich ist. Allerdings beschränkten die Richter das Darlehen auf 30 (in Worten: dreißig!) Euro pro Kind, da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur das "unabdingbar Notwendige" gewährt werden könne.

Der Hartz-IV-Leistungssatz beträgt derzeit monatlich 208 Euro (in Worten: zweihundertundacht) für unter 14-Jährige und 278 Euro für ältere Kinder. Darin sind zwar Ausgaben-Positionen für Ernährung, Bekleidung oder Körperpflege enthalten, jedoch kein Geld für Schulmaterialien oder Mittagessen in der Schule. Denn die Position "Bildungswesen" wurde bei der Festlegung der ALG-II-Leistungssätze gestrichen. Lediglich für Schreibwaren im Allgemeinen sind ganze 1,63 Euro pro Monat eingeplant.

Wenn ich Politiker wäre und solche Gesetze beschließen, dann würde ich mich schämen, schämen und nochmals schämen. Aber die meisten Poliker in diesem unserem Lande haben offensichtlich jedes Schamgefühl verloren.

Quote07.11.2007  12:37:57

maxl1111: global

In einer globalen Perspektive gehoerte man 2006 ab 1800 Euro zur reicheren Haelfte der Menschheit, mit 48000 Euro Vermoegensanteilen zu den reichsten 10% und mit
392 000 Euro zu den reichsten 1% der Welt [1]. (Eurokurs 2006)
In Deutschland gehoert man mit 15000 Euro zur reicheren Haelfte der Bevoelkerung [2].

Menschen in Europa, den USA und reichen asiatischen Laendern hatten 2006 90% des Reichtums der Welt. Auf dem Gini-Index, einem Index zur Messung der Ungleichheit, von 0-100 (wobei 100 die groesste Ungleichheit bedeutet), hat die Welt 89 (2006) [1], Deutschland 28.3 (2007) [3].

Ich meine deshalb, es gibt sehr viele Menschen auf der Welt die ein groesseres Recht haetten als wir, sich ueber Ungleichheit und Armut zu beschweren.

Es ist nicht meine Intention, die Ungleichheit des Reichtums in Deutschland zu verniedlichen. Man kann mit der Bekaempfung dessen ruhig in diesem Land beginnen.

Aber vielleicht sollte man, wenn man von ,,die Reichen" spricht, sich das naechste Mal ruhig dazuzaehlen.

[1] http://www.wider.unu.edu/research/2006-2007/2006-2007-1/wider-wdhw-launch-5-12-2006/wider-wdhw-press-release-5-12-2006.pdf
[2] http://www.diw.de/deutsch/pressemitteilungen/74800.html
[3] http://earthtrends.wri.org/text/economics-business/variable-353.html

Quote

07.11.2007 13:09:12

pela1961: @maxl1111

Artmut global betrachten ist ausgesprochen schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Obwohl Sie natürlich recht haben mit Ihrer Aussage, dass es uns im Vergleich zu vielen anderen gut geht, hinkt der Vergleich etwas.
Während ein Leben in vielen Staaten mit einem wirklich erbärmlichen Einkommen noch möglich ist, ist es das hier nicht. Egal, wie arm sie hier sind, sie dürfen einfach keine Papphütten bauen, um ein Dach über dem Kopf zu haben oder aber in Bahnhöfen übernachten, um nicht zu erfrieren. Hört sich zynisch an, aber diese Menschen können mit einem Dollar am Tag besser überleben als manche hier mit mehr. Sehen muss man für einen solchen Vergleich wie oben angeführt die Verhältnisse im direkten Umfeld. Ein Josef Ackermann ist auch ein armer Wicht im Vergleich zu US-amerikanischen Managern. Der reichste Deutsche hat ein Vermögen, dass gerade mal ein Fünftel des Vermögens von Bill Gates ausmacht. Auch der fühlt sich im Vergleich vielleicht arm und unterbezahlt.Alleine schon das Gefälle in Deutschland. Ein Haus in NRW kostet die Hälfte wie das in München. Entscheidend ist nicht nur das Einkommen, sondern auch die Lebenshaltungskosten im Inland.

Quote

07.11.2007 13:11:13

maxl1111: Lebenserhaltungskosten



Geschaetzter Ho Chi Minh,

Sie haben Recht, mit einem Dollar kommt man weiter in Indonesien als in Deutschland, die Lebenserhaltungskosten sind hierzulande hoeher.
Dafuer sind aber die Sozialleistungen hier besser. In Indonesien bekommt man keine Arbeitslosenversicherung, Krankenschutz, Kindergeld und so weiter. Das koennte man ja auch zu Reichtum zaehlen, oder?

Gruesse,

Max

Quote

07.11.2007 13:37:25

wiefelspritz: Gratulation an SZ-online

ihr habt hier zu dem Thema schon weit über 100 Beiträge, die Qualitätszeitung aus Frankfurt dagegen, die auch die Möglichkeit zu Leserkommentaren anbietet , zum gleichen Thema 0 Beiträge, in Worten : null: Keine Wunder ,dass deren Herausgeber Sch. gegen das Internet keift und zetert.

Quote07.11.2007  13:40:35

yankeeforever: the-eggs: @Pela

Das ist einer dieser Vergleiche, die etwas mit Rabulistik, aber wenig mit Logik zu tun haben.

Sie schreiben, dass es in diesem unserm Lande "wirklich jedem ALG II Empfänger besser als in irgendwem in einem Entwickliungsland, der jeden tag schauen muss, ob er überhaupt was zu Essen bekommt."

Wer bestreitet das oder will das bestreiten. Der Vergleich ist als Tatsachenbeschreibung vollkommen zutreffend.

Aber beantworten Sie doch einfach die folgende simplen Fragen (finale Sichtweise):

Hilft Ihr Vergleich dem Hartz-IV-Empfänger und seiner Familie hierzulande, seine beschissene Lage zu verbessern und ggf. wie?
Hilft es dem Hungernden in dem betreffenden Entwicklungsland, dass er nicht mehr jeden Tag schauen muss, dass er nicht verhungert. Von Ihrem Vergleich wird er jedenfalls nicht satt.

[...]




Aus: "Vermögen: Jeder zweite Deutsche hat keine Ersparnisse" - In aller Schärfe zeigt eine neue Studie, wie groß die sozialen Gegensätze in Deutschland sind. Die Erhebung liegt der Süddeutschen Zeitung exklusiv vor.
Von Moritz Koch  (SZ, 06.11.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,tt7l1/finanzen/artikel/783/141477/ (http://www.sueddeutsche.de/,tt7l1/finanzen/artikel/783/141477/)

-.-

QuoteDooDoo (7.11.2007, 11:32 Uhr)

Sternschnuppen-Journalismus

Cool, muss schon sagen. Da befeuert man den Neid der Bundesbürger erst permanent durch ständige Managergehälter-Diskussionen, beschwört laufend die berühmte "Schere", die angeblich immer weiter aufgeht, spielt permanent "Die Armen" gegen "Die Reichen" aus. Und setzt im Anschluss das Thema "Neid" auf den Titel. So schaffen Medien heute die Realität selbst, über die sie anschließend berichten. Es wird Zeit über eine Diskussion zum Selbstverständnis von Medien heute. Fragt sich nur, wo sie stattfinden soll.


Aus: "Sternschnuppen-Journalismus" (DooDoo, 7.11.2007, 11:32 Uhr)
Kommentar auf: " stern-Umfrage: Willkommen im Neid-Club" (Von Werner Mathes)
Quelle: http://www.stern.de/politik/panorama/:%0A%09%09stern-Umfrage%0A%09%09%09-Willkommen-Neid-Club/601809.html?id=601809&rendermode=comment (http://www.stern.de/politik/panorama/:%0A%09%09stern-Umfrage%0A%09%09%09-Willkommen-Neid-Club/601809.html?id=601809&rendermode=comment)

Title: [GEZ und die Existenzgrenze... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2007, 12:07:51 PM
Quote[...] ,,Lassen Sie es, es ist ausweglos" ist ein Satz, den Ingrid Haschert in den letzten Jahren regelmäßig von Anwälten und Richtern zu hören bekam. Sie sitzt in ihrer kleinen Wohnung im Odenwald, rechnet jede Sekunde mit dem Besuch eines Gerichtsvollziehers, der ihre privaten Gegenstände pfänden wird - wegen einer ausstehenden Gebührenrechnung des Hessischen Rundfunks, deren Berechtigung sie nach mehr als zwei Jahren des Rechtsstreits nicht einsieht.

Es begann, vermeintlich harmlos, im Januar 2005. Ingrid Haschert kündigte ihre Fernsehgebühr beim Hessischen Rundfunk. Nach der Umstellung auf das digital übertragene Fernsehen konnte sie kein Programm mehr empfangen. Das erscheint als unbedingt einsichtiger Kündigungsgrund - allerdings nicht für die GEZ. Die Gebühreneinzugszentrale verlangte von Ingrid Haschert, eine DVD-T-Box anzuschaffen, um wieder empfangsbereit zu sein. Die Rentnerin besorgte sich eine Box, doch die Tücke lag nicht nur im Kaufpreis von über hundert Euro, sondern auch im Objekt: Sie sah weiter schwarz, nicht im gebührenrechtlichen, sondern im optischen Sinn.

In Ober-Ramstadt, das in einer der tiefen Mulden des Odenwalds liegt, könne ihr nur eine Satellitenschüssel zum Empfang verhelfen, sagte ihr ein Techniker. Kostenpunkt 450 bis 500 Euro, eindeutig zu viel Geld für die Rentnerin, die nun tatsächlich kein Rundfunkgerät mehr besaß, das ohne ,,größere technischen Aufwand" empfangsbereit zu machen war. Die GEZ aber beharrte auf der Gebührenpflicht, auch noch, als Ingrid Haschert den Fernseher von einem Bekannten aus ihrem Haus schaffen und dies von ihm bezeugen ließ.

Von ihrer Rente von knapp sechshundert Euro gehen Ingrid Haschert monatlich rund vierhundert Euro verloren für die Hypothek, die sie auf ihr kleines Haus abbezahlen muss. Zum Leben bleiben ihr also rund zweihundert Euro. Sie wollte sich auch von der Hörfunkgebühr befreien lassen. Auch das scheiterte am Widerstand der GEZ. Ingrid Haschert legte Widerspruch ein, folgenlos. Die GEZ ließ etwas Zeit verstreichen und beauftragte nach einem Jahr beim Landkreis die Zwangsvollstreckung. Der Landkreis zeigte sich umsichtig, forderte von Ingrid Haschert zunächst den Nachweis ihrer Einkünfte und sah angesichts ihres geringen Einkommens von einer Pfändung ab. Der Hessische Rundfunk, so meinte das Landratsamt, solle sich doch nochmals mit der Rentnerin in Verbindung setzen. Er tat es nicht.

Wieder ein Jahr später, wir schreiben 2007, die GEZ ließ sich Zeit, fand Ingrid Haschert in ihrem Briefkasten eine Mitteilung des Gerichtsvollziehers, der jedoch Kulanz walten ließ. Die Zwangsvollstreckungen im Namen der GEZ, ließ er durchblicken, entsprächen auch nicht seinem Gerechtigkeitssinn. Er werde zunächst nicht einschreiten.

Ingrid Haschert hatte inzwischen versucht, den Gerichtsweg zu beschreiten. Was nicht einfach war. Der erste um juristischen Beistand gebetene Anwalt lehnte ab. Ingrid Haschert hatte ihm offenbart, dass sie auf Prozesskostenhilfe angewiesen sei. Das Interesse des Advokaten sank, auch lege er sich ungern mit der GEZ an. Eine zweite Anwältin begründete ihre Absage mit Zeitnot und riet der abgewiesenen Klientin, Antrag auf private Insolvenz zu stellen. Der Anruf beim dritten Anwalt schien zunächst erfolgversprechend. Man einigte sich auf einen Termin, auch die Prozesskostenhilfe schien kein Hinderungsgrund, bis die Kanzlei den Termin wenige Stunden vor seinem Zustandekommen absagen ließ, mit einer freundlichen Empfehlung: Sie solle sich doch im Justizgebäude Darmstadt für zehn Euro beraten lassen. Das tat Ingrid Haschert. Auch der Zehn-Euro-Anwalt konnte ihr nur bedingt weiterhelfen. Er schickte sie zum Verwaltungsgericht, um vorläufigen Vollstreckungsschutz zu beantragen.

Ingrid Hascherts Weg durch die Instanzen ging weiter, und wie ihr der Anwalt geraten hatte, führte er sie zum Verwaltungsgericht Darmstadt. Schon an der Schwelle des Justizgebäudes stieß sie auf Widerstand. Um was es ihr gehe? Um die GEZ, antwortete sie. Mit der GEZ, hieß es am Empfang, habe man nichts zu tun. Oh doch, insistierte Ingrid Haschert, sie werde das Gebäude nicht verlassen, bevor sie mit einem Richter gesprochen habe. Statt eines Richters kam eine Justizangestellte, der ein kurzer Blick in die Unterlagen genügte, um festzustellen, dass sie der Rentnerin keine Rechtsberatung zukommen lassen könne.

Doch Ingrid Haschert wich nicht. Die Justizangestellte verschwand mit den Unterlagen, kam wieder und fragte, ob sie auch gegen den Gebührenbescheid 2007 Widerspruch eingelegt habe. Ingrid Haschert tat nun auch dies. Den Gerichtsvollzieher bat sie um Aufschub. Er wurde gewährt - vorläufig.

Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beantwortete das Verwaltungsgericht mit der Nachfrage, warum sie sich gegen die Vollstreckungsmaßnahme wehre. Wiederum suchte Ingrid Haschert rechtlichen Beistand, dieses Mal über einen Suchanwalt, also jemanden, der ihr erst einmal den Kontakt zu einem in dieser Frage kundigen Kollegen weisen sollte. Die GEZ, warnte der Kontakt-Anwalt, sei ein äußerst unbequemer Gegner. Trotzdem fand er eine - zunächst - bereitwillige Kollegin. Mit ihrem Beratungsschein machte sich Ingrid Haschert auf den Weg und erlebte die gewohnte Prozedur: Die Anwältin sah sich die Akte kurz an und versprach, sich zu melden. Einen Tag vor dem vereinbarten Fristablauf kam der Anruf: Es habe keinen Sinn, Beschwerde einzulegen. Sie habe andere Urteile verglichen. Widerspruch sei zwecklos.

Mitte Juli dieses Jahres rief dann die Gerichtskasse an. Ingrid Haschert solle einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für ihr Verfahren stellen, mit dem sie die Zwangsvollstreckung habe aufschieben wollen. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt, die Kosten, rund siebzig Euro, gingen zur Hälfte zu Hascherts Lasten. Abermals legte die Abgewiesene Beschwerde ein, abermals ohne Erfolg. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich in einem persönlichen Schreiben an den Intendanten des Hessischen Rundfunks, Helmut Reitze. Auch dieser letzte Versuch endete in den Delegationsketten der GEZ: Die zuständige Fachabteilung des HR machte ihr immerhin den Vorschlag, den ausstehenden Betrag von rund 573 Euro in Raten zurückzuzahlen.

Der Fall hat eine Vorgeschichte und eine Pointe: Mitte der neunziger Jahre hatte Ingrid Haschert einen Antrag auf Befreiung von der Gebührenpflicht gestellt. Die GEZ hatte ihn abgelehnt mit dem Argument, dass man mit so wenig, wie die Rentnerin zu besitzen vorgebe, gar nicht leben könne. Sie sollte, erinnert sich Ingrid Haschert, ihre angeblich unglaubwürdigen Behauptungen zurücknehmen, sonst würde man gerichtlich gegen sie vorgehen. Beim HR liegen zu diesem Vorgang keine Akten mehr vor, wie die Nachfrage in der Pressestelle ergibt.

Die Pointe liegt in der Tatsache, dass Ingrid Haschert seit Ende September dieses Jahres von der Gebührenpflicht befreit ist, obwohl sie im Juni 2006 von ihrem Sohn einen Fernseher inklusive Satellitenschüssel geschenkt bekam. Dies hatte sie in ihren Briefen an das Verwaltungsgericht und Helmut Reitze angegeben, zu spät, wie sie nachher erfuhr. Woher sollte sie auch die rechtlichen Fristen kennen, da sie keinen Anwalt finden konnte, der ihr gegen die GEZ beistehen wollte?

Für die Zeit von Juni 2006 an will Ingrid Haschert Gebühren zahlen, nicht aber für die Zeit zwischen Januar 2005 und Juni 2006, als sie keinen Fernseher hatte und kein Programm empfangen konnte. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag sanktioniert das Verhalten, das die GEZ in diesem Fall an den Tag legt. Mit dem Angebot, in Raten zu zahlen, ist - vorläufig - immerhin ausgeschlossen, dass der Gerichtshvollzieher Ingrid Haschert besucht. Die Forderung der GEZ für das Jahr ohne Empfang aber besteht nach wie vor.

QuoteDie Illusion eines Rechtsstaates
Alvise P. Mesthene (a_mesthene)
13.11.2007, 09:05
Vor mehr als zwanzig Jahren, als ich noch ein optimistischer vertrauensseliger Student war, war ich fest davon überzeugt, daß die Bundesrepublik Deutschland, Neuanfang nach so vielen Fehlern, tatsächlich ein System darstelle, in dem keine formalistische Sturheit herrsche, sondern die Fähigkeit, nach den jeweiligen Gegebenheiten zu handeln, effektiv und auch gerecht.
Ihr Artikel beweist genau das Gegenteil, hoffentlich, jedoch unwahrscheinlich, ist dies eine Ausnahme.

QuoteGEZ - Staat im Staat?
Werner Kuemmerle (wkuemmerle)
13.11.2007, 09:22
Wenn Kafka nicht schon lange tot wäre, könnte man vermuten, er hätte sich bei seinem "Prozess" von der GEZ inspirieren lassen.



Aus: "GEZ: Gebührenzahlen bis zur Existenzgrenze" Von Thomas Thiel
(F.A.Z., 13.11.2007, AP, Nr. 264 / Seite 42)
Quelle: http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~E5DF538EC52814061B501A4298385257B~ATpl~Ecommon~Scontent.html (http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~E5DF538EC52814061B501A4298385257B~ATpl~Ecommon~Scontent.html)

Title: [Don Quichottes Kinder... (Notiz, Paris)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 21, 2007, 09:52:16 AM
Quote[...] Paris - Neues Zeltlager für Obdachlose in Paris: Nach den ersten kalten Nächten ist in Paris hat die Hilfsorganisation "Don Quichottes Kinder" erneut Iglu-Zelte aufgebaut. Am Bahnhof Austerlitz stehen seit dem Wochenende etwa 30 temporäre Unterkünfte für Menschen ohne festen Wohnsitz. Die Organisation appellierte an die französische Regierung, die Hilfe für Obdachlose im kommenden Jahr zu erhöhen. In den vergangenen Tagen sind in Frankreich bereits vier Menschen auf der Straße erfroren.

Schon im vergangenen Jahr hatte die Hilfsorganisation mit ihren Aktionen für Obdachlose für Aufsehen gesorgt (mehr...): Rund 300 Zelte hatte sie am Kanal Saint-Martin in Paris aufgestellt, weitere "Solidaritätslager" im ganzen Land folgten. Hier konnten nicht nur Menschen ohne Wohnraum einen Schlafplatz finden, auch Bürger, die sich mit den Obdachlosen solidarisch zeigen wollten, nächtigten in den Zelten.

Der Wohnraummangel wird in Frankreich seit Jahren jeden Winter diskutiert. Im Wahlkampf hatte Präsident Nicolas Sarkozy versprochen, dass in seiner Amtszeit niemand mehr auf der Straße schlafen oder gar erfrieren müsse.


Aus: "WINTEREINBRUCH IN FRANKREICH: Vier Obdachlose erfroren - Protest in Zelten" (20. November 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,518457,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,518457,00.html)

Title: [Hunderttausenden Familien droht Zwangsversteigerung... (Notiz, Kreditmarkt)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 27, 2007, 11:14:09 AM
Quote[...] Die Fälle von Zwangsvollstreckungen und Zahlungsausfällen dürften nochmals deutlich zunehmen, da bei vielen Hypothekenkrediten schon bald automatische Zinserhöhungen anstehen. Allein im nächsten Jahr betreffe dies niedrig besicherte Kredite im Wert von rund 362 Milliarden Dollar, berichtete das "Wall Street Journal" unter Berufung auf Daten der Bank of America. Damit wäre für den gesamten Immobilien- und Kreditmarkt eine weitere Runde in der Spirale nach unten eingeläutet. Schätzungen zufolge würden allein in diesem Jahr in den USA 1,35 Millionen Häuser zwangsvollstreckt, weitere 1,44 Millionen 2008 - rund die Hälfte mehr als in den Vorjahren.


Aus: "GLOBALE KREDITKLEMME: Hunderttausenden Familien droht Zwangsversteigerung" (25. November 2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,519517,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,519517,00.html)

Title: [Berlin hat damit im Vergleich zum Bundesdurchschnitt... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 27, 2007, 11:38:25 AM
Quote[...] Jeder fünfte Berliner Arbeitnehmer muss sich mit dem Mindestlohn von 7,50 Euro brutto zufrieden geben. Das entspricht einem Monatsgehalt von 1250 Euro und damit der Hälfte des Durchschnittsverdienstes der Berliner (2500 Euro). Das geht aus einer Kleinen Anfrage hervor, die Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) der FDP beantwortet hat. Der Berliner Senat hatte in diesem Monat einen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro für alle Arbeitnehmer, die im Auftrag des Landes tätig sind, vorgeschrieben.

Berlin hat damit im Vergleich zum Bundesdurchschnitt und zu den westeuropäischen Ländern den höchsten Anteil an Niedriglohnempfängern. In Großbritannien beträgt der Mindestlohn umgerechnet 8,20 Euro, aber nur 1,4 Prozent der Arbeitnehmer müssen mit dem Mindestlohn zurechtkommen. Ebenso niedrig ist die Quote in den Niederlanden und Irland. Deutschlandweit beträgt der Anteil 14,2 Prozent. Besonders betroffen von niedrigen Löhnen sind nach Angaben des Wirtschaftssenators die Branchen Friseurhandwerk, Gebäudereinigung, Zeitarbeit, Möbeltransport und der Blumenhandel. Hier erhofft sich der Senat durch die Einrichtung des Mindestlohns eine Verbesserung der bisherigen Einkommen. In Berlin gehen insgesamt 1,5 Millionen Menschen einer Arbeit nach.

[...] Die gegenwärtigen Hartz-IV-Regelungen bieten offenbar keinen Anreiz, das Einkommen mit einem Nebenverdienst aufzubessern. Von den 453.000 Hilfeempfängern in Berlin verfügt nach Angaben der Wirtschaftsverwaltung nur knapp jeder Fünfte (18,3 Prozent) über ein weiteres Einkommen. Alle anderen müssen mit 350 Euro monatlich auskommen.

Für Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, der am Wochenende auf Einladung der Berliner CDU den Berliner Christdemokraten sein Modell des solidarischen Bürgergeldes vorstellte, ist die fehlende Motivation eine Arbeit anzugehen verständlich. Er nannte das Beispiel einer Friseurin, die mit einem Stundenverdienst von 3,70 Euro über einen Nettoverdienst von 630 Euro verfügt, während ein Hartz-IV-Empfänger inklusive aller Leistungen 850 Euro erhält.
So ist der hohe Anteil an Schwarzarbeit in Berlin nahezu folgerichtig. Nach Angaben des österreichischen Experten für Schattenwirtschaft Friedrich Schneider von der Universität Linz ist die Quote der Schwarzarbeit in Berlin fast doppelt so hoch wie in Großbritannien und den Niederlanden und um ein Drittel höher als im Bundesgebiet.

[...] Der Senat hatte auf Drängen der Linksfraktion einen öffentlichen Beschäftigungssektor für bis zu 10.000 Arbeitslose eingerichtet. Demnach sollen Erwerbslose, die besonders schwer zu vermitteln sind, im Auftrag der öffentlichen Hand eine Arbeit bekommen. Nach einer Probezeit kann die Tätigkeit in eine unbefristete Stelle umgewandelt werden. Die Entlohnung soll sich am Mindestlohn orientieren. In Berlin beträgt die Arbeitslosenquote 20,1 Prozent. Die Jugendarbeitslosenquote liegt bei 17,7 Prozent und damit deutlich höher als in den Niederlanden und Irland, in Frankreich und Belgien ist sie dagegen noch höher.



Quote
vogo_berlin meint:
26-11-2007, 17:20 Uhr
nur so nebenbei, mein alg2 beträgt 560,-€ ,allincl.........
wichtiger ist mir aber der hinweis auf die "welt" und dem postzusteller "pin". beides produkte des "springer-verlages"......
pin bezahlt mit die niedrigsten löhne in berlin, verhindert dank einer guten freundin des hauses ( fr.merkel) den mindestlohn für alle zusteller und bietet menschenunwürdige arbeitsbedingungen. sollte der welt-leser mal drüber nachdenken.

Quote
Jos meint:
26-11-2007, 09:28 Uhr
Ein Hartz4 Empfänger erhält 850 EUR im Monat? Da sollte Ministerpräsident Althaus lieber noch mal jemanden fragen der addieren kann, denn die tatsächlichen Leistungen an einen Hartz4 Empfänger liegen für gewöhnlich einige hundert EUR darunter.
Richtig ist aber das die Motivation arbeiten zu gehen bei vielen Menschen mehr und mehr schwindet. Wozu auch, wenn die Löhne nicht annährend ausreichen um Miete, Strom, Tel., Essen, Heizung, etc. zu bezahlen? Nein, wer in Berlin noch arbeiten geht, der hat entweder einen gutbezahlten Spitzenjob, oder kann nicht rechnen.



Aus: "Armut: Jeder fünfte Berliner bekommt Niedriglohn" Von Jens Anker (25. November 2007)
Quelle: http://www.welt.de/berlin/article1399628/Jeder_fuenfte_Berliner_bekommt_Niedriglohn_.html (http://www.welt.de/berlin/article1399628/Jeder_fuenfte_Berliner_bekommt_Niedriglohn_.html)

Title: [Die Überflüssigen und das Gutscheinsystem.. (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 30, 2007, 11:02:27 AM
Quote[...] Neben vielen anderen wie z.B. Arbeitslosen, Kranken, Behinderten oder kritisch Denkenden sind auch MigrantInnen im Kapitalismus überflüssig.

[...] Gerade Flüchtlinge sind in Deutschland ganz besonders harten Bedingungen ausgesetzt: So führt zum Beispiel der Zwang zum Wohnen in Lagern, wenig Kohle (im optimalen Falle 70% der eines Sozialhilfeempfängers) und dann noch die teilweise Auszahlung dieser in sogennanten "Wertgutscheinen" -das alles wohlgemerkt unter der ständigen Angst, abgeschoben zu werden- neben einer beschissenen materiellen Situation auch zu sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung. Deswegen statteten am 17.11 einge Leute einer Combi-, sowie einer Koopmann-Filiale in Oldenburg einen Besuch ab. Hierbei wurden Flyer verteilt, Diskussionen mit den Einkaufenden geführt und versucht, diese zum Umtausch der Wertmarken in Bargeld zu bewegen.
Die Resonanz von Seiten der KundInnen war bis auf wenige Ausnahmen positiv. Lediglich der Filialleiter des Combis schien etwas verärgert und rief schlussendlich die Polizei; als diese eintraf waren die Aktivisten jedoch nicht mehr vor Ort.
Auch einige Überflüssige waren mit von der Partie. Diese wiesen unter Anderem auch auf den Zusammenhang der Kämpfe von MigrantInnen mit denen anderer Marginalisierter und der Notwendigkeit, sich gegen das System zu stellen, in dem das Vorhandensein eben solcher Überflüssiger erst möglich und nötig wird, hin.


Aus: "OL: Antira-Aktion der Überflüssigen" (Überflüssige, 29.11.2007)
Quelle: http://de.indymedia.org/2007/11/200896.shtml (http://de.indymedia.org/2007/11/200896.shtml)

Title: [Erfahrungen von Erwerbslosen... (Notiz, BRD, HH, ARGE)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 11, 2007, 01:42:40 PM
Quote[...] Die ARGE sollte eigentlich Arbeitsuchende dabei unterstützen, wieder eine Arbeit zu finden. Stattdessen fixieren sie sich nur noch auf die reine Verwaltung von Erwerbslosen, der Ausforschung und Prüfung der Persönlichen Verhältnisse der Betroffenen.

Mit ALG - II - Kürzungen, und dubiosen Beschäftigungsmaßnahmen sind an der Tagesordnung. Damit werden Sozialausgaben gespart und die Arbeitslosenstatistik mit aller Gewalt nach unten geschönt. Zur Verwirklichung dieser Ziele haben Die ARGEN in Hamburg vieles an sogenannte Dritte (private Beschäftigungsträger) abgegeben. Unter anderem an den Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit (HAB), die bereits seit April 07 in Hamburg zentralistisch der Vermittlung von Erwerbslosen in Ein Euro Jobs nachgeht.

Stellenangebote sind kaum noch von der ARGE zu erwarten. Private Arbeitsvermittlungsfirmen schießen wie Pilze aus dem Boden und sind darauf spezialisiert, Erwerbslose in Beschäftigungsverhältnisse zu zwingen, von dem ein Mensch allein nicht existieren kann. Kooperationspartner dieser Firmen sind zu oft Zeitarbeitsfirmen und Praktikumsgeber. Es sieht düster aus, über die oben beschriebene Erwerbslosenindustrie einen vollwertigen Sozialversicherungspflichtigen Job zu bekommen.

Erfahrungen von Erwerbslosen zeigen deutlich, das diese Wege in Arbeiten zum Dumpinglohn oder im Praktikum zum Nulltarif enden. Durch inhaltlich sinnlose Eingliederungsvereinbarungen wird das profitable Geschäft der Beschäftigungsträger mit den Erwerbslosen gesichert. Gut für die Arbeitslosenstatistik und den kommenden Wahlkampf in Hamburg. Schlecht dagegen für die Erwerbslosen.

Aktive gegen diese Zustände sind dabei unerwünscht und mussten heute überzogene Reaktionen erleben.

Kaum waren die ersten Stellschilder aufgebaut, erschienen zwei Polizisten. Angeblich habe sich die ARGE über das Erscheinen von Aktive gegen Hartz 4 beschwert. Die Aufbauarbeit wurde von der Polizei gleich als unerlaubte Versammlung hingestellt, weil sich daran 5 Aktive beteiligten. Nachdem die Personalien und die Genehmigung des Veranstalter kontrolliert wurde, beschwerte sich ein Mitstreiter über das Vorgehen der Polizei und der Behinderung auf das Recht der freien Meinungsäußerung.

Darauf wurde von der Polizeiwache in unmittelbarer Nähe drei Mann Verstärkung angefordert und nahmen den Mitstreiter kurz darauf mit zur Wache. Dort musste er alles aus seinen Taschen auspacken und wurde für die nächste halbe Stunde in einer Zelle gesperrt. Währenddessen bauten die anderen vier Aktiven vom Sozialforum - Eimsbüttel den Infostand an der Straßenecke des ARGE - Gebäude auf und einige Besucher der ARGE interessierten sich trotz nass-kaltem Wetter, wofür die Aktivisten kämpfen und bei diesen Ereignissen hartnäckig bleiben.

Für diese Aktion sind Repressionen zu erwarten und die nächsten Aktionen, der Hartzboykott am 2. Januar und der Agenturschluss 3 am 3.Januar stehen bevor..

Zieht Euch warm an, es wird kälter als man zunächst denkt.
Sozialforum - Eimsbüttel


Aus: "Polizeieinsatz gegen Hartz 4 GegnerInnen" (Tom, 10.12.2007 17:03)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
Quelle: http://de.indymedia.org/2007/12/202073.shtml (http://de.indymedia.org/2007/12/202073.shtml)



Title: [Gut, dass mein Sohn die Lebensversicherung zahlt... (Notiz, BRD, Lebensabend)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 12, 2007, 01:02:38 PM
Quote[...] Die Nähmaschine surrt, langsam schließt sich die Naht. Die Jeanshose, die Helga Hönke gerade flickt, gehört ihrem Enkel. "Ich höre immer: Oma, kannst du mal ...", erzählt die 64-Jährige. Natürlich kann sie: Mal repariert sie ein Kleidungsstück, mal kocht sie für ihre 21 und 22 Jahre alten Enkelsöhne mit. Die Lebensmittel kommen fast immer von der Tafel. Dort ist die Oberhausenerin Stammgast. "Ich wollte da eigentlich nie hingehen", sagt Hönke. "Ich wollte auch nie zum Sozialamt." Aber ohne staatliche Hilfe - die 64-Jährige bezieht Hartz IV - ginge es gar nicht.

Es regnet. Helga Hönke nimmt den Mantel vom Haken und macht sich auf in Richtung Innenstadt, zur Tafel. Die meisten ihrer Kleidungsstücke haben andere Menschen abgelegt. Eine Nichte bringt regelmäßig Hosen, Röcke, Pullover und Schuhe vorbei. Die Sachen stammen von Haushaltsauflösungen. "Ich gucke dann, was passt und wasche das gründlich, und der Rest geht in die Ukraine", sagt Helga Hönke.

Nicht immer lebte sie von Almosen. Erst 1991, als sich ihr Mann nach 17 Ehejahren scheiden ließ, ging es bergab: Der Familie zuliebe hatte sie immer nur aushilfsweise als Verkäuferin gearbeitet. Dann zahlte der Ex-Mann keinen Unterhalt, also bekam sie Sozialhilfe. Arbeit gab es für die ungelernte Mittfünfzigerin nicht.

Bei der Oberhausener Tafel versorgt sich Helga Hönke mit Lebensmitteln. Längst nicht alles, was ihr die freundlichen Mitarbeiterinnen in die großen Taschen stecken, darf sie essen: Sie ist Diabetikerin. Trotzdem nimmt die die Kekse und Süßigkeiten dankbar an - "für die Enkel". Was die Seniorin hier nicht bekommt, muss sie in einem Discounter kaufen. "Ich kreuze in den Prospekten immer an, was wo am billigsten ist", sagt sie. "Wenn ich alle Abgaben wie Strom und Telefon bezahlt habe, dann bleiben mir keine 100 Euro zum Leben." Dieser Betrag muss aber reichen für Essen, Kleidung und Reparaturen. "Und es gibt doch ohnehin immer weniger fürs Geld."

Ihre Kontoauszüge studiert Hönke regelmäßig. Die "Sozialen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Oberhausen" - überweisen ihr den Hartz-IV-Satz, dazu kommen 220 Euro Wohngeld und 51 Euro extra wegen der Diabetes. Doch allein die Miete kostet 411 Euro. Ihre verhältnismäßig große Wohnung will sie trotzdem nicht aufgeben. "Wir haben hier so viel Arbeit reingesteckt. Und ich kann doch in meinem Alter nicht mehr in eine ganz neue Umgebung ziehen", sagt Helga Hönke. Also spart sie an anderer Stelle, heizt wenig, telefoniert kaum. "Ich besuche meine Tochter im Münsterland nur alle vier Monate. Der Zug kostet ja auch Geld. Das kann ich mir gar nicht erlauben."

Am schlimmsten ist für Helga Hönke immer der Januar: Da kommen die Jahresrechnungen für Versicherungen und die gefürchteten Heizungsnachzahlungen. Auch wenn sie das schon ahnt: Geld dafür zurücklegen kann sie nicht. "Von was soll ich sparen?", fragt sie. "Ich rauche schon nicht, ich trinke kein Bier und keinen Kaffee - und trotzdem bleibt nichts für eine größere Anschaffung." Schon in den vergangenen drei Jahren gab es für die Kinder, die sieben Enkel und die beiden Urenkel keine "richtigen Weihnachtsgeschenke", sondern selbst Gestricktes. Das schmerzt die Seniorin. Im kommenden Jahr erreicht sie offiziell das Rentenalter, doch weil sie nie richtig eingezahlt hat, wird sie sich finanziell wohl nicht verbessern. "Gut, dass mein Sohn die Lebensversicherung zahlt", sagt Helga Hönke resigniert. "Damit kann er mich wenigstens unter die Erde bringen."


Aus "Lebensabend als Überlebenskampf - Alt und arm: Täglicher Überlebenskampf" - Von Christian Herrmanny  (11.12.2007)
Quele: http://www.wdr.de/themen/panorama/gesellschaft/armut/senioren/index.jhtml (http://www.wdr.de/themen/panorama/gesellschaft/armut/senioren/index.jhtml)

Title: [Der Anstieg der Kinderarmutt... (Notiz, BRD, Hartz-Reformen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 23, 2007, 07:52:01 PM
Quote[...] Der Anstieg der Kinderarmut ist nach Ansicht des Wissenschaftlers Christoph Butterwegge eine direkte Folge der Hartz-Reformen und damit von der Politik billigend in Kauf genommen worden. "Kinderschutzbund, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Armutsforscher wie ich haben gewarnt, dass diese Arbeitsmarktreform eine Rutsche in die Armut ist und dass Kinder die Hauptleidtragenden sind", sagt der Politologe. Auf das Arbeitslosengeld II angewiesene Familien seien an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden.

Laut Kinderreport 2007 des Deutschen Kinderhilfswerks hat sich seit der Einführung des ALG II am 1. Januar 2005 die Zahl der auf Sozialhilfe oder Sozialgeld angewiesenen Kinder verdoppelt. Schätzungen zufolge leben in Deutschland inzwischen mehr als 2,5 Millionen Kinder auf oder unter dem Sozialhilfeniveau.

Butterwegge kritisiert, man habe dem ALG II den Charakter einer Fürsorgeleistung gegeben, die der bloßen Existenzsicherung diene. "Eine soziale Grundsicherung müsste wirksam vor Armut schützen, damit sie diesen Namen verdient." Das könne man beim ALG II wegen seiner zu geringen Leistungen kaum behaupten. Auch zeitlich befristete Kinderzuschläge hätten nicht verhindern können, dass betroffene Familien "an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden".

Die Kinderarmut steige auch deswegen, weil offenbar die konjunkturelle Belebung auf dem Arbeitsmarkt vor allem an den Alleinerziehenden vorbeigehe, sagte der Armutsforscher. "Weil die Arbeitgeber nicht zuletzt wegen fehlender öffentlicher Ganztags-Kinderbetreuungseinrichtungen an deren flexiblem Einsatz zweifeln, scheinen sie bei der Einstellung neuer Mitarbeiter eher auf andere ALG-II-Bezieher zurückzugreifen."

Auch das 2007 eingeführte Elterngeld nimmt laut Butterwegge zu wenig Rücksicht auf die schwierige soziale Lage vieler Familien. "Zumindest ein Teil der Eltern ist seit Jahresbeginn im Leistungsbezug schlechter gestellt als vorher", erklärte er. Transferleistungsempfänger mit Kindern hätten vom Elterngeld nur Nachteile: Vorher erhielten sie zwei Jahre lang 300 Euro Erziehungsgeld pro Monat, jetzt nur noch für ein Jahr 300 Euro Elterngeld. Beim Elterngeld mache die große Koalition "eine Familienpolitik nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Und wer wenig hat, dem wird noch was genommen".

[...] "Armut wird wesentlich durch das sozial selektive Schulsystem verursacht." Kinderarmut sei "eine Form von struktureller Gewalt und wirkt oft als lebenslange Diskriminierung", betonte der Experte. Eine Gesellschaft, die sich immer stärker in Arm und Reich spalte, müsse mit mehr Drogenmissbrauch, Gewalttätigkeit und Kriminalität rechnen. "Was sie im Sozialen spart, gibt sie am Ende für mehr Polizei, Justiz und Gefängnisse aus."


QuoteAutor: meer / Datum: 23.12.07 14:38
Artikel
Danke all denen, die da ''OBEN'' in ihren Logen sitzen.

Aber der ''Aufschwung'' kommt ja bei ALLEN an!!!


QuoteAutor: jajaja123 / Datum: 23.12.07 15:59
DSL?
Wieso können sich eigentlich so viele Hartz IV Empfänger einen DSl Anschluß leisten um postwendend hier zu schwadronieren und es denen DA OBEN aber mal so richtig zu zeigen...

QuoteAutor: Fairplay1965 / Datum: 23.12.07 16:39
@ jajaja123
Man braucht keinen DSL-Anschluß, um hier schreiben zu können!

Es reicht ein normaler Telefonanschluß, und den muß man als Hartz IV Empfänger haben, um für das zuständige Jobcenter ''verfügbar'' zu sein!

Warum fällt mir bei der Gelegenheit nur wieder Dieter Nuhr ein....? ;-)


QuoteAutor: nielson / Datum: 23.12.07 16:46
@jajaja123
Woher weisst Du, dass es Hartz4 Empfänger sind, die sich hier melden? Ich empfinde das was in diesem Land passiert auch als eine Riesensauerei - und ich bin selbstständig. Der Politologe hat leider mit allem Recht was er sagt. Aber unsere Politbeamten werden sich anläßlich des bevorstehenden Festes wieder frömmelnd hinstellen- darüber schwadronieren, wie toll es doch allen in diesem Land geht. Und Millionen Kinder werden unterm Weihnachstsbaum sitzen - so vorhanden - und von Geschenken träumen, die sich ihre Eltern nie werden leisten können. Aber Hauptsache die Ackermänner und Wiedekings können sich auf ein paar Millionen mehr im eigenen Portemonnaie freuen.


QuoteAutor: Hans-Peter / Datum: 23.12.07 18:04
Schöner Bericht
und sicherlich in weiten Teilen auch realitätsnah. Mir fehlt aber etwas; nämlich die Lösung des aufgezeigten Problems.

Ein Herr Ackermann und ein Herr Wiedeking, @nielson, sind nicht das Problem und lösen es auch nicht. Die können von der Bildfläche verschwinden und das Problem bleibt; oder wird gar noch größer. Das Problem ist doch, das Geld verteilt werden soll, das nicht da ist. Und da hilft auch ein Konto eines Herrn Ackermann oder eines Herrn Wiedeking nichts. Selbst wenn man das ''plündert'', reicht es nur zu einem Prozentpünktchen hinter einem Komma.

Also, was haben wir hier? Wieder mal populistisches Geschrei aber nicht im geringsten einen Lösungsansatz. So weit so gut, das hätte selbst ich noch hinbekommen.

Was wir brauchen ist eine vollständige Sozial- und Steuerreform (sage ich mal, ohne die konkrete Lösung zu wissen). Und komischerweise haben genau die Parteien, die sich als ''Parteien des kleinen Mannes'' gerne huldigen lassen genau das verhindert. Ich sage auch hier wieder als ein Beispiel der ''Professor aus Mannheim''.
Die Ideologien des Herrn Prof. Kirchoff gingen genau in diese Richtung. Aber der eine hat ihn als ''Professort aus Heidelberg'' lächerlich gemacht und die andere hat ihn aus Angst vor Wählerstimmenverlust fallen gelassen. Und grosse Teile der Bevölkerung hat ihn auch belächelt udn abgelehnt. Aber dafür jammern wir doch jetzt lieber, schreiben Studien über Dinge, die längst bekannt sind, und wissen aber keine Lösungen.

Also, bis zur nächsten Studie mal wieder ! So sind wir Deutsche.


QuoteAutor: nielson / Datum: 23.12.07 18:35
Hallo@hans-peter
Du vermisst Lösungsvorschläge in dem Artikel? Nun- der Politologe fordert höhere Hartz4 Sätze, ein anderes Schulsystem, Mindestlöhne. Stimme da zwar nicht in allem zu - aber es ist ein Ansatz. Meine Beispiele mit Wiedeking und Ackermann sind natürlich Populismus pur. Weiß ich auch. Aber gerade vom Porsche Chef bin ich einfach nur enttäuscht. Der Mann machte immer einen äußerst integren und weitsichtigen Eindruck auf mich. Und jetzt stellt sich raus, dass auch er einfach nur geldgierig ist. Schade, schade. Was den ''Prof. aus Heidelberg'' angeht haben wir ja bereits Einigkeit erzielt. Worin ich nicht zustimme ist Deine Aussage, es würde am Geld fehlen. Obwohl ich kein Freund von übermäßigen staatlichen Transfers bin, sollte aber doch einjeder das Recht aufs Existenzminimum haben. Dies wird bei Hartz 4 definitiv nicht erreicht. Warum orientiert man sich nicht beispielsweise an der Düsseldorfer Tabelle, die einen Betrag von rund 1000 Euro als untere Grenze definiert? Warum investiert man lieber 80 Steuermilliarden (zusätzlich zu den Beiträgen) in unsere Rentner statt einen Teil davon in kostenlose KiTas und Ganztagsschulen zu investieren? Wozu 30 Milliarden in eine Bundeswehr, die schon überlastet ist, wenn ein paar hundert Mann im Einsatz sind? Ich könnte da endlos fortfahren. Es macht mich einfach nur wütend, wenn ich sehe, dass es vielen Kindern so schlecht geht.


QuoteAutor: Hans-Peter / Datum: 23.12.07 18:41
@ nielson
Hallo @nielson,

ich möchte Sie mal gerne ''missbrauchen'', um Ihnen mal meine Sichtweise zu schildern. Deshalb nehme ich Sie jetzt mal als den typisch Deutschen. Ich bin mir sicher, dass Sie es mir verzeihen.

Nehmen wir mal an, ich würde eine Sozial- und Steuerreform hinkriegen, die die Lebensgrundlage der sog. HartzIV-Empfänger-Familien verbessert. Um das zu erreichen, hätten Herr Ackermann und Herr Wiedeking jährlich EUR 200.000,00 weniger Im Portemannaie; Sie dagegen nur etwa EUR 200,00.
Wissen wer als erstes Sturm gegen eine solche Reform laufen würde? -> Sie.
Ja, ''die da unten'' sollen mehr bekommen; aber doch bitteschön nicht aus Ihrem Protemonnaie. So ist Ihre (nicht persönlich, sondern nur als Vertreter eines typisch deutsch Denkenden) Denkweise. Gebt den Anderen mehr, aber mir nicht weniger. Gut ne? Ich bin für alles, solange ich nicht betroffen bin. Genau so denkt der typisch Deutsche.

Jetzt aber wieder zurück zu Herrn Ackermann und Herrn Wiedeking. OK; den tun die EUR 200.000,00 weniger natürlich nicht weh. Warum auch? Bei EUR 14.000.000,00 und noch mehr Jahresgehalt geht das unter. Damit könnte meine Reform also aufgehen. Die beiden mucken nicht auf und Sie mucken zwar auf, schreiben fiese Kommentare in Foren aber fügen sich schlußendlich in Ihrem Schicksal.

Ende gut, alles gut. Könnte man meinen. Aber jetzt denken sich die Herren Ackermann udn Wiedeking doch etwas und legen den Firmensitz Ihrer Unternehmen einfach mal ins Ausland. Das ist kein Problem und geht ruck zuck. Damit zahlen diese Herren dann - weniger - Steuern im Ausland. Wir haben von denen also nicht nur je EUR 200.000,00 weiniger im Staatssäckel, sondern rein garnichts mehr.

Und damit noch nicht genug. Der Unternehmensgewinn der Deutschen Bank und Porsche wird ebenfalls im Ausland versteuert und dort zu Gute kommen. Mir fehlen also jetzt etliche Milliarden EUROs in meinem Säckel.

Also nochmal, seien Sie mir nicht böse, ich habe Sie nicht persönlich gemeint, sondern Sie mussten nur mal für mein Beispiel herhalten. Ich möchte zeigen, dass es uns rein garnichts bringt, wenn wir Studien schreiben und Parolen schreien. Wir brauchen Lösungen, die ALLE mittragen. Es nutzt nichts, mit dem Finger auf den ein oder anderen zu zeigen. Die Manager, die derzeit zum Feindbild der Nation herhalten sollen, sind nicht das Problem; auch wenn der ein oder andere zuviel oder ungerechtfertigterweise Abfindung kassiert.
Wir brauchen eine komplett neue Sozial- und Steuerordnung. Aber sie wird von vielen abgelehnt, weil man Angst hat, das man u.U. dann selbst etwas weniger in der Tasche hat. Aber eines ist sicher - auch wenn es nur eine Phrase ist - wenn ich einem etwas gebe, muss ich es einem anderen nehmen. Dazu sagt aber der gute Herr Butterwegge in seiner Studie nichts; wohl wohlwissend, dass damit seine Studie an Popularität verlieren würde.

Trotzdem; nochmal schöne Feiertage

QuoteAutor: Hans-Peter / Datum: 23.12.07 18:47
Au ha, @nielson,
lese gerade Deinen Beitrag von 18:35h.

Also dem mit der Bundeswehr könnte man noch zustimmen, aber wenn ich Deinen Kommentar zu den Rentnern meinem Vater lesen lasse, hast Du einen Freund auf dieser Welt weniger.

:o)

Übrigens, was KiTas, Bildung etc. angeht, da habe ich mich schon zum Thema ''Schrowange'' ausgelassen. Auch das Kindergeld muss ein Thema sein. Aber da sehen auch offensichtlich viele nur, dass man denn EUR 154,00 weniger in der Tasche hat. Dass dafür aber mein Kind u.U. und u.a. eine viel bessere Bildung geniessen kann und man ja für gering verdienende Familien immer noch einen -steuerlichen - Ausgleich schaffen kann, will man nicht hören. Nein, man hört einfach nur, dass man zunächst mal EUR 154 im Monat nicht mehr überwiesen bekommt. Das Geschrei ist groß.

QuoteAutor: Mahmud82 / Datum: 23.12.07 18:51
@nielson
''Aber die Ackermänner und Wiedekings werden sich über ein paar Milliönchen mehr in ihren Geldbörsen freuen können...''

RIchtig so!

Ich selber lebe an der Armutsgrenze! Bin Student und werde jetzt meinen 400 Euro Job bei der Telekom schmeißen, weil ich den Chef nicht abkann. Ist er es dann schuld, dass ich ''nur noch'' mit 570 Euro Waisenrente und Bafög leben muss? Soll ich die Allgemeinheit verdammen, dass ich einen eigentlich sehr lockeren Job aufgebe, weil mir mein Studium irgendwie wichtiger ist?

So ein Blödsinn!

Mein Vater hat damals neben dem normalen Job bei der Post (später Telekom) noch zusätzlich jeden Tag 5 Stunden als Schrankenwärter an der Zufahrt seines Fernmeldeamtes gesessen, um das Haus, in dem jetzt meine Ma lebt, so schnell wie möglich abzahlen zu können.

Mein Opa hat sein Haus, was er sich hart erarbeitet hat, partiell untervermietet, und ist in der Fabrik arbeiten gegangen. Und dem geht es jetzt als Rentner verdammt gut!

Und die Leute, die abends mit mir am Thresen stehen, mir von den wilden Orgien, die in HartzIV Bunkern stattfinden erzählen und sich dabei genüsslich einen Schnaps nach dem anderen in die Kehle kippen. Denen soll ich auch nur einen Cent mehr gönnen?!?

Hackts irgendwo?

Diese Leute sind es doch selber Schuld, wenn die Kinder (viele werden ja nur in die Welt gesetzt, damit man eben ''mehr Leistungen'' vom Staat einstreichen kann) eben nichts zu Weihnachten bekommen oder aus der Kleidertonne leben müssen?

Gehts noch?

Ist doch nicht mein Problem! Sicher ist das schade, dass es Menschen in diesem meinem Land gibt, denen es so schlecht geht. Aber ich sag mal: Eigenes Verschulden. Ich könnte morgen früh zur Post gehen und nach einem Job als Briefträger fragen. Zu Jahresbeginn hätte ich den. So what?

Muss jetzt die Allgemeinheit darunter leiden, dass viele (Ich sage bewusst nicht alle) einfach zu faul sind und lieber jeden Tag 15 Stunden Playstation spielen, als zu arbeiten?

Hier hätte ich auch eine Prima Idee. Und zwar ist mein Vater mit mir kurz vor seinem Ableben durch die Eifel gefahren. DOrt stehen in wunderbarer Landschaft so genannte Lebenssporne.

Ich will diese nicht wieder aufmachen, aber die Idee ist doch nicht schlecht.

So könnte man Leuten, die sonst nichts auf die Reihe bekommen doch anbieten, Kinder zu werfen, diese werden sofort nach der Geburt in staatlich gelenkte Einrichtungen gegeben, von Sozialpädagogen ausgebildet und als Arbeitserklasse (arbeiten will in diesem Land wohl keiner mehr) der Allgemeinheit zugeführt.

Der Mensch als Ware.

Oder @nielson

Haben sie ältere Menschen in der NachbarschafT? Evtl. Rentner? Wenn sie jemanden kennen, der Kohle braucht, dann schicken Sie den doch mal zu denen und er soll fragen, ob er als Gärtner oder als Fahrer oder sonst was arbeiten kann. Die alten Leute zahlen meist seeeeeehr gut. Und man kann das ganze noch als Freundschaftsdienst abtun und muss es noch nicht mal versteuern.

Nicht Hatz IV ist an der Armut der Menschen schuld.

Die 68iger, die gerade wieder aufleben, die sind schuld daran, dass jeder Mensch nur noch in einem klimatisierten Büro sitzen will, möglichst nichts tun möchte, aber sich jeden Monat ein neues Auto leisten knnen möchte und jammert, wenn der Porsche vom Nachbarn schöner aussieht.

Nicht der Staat treibt die Menschen in Armut. Die eigene Faulheit und Dummheit der Menschen treibt sie in einen Kreis, aus dem sie so leicht nicht wieder rauskommen,.

Und wenn es Menschen gibt, die den Kindern keine adäqute Kindheit bieten können, denen sollten die Kinder sprichwörtlich abgekauft werden.

Deutschland hat ein Bevölkerungswachstum von -0,11 % pro Jahr.

Und zu dumm zum Beischlaf werden doch selbst diese Leute nicht sein, oder?

MfG

Mahmud82


QuoteAutor: williwaw / Datum: 23.12.07 19:20
@Mahmud82
Solch ein Schwachsinn, den Sie schreiben, hab ich hier im Forum noch nicht gelesen!



Aus: "Politologe kritisiert Familienpolitik: Experte: Hartz IV ist schuld an Kinderarmut" (23.12.2007)
Quelle: http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/politik/deutschland/514484 (http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/politik/deutschland/514484)



Title: [Wir haben ein Gerechtigkeitsproblem... (Notiz, Wolfgang Huber, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 26, 2007, 08:01:41 PM
Quote[...] Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Wolfgang Huber, hat eine Ausweitung von Mindestlöhnen auf andere Branchen gefordert. "Wir haben ein Gerechtigkeitsproblem", sagte Huber in einem Interview. Mit der Umsetzung des Mindestlohns bei der Post sei das noch nicht gelöst, "weil es andere Bereiche gibt, die von dieser Problematik mindestens genauso betroffen sind - etwa die Pflege", sagte Huber. Man brauche deshalb Arbeitsplätze, mit denen die Menschen ihr Auskommen haben könnten.

[...] Zuletzt hatte Post-Chef Klaus Zumwinkel für Empörung gesorgt, als er kurz nach der Koalitionsentscheidung für einen Post-Mindestlohn Aktienoptionen im Wert von 4,7 Millionen Euro eingelöst hatte. Auch das Gehalt von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder die Abfindung des ehemaligen Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld waren auf Kritik gestoßen. Gestern hatten Wirtschaftsvertreter das Ende der "populistischen" Diskussion gefordert.

Bischof Huber hält die Debatte jedoch für wichtig. "Notwendig ist die Erhöhung der Transparenz und die Einsicht, dass man in solchen Fällen rechenschaftspflichtig ist." Eine gesetzliche Begrenzung der Managergehälter wie sie etwa die SPD debattiert, ist für ihn allerdings zweitrangig. "Die Transparenz kann man an der einen oder anderen Stelle gesetzlich fördern. Aber meine Priorität liegt auf der Debatte in der Gesellschaft", erklärte Huber.

[...] Widerstand gegen den Mindestlohn kommt von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der vor einer flächendeckenden Einführung warnt: "Die Gefahr eines allgemeinen Mindestlohns liegt in einer völlig undifferenzierten Anwendung", sagte Glos der Wochenzeitung "Die Zeit". Viele Arbeitnehmer würden dadurch in die Illegalität getrieben, weil bei gesetzlich verordneten Löhnen viele Beschäftigungen nicht mehr möglich wären. "Vor allen Dingen würde dies auch die nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze treffen. Es käme zu einem Abwandern von Produktionen und Dienstleistungen."




Aus: "Bischof Huber geißelt ungerechte Lohnverteilung" ( 26.12.2007)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,525319,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,525319,00.html)

Title: [Hartz IV zum Job: Arm trotz Arbeit... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 06, 2008, 01:16:27 PM
Quote[...] Immer mehr Arbeitnehmer sind hilfsbedürftig: In Deutschland sind schon 1,3 Millionen Beschäftigte auf Hartz IV angewiesen - obwohl sie einen Job haben. Rentenexperte Bernd Rürup erwartet deshalb auch eine zunehmende Altersarmut.

Die Zahl hilfsbedürftiger Arbeitnehmer in Deutschland ist nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" um mehr als ein Drittel auf 1,3 Millionen gestiegen. Wie die Zeitung unter Berufung auf aktuelle Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes berichtete, waren im September 2005, also vor Beginn der konjunkturellen Erholung am Arbeitsmarkt, 949.000 Berufstätige auf Hartz IV angewiesen. Bis Mai 2007 sei ihre Zahl um 27 Prozent gestiegen, bis August um gut 33 Prozent. Der Rentenexperte Bert Rürup rechnet angesichts der großen Zahl von Geringverdienern mit mehr Altersarmut.

Laut DGB gehen immer mehr Menschen "einer sozialversicherten oftmals vollzeitnahen Beschäftigung nach, und trotzdem reicht ihr Lohn nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten". Die Untersuchung widerlegt der "Frankfurter Rundschau" zufolge auch die Vermutung, dass Mini-Jobber die ganz große Mehrheit unter den Aufstockern stellten. Tatsächlich sei ihr Anteil auf rund die Hälfte gefallen. Deutlich stärker geweitet habe sich der Kreis der Hartz-IV-Bezieher, die mehr als 400 Euro im Monat verdienten und damit Sozialabgaben zahlten.

Diese Fakten belegen aus Sicht des Gewerkschaftsbundes, "dass sich Menschen mit einer Kombination von Hartz IV und Mini-Job keinesfalls einrichten und zufrieden geben". Vielmehr bemühten sie sich um einen vollen Arbeitsplatz. Rürup sagte dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" zufolge: "Unter den gegenwärtigen Bedingungen werden die Armutsrisiken im Alter zunehmen." Altersarmut werde in spätestens 15 Jahren relevant werden.

Der Bundesregierung warf der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor, dass die staatlich subventionierte Riester-Rente ausgerechnet an den Geringverdienern vorbeiziele. "Für viele Bezieher niedrigerer Arbeitseinkommen oder Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien lohnt sich der Abschluss eines Riester-Vertrages nicht", erklärte er.

Immer mehr Menschen schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein. Wie die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, der "Wirtschaftswoche" sagte, stieg der Anteil in den vergangenen fünf Jahren von 21 auf 32 Prozent. Rund 70 Prozent der höheren Sozialschichten seien mit ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zufrieden, aber nur etwa 40 Prozent der Mittelschicht und 20 Prozent der unteren Sozialschichten.

Quotematthiasxs (5.1.2008, 15:12 Uhr)

Siehe PIN AG

Was wir dringend brauchen, ist eine Definition von "Erwerbstätigkeit" oder "Arbeit".
Wenn jemand bei der PIN AG (Stern berichtete) für 40 Stunden Arbeit pro Woche, im Monat weniger als 400 Euro verdient, ist das eher Leibeigenschaft oder ein Schritt zurück ins 19. Jahrhundert als ein Job.
Für ein sich zivilisiert nennendes Land ist jedenfalls eine Schande. Aktiengesellschaften lassen sich so Ihre Belegschaftskosten vom Steuerzahler über die Sozialhilfe refinanzieren und die Bundesregierung feiert das sinken der Arbeitslosenzahlen.
Dümmer gehts nimmer.


QuoteLeseratte79 (5.1.2008, 15:37 Uhr)

Es gibt...

..tatsächlich Menschen in diesem Lande, die Hartz4 aus eigenem Antrieb hinter sich lassen wollten und dachten dies mit einer 35 Stunden Woche zu schaffen. Leider verdienen sie so erschreckend wenig mehr als sie vormals als Hartz4 Empfänger erhielten, dass sie sich von dem Geld das sie nun im Monat mehr haben gerade mal ihren Weg zur Arbeit leisten können! Und das Amt kommt diesen Mensche dann mit ihrem "Grundbedarfsgefassel" daher. Armes - reiches Deutschland.


QuoteSilbador (5.1.2008, 15:50 Uhr)

Alle Subventionen streichen!

Die Arbeitgeber nutzen derzeit alle Möglichkeiten an kostenlose oder zumindest billige Arbeitskräfte zu kommen.
Leider hilft ihnen dabei die derzeitige Gesetzeslage enorm.
Wenn jemand Arbeit zu vergeben hat, dann soll er diese auch entsprechend honorieren. Nutzt er die Not- oder Zwangslage von Menschen aus, macht er sich m.E. strafbar.
Aus diesem und anderen Gründen brauchen wir einen definierten MINDESTLOHN. Arbeit muß sich lohnen und darf nicht arm machen.


Quoteganzbaf (5.1.2008, 17:17 Uhr)

Wer offenen Auges Rentnearmut "erwartet"

sollte seinen Job als Politiker an den Nagel hängen.
Allerings haben wir heute schon eine massive Rentnerarmut. BEi Rekordzahlen an Millionären und Unternehmergewinnen.
Ein nationale Schande UND Grundgesetzwiedrig. Es müßte längst zu Verstaatlichungen von Megavermögen zu Gunsten der Armen kommen.


QuoteTaraHamburg (5.1.2008, 17:18 Uhr)

Aufstehen!

Solange "wir" uns das gefallen lassen, so lange wird damit weiter gemacht!
Wo kein Kläger- da keine Anklage.
Das war von den Arbeitgebern und der Politik ganz genau so gewollt.
Wir haben diese Menschen gewählt, die weiterhin verteidigen, dass Richtige (?) für uns entschieden zu haben.
Wir haben die Proteste gegen HartzIV aufgegeben- wir haben zugelassen, dass ein Arbeitnehmer in einer Zeitarbeitsfirma so lange in einem Betrieb verweilen darf, wie es der Arbeitgeber will- wo längst ein regulärer Arbeitsplatz zu besetzen gewesen wäre.
Wir haben zugelassen, dass es Firmen wie z.B. die Pin AG oder Friseurketten gibt, die Ihren Mitarbeitern zum sterben zu viel und zum leben zu wenig zahlen DÜRFEN!

WIR lassen zu, dass Menschen von Ihrer Arbeit nicht mehr leben können.
Warum lässt jeder, der hier schreibt (Auch der Journalist des Artikels!) dies zu?
Weil wir nicht aufstehen!
Weil wir diese Menschen gewählt haben- inkl. deren Konzepte die wir nun nicht wollen.
Wir haben uns aber auch nicht gewehrt!
Haben uns mit Politischen Versprechen abspeisen lassen und dem Zusammenhalt untereinander verloren.
Jeder hat nun Angst vor dem Gespenst HarztIV.
Das war eine Glanzleistung von den Menschen die uns regieren. Sie haben erreicht, dass keiner mehr aufsteht. Die eigene Angst lähmt zur Untätigkeit!
Ihr könnt schreiben was Ihr wollt- Ihr/wir/ich werden nur etwas daran ändern wenn wir endlich aufstehen!


Quotenilsb (5.1.2008, 17:34 Uhr)

...

für mich sind unternehmer, die ihren angestellten so geringe löhne bezahlen, dass diese unter sozialhilfenievau liegen(und das bei 35-40std-wochen) viel schlimmere sozialschmarotzer als die arbeitslosen, die keine lust haben zu arbeiten.

...


Quoteudo_aus_marl (6.1.2008, 1:03 Uhr)

Aufstehen

Liebe Tara aus Hamburg,
ich gebe Dir Recht, wir müssen aufstehen und uns dagegen wehren.
Aber es ist nicht richtig, dass Du schreibst, die Proteste gegen Hartz IV wurden aufgegeben. Ich kann Dir versichern, dass jeden Montag in über 130 Städten Menschen auf die Strasse gehen, um gegen den Sozialkahlschlag zu protestieren. Jedes Jahr is sogar in Berlin eine Grossdemo gegen Hartz IV. Letztemal am 13. Oktober mit fast 10.000 Menschen. Sicher werden viele sagen, dass sind nicht so viel. Stimmt die Zahl der Demonstranten ist zurückgegangen aber man muss auch fragen warum. Wer, der Hartz IV Betroffener ist, kann sich denn eine Reise nach Berlin erlauben. Dass ist nur ein Grund. Auch in Hamburg gibt es jeden Montag Protest gegen Hartz IV und Sozialabbau. Suche einfach mal über Google. Die Medien verschweigen diese Tatsache einfach. Ich möchte jetzt hier nicht näher darauf eingehen. Aber es gehört schon etwas dazu, über eine Demo mit fat 10.000 Menschen nicht zu schreiben. Die Hintergründe etc. findet ihr auf den verschiedenen HPs der Montagsdemos.
Also wir haben uns gewehrt und wir werden uns weiter wehren. Die Montagsdemos sind mittlerweile aus den meisten Städten, wo sie statt finden zu einem richtigen Treffpunkt geworden, es ist eine Plattform aller sozialen und politischer Belange geworden. Jeder kann dort am offenen Mikrofon seine Meinung sage! Ausgeschlossen sind nur Nazis und religiöse Fanatiker. Außerdem konnten viele Montagsdemos, Menschen schon helfen die von den ARGEN etc. schikaniert etc. wurden.
Und wir sind uns, glaube ich alle einig, gebe es kein Hartz IV, würden auch menschenwürdige Löhne gezahlt.
Liebe Grüße aus Marl
www.montagsdemo-marl.de


QuoteGinnungagap (6.1.2008, 4:44 Uhr)

solange diese...

zehntausend Menschen keine Kalaschnikov
besitzen, werden sie einfach nur ausgelacht.
Das juckt doch keinen, solange keine Steine fliegen^^
Sorry meine Meinung... bin zwar kein Befürworter von Gewalt, aber das ist nunmal Tatsache.
Wir sind bald soweit und koennen uns auf der amerikanischen Nationalflagge den 51. aehm 52. ;) Stern sichern.
Billigloehne, Jugendcamps, schleichende Abschaffung des Sozialstaats, vorraussichtlicher Einsatz der Bundeswehr im Inneren (weil irgendwann fliegen Steine), Verrohung der Gesellschaft, Bildungsniveau gleich null, Privatisierungen von Volkseigentum, 2 Klassen Gesellschaft, gemeinsamer Raubzug um mit falscher "Demokratie"
fremde Länder zu missionieren, ect...


QuoteTaraHamburg (6.1.2008, 10:23 Uhr)

...weiter gedacht

Guten Morgen,
Sicher sind genau die Bereiche die Ginnungagap und alle anderen Mitschreiber angesprochen haben
ein wichtiger Bestandteil dessen, was durchaus so geplant und durchgesetzt ist.
Ich möchte dennoch auf einzelne Dinge noch einmal genauer eingehen. Sicher ist alles was ich schreibe nur mein subjektives denken und empfinden.
Wem das zu lang ist, bitte überspringen.

Was Hartz IV betrifft, so ist es ein Instrument geworden, welches nicht nur stillschweigen zulässt, sondern meiner Meinung nach, wunderbar funktioniert um Menschen zum schweigen zu bringen.
Wer mit Schimpf und Schande überzogen UND mit einem Überlebensk(r)ampf beschäftigt wird der hat wenig Kraft und Zeit sich zu wehren.

Die Politik hat wunderbar die Menschen die Hartz IV beziehen, als Sozialschmarotzer dar stehen
lassen und ein Großteil der Bevölkerung macht mit.
Glaubt bewusst die Parolen die von "oben" losgelassen werden:
"Die wollen nicht arbeiten!" "Ausnutzen von Bezügen!"
"Warum soll ich arbeiten gehen? Ich bekomme doch was ich zum leben brauche!"
und dergleichen mehr.

Wer täglich die Bild Zeitung liest, bekommt diese Dinge immer wieder anhand toller Beispiele
vorgeführt und viele klatschen Beifall und sagen: "Ja- das muss noch mehr verschärft werden damit das arbeitsfaule Pack endlich arbeitet!"

Nur- was hilft das arbeiten, wenn der Lohn so gering ist, dass man zusätzlich noch weiter Harzt IV
benötigt? Was sind das dann für Menschen?

Das sind Menschen die weiter um ihr tägliches Überleben kämpfen müssen und keine Kraft mehr haben um sich zu wehren. Die dem Druck der Gesellschaft nachgeben um NICHT ausgegrenzt zu werden - und doch sind sie es weiterhin.
Sie haben durch Ihren Lohn nicht die Möglichkeit an den gesellschafftlichen Dingen teilzunehmen.
Es reicht nämlich immer noch nicht für die Butter auf dem Brot vom Bäcker, nur für die Margarine
auf dem Billig Brot.

Was so etwas mit Menschen macht, auf der einen Seite vom Staat und der Gesellschaft gezwungen werden, ganz genau DAS zu tun - und auf der anderen Seite in einer ewigen Hoffnung auf Besserung die nicht
kommt zu leben, kostet Kraft zum wehren.

Da ist man müde und kaputt von der Arbeit, gefrustet, dass man immer noch nicht genügend auf dem
Konto hat um einmal ins Kino zu gehen oder sich ein Essengehen zu leisten.
Solche Menschen schämen sich in der Regel zu sehr, als das sie auf Ihr Elend aufmerksam machen
könnten. Da wird stillschweigend erduldet, da sonst, wenn man sich gegen so einen Job wehrt auch noch die Bezüge beschnitten werden. Da wird der Druck der Wirtschaft auf denjenigen weitergegeben, der dann für den geringen Lohn arbeitet müssen um nicht vom Staat dafür bestraft zu werden, für so einen Lohn nicht zu arbeiten.
Eine Spirale die von Politkern gemacht wurde, aus der es kein entrinnen gibt.
Die Politiker haben den Zeitarbeitsfirmen Instrumente in die Hand gegeben um Menschen die
hochqualifiziert sind zu Niedriglöhnen arbeiten zu lassen. Kein Facharbeiter bekommt den selben
Lohn wie sein Kollege, der in dem zu beleihenden Betrieb fest angestellt ist. Er wird mit dem Lohn
eines "Ungelernten" abgespeist, obwohl er die selbe Arbeit wie der fest angestellte leistet. Meistens
bekommt der Leiharbeiter nach 6 Wochen einen wesentlich niedriegeren Lohn als "Facharbeiter zugestganden.
Aber erst nach 6 Wochen! Eine Zeitspanne, in der das Zeitarbeitsunternehmen den vollen Facharbeiter Lohn kassiert,
während Ihr "Leiharbeiter" grad mal unterstes Lohnniveau, welches kaum höher als Hartz IV ist, bekommt.
Zwei Menschen die die selbe Arbeit leisten und nur einer bekommt vollen Lohn der von Tarifpolitik geschützt ist.

Das freut nicht nur das Zeitarbeitsunternehmen

Firmen entlassen Ihre eigenen Mitarbeiter, um sie dann über Hausintern gegründetet Zeitarbeitsunternehmen
wieder einzustellen und sie die selbe Arbeit machen zu lassen, wie vorher. Nur - für einen Bruchteil dessen, was Sie vorher
verdient haben. Das ganze wird dann noch von politischer Seite subventioniert und schon ist die Wirtschaft glücklich. Die Politiker auch. Nur der Mensch, der wird an den Rand gedrängt.

Bewusst.

Gewollt.

Berechnet.

Und wir lassen es zu. Wir, die vielleicht noch das Glück haben, nicht in dieser Spirale zu sein.
Wir lassen Menschen allein, kämpfen nur noch für unsere Belange, Soziale Kälte, fehlender Zusammenhalt, sich verstecken und sich nicht sehen lassen, verheimlichen das "Einer von uns" für solche Unternehmen arbeiten muss, die sich schämen.
Warum nur?
Weil wir die Parolen von "Oben" geglaubt haben. Wir lassen diese Menschen im Stich, weil UNS betrifft es ja nicht.
Das schöne daran ist nur, wenn einer von diesem Kuchen etwas ab haben möchte, dann wollen viele auch Ihren kleinen Teil erhalten. Und vor Arbeitslosigkeit oder Umwandlung seines Jobs ist heute niemand mehr sicher.
Morgen kann es mich oder dich treffen, die in diese Spirale gedrängt werden.
Da wieder raus zu kommen ist oftmals so gut wie unmöglich. Die Hoffnung kostetKraft- leider führt sie nur selten zum Gewünschten. Die Lösung ist schwerer als wir annehmen. Heute bewegt sich keine der großen Parteien von diesen Dingen mehr weg. Wir haben also nicht einmal mehr eine Politische Druckmöglichkeit um diesem Szenario zu entgehen.
Demokratie?
Nein- schon lange nicht mehr. Wir haben nur verschlafen, als man uns diese entzogen hat. Wir geben lieber einem Schröder die Schuld als zu sehen, dass auch unter Kohl bereits die Weichen in diese Richtung gestellt wurden. So weit will keiner zurückdenken. Hat auch wenig Sinn, das Kind ist im Brunnen und raus kommt es nur durch was? Ich bin gern für Lösungsvorschläge offen.



QuoteTurmfalke (6.1.2008, 10:46 Uhr)

Lüge

Alleine das Wort " Zeitarbeit ", mittlerweile ist es dank unserer Politiker möglich unbegrenzt Menschen als " Zeitarbeiter " zu beschäftigen. Für einen BRuchtil des regulären Lohns. Ex Superminister Clement hat ja seinen Aufsichtsratsposten bei einem Zeitarbeitsunternehmen nicht umsonst bekommen, und natürlich ist das " Instrument " Zeitarbeit gerade von ihm hochgelobt worden, hat es doch tausende in Lohn und Brot gebracht *kotz*. Für welchen Lohn und für wessen Brot wird natürlich verschwiegen.




Aus: "Hartz IV zum Job: Arm trotz Arbeit" (05. Januar 2008)
Quelle: http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/unternehmen/:Hartz-IV-Job-Arm-Arbeit/606911.html (http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/unternehmen/:Hartz-IV-Job-Arm-Arbeit/606911.html)



Title: [Die sich mit dem Arbeitslohn nicht über Wasser halten können... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 06, 2008, 01:59:54 PM
Quote[...] Das Hartz-Konzept ist eine Bezeichnung für Vorschläge der Kommission ,,Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", die unter der Leitung von Peter Hartz tagte und im August 2002 ihren Bericht vorlegte.

Die Kommission wurde von der Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingesetzt. Sie sollte Vorschläge dazu unterbreiten, wie die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter gestaltet und die staatliche Arbeitsvermittlung reformiert werden könne. Anlass dafür war unter anderem das Bekanntwerden von geschönten Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit über deren Vermittlungserfolge und über den Umfang des Verwaltungspersonals (etwa 85.000) im Verhältnis zur Zahl der Vermittler (etwa 15.000). Erklärtes Ziel des Hartz-Konzeptes war es, innerhalb von vier Jahren die Arbeitslosenzahl von damals vier Millionen zu halbieren. Dieses Ziel konnte nicht annähernd erreicht werden.


[...]

Zusammensetzung

Am 22. Februar 2002 wurde die Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingesetzt. Zu den Mitgliedern gehörten:

    * Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG und der Deutschen Bahn AG
    * Jobst Fiedler, Roland Berger Strategy Consultants
    * Heinz Fischer, Abteilungsleiter Personal Deutsche Bank AG
    * Peter Gasse, Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen
    * Peter Hartz, damals Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG
    * Werner Jann, Universität Potsdam
    * Peter Kraljic, Direktor der McKinsey & Company Düsseldorf
    * Isolde Kunkel-Weber, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
    * Klaus Luft, Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH
    * Harald Schartau, damaliger Minister für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen
    * Wilhelm Schickler, Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen
    * Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
    * Günther Schmid, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
    * Wolfgang Tiefensee, damaliger Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, heute Bundesminister für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung
    * Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AG

Beachtenswert an der Zusammensetzung der Kommission ist, dass unter den 15 Mitgliedern, 9 Vertreter aus der parteilichen Industrie und der Privatwirtschaft stammen, jedoch kein Vertreter eines Arbeitslosenverbandes, nur eine Frau und nur 2 Mitglieder aus den neuen Bundesländern.

...


Aus: "Hartz-Konzept" (01/2008)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hartz-Konzept (http://de.wikipedia.org/wiki/Hartz-Konzept)

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Quote[...] Die Zahl der Menschen, die auf Leistungen nach dem SGB II ganz oder ergänzend angewiesen sind, verringerte sich im Jahr 2007 von 23 820 auf 23 588 im Dezember.

Binnen Jahresfrist konnten von den Mitarbeitern der kreiseigenen Tochter ProArbeit gGmbH insgesamt 5454 Personen in ein Beschäftigungsverhältnis oder eine Ausbildung vermittelt werden. Gegenüber dem guten Ergebnis vom Vorjahr (4664) eine Steigerung um 17 Prozent.

Insbesondere junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren profitierten von diesem Anstieg. Von ihnen haben 658 Personen im abgelaufenen Jahr eine Ausbildung begonnen (2006: 254), weitere 460 konnten eine Beschäftigung aufnehmen (2006: 280).

Neben der Aufnahme einer Beschäftigung konnten 4446 erwerbsfähige Hilfeberechtigte im Laufe des Jahres 2007 eine Arbeitsgelegenheit oder berufsvorbereitende Qualifizierungsmaßnahme antreten und absolvieren. Zusammen mit den Vermittlungen in Arbeit sind insgesamt 9900 Menschen aktiviert worden. Damit sei nahezu jeder aktivierungsfähige erwerbsfähige Hilfeempfänger im Mühlenkreis 2007 mit einer aktivierenden Maßnahme bedacht worden, bilanziert Ralf Bierstedt von der KomJob.

Die Arbeitslosenquote im Rechtskreis SGB II betrug im Mühlenkreis im Jahresverlauf relativ konstant 4,6 Prozent. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitslosen (ALG I und ALG II) beträgt zum Ende des Jahres 69 Prozent und hat sich gegenüber dem Vorjahr (62 Prozent) um sieben Prozentpunkte, also um gut ein Zehntel erhöht. Dieses Ergebnis zeigt, dass sich auch in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwunges und rückläufiger Arbeitslosenquoten trotz aller erfreulichen Maßnahmen Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt.

44,9 (2006: 45,3) Prozent der ALG-II-Leistungen beziehenden erwerbsfähigen Hilfeempfänger sind arbeitslos. Bei den anderen reicht der Arbeitslohn nicht aus, um sich und die Familie ernähren zu können. 2007 ist die Zahl der Personen im SGB-II-Leistungsbezug, die neben ihrem Erwerbseinkommen aufstockend Hartz-IV-Leistungen beziehen um 8,9 Prozent auf 4764 zum Jahresende gestiegen.

Fazit aus Sicht von Pro Arbeit, KomJob und Kreis: die seit Mitte 2006 steigende Konjunktur hat den Hartz-IV-Bereich noch nicht nachhaltig erreicht, Löhne und Gehälter aus Erwerbstätigkeit sind zunehmend nicht auskömmlich, um ganz auf solidarische Unterstützung der Gesellschaft verzichten zu können.


Aus: "Jahresbilanz im Hartz-IV-Bereich mit Flecken" (05.01.2008)
Quelle: http://mt-online.de/mt/lokales/minden/?sid=8b08defcdec77516c9ae6b8819105d21&cnt=2073052 (http://mt-online.de/mt/lokales/minden/?sid=8b08defcdec77516c9ae6b8819105d21&cnt=2073052)

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Quote[...] SPD-Fraktionsvize Stiegler sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich bin nicht stolz auf dieses Werk, aber durchaus zufrieden mit den Wirkungen, die es jetzt endlich zeigt." Stiegler sagte, es dürfe nicht übersehen werden, dass sich Deutschland nun in einer in Europa einmaligen Form um die "verdrängten und vergessenen" arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger kümmere. Anfangs seien bei der Reform allerdings überhastet gehandelt und Fehler gemacht worden.

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach kritisierte dagegen dem Blatt gegenüber, die Reform habe zu einem "Zwei-Klassen-System" geführt: Wer seinen Job verliere, müsse fürchten, schnell und tief zu fallen. Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pohmer sagte der "SZ", Hartz IV habe nicht zur Armutsbekämpfung beigetragen. Wie der DGB verlangen auch die Grünen eine Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes von heute 347 Euro. Zugleich lobte Pohmer, dass die Reform zumindest die ehemaligen Sozialhilfeempfänger deutlich besser gestellt habe.


Aus: "Rüttgers fordert grundlegende Neuordnung von Hartz IV" (02.01.2008)
Quelle: http://afp.google.com/article/ALeqM5j3Vu3aFO3lsiTqwZmZ2yfgyAJmJA (http://afp.google.com/article/ALeqM5j3Vu3aFO3lsiTqwZmZ2yfgyAJmJA)

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Quote[...] 347 Euro. Dieser Betrag steht symbolisch für eine der umstrittensten Gesetze, die es bis heute in Deutschland gegeben hat. Es geht um das Arbeitslosengeld II, das das Existenzminimum der Menschen festlegt. Der Streit um diese 347 Euro beschäftigt seit drei Jahren nicht nur die Politik, sondern auch verschiedene Gerichte in Deutschland.

Tausende Bürger haben gegen Hartz IV-Bescheide geklagt. Ende Dezember gab es eine richtungweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Vor drei Jahren wurde das Arbeitslosengeld II eingeführt. Seitdem erhalten rund sieben Millionen Bürger 347 Euro im Monat. Hinzu kommen Miete und Heizkosten. Was im Sozialgesetzbuch II auf den ersten Blick einfach und übersichtlich wirkt, bietet reichlich Konfliktstoff für Politik und Justiz. In Leipzig lebt inzwischen jeder sechste von Arbeitslosengeld II.

Doch viele sind mit den Hartz IV Sätzen nicht zufrieden und legen Widerspruch ein. Diese Fälle landen später vor dem Leipziger Sozialgericht. 3110 Klagen waren es allein im letzten Jahr. Dabei haben die dringenden Fälle stark zugenommen. Das Gericht muss hier schnell entscheiden, da andernfalls die Zwangsräumung der Wohnung droht.

[...] Doch nicht nur die Sozialgerichte müssen täglich neu über die Regelungen von Hartz IV entscheiden, auch Bundesgerichte haben schon Urteile gefällt. Das Bundessozialgericht hat bereits Ende 2006 darüber entscheiden, ob mit rund 350 Euro ein menschenwürdiges Leben möglich ist. Das Geld reicht aus, sagten die Richter aus Kassel. Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres fällte dann das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das die Politik noch eine Weile beschäftigen wird. Es stellte fest, dass die so genannten Arbeitsgemeinschaften gegen das Grundgesetz verstoßen. Bis 2010 muss die Verwaltung der Langzeitarbeitslosen neu geregelt werden,  sagt das Gericht aus Karlsruhe.

[...] Hermann Leistner von der Arbeitsagentur Leipzig kann dieses Urteil verstehen: "Offensichtlich sind hier Interessen des Bundes, also wenn sie so wollen der Gesamtgemeinschaft, also auch rechtliche Interessen des Bundes und der Kommunen nicht im Einklang." Leistner betont jedoch, dass sich weder für Hilfebedürftige noch für Mitarbeiter bis 2010 etwas ändern wird. Tausende von Klagen türmen sich noch unbearbeitet auf riesigen Aktenstapeln in den deutschen Gerichten. Alles deutet darauf hin, dass Hartz IV auch 2008 wieder für viel Arbeit sorgen wird – in den Arbeitsgemeinschaften, der Politik und der Justiz.



Aus: "Klagewelle gegen Hartz IV" Nadine Lindner (03. Januar 2008)
Quelle: http://mephisto976.uni-leipzig.de/sendungen/direkt/beitrag/artikel/klagewelle-gegen-hartz-iv.html (http://mephisto976.uni-leipzig.de/sendungen/direkt/beitrag/artikel/klagewelle-gegen-hartz-iv.html)

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Quote[...] Die Zahl derjenigen, die sich mit dem Arbeitslohn nicht über Wasser halten können, steigt. Laut des zur Bundesarbeitsagentur gehörenden Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist die Zahl der arbeitenden Hartz-IV-Empfänger in zwei Jahren von 800 000 auf 1,33 Millionen Menschen gewachsen. In Hamburg gab es im Juli 2007 - aktuellere Zahlen stehen nicht zur Verfügung - rund 28 000 so genannte Aufstocker. Das sind Arbeitnehmer, die über Hartz IV einen Zuschuss zu ihrem Lohn bekommen, um etwa Miete oder Heizkosten bezahlen zu können. Diese Zahl hat in nur einem Jahr um 72 Prozent zugenommen.
In der aktuellen Statistik der Arbeitsagentur ging die Zahl der arbeitlosen Hartz-IV-Empfänger im Jahresverlauf um rund 12 000 zurück. Doch in der Statistik der Leistungsempfänger beträgt der Rückgang nur rund 3000. Es sei zwar nicht so, dass die Differenz von 9000 als Aufstocker gezählt werden dürften, sagte Agenturchef Wolf-Dieter Schmidtke-Glamann. Aber es sei ein Hinweis darauf, dass die zahl der Aufstocker weiter steige.
In ganz Norddeutschland ist die Zahl der Aufstocker kräftig gestiegen. Vorn liegt Niedersachen mit fast 114 000 arbeitenden Hartz-IV-Empfängern. Im Juli 2006 waren es nur rund 62 000. In Schleswig-Holstein peppen fast 44 000 Niedrigverdiener ihren Lohn mit Hartz IV auf - das sind im Vorjahresvergleich ebenfalls doppelt so viel.
Laut Agentur teilen sich die Aufstocker jeweils etwa zur Hälfte in Teilzeitjobber und Vollzeitarbeitnehmer, die nicht genug zum Leben verdienen. Betroffenen Branchen, in denen die Bezahlung oft nicht zum Leben reicht, seien etwa Wachdienste, Reinigungsunternehmen oder Friseure.
"Solche Zahlen sind ein Beleg für die Aushöhlung der normalen Arbeitsverhältnisse", sagt Roland Kohsiek, Fachbereichsleiter bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und Experte für Arbeitsmarktpolitik. Zunehmend werden Arbeitsverträge abschlossen, die unter dem Existenzminimum lägen.
Zu denjenigen, die zusätzlich Hartz IV empfingen, zählten auch Ein-Euro-Jobber, so Kohsiek. Diese Beschäftigungsmaßnahme habe katastrophale arbeitsmarktpolitische Effekte. Weniger als 20 Prozent der Ein-Euro-Jobber würden im Anschluss an die Maßnahme in den regulären Arbeitsmarkt integriert. Damit seien die Ein-Euro-Jobs deutlich schlechter als andere Weiterbildungsmaßnahmen.

stm


Aus: "Vielen reicht ein Job nicht mehr zum Leben" (4. Januar 2008)
Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article1516336/Vielen_reicht_ein_Job_nicht_mehr_zum_Leben.html (http://www.welt.de/welt_print/article1516336/Vielen_reicht_ein_Job_nicht_mehr_zum_Leben.html)

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Quote[...] Kiel - In Schleswig-Holstein beschweren sich mehr Hartz-IV-Empfänger über unverständliche Bescheide, ausbleibende Zahlungen, Zwangsumzüge, unfreundliche Mitarbeiter, sinnlose Maßnahmen oder lange Bearbeitungsdauer. Darauf verwies die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Birgit Wille-Handels. In ihrem Büro gingen in diesem Jahr rund 1300 solche Eingaben ein, gut ein Viertel mehr als 2006. Besonders bitter sei, dass auch angestrebte Verbesserungen sich ins Gegenteil verkehrten. "Die Bescheide sind noch länger, unübersichtlicher und unverständlicher geworden", stellte die Bürgerbeauftragte fest.

lno


Aus: "Viele Empfänger von Hartz-IV beschweren sich" (28. Dezember 2007)
Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article1498782/Viele_Empfnger_von_Hartz-IV_beschweren_sich.html (http://www.welt.de/welt_print/article1498782/Viele_Empfnger_von_Hartz-IV_beschweren_sich.html)

Title: [im Polen der Gegenwart... (Notiz, Armut)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 14, 2008, 12:04:16 PM
Quote[...] Ab dem 1. Mai 2004 endet im Osten Polens die Europäische Union. Während sich hiesige Politiker vor allem darum sorgen, ob das neue EU-Mitglied in der Lage sein wird, seine Grenzen dicht zu halten, dominieren vor Ort existenzielle Sorgen und Nöte. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. Viele Familien leben von der ,,Hand in den Mund".

Im früheren Ostpreußen sprechen noch viele Menschen Deutsch. So wie Vera Dombrowska, eine 71-jährige Rentnerin. In Barczewo hat sie ihr ganzes Leben verbracht und viel erlebt, unter anderem den Zweiten Weltkrieg, den Kommunismus und die Wende.

Vera Dombrowska hat uns einen Kontakt nach Butryny vermittelt. Dort machen wir Bekanntschaft mit der zehnjährigen Paulina, die auf den ersten Blick wie ein ganz normales Mädchen aussieht. Die traurige Besonderheit ist, dass sie und ihre alleinerziehende, arbeitslose Mutter extrem arm sind. Nach Abzug der Miete bleiben beiden gerade einmal 50 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt. ,,Meine finanzielle Situation ist sehr schlecht. Ich kann mir nicht genug Lebensmittel leisten. Wenn Geld da ist, kaufen wir etwas, wenn nicht, dann müssen wir mit dem auskommen, was eben gerade da ist. Ich habe im Moment nur etwas Zucker, Mehl und Reis", erzählt Paulinas Mutter.

Ausreichend ernähren kann sie sich und ihre Tochter damit nicht, geschweige denn etwas für die Wohnung oder Kleidung kaufen. Es fehlt sogar am Lebensnotwendigsten: ,,Manchmal reicht es nicht einmal für das Abendbrot. So gut es geht, versuchen wir uns mit Kartoffeln zu behelfen. Und wenn das Brot nicht reicht, muss Paulina morgens ohne Frühstück zur Schule gehen. Das passiert sehr oft."

Ähnlich geht es sehr vielen Kindern in Ostpolen, und nur in wenigen Orten gibt es mittags eine Schulspeisung. Die Regierung Polens hat festgestellt, dass über 30 Prozent der polnischen Kinder unterernährt sind. Hier in Ostpolen sind es sogar fast 60 Prozent. Paulina hat Glück, dass in Butryny aufgrund von Spenden der Bevölkerung und Bauern täglich ein Mittagessen in der Schule ausgegeben werden kann.

Im 30 Kilometer entfernten Sorkwity gibt es dagegen keine Schulspeisung. In einem Supermarkt sind wir mit dem Pfarrer des Ortes, Krzystof Mutschmann, verabredet. Er hat uns hierher bestellt, um zu zeigen, wie teuer Lebensmittel in Polen geworden sind. Eine Zwiebelsuppe zum Beispiel kostet 2,19 Polnische Zloty, das sind umgerechnet fast 0,50 Euro. Joghurt kostet umgerechnet rund 0,25 Euro und 3 Kilogramm Waschpulver kosten umgerechnet 5 Euro. Für die ansässige Bevölkerung ist das fast unbezahlbar.
   
Bei einem Sozialhilfesatz von 10 Euro im Monat ist selbst das tägliche Brot für 0,40 Euro fast ein Luxus. Die örtliche Bäckerei spendet deshalb täglich zwei Brote an Pfarrer Mutschmann für die Kinder des Dorfes. In seinem Keller lagern Konserven, die er zugeteilt bekam, als die polnische Regierung die Lebensmittel-Notreserven des Landes aufgelöst hat. Mit dem Brot und den Konserven kann er täglich den Kindern des Dorfes ein kleines Abendbrot bereiten.

Bis zum Sommer werden die Konserven noch reichen – danach ist hier Schluss, und die Kinder bleiben hungrig. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ist nicht in Sicht.

Die Arbeitslosigkeit in Polen hat die 50-Prozent-Marke überschritten, hier in Ostpolen sind sogar 70 Prozent ohne Job und damit fast ohne Geld. Überall sehen wir vor den Häusern Holz aufgestapelt. Vera Dombrowska stellt uns Alfred Hermanski vor. Er ist seit zehn Jahren arbeitslos und bekommt nicht mehr als den Sozialhilfesatz von 10 Euro im Monat. Zusammen mit seinen Nachbarn hat er gerade alle Bäume vor dem Haus abgeholzt und unter den Mietern gerecht aufgeteilt. Das war dringend notwendig, denn jeder im Haus hat seinen eigenen Heizkeller und muss sehen, wie er seine Stube warm bekommt. Alle zwei Stunden muss Alfred Hermanski Holz nachlegen, damit das Feuer nicht ausgeht. Mit richtiger Kohle konnte er das letzte Mal vor sechs Jahren heizen.




Aus: "Sendung vom 28. April 2004 - Armut: Hungernde Kinder in Polen" Von Frank Farenski
Quelle: http://www.wdr.de/tv/service/familie/inhalt/20040428/b_3.phtml (http://www.wdr.de/tv/service/familie/inhalt/20040428/b_3.phtml)

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Quote[...] Und die Plastikblumen auf den Tischen und die bunten Wandbilder im Stil der späten 50-er Jahre versprühen genau jenen Ostblock-Charme, den die Teilnehmer der nostalgischen Stadtführungen so schätzen. Doch wer sich umschaut, der landet ganz schnell wieder im Polen der Gegenwart. ,,Nie habe ich solche Armut wie jetzt gesehen," sagt Helena Markowicz, die seit 37 Jahren an der Kasse sitzt: ,,Es gibt Leute, die bestellen eine Suppe für 1,20 Zloty und machen die Bestellung rückgängig, weil ihnen ein paar Groschen fehlen", sagt sie bedrückt.

,,Andere wollen nur eine halbe Portion, weil sie sich kein ganzes Essen leisten können." Früher hätten die Menschen zwar auch nicht viel gehabt, sinniert sie. ,,Aber so extrem, dass Menschen von draußen 'reinkommen und bei der Geschirr-Rückgabe um das übrig gebliebene Essen bitten - nein, so etwas kannten wir früher nicht."

Helena Markowicz zeigt zum Fenster, von dem aus die Besucher der Milchbar einst das Lenin-Denkmal sehen konnten. ,,Alle waren überzeugt, es werde den Menschen gut gehen, wenn Schluss ist mit dem Kommunismus", sagt sie, und es klingt bitter. ,,Lenin steht hier nicht mehr, aber die Armut gibt es immer noch."

Jadwiga Rymarz studiert aus kurzsichtigen Augen die handbeschriebene Tafel, auf der das aktuelle Menü aufgelistet ist. Die Rentnerin zieht den warmen Mantel, der schon bessere Tage gesehen hat, enger um sich. Nach längerem Überlegen entscheidet sie sich für Erbsensuppe für 1,05 Zloty - die ist heute am billigsten. ,,Gott sei Dank gibt es noch die Milchbars", sagte die 73-Jährige.

,,Ich wüsste nicht, wie ich sonst mit meiner Rente durch den Monat kommen soll, gerade jetzt, wo ich auch heizen muss." Katarzyna Janowicz hat sich für Pierogi entschieden und gleich eine weitere Portion auf Vorrat gekauft. ,,Die schmecken auch morgen noch, und ich spare mir die Fahrkarten, um hierher und wieder zurück nach Hause zu fahren", sagt die 21-Jährige leise. Sie ist alleinerziehend. ,,In meiner Plattensiedlung gibt es nur Fast Food und Pizzabringdienste, aber das kann ich mir nicht leisten", seufzt sie. ,,Und leider werden die Milchbars immer seltener."

Wendy und Julian Kendrick kennen diese Probleme nicht. Das Paar aus dem englischen Chester hat vor ein paar Tagen eine der ,,Sozialismus-Touren" gebucht und wollte auf eigene Faust noch ein wenig postsozialistisches Ambiente erleben. ,,Unser Guide hat uns die Milchbar im Vorbeigehen gezeigt, da wollten wir uns das auch gleich mal von innen ansehen", erzählt Julian, der zu seinem Kotelett mit Kartoffeln und Rotkohl noch eine kräftige Suppe, Saft und Kompott auf seinem Tablett stehen hat. ,,Das hat ungefähr 15 Zloty gekostet", sagt er begeistert. ,,Ist doch ein Witz, solche Preise - dafür kriege ich zu Hause nicht mal ein Sandwich."

Auch Wendy lässt sich ihr Hähnchenbrustfilet mit Kartoffelbrei und Salatteller gut schmecken. ,,Ich war ja erst skeptisch, ob wir bei diesen Preisen etwas Ordentliches erwarten können", gibt sie zu. ,,Kaum zu glauben, dass man für so wenig Geld essen gehen kann."

Das polnische Rentnerpaar, das geduldig in der Schlange darauf wartet, seine Bestellung aufgeben zu können, dürfte diese Einschätzung nicht teilen. Doch der alte Mann mit dem buschigen Schnurrbart gibt sich wie ein Kavalier alter Schule, der seine Frau in ein edles Restaurant ausführt. ,,Jetzt sei doch nicht so bescheiden, Danusia", drängt er seine zögernde Frau. ,,Gönn Dir bitte ein Kompott zum Nachtisch."


Aus: "Nowa Huta/Krakau: Lenin ging, die Armut blieb"  Von Eva Krafczyk (14.01.2008)
Quelle: http://www.derwesten.de/nachrichten/reise/2008/1/14/news-15972276/detail.html (http://www.derwesten.de/nachrichten/reise/2008/1/14/news-15972276/detail.html)

Title: ["Sex zum Überleben" nennt das Flüchtlingshilfswerk... (Notiz, Syrien, Irak)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 14, 2008, 12:15:05 PM
Quote[...]  "Sex zum Überleben" nennt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR das Phänomen - ein verzweifelter Versuch der Irakerinnen, nach der Gewalt in der Heimat nun der Armut im Zufluchtsland Syrien zu entkommen.

Und ihre Zahl steigt, sagt Laurens Jollens vom UNHCR. Die UN würden mit immer mehr Fällen junger Mädchen oder Frauen konfrontiert, die sich für eine Tätigkeit in einem Nachtclub entschieden haben - oder aber von ihrer Familie dazu gedrängt wurden. Die Frauen wollten und sollten so das Familieneinkommen aufbessern oder einfach ihre Kinder durchbringen, sagt Jollens. Mit der allgemeinen Verarmung der Flüchtlinge steige auch die Zahl der Frauen, die "Sex zum Überleben" verkauften.

Offiziell dürfen die 1,5 Millionen irakischen Flüchtlinge in Syrien nicht arbeiten. Wenn ihre Ersparnisse aufgebraucht sind, sind viele von ihnen auf Hilfe angewiesen. Auch wenn die meisten der Iraker der Gedanke an Prostitution abstößt - viele von ihnen müssen herbe Einschnitte verkraften: Sie teilen sich mit anderen Familien winzige Wohnungen in den Armenvierteln von Damaskus, lassen ihre Kinder arbeiten oder verheiraten ihre Töchter im Teenager-Alter.

Solch frühe Ehen seien oft nur ein Deckmantel für die Prostitution, sagt Hana Ibrahim von einer irakischen Frauenrechtsorganisation. Die Ehefrauen würden nach der Heirat mitunter schnell verkauft. Auch gebe es Übergangsehen, die zumindest in schiitischer Tradition zwar akzeptiert seien, aber immer häufiger direkt in die Prostitution führten. (Reuters)



Aus: "Syrien: Armut treibt Irakerinnen in Syrien in die Prostitution" (11. Jänner 2008)
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=3167592 (http://derstandard.at/?url=/?id=3167592)

Title: [Verschämte Armut... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 14, 2008, 12:23:53 PM
Quote[...] AHRENSBURG - Die Zahl der Arbeitnehmer in Stormarn, die von ihrer Arbeit nicht leben können und auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, hat sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. 2006 waren 1,9 Prozent der fast 76 000 sozialversichert Beschäftigten in Stormarn auf ergänzende Hartz IV-Leistungen angewiesen. 2005 lag der Anteil bei 0,8 Prozent.

Zu diesem Ergebnis kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Region Schleswig-Holstein Ost nach Auswertung der Statistik der Bundesarbeitsagentur. Der Vorsitzende Uwe Polkhaehn geht davon aus, dass die Dunkelziffer der "verschämten Armen" noch weit höher ist. Besonders betroffen seien Beschäftigte im Dienstleistungsgewerbe. Allein in der Leiharbeit sei jeder achte Beschäftigte auf staatliche Unterstützung angewiesen. Sorge bereitet dem Gewerkschafter auch das steigende Verarmungsrisiko unter kleinen Selbstständigen. In Stormarn sind bereits 116 Selbstständige Hartz IV-Empfänger. Hinzukommen 12 500 Menschen mit einem Mini-Job, von denen jeder zwölfte staatliche Hilfe benötige.

Der DGB beharrt angesichts dieser alarmierenden Zahlen auf der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes. Uwe Polkhaehn sagt: "Wir brauchen eine Lohnuntergrenze, damit Betriebe nicht länger Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen arbeiten lassen, die der Staat dann erst auf das gesellschaftliche Existenzminimum anheben muss."

afr


Aus: "DGB: Mindestlöhne gegen "verschämte Armut"" (9. Januar 2008)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2008/01/09/834828.html (http://www.abendblatt.de/daten/2008/01/09/834828.html)

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Quote[...] Die Berliner Kindernotdienste beobachten eine eklatante Zunahme der Fälle von Misshandlung oder Vernachlässigung von Kindern. Nach vorläufigen Zahlen haben die Mitarbeiter in diesem Jahr rund 2.500-mal bei Krisen interveniert und Eltern beraten oder die Kinder anderweitig untergebracht. Das ist eine erneute Steigerung um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Fälle war bereits 2006 um 85 Prozent gestiegen, berichtete am Montag die Leiterin der Berliner Kindernotdienste, Martina Hartwig. Berlin bleibt damit das härteste Pflaster für Kinder und Jugendliche in Deutschland.

Ähnlich dramatische Zahlen haben auch andere Hilfseinrichtungen registriert. Bei den Krisendiensten der Jugendämter sind Ende November in nur zwei Wochen rund 760 Anrufe wegen gefährdeter Kinder eingegangen. 127-mal nahmen Mitarbeiter der Jugendämter daraufhin Kinder aus den Familien und in Obhut, weil sie offenbar misshandelt oder vernachlässigt wurden. Dies zeigt eine Blitzumfrage in allen Bezirken, die die Friedrichshain-Kreuzberger Jugendstadträtin Monika Herrmann (Grüne) vorstellte. "Die Wachsamkeit steigt, aber auch die Zahl der Fälle", meint Herrmann.

"Das sind erschreckende Zahlen", sagt Wolfgang Penkert, Abteilungsleiter für Jugend und Familie in der Senatsverwaltung für Bildung. "Sie sind aber auch ein Zeichen dafür, dass das neue Netzwerk Kinderschutz greift." Mit diesem Netzwerk und einer Kinderschutzhotline reagierte der Senat auf den gewaltsamen Tod des 2-jährigen Kevin in Bremen 2006. Rund 650-mal wählten Nachbarn und Angehörige seit Mai die Nummer 61 00 66; in zwei Dritteln der Fälle wurde das Jugendamt eingeschaltet.

Für Martina Hartwig ist die Zunahme allerdings nicht in erster Linie auf die gutnachbarlichen Beziehungen der Berliner zurückzuführen, sondern auf die Verschärfung sozialer Probleme: "Die Belastungen für die Familien nehmen zu. Mit Armut und Arbeitslosigkeit sind viele Eltern überfordert." Auch die Vorsitzende des Berliner Kinderschutzbundes, Sabine Walther, sieht das Kindeswohl vor allem durch wachsende Armut bedroht: "Die Beiträge, die beim Arbeitslosengeld II für Kinder eingeplant sind, sind absolut zu niedrig." Es sei doch klar, dass die Verzweiflung der armen Eltern zunehme. "Damit steigt leider auch das Risiko von Misshandlung und Vernachlässigung."

Allein in Kreuzberg seien fast die Hälfte der Familien sogenannte Risikofamilien, berichtet Jugendstadträtin Herrmann - also Familien, in den die Eltern arm oder arbeitslos, allein erziehend oder drogensüchtig sind. "Wir müssen früher in diese Familien rein", sagt sie und fordert mehr Personal für präventive Hausbesuche. In Friedrichshain-Kreuzberg sei nur eine Person mit 20 Wochenstunden für den gesamten Bezirk zuständig. Für die laufenden Aufgaben fehlten im kommenden Jahr 22 Millionen Euro in den Kassen der Bezirke. "Es ist doch absurd, dass eine Jugendstadträtin um Geld für Kinderschutz betteln muss", klagt Herrmann.

Dabei hat das Abgeordnetenhaus für 2008 und 2009 erstmals wieder einen Haushalt verabschiedet, in dem die sogenannten Hilfen zur Erziehung, also Geld für Jugend- und Sozialarbeiter, nicht gekürzt, sondern sogar aufgestockt wurden. Die Jugendämter sollen ab Januar 24 zusätzliche Mitarbeiter bekommen, versprach Penkert.


Aus: "Kindeswohl: Armut schlägt brutal zurück" Von  ANNA LEHMANN (18.12.2007)
Quelle: http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/armut-schlaegt-brutal-zurueck/?src=HL&cHash=2ad2fe451d (http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/armut-schlaegt-brutal-zurueck/?src=HL&cHash=2ad2fe451d)


Title: [die Zahl aus dem Mund des Zwangsversteigerers.. (Notiz, Cleveland)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 22, 2008, 12:44:37 PM
Quote[...] Cleveland [ˈkliːvlənd] ist eine Stadt im Norden der USA im Bundesstaat Ohio, direkt am Eriesee gelegen. Es besitzt einen Hafen, durch den es nicht nur mit anderen Städten an den Großen Seen verbunden ist, sondern über den Sankt-Lorenz-Strom auch mit dem Atlantik.

[...] Einer der wichtigsten Arbeitgeber der Stadt ist die NASA, die seit 1941 ein Versuchs- und Entwicklungsgelände in Cleveland betreibt und heute 3.200 Arbeitsplätze bietet. Die Hälfte davon ist für Spezialisten wie Wissenschaftler und Ingenieure vorgesehen. Weitere wichtige Arbeitgeber sind der Hafen der Stadt und die verbliebenen Reste von Schwerindustrie, besonders von Stahlwerken, die unter anderem die Autoindustrie im – ebenfalls am Erie-See gelegenen – Detroit beliefern.

[...] Cleveland begann mit sehr geringen Bevölkerungszahlen; im Jahre 1800, 4 Jahre nach der Gründung, wurden 7 Einwohner (und eine Schnapsbrennerei) verzeichnet. Die Bevölkerungszahl stieg danach schnell an; 1802 werden bereits 76 Einwohner über 21 Jahren gezählt. Um 1830 übersteigt die Bevölkerungszahl die 1000er-Grenze; nach der Eröffnung des Erie-Kanals explodiert die Bevölkerungszahl. Schon 1840 findet sich Cleveland unter den 50 größten Städten der USA, um 1900, mit fast 400.000 Einwohnern, ist Cleveland sogar die siebtgrößte Stadt des Landes. Um 1950 hat Cleveland seine höchste Population mit mehr als 914.000 Einwohnern.

Seit diesem Höchststand ist die Einwohnerzahl Clevelands um etwa die Hälfte gesunken. Bis 1970 sank die Bevölkerungszahl auf 750.900; 1980 lag sie nur noch bei 573.800 Einwohnern. Die Volkszählung von 2000 verzeichnete 478.403 Bewohner.

Zugleich mit der sinkenden Einwohnerzahl steigt der Anteil der farbigen Bevölkerung der Stadt: während er 1980 bei 41% lag verzeichnet die Zählung von 2000 einen Anteil von 51% Farbigen an der Stadtbevölkerung. Ursache ist die überproportionale Abwanderung weißer Familien, nicht der absolute Anstieg der schwarzen Bevölkerung.

Ursache des starken Bevölkerungsschwunds ist der Niedergang der Schwerindustrie und des Hafens (siehe Absatz Wirtschaft). Seit Anfang der 90er Jahre haben Strukturmaßnahmen und große Anstrengungen der Stadt den Verfall abschwächen, aber noch nicht rückgängig machen können.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Cleveland (http://de.wikipedia.org/wiki/Cleveland) (01/2008)


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Quote[...] Es gibt Tage, da ist Clevelands Zwangsversteigerer seines Jobs müde. Dann klingt seine Stimme nur noch gelangweilt. Mehr als 7000 Häuser kamen in Cleveland allein im letzten Jahr unter den Hammer. ''242.432 Dollar 42 Cent - noch jemand?'' Nein, da ist kein anderer Bieter. Natürlich nicht - bei dieser wöchentlichen Häuserflut! Wo sollen in Cleveland noch Käufer herkommen, die auch nur annäherend in der Lage wären, einen fairen Preis zu zahlen?

''Mobiltelefone aus und bitte einen bankbestätigten Scheck über zehn Prozent der gebotenen Summe bereithalten'', leiert unterdessen ein anderer Auktionator die Versteigerungs-Spielregeln herunter. Gespenstische Stille herrscht im Saal, in dem sich ein paar hartgesottene Profi-Käufer verlieren. Sie sind seit Beginn der Hypohekenkrise in allen US-Bundesstaaten unterwegs. Vor allem in Cleveland, der Stadt im Bundesstaat Ohio, in der besonders viele Menschen auf die hochspekulativen Lockangebote der Banken hereinfielen.

Auch wenn Millionen Hausbesitzer über Nacht zu Bettlern wurden, so sei das trotzdem kein Geschäft für schwache Nerven, meint Immobilienspezialist Tom Jakobs. ''Man braucht den richtigen Riecher - und genügend Bargeld in der Tasche, um das hier zu machen'', sagt er.

Man müsse was von der Sache verstehen, betont auch Immobilienmakler Richard Gregory. Denn was man hier im Cleveland der verlassenen Häuser kaufe, das werde man unter Umständen nie wieder los, sagt er. Aber immer locke das ultimative Schnäppchen. Das gute Geschäft mit dem Elend derer, die in den Kreditschulden ertrinken. Das Leben sei nun mal ungerecht. ''Natürlich mache ich hier Geld mit dem reihenweisen Bankrott der Leute. Es gibt im Leben eben Menschen, die nur das Unglück sehen. Und dann gibt es die, die das Unglück als Chance begreifen.''

Cleveland ist ein Eldorado für Immobilien-Spekulanten - und ein Horror für die Bewohner. Seitdem zehntausend Häuser leerstehen, verkommen ganze Stadtteile zu Geistervierteln. Die Mordrate in Cleveland hat mittlerweile ein Rekordniveau erreicht. So schlimm war es seit 18 Jahren nicht mehr. Die verlassenen Häuser ziehen Plünderer magisch an. Nichts und niemand ist vor ihnen sicher.

''Sehen Sie sich diese völlig geplünderte Straße an'', sagt Tony Brancatelli. 20 Jahre hat er für die Stadtentwicklung von Cleveland gearbeitet, Parks angelegt und Nachbarschaftszentren aufgebaut. Doch jetzt ist alles zerstört. ''Sie haben alle Kabel herausgerissen und jedes noch so winzige Stück Metall geplündert.''

Die 53. Straße Ost in Cleveland war früher eine gute Adresse; jetzt ist sie ein Slum. Natürlich hätten die Menschen hier ahnen können, dass die Kreditangebote der Banken nichts Anderes waren als ein vergifteter Köder. Sie hätten ahnen können, dass die Kreditzinsen jederzeit in die Höhe schnellen konnten - und die Preise der Häuser rapide fallen. Aber das sei nicht der Punkt, sagt Clevelands Bürgermeister Frank Jackson. Entscheidend sei, dass Banker wie profitgierige Drogendealer agiert und die Kunden gezielt süchtig gemacht hätten, süchtig nach scheinbar billigem Geld.

''Das Geld war einfach zu gut, die Kredite mörderisch billig, und die Folgen ihres Handelns waren den Banken völlig egal'', sagt Jackson. Im skrupellosen Mafiastil hätten die Banken Millionen von Kunden und deren Heimatstädte ins Unglück gestürzt, wettert der Bürgermeister. Dagegen will er nun angehen. Auf hunderte Millionen Dollar Schadenersatz hat die Stadt Cleveland insgesamt 21 Kreditinstitute verklagt - darunter auch die Deutsche Bank. Allein deren Tochter Deutsche Bank Trust soll laut Klageschrift für mehr als 7000 Zwangsversteigerungen im Bezirk Cleveland verantwortlich sein. Und wo Häuser zwangsversteigert werden, verebbt der Geldstrom in die kommunalen Kassen.

Eine Stadt wie Cleveland hängt am Tropf der Eigenheimsteuer. Die Immobiliensteuer sei das Lebenselixier für eine funktionierende Stadt, erklärt Finanzexperte Christopher Hoene von der US-Städtevereinigung immer wieder bei seinen Cleveland-Besuchen. ''Alle Städte leben letztlich von der Eigenheimsteuer. Und deren Höhe hängt nun einmal vom Wert der Häuser ab'', sagt er. Der Bankrott der Hausbesitzer bedeutet also langfristig den Bankrott einer ganzen Stadt. ''Alle Sozialleistungen der Stadt stehen dann in Frage'', so Hoene.

Eine massive ''Störung der öffentlichen Ordnung'' wirft Clevelands Stadtverwaltung deshalb den Banken in der Klageschrift vor. Bürgermeister Jackson ist sich nicht sicher, wie hoch die Erfolgsaussichten auf einen Schadenersatz für seine geschundene Stadt sind. Aber wenigstens den Versuch sei er den Menschen schuldig gewesen, so Jackson. ''Ich sehe in die Gesichter von Menschen, deren Leben und deren Stadtteil von den Banken für immer ruiniert wurden. Und jetzt werden diese Banken zur Verantwortung gezogen'', verspricht er. Für viele Menschen in Cleveland zählt im Moment allerdings nur eins: die Zahl aus dem Mund des Zwangsversteigerers.



Aus: "Stadtverwaltungen klagen gegen Banken - US-Hypothekenkrise ruiniert ganze Städte" Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkkorrespondent Washington (20.01.2008)
Quelle: http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=3069402/z7h8s8/ (http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=3069402/z7h8s8/)

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Quote[...] Die Beschäftigungskrise besteht schon seit einiger Zeit: Wer in den Jahren 2001 bis 2003 arbeitslos wurde, musste im nächsten Job laut einer Studie im Durchschnitt mit einem um 17 Prozent verringerten Einkommen rechnen, mehr als zweimal soviel wie noch Ende der neunziger Jahre.

"Wenn Menschen heutzutage ihren Job verlieren, fällt es ihnen sehr schwer, wieder etwas Gleichwertiges zu finden", sagt Arbeitsmarktexperte Andrew Stettner vom National Employment Law Project, einer Lobbyistengruppe, die sich für höhere Arbeitslosengelder einsetzt.

Die US-Wirtschaft erholte sich nach der Rezession aus dem Jahr 2001 zwar mit starken Umsätzen, niedriger Inflationsrate und Rekord-Produktionszahlen, doch an den Arbeitern ging die positive Entwicklung vorbei. Die Reallöhne bleiben meist niedrig, die Armut stieg, und eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Menschen hatte Schwierigkeiten, Arbeit zu finden.

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Aus: "ARBEITSLOSIGKEIT: Jobkrise erreicht US-Mittelschicht" (21. Januar 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,530022,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,530022,00.html)

Title: [Port-au-Prince - Es ist Mittagszeit... (Notiz, Haiti)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 31, 2008, 10:48:16 AM
Quote[...] Port-au-Prince - Es ist Mittagszeit, im Slum in Haiti, und Charlene Dumas isst Dreck. Die Lebensmittelpreise steigen, und die Ärmsten der Armen können sich noch nicht einmal eine tägliche Portion Reis leisten und versuchen verzweifelt, ihren Bauch zu füllen.

Charlene, 16, Mutter eines einen Monat alten Jungen, setzt auf ein bewährtes Mittel gegen die Schmerzen, die der Hunger verursacht: Dreckkekse, geformt aus dem gelben Lehm der Hochebene ihres Landes. Der Dreck soll die Magensäure binden, schon lange gilt er als Heilmittel für Kinder und Schwangere - und als Kalziumquelle.

Aber an Orten wie Cite Soleil, dem Slum, in dem Charlene sich zwei Zimmer mit ihrem Sohn, ihren fünf Geschwistern und arbeitslosen Eltern teilt, sind die Kekse aus Dreck, Salz und Pflanzenfett eine regelmäßige Mahlzeit geworden. "Wenn meine Mutter nichts anderes kocht, muss ich sie dreimal täglich essen", sagt Charlene. Während sie das sagt, liegt ihr Sohn Woodson ruhig auf ihrem Schoß. Er hat abgenommen seit seiner Geburt.

[...] Die Behörde für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (Uno) macht sich zunehmend Sorgen wegen der steigenden Lebensmittelkosten auf einigen Inseln der Karibik. Im vergangenen Jahr hat ein Hurrikan zu Überflutungen geführt und die Ernte vernichtet. Die Preise sind darauf um rund 40 Prozent gestiegen. Die Uno hat den Ausnahmezustand für Haiti und einige andere Länder verhängt. Die Regierungschefs der Inselstaaten haben bei einem Treffen im Dezember darüber beraten, die Steuern für Lebensmittel zu senken und große landwirtschaftliche Betriebe aufzubauen, um die Länder weniger abhängig von Importen zu machen.

Auf den Märkten in den Slums kosten zwei Tassen Reis inzwischen 60 US-Cent. Im Dezember waren es noch 50 Cent, vor einem Jahr nur halb so viel. Auch für Bohnen, Milch und Obst müssen die Menschen mehr bezahlen. Und sogar der essbare Lehm ist teurer geworden - im vergangenen Jahr um rund einen Euro. Die Zutaten für 100 Kekse kosten im Moment rund 3,40 Euro, sagen die, die sie backen und auf den Märkten in den Slums verkaufen.

[...] Für ein Plätzchen muss man rund fünf US-Cent bezahlen - ein Schnäppchen im Vergleich zu den anderen Lebensmitteln. Die Händler verladen den Lehm und bringen ihn auf die Märkte, auf denen Fliegenschwärme ihre Runden über Fleisch und Gemüse ziehen.

Die Frauen kaufen den Dreck und verarbeiten ihn dann in den Slums weiter zu Keksen. In Fort Dimanche tragen sie Lehm und Wasser in Körben auf das Dach des früheren Gefängnisses, das der Stadt einst ihren Namen gegeben hat. Dort sieben sie Steine und andere Klumpen aus und vermischen den Lehm mit Fett und Salz.

Dann formen sie den Teig und lassen ihn in der sengenden Sonne backen. Das fertige Gebäck wird in Körben zurück zu den Märkten gebracht oder direkt auf der Straße verkauft. Die Kekse ziehen alle Feuchtigkeit aus dem Mund, sobald sie die Zunge berühren. Der erdige Geschmack bleibt für Stunden im Mund. Ob der Dreck tatsächlich förderlich für die Gesundheit ist, ist umstritten.

Im Schlamm können Parasiten und Giftstoffe sein - aber er kann auch das Immunsystem von Ungeborenen stärken, sagt Professor Gerald N. Callahan von der Colorado State University. Callahan hat sich auf die Erforschung der Geophagie, der Sitte, Erde zu essen, spezialisiert. Ärzte in Haiti befürchten, dass eine ausschließliche Ernährung durch die Kekse zu einer Mangelernährung führen kann. "Glauben Sie mir, wenn ich jemanden sehe, der diese Kekse isst, werde ich ihm davon abraten", sagt Gabriel Thimothee vom haitischen Gesundheitsministerium.

Marie Noel, 40, verkauft das Gebäck auf einem Markt, um sich und ihre sieben Kinder zu ernähren. "Ich hoffe, dass wir eines Tages genug zu Essen haben werden, so dass wir damit aufhören können, den Schmutz zu essen", sagt sie. "Ich weiß, dass der Dreck nicht gut für uns ist."


Aus: "VERZWEIFLUNG IN HAITI: Die Menschen essen Dreck" Jonathan M. Katz, AP (29. Januar 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,531816,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,531816,00.html)

Title: [Die größte Armut, die wir sehen, ist tatsächlich die emotionale... (Notz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 05, 2008, 11:13:30 AM
Quote[...] tagesschau.de: Frau Müller, Sie arbeiten als Sozialpädagogin in der "Arche". Hat sich die Situation für Kinder in den letzten Jahren verschlechtert?

Mirjam Müller: Ja. Immer mehr Kinder, Jugendliche, aber auch ganze Familien kommen regelmäßig zum Essen zu uns. Wir geben mittlerweile allein in Hellersdorf täglich mehr als 500 Essen aus. Seit der Einführung von Hartz IV suchen die Menschen nach mehr Hilfe, nach mehr Halt.

tagesschau.de: Woran erkennt man die neue Kinderarmut?

Müller: Teilweise tragen die Kinder kaputte Schuhe, schlechte Kleidung oder Kleidung, die nicht den Wetterverhältnissen angemessen ist. Und sie haben Hunger. Es gibt Kinder, die stecken überall Essen ein, um vorzusorgen, weil sie nicht wissen, ob es zu Hause ausreicht.

tagesschau.de: Laut einer Unicef-Studie leiden Kinder in Deutschland nicht nur materielle, sondern auch emotionale Not...

Müller: Die größte Armut, die wir sehen, ist tatsächlich die emotionale. Viele Kinder fühlen sich alleine gelassen und haben keine Bezugsperson. Sie kommen auch deshalb zum Essen zu uns, weil sie mit Menschen am Tisch sitzen wollen, die ihnen zuhören. In vielen Familien wird gar nicht mehr gesprochen. Da sitzt dann jedes Kind in seinem Zimmer mit dem Fernseher und isst sein eigenes Abendbrot. Oder Kinder müssen - wie im Fall von Dominik - in die Verantwortungsrolle eines Erwachsenen schlüpfen, weil die Eltern nicht genug Kraft haben.

Schult: Dominik ist mit seinen acht Jahre für seine Mutter der Ansprechpartner, was die Lebensplanung angeht. Und jemand, mit dem sie ihren Alltag gemeinsam bewältigt. Als Kind wünscht man sich wohl manchmal auch eine andere Art der Aufmerksamkeit.

tagesschau.de: Woher kommt diese Kraftlosigkeit dieser Eltern?

Schult: Das hat sicher etwas mit der beruflichen Perspektivlosigkeit zu tun. Zugleich findet ein ganz starker Rückzug in die eigenen vier Wände statt - viele sitzen den ganzen Tag vor der Glotze. Die Menschen tauschen sich nicht mehr untereinander aus und verlieren so den Anschluss an die Außenwelt.

Müller: Diese Perspektivlosigkeit ist in Hellersdorf extrem ausgeprägt. Dort sagen schon Jungendliche mit 17 Jahren oder jünger: 'Wir wollen nicht mehr, wir haben keine Lust mehr aufs Leben.' Sie haben schon von klein auf wenig Bildung mitbekommen, brechen die Schule ab oder werden zu früh schwanger und haben dadurch keine Ausbildung. Sie kennen nur das Milieu um sich herum – das ist fast schon eine Art Ghetto. Und dort herrscht ganz viel Hoffnungslosigkeit.

Schult: Im Fall von Dominiks Mutter ist das auch nicht ganz unberechtigt: Sie hat vier Kinder von zwei Männern, die sich von ihr getrennt haben. Sie hat keine Ausbildung, also beruflich kaum eine Perspektive, keinen großen Freundeskreis, der sie auffangen könnte. Sie versucht zwar, ihre Rolle als Mutter auszufüllen und ihre Kinder so gut es geht großzuziehen. Aber ihr eigenes Leben ist für sie abgeschlossen.

tagesschau.de: Welche Rolle spielen die abwesenden Väter?

Müller: Eine große. Ich hatte vor ein paar Tagen eine Unterhaltung mit einem Kind. Es sagte: 'Mein Papa ist entweder Steven oder Marcel oder ich weiß auch nicht. Aber irgendjemand muss doch mein Papa sein.' Wir haben viele Jungs, die total verweichlicht sind, weil sie keine männliche Bezugsperson haben, an denen sich sich messen können.

Schult: Als ich Dominik gefragt habe, was sein größter Wunsch ist, hat er gesagt: 'Dass Papa zurückkommt.'

tagesschau.de: Wenn die Eltern überfordert sind, wer muss dann einspringen? Schulen, Jugendämter?

Schult: Die Schulen sind mit der Aufgabe der Erziehung überfordert. Es ist ja schon anstrengend genug, einen Haufen eher unaufmerksamer Kinder zu unterrichten. Sie können nicht all das übernehmen, was die Eltern nicht schaffen. Und selbst wenn, dann kommen die Kinder nach Hause und erleben dort das Gegenteil, was ihnen in der Schule beigebracht worden ist.

Müller: Viele engagierte Lehrer stoßen einfach auch an ihre Grenzen: Wenn Du mehr mit dem Jugendamt zu tun hast als mit dem Schulbuch, dann ist das einfach nur traurig. Und auch die zuständigen Jugendamtmitarbeiter haben zum Teil 100 Fälle oder mehr gleichzeitig. Natürlich können sie niemals das einzelne Kind im Blick behalten.

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Aus: "Berlinale-Film "Zirkus is nich" über Kinderarmut - "Die größte Armut ist die emotionale"" (04.02.2008)
Astrid Schult, 1979 in Hessen geboren, studiert Dokumentarfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Für ihren Film "Zirkus is nich" hat sie sechs Wochen lang den achtjährigen Dominik begleitet, der mit seiner allein erziehenden Mutter und zwei kleineren Geschwistern in einer Plattenbausiedlung in Berlin-Hellersdorf lebt. Die Mutter ist mit der Erziehung überfordert und überträgt einen großen Teil der Verantwortung auf Dominik. Der einzige Ort, an dem auch er einmal Kind sein darf, ist das Kinderzentrum "Arche".
Quelle: http://www.tagesschau.de/kultur/meldung58762.html (http://www.tagesschau.de/kultur/meldung58762.html)

Title: [Die Lissabon-Strategie... (BRD, EU, Niedriglohnsektor)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 17, 2008, 03:26:25 PM
Quote[...] Die Lissabon-Strategie (auch Lissabon-Prozess oder Lissabon-Agenda) ist ein auf einem Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im März 2000 in Lissabon verabschiedetes Programm, das zum Ziel hat, die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

Mit dieser Strategie will die EU ,,im Rahmen des globalen Ziels der nachhaltigen Entwicklung ein Vorbild für den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt in der Welt sein".

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http://de.wikipedia.org/wiki/Lissabon-Strategie (http://de.wikipedia.org/wiki/Lissabon-Strategie) (16. Februar 2008)




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Quote[...] Sechs Millionen Deutsche arbeiten nach Darstellung des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) für einen Bruttolohn von maximal sechs Euro pro Stunde. «Der Exportweltmeister Deutschland ist eines der Länder, das besonders stark vom Problem der Armutslöhne betroffen ist», sagte EGB-Experte Ronald Janssen am Mittwoch in Brüssel.

Demnach bekämen in West-Deutschland Niedriglohn-Arbeiter 6,86 Euro pro Stunde, im Osten 4,86 Euro. Der mittlere Stundenlohn eines Industriearbeiters liege mit rund 25 Euro viel höher. Der deutsche Niedriglohnsektor umfasse 22 Prozent aller Beschäftigten. Das sei ein Rekord auf dem Kontinent und ähnlich hoch wie die 25 Prozent Niedriglohn-Arbeiter in Großbritannien und den USA.

Auch Zeitverträge und unfreiwillige Teilzeitjobs bereiteten zunehmend Probleme: «Für viele Frauen ist Teilzeit die einzige Möglichkeit, überhaupt eine Arbeit zu finden», sagte der EGB-Fachmann Walter Cerfeda. Zudem hätten EU-weit 32 Millionen Beschäftigte nur einen befristeten Vertrag, 10 Millionen mehr als 1997. Die Zahl der Scheinselbstständigen sei seit dem Jahr 2000 von 20 auf 29 Millionen gestiegen. Der EGB forderte europäische Schutzklauseln.

Der EGB forderte vor diesem Hintergrund die EU-Staats- und Regierungschefs auf, bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung in Europa zu korrigieren. Zwar seien in den vergangenen zwei Jahren rund 6,5 Millionen neue Jobs entstanden, es handele sich aber vielfach um «prekäre» Arbeitsverhältnisse, sagte EGB-Generalsekretär John Monks. Drei Viertel aller neuen Arbeitsverträge in Frankreich seien zeitlich befristet. In Spanien hätten sechs Millionen Beschäftigte nur Zeitverträge. Fast drei Millionen Scheinselbstständige in Italien hätten nur einen Auftraggeber. In Großbritannien bekomme jeder dritte Arbeitnehmer keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

EU-weit ist die Zahl schlecht bezahlter und unsicherer Arbeitsverhältnisse nach EGB-Angaben in den vergangenen zehn Jahren drastisch gestiegen. «Wenn sich das fortsetzt, wird der Widerstand gegen Europa wachsen», warnte Monks. 17 Millionen Arbeitnehmer in der Europäischen Union lebten bereits in Armut, 31 Millionen arbeiteten für Hungerlöhne. Die EU tue nicht genug, um die Lage zu verbessern.

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament, Martin Schulz (SPD), forderte den EU-Gipfel ebenfalls zum Umsteuern auf. «Die soziale Sicherheit ist vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt worden», sagte Schulz laut einer Mitteilung seiner Fraktion. Die Löhne hinkten hinter den Gewinnen der Unternehmen her. Deshalb müsse die EU ihre politischen Leitlinien ändern.

Die konservative EVP-Fraktion rief hingegen zum Festhalten an der sogenannten Lissabon-Strategie auf. Die darin festgelegte EU-Politik gebe «eine angemessene Antwort» auf die Herausforderung der Globalisierung, des demografischen Wandels und der Klimaveränderung. Die Europäer sollten für ihr Sozialmodell werben, sagte der EVP- Fraktionschef Joseph Daul in Straßburg. (dpa/AP)




Aus: "Negatives Beispiel in der EU: Jeder fünfte Deutsche arbeitet für Armutslohn" (12.03.2008)
Quelle: http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/933338.html (http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/933338.html)

Title: [Statistische Arbeitslosigkeit ... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 25, 2008, 01:47:52 PM
Quote[...] Rund 3,2 Millionen Personen, die derzeit Arbeitslosengeld beziehen, tauchen in der Arbeitslosenstatistik gar nicht auf, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Das Blatt zitiert eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag. Ihr zufolge werden ein Viertel der Bezieher von Arbeitslosengeld I, nämlich 286.000 Personen, sowie mehr als die Hälfte aller Empfänger von Arbeitslosengeld II, das sind 2,86 Millionen, nicht als arbeitslos verzeichnet.

Der Grund: In der Statistik der Bundesagentur für Arbeit würden nur Personen als arbeitslos gezählt, die bestimmte Kriterien erfüllten. Sie müssten sich arbeitslos gemeldet haben, ohne Beschäftigung sein oder weniger als 15 Stunden in der Woche arbeiten, Arbeit suchen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Rund 220.000 Empfänger von Arbeitslosengeld I tauchten im vergangenen Jahr nicht in der Statistik auf, weil sie von der sogenannten "58er-Regelung" profitierten. Diese lief Ende 2007 jedoch aus. Sie sah vor, dass Arbeitnehmer, die nach dem 58. Lebensjahr arbeitslos wurden, ebenfalls Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum Rentenbeginn hatten. Voraussetzung war, dass sie dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen.

Rund 66.000 Menschen fehlten in der Statistik, weil sie an Trainingsmaßnahmen der Bundesagentur teilnahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren oder aber wegen verminderter Leistungsfähigkeit nicht arbeiten konnten. Rechne man beide Gruppen zusammen, komme man auf rund 286.000.

Noch extremer sei die Lage beim Arbeitslosengeld II, berichtet das Blatt. So seien 2007 im Durchschnitt rund 5,3 Millionen Personen als "erwerbsfähige Hilfesuchende" registriert gewesen. Davon seien aber 54 Prozent nicht als arbeitslos geführt worden. Nach Angaben der Bundesregierung gehörten hierzu Personen, deren Einkommen nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt zu sichern (sogenannte Aufstocker). Des Weiteren fielen unter diese Gruppe Menschen, die etwa an Arbeitsförderungs-Maßnahmen teilnehmen und deshalb aus der Statistik herausfallen.

Die FDP warf der Bundesregierung angesichts der Zahlen Selbstbetrug vor. "Die Arbeitslosenstatistik sagt nur die halbe Wahrheit", sagte die FDP-Abgeordnete Claudia Winterstein der FAZ. Die Regierung verweise stolz auf sinkende Arbeitslosenzahlen. ,,Wer aber nur die statistische Arbeitslosigkeit betrachtet, schönt die Bilanz und betrügt sich selbst. 2007 gab es offiziell 3,77 Millionen Arbeitslose, aber 6,34 Millionen Leistungsbezieher."

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Aus: "Geschönte Statistik?" (ZEIT online, 12.3.2008)
Quelle: http://www.zeit.de/online/2008/11/meldung-arbeitslose (http://www.zeit.de/online/2008/11/meldung-arbeitslose)

Title: [Gentrification... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 03, 2008, 01:45:28 PM
Quote[...] "Bei Neuvermietungen sind die Wohnungspreise schon mit Blankenese und Nienstedten vergleichbar", sagt Steffen Jörg vom Verein Gemeinwesenarbeit St.-Pauli-Süd. Der oft benutzte Begriff der "Aufwertung" würde darüber hinwegtäuschen, dass ärmere Menschen, Migranten und subkulturelle Szenen, die teils seit Jahrzehnten auf St. Pauli leben, verstärkt verdrängt würden.

Um sich gegen die Veredelung ihrer Nachbarschaft und den daraus entstehenden Druck zu wehren, haben sich nun knapp 20 Initiativen und Klubs zum "Aktions-Netzwerk gegen Gentrification" zusammengeschlossen - darunter Aktive aus der Hafenstraße, das Projekt "Tuntengala", der Fanladen St. Pauli und die St.-Pauli-Kirche. Doch trotz der Wut, die bei der Präsentation im Golden Pudel Klub am Fischmarkt gestern spürbar war, wählt das Bündnis lieber Information und Humor als Demonstrationsmittel. Unter dem Motto "Es regnet Kaviar" will das Netzwerk nun dagegen protestieren, dass die Stadt den Kiez "als Unternehmen versteht, das auf reine Profitmaximierung ausgerichtet ist".

Das Anwohnerprojekt Park Fiction lädt für Freitag um 20 Uhr in die Ganztagsschule St. Pauli, um in Kurzbeiträgen das Thema Gentrification zu klären. Unternehmensberater Armin Chodzinski referiert unter dem Titel "In 20 Jahren mach ich dir aus Bielefeld Manhattan" über Stadtentwicklung und Image, "Hinz & Kunzt"-Chefredakteurin Birgit Müller kommentiert die Kriminalisierung von Armut ("Saufen dürfen bald nur noch die Reichen"). Am Sonnabend startet um 12 Uhr ein Straßenfest mit Spielen für Kinder, Musik und St.-Pauli-Rundgängen. Zudem bitten ab 13 Uhr DJs zum Rave von der Sternschanze zur Hafenstraße.

Und wer ganz privat etwas gegen die "Aufwertung" seines Viertels tun möchte, dem bietet das Netzwerk das "Abwertungskit" zum Download im Internet an. Eine Art Bastelbogen mit Utensilien, die die eigene Wohnung in den Augen von Immobilienverwaltern schäbiger aussehen und somit die Mieten sinken lassen. Im Angebot: Imitationen zerbrochener Fenster und Unterhemden, die zum Trocknen aus dem Fenster zu hängen sind.

www.esregnetkaviar.de
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Aus: "Bunter Protest gegen "Veredelung" von St. Pauli" (erschienen am 2. April 2008)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2008/04/02/864499.html (http://www.abendblatt.de/daten/2008/04/02/864499.html)

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Quote[...] Clemm hatte an die taz die Information lanciert, dass aus den Ermittlungsakten, die sie am Dienstag erstmals einsehen durfte, hervorgehe, dass das Verfahren gegen den Berliner Soziologen auf eine "Internetrecherche des Bundeskriminalamtes mit Hilfe des Suchportals Google" zurückgehe. Danach suchte das BKA "nach bestimmten Stichworten, die auch die 'militante gruppe' in ihren Bekennerschreiben benutzt." Nach Angaben der Anwältin befinden sich auch "Begriffe wie 'Gentrification' oder 'Prekarisierung' darunter.

[...]


Aus: ""Gentrification" und "Prekarisierung"" Peter Mühlbauer (TP, 23.08.2007)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26021/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26021/1.html)

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Quote[...] Die Gentrifizierung (von engl. Gentry: niederer Adel), teils auch: Gentrifikation (von engl. Gentrification), ist ein in der Stadtgeographie angewandter Begriff, der einen sozialen Umstrukturierungsprozess eines Stadtteiles beschreibt. Dabei handelt es sich um Veredelung des Wohnumfelds sowohl durch Veränderung der Bevölkerung, wie in aller Regel auch durch Restaurierungs- und Umbautätigkeit.

Der Prozess der Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete (Gentrification) ist nun schon seit einigen Jahren eines der dominierenden Themen der Stadtsoziologie. Die Erforschung des Phänomens begann in Nordamerika. Zu unterscheiden ist die eigentliche Gentrifizierung, bei der bis dahin nicht hochwertige Stadtgebiete aufgewertet werden (bekannte Beispiele sind SoHo oder der Meatpacking District in Manhattan: bis in die 1980er bzw. 1990er Jahre hinein durch Gewerbe geprägte Stadtviertel) von der Wiederaufwertung ehemals wohlhabender Viertel. Dabei werden Viertel, die v. a. in Mitteleuropa häufig in den Nachkriegswirren ihre angestammte Bevölkerung verloren und verarmten, wieder von der ursprünglichen oder einer ähnlichen Nutzerschicht ,,rückbesiedelt".

Gentrifizierungsprozesse laufen häufig nach typischen Mustern ab: Wegen der niedrigen Mietpreise werden die Stadtteile für ,,Pioniere" (Studenten, Künstler, Subkultur etc.) attraktiv. Diese werten in einem ersten Schritt die Stadtteile auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. Viele Studenten steigen in das Berufsleben ein, verdienen deutlich mehr Geld als die ansässigen Bewohner; manche Künstler etablieren sich und bringen weiter Kapital in die Stadtteile. Investoren sehen Chancen zur Wertsteigerung. Erste Häuser und Wohnungen werden restauriert, Szene-Clubs und Kneipen entstehen. Die Mieten steigen. Alteingesessene werden u. a. durch Mieterhöhungen vertrieben. Neu Eingewanderte, Studenten oder Künstler können sich die höheren Mietpreise oft nicht leisten und siedeln sich in anderen Stadtteilen an. Eine neue, wohlhabendere Klientel siedelt sich an und setzt oft andere Lebensstandards durch. Immobilienunternehmen entdecken das Interesse und sanieren weitere Häuser luxuriös. Die ursprüngliche Bevölkerungsstruktur und der Charakter der Viertel wandeln sich. Die Gentrifizierung geht einher mit einem allgemeinen Segregationsprozess.

[...]


Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Gentrifizierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Gentrifizierung) (28. Februar 2008)

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Quote[...] Auf lange Sicht ist Gentrifizierung immer ein Prozess, bei dem eine Gruppe verliert und die andere gewinnt. Wenn ein Viertel erst einmal mit Clubs, Styleshops, Literaturcafés und Galerien versorgt ist, kommen die Besserverdienenden; Menschen, die bereit sind, viel Geld dafür zu bezahlen, ihre hippen Designermöbel auch im gerade hippsten Viertel der Stadt ausstellen zu können.

Die Mieten steigen, die angestammte Klientel kann sich das Leben im Viertel nicht mehr leisten. Erst kürzlich haben mehrere Hamburger Stadtteilinitiativen die Folgen der Gentrifizierung beklagt: Die Politik müsse endlich dafür sorgen, dass die zentrumsnahen Viertel nicht alle zu teuren "Latte macchiato"-Kiezen mutierten. Der Ruf verhallte ungehört.

Als vermeldet wurde, dass der Migrantenanteil wegen des studentischen Zuzugs gesunken sei, bezeichnete die CDU die Elbinsel als neues "In-Viertel". Eine krude Logik, nach der in ist, wo Ausländer und Arme out sind.

[...]


Aus: "CLASH DER KULTUREN: Jungakademiker erobern Problemviertel" Von Guido Kleinhubbert ( 03. April 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,536106,00.html (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,536106,00.html)

Title: [Zur Hartz-IV-Reform... (Notizen, Hartz-IV, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 06, 2008, 01:23:27 PM
Quote[...] Am Anfang stand der Traum: Die alte Sozialhilfe ist tot. Es lebe Hartz IV. Schluss mit dem ewigen Gezerre um Wintermäntel und Windelkisten, Schulranzen und Sommersandalen, das Genörgel und Geprüfe und Gestreite. Pauschal sollte es sein, damit gerecht, damit einfach, damit schnell. Die Hoffnung auf das Prinzip Bierdeckel schimmerte durch. Jeder kriegt 347 Euro, plus Miete plus Heizung. Was er damit macht: sein Bier. Nix Geld für neue Regalwand? Jeden Monat zwei Euro zurücklegen. Waschmaschine kaputt? Pech. Sparen oder mit der Hand waschen. Deutschland sollte ein anderes Land werden, voller mündiger Bürger, die selbst wissen, wofür sie ihr Geld am besten ausgeben. Und in der Zeit und mit dem Geld, die mit diesem genialen System eingespart werden, kann der Berater den Arbeitslosen, der jetzt Kunde heißt, ausführlich beraten und fordern und fördern.

[...] Schon im ersten Jahr 2005 stiegen die Kosten allein für das Arbeitslosengeld II von erwarteten 14,6 Milliarden auf tatsächliche 25,6 Milliarden - es gab einfach viel mehr Berechtigte als angenommen. Auch im Jahr 2007 waren die angesetzten 21,4 Milliarden noch zu wenig. Also fing man an nachzuhaken: Wenn einer mit Strom seinen Boiler heizt und das Amt die Kosten für Miete und Energie trägt und wenn der Strom nicht nur zum Heizen benutzt wird, sondern auch zum Duschen, und wenn das Geld zum Duschen ja schon im Grundbedarf enthalten ist: Dann kriegt der das Geld zum Duschen ja zweimal. Das ist doch total ungerecht. Also zieht man die Warmwasserpauschale wieder ab. Klarer Fall.

Jetzt müsste das Amt jedem Hartz-IVEmpfänger hinterherrennen und prüfen, ob die Energie, die zur Herstellung von warmem Wasser benötigt wird, in den Betriebskosten bereits enthalten ist oder nicht. Die Arbeit macht sich das Jobcenter oft nicht und zieht meist erst mal ab. Wenn der "Kunde" das erstens merkt, zweitens versteht, drittens in der Lage ist, einen Widerspruch einzulegen, und viertens das auch noch fristgerecht, wird aus dem Duschgeld ein Fall fürs Gericht.

Abertausende solcher Prozesse sind inzwischen in ganz Deutschland geführt worden. Abertausendmal 6,53 Euro ist schließlich auch Geld. Und das Geld für die Richter und die Verwaltungsangestellten und für das ganze sinnlos beschriebene Papier, Geld, für das Patrick McGowan bis an sein Lebensende hätte duschen können, kommt ja aus einem anderen Topf. Apropos Topf: Das Gleiche gilt fürs Gas und die Herdplatte: Gas zum Kochen muss aus dem Grundbedarf bezahlt werden, nicht aber Gas zum Heizen. Und das ist erst der Anfang. Trefflich wird gestritten, inzwischen bis zum Bundessozialgericht, ob nicht einer, der ins rankenhaus muss und dort am Abend ein Wurstbrot isst, dieses Wurstbrot abgezogen bekommen muss vom Hartz-IV-Geld. Ob also das Wurstbrot als geldwerter Vorteil zu betrachten ist und damit als Einkommen. Ob, wenn dies Einkommen ist, nicht einkommensbedingte Werbungskosten und Versicherungspauschalen anteilig wieder geltend gemacht werden können. All das, wie gesagt, umgerechnet auf ein Wurstbrot.

Aber was, wenn der Kranke das Wurstbrot gar nicht isst, stattdessen am Imbiss eine Erbsensuppe? Oder gar nichts? Auch mit dieser Frage lassen sich Tausende Aktenbände füllen. Einzelfälle über Einzelfälle. Und keine Grundsatzentscheidungen weit und breit. Das Gesetz drückt sich um klare Worte, es redet von "angemessenem" Wohnraum und "zumutbarer" Arbeit und von "umfassender" Unterstützung. Fragt man, was das ist, heißt es: Das kommt drauf an. Fragt man, worauf, erntet man zumeist nur Schulterzucken. Aus dem Kunden wird der Kläger, aus denen, die eigentlich helfen sollen, wird der Feind.

Jeden Monat gibt es deswegen mehr Klagen. Mehr Akten, mehr Bescheide, mehr Widersprüche, mehr Abweisungen, mehr Richter, mehr Kosten, mehr Zeitaufwand. Und weniger Zufriedenheit auf allen Seiten. Im Jahr 2005 gab es allein in Berlin 6950 Verfahren, im Jahr 2007 schon 18.336, von denen immerhin 13.600 abgearbeitet wurden. Trotzdem warten noch rund 11.000 Verfahren aus den Vorjahren. Immer mehr Richter erledigen immer mehr Fälle, trotzdem bleibt immer mehr liegen. Hartz IV ist ein gefräßiges Bürokratiemonster geworden, das alle Ressourcen aufsaugt und trotzdem niemals satt ist.

Und der Kampf gegen das Monster frisst die Zeit, die die Jobcenter aufwenden könnten, um dem wirklichen Sozialmissbrauch Einhalt zu gebieten. Denn selbst da, wo Jobcenter im Recht sind, haben sie oft schlechte Karten. Weil, so beklagten sich die Richter in einem Schreiben an die Justizverwaltung, sie ihre eigenen Vorschriften nicht einhalten und oft auch nicht kennen, weil Grundbegriffe des Sozialrechts unbekannt sind, weil sie falsche Adressen auf die Umschläge schreiben, die Akten lückenhaft führen, weil die Software nicht funktioniert, weil Belege nicht sortiert sind und die tatsächlich geflossenen Gelder nicht nachzuvollziehen. So schrieb es auch der Landesrechnungshof in seinen Bericht. Und dass überforderte Jobcenter die Leute oft einfach zum Klagen auffordern, weil sie selbst nicht mehr durchblicken. "Die Sachbearbeitung beginnt dann praktisch vor Gericht", sagen die Richter.

[...] Einmal im Monat bringt Frau Strehlow den Lohnstreifen ihres Mannes und alle Unterlagen, lässt sich alles bestätigen und bestempeln. Mehrere Behörden rechnen dann an den Einnahmen und den Ansprüchen der Bedarfsgemeinschaft Strehlow herum. Der Fall ist so kompliziert, wie das Leben nun mal ist: Herr Strehlow verdient Geld, aber wenig. Und jeden Monat anders, weil er jeden Monat unterschiedlich viele Stunden hat. Mal hat er Anspruch auf Wohngeld, mal auf Hartz IV. Wer nämlich Hartz IV kriegt, kriegt kein Wohngeld, wer Wohngeld kriegt, verdient wenig, aber so viel, dass er kein Hartz IV braucht. Wohngeld zahlt das Bezirksamt, Hartz IV zahlen die Jobcenter, die sich zusammensetzen aus der Bundesagentur und der Kommune. Die Kommune zahlt für Miete und Heizung, die Bundesagentur zahlt den Regelsatz inklusive Geld fürs Duschen. Ach, Deutschland.

[...] Sozialrichter Michael Kanert ist Pressesprecher des Gerichts. Er hat die einzelnen Verhandlungstage im Kopf und sogar, worum es ungefähr geht. Er kennt die Statistiken und weiß eine Menge verrückter Geschichten zu erzählen über den Alltag am Sozialgericht. Die von dem berühmten Eishockeyspieler, der sich in der Saisonpause arbeitslos meldete. Von dem Landtagsabgeordneten, der trotz Mandat behauptete, arbeitslos zu sein. Oder die von dem Mann, der alle Arbeitsangebote ablehnt, weil er nachts wach sein muss, um sein Kind zu beschützen - seine Frau schlafwandelt.

Manchmal stellt er selbst die Fragen und guckt, worüber die Leute sich wundern. Und manchmal spürt man seinen Zorn. Er sagt: "Der Bürger hat das Recht auf korrekte Bescheide." Er sagt: "Niemand soll den Leuten vorwerfen, dass sie das, was das Gesetz möglich macht, auch in Anspruch nehmen." Er sagt: "Oft geht es dem Bürger gar nicht ums Geld. Mancher will, dass man ihm einfach nur mal zuhört. Dass man ihm erklärt, was die Wohngeldbewilligungsbescheidungültigkeitserklärung ist, auf die verwiesen wird. Und wo man so ein Ungetüm herbekommt."

Gegen die Klageflut sollen jetzt Deiche gebaut werden. Vielleicht derart, dass das Gericht etwas kostet - aber dann wären die Jobcenter auch bald pleite. Oder derart, dass man die Berufungsmöglichkeiten einschränkt - aber die paar Verfahren, die in die Berufung gehen, machen den Braten nicht fett. Vielleicht eine Bagatellgrenze einführen? Aber für einen Hartz-IV-Empfänger sind sechs Euro im Monat keine Bagatelle. Die Richter, heißt es aus der Politik, müssten eben schneller urteilen. "Aber", sagt Richter Kanert, "ein Richter muss tun, was ein Richter tun muss: die Akten sorgfältig lesen, die Verhandlung führen, die Rechtsgrundlagen prüfen, sichberaten, urteilen, das Urteil aufschreiben, begründen und die Akten zurückschicken. So ist es nun mal. Es gibt keine Abkürzung. Mit irgendwelchen neuen Verwaltungstricks werden wir die Sache nicht in den Griff bekommen."

Das Bundesverfassungsgericht hat die Konstruktion der Jobcenter inzwischen für verfassungswidrig erklärt. Die Leute vor Saal 7 wissen nicht genau, warum. Aber betrogen fühlen sie sich auf jeden Fall. Ein Lieferwagen rattert in die Einfahrt. Er bringt die neuen Klagen. So um die tausend Schriftsätze gehen pro Tag im Sozialgericht an der Invalidenstraße ein. Sie haben oft schon einen langen Weg hinter sich, sind durch viele Hände und Behörden gewandert und ein paarmal durch die Stadt befahren worden. Sie haben was gesehen von der Welt, könnte man sagen. [...]



Aus: "Hartz IV: Abgesoffen" Von Frauke Hunfeld  (stern-Artikel aus Heft 13/2008)
Quelle: http://www.stern.de/wirtschaft/immobilien/verbraucher/:Hartz-IV-Abgesoffen/615114.html?p=3&nv=ct_cb (http://www.stern.de/wirtschaft/immobilien/verbraucher/:Hartz-IV-Abgesoffen/615114.html?p=3&nv=ct_cb)

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Quote[...] Drei Jahre nach Einführung der größten und umstrittensten Arbeitsmarktreform in Deutschland haben Regierung, Arbeitsverwaltung und Kommunen eine positive Hartz-IV-Bilanz gezogen. "Die viele Arbeit hat sich gelohnt", sagt Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA). Von "sichtbaren Eingliederungserfolgen" spricht auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus. Die Langzeitarbeitslosen und ihre Familien hätten von den Reformen profitiert, laut auch die Bilanz von Arbeitsstaatssekretär Detlef Scheele.

Ihre Erfolgsbilanz untermauern sie mit zahlreichen Daten: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sank in den letzten zwei Jahren um 700.000 auf 2,3 Millionen. Die Arbeitslosigkeit insgesamt ging seit 2005 um 1,7 Millionen zurück. Allerdings: "Die Langzeitarbeitslosen profitieren nach wie vor deutlich weniger von der guten Arbeitsmarktentwicklung als Kurzzeitarbeitslose", räumt Articus ein. In Städten wie Berlin oder Bremen, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern lebt immer noch jeder fünfte Bürger von Hartz IV. Jeder dritte Langzeitarbeitslose werde selbst nach Jahren intensiver Betreuung wohl keinen Job finden, stellt die BA fest.

Den größten Erfolg sieht BA-Vize Alt im Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit: Sie sank im letzten Jahr um rund ein Viertel. Jeder dritte Jugendliche und jeder fünfte Hartz-IV-Empfänger wurde vom Jobcenter "aktiviert" – durch einen Ein-Euro-Job oder eine Weiterbildung. Mehr als vier Milliarden Euro haben die Jobcenter 2007 für die Förderung ausgegeben. Das Konzept des "Fordern und Förderns", so die Botschaft der Beteiligten, geht auf.

Allerdings nicht bei allen. "Bei Alleinerziehenden war der Erfolg deutlich geringer als gewünscht", sagt Alt. "Ohne gute Kinderbetreuung kommen wir hier keinen Schritt weiter." Auch bei den Arbeitslosen ausländischer Herkunft ist die Entwicklung schlechter als im Durchschnitt. Von einem "Riesenqualifikationsdefizit" spricht Alt – 61 Prozent der Einwanderer haben keinen Berufsabschluss. Um auch die Migranten stärker in Lohn und Brot zu bringen, müsse die berufliche Bildung mit Sprachkursen kombiniert werden, forderte Alt.

Finanziell war der Reform, anders als erhofft, kein großer Erfolg beschieden. Zwar wurden die Kommunen mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe finanziell entlastet. Der Bund übernahm die Kosten für alle Arbeitslosen, auch für die Sozialhilfeempfänger. Die Kommunen mussten dafür die Unterkunft aller Hartz-IV-Empfänger übernehmen. Ein schlechtes Geschäft, wie sich nun herausstellt. "Die Entlastung war niedriger als erhofft", sagte Stephan Articus. Fast 14 Milliarden Euro wurden 2007 für Unterkunft und Heizung der 3,94 Millionen Hartz-IV-Haushalte bezahlt. Immer mehr Menschen bekommen Hartz IV, obwohl sie arbeiten. Mit der wachsenden Zahl dieser "Aufstocker" – mittlerweile sind es 1,2 Millionen – hatte niemand gerechnet. Vor Hartz IV hätten diese Geringverdiener Wohngeld bekommen, nun ist Hartz IV für sie attraktiver.

Deshalb begrüßte Articus die Pläne der Regierung, mit einem höheren Wohngeld und einem erweiterten Kinderzuschlag mehr Familien aus Hartz IV heraus zu holen.

Trotz aller Kritik im Detail: An der Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Bundesagentur will keiner der Beteiligten rütteln. BA-Funktionär Heinrich Alt lobte die professionelle Arbeit in den gemeinsamen Jobcentern. "Die gute Zusammenarbeit zeigt nun endlich zählbare Resultate".


Dabei war der Start der neuen Sozialbürokratie vor drei Jahren mehr als holprig: das Computerprogramm war mangelhaft, es fehlte an qualifiziertem Personal und die nun hoch gelobte Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern aus sehr unterschiedlich geprägten Verwaltungen voller Konflikte.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Konzept mittlerweile als verfassungswidrig beurteilt. Doch Arbeitsminister Olaf Scholz will die alten Strukturen retten. In einem "kooperativen Jobcenter" sollen BA und Kommunen künftig freiwillig zusammenarbeiten. Die SPD will die alten Schlachten nicht noch einmal schlagen. Die Union wollte damals die Langzeitarbeitslosen dezentral von den Kommunen betreuen lassen, die SPD zentral von der Arbeitsagentur. Heraus kam ein politischer Kompromiss: Das Jobcenter.

[...]

QuoteSoviel Ignoranz  meint:
08.04.2008, 11:31 Uhr
Da kommt einem ja der Kaffee hoch, bei soviel Ignoranz. Als Betroffener kann ich nur sagen, es ist wie die Lobreden, damals in der DDR. Man spielt mit dem Leben und Glück von Menschen und ignoriert, was sie wirklich erleben.
Wenn man grundlegende Rahmenbedingungen einer Wirtschaft so radikal ändert, wie es die Globalisierung gemacht hat, dann bleiben ganze Branchen und jede Menge Leben und Lebensläufe auf der Strecke. Das ist leider auch vielen, die weiter hinten im Land sitzen ("altes" Bundesgebiet) nur zu bewusst geworden.
Ich habe aber die Erfahrung gemacht, das Leute, die immer noch gut in Lohn und Brot stehen, solchen Quatsch reden, wie der Artikel schreibt. Sie haben keine Ahnung und Zeit, vor lauter Arbeitsstress, sich in Menschen hinein zu versetzen, die für 4 - 5 Euro arbeiten gehen sollen, oder die jeden früh aufstehen und sich fragen, wo soll ich mich denn noch bewerben, aber von der sogenannten ,,Agentur für Arbeit" aller 4 Monate mal eingeladen werden zu einem Motivationsgespräch. Bei mir, Raum Sachsen, gibt es Stellen kaum noch frei, alles Zeitarbeit, Vermittlungsgutschein und hunderte Interessenten. Da geht man für 6 Euro voll arbeiten. Andererseits schreit die Industrie nach CNC- Leuten, will mich aber gar nicht anlernen. Z.Z. sitze ich in einer von der Agentur gezahlte 6000 Euro teuren Weiterbildung, wo noch mehr nette, hübsche, arbeitswillige Leute sitzen, die nicht alle zu blöd sein können, etwas zu finden.
Ich kenne auch etliche Leute, die aus der Statistik raus fallen, weil sie ein altes Haus besitzen, was keiner kauft, oder wo der Partner knapp über 1000 € heimbringt, oder wo der Sohn beim Zivildienst ist.
Also es ist echte Ignoranz, zumal der Artikel selber schreibt, das mittlerweile 1,2 Millionen trotz Arbeit von Hartz-IV leben. Da hat man wohl herrlich umgeschichtet, in schlecht bezahlte Arbeit vermittelt und die Leute doch nicht aus der Statistik bekommen, ja ja es klappt nicht immer.

Aber welche Bewertung eigener Arbeit haben wir denn erwartet, wer tadelt sich schon selber?
- BA-Funktionär Heinrich Alt lobte die professionelle Arbeit in den gemeinsamen Jobcentern - es ist fast wie zu DDR- Zeiten, aber da hatten wir wenigstens Jobs.


Quote
WILLKOMMEN IM 4. REICH meint:
08.04.2008, 11:20 Uhr
Das REICHSPROPAGANDAMINISTERIUM sagt Hartz IV ist gut!?
Gut für wen, für die neuen Feudalherren!? Ach so.
A B E R
Eine Lüge ist eine Lüge, ist eine Lüge!
H4 = Armut per Gesetz!
Es führt zu Lohndumping und ZWANGSARBEIT.
Das pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern!
U N D
fragt mal google :
Hartz IV Abgesoffen

Macht nur weiter so, das ECHO wird gewaltig!


Quote
Don Miguel meint:
08.04.2008, 11:20 Uhr
Diese Reform- benannt nach einem Vorbestraften- wirft ein bezeichnendes Licht auf die Moral in diesem Land.
Der Begriff Solidargemeinschaft ist nur noch eine Blase.


QuoteD. Sturm  meint:
08.04.2008, 11:13 Uhr
Sehr geehrte "Journalisten", gibt es heute noch so etwas wie Berufsehre?

Sie wissen, dass in der Statistik ca. 1.000.000 Arbeitslose nicht gerechnet werden, das diese als "1-Euro-Jobber" arbeiten? Genau, da wo es eigentlich gar keine Arbeitsplätze gibt.

Sie wissen, dass alle möglichen und unmöglichen Begründungen an den Haaren herbeigezogen werden, um diese Statistik zu schönen?

Oder liegt es an der Software, welche z.B. Krankmeldungen einfacher verarbeiten kann, was vorher häufig nicht gepflegt wurde? Ändert aber auch nichts an der Arbeitslosigkeit ....


Quote
Besserwisser meint:
08.04.2008, 11:11 Uhr
Was für ein unreflektierter Bericht, der nur die offizielle Propaganda abdruckt. Es liegt doch auf der Hand, wodurch die Arbeitslosenzahlen gesunken sind: Aufstocker, Umschüler, ABM-Kräfte, 1-Euro-Jobber, über 58-jährige Langzeitarbeitslose... al diese werden in die Statistik nicht mehr einbezogen, obwohl sie ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können ohne ALG2.


Quote
Hotte meint:
08.04.2008, 10:56 Uhr
Schaut Euch doch bitte in der Welt um. Eine großzügigere Unterstützung der Arbeitslosen gibt es in wenigen Ländern. Ich kenne viele Hartz-IV-Empfänger, die früher Sozialhilfe bezogen haben. Die haben zwar noch nie gearbeitet, erhalten mehr Geld als vorher und jammern jetzt mit. Durch die Globalisierung, die neuen Wettbewerber aus Asien und neue Techniken fallen immer mehr Jobs für minderqualifizierte Arbeitnehmer weg. Und das Patentrezept der SPD: Mindestlöhne, damit die restlichen Arbeitsplätze für diese Arbeiter auch noch wegfallen. Warum hat die SPD eigentlich in ihrer rot-grünen Regierungszeit dieses Zaubermittel nicht eingeführt?


Quote
Midwinter meint:
08.04.2008, 10:33 Uhr
Die Hartz-IV-Reformen sind ein klassicher Fall von "Zum Erfolg verdammt". Diese Nachricht ist das Papier nicht wert auf das sie gedruckt wurde, weil sie sich in sinnleerem Nachplappern offizieller Meldungen erschöpft. Kritische Fragestellungen oder Hintergrundinformationen? Fehlanzeige.


Quote
HartzV = Finanzielle Unterdrückung meint:
08.04.2008, 10:31 Uhr
So ein Quatsch, was glaubt ihr denn wie viele trotz Arbeit von staatlicher Hilfe abhängig sind weil der Lohn nicht reicht.

Ich hab es satt ständig diese Unwahrheiten und Propaganda lesen zu müssen !

Quote
Frank meint:
08.04.2008, 10:21 Uhr
HARTZ 5
muß her und diese unnützen Leistungen für "Kinder" auch gestrichen Mutti kauft sich davon
nur Kippen und roolt zu Mc Donald.
Ab arbeiten und nicht nur faul daheimhocken !


Quote
Schande Hartz 4 meint:
08.04.2008, 10:11 Uhr
Hartz 4 hat Lohndumping und Lohnzurückhaltung erstmöglich gemacht und ein ganzes Land Negativ verändert .
Die SPD ist heute eine gespaltene Partei mit Mitgliederschwund und Wählerschwund eben wegen Hartz 4 und den ganzen weiteren Sozialabbau in Deutschland , viele Bürger haben das Vertrauen in die Politik verloren .


Quote
Fredereck meint:
08.04.2008, 10:00 Uhr
Die Wahrheit kommt sowieso raus.
Im Artikel wird natürlich nicht erwähnt, wer als Arbeitslos gilt. Zudem wird die Entwicklung und Höhe der sozialpflichtigen Beschäftigungsverhältnisse nicht eingegangen. 1,2 Millionen Aufstocker, d.h. Beschäftigungen die nicht einmal soviel Einbringen wie für das Lebensnotwendigste in Deutschland notwendig ist. Dazu noch 1Euro Jobs die im Prinzip das selbe sind. Und das Hässliche ist, von sowas profitieren auch noch Unternemer, Arbeitsvermittler und Fortbildungseinrichtungen.

Hinzu kommt DIE neue Zeitbombe. Gesundheit und Altersvorsorge. Nicht nur dass die Löhne sinken und die Inflation steigt, so dass kaum etwas übrig bleibt um Kapital oder Vorsorge zu treffen. Selbst auch das Sparen an sich wird ad absurdum geführt, bei steigender Gefahr der Absturzarbeitslosigkeit und Willkür der Politiker wie bspw. Renteneintrittsalter, Gesundheitsreform, etc.

Wir haben momentan Wirtschaftswachstum - aber nur für die großen DAX Unternehmen und Manager. Dem Pöbel geht es zugleich zunehmend schlechter. Dieser Wachstum ist nichts weiter als die Ressourcen und sparbeträge der neuen Unterschicht.

In dem Moment, wo die Wirtschaft in einer Depression angelangt ist (und das steht kurz bevor, siehe aktuelle Dollar und Bankkrisen) knallt das hier sowieso gewaltig.
Die Repressionen und Unterdrückung steigen zunehmend. Die Gesetze werden verschärft. Glaubt jemand die Überwachung dient zum Schutz vor dem Terror ( den es bis heute nicht seit 7Jahren in Deutschland gab )?

Lidl ist auch so ein Beispiel,die Löhner sind niedrig - damit die Angestellten nicht klauen, werden die massiv überwacht und eingeschüchtert. Und in der Poltiik werden nur Nebelgeschwafel gezündet. Sind die Leute 'unten' wirklich mit 'unserer' 'Demokratie' glücklich?

Eine radikale Partei zu wählen ist aus deren sicht nicht nur verständlich, sondern auch vernünftig. Und an den Wahlergebnissen sind nicht die Kommunisten schuld, sondern die Ex-sozialen Marktwirtschaft selber.
Die angeblich selbstregulierende Wirtschaft mündet zyklisch in einem anderen politischen System und Gesellschaft - das war schon immer so.


Quote
Oliver Kerl meint:
08.04.2008, 09:56 Uhr
Hahahaha

Dieser Artikel ist ein Witz. War 2 Jahre Hartzler und bis ich dann gefordert habe das man mir hilft geschah gar nichts. Finanzieller und seelischer Striptease das war angesagt alle 6 Monate dumme Sprüche vom Sachbearbeiter man könne mit dem bissl gut auskommen hätten schliesslich Fachleute ausgerechnet. Würg da kommt einem die Galle hoch. Meinen jetzigen Job habe ich mir selber gesucht, es ist zwar nur teilzeit und ich muss leider weiter Hilfe beanspruchen, (Kinder) aber wenigstens muss ich mich nicht mehr ständig erniedrigen vor den gut verdienenden Beamten die wissen wie man mit ´345€ im Monat auskommt nachdem man Strom etc auch noch davon bezahlt hat. Und bevor jetzt jemand meint man hätte ja noch Kindergeld falsch das wird dem Baby angerechnet und der Betrag um diese Summe noch einmal gekürzt.
Kinderfreundliches Deutschland. Hoffe nur da ich jetzt einen kleinen Job habe auf bessere Resonanz bei meinen weiteren Bewerbungen denn als hartzler hätte ich da nie eine Chance gehabt.


Quote
Sozialdemokratie und ihr wahres Gesicht meint:
08.04.2008, 09:54 Uhr
Hartz IV ist einer der Gründe für den Stimmenverlust der SPD.
Ein Mensch, der noch nie in die Kassen eingezahlt hat, wurde auf einmal so behandelt wie einer, der jahrelang bezahlt hat.
Und das bezeichnet die SPD noch heute dreist als "sozial gerecht", gibt aber keine Auskunft darüber, wie man es in Zukunft finanzieren will (wobei bei diesem Mist auch die anderen Parteien damals kräftig mitgestimmt haben).


Quote
SD meint:
08.04.2008, 09:54 Uhr
Wenn Schwarzsehen und Rummjammern Berufe wären, hätten wir schon lange Vollbeschäftigung.


Quote
voller erfolg!!! meint:
08.04.2008, 09:54 Uhr
jawoll, ein voller erfolg in sachen abstieg, sklaverei und menschenunwürdigkeit!


Quote
JeLo meint:
08.04.2008, 09:52 Uhr
Die Sozialgerichte sind überlastet. Die Gerichte kommen nicht mehr nach. Sind diese Kosten überhaupt berücksichtigt worden? Es war kein voller Erfolg. Es sind mehr Kosten durch Hartz 4 entstanden. Und selbst Hartz sprach sich gegen seine Reform aus, leider erst Jahre später.


Quote
Märchentante meint:
08.04.2008, 09:41 Uhr
Och joooooh, hat Herr Glos (der Bundesbeschwichtigungsminister) diesen Artikel bei der "Welt" in Auftrag gegeben? Als "Erziehung-" und "Manipulationslektüre"?
Neulich habt Ihr noch das Gegenteil geschrieben:

http://www.welt.de/print-welt/article159954/Studie_Sechs_Millionen_Deutsche_gehoeren_zur_neuen_Unterschicht.html

Jaja, "ich drehe mein Mäntelchen nach dem Wind"...


Quote
Schande Hartz 4 meint:
08.04.2008, 09:28 Uhr
Voller Erfolge nein es muß heißen Misserfolg .
Viele Menschen sind in Armut gestürtzt wurden.
Einige haben sogar durch Selbstmord ihr Leben verloren.
Andere müssen zur Tafel und Suppenküche.
Gewalt , Aggression, Familienzusammenbrüche ,Krankheit,
Demütigung das heist Hartz 4 .
Hartz 4 hat Tausende Klagen allein in den letzten Monaten
bei den Sozialgerichten gebracht.


Quoteslow  meint:
08.04.2008, 09:17 Uhr
Was ist das denn für eine Gehirnwäsche, dieser Artikel?

...


Quote
Thomas meint:
08.04.2008, 11:58 Uhr
"Und die Arbeitslosen rennen sich nach Jobs die Hacken ab, oder sitzen früh mit gelber Warnweste und Greifzange in der Straßenbahn um das Papier der frustrierten Leute aufzulesen..."

...oder schreiben dämliche Kommentare auf Welt Online und würden niemals auf die Idee kommen in er Straßenbahn Müll aufzusammeln, weil sie sich viel zu sehr daran erfreuen zu Hause dahinzuvegetieren und anderen Menschen ihren ekelhaften Semon aufzubinden.

Noch nie so einen Schwachsinn gelesen wie auf den letzten Kommentarseiten hier. Wenigstens stimmt mich zufrieden, dass es sich dabei ausnahmslos um total frustrierte Versager handelt, die sich noch nie gefragt haben, was sie falsch gemacht haben.


Quote
Hans Meier meint:
08.04.2008, 12:07 Uhr
Hartz 4 ist der unter Zwang ausgeführte Offenbarungseid von Millionen.
Rechte wie Privatsspähre gleich so gut wie null.
Zwangsarbeit obwohl es keine gibt mit allen Mitteln und Methoden.


Quote
bananenrepublik meint:
08.04.2008, 12:07 Uhr
Was soll denn an dieser Form erfolgreich gewesen sein? Vorhierige Faulenzer sind in den Genug gekommen, mehr Geld zu erhalten, fleißige Menschen sind ins Elend gestürzt worden, und 1,7 Mio. Menschen, die nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik vorkommen, müssen sich mit Billig-Jobs über Wasser halten, sind nicht mehr in der Lage für das Alter vorzusorgen. Die Hartz-"Reform" hat nur der Wirtschaft und den Kommunen gedient, waährend sie die Menschen verarmt hat. So etwas kann nicht Reform genannt werden, sondern Abzocke bei fleißigen Menschen.





Aus: "Arbeitslosigkeit: Warum die Hartz-IV-Reform ein voller Erfolg ist" Von Stefan von Borstel und Flora Wisdorff (8. April 2008)
Quelle: http://www.welt.de/politik/article1878405/Warum_die_Hartz-IV-Reform_ein_voller_Erfolg_ist.html?page=1 (http://www.welt.de/politik/article1878405/Warum_die_Hartz-IV-Reform_ein_voller_Erfolg_ist.html?page=1)



Title: [Proteste gegen steigende Preise... (Notiz, Ägypten)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 09, 2008, 10:59:15 AM
Quote[...] The Textile Workers' League activists Kamal el-Fayoumi and Kareem el-Beheiri, as well as a number of the Mahalla detainees, are currently undergoing interrogation at the Tanta Prosecutor's Office. I have a report from an activist, which I couldn't confirm yet, that Kareem was subject to severe beatings in police custody. The activist I spoke with said he heard this from one of the recently released detainees. We should know soon whether Kareem and the others were abused in custody or not when the lawyers who are attending the interrogation come out...


From: "Updates from Mahalla" (Published by Hossam el-Hamalawy April 8th, 2008)
Source: http://arabist.net/arabawy/2008/04/08/updates-from-mahalla/ (http://arabist.net/arabawy/2008/04/08/updates-from-mahalla/)

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Quote[...]  Fast 40 Prozent der Ägypter leben unter oder nahe der Armutsgrenze von umgerechnet 1,25 Euro pro Tag. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Reis haben sich in den vergangenen Monaten fast verdoppelt, subventioniertes Brot ist knapp. Um die wirtschaftlichen Probleme der Menschen zu lindern, hob Präsident Husni Mubarak Einfuhrzölle auf einige Lebensmittel auf.

Hinter den Kulissen verhandelte die Regierung mit Arbeiterführern in Mahalla, um den seit langem angekündigten Streik zu verhindern. Sondereinsatzkräfte der Polizei hielten Demonstranten von den Hauptplätzen in Kairo fern, Beamte in Zivil hinderten Arbeiter in der Fabrik in Mahalla am Streik. Sicherheitsbeamte hätten die Fabrik übernommen und jeden, der versucht habe zu sprechen, abgeführt, sagte ein Arbeiter.

Die Regierung sicherte zu, ein Gesetz über eine Anhebung des Mindestlohns zu verabschieden. Der Streik in der Textilfabrik wurde daraufhin abgesagt, womit jüngere Aktivisten aber nicht einverstanden waren. Nach dem Ende der Schicht strömten die Menschen auf den Hauptplatz und demonstrierten. Nach Angaben eines Augenzeugen nahmen daran auch Frauen und Kinder teil.

(bru/ap)


Aus: "Ägypten: Proteste gegen steigende Preise" - Bei landesweiten Protesten gegen steigende Preise in Ägypten ist es am Sonntag zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen (06. April 2008)
Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/858579.html (http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/858579.html)

Title: [Die Proteste gegen die hohen Lebensmittelpreise... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 10, 2008, 11:54:50 AM
Quote[...] sda) Die UNO-Soldaten feuerten in der Nähe des Präsidentenpalastes in der Hauptstadt Port-au-Prince Tränengas auf Demonstranten und gaben Warnschüsse in die Luft ab, wie Radioreporter vor Ort berichteten. Die Demonstranten machten ihrer Luft erneut mit Gewalt und Plünderungen Luft.

Bereits früh am Morgen blockierten nach Augenzeugenberichten zahlreiche Jugendliche mehrere Strassen in Port-au-Prince und Umgebung und errichteten Barrikaden mit Autoreifen und grossen Steinen. Das öffentliche Leben stand still. Ladenbesitzer schlossen ihre Geschäfte.

Unklar war zunächst, ob es weitere Opfer gab. Die Proteste gegen die hohen Lebensmittelpreise in dem armen Karibikstaat dauern seit vergangener Woche an. Seitdem kamen fünf Menschen ums Leben.

Angesicht der anhaltenden Gewalt forderte Präsident René Preval seine Landsleute ultimativ auf, die Plünderungen und Ausschreitungen einzustellen. In einer von Radio und Fernsehen ausgestrahlten Ansprache erteilte er Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung eine Absage.

Er stellte aber eine Regierungsumbildung in Aussicht und versprach für die Problematik der steigenden Lebensmittelpreise eine langfristige Lösung zu suchen.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die Menschen in Haiti zur Ruhe und Gewaltlosigkeit auf. Er betonte in einer in New York veröffentlichten Erklärung, die UNO-Militärmission in Haiti (MINUSTAH) und das UNO-System insgesamt würden die haitianischen Behörden weiterhin dabei unterstützen, Nothilfe zur Bevölkerung zu bringen.


Aus: "Wieder Massenproteste in Haiti (09.04.08)
Quelle: http://www.bielertagblatt.ch/News/Ausland/108154 (http://www.bielertagblatt.ch/News/Ausland/108154)


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Quote[...] Nach Angaben des Welternährungsprogramms kommt es inzwischen in vielen Entwicklungsländern zu gewaltsamen Demonstrationen hungernder Bevölkerungsteile. Proteste werden aus Indonesien und einem halben Dutzend afrikanischer Staaten gemeldet.

In Haiti kam es wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise in dieser Woche zu gewaltsamen Unruhen, bei denen vier Menschen getötet wurden. Die haitianische Polizei versuchte am gestrigen Mittwoch vergeblich, die sich zuspitzende Lage in der Hauptstadt unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte jedoch nicht verhindern, dass Tausende von Demonstranten Geschäfte, Supermärkte und Tankstellen plünderten und auch einen Radiosender überfielen. In einigen Stadtteilen breite sich Panik aus, berichtete ein Einwohner des Stadtviertels Petionville.

mik/Reuters/dpa/AP


Aus: "HOHE LEBENSMITTELPREISE: Weltbank warnt vor Verarmung ganzer Landstriche" (10. April 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,546477,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,546477,00.html)
Title: [So werde die Durchschnittsrente sinken... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 14, 2008, 01:30:26 PM
Quote[...] Viele heute Erwerbstätige könnten wegen ihres geringen Einkommens gar keine Anwartschaften auf eine Rente aufbauen, die noch oberhalb der Grundsicherung für Rentner lägen, warnten die SPD-Politiker weiter. Dies sei erst mit einem Einkommen oberhalb eines Stundenlohns von 7,50 Euro möglich; bei fast jedem fünften im Osten liege der Verdienst jedoch darunter. Erschwerend kommt demnach hinzu, dass viele Ostdeutsche aufgrund ihrer Erwerbslage keine zusätzliche Altersvorsorge aufbauen könnten. So werde die Durchschnittsrente sinken. Während von 1942 bis 1946 geborene Männer noch im Schnitt 967 Euro erhielten, würde die Durchschnittsrente der in den Jahren 1957 bis 1961 geborenen bei 820 Euro liegen. Für Frauen nennt die Analyse einen Rückgang von 820 auf 690 Euro.


Aus: "Vielen Ostdeutschen droht Altersarmut" SPON (14. April 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,547118,00.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,547118,00.html)

Title: [Wir ersticken... (Notiz, ÄGYPTEN)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 18, 2008, 09:15:02 AM
Quote[...] Es gibt zu wenig Billig-Brot für alle, und die um 26 Prozent erhöhten Preise für Reis und Öl schlagen in jeder Haushaltskasse zu Buche. Käse, Milch und Joghurt sind um 17 Prozent teurer geworden. Den Armen Ägyptens schnüren die Preissteigerungen die Luft zum Atmen ab. "Wir ersticken", sagen viele auf dem Markt.


Aus: "LEBENSMITTELKRISE IN ÄGYPTEN: Jagd auf das tägliche Brot" Aus Kairo und Mahalla berichtet Ulrike Putz  (18. April 2008)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,547640,00.html (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,547640,00.html)

Title: [Ein echtes Armutszeugnis... (Notiz, BRD, 2008)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 18, 2008, 03:15:33 PM
Quote[...] Berlin - Der Armutsbericht von Sozialminister Olaf Scholz (SPD) schockiert ganz Deutschland. Der Politik fällt zur Bekämpfung der wachsenden Armut und des Erodierens der Mittelschicht nichts Neues ein und liefert so ein echtes Armutszeugnis ab.

Während der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband darauf aufmerksam macht, dass arme Kinder im deutschen Schulsystem benachteiligt werden, interpretieren die Parteien den Report lediglich als Bestätigung ihrer altbekannten Forderungen. Die Union fordert Steuersenkungen, die SPD hält mit der Forderung nach einer höheren Reichensteuer und einem Mindestlohn dagegen.

Josef Schlarmann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, kritisiert heimliche Steuererhöhungen durch die kalte Progression. Der Staat müsse die Extra-Millionen den Bürgern zurückgeben. Sonst drohe die Gefahr, dass vor allem Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen bald als arm gälten. Außerdem müsse der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung weiter gesenkt werden.

Die SPD ist gegen Steuersenkungen. Diese führten ,,automatisch zu sozialen Kürzungen" – und damit einer Verschärfung der Armut, so SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. In der Partei werden Stimmen lauter, die eine stärkere Besteuerung der Reichen fordern. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert: ,,Wir müssen über eine stärkere Belastung dieser Einkommen nachdenken, die am schnellsten wachsen." Sein Parteifreund Ernst Dieter Rossmann stellt fest: ,,Wir haben ein Armuts- und ein Reichtumsproblem. Die einen haben zu wenig, die anderen zu viel." Neben der Erhöhung der Reichen- und Erbschaftssteuer bringt Rossman eine Wiedereinführung der seit 1997 nicht mehr erhobenen Vermögenssteuer ins Spiel. Einen Mindestlohn fordert nicht nur Scholz, sondern auch DGB-Chef Michael Sommer.

Grüne und Linke erneuerten hingegen ihre Forderung nach zügiger Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes von 347 auf 420 Euro. Linke und FDP machten die SPD direkt für die deprimierenden Zahlen des Berichts verantwortlich: Seit Regierungsantritt der SPD sei die Mittelschicht um über fünf Millionen Menschen geschrumpft. ,,Scholz beklagt die Auswirkungen einer Politik, die er und seine SPD zu verantworten haben", kritisiert FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.

Gestern hat Sozialminister Olaf Scholz (SPD) in Berlin seinen Bericht über Armut und Reichtum in Deutschland vorgestellt. Danach ist jeder vierte Bundesbürger von Armut betroffen oder muss durch staatliche Hilfen vor Armut bewahrt werden. Die tz fasst die wichtigsten Aussagen des Berichts zusammen:

Armutsrisiko: 26 Prozent der Gesamtbevölkerung sind von Einkommensarmut bedroht. 13 Prozent der Deutschen müssen durch staatliche Hilfen vor der Armut bewahrt werden.

Altersarmut: Trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen hat das Armutsrisiko älterer Menschen nicht zugenommen. 2,3 Prozent der über 65-Jährigen beziehen derzeit eine Grundsicherung.

Löhne: Die Bruttolöhne und -gehälter gingen zwischen 2002 und 205 real um durchschnittlich 4,7 Prozent zurück – von 24 873 Euro auf 23 684 Euro.

Niedriglohnsektor: Besorgniserregend ist die Zunahme des Anteils von Niedriglohn-Beschäftigten. Sie machen mehr als ein Drittel aller Beschäftigten aus. Dabei gilt eine sozial abgesicherte vollzeitnahe Beschäftigung als Schlüssel zur Vermeidung von Armut.

Bildung: Bildungschancen hängen in Deutschland zu sehr vom Bildungsniveau der Eltern ab. Dabei ist gute Bildung eine unabdingbare Voraussetzung für spätere Beschäftigungschancen.

Quelle: tz




Aus: "Das Armutszeugnis" - Große Koalition reagiert mit alten Debatten auf den neuen Armutsbericht ()

Quelle: http://www.tz-online.de/de/aktuelles/welt/artikel_39277.html (http://www.tz-online.de/de/aktuelles/welt/artikel_39277.html)

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Quote[...] "Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet", beklagte Scholz. "Die Einkünfte der Reichen sind gewachsen, dagegen sinken die Einkommen im unteren Bereich leicht, im mittleren stagnieren sie." Als reich gelte, wer als Alleinlebender im Monat netto mehr als 3418 Euro zur Verfügung habe oder als Familie mit zwei Kindern mehr als 7178 Euro netto im Monat.

"Arm ist, so definiert es die EU, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, also 781 Euro netto", sagte Scholz. "Die Armutsrisikoquote liegt nach dieser Rechnung bei 13 Prozent der Gesamtbevölkerung."

Besonders bedrückend bleibe für ihn, dass die Zahl derjenigen, die arbeiten und sich trotzdem im Armutsrisikobereich befinden, größer geworden sei. "Das zeigt: Wir haben zu niedrige Löhne in Deutschland und wir brauchen Mindestlöhne", sagte Scholz.

Zugleich werde aber auch die positive Wirkung des Sozialstaats deutlich: "Wenn es die Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme", sagte der Sozialminister.

Am schlimmsten sei die Lage für die Langzeitarbeitslosen und die Alleinerziehenden und deren Kinder. Allerdings sinke das Armutsrisiko auf nur noch vier Prozent der Haushalte mit Kindern, falls die Eltern Arbeit hätten. Bei den älteren Menschen seien heute weniger von Armut betroffen als früher. "Nur 2,3 Prozent von ihnen sind auf die Grundsicherung angewiesen, weil Rente und andere Einkünfte nicht reichen", sagte Scholz.




Aus: "Armutsbericht der Bundesregierung: Die Kluft wird größer" - Immer mehr für die Reichen, immer weniger für die Armen: Die Schere zwischen den Extremen driftet in Deutschland weiter auseinander. Jeder vierte Bürger ist von Armut betroffen oder muss durch staatliche Leistungen davor bewahrt werden. (SZ, 18.05.2008)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/770/175245/ (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/770/175245/)

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Quote[...] Nach dem Bericht sind die Bruttolöhne in den Jahren zwischen 2002 und 2005 real von durchschnittlich 24 873 Euro auf 23 684 Euro und damit um 4,7 Prozent zurückgegangen. Einkommenszuwächse gab es dem Papier zufolge nur für die beiden oberen Zehntel der Arbeitnehmerschaft. In der Mitte stagnierten die Einkommen, in den fünf unteren Zehnteln gingen sie demnach zurück. Der Bericht sieht darin unter anderem ein Resultat von ,,betrieblichen und tariflichen Vereinbarungen" sowie der ,,stark sinkenden Tarifbindung in Deutschland". Besorgniserregend sei außerdem die Zunahme des Anteils von Beschäftigten im Niedriglohnbereich: 2005 blieben die Verdienste von mehr als einem Drittel der Beschäftigten demnach unterhalb der Niedriglohnschwelle von zwei Dritteln des Brutto- Durchschnittseinkommens.


Aus: "Woran es fehlt" Von Antje Sirleschtov (20.5.2008)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Armut;art693,2534206 (http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Armut;art693,2534206)


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Quote[...] Insgesamt habe sich die soziale Kluft in Deutschland weiter vertieft.

Quotebestoff5 (18.5.2008, 12:19 Uhr)

Neue Armut......

Ich war Ende der 80er bis Mitte der 90er regelmäßig in Polen.Die Leute waren arm,aber sie hatten immer genug zu essen.Wenn ich dieses Bild der Armenküche sehe kommt mir die Galle hoch.Selbst auf dem Lande werden heute schon sogenannte Tafeln ausgerichtet,einmal in der Woche werden Lebensmittel an Bedürftige verteilt und es werden immer mehr.Wo sind wir nur gelandet,das ist ein Skandal sondergleichen!!!


QuoteH.Brueggemeier (18.5.2008, 14:16 Uhr)

Ist doch lange bekannt

Das wussten sie doch lange bevor diese staatliche Erhebung in Auftrag gegeben wurde. Auch die Politiker --also die Wirtschaftsvertreter --unseres Landes wissen schon lange davon.


...


Aus: "Armutsbericht: Jeder achte Mensch gilt als arm" (Artikel vom 18. Mai 2008)
Quelle: http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/:Armutsbericht-Jeder-Mensch-/620680.html (http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/:Armutsbericht-Jeder-Mensch-/620680.html)

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Quote[...] Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat offenbar versucht, das Armutsrisiko in Deutschland herunterzurechnen. Nach einer zweiten statistischen Methode lag der Prozentsatz Armer in der Bundesrepublik 2005 nicht bei 13 Prozent, sondern bei 18 Prozent der Bevölkerung.

[...] Vor allem bei der Kinderarmut, einem hochsensiblen Thema, sind die Zahlen des SOEP weit erschreckender als die EU-SILC-Zahlen. Nach Aussage des SOEP lag die Kinderarmut 2005 bei 26 Prozent. Die EU-Statistik kommt dagegen nur auf zwölf Prozent. Danach wäre die Kinderarmut von 2003 bis 2005, dem Jahr mit der höchsten Arbeitslosigkeit, sogar von 15 auf 12 Prozent gesunken - statt, wie in den SOEP-Zahlen, um drei Prozentpunkte zu steigen. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, reagierte empört. Es sei "vollkommen unverständlich, wie Scholz darauf kommt, dass die Kinderarmut gesunken ist", sagte Kurth am Dienstag.

Auch der Blick auf die Entwicklung in Ostdeutschland lässt Zweifel aufkommen, ob die EU-Forscher richtig zählen. Laut EU-Statistik sank das Armutsrisiko dort zwischen 2003 und 2005 von 19 auf 15 Prozent. Die Untersuchungen des SOEP ergeben dagegen einen Anstieg von 20 auf 22 Prozent.

Die SOEP-Daten basieren auf Umfragen, die seit 1984 regelmäßig bei mehreren Tausend Haushalten durchgeführt werden, und der Einkommens- und Verbrauchsstatistik (EVS). Das EU-Verfahren wird dagegen in Deutschland erstmals verwendet - und ist auch umstritten.

So kritisiert der emeritierte Frankfurter Professor für Verteilungs- und Sozialpolitik Richard Hauser in einer Untersuchung von 2007 das EU-Verfahren deutlich. Im Vergleich beider Verfahren mit dem Mikrozensus zeige sich, dass das EU-SILC die Anzahl der armen Kinder unter vier Jahren "deutlich untererfasse", während sie im SOEP "leicht überrepräsentiert" seien. Ältere seien im EU-Verfahren überzeichnet. Die Abweichungen seien erklärungsbedürftig, schreibt Hauser in seiner Analyse für den Rat für Sozial und Wirtschaftsdaten, der vom Bildungsministerium gefördert wird. Die Daten könnten die ermittelten Armutsquoten "deutlich verzerren".




Aus: "Scholz rechnet Armut schön" von Maike Rademaker (FTD vom 21.05.2008, Berlin)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/358199.html?p=1 (http://www.ftd.de/politik/deutschland/358199.html?p=1)

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Quote[...] "Wenn es die Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld II, Wohn- oder Kindergeld nicht gäbe, dann hätten wir statt 13 Prozent 26 Prozent Arme", sagte der Sozialminister. Am schlimmsten sei die Lage für die Langzeitarbeitslosen und die Alleinerziehenden und deren Kinder.

Quote

19.05.2008 17:55:54

Profprom: Armut wurde noch 2005 wie folgt definiert:

"In Deutschland gilt demnach ein Ein-Personen-Haushalt mit einem monatlichen Einkommen von 940 Euro (netto) und weniger als arm. Für jeden weiteren Erwachsenen wird die Hälfte, für weitere Kinder unter 14 Jahre ein Drittel dieses Betrags veranschlagt."

http://www.gew-bw.de/Sozialpolitik_Armut-_und_Reichtumsbericht.html

Um die katastrophale Entwicklung zu verschönern, haben die Politiker das Armutskriterium jetzt gesenkt, auf 781 Euro netto für einen Single. Wir werden ständig belogen und betrogen.


Quote19.05.2008  09:33:15

Medusa04: "Der Aufschwung kommt an...

"Der Aufschwung kommt an! Er kommt bei immer mehr Menschen an!" O-Ton Merkel

...


Quote

19.05.2008 13:23:15

Jeork: Ein Schritt vor, zwei zurück, immer Richtung Zukunft

Der erbärmliche Armutsbericht der Bundesregierung bestätigt die katastrophale Entwicklung in Germany, wie schon seit langem zu beobachten ist.

Das damalige Wirtschaftswunder wurde doch nicht durch Gehorsam oder mechanische Arbeit, sondern durch Innovation und dem Ideal der Verbesserung auf allen Ebenen, erreicht. Das deutsche Wirtschaftswunder wurde mal vom Sozialstaat erschaffen, von Menschen, die sich trauten, Visionen zu übersetzen...

Ein verängstigter Mensch, der in Unsicherheit lebt, ob es ihm in vier Wochen noch möglich ist, seine Miete zu zahlen, oder seine Familie zu ernähren, hat keine Kapazität mehr für seinen kreativen Geist. Die wichtigsten weltverändernden Erfindungen sind alle von "Freigeistigen Spinnern" ans Licht geraten worden. Nicht aber von Lohndumping geknechteter Spezies. Nach dem Kampf ums tägliche Brot, sprich: materielle Überleben, sind eben alle geistig und körperlich verhindert und ausgelaugt und nur noch fähig, den letzten Hauch für die Fortpflanzung zu geben und in die alten, die bereits vorhanden Überzeugungsmuster rein zu denken..

Es wäre also für die Regierenden (Wirtschaftsbosse) ein kleiner Schritt, schon aus ureigensten Interessen von Nöten - gerade in Deutschland -, sich von einer Angst machenden, sozialzerstörerischen Vorgehensweise, die nach den Vorbildern aus einer anderen Welt praktiziert wird, abzukehren.. Altruismus und Solidarität vielleicht eben.


Quote

19.05.2008 16:31:06

spyware2: MAGNIFIER

"Jeder Mensch hat, ebenso wie das natürliche Recht darauf zu atmen, ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Neben den Grundbedürfnissen hat jeder Mensch das Recht auf uneingeschränkte kulturelle Teilhabe und Entwicklung der Gesellschaft."

Sie haben das Recht auf Reichtum vergessen und vor allen Dingen wer es garantiert, wer es durchsetzt und wer es einen verschafft.

Sie fordern ein Schlaraffenland. Wer soll das bezahlen? Wer hat soviel Geld?

Fordern können Sie viel, aber die Realität ist Ihr Erzfeind und die Realität neigt dazu Hirngespinste und Utopie gnadenlos zu zerstören.


...


Aus: "Armutsbericht der Bundesregierung - Die Kluft wird größer" (18.05.2008)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/770/175245/ (http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/770/175245/)

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Quote[...] Ein-Euro-Jobs sind ,,Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung"[1][2][3][4] für Empfänger von Arbeitslosengeld II. Rechtsgrundlage ist aktuell vor allem der § 16 Abs. 3 SGB II. Sie sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nach Abs. 3 Satz 2 zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein.

Bei einem Ein-Euro-Job entsteht kein reguläres Arbeitsverhältnis, auch dann nicht, wenn die Heranziehung zu den Arbeiten rechtswidrig war.[5] Es wird kein Arbeitsentgelt oder Lohn, sondern zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine ,,Mehraufwandsentschädigung" gezahlt, weil die dem Alg-II-Empfänger durch Ausübung einer Arbeitsgelegenheit zusätzlich entstehenden Aufwendungen in der Regelleistung nicht berücksichtigt sind.[6] Die Höhe dieser ,,Mehraufwandsentschädigung" (MAE) wird unter Rückgriff auf die langjährige Verwaltungspraxis zu § 19 BSHG (frühere Sozialhilfe)[7] mit ungefähr 1,- Euro pro Stunde beziffert. Ein-Euro-Jobs werden auch als ,,MAE-Stellen" und die entsprechenden Maßnahme-Teilnehmer als ,,MAE-Kräfte" bezeichnet.

,,MAE-Kräfte" gelten nicht als arbeitslos und werden somit zahlenmäßig nicht in der Arbeitslosenstatistik ausgewiesen.[8] Ferner werden die ,,MAE-Stellen" (Ein-Euro-Jobs) wie ganz normale Arbeitsverhältnisse in die Berechnung des Rentenwertes mit einbezogen.[9][10][11]

[...] Ziele

Zielgruppe der Arbeitsgelegenheiten sind nach § 16 Abs. 3 SGB II Arbeitslose, die ALG II beziehen und keine Arbeit finden können. Die Arbeitsgelegenheiten sollen Arbeitslose (unter ,,weicheren Umständen"[16]) wieder an den Rhythmus des Arbeitstages und die Erwartungen des Arbeitsmarkts an ein gewisses Maß an Arbeitsdisziplin gewöhnen und so die Verwertbarkeit der Arbeitskräfte für Arbeitgeber wieder herstellen. Hierdurch sollen die betreffenden Personen für eine Einstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder attraktiver gemacht werden. Als solches sind diese Arbeitsgelegenheiten deswegen vor allem zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen gedacht,[17] die anders aller Voraussicht nach nicht in absehbarer Zeit wieder eine reguläre Beschäftigung aufnehmen werden.

[...] Zuweisungsanspruch

Für Bezieher von ALG II besteht kein Rechtsanspruch auf einen Ein-Euro-Job, sofern die Zuweisung nicht in der Eingliederungsvereinbarung zugesichert wurde. Er kann die Teilnahme beantragen, jedoch entscheidet der persönliche Ansprechpartner (oft auch Fallmanager oder Arbeitsvermittler genannt) in pflichtgemäßem Ermessen über die Notwendigkeit der Förderung. Eine Arbeitsaufnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist in jedem Fall (auch während der Teilnahme an einem Ein-Euro-Job) vorrangig.[23] Von Nicht-Beziehern von Arbeitslosengeld II kann die Zuweisung zu einem Ein-Euro-Job nicht verlangt werden.[24]

Sanktionen bei Verweigerung

Wer einen ihm zugewiesenen Ein-Euro-Job ohne wichtigen Grund nicht aufnimmt oder fortführt, dem wird nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c und 1d SGB II das Arbeitslosengeld II für drei Monate sanktioniert, das heißt seine Zahlung in der Höhe gekürzt. Vor Erlass einer Sanktion muss zeitnah eine konkrete und auf die Arbeitsgelegenheit bezogene Belehrung erfolgt sein,[25] die im Regelfall mit der Zuweisung der Arbeitsgelegenheit unterbreitet wird. Die Arbeitsgelegenheit darf jedoch nicht als ,,Mittel zur Disziplinierung" gebraucht werden, sondern muss der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen und ist gegenüber anderen Eingliederungsmaßnahme auf dem ersten Arbeitsmarkt nachrangig.[26] Der Ein-Euro-Job muss im Hinblick auf Beschäftigungsgeber, Art, Ort und Umfang des Einsatzes vor dem Antritt konkretisiert werden.[27]

Darüber hinaus kann die Hilfe gekürzt werden, wenn sich der Betreffende trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, die o. g. ihm vom Fallmanager vorgelegte und ausreichend erläuterte Eingliederungsvereinbarung, die z. B. eine Zuweisung in einen 1-€-Job enthält, zu unterschreiben. Unterschreibt der Arbeitslose die Eingliederungsvereinbarung unter Zusätzen oder nicht vorher abgesprochenen Änderungen (z. B. Streichung der Zuweisung), dann gilt die Eingliederungvereinbarung als nicht zustande gekommen,[28] da es für die übereinstimmenden Willenserklärungen für den Vertragsabschluss fehlt.[29] Der Behörde gemachte Änderungsvorschläge zählen jedoch nicht als Verweigerung und es muss von der Behörde zu ihnen Stellung genommen werden, falls sie nicht in die Vereinbarung aufgenommen werden.[30]

Zumutbarkeit und Voraussetzungen

Als zumutbare Arbeit gilt nach § 10 Abs. 1 SGB II grundsätzlich jede legale, nicht sittenwidrige Arbeit, zu der der Betreffende körperlich, geistig und seelisch in der Lage ist. Für einen Ein-Euro-Job muss die Arbeit jedoch eigentlich nach dem Gesetz im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein, also nicht normal bezahlte Lohnarbeit, um ansonsten benötigte Beschäftigte zu ersetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Es besteht deshalb bei der betreffenden Einrichtung, in der ein Ein-Euro-Job geschaffen werden soll, ein Beteiligungsrecht der örtlichen Personalvertretung.[31]

Der Grundsicherungsträger führt Arbeitsgelegenheiten in der Regel nicht selbst durch, sondern er beauftragt damit Dritte, wie kommunale Beschäftigungsgesellschaften, gemeinnützige Organisationen oder private Bildungsträger. Es kommen alle zusätzlichen Arbeiten in Frage. Zusätzlich sind Arbeiten, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden. Wenn eine Stelle nicht zusätzlich oder im öffentlichen Interesse ist, darf sie – streng nach dem Gesetz – nicht nur mit einem Euro pro Stunde entlohnt werden, sondern die Bezahlung muss regulär erfolgen.[32] Durch die Zusätzlichkeit sollen Verdrängungseffekte vermieden werden und der örtlichen Wirtschaft keine Konkurrenz gemacht werden.

Die Jobs müssen im öffentlichen Interesse liegen, sind in der Regel also kaum bei gewinnorientierten Privatunternehmen angesiedelt. Möglich sind beispielsweise einfache Helferarbeiten im Kindergarten, im Garten- und Landschaftsbau, bei der Stadtinformation oder Stadtreinigung, in der Altenpflege und Krankenpflege oder als Einkaufshelfer für Ältere.

[...] Verschlechterung des regulären Stellenangebots

Die Vermeidung von Verdrängungseffekten ist anscheinend zumindest in einigen Branchen in großem Umfang gescheitert – im Gegenteil: Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnete beispielsweise einen Rückgang von Stellenangeboten im Pflegebereich, der auch von einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bestätigt wird. Ein-Euro-Jobs verdrängen nach Feststellung dieses Instituts der Bundesagentur selbst tatsächlich reguläre Arbeitsplätze qualifizierter Beschäftigter.[37] In vier Prozent der Einrichtungen, die so genannte Ein-Euro-Jobs anbieten, waren laut der Studie Personaleinsparungen bei der regulären Beschäftigung die Folge. Dieser Effekt betrifft soziale Einrichtungen, wie Pflegeheime und Kindertagesstätten sowie Hilfsorganisationen.[38] So entstand ein Niedriglohnsektor in verschiedenen Bereichen, da es sich in der Regel nicht um zusätzliche oder ergänzende Aufgabenfelder handelt. Die Ein-Euro-Jobs führen notwendigerweise zu einer Beschleunigung des Stellenabbaus. Dies ist zwangsläufig, da die eigentlich nötigen Personalkosten der sozialen Einrichtungen und Kommunen durch Bundesmittel ersetzt werden können, die strukturiert durch die MAE-Gelder ersetzt sind. Es wird auch versucht, die Kontrolle durch Personalräte zu umgehen, weshalb es auch zu Rechtsstreitigkeiten gekommen ist. Diese wurden jedoch zu Gunsten der Personalräte und ihrem Beteiligungsrechts bei der Schaffung von Ein-Euro-Jobs entschieden[39].

Handwerkspräsident Otto Kentzler hat die starke Zunahme der Ein-Euro-Jobs in Deutschland heftig kritisiert. ,,Bei den Ein-Euro-Jobs brechen alle Dämme". Ihre Zahl sei 2005 auf weit über 200.000 gestiegen, die Bundesregierung peile sogar 600.000 an, so Kentzler. Die Kommunen setzten die Arbeitslosen oft dort ein, wo sie bis vor kurzem noch Handwerksfirmen beauftragt hätten. Somit verdrängten die Ein-Euro-Jobber die regulär Beschäftigten, die dann auch in der Arbeitslosigkeit landeten.

Künstlicher Billiglohnsektor

Durch Ein-Euro-Jobs werden ferner die Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angegriffen. Darunter leidet die Qualität in den Einrichtungen. Die verbleibenden Mitarbeiter haben zunehmend Angst um ihren Arbeitsplatz. Indem sie Mehrarbeit leisten, verhindern sie Neueinstellungen und schädigen ihre familiären und sozialen Beziehungen. Sie verzichten auf Genesungszeit bei Krankheit, schädigen so ihre Gesundheit und belasten langfristig das Gesundheitssystem. Gesamtgesellschaftlich wird dadurch eine angstgetriebene Hoffnungslosigkeit erzeugt, die sich schädigend auf die Wirtschaft auswirkt (Energie, Kreativität, Leistungsbereitschaft, Kaufkraft) und das Sozialgefüge stört (Trennung von Bevölkerungsschichten).

Öffentliche und private Arbeitgeber könnten sich weiter aus ihrer Verantwortung zur Schaffung von regulären Arbeitsplätzen zurückziehen. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, dass eine bewusst erzeugte Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte forciert wird: mit Hinweis auf die leeren Kassen wird eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gefördert, notwendige Arbeiten durch Ein-Euro-Jobber erledigen zu lassen.

Statistikverzerrung

Ein-Euro-Jobs tragen zur ,,Schönung" der Arbeitslosenstatistik bei. Da es sich bei Ein-Euro-Jobs um Maßnahmen der aktiven Arbeitförderung handelt, sind Ein-Euro-Jobber Maßnahmeteilnehmer. Sie gelten somit nach § 16 Abs. 2 SGB III nicht als arbeitslos, obwohl sie ja Arbeitslosengeld II beziehen und keiner wirklichen versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen.[40]

Wettbewerbsverzerrung

Problematisch ist weiterhin, dass sich Einrichtungen, die Ein-Euro-Kräfte gesetzeswidrig einsetzen, um reguläres Personal zu sparen, sich damit gegenüber Mitbewerbern, die sich regelungskonform verhalten, betriebswirtschaftliche Vorteile verschaffen. Der Vorteil resultiert aus den dadurch auf Kosten der Allgemeinheit (Finanzierung der Arbeitsgelegenheit aus Steuermitteln) eingesparten Personalkosten.[41]

Prekarisierung

Kritisiert wird von Seiten von Hartz-IV-Gegnern, dass Menschen durch die Regelungen der Ein-Euro-Jobs zur Arbeitsaufnahme unter schlechten, prekären Verhältnissen (Bezahlung z. T. nicht einmal bedarfsdeckend, schlechte Bedingungen) gedrängt werden würden.

Arbeitsbedingungen

Da es sich bei Ein-Euro-Jobs nicht um Arbeitsverhältnisse handelt, gibt es weder einen Arbeitsvertrag noch tarifliche Entlohnung, keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub, kein Streikrecht und keinen Kündigungsschutz. Die den Ein-Euro-Jobs zugrunde liegende rechtliche Regelung des § 16 Abs. 3 SGB II begründet nämlich kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts. Das wird von Kritikern auch als verfassungsrechtlich bedenklich befunden, da ,,damit viele hunderttausend Menschen in einen Zustand der Rechtlosigkeit oder Rechtsunklarheit versetzt werden"[42]

Zweifel an Verbesserung der Vermittelbarkeit

Nach einer Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung wird bezweifelt, dass 1-€-Jobs generell der schnelleren Vermittlung Langzeitarbeitsloser in eine reguläre Beschäftigung förderlich sind. So wurden in solche Arbeitsgelegenheiten zugewiesene Kräfte im Schnitt sogar später in Arbeit vermittelt, als andere Langzeitarbeitslose. Es wird hierbei von einem Einsperr-Effekt gesprochen, der den ursprünglichen Zielen dieser Beschäftigungen entgegen läuft.[43]

Wertungskonsistenz mit dem Strafrecht

Problematisch nach Meinung einiger Kritiker im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Wertungskonsistenz mit dem Strafrecht[44] ist der Umstand, dass gemeinnützige Arbeit im Erwachsenenstrafrecht als Ersatzstrafe[45] vorgesehen ist. Ferner ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 441/90, Urteil vom 1. Juli 1998)[46] im Strafvollzug zu beachten, dass die einem Strafgefangenen zugewiesene Pflichtarbeit nur dann ein verfassungskonformes Resozialisierungsmittel ist, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese Anerkennung muss nicht notwendig finanzieller Art sein. Sie muss aber geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen. Ein gesetzliches Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit, die nur oder hauptsächlich finanziell entgolten wird, kann zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nur beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewusst gemacht werden kann, dass Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist.

[...] Argumentationsweisen, die ,,Ein-Euro-Jobs" befürworten

Praktischer Eignungsbeweis

Ein-Euro-Jobs können die Chancen von Arbeitssuchenden auf eine spätere Einstellung in einen Betrieb oder in einer Einrichtung verbessern, da sich der Betreffende durch die gezeigte Arbeitsleistung für eine Einstellung auf frei werdende Stellen empfehlen kann. Zwingende Voraussetzung hierfür ist die Unterbindung der Möglichkeit, notwendig anfallende Arbeit (v. a. auf Dauer) von Ein-Euro-Jobbern erledigen zu lassen. So greift dieser Vorteil nur, wenn die zuweisende Stelle die Zusätzlichkeit der geschaffenen Arbeitsgelegenheit entsprechend kontrolliert.

Einbringung in die Gesellschaft

Viele ALG-II-Bezieher fühlen sich nicht gebraucht und wertlos. Durch diese Maßnahmen wird es – so die Theorie – den Menschen erleichtert, sich wieder in die Gesellschaft einzubringen und einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Bei tatsächlicher Beachtung der gesetzlichen Auflagen führen sie für die Gesamtgesellschaft nützliche (= gemeinnützige) zusätzliche Arbeiten aus, z. B. zusätzliche Betreuung alter Menschen (vorlesen, Gespräche, Gesellschaft).

Beschäftigung für sonst nicht Vermittelbare

Für auf dem normalen Arbeitsmarkt auf Dauer nicht mehr Vermittelbare kann durch Ein-Euro-Jobs eine entlohnte Beschäftigung geschaffen werden, die die Betreffenden sonst auf Jahre nicht mehr hätten und stattdessen daheim sitzen würden. So wird Beschäftigung geschaffen für Personen, die z. B. aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen oder sehr großen Lücken im Lebenslauf (etwa Kombinationen aus mehreren Haftaufenthalten und langen Arbeitslosigkeitsphasen) bei der ,,regulären" Arbeitssuche keine Chance hätten.

Anrechnungsfreies Zusatzeinkommen

Ein-Euro-Jobs bieten finanzschwachen Empfängern von Arbeitslosengeld II die einzige komplett anrechnungsfreie wenn auch geringe Zuverdienstmöglichkeit. Aus diesem Grund werden auch v. a. kaum vermittelbare Bedürftige oft auf eigenen Wunsch zu einer solchen Arbeitsgelegenheit eingeteilt.




Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/1-Euro-Job (http://de.wikipedia.org/wiki/1-Euro-Job) (19. Mai 2008)

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Quote[...] Die Kritik, die zahlreiche Arbeitsmarktexperten an den so genannten Ein-Euro-Jobs üben, hat nun auch den Bundesrechnungshof wachgerüttelt. In einem 55-seitigen Prüfbericht attestiert er diesem wichtigsten Instrument der aktiven Förderung, dass es nicht nur keine Beschäftigung schafft, sondern sogar bestehende Vollzeit-Arbeitsplätze verdrängt.

Für drei von vier geförderten Hartz IV-Empfängern bringen sie "keine messbaren Integrationsfortschritte", stellen die Prüfer fest. Meistens handele es sich bei den geförderten Tätigkeiten um reguläre Aufgaben der öffentlichen Hand. Mit den Ein-Euro-Jobs sollten somit reguläre "Arbeitskräfte eingespart werden". Ein Beispiel ist der Ein-Euro-Jobber im Archiv des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Seine Tätigkeit sei nicht zusätzlich, sondern Teil der "ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung" der Behörde.

Nach Recht und Gesetz müssen die Tätigkeiten zusätzlich, wettbewerbsneutral und im öffentlichen Interesse sein. In 68 Prozent der 173 untersuchten Fälle habe mindestens eine Fördervoraussetzung gefehlt. Die Arbeitsverwaltung habe es grundsätzlich unterlassen, so der Bundesrechnungshof weiter, den Erfolg und die Wirkung der einzelnen Maßnahmen zu überprüfen.

Im vergangenen Jahr mussten fast 800 000 Menschen einen Ein-Euro-Job annehmen. Prinzipiell sollten damit Personen gefördert werden, die schlechte Eingliederungschancen haben. "Diese Orientierung auf einige wichtige Problemgruppen am Arbeitsmarkt ist nicht zu erkennen", urteilte kürzlich das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur (IAB). Eine erfolgreiche Beseitigung der Hilfebedürftigkeit "wird innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt in einen Zusatzjob nicht erzielt." Es würden häufig Personen gefördert, deren Beschäftigungsfähigkeit durch Ein-Euro-Jobs nicht verbessert werden kann. Vor allem für Männer "ist der Effekt nahe Null".

Bei der Bundesagentur selbst heißt es, der Bericht sei nur eine Zusammenfassung früherer Einzelberichte, auf die man jeweils bereits reagiert habe. Den örtlichen Agenturen seien verbindliche Arbeitshilfen zum Thema Zusatz-Jobs an die Hand gegeben worden. Man plädiere jedoch dafür, lokale Beiräte der verschiedenen Akteure zu schaffen, die über die Einhaltung der Vorschriften wachen sollten.

Der DGB wertet den Bericht des Rechnungshofs als Aufforderung an die Koalition, den massenhaften Einsatz von Ein-Euro-Jobs endlich zu stoppen. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnet das Ergebnis der Kontrolleure als "schallende Ohrfeige für die Politik". Sie kritisiert, dass die Bundesregierung nicht tätig geworden sei, obwohl der Rechnungshof die Praxis bei den Ein-Euro-Jobs schon im vergangenen Jahr bemängelt hatte. Fakt sei, dass diese teuer seien, keine Perspektiven böten, stattdessen aber Lohndumping förderten und sogar reguläre Arbeitsplätze gefährdeten. "Ein solch offensichtlicher Unsinn muss endlich gestoppt werden", fordert Buntenbach.



Aus: "Kritik vom Bundesrechnungshof - Ein-Euro-Jobs vernichten Arbeitsplätze" VON ROLAND BUNZENTHAL (21. Mai 2008)
Quelle: http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?em_cnt=1331796& (http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?em_cnt=1331796&)

-.-

Quote
QuoteFTD-Mod03 Moderator:
"Der Armutsbericht der Regierung stellt fest, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter gewachsen ist. Wie muss die Politik reagieren?"

Quotejewgr
Aufsteiger, 05/2008

Was tun?
Zum Beispiel Mindestlohn auf 1,50/St. absenken. Dann diejenigen, die für 6,50 arbeiten, nicht mehr zu den Armen zählen.

Quotekaburkabari,
Starter - 05/2008

Die Verselbständigung unserer sogenannten Leistungseliten im Wirtschafts-, Politik- und Administrationssektor hat solche Ausmaße angenommen, dass keine realen Führungsleistungen im Sinne gesamtbetrieblicher bzw. gesamtgesellschaftlicher Konzeptentwicklungen bzw. Entscheidungen mehr erbracht werden.

Diese in sich eingeschlossene Machtkaste zeigt die gleichen pathologischen Züge einer Form von Autismus, wie wir sie in der Zeit der Nazi- und Kommunistendiktaturen in Deutschland bei den dortigen Funktionärseliten erkennen können.

Dass heutiges Politiker- und Unternehmenslenkerwirken grundlätzlich den Prinzipien der Bescheißerphilosophie folgt, die dann auch noch mit den korruptiven Elementen von lobbyistisch durchseuchten Ministerien gewürzt wird, welche durch das spezielle Siemensmodell charakterisiert sind.

Armut in Deutschland ist keine Frage mangelnder finanzieller Vermögen. Diese Armut hat ihre Ursache im mangelenden Regierungsvermögen, im mangelhaften Sozialverhalten unserer Eliten und ihm Übermass der realen Skrupellosigkeit, Selbstverliebtheit und Manieriertheit jener, deren Slogen lautet: "Euer Elend kotzt mich an". Deshalb waten wir heute in unserem Land durch eine immer höher steigende Flut von Erbrochenem, Tränen, Eiter, Blut und wohl bald auch von Kot.

Nicht eben eine Erfolgsbilanz, die wir da seit Mitte der 1980er Jahre unseren Eliten testieren müssen.


QuoteTR512, 05/2008

Es sind keine Stricke da, an denen man ziehen kann

Zitat:
QuoteZitat von Mure:
Ich weiß es auch nicht. Wir sind das Volk. Wenn alle dran ziehen dann können wir viel erreichen.


Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, doch bleibt das alles im Ungefähren stecken. Woran sollen wir denn ziehen?

Sie bekommen doch noch nicht einmal zwei Leute unter einen Hut, geschweige denn ein Volk von ca. 80 Mio. Den allerwenigsten Leuten sind doch die einfachsten Zusammenhänge geläufig.

...






Aus: " Muss die Politik eingreifen?" (05/2008)
Quelle: http://www.ftd.de/debatte/showthread.html?t=597 (http://www.ftd.de/debatte/showthread.html?t=597)

Title: [Geschönte Arbeitslosenzahlen... (Notiz, BRD)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 27, 2008, 12:07:48 PM
Quote[...] Seit Jahrzehnten rechnen Politiker die Arbeitslosigkeit klein - mit beachtlichem Einfallsreichtum und immer neuen Förderprogrammen. Noch jede Regierung hat sich Tricks einfallen lassen, um die Statistik aufzubessern.

[...] Am Donnerstag wird die Bundesagentur für Arbeit ihre Zahlen für den Mai vorlegen - Experten haben keinen Zweifel, dass die Daten auch diesmal günstig ausfallen werden. Sogar noch günstiger als zuletzt, als die Nürnberger Behörde 3.413.921 Erwerbslose vermeldete.

[...] Fast alle träumen ihn wieder, diesen Traum. SPD-Chef Kurt Beck, ebenso sein Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Auch Unionspolitiker glauben fest daran, dass Vollbeschäftigung in Deutschland erreichbar ist: erst drei Millionen Arbeitslose, dann zwei Millionen, und so weiter. Vergessen scheint die Zeit, als SPD-Kanzler Gerhard Schröder einen politischen Offenbarungseid leisten musste, weil mehr als fünf Millionen Deutsche keinen Job finden konnten. Von diesen düsteren Tagen spricht heute, vor einer Serie von Wahlen, keiner mehr.

Und da ist noch etwas, an das die Regierenden in Berlin nicht gern erinnert werden: In Wahrheit sind es nicht 3.413.921 Menschen, die derzeit eine Arbeit suchen, so wie es die amtliche Statistik scheinbar akribisch ausweist. Tatsächlich würden weitere gut 1,5 Millionen Männer und Frauen eine reguläre Beschäftigung ergreifen, wenn sie denn eine fänden. Sie finden aber keine, und trotzdem tauchen sie in der Arbeitslosenstatistik nicht auf.

Der seltsame Schwund liegt zu großen Teilen daran, dass mindestens seit den Zeiten des CDU-Kanzlers Helmut Kohl alle Regierungen mit Tricks und Kniffen die amtlichen Zahlen nach Kräften geschönt haben. In großem Einfallsreichtum schuf die Politik fragwürdige Arbeitsmarktprogramme, die oft auch das Ziel verfolgten, die Statistik kräftig aufzubessern. Außerdem gibt es 625.000 Menschen, die zur "stillen Reserve" gerechnet werden, weil sie sich, frustriert über ihre schlechten Vermittlungschancen, erst gar nicht bei den Arbeitsagenturen melden.

Zähle man alles zusammen, so sagt Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), "kommt man in Deutschland auf gut fünf Millionen Menschen, die gerne arbeiten würden". Das sind gut 1,5 Millionen mehr als in der amtlichen Statistik. Nur scheinbar hat alles seine Ordnung. Denn neben den offiziell arbeitslos Gemeldeten gibt es viele, die in sogenannten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen stecken, die also keinen richtigen Job haben. Sie gelten aber nicht als arbeitslos, weil sie staatlich gefördert werden und deshalb momentan auf dem Arbeitsmarkt nicht einsetzbar sind.

Wer einen Zuschuss bekommt, um eine Firma zu gründen, oder wer eine Weiterbildung auf Staatskosten macht, der fällt aus der Statistik - obwohl er sich wahrscheinlich als arbeitslos begreift. Das gilt ebenso für Ein-Euro-Jobber, die in Parkanlagen Wege bauen. Auch Leute, die in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) Stadtchroniken schreiben, tauchen in den offiziellen Zahlen nicht auf.

Selbst wer an einer Trainingsmaßnahme teilnimmt oder als Leiharbeiter bei einer Personal-Service-Agentur eingestellt wird, fällt aus dem Zahlenwerk heraus. Zusammen geht es um mehr als eine Million Menschen: Im April gab es laut der Bundesagentur 300.000 Ein-Euro-Jobber, fast 200.000 Menschen wurden vom Staat beim Weg in die Selbständigkeit unterstützt, 246.000 waren in einer Qualifizierungsmaßnahme und gut 300.000 nutzten die staatlich geförderte Altersteilzeit oder waren Arbeitslose im Vorruhestand.

Die statistischen Tricksereien haben Tradition in Deutschland. Sie sind ein Akt der Wählertäuschung, gelten aber als eine Art politisches Kavaliersdelikt. Das vermutlich dreisteste Beispiel stammt aus dem Jahr 1986. Damals regierte Helmut Kohl im dritten Jahr. 1987 stand die nächste Bundestagswahl an, in den Vorjahren war die Arbeitslosigkeit sprunghaft gestiegen - von 3,8 Prozent (1980) auf 9,3 Prozent (1985). Da beschloss die Regierung im Januar 1986 kurzerhand, dass über 58-Jährige künftig leichter Arbeitslosengeld bekommen sollten. Die Älteren müssten nicht einmal mehr einen zumutbaren Job annehmen - trotzdem sollten sie Unterstützung beziehen.

Eine Großzügigkeit, die sich auch für die Regierung auszahlte: Fortan wurden die Betroffenen wegen fehlender Verfügbarkeit auch nicht mehr als Erwerbslose erfasst. Diese sogenannte 58er-Regelung förderte in der Folge massiv den Frühverrentungstrend in deutschen Betrieben. Bis heute verzerrt sie zudem die Statistik: Derzeit nutzen laut Bundesagentur noch etwa 400.000 Menschen die Regelung.

Die nächste Beschönigungs-Operation unternahm die Kohl-Regierung im Frühjahr vor der Bundestagswahl 1998, die Arbeitslosigkeit im vereinigten Deutschland war auf über zwölf Prozent gestiegen. Prompt verkündete Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ein 600 Millionen Mark schweres Arbeitsmarkt-Sonderprogramm für 100000 neue Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - schon sah die Statistik wieder hübscher aus.

Aber auch Rot-Grün widerstand der Versuchung nicht. Die Regierung von Gerhard Schröder (SPD) sorgte dafür, dass seit Anfang 2004 Teilnehmer von Trainingsmaßnahmen nicht mehr im Zahlenwerk berücksichtigt werden. Im Februar 2004 senkte das die Arbeitslosenzahl auf einen Schlag um 89000.

Mit den Hartz-Gesetzen sorgte die rot-grüne Koalition später allerdings auch für mehr Ehrlichkeit in der Statistik. Seit Anfang 2005 tauchen beispielsweise frühere Sozialhilfeempfänger in den Daten auf, die vorher nicht eingerechnet waren. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II werden nun alle Menschen erfasst, die arbeitsfähig sind.

Den Effekt dieser Neuordnung hatten Schröder und die Seinen kräftig unterschätzt. So war der Schrecken groß, als die Arbeitslosenzahl im Januar 2005 erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg auf mehr als fünf Millionen stieg. Der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) setzte sogar noch eins drauf: Er räumte damals ein, dass - wenn man auch die Betroffenen in Ausbildungs- und Förderprogrammen und im Vorruhestand mitzähle - etwa 6,5 Millionen Menschen in Deutschland "gravierende Probleme am Arbeitsmarkt" hätten. Von Vollbeschäftigung traute sich damals lange Zeit niemand mehr zu sprechen.

Das tun die Großkoalitionäre nun umso eifriger. Dabei widerstanden auch sie der Versuchung nicht, die Zahlen schöner zu machen, als sie in Wirklichkeit sind. Das zeigt sich konkret am Umgang mit der Blümschen 58er-Regelung. Anfang des Jahres haben SPD und Union dieses Frühverrentungs-Programm zwar eingedämmt.

Grundsätzlich können Ältere sich jetzt nicht mehr ohne Weiteres einer Vermittlung entziehen und trotzdem Hilfe bekommen. Konsequent war die Koalition aber nicht: Auch künftig fallen nämlich ältere Langzeitarbeitslose aus der Statistik, wenn ihnen innerhalb eines Jahres kein konkretes Job-Angebot gemacht werden kann. Ein halbherziger Schritt. IAB-Direktor Möller sagt dazu: "Das sind Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Da wird in der Tat an der Statistikschraube gedreht." Das weiß natürlich auch Arbeitsminister Scholz. Darüber wird er an diesem Donnerstag aber bestimmt nicht sprechen.

Quote

27.05.2008 08:34:37

toybox: Eine Meldung mit einem langen Bart

Das ist das erste was mir dabei eingefallen ist. Die Meldung ist nicht neu, das wissen darum ist nicht neu. Schon im April hat Frontal 21 einen TV Bericht dazu gemacht und hat da sogar alles schön aufgebröselt, wie die realen Arbeitsmarktdaten aussehen.

Wenn man nämlich die 58er wieder mit einrechnet, die ALG2 - Leute, jene die in irgendwelchen Maßnahmen ihre Runde drehen, dann noch solche die sich erst gar nicht Arbeitslos melden usw. usf., dann kommen wir locker wieder auf die 5 Millionen Arbeitslose. Wir reden hier wahrscheinlich über ca. 10 Ausschlusskriterien, die einen Arbeitslosen zu einem nicht Arbeitslosen machen und damit aus der Statistik raus halten.

Aber wie auch das ZDF, werden auch alle andere Medien, die dieses Thema schon einmal aufgegriffen haben (sie liebe SZ, sind nicht die ersten - Fo*us schon im Januar), an der diese mysteriösen Amnesie leiden, wenn nächsten Monat die neuen Arbeitsmarkdaten veröffentlicht werden. Dann werden auch sie wieder Jubeln. Keiner wird Fragen wie sich die Statistik über die Jahre verschoben hat - wieviele Menschen von ALG1 ins ALG2 gerutscht sind.

Was hatte ich mal über diese Arbeitslosenstatistik gelesen... Eine Statistik, die so frisiert ist, das selbst Udo Waltz stolz drauf wäre.



Quote

26.05.2008 18:53:13

carlcomma: Machen Sie mal als Unternehmer in der freien Wirtschaft falsche Angaben zu Ihrem Unternehmen - sie finden sich vor der Staatsanwaltschaft wieder - als Beklagter...


Quote

26.05.2008 18:51:42

AckiTrain:

Noch eine kleine Ergänzung:

[...] Auch der Blick auf das Unwesen der so genannten Beschäftigungsgesellschaften würde sich lohnen.

Ich kann mich noch einigermaßen gut erinnern, als Ende der 70er die Welt unterzugehen drohte, weil die Arbeitslosigkeit bei 1 Million lag. Heute tanzen Politiker vor Freude ums Feuer, wenn geschönte 3,4 Millionen vermeldet werden.


Quote26.05.2008 18:14:47
rellama:

Die Kohlschen blühenden Landschaften gab es lange vor ihm. Die böhmischen Dörfer...




Aus: "Geschönte Arbeitslosenzahlen: Seit Kohl wurde getrickst" Von Nina Bovensiepen und Sibylle Haas
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/230/176695/4/ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/230/176695/4/)


Title: [Arbeitsmarkt - Mehr Jobs, weniger Sicherheit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 10, 2008, 10:33:07 AM
Quote[...] Immer weniger Bürger verdienen ihr Geld in einem klassischen Vollzeitjob. Die Zahl der normalen Arbeitsverhältnisse ist in den vergangenen zehn Jahren um 1,53 Millionen gesunken. Neue Beschäftigungsformen wie Minijobs und Zeitarbeit nehmen dagegen stark zu. ...

Immer mehr Menschen in Deutschland sind befristet beschäftigt, arbeiten in Teilzeit oder als Leiharbeiter. Die Zahl der "atypischen Beschäftigungsverhältnisse" sei zwischen 1997 und 2007 um 2,58 Millionen auf 7,68 Millionen gestiegen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit.

...

Quote

10.09.2008 08:11:12

Gänseliesel:

Immer wieder erstaunlich, dass logische und damit zu erwartende Konsequenzen politischer Entscheidungen immer so mit Überraschung und mit starker Verzögerung von der Presse und diversen Einrichtungen wahrgenommen werden.

Wer hat denn ernsthaft geglaubt, dass durch die Einführung von Zeitarbeit und Minijobs die Arbeit tatsächlich mehr werden würde?

Während die Automatisierung weiter voranschreitet.

Während die Billiglohnkonkurrenz aus anderen Ländern immer noch stark ist.

Während von Aktionären weiter die Senkung der Kosten gefordert wird.

Während diese Senkung der Kosten von den Vorständlern immer mit Senkung der Personalkosten gleichgesetzt wird.

...




Aus: "Arbeitsmarkt - Mehr Jobs, weniger Sicherheit" Von Nina Bovensiepen (10.09.2008)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/615/309551/text/ (http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/615/309551/text/)

Title: [Being Poor... (Note, John Scalzi, 2005)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 11, 2008, 03:39:34 PM
Quote[...] September 03, 2005
Being Poor

Being poor is knowing exactly how much everything costs.

Being poor is getting angry at your kids for asking for all the crap they see on TV.

Being poor is having to keep buying $800 cars because they're what you can afford, and then having the cars break down on you, because there's not an $800 car in America that's worth a damn.

Being poor is hoping the toothache goes away.

Being poor is knowing your kid goes to friends' houses but never has friends over to yours.

Being poor is going to the restroom before you get in the school lunch line so your friends will be ahead of you and won't hear you say "I get free lunch" when you get to the cashier.

Being poor is living next to the freeway.

Being poor is coming back to the car with your children in the back seat, clutching that box of Raisin Bran you just bought and trying to think of a way to make the kids understand that the box has to last.

Being poor is wondering if your well-off sibling is lying when he says he doesn't mind when you ask for help.

Being poor is off-brand toys.

Being poor is a heater in only one room of the house.

Being poor is knowing you can't leave $5 on the coffee table when your friends are around.

Being poor is hoping your kids don't have a growth spurt.

Being poor is stealing meat from the store, frying it up before your mom gets home and then telling her she doesn't have make dinner tonight because you're not hungry anyway.

Being poor is Goodwill underwear.

Being poor is not enough space for everyone who lives with you.

Being poor is feeling the glued soles tear off your supermarket shoes when you run around the playground.

Being poor is your kid's school being the one with the 15-year-old textbooks and no air conditioning.

Being poor is thinking $8 an hour is a really good deal.

Being poor is relying on people who don't give a damn about you.

Being poor is an overnight shift under florescent lights.

Being poor is finding the letter your mom wrote to your dad, begging him for the child support.

Being poor is a bathtub you have to empty into the toilet.

Being poor is stopping the car to take a lamp from a stranger's trash.

Being poor is making lunch for your kid when a cockroach skitters over the bread, and you looking over to see if your kid saw.

Being poor is believing a GED actually makes a goddamned difference.

Being poor is people angry at you just for walking around in the mall.

Being poor is not taking the job because you can't find someone you trust to watch your kids.

Being poor is the police busting into the apartment right next to yours.

Being poor is not talking to that girl because she'll probably just laugh at your clothes.

Being poor is hoping you'll be invited for dinner.

Being poor is a sidewalk with lots of brown glass on it.

Being poor is people thinking they know something about you by the way you talk.

Being poor is needing that 35-cent raise.

Being poor is your kid's teacher assuming you don't have any books in your home.

Being poor is six dollars short on the utility bill and no way to close the gap.

Being poor is crying when you drop the mac and cheese on the floor.

Being poor is knowing you work as hard as anyone, anywhere.

Being poor is people surprised to discover you're not actually stupid.

Being poor is people surprised to discover you're not actually lazy.

Being poor is a six-hour wait in an emergency room with a sick child asleep on your lap.

Being poor is never buying anything someone else hasn't bought first.

Being poor is picking the 10 cent ramen instead of the 12 cent ramen because that's two extra packages for every dollar.

Being poor is having to live with choices you didn't know you made when you were 14 years old.

Being poor is getting tired of people wanting you to be grateful.

Being poor is knowing you're being judged.

Being poor is a box of crayons and a $1 coloring book from a community center Santa.

Being poor is checking the coin return slot of every soda machine you go by.

Being poor is deciding that it's all right to base a relationship on shelter.

Being poor is knowing you really shouldn't spend that buck on a Lotto ticket.

Being poor is hoping the register lady will spot you the dime.

Being poor is feeling helpless when your child makes the same mistakes you did, and won't listen to you beg them against doing so.

Being poor is a cough that doesn't go away.

Being poor is making sure you don't spill on the couch, just in case you have to give it back before the lease is up.

Being poor is a $200 paycheck advance from a company that takes $250 when the paycheck comes in.

Being poor is four years of night classes for an Associates of Art degree.

Being poor is a lumpy futon bed.

Being poor is knowing where the shelter is.

Being poor is people who have never been poor wondering why you choose to be so.

Being poor is knowing how hard it is to stop being poor.

Being poor is seeing how few options you have.

Being poor is running in place.

Being poor is people wondering why you didn't leave.

Quote
QuoteIlona | September 3, 2005 09:07 AM

Being poor is fighting with someone you love because they misplaced a $15 dollar check.

Being poor is stealing wood from Wal-Mart parking lot because it's cold and you have no money to buy some.

Being poor is a sick, dreadful feeling of your stomach dropping out when the phone rings, because you know it's a bill collector and you know you'll pick it up anyway on a one in a million chance someone does want to hire you.

Being poor is laying down because it hurts to breathe and you are pregnant, but you can't afford to go to the hospital.

Being poor is crying when $50 bill you didn't expect gets taken from your paycheck.

Being poor is knowing exactly how many hours and minutes you'll have to work extra to make up for that bill.

Being poor is knowing that no matter how hard and how much you work, you still can't cover it all.

Being poor means never forgeting that the bills aren't paid.

QuoteJulia | September 3, 2005 09:53 AM

Thanks for this blog, and this post.

Being poor means that you're the richest person in your family when you're a grad student.

Being poor means being grateful that you're living paycheck to paycheck.

Being poor means knowing viscerally the difference between poverty and struggling middle class.

Growing up poor means you feel guilty when you escape, because your siblings didn't.



QuoteAmanda Miller | September 3, 2005 09:57 AM

Being poor means saving the plastic containers and jars from yogurt or spaghetti sauce so you can take milk with you to school in your lunch after they lower the income limit for free lunches and your mom makes $3 more than the limit.


QuoteJames Goodman | September 3, 2005 10:03 AM

Being poor is knowing that commodity cheese tastes like heaven on an empty stomach.

Being poor is catching a beating because you fell through the rotting floor of the bedroom of your trailer. Your brother is already sick and even with the bard nailed over the hole, it's letting cold air in.

Being poor is getting your school clothes from the trunk of a community outreach car and hope they fit better than last years.

Being poor is choosing between the lesser of two evils and not realizing it.

Being poor is having a few books, but none of them with covers.

Being poor is having sheets for curtains.

Being poor is wishing the sheet that separates your bed from the rest of the kitchen was dark enough not to let the light shine through.

Being poor is a motivator to never be as poor as your parents.

Being poor makes you appreciate everything you've earned.

Being poor gives you the ability to look at supporting your still poor mother as an honor not a burden.

Being poor is looking back and wondering how you survived.

Being poor is worrying that someday you will wake up, find yourself lying beneath a blanket in the back of that station wagon and realizing that your escape and rise was just a dream.


QuoteCece | September 3, 2005 10:06 AM

Being poor means swallowing your pride and walking into the food stamp office because you don't want your kids to go hungry, then sitting there smiling, while some social worker (gleefully) humiliates you as she goes over your application.


Quoteadamsj | September 3, 2005 10:18 AM

Takes me back:


Being poor is a month with 28 spaghetti dinners, 2 invitations over to eat, and a day without.


Being poor is carrying your fiancee to the hospital to miscarry, then using their phone to call around for someone to take you back home, since there aren't beds for Medicare patients.


Being poor is wondering what sort of fool drops a penny on the ground and doesn't pick it up.


Quotebellatrys | September 3, 2005 10:41 AM

Being poor is wondering what to say when your friends ask you to join them for coffee in the campus coffee shop, and you can't because you thought you had a couple bucks cash but you must have left it in your coat at home, and so you have to use all the change you dug up from under the seat for gas to get home after classes.

Because of course you can't afford to *live* on campus...


Quotedel | September 3, 2005 11:03 AM

Being poor is getting up at six-thirty to walk to work because you don't have money for the bus.

Being poor is buying the 25 cent loaf of bread at the grocery store and making it last for lunch and dinner.

Being poor is pretending to any major, religion or career interest to get free pizza on campus.

Being poor is not being able to afford clothes from Goodwill.


QuoteAnonymous | September 3, 2005 11:04 AM

Being poor means dreading getting a Christmas present from the Fireman's Charity, because you'll end up on TV and everybody at school will find out.


QuoteGeorgiana | September 3, 2005 11:09 AM

Being poor is wearing the same dress to school every day for four months, then getting "new" clothes from the church for Christmas and changing your clothes three times in one day because you can.

Thank you John.


QuoteC.J. | September 3, 2005 12:32 PM

Being poor means watching your disabled child get worse and worse because you can't afford the therapies.

...


QuoteEl | September 3, 2005 12:40 PM

Being poor is feeling ashamed when your 'peers' slam WalMart, and talk about buying organic, and the horrors of driving gass-guzzling cars, all while wondering why you repeatedly find ways to not join them at $15/plate social dinners.

Being poor is avoiding spending time with people you care about, because you don't want to have to answer "how are you doing?".


QuotePiscusFiche | September 3, 2005 12:42 PM

...

Being poor is having to explain to your friends why all the food in your house has a welfare organisations logo on the packaging.

Being poor is having your best friend's mother compliment her for hanging out with you--shows good moral fiber, don't you know.

Being poor is having your mum scrimp and save to get you the latest "in" thing, just as it goes out of style. (But you wear it anyway, so she doesn't feel bad, and then all the kids at school make fun of you.)

Being poor is being the family that everybody knows it's okay to pick on.

Being poor is having your house egged and a firecracker tossed through your front door because some kid thought it was funny.

Being poor is losing your special lunch card and seeing the snotty kid across the street find it, chop it up with scissors, and return the pieces to you.

Being poor is getting one box of sugar cereal on your birthday, and a package of chocolate mix for Xmas.

Being poor is one meal a day, if that.

Being poor is worrying about appendicitis every time you ovulate.

Being poor means going to a church school on a Pell grant and trying to get your associate degree in one year, because you know your sibs are close on your tail, and your family has barely enough money to send you.

Being poor means even with a scholarship, you can't go to Art Center.

(Granted, these are all a little less than universal, but this entry called up some of these old memories.)


QuoteThel | September 3, 2005 12:53 PM

Being poor is offering to "go buy a soda" for your visiting sister-in-law, knowing already that you'll have to use your EBT (food stamp) card to get it and hear the woman in line behind you cluck at you and lecture you on what a horrible person you are to use "her tax dollars" on a frivolous soda.


QuoteAnne O'Nymous | September 3, 2005 01:12 PM

Being poor is feeling like a failure every time you and your father discuss your "financial restructuring" because neither of you wants to say the word "bankruptcy."

Being poor is obviously your fault, even though the biggest, fattest reason you had to file bankruptcy in the first place was because your husband frivolously got cancer while laid off. How silly of him! And then he couldn't find a new job until he was done with treatment because oddly, employers are shy of hiring bald, vomiting people with IV ports taped into their arms.

Being poor is being horrified when you see a very young person from your area with an arm, neck, or hand tattoo, not because corporate America generally bans such things... but because fast-food and retail America does, too.

Being poor is being bumped by somebody carrying a Prada tote bag on your way to pick up your paycheck... and instantly realizing, without having to calculate, that in terms of actual cash value, the tote bag is worth far more than the paycheck.


Quotebadgerbag | September 3, 2005 01:27 PM

Being poor is always stealing toilet paper and tampons.


Quotemythago | September 3, 2005 01:34 PM

Being poor means selling blood plasma and signing up for every medical experiment they'll let you into, and breezing past the disclaimer form because, really, are you going to give up $100 just because you may be risking injury or death from whatever they're giving you?


Quotechris | September 3, 2005 02:13 PM

Not being poor is doing your homework locked in your room while your mom goes out to buy whiskey and your dad doesnt give a shit that you are alive.


QuoteMe | September 3, 2005 02:37 PM

Being poor is not having sex because you can't afford birth control and you're smart enough to not get pregnant


QuotePenny | September 3, 2005 02:47 PM

Poor never seems to leave us completely. No matter what we do or have done, we will always be haunted by the tears and shame of poverty. The worst part: even if our kids escape, THEY REMEMBER forever.

...


QuoteL337 | September 3, 2005 02:51 PM

Being poor is having someone tell you that if you own _____ (A car, a TV, a bed) then you really aren't poor, & realizing they're either stupid, or worse off than you


QuoteDirty | September 3, 2005 02:54 PM

Being poor means you aren't truly hungry until the third day without food.


QuoteAnon | September 3, 2005 03:04 PM

Being poor is throwing up six times a day because you are pregnant and don't have health care.

Being poor means that you can't even scrape together enough change to ride the bus to the neonatal clinic, and it's the middle of summer and too far to walk.

Being poor means pondering an abortion because you know everybody around you is equally strapped for cash, you only get one meal a day, and you don't see that changing in the immediate future.

Being poor means after much tears and thought, when you finally decide to have the abortion, you have to borrow the money to get it done.

Being poor means that if you'd kept the baby, some rich people would accuse you of abusing the welfare system.

Being poor means that by getting the abortion, some rich people accuse you of murder.

Being poor means weeks of crying and hating yourself.


Quotetheman | September 3, 2005 03:04 PM

being poor is feeling all the eyes judging you, measuring you, and coming to the conclusion that you don't belong; when all you want is to be away in the comfortable place you don't have.

being poor is never to be introduced in a non-condescendent way.

being poor is spending the money your parents and brother saved to go to find work in new york, as everybody's hero; and crying over the phone saying everything is fine.

being poor is seeing your parents work a month to make what converts to five hundred dollars. and support a family with that, and dream.

being poor is being exploited by rich people while you smile, not to be fired.

being poor is not having the dollars to buy your freedom.

being poor is mom and dad being humiliated saturday and sunday to pay your failed attempt at the american dream, because first you're not american, second you are not rich, third you are not america educated, and all those dollar-master slavering world wonderpeople can tell you, making fun, is: born in the wrong country pal, hahaha.

...


QuoteJoanne | September 3, 2005 03:17 PM

Being poor (or having been poor) means you know that if there is a devistating economic crisis, you will know how to survive when those who never were poor are paralized with fear. Being poor is knowing you are strong and resourceful.


QuoteAnonymous | September 3, 2005 03:24 PM

For too many Americans who should know better, being poor is your own damn fault.


QuoteStand4Democracy | September 3, 2005 03:39 PM

Being poor means realizing that lady they just interviewed on TV at the Superdome is just like you -- even though we both thought we were middle class.
Being poor is knowing that neither one of us matters at all to America anymore.


Quoteotherdeb | September 3, 2005 03:49 PM

Being poor is being downsized at 50 or older and having to take a job at 1/3 of what you used to make because after hundreds of interviews it's the only job offered.

Being poor is having to commute two hours each way by public transit to a job that is 4 hours a day and pays minimum wage.

Being poor is feeling useless because all your life you were taught to pull your own weight and now you can't.

Being poor is wondering why the heck you have to start all over again yet again.


QuoteWhatTheHellWuzYerPoint? | September 3, 2005 04:15 PM

> being poor does not allow you to wear big football jerseys and shoot people.

No, you've got to join the Army to do that.

Strangely, most recruits in the Army come from very poor areas.


Quoteannonymous | September 3, 2005 04:24 PM

Takes a deep breath.

Not trying to flame, it's just that I truly don't understand how listing the bad bahavior of some poor people mitigates any of the discussion here. I mean, so what?

The fact that a poor person has committed a crime doesn't make them any less poor. That a poor person can also be an asshole, or a wife-beater, or a Republican voter doesn't makes the fact of their poverty any less.


QuoteMagenta Griffith | September 3, 2005 04:37 PM

Memories of poverty last your whole life, and affect your whole life.

I was quite poor in my twenties. I managed to get through college, the state university when it was still heavily subsidized.

Poverty is checking your college textbooks out of the library because you can't afford to buy them.

Poverty is walking everywhere, and feeling far less poor when you find a bike for $10. And ride that bike 12 months a year in Minnesota.

Poverty is never going to the movies.

Poverty is never eating meals out. Poverty is peanut butter sandwiches, every day.

I still use tea-bags twice. I won't eat ramen, because I ate far too much for too long. I consider myself well-off because I have a lot of books and I never skip a meal. I know exactly how much things cost, and shop at two supermarkets because one has cheaper prices on produce and meat, and the other has cheaper canned goods. And I know the usual price of everything I buy on a regular basis, so I know whether the "sale" price is really a good deal.

And when it is, I stock up, just in case.


QuoteMike Cane | September 3, 2005 08:54 PM

Being poor is turning off the ringer on the phone to avoid the bill collectors -- and then calling the temp agency only to find out you missed calls for work from them.

Being poor is losing the phone -- and hoping that the payphone you regularly use isn't vandalized.


QuoteVogelein | September 3, 2005 10:57 PM

-- Being Poor means your mom trying to convince you that Fabric Softener is Cream Rinse because she can't tug the comb through your tangled hair without it.

-- Being Poor means asking your mom for food for Christmas and crying when she gives you a milk crate stuffed with name-brand dry goods.

-- Being Poor means making the milk crate last until February.

-- Being Poor means picking up the telephone and hearing the static buzz of disconnect -- for the third time that year.

-- Being Poor means hearing the oil furnace gutter to a halt in the middle of the night.

-- Being Poor means blankets staplegunned over the plastic wrap on your bedroom window.

-- Being Poor means pining for the twenty-meal-a-week plan you had while you were still in college, which you only got because you busted your ass to get (and keep) every scholarship and grant you heard about.

-- Being Poor means knowing how to wire your muffler back on with a coathanger and a $2.00 part from the hardware store.

-- Being Poor means knowing how to construct furniture out of boards and cinderblocks so that it doesn't look scabby.


*******

-- Being Rich means you finally get to swap your milk crates for real furniture.

-- Being Rich means you get to stop buying the 25-cent mac and cheese -- in favor of canned tuna.

-- Being Rich means all the bills are paid and you still get to order pizza that week -- *and* you tip the driver generously because that poor dude is you.

-- Being Rich means you get to own things not previously owned by other people. Sometimes.

-- Being Rich means not flinching at your friends' wedding invitations because you can finally afford to give them presents.

-- Being Rich means you don't spend every other night in a cold sweat, wondering how the hell you're going to make it to the next paycheck.


******

-- Having Been Poor means you still shop at thrift stores, even when your mom yells at you.

-- Having Been Poor means you refuse to buy a car factory-new as opposed to new-to-you, just on principle.

-- Having Been Poor means paying off the last of your debt makes you happier than you've been in years. Dancing is not optional.

-- Having Been Poor means mocking people who value their brand-name anything over a good deal, especially something on sale for half-off.

God, that was cathartic. John Scalzi, I luuuuuurve you.


....

QuoteJohn Scalzi | September 6, 2005 08:39 AM

We're just short of 350 comments here, many of them long, which is making this page a heck of a download. To keep this page from becoming inaccessible to people with dial-up connections, I'm closing comments here but opening them up in this entry. [http://www.scalzi.com/whatever/003708.html (http://www.scalzi.com/whatever/003708.html)] ...





From: "Being Poor"
Posted by john at September 3, 2005 12:14 AM
Source: http://www.scalzi.com/whatever/003704.html (http://www.scalzi.com/whatever/003704.html)

Title: [Tafeln erwarten eine Million Bedürftige... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 18, 2008, 01:45:39 PM
Quote[...] Endstation Tafel - das wird zunehmend für arme Menschen Realität. Bis Ende des Jahres rechnen die Tafeln in Deutschland mit einer Million Bedürftigen, die sie versorgen. Das wäre eine Verdoppelung der Tafel-Armen innerhalb von drei Jahren. Das sagte Gerd Häuser, Vorsitzender des Bundesverbandes "Deutsche Tafel". Bundesweit gibt es zurzeit 795 Tafeln, die nicht mehr für den Verkauf geeignete Lebensmittel an Bedürftige meist gegen den symbolischen Betrag von einem Euro verteilen. Nach Angaben des Vereins wurden 2005 500.000 Menschen versorgt, 2007 waren es 700.000.

Um die Bedürftigen weiterhin angemessen zu versorgen, fordert der Verband mehr Unterstützung von der Bundesregierung. Man brauche vor allem Raum zur Lagerung, Hilfskräfte in den Lagern und Unterstützung bei Lagerhaltungskosten für die mehreren zehntausend Tonnen Lebensmittel, sagte Häuser.


Bundesweit engagieren sich bei den Tafeln rund 35.000 Ehrenamtler sowie 3200 Mini-Jobber, Beschäftige in Förderprogrammen, Angestellte und Zivildienstleistende.



Aus: "Wachsende Armut: Tafeln erwarten eine Million Bedürftige" (17.09.2008)
Zahl der Tafel-Armen in drei Jahren verdoppelt
Quelle: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/26/0,3672,7380346,00.html (http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/26/0,3672,7380346,00.html)

-.-

Quote[...] Berlin -  Der Anteil der Bürger, die als arm oder als armutsbedroht gelten, ist zwischen 2005 und 2006 von 18 auf 16,5 Prozent gesunken, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Dienstag. Zugleich habe sich die Schere zwischen hohen und niedrigen Löhnen nicht weiter geöffnet, in Ostdeutschland hat sich der Unterschied sogar verringert. ,,Der Aufschwung und die Arbeitsmarktreformen haben zu mehr Beschäftigung und damit zu weniger Armut und Ungleichheit geführt", begründete DIW-Präsident Klaus Zimmermann die Entwicklung.

Damit hatten 2006 – aktuellere Daten liegen noch nicht vor – 1,2 Millionen Menschen den Sprung in die untere Mittelschicht geschafft. Als arm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt – das sind bei Alleinstehenden 890 Euro im Monat, bei einem Paar mit zwei Kindern 1871 Euro. Allerdings ist der Anteil der dauerhaft von Armut bedrohten Bürger weiterhin hoch: Mehr als zwölf Prozent leben derzeit mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre in Armut. In den achtziger Jahren waren es lange Zeit nur acht Prozent. Die DIW-Zahlen basieren auf seit Jahrzehnten laufenden Befragungen von 10 000 Haushalten.

Die Studie ist politisch brisant, weil sie die These von Gewerkschaften und der Linkspartei widerlegt, weite Teile der Bevölkerung profitierten von dem seit 2005 laufenden Aufschwung nicht, deshalb seien mehr Umverteilung und Mindestlöhne nötig. Zuletzt hatten prominente SPD-Linke von der Parteispitze eine entsprechende Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik gefordert. ,,Das DIW versucht offensichtlich, das Armutsproblem in Deutschland kleinzureden, um Stimmung gegen Mindestlöhne zu machen", kommentierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Erkenntnisse. Deutschland habe den größten Niedriglohnsektor in Kontinentaleuropa. ,,Die Agenda 2010, ein funktionsfähiger Niedriglohnbereich und eine moderate Lohnentwicklung" sind dagegen für Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt die Ursachen der Entwicklung. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung war im Sommer noch zu dem Schluss gekommen, dass die Armut zunehme. Er basierte allerdings auf Zahlen von 2005.

DIW-Chef Zimmermann sagte, vermutlich werde in den Erhebungen für 2007 und 2008 die Zahl der Armen weiter zurückgehen. Ein wichtiger Grund sei, dass der Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit gestoppt sei. Darunter versteht man den Teil der Arbeitslosen, der auch in einem Aufschwung keine Stelle findet. In diesem Konjunkturzyklus wurden erstmals wieder mehr Stellen geschaffen als beim vorherigen Abschwung verloren gegangen waren. Zimmermann warnte vor der Einführung eines Mindestlohns, um die Armut zu bekämpfen. Dies sei ein ,,ineffizientes Instrument", da es den wirklich Bedürftigen nicht helfe. ,,Reguläre Beschäftigung ist auf Dauer die beste Lösung." Dazu müsse die Politik an den Arbeitsmarktreformen festhalten und dafür sorgen, dass es weniger Schulabbrecher und Menschen ohne Berufsabschluss gibt.

Über einen längeren Zeitraum betrachtet haben sich die Haushaltseinkommen aber kaum erhöht. Zwischen 1992 und 2007 stieg das Nettoeinkommen preisbereinigt nur um elf Prozent auf 18 932 Euro – vor allem wegen der Inflation. In der gleichen Spanne sank die Lohnquote – also der Anteil der Beschäftigten am Volkseinkommen – von 72 auf unter 65 Prozent.

Allerdings ist laut DIW der Trend des stetig wachsenden Niedriglohnbereichs ,,erstmals seit vielen Jahren" gestoppt. 2007 arbeiteten 15 Prozent der Menschen für weniger als 7,50 Euro brutto in der Stunde. Dieser Trend werde wahrscheinlich anhalten, wenn auch die Beschäftigung weiter zunehme, erwarten die Berliner Ökonomen.




Aus: "Studie: Mehr Wachstum - weniger Armut" (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.09.2008)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Armut-Studie;art271,2615952 (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Armut-Studie;art271,2615952)

-.-

Quote[...]

Quote

16.09.2008 17:20:05

Elynitthria: Spitzen Studie

Kann man mir bitte noch sagen von welchem Planeten die ist?


Quote

16.09.2008 17:16:05

doors: Ich denke mal

dass wieder Wahlen anstehen - oder irre ich mich da???


Quote

16.09.2008 17:48:53

GromII:

Was diese lustige Studie auch verschweigt, seit 1990 bis heute +2 Mio. Menschen welche von ihrem Lohn nicht mehr leben können und sogenannte Aufstocker sind, -2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigte mit unbefristeten Verträgen, +30% Kinderarmut, Einkommenszuwachs Reiche +11%, Arme und Mittelschicht -13%, Anteil am Volksvermögen Reiche +16%, Mittelschicht und Arme -14%, immer weiter auseinanderdriftende Schere zwischen Arm und Reich, Auflösungserscheiniúngen des Mittelstandes usw.

Durch das Weglassen interesanter Daten lässt sich eine jede Statistik schönlügen.


Quote16.09.2008  17:53:16

Lobby-Boy: Immer mehr Dummschwätzer in den gelenkten Medien..

Wir haben die im internationalen Maßstab normalen (US)Verhältnisse - Arbeitslose leben im Elend, Arbeiter und kleine Angestellte rackern sich für einen Hungerlohn ab u. werden immer mehr von Krankenversicherung u. Rente abgekoppelt. Die Oberschicht plündert mit Hilfe der Regierung den Staat aus. Über allem schwebt dann abgehoben Prof.(Un)Sinn & Co u. schwafelt uns voll ! ...


Quote

16.09.2008 18:27:22

JPduMosch:

- Immer weniger Menschen leben in Armut. -

jau, ein schlafplatz im park ist eben längst luxus. und vom flaschenpfand leben - überlegt mal - 8 cent pro flasche, kinder, dafür strickt man in china mindestens zweihundert tommy hilfiger pullis. ganz klar, die harten zeiten sind vergangenheit. michelland erlebt den aufschwung. herrlich. also dann lasst uns die wenigen verblieben armen doch bitte im museum ausstellen. zur erinnerung an schlechte zeiten. so für schulklassenbesuche und so. lmao.


Quote

16.09.2008 18:25:22

lorbas_ge: soso 2006 - ist ja top aktuell

dann dürfen wir gespannt sein welche zahlen wir für heute im Jahre 2010 erfahren.

der Bericht stimmt mich optimistisch wie nie zuvor - das ist doch mal was positives - das haben wir doch besonders auch der großen koalition und der agenda 2010 zu verdanken.

Da erscheint der erst kürzlich veröffentlichte Bericht darüber, dass mehr als jeder 10 Mensch in unserem schönen Land sein Existenzminimum nur dank staatlicher Transferleistungen erreicht gleich in einem ganz anderen Licht.

Ich freue mich immer wenn ich merke, dass die großen Zeitungsverlage gern auch mal die vom Bundespresseamt in Umlauf gebrachten Meisterleistungen unabhängiger journalistischer Arbeit veröffentlichen :-)

...


Quote

16.09.2008 18:17:59

Hoplit: Jammer Jammer Jammer

Das Gejammere in diesen Foren ist nicht zu ertragen. Anscheinend alles Menschen, die noch nie im Ausland gewesen sind - und wenn, dann wahrscheinlich in irgendeinem Touristenressort. Ich empfehle einen Besuch in Lateinamerika (USA reicht aber eigentlich auch) um mal das AUsmaß des deutschen Sozialstaates klar einschätzen zu können.



Quote

17.09.2008 15:04:46

Parlamentspack: @unbequem

"SandraBeltanes Kommentar entwürdigte Dritte (hier den Autor des Artikels)"

Der Kommentar war in keinster Weise beleidigend und am aller wenigsten entwürdigend, sondern drückte in klaren Worten die Verärgerung der Schreiberin aus.

*Ich hatte das zufällige Vergnügen, den Beitrag kurz zu lesen.

Aber immerhin:

Ich habe hinterfragt, was die Suerdeutsche antreibt, solchen Propagandismus (..den urspr. Artikel) zu drucken!....Ergebnis: Mein Beitrag löste sich direkt in Wohlgefallen auf und war verschwunden.

Für mich ist das Gebaren der Sueddeutschen keine Zensur mehr, sondern gefällige Beihilfe zur Verunglimpfung weiter Bevölkerungsteile. Diese Propaganda hat ein Ausmaß erreicht, dass mich dazu bringt mein Profil zu löschen.

Ich engagiere mich zukünftig weniger in Foren, als mehr aktiv im realen Leben.

Auf wiedersehen.

Quote

17.09.2008 09:50:51

unbequem: @Moderator

"SandraBeltanes Kommentar entwürdigte Dritte (hier den Autor des Artikels)"

Den Kommentar hätte ich schon gern gelesen. Entwürdigend (für sich selbst und die Armen) finde ich den Artikel der Autorin.


Quote

16.09.2008 18:53:32

Demokrat48: Zahlenspiele

Das DIW macht hier Zahlenspielereien. Da im Niedriglohnbereich viele in Arbeit kamen die vorher nicht als Arbeitende geführt wurden, wurde das bedarfsgewichtete Medianeinkommen nach unten verschoben und somit auch der 60 % Satz.

So manipuliert man die Aussagekraft von Statistiken.


Quote

18.09.2008 09:39:01

Kettensprenger: @rain66

Wenn man Ihnen erklären muß, was der Unterschied zwischen arbeitnehmerfreundlichen und arbeitgerberfreundlichen Studien sind, erübrigt sich die Investition meiner Zeit in Ihre Fragen.




Kommentare zu: "Studien des DIW - Immer weniger Menschen leben in Armut " (16.09.2008)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/483/310412/text/?page=1#readcomment (http://www.sueddeutsche.de/politik/483/310412/text/?page=1#readcomment)

Title: [Mehr als 900 Millionen Menschen weltweit müssen hungern... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 18, 2008, 01:47:52 PM
Quote[...] Rom (AFP) - Mehr als 900 Millionen Menschen weltweit leiden angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise an Hunger. Die Zahl der unterernährten Menschen sei im vergangenen Jahr von 850 auf 925 Millionen gestiegen, sagte FAO-Generaldirektor Jacques Diouf nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa bei einer Anhörung vor zwei italienischen Parlamentsausschüssen. Grund seien die rasant gestiegenen Preise, die 2007 um 24 Prozent zugelegt hätten. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres hätten sich die Nahrungsmittelpreise noch einmal verdoppelt, sagte Diouf.

Es seien deshalb jährlich rund 30 Milliarden Dollar (21 Milliarden Euro) nötig, um die Produktion von Lebensmitteln zu unterstützen und "den Hunger auszumerzen", fügte der FAO-Chef hinzu. Dies sei im Vergleich zu den Rüstungsausgaben oder Landwirtschaftssubventionen ein "ziemlich bescheidener" Betrag. Die Mitgliedsländer der FAO hatten im Juni auf dem Welternährungsgipfel beschlossen, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren.




Aus: "Mehr als 900 Millionen Menschen weltweit müssen hungern" (AFP - Mittwoch, 17. September, 13:49 Uhr)
Quelle: http://de.news.yahoo.com/afp/20080917/tpl-uno-fao-lebensmittel-preise-hunger-ee974b3.html (http://de.news.yahoo.com/afp/20080917/tpl-uno-fao-lebensmittel-preise-hunger-ee974b3.html)

Title: [Ernährungsarmut: 2006 in der EU-25 schätzungsweise 43 Millionen Menschen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2008, 10:38:08 AM
Quote[...] Den aktuellen Zahlen zufolge [http://ec.europa.eu/agriculture/markets/freefood/sumimpact_de.pdf (http://ec.europa.eu/agriculture/markets/freefood/sumimpact_de.pdf)] waren im Jahr 2006 in der EU-25 schätzungsweise 43 Millionen Menschen von Ernährungsarmut bedroht. Der prozentuale Anteil an der Bevölkerung reichte von 2 Prozent in Dänemark bis 37 Prozent in der Slowakei. In fünf der zehn neuen Mitgliedstaaten lag der Indikator über 20 Prozent. Kinder aus armen Familien gelten als besonders gefährdet. «Aus ihrer Ernährung können sich künftige gesundheitliche Probleme ergeben, z. B. eine verminderte Entwicklung des Gehirns und verminderte Lernfähigkeit», heißt es in dem Papier der Kommission. «Ältere Menschen leiden häufig unter Fehlernährung. Armut oder Behinderungen haben oft eine inadäquate und unzureichende Ernährung zur Folge.» Außerdem seien Obdachlose eindeutig gefährdet, ebenso wie Asylbewerber und irreguläre Wanderarbeitnehmer, die in den offiziellen Zahlen im Allgemeinen nicht auftauchen. «Aufgrund ihres Status kann es vorkommen, dass ihnen Sozialleistungen vorenthalten bleiben, und in den Suppenküchen machen diese Personen einen großen Anteil der Empfänger aus.» ...

[...] In den 15 Jahren des Bestehens versorgen inzwischen 800 Tafeln hierzulande nach eigenen Angaben nahezu eine Million Menschen mit gespendeten Lebensmitteln. «Dass sich Einrichtungen wie die Tafeln in dieser kurzen Zeit etablieren konnten, zeigt, wie löcherig das soziale Netz geworden ist», resümierte beispielsweise der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel, Gerd Häuser anlässlich der Jahrespressekonferenz in Magdeburg.

QuoteAls sich die ersten Tafeln gegründet haben, ging es noch vorwiegend darum Obdachlosen zu helfen», sagte Häuser. Doch mit den Jahren sei immer deutlicher geworden, wie viele Menschen tatsächlich bedürftig sind: Heute suchen Langzeitarbeitslose sowie Familien mit Kindern, darunter viele Alleinerziehende, die Unterstützung der Tafeln. Zu ihren «Kunden» zählen aber auch Berufstätige und Rentner, deren Einkommen kaum zum Leben reicht. Sie alle sind Empfänger staatlicher Transferleistungen. «Die Tafeln füllen eine größer werdende sozialpolitische Lücke», weiß Häuser. «Dass es sie überhaupt geben muss, ist ein Armutszeugnis für ein nach wie vor reiches Industrieland wie Deutschland.
(Gerd Häuser )

...




Aus: "Suppenküchen ja, aber bitte nicht für alle!" Von Holger Elias (TP, 21.09.2008)
Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28746/1.html (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28746/1.html)



Title: [Poverty and homelessness have increased... (USA, Das Los-Angeles-Modell)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 13, 2008, 12:29:10 PM
Quote[...] RENO, Nev. - A few tents cropped up hard by the railroad tracks, pitched by men left with nowhere to go once the emergency winter shelter closed for the summer.

Then others appeared — people who had lost their jobs to the ailing economy, or newcomers who had moved to Reno for work and discovered no one was hiring.

Within weeks, more than 150 people were living in tents big and small, barely a foot apart in a patch of dirt slated to be a parking lot for a campus of shelters Reno is building for its homeless population. Like many other cities, Reno has found itself with a "tent city" — an encampment of people who had nowhere else to go.

From Seattle to Athens, Ga., homeless advocacy groups and city agencies are reporting the most visible rise in homeless encampments in a generation.

Nearly 61 percent of local and state homeless coalitions say they've experienced a rise in homelessness since the foreclosure crisis began in 2007, according to a report by the National Coalition for the Homeless. The group says the problem has worsened since the report's release in April, with foreclosures mounting, gas and food prices rising and the job market tightening.

"It's clear that poverty and homelessness have increased," said Michael Stoops, acting executive director of the coalition. "The economy is in chaos, we're in an unofficial recession and Americans are worried, from the homeless to the middle class, about their future."

The phenomenon of encampments has caught advocacy groups somewhat by surprise, largely because of how quickly they have sprung up.

"What you're seeing is encampments that I haven't seen since the 80s," said Paul Boden, executive director of the Western Regional Advocacy Project, an umbrella group for homeless advocacy organizations in Los Angeles, San Francisco, Oakland, Calif., Portland, Ore. and Seattle.

The relatively tony city of Santa Barbara has given over a parking lot to people who sleep in cars and vans.

The city of Fresno, Calif., is trying to manage several proliferating tent cities, including an encampment where people have made shelters out of scrap wood.

In Portland, Ore., and Seattle, homeless advocacy groups have paired with nonprofits or faith-based groups to manage tent cities as outdoor shelters.

Other cities where tent cities have either appeared or expanded include include Chattanooga, Tenn., San Diego, and Columbus, Ohio.

The Department of Housing and Urban Development recently reported a 12 percent drop in homelessness nationally in two years, from about 754,000 in January 2005 to 666,000 in January 2007. But the 2007 numbers omitted people who previously had been considered homeless — such as those staying with relatives or friends or living in campgrounds or motel rooms for more than a week.

In addition, the housing and economic crisis began soon after HUD's most recent data was compiled.

"The data predates the housing crisis," said Brian Sullivan, a spokesman for HUD. "From the headlines, it might appear that the report is about yesterday. How is the housing situation affecting homelessness? That's a great question. We're still trying to get to that."

In Seattle, which is experiencing a building boom and an influx of affluent professionals in neighborhoods the working class once owned, homeless encampments have been springing up — in remote places to avoid police sweeps.

"What's happening in Seattle is what's happening everywhere else — on steroids," said Tim Harris, executive director of Real Change, an advocacy organization that publishes a weekly newspaper sold by homeless people.

Homeless people and their advocates have organized three tent cities at City Hall in recent months to call attention to the homeless and protest the sweeps — acts of militancy, said Harris, "that we really haven't seen around homeless activism since the early '90s."

In Reno, officials decided to let the tent city be because shelters were already filled.

"What's happening in Seattle is what's happening everywhere else — on steroids," said Tim Harris, executive director of Real Change, an advocacy organization that publishes a weekly newspaper sold by homeless people.

Homeless people and their advocates have organized three tent cities at City Hall in recent months to call attention to the homeless and protest the sweeps — acts of militancy, said Harris, "that we really haven't seen around homeless activism since the early '90s."

In Reno, officials decided to let the tent city be because shelters were already filled."



From: "In hard times, tent cities rise across the country" (4:36 p.m. ET Sept. 18, 2008)
Since foreclosure mess, homeless advocates report rise in encampments
Source: http://www.msnbc.msn.com/id/26776283/ (http://www.msnbc.msn.com/id/26776283/)

-.-

Quote[...] Die Sonne über Kalifornien sorgt für angenehme Temperaturen. Herb duftende Holzspäne bedecken den Boden. Darauf stehen in Reih und Glied 149 grün-weiße Polyesterzelte, fabrikneu. Ein Campingplatz? Das Idyll trügt. Alle zehn Minuten peitscht ein startender Jet über den kargen Staubplatz. Erholung findet hier sowieso niemand.

Das Lager ist eine staatliche Reaktion auf eine wild wuchernde Zeltstadt, die sich in den letzten Monaten am Stadtrand von Los Angeles ausgebreitet hat. Zeitweise 600 Frauen, Männer und Kinder hausten dort zwischen Gleisen und streunenden Hunden, Bergen von Abfall und klapprigen Möbeln. Jetzt wurde daneben eine zweite, offizielle Zeltstadt errichtet. Die Menschen, die hier leben, gehören zu den Millionen zahlungsunfähiger US-Familien, deren Häuser im Zug der aktuellen Finanzkrise zwangsversteigert werden. Der Staat weiß keine Antwort auf ihre Probleme; alles, was er zu bieten hat, sind notdürftige Unterkünfte – und das mitten in den USA.

Ein Fall unter vielen: der Gabelstaplerfahrer David James. Er brach sich in North Carolina die rechte Wade. Versichert war er nicht, Spital- und Arztkosten beliefen sich auf 40000 Dollar. Das Haus des 52-Jährigen wurde versteigert. Sein Geld reichte noch für ein Busticket nach Kalifornien. Ein von der Ortsverwaltung ausgestellter Ausweis verschafft ihm nun Zutritt zum Zeltcamp. Er duscht unter freiem Himmel, kocht auf offenem Feuer, betreibt den Fernseher mit einer Autobatterie. Zwischen zehn Uhr nachts und sechs Uhr früh muss er im Zelt sein.

Und noch etwas teilt James mit den anderen Menschen hier: das völlige Fehlen realistischer Aussichten. Denn einen neuen Job zu finden ist fast unmöglich, wenn man auf die Frage nach dem Wohnort nur ein Zelt nennen kann. »Amerika erlebt die größte Wohnungsnot der Geschichte«, sagt der Obdachlosen-Aktivist David Busch. Weitere amerikanische Städte wollen das Los-Angeles-Modell nun übernehmen.




Aus: "Zeltstadt vor Los Angeles" (Wirtschaft/Finanzen, Heft 25/2008)
Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/25170 (http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/25170)


Title: [Fast eine Milliarde Menschen hungern... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 15, 2008, 12:07:46 PM
Quote[...] Immer mehr Menschen auf der Erde haben nicht ausreichend zu essen. Die Zahl der Hungernden stieg innerhalb eines Jahres weltweit von 848 auf 923 Millionen Menschen, wie die Deutsche Welthungerhilfe und das Forschungsinstitut für Ernährungspolitik (IFPRI) aus Anlass des Welt-Ernährungstages am 16. Oktober mitteilten.

In 33 der 88 untersuchten Ländern herrsche eine "sehr ernste" oder "gravierende" Hungersituation, geht aus dem Welthunger-Index 2008 hervor. Am schlimmsten sei die Lage in der Demokratischen Republik Kongo, Eritrea, Burundi, Niger und Sierra Leone. Unter den Regionen steht Afrika südlich der Sahara am schlechtesten da, gefolgt von Südasien.
"Eine Schande für die Menschheit"

Die Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble, sagte: "Fast eine Milliarde Hungernde sind eine Schande für die Menschheit. Und im Gegensatz zu den Banken sind sie nicht selbst schuld an ihrer Misere." Das allgemeine Umdenken über die Rolle des Staates und der internationalen Gemeinschaft, das durch die Finanzkrise eingesetzt hat, muss sich auch auf die Hungerkrise erstrecken.
Kein wirklicher Fortschritt absehbar

Im Welthunger-Index 2008 wurden erstmals die aktuellen Werte mit denen von 1990 verglichen. Obwohl sich demzufolge die Lage in einigen Regionen in Asien, Nordafrika, Lateinamerika und in Nahost verbessert hat, gebe es "auf breiter Front" keinen Fortschritt in der Hungerbekämpfung, erklärte IFPRI-Direktor Joachim von Braun. "Damit können wir uns nicht abfinden." Die Initiatoren des Welthunger-Indexes forderten deshalb eine Erhöhung der Mittel für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern von jährlich mindestens zehn Milliarden Euro sowie die Schaffung fairer Handelsbedingungen.

Mit dem Welthunger-Index lässt sich das weltweite Ausmaß der Unterernährung wissenschaftlich erfassen. Er zeigt die Hungersituation in 88 Entwicklungs- und Schwellenländern. Bewertet werden die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren, der Anteil der Kinder unter fünf Jahren mit Untergewicht sowie der Anteil der Unterernährten an der Gesamtbevölkerung des Landes.


Aus: "Welthungerhilfe schlägt Alarm: Fast eine Milliarde Menschen hungern" (14.10.2008)
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/hunger104.html (http://www.tagesschau.de/inland/hunger104.html)

Title: [In Halle sechs ist das kein Gesprächsstoff.. (BRD, OECD-STUDIE)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 22, 2008, 11:26:25 AM
Quote[...] Es ist angerichtet zur ersten Millionäre Fair auf deutschem Boden, einem Spektakel für Superreiche, das an diesem Wochenende über die Bühne geht. Insgesamt ist es die 16. Auflage der vom Niederländer Yves Gijrath 2002 erfundenen Millionärsmesse. Drei Milliarden Euro sind auf den 15 Vorgängerveranstaltungen angeblich umgesetzt worden, Tendenz steigend. Am besten lief es zuletzt in Moskau, wo der dortige Geldadel für eine halbe Milliarde Euro eingekauft hat. 50.000 Besucher waren gekommen.

In München kalkuliert Gijrath mit 20.000 Messegästen. ,,In Deutschland kann es keinen besseren Ort für eine Millionärsmesse geben" findet er. Hier scheut sich die betuchte Schickeria nicht, ihren Prunk zur Schau zu stellen, hat man ihm erzählt. Auch die finanzielle Basis stimmt. 453 amtlich gezählte Millionäre wohnen in München, weitere 284 Geldadelige sind es in Umlandgemeinden.

Wer ungesehen von Laufkundschaft einkaufen will, wird auf die gut 100 Stände wie den von Caviar House oder der International Butler Academy persönlich eingeladen. Über die Namen von Kunden und teils auch die Preise des Angebots spricht man nicht.

Gut 250 000 Euro per annum müsse man für einen guten Butler schon veranschlagen, ist zu erfahren. Betuchte Wirtschaftsbosse oder reiche Filmstars kämen teils persönlich, teils vertreten durch Geschmacksberater und ähnliche Abgesandte, heißt es.


[...] Vor der Halle demonstriert indessen eine Schar weniger Betuchter unter dem Motto ,,Euer Reich-Tun kotzt uns an" und inszeniert dabei einen Sklavenmarkt. Ein Demonstrant versucht dem Thema ,,Working Poor" Aufmerksamkeit zu verschaffen, also dem um sich greifenden Phänomen, trotz Arbeit arm zu sein. In Halle sechs ist das kein Gesprächsstoff.

...

Quoteh.morun, 19.10.2008

Die wirklich großen?
Wer tummelt sich auf dieser Messe? Die Gebrüder Aldi? Schickedanz? Die BMW Besitzerin? Vermutlich ein Haufen Blondchen auf der Suche nach Ihrem Lebenssinn und Ziel. Einige Mafia Neureichen aus Russland und anderen Kiez Ecken. Einige Sunnyboys (Null-Leasing, Null-Anzahlung). Und viele viele Reporter, die sowas auch noch als Toll vermarkten wollen. Die Bohlens der Nation werden auch da gewesen sein. Sehen und gesehen werden. Für die Unterschichten Unterhalter.




Aus: "Millionärsmesse: Wer hat, der hat" (18.10.2008)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Millionaersmesse;art271,2639019 (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Millionaersmesse;art271,2639019)


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Quote[...] Es ist eine bittere Bilanz für den deutschen Sozialstaat: Die Armut ist in der Bundesrepublik seit 1985 stärker gestiegen als in fast allen anderen Industriestaaten. Auch die Ungleichheit bei den Einkommen hat rasant zugenommen, berichtet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer Studie.

Die wachsende Ungleichheit ist nicht nur ein soziales Problem, sondern auch schlecht für die wirtschaftliche Entwicklung, befindet die Organisation. "Eine höhere Einkommensungleichheit behindert die Aufstiegschancen über Generationen hinweg", erklärte OECD-Generalsekretär Angel Gurria. "Sie macht es für talentierte und hart arbeitende Menschen schwerer, den Lohn zu erhalten, den sie verdienen." Die geringe soziale Mobilität beeinträchtige so die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt.

[...] Die Studie betrachtet den Zeitraum zwischen 1985 und 2005. In diesen Jahren ist nur in Irland die Armutsquote stärker gestiegen als in der Bundesrepublik. Inzwischen leben hierzulande elf Prozent der Menschen in relativer Armut, so die Forscher. Sie müssen mit weniger als der Hälfte des mittleren Netto-Einkommens zurechtkommen. Für einen Single liegt die Grenze bei 9100 Euro im Jahr.

Die deutsche Armutsquote liegt über dem OECD-Schnitt. Bei den Einkommensunterschieden liegt die Bundesrepublik nur noch knapp darunter.


Aus: "OECD-Studie: Deutschland, Land der Armut" VON EVA ROTH (21.10.2008)
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/1617010_Deutschland-Land-der-Armut.html (http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/1617010_Deutschland-Land-der-Armut.html)

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Quote[...] Vor allem durch einen starken Anstieg der höheren Einkommen seit der Jahrtausendwende sei die Einkommensschere auseinandergeklafft, heißt es in der Studie "Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?".


Aus: "OECD-Studie: Deutschland - Land der sozialen Schere" (FTD.de, 21.10.2008)
Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/:OECD-Studie-Deutschland-Land-der-sozialen-Schere/428662.html (http://www.ftd.de/politik/deutschland/:OECD-Studie-Deutschland-Land-der-sozialen-Schere/428662.html)

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Quote[...] Es ist noch nicht lange her, da galt Deutschland als Sinnbild für Wohlstand und sozialen Ausgleich. Anfang der 90er Jahre waren die Einkommen hierzulande so gleichmäßig verteilt wie sonst nur noch in den klassischen skandinavischen Wohlfahrtsstaaten. Armut galt allenfalls als Randerscheinung. Doch dieses Bild hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Armut und Einkommensungleichheit haben in Deutschland deutlich stärker zugenommen als in anderen Industriestaaten.

Belegt wird dies durch eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie hat die Entwicklung in den 30 OECD-Ländern zwischen 1985 und 2005 untersucht. Demnach haben Armut und Ungleichheit in dieser Zeit zwar in den meisten Staaten zugenommen. In Deutschland war dieser Trend jedoch besonders stark - vor allem in den Jahren 2000 bis 2005. So lag die Armutsquote, also der Anteil der Personen, die weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens haben, im Jahr 2005 in Deutschland sogar mit elf Prozent leicht über dem OECD-Durchschnitt. In Dänemark und Schweden waren es dagegen nur rund fünf Prozent.

Und bei der Einkommensungleichheit kommt Deutschland mittlerweile zumindest nahe an den Durchschnittswert heran (siehe Grafiken). "Trotz anhaltender staatlicher Umverteilung durch Steuern und Transfers erhöhte sich die Kluft zwischen Reich und Arm", heißt es im OECD-Bericht. Dafür gibt es mehrere Gründe:

"Seit 1995 hat die Spreizung der Bruttolöhne und -gehälter in Deutschland um 15 Prozent zugenommen", sagt Michael Förster, einer der Autoren der Studie. Dieser Trend geht vor allem auf steigende Einkommen bei den Top-Verdienern zurück. So sind die Haushaltseinkommen der oberen 20 Prozent zwischen 1995 und 2005 um durchschnittlich 1,3 Prozent pro Jahr gestiegen, während die der unteren 20 Prozent im Schnitt um 0,3 Prozent zurückgingen. Die Zunahme bei den oberen Einkommen wird häufig mit der stärkeren internationalen Konkurrenz um Manager und gut ausgebildete Spezialisten begründet. Dagegen geht der Bedarf für einfache Tätigkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt immer stärker zurück.

Die hohe Arbeitslosigkeit hat die Tendenz zu Ungleichheit und Armut in Deutschland klar verstärkt. So ist hier der Anteil der Haushalte, in denen gar niemand erwerbstätig ist, so hoch wie in keinem anderen Land der OECD. Zwischen 1995 und 2005 ist er von 15,2 auf 19,4 Prozent gestiegen - das ist fast jeder fünfte Haushalt, Rentnerhaushalte werden dabei nicht mitgezählt.

[...] Bestimmte Gruppen sind von Armut deutlich stärker betroffen als andere. Laut OECD-Studie hat sich das Armutsrisiko in den vergangenen 20 Jahren generell von den Älteren auf die Jüngeren verlagert. In Deutschland ist dieser Trend besonders ausgeprägt. So ist die Armutsquote bei Menschen über 65 in der Zeit von 1995 bis 2005 stabil bei rund neun Prozent geblieben und liegt damit deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 13 Prozent. Bei Kindern ist die Quote im gleichen Zeitraum von elf auf 16 Prozent nach oben geschnellt.

[...] Dem deutschen Steuer- und Transfersystem fehlt es dagegen nach Meinung der OECD-Forscher an Zielgenauigkeit. Zwar verringere es die Einkommensungleichheit und Armut in durchschnittlichem Maße. Dafür wende Deutschland aber ungewöhnlich viel Geld auf. "Das deutsche System ist mittelschichtenzentriert", sagt Förster. Es ziele zudem auf das klassische Familienbild mit einem Ernährer ab. Deshalb sei Nachdenken gefordert, ob dieses System geeignet sei, auf neue Strukturen zu reagieren.

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Aus: "OECD-Studie: Wer hat, dem wird gegeben" Von Stefan Kaiser (22.10.2008)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-OECD-Studie;art693,2641967 (http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-OECD-Studie;art693,2641967)

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Quote[...] Die Ungleichheit wird dabei mit dem statistischen Maß des sogenannten Gini-Koeffizienten gemessen. Zugleich wird die relative Armut betrachtet. Sie gibt an, welcher Anteil der Bevölkerung in Haushalten mit weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens lebt. Im Durchschnitt stieg diese Armutsquote in Deutschland seit 1985 von sechs auf elf Prozent. Bemerkenswert dabei: Während sich der Anteil der Kinder in armen Haushalten während der 20 Jahre mehr als verdoppelte und damit auf 16 Prozent stieg, blieb der Anteil der betroffenen Rentner auf unterdurchschnittlichem Niveau stabil.

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Aus: "OECD-Studie: Wächst die Ungleichheit in Deutschland?" von Dietrich Creutzburg (21.10.2008)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/waechst-die-ungleichheit-in-deutschland;2069283 (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/waechst-die-ungleichheit-in-deutschland;2069283)

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Quote[...] Eine neue OECD-Studie belegt, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich im Laufe der letzten 20 Jahre geöffnet hat. Auch in der Schweiz ist das Phänomen der «Working Poor» verbreitet. Laut der Studie beeinträchtigt starke Ungleichheit die gesamtwirtschaftliche Leistung.

[...] Für die Industrienationen im allgemeinen belegt der OECD-Bericht aus offizieller Warte, was bisher in der politischen Diskussion viele vermutet haben:

    * Die Kluft zwischen Reich und Arm hat zugenommen. Die Zahl der Armen hat zugenommen. Die Einkommen der Reichen haben im Vergleich zu mittleren und niedrigen Einkommen abgehoben.
    * Alte Leute sind seltener von Armut betroffen als früher. Junge Erwachsene und Familien mit Kindern sind öfter von Armut betroffen. Von Armut besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter und ihre Kinder sowie Arbeitslose mit geringer Ausbildung.
    * Arbeit schützt nicht vor Armut: Mehr als die Hälfte der armen Haushalte verfügen über ein oder zwei allerdings unzureichende Arbeitseinkommen.
    * Öffentliche Dienste vermindern die Ungleichheit, weil sie auch Ärmeren den Zugang zu Bildung und Gesundheitswesen ebnen. Indirekte Steuern (z.B. die Mehrwertsteuer) verstärken die Ungleichheit, weil sie die Armen stärker belasten als die Reichen.

Ungleichheit der Chancen als Risiko

Der OECD-Bericht hält schliesslich ausdrücklich fest, dass Länder mit stärkeren Einkommensunterschieden eine geringere Einkommensmobilität aufweisen. Anders gesagt: Die Söhne verdienen gleich wie ihre Väter – Reich bleibt Reich, und Arme bleibt Arm.

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Aus: "Die Schere öffnet sich: OECD-Studie über Arm und Reich" (21. Oktober 2008)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/die_schere_oeffnet_sich__1.1146727.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktuell/die_schere_oeffnet_sich__1.1146727.html)

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Quote[...]

QuoteLudBri (21.10.2008, 11:33 Uhr)

Anreize zu gering zur Arbeit

Wenn Sie schreiben:die Arbeitslosigkeit mehr als in den meisten OECD-Ländern zur ungleichen Einkommensverteilung bei, ist das nicht verwunderlich.
Die gleiche OECD schrieb bereits im Vorjahr:Trotz der Einschnitte der Hartz-Reformen liegen die Transferleistungen für Langzeitarbeitslose in Deutschland weiter über dem OECD-Schnitt. Langzeitarbeitslose mit Kindern sind in Deutschland weiter deutlich besser gestellt als in den meisten anderen OECD-Ländern. Dies geht aus der Studie "Benefits and Wages 2007" hervor, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2007 in Paris veröffentlicht hat.
Und jetzt kommen die Krokodilstränen, dass die Schere zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen im Einkommen steigt.
ich weine nicht, ich finde das gut!!


QuoteNursery (21.10.2008, 11:43 Uhr)

Soziale Parteien

Wenn jetzt noch einer überrascht sein sollte ist selbst Schuld.Seit Jahren ist Deutschland abgekoppelt von den anderen Europäischen Ländern.Einmal in der Einkommensentwicklung dann in der Spaltung und was noch viel bedrohlicher ist die Zukunft von Schülern aus Bildungsfernen Schichten. In vielen Skandinavischen Ländern werden Schwache Schüler intensiv gefördert. Das was bei uns hätte in den letzten 20 Jahren an Reformbedarf in Aufwertung und Ausstattung z.B von Hauptschulen und Pädagogischer Neuorientierung hat bei uns nicht stattgefunden.
Es.Wer einmal heute eine Hauptschule besucht kommt zu dem Schluß hier läuft nichts mehr und hier besteht auch kein Bedarf.Hier hat der Staat völlig versagt.Aber auch die Eltern die egoistisch nur ihren Sprößling auf dem Gymnasium sehen wollen haben dazu beigetragen.Denn sie hätten die Kraft und den Druck entwickeln können, diesen Versagern von Ministern zum Teufel zu schicken.jetzt heulen bald alle da keine vernünftig ausgebildeten Fachkräfte mehr am Markt sind.Sie haben alle versagt ohne Ausnahme.Es ist eine Schande für dieses Land das Bildung so einen miesen Sterllenwert hat .Die Rechnung werden wir alle Tragen müssen.


QuoteSternchen2020 (21.10.2008, 11:46 Uhr)

Seit 10 Jahren sinkeden Löhne,

eine Hartz-Reform, die Menschen zwingt jeden erdenklichen Job zu jedem noch so abscheulichem Lohn anzunehmen und keine Festlegung eines sittenwidrigen Lohns durch Fehlen einer nach unten definierten Marge: Die Reichen sind so reich, weil die Armen so arm gemacht wurden. Jeder der Verantwortlichen, der eine "soziale Marktwirtschaft" für sich als Maß aller Dinge in Anspruch nimmt, sollte erst einmal erfahren, was soziale Marktwirtschaft eigentlich ist. Festzustellen bleibt derzeit nur, dass genau diese soziale Marktwirtschaft vorsätzlich durch die Agenda-Politik zerstört wurde.


Quoteganzbaf (21.10.2008, 12:20 Uhr)

Die zwingende Notwendigkeit...


zu einer umfassenden Zurück-Umverteilung (!) läßt sich an praktisch ALLEN Erhebungen und Statistiken zur Einkommes- und Vermögensverteilung der letzten 30 Jahre in Deutschland festmachen.
.
Diesbezüglich sind wir wieder mal die hinterletzen Deppen in Europa )-:

...


Quotedreicon (21.10.2008, 12:22 Uhr)

Thema verfehlt

Wenn man die Kommentare so ansieht, fällt auf, daß die konzertierte Aktion aus (post)neoliberaler Politik (incl. SPD) und Medien tiefgreifenden Erfolg zeitigt. Diskussionen, ob Job oder keiner, Faulheit, Blödheit udgl. sind als Ablenkungsmanöver sehr willkommen. Dabei ist das prinzipielle Problem doch so einfach: Es ist erklärtes Ziel, und wir kommen diesem Tag für Tag näher, daß menschliche Arbeit nicht nur in der Produktion, sondern, und jetzt gerade dort, in der Informationsverarbeitung (=Verwaltung von Wirtschaft und Gesellschaft) substituiert wird. D. h., der Produktionsfaktor Arbeit wird ersatzlos rasant dem Produktionsfaktor Kapital zugeschlagen. So dämmert's jetzt? Keiner, auch nicht die so vollmäulig mit ihrem Arbeitsplatz Prahlenden, weiß/wissen, ob dieser morgen noch Platz in unserem Wirtschaftssystem haben wird. Haben Sie genügend Kapital, um dieses so im Produktionskreislauf investieren zu können, um davon leben zu können? (Das Scheingeld der "Finanzindustrie" scheint sich ja zu verflüchtigen) Wenn nicht, sind sie der (über?)nächste. Garantiert!


QuoteTheHonk (21.10.2008, 12:24 Uhr)

ja.. deutschland ist verarmt..

.. aber überwiegend geistig !


Quotebestoff5 (21.10.2008, 16:04 Uhr)

Schmarotzer

Langsam ist es an der Zeit, auch im Zuge der Finanzkrise, Bilanz zu ziehen und die Frage zu stellen was unsere Gesellschaft auszuhalten in der Lage ist.
Die Hauptschmarotzer dieser Gesellschaft sind dabei noch gar nicht genannt worden,obwohl sie ein vielfaches des Schadens der Finanzkrise Jahr für Jahr verursachen.Das sind die Parteien und ihre im Laufe der Jahre aufgebauten Netzwerke mit Vollkaskoabsicherung,hochbezahlte Postenbeschaffung für Gleichgesinnte,Ausbau der Bürokratie mit Schaffung von immer neuen Ämtern und Verwaltungen,ermöglichen und schaffen von Monopolen(EON,RWE u.a.)zum Nachteil der Bürger usw.,usw.
Diese Liste ließe sich seitenlang fortführen,hat wenig mit Demokratie zu tun und kostet dem Bürger Milliarden und Abermilliarden pro Jahr.


Quotesebale1 (21.10.2008, 18:25 Uhr)

Was tun ?

... und unser Wirtschaftsminister Glos meint, wir brauchen keine gehälterbegrenzungen, wir brauchen keine Konjunkturprogramme, und ... und ... und ...
Schavan hält Studien zurück, die belegen, dass viele aus Kostengründen nicht mehr studieren können ...
Die Deutsche Bank zahlt ihren Investmentbakern > 5 Milliarden Boni ...
neidkultur wird gezielt gesteuert, um Solidarität unter uns "Normalos" zu vermeiden. Alle die arm sind, sind selber schuld - heisst es überall unterschwellig.
Man kann die Liste unbegrenzt fortführen.

...




QuoteSethusCalvisius (21.10.2008, 22:16 Uhr)

Ich warte immer noch

auf die Antwort auf meine Frage, die bereits 2mal hier gestellt habe: Wo sind die 3 Mio Arbeitsplätze, die von unseren Hartz IV-Empfängern mutwillig nicht angenommnen werden? Bitte diese Frage beantworten und erst dann weiter über Sozialschmarotzer stänkern!


Quoteguenti2477 (21.10.2008, 22:49 Uhr)

@sethus

[...] Glauben sie allen ernstes, ich zähle hier jetzt 1,5 Mio Arbeitsstellen auf? Was soll diese Frage? Wer die Grundlagen für einen Beruf nicht hat, wird auch nichts finden. Gute Leute finden Arbeit, wenn sie flexibel sind. Wer auf seiner Couch in Hintertupfingen sitzen bleibt, der wird auch noch Jahre dort sitzen. Ich wohne an der Mosel, einem der größten deutschen Weinbaugebiete. Die Winzer holen sich Polen zum Arbeiten. Nicht wiel die billiger sind, sondern weil man diese brauchen kann. Im letzten Jahr, mussten die Winzer Hartz4ler beschäftigen. Das Ergebnis war eine Erntekatastrophe. Die Winzer haben nun wieder Polen. Solche Leute werden nie was finden.



Quotemanny052 (22.10.2008, 0:49 Uhr)

Nase oben

Ich wünsche allen die Arbeit haben und so geringschätzig auf die ohne Arbeit herabblicken die Pest an den Hals.
Die CSU in Bayern hat ihre Quittung bekommen. Merkel und Konsorten bekommen sie auch. Der Tag wird kommen an dem Euch ewigen Lügnern in Bezug auf Arbeitslosenzahlen und freien Arbeitsplätzen das Lachen und dumme dahergerede vergeht.


Quoteguenti2477 (21.10.2008, 22:27 Uhr)

@sethvus

Grundsätzlich gibt es dafür folgende Rechnung:
Man zieht von Ihrer Rechnung Rentner, Alleinerziehende, Behinderte, Kranke, und unvermittelbare - da kurz vor der Rente stehende - ab. Dann hat man schonmal die Hälfte weg. Der Rest würde arbeit finden. Dies unter folgender Prämisse: Einen erlernten Beruf - den man auch beherrscht, regionale Unabhängigkeit und Flexibilität, Fleiß und der Wille es zu schaffen. Das Problem ist jedoch, dass viele das gar nicht wollen, da es sich nicht wirklich schlecht damit lebt. Immerhin braucht man nichts - aber auch gar nichts dafür zu tun und kann trotzdem leben.

Quoteknilch_59 (21.10.2008, 23:40 Uhr)

Peinlich kleinlich!

Ja – unter den 3 Mio offiziell anerkannten Arbeitslosen gibt es auch Leute, die man stärker ,,motivieren" müsste, sich aktiver nach einem Job umzusehen. Das bestreitet niemand, aber wie soll man das schaffen, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten? Immer wieder: Die Ämter haben keine Zeit (=zu wenig Personal, zu wenig Geld), um die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Hartz-IV Regelkreis befinden sich über 8 Millionen Menschen, alles Einzelschicksale, rund 10 % der Bevölkerung im untersten Auffangnetz unseres Sozialsystems. Jede Menge von denen können nicht arbeiten, müssen aber trotzdem dauernd beim Amt vorstellig werden, weil man eben vom Regelsatz nicht alle Ausgaben, insbesondere bei andauernder Bedürftigkeit, bestreiten kann. HARTZ-IV funktioniert vorne und hinten nicht – BASTA!
.
Wer etwas anderes sagt, lügt. Immer dran denken: Eine statistische Aussage wird nicht davon falsch, dass es immer auch ein paar Gegenbeispiele gibt. Hartz-IV gibt für die Masse der Probleme keine Antworten.
.
Bitte sich nicht auf dem Nebenkriegsschauplatz verzetteln, indem man auf Einzelbeispielen in beiden Richtungen rumreitet. Die beweisen nichts. Die Rechthaberei wird peinlich und kleinlich!



Kommentare zu: "OECD-Studie: Deutschland verarmt" (21. Oktober 2008)
Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland/:OECD-Studie-Deutschland/642922.html?id=642922&ks=3&rendermode=comment#comments (http://www.stern.de/politik/deutschland/:OECD-Studie-Deutschland/642922.html?id=642922&ks=3&rendermode=comment#comments)

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Quote[...] In Deutschland gibt es mindestens 300.000 so genannter Working Poor. Diese Zahl nannte Arbeitsminister Franz Müntefering erstmals im Interview mit der "Financial Times Deutschland". Als "Working Poor" werden Beschäftigte bezeichnet, die trotz bezahlter Arbeit unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben. In Deutschland gelten die Leistungen des Arbeitslosengelds II (ALG II) allgemein als Existenzminimum. Der Regelsatz für das ALG II beträgt im Westen 345 Euro und im Osten 331 Euro. Der Staat übernimmt zudem Miet- und Heizkosten.

"Es gibt schätzungsweise 300.000 Vollzeitjobber, die so wenig Geld bekommen, dass sie es mit ALG II aufstocken", sagte Müntefering. Dazu kämen mehrere hunderttausend Menschen, die neben einem Teilzeit- oder Minijob ALG II bekommen. Der SPD-Minister kündigte an, er wolle das Thema in der anstehenden Diskussion über existenzsichernde Löhne aufgreifen. Müntefering will dazu im Herbst Vorschläge vorlegen.

In einigen Wirtschaftszweigen werden Tariflöhne von vier Euro die Stunde und weniger gezahlt, was vor allem dann nicht reicht, wenn mehrere Menschen in einer Familie davon leben müssen.

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Aus: "Mehr als 300.000 "Working Poor": Vollzeitarbeit und trotzdem zu wenig zum Leben" (01.04.2006)
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/meldung124214.html (http://www.tagesschau.de/inland/meldung124214.html)

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Quote[...] Um fünf Uhr morgens trägt Tanja Schomann Zeitungen aus. Das ist der erste ihrer beiden Jobs, denn die Frau gehört zu den Millionen Menschen, die heute in Deutschland für einen Billiglohn arbeiten. Um sieben Uhr weckt sie ihre Kinder. Die gemeinsame Zeit ist kostbar, denn schon bald nach dem Frühstück muss die allein erziehende Mutter zu ihrer nächsten Arbeit, einem Vollzeitjob als Putzfrau.

Doch trotz der beiden Jobs reicht Tanja Schomann das Geld hinten und vorne nicht: "Urlaub ist nicht drin. Die Kinder können mal mit Oma weg, aber ich selbst habe seit sieben Jahren keinen Urlaub mehr gemacht." Auch Heinz Klinke muss schuften. Er arbeitet beim Wachdienst auf Berliner Baustellen. Doch um überleben zu können, reicht ihm eine 40-Stunden-Woche bei weitem nicht: "260 Stunden im Monat müssen schon sein, darunter kommt man nicht auf sein Geld. Ich verdiene 4,60 Euro brutto die Stunde." In der Dienstleistungslücke herrscht Hochkonjunktur. Wachleute, Boten, Telefonisten, Putzkolonnen, fast elf Prozent der Beschäftigten in Deutschland verdienen heute so wenig, dass sie unterhalb der Armutsgrenze liegen und die beträgt 1200 Euro brutto im Monat.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund ist das Problem bekannt. Wilhelm Adamy stellt fest, dass bereits heute ein Niedriglohnsektor existiert. "Wir haben viele Tarifverträge mit einem Stundenlohn von sieben bis acht Euro. Leider breitet es sich aus, dass viele unterhalb tariflicher Löhne arbeiten." Das Problem sei noch lange nicht gelöst. Alle Förderungsmodelle auf dem Niedriglohnsektor zeigten nur geringe Effekte, bemängelt Adamy. "Die Lösung des Beschäftigungsproblems bringen sie keinesfalls." Dennoch setzt die Regierung angesichts von Arbeitslosigkeit und leeren Kassen auf den Ausbau des Niedriglohnlektors. So sieht die Agenda 2010 massive Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vor. Das soll den Druck auf die Arbeitslosen erhöhen, auch Billiglohn-Jobs anzunehmen.

Ökonomen wie Klaus Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung begrüßen das Regierungskonzept. Doch für sie ist es nur ein erster Schritt. Das Problem liegt bereits im System: "Das ist ein korruptes System, das wir organisiert haben. Die Menschen sind durch staatliche Leistungen so gründlich abgesichert, dass ihr Einkommen durch Arbeit unwesentlich höher liegt als ihr Einkommen durch Sozialhilfe." Bleibt das hoffen auf ein Jobwunder in Deutschland.

Ökonomen und Politiker wollen durch die niedrigeren Löhne bis zu zwei Millionen neue Arbeitplätze entstehen lassen, vor allem in privaten Haushalten. Auch die unzähligen Schattenarbeitsverhältnisse könnten legalisiert werden. Vor allem fordern die Ökonomen, es müsse endlich Schluss sein mit der alten Umverteilungs- und Konsenspolitik. Klaus Zimmermann kritisiert die Arbeit der Vergangenheit: "Wir haben zwanzig, dreißig Jahre Sozialpolitik gemacht und uns auf die Verteilungsfragen konzentriert, das hat uns die Probleme gebracht. Wir haben nie gefragt, ob das zu mehr Beschäftigung führt. Insofern brauchen wir ein Aus für die Sozialpolitik."

Bislang gehörte es zum Selbstbild der Bundesrepublik, dass der Sozialstaat Armut verhindert. Kann und will die Gesellschaft sich das noch leisten? Oder muss sie es hinnehmen, dass immer mehr Menschen trotz harter Arbeit in Armut leben? Vor so einer Entsolidarisierung der Gesellschaft warnt Walter Pfannkuche, Philosoph an der Technischen Universität in Berlin: "Was uns droht, ist fundamental eine Abbildung der globalen Einkommensdifferenzierung in die nationalen Volkswirtschaften hinein. Das heißt, dass Leute erheblich viel weniger verdienen werden." Daraus ergeben sich Fragen wie "'sollen die einen Urlaub haben', 'sollen die eine Krankenversicherung haben', oder 'sollen die Geld haben, um ihre Kinder zur Schule zu schicken'. Wenn Sie am Ende konkurrieren wollen mit Reproduktionsbedingungen in Bangladesh, dann werden Sie auch bangladeshartige Lebensbedingungen für die davon Betroffenen in Kauf nehmen müssen."

Der Philosoph warnt vor den Folgen einer ungezügelten Anpassung an den Weltmarkt. Es dürfe keinen Rückfall in den ungebändigten Kapitalismus geben. Dann drohe der Gesellschaft die Zerreißprobe. Ungleichheit könne zum sozialen Sprengsatz werden, denn, so Pfannkuche, "der Markt wird sich nur humanisieren, wenn die Menschen so wütend, so empört und vielleicht auch so in die Enge getrieben sind, dass sie sich gegen die Zumutungen des Marktes wehren." Der Philosoph fügt hinzu: "Ich hoffe, dass wir die Leute in Deutschland nicht so sehr verwahrlosen lassen, dass dieser Widerstand eine Zerreißprobe für unsere Gesellschaft wird. Ich hoffe, dass in bisher nicht betroffenen Teilen der Gesellschaft noch genug moralische Ressourcen da sind, um das Vorhandene fair zu teilen."

Die moralische Integrität einer Gesellschaft misst sich daran, wie es ihren schwächsten Mitgliedern geht. Können sie in Würde leben? Für Tanja Schomann ist der Überlebenskampf schon Realität: "Das Geld reicht grade, trotzdem bin ich froh, wenn der Monat zu Ende ist und das neue Geld kommt."


...



Aus: "Working Poor in Deutschland: Trotz Doppeljobs leben viele Menschen an der Armutsgrenze" (Kulturzeit, 14.07.2003)
Quelle: http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/48619/index.html (http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/48619/index.html)

Title: [Ein Leben von der Pfandflasche... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 19, 2008, 11:11:56 AM
Quote[...] Früher war das so: Sonntags auf dem Fußballplatz, wo die Großen kickten, sammelten die Kinder die liegengebliebenen Bier- und Limonadenflaschen auf oder fragten deren Besitzer schon während des Spiels, ob sie diese haben dürften. Manchmal stibitzten sie auch Flaschen, die noch nicht völlig leer waren. Ihre Beute brachten die kleinen Sammler an die Imbissbude, um sie gegen zehn Pfennig das Stück abzugeben. Nach Ende des Kicks schätzten sie sich glücklich, wenn sie zwei Mark verdient hatten. Als Kind der 70er Jahre fühlte man sich damit für Momente reich. Wer heute Flaschen von der Straße aufsammelt, findet dies nicht lustig, sondern betreibt diese Tätigkeit nur, weil er oder sie arm ist. Deutschlands Heer der Flaschensammler wächst. Besonders nach Volksfesten, Sportereignissen oder in der Silvesternacht ziehen die Pfandjäger los, bewaffnet mit Plastiktüten, Rucksäcken oder am besten gleich mit einem großen Leiterwagen. Acht Cent pro Mehrweg-Bierpulle, 15 Cent je Sprudelflasche oder Mehrweg-Joghurtglas - zehn bis fünfzehn der Behälter braucht man für eine günstige Currywurst.

[...] Das ZDF wird heute um 22.15 Uhr den Flaschensammlern einen Beitrag der Sendereihe "37 Grad" widmen. Die Filmemacherin Uta Claus stellt in ihrer Reportage "Das Geld liegt auf der Straße" vier Menschen vor, die sich oft schämen für ihre öffentliche Suche nach Pfandgut - und doch haben sie sich filmen lassen. Sie berichten dennoch "offen darüber, wie sie zu Flaschensammlern wurden, und vermitteln so ein eindrucksvolles Bild von dem, was gerade in der Mitte unserer Gesellschaft passiert", heißt es in einem Ankündigungstext des Senders. Der Beitrag zeigt auch, dass die Zahl der Pfandjäger steigt, dass sie Plätze, Straßenzüge oder Bahnhöfe in den großen Städten längst in Reviere aufgeteilt haben, um ihr Zuverdienst abzusichern. Viele schauen noch eher verstohlen in die Abfallkörbe, greifen unauffällig nach einer stehengebliebenen Flasche neben der Parkbank. Es ekele sie "genauso an wie jeden anderen Menschen auch", sagt zum Beispiel die 58-jährige Inge, früher Goldschmiedin. "Betteln wollte ich nicht, da ist Flaschensammeln ehrenvoller", findet der 34-jährige Dietmar, der 15 Jahre lang als Akkordarbeiter im Schlachthof Tiere zerlegt hat. Und Kerstin, 43 Jahre alt, "schämt sich einfach", wenn sie des Pfandes wegen in Abfallbehältern wühlt. Der 54-jährige Michael indes sagt: "Das ist bares Geld, das auf der Straße liegt." Nach einem Vierteljahrhundert Arbeit im Wasserwerk hat er plötzlich vor dem Nichts gestanden. Es sind zum Teil Menschen, wie sie der Soziologie-Professor Heinz Bude von der Universität Kassel in seinem neuen Buch "Die Ausgeschlossenen" beschrieben hat - Menschen, die beim wichtigsten Gesellschaftsspiel, dem Ausüben eines Berufs, nicht mehr mitmachen dürfen oder können. "Neben den Jüngeren, die gar nicht erst ins Spiel kommen, stehen die Älteren, die ohne Aussicht auf Wiedereintritt aus dem Spiel gefallen sind. Das sind die Dauerarbeitslosen ohne ein zweites Standbein in der Schattenwirtschaft", schreibt Bude. Gut beschäftigte Schwarzarbeiter wissen sich im Vergleich dazu immerhin noch zu helfen - und zwar ohne von einer Pfandregelung zu profitieren, die Ressourcen schonen soll statt die Sozialkassen.


Aus: "Ein Leben von der Pfandflasche - Immer mehr Menschen durchstöbern Abfallkörbe, um in Deutschland über die Runden zu kommen" WALTER SCHMIDT (Rubrik 'Brennpunkt' - SWP - 18.11.2008)
Quelle: http://www.hnp-online.de/index.php?mode=full&cat=16&open=&open_u=&minDate=&s_id=897f840406b64076bad7a422d76eacc6&ident=&id=451819 (http://www.hnp-online.de/index.php?mode=full&cat=16&open=&open_u=&minDate=&s_id=897f840406b64076bad7a422d76eacc6&ident=&id=451819)


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Quote[...] Ein warmes Mittagessen oder gar ein Kinobesuch ist für Hartz-IV-Empfänger nicht immer erschwinglich. Einer Studie zufolge mangle es sechs bis 17 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld zeitweise an sogenannten elementaren Gütern, antwortete Brandenburgs Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage.
Die Ministerin bezog sich auf Erkenntnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Forschungseinrichtung führt demnach in ihrer Untersuchung des Lebensstandards von Hartz-IV-Empfängern beispielsweise rezeptfreie Medikamente, monatliche Konzert- oder Kinobesuche oder den gelegentlichen Kauf neuer Kleidung als Indikatoren auf.

Die Auswertung zeige, dass der Besuch kultureller Veranstaltungen für 61 Prozent der Betroffenen nicht möglich sei, so Ziegler. Ein monatlicher Restaurantbesuch oder eine Urlaubsreise komme für 76 bis 82 Prozent dieser Menschen nicht in Betracht. Es sei zwar fraglich, inwieweit höherwertige Güter zu den Grundbedürfnissen zählten, sagte Ziegler. Für unstrittig halte sie aber die Schlussfolgerung, dass mit Hartz IV die Lebensqualität der Betroffenen sinke.


Aus: "Studie: Kein warmes Essen bei Hartz IV" (Montag, 17. November 2008 12:04)
Quelle: http://www.morgenpost.de/brandenburg/article979690/Kein_warmes_Essen_bei_Hartz_IV.html (http://www.morgenpost.de/brandenburg/article979690/Kein_warmes_Essen_bei_Hartz_IV.html)

Title: [Rund 36,2 Million Menschen in den USA... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 19, 2008, 11:25:29 AM
Quote[...] Washington (Reuters) - Rund 36,2 Million Menschen in den USA haben nach amtlichen Angaben oft nicht genug zu essen, und ein Drittel von ihnen hungert von Zeit zu Zeit.

Das geht aus einer am Dienstag von der Regierung veröffentlichten Erhebung hervor, die noch vor der Finanzkrise erstellt worden ist. 45.600 Haushalte waren Ende 2007 für die Studie befragt worden.

Im Vergleich zu 2006 erhöhte sich demnach die Zahl leicht. Damals hatten 35,5 Millionen Menschen nicht immer ausreichend zu Essen. Dies sind per Definition jene Menschen, die Probleme haben, ausreichend Lebensmittel für eine Grundversorgung zu bekommen. 11,9 Millionen von ihnen müssen den Angaben zufolge Mahlzeiten reduzieren oder gar auslassen. Ihr Anteil habe sich seit 1989 kontinuierlich von damals 3,8 Millionen erhöht.

Angesichts dieser Zahlen haben Wohlfahrtsorganisationen an den Kongress appelliert, mehr Lebensmittelmarken zur Verfügung zu stellen.


Aus: "Immer mehr Amerikaner haben nicht genug zu Essen" (Dienstag, 18. November 2008)
Quelle: http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE4AH0JW20081118 (http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE4AH0JW20081118)

Title: [Die Karte solle «den Ärmsten der Armen» helfen... (IT)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 27, 2008, 12:09:55 PM
Quote[...] Eine staatlich finanzierte Kreditkarte für sozial Schwache ist am Mittwoch in Rom präsentiert worden.

Die Karte solle «den Ärmsten der Armen» helfen, erklärte Sozialminister Maurizio Sacconi bei der Präsentation. Nach Schätzungen der Regierung haben etwa 1,3 Millionen Menschen in Italien ein Anrecht auf die blaue Karte. Der staatliche Bonus betrage 40 Euro (rund 60 Franken) pro Monat, der von den beteiligten Supermärkten für eine Ermässigung des Produktpreises angerechnet werden soll.

Die «Carta Acquisti» ist die erste Massnahme des Konjunkturprogramms der Regierung Silvio Berlusconi gegen die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise.

«Dies ist ein ganz neues Vorhaben im Sinne der Empfehlungen der EU», kommentierte der italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti die «Carta Acquisti». Einziger «Wermutstropfen» sei, dass sich bisher nur 5 Prozent des Handels an der Initiative beteilige.

Mit der Plastikkarte könnten ab sofort sozial schwache Senioren, die nur über ein Jahreseinkommen von unter 6000 Euro verfügen, und Familien mit Kleinkindern vor allem Lebensmittel einkaufen.

Das Projekt sei inspiriert von der zum ersten Mal während des Zweiten Weltkriegs eingeführten Lebensmittelhilfe der USA (»Food Stamp System») und werde den Staat voraussichtlich 450 Millionen Euro im Jahr kosten, erklärte Tremonti weiter.

Der Grossteil dieser Gelder werde aus der sogenannten «Robin- Hood-Steuer» gewonnen, einer Sonderbesteuerung auf die Gewinne der Ölkonzerne und grossen Banken. (sam/sda)




Aus: "Italien verteilt Kreditkarten an Arme" (26.11.2008)
Quelle: http://www.bazonline.ch/ausland/europa/Italien-verteilt-Kreditkarten-an-Arme/story/16917172 (http://www.bazonline.ch/ausland/europa/Italien-verteilt-Kreditkarten-an-Arme/story/16917172)

Title: [Einige von ihnen sieht man manchmal in Hauseingängen liegen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 27, 2008, 12:18:04 PM
Quote[...] Immer mehr Frauen [ca. 60 000] in Deutschland haben keinen festen Wohnsitz.

[...] Einige von ihnen sieht man manchmal in Hauseingängen liegen, unter Brücke oder im U-Bahnhof. Meistens sieht man sie aber nicht. Weil wohnungslose Frauen nicht so auffallen wie obdachlose Männer, nicht dem Klischee der "bag-ladies" mit Einkaufswagen und Tüten entsprechen. Weil sie die Straße eher meiden, in Notunterkünfte gehen. Und weil sie im Dunkeln leben. Im Dunkeln der Gesellschaft.

[...] Wie viele es sind, weiß niemand. Zahlen gibt es nicht, nur Schätzungen. Unterschätzungen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geht davon aus, dass bundesweit mehr als 60 000 Frauen wohnungslos sind. Das sind rund 25 Prozent der rund 250 000 Betroffenen in Deutschland - und mehr als jemals zuvor. Laut einer Studie der Sozialbehörde gab es 1996 genau 189 obdachlose Frauen in Hamburg (17 Prozent), im Jahr 2002 waren es 279 (21,9 Prozent).

[...] Experten gehen davon aus, dass überproportional viele obdachlose Frauen psychisch krank sind. "Sie sind obdachlos, weil sie psychisch krank sind. Oder sie sind psychisch krank, weil sie obdachlos sind", sagt Sabine Kordt (50), Sozialpädagogin im "Frauenzimmer". Seit 21 Jahren kümmert sie sich um wohnungslose Frauen.


...


Aus: "Weiblich, ledig - und obdachlos" Von M. Opresnik (25. November 2008)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/25/978409.html?s=1 (http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/25/978409.html?s=1)

Title: [Türkei Tausende gehen in Ankara gegen höhere Preise auf die Straße... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 01, 2008, 12:28:09 PM
Quote[...] "Wir protestieren gegen höhere Preise und gegen die Armut", so ein Demonstrant. "Energie, Lebensmittel sind seit Anfang des Jahres um 50 Prozent teurer geworden. Das trifft auch für alle anderen Lebensbereiche zu."
Die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent. Die Regierung in Ankara verhandelt mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Kredit, mit dem die Folgen der Finanzkrise eingedämmt werden sollen.


Aus: "Türkei Tausende gehen in Ankara gegen höhere Preise auf die Straße" ( 29/11/2008)
Quelle: http://www.euronews.net/de/article/29/11/2008/economic-protests-spark-clashes-in-turkey/ (http://www.euronews.net/de/article/29/11/2008/economic-protests-spark-clashes-in-turkey/)

Title: [...dass immer mehr Familien mit Kindern in die Notunterkünfte strömen]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 08, 2008, 12:10:42 PM
Quote[...] Washington. Seit 19 Jahren verteilt Alice Hodgkins für die US-Hilfsorganisation «Salvation Army» in Ocala (Florida) Essen an Arme - und immer konnte sie den Menschen helfen. Bisher. «Das habe ich noch nie erlebt. Vor kurzem waren unsere Regale leer, wir hatten nichts mehr zu verteilen», sagt sie.

Es ist ein trauriger Fall von vielen. In den gesamten USA werden die Schlangen vor den Suppenküchen immer länger - eine Folge der schweren Wirtschaftskrise mit massiven Arbeitsplatzverlusten und sinkenden Gehältern.

So wird die Washingtoner Hilfsorganisation «Capitol Area Food Bank» (CAFB) nun geradezu von Anrufen überflutet, in denen Arme um kostenloses Essen bitten - jeden Tag sind es fast drei Mal so viele wie im vergangenen Jahr. Seit dem Herbst verzeichnet auch die Lebensmittel-Verteilstelle «Food for Others» in Fairfax (Virginia) einen steten Anstieg der Zahl von Hilfesuchenden, jeden Monat sind es 40 Prozent mehr im Vergleich zu den vier Wochen davor.

Bei der Katholischen Armenhilfe in Fulton (New York) ist der Ansturm nicht ganz so stark gewachsen - «nur» um 30 Prozent von Monat zu Monat. Dennoch können die Mitarbeiter dort die Regale kaum mehr füllen: Während in Washington und Fairfax viele reiche Familien mehr Geld geben als früher, ist die Spendenbereitschaft in der ärmeren Region Fulton stark gesunken. «Viele, die bisher gespendet haben, müssen nun selbst hierhin kommen und um unsere Hilfe bitten», sagt die Mitarbeiterin Judy Eagan. Mit Briefen an Privathaushalte habe sie um Geld gebeten, aber es kamen kaum Reaktionen.

Bei einem «Food Drive» fuhren freiwillige Helfer durch Wohngebiete, klingelten an jeder Haustür und baten um Speisen für die Armen - trotzdem hat Judy Eagan viel weniger zu verteilen als im vergangenen Jahr. «Ich bin sicher, dass das Geld, das wir brauchen, da ist», meint sie. «Aber die Leute, die noch etwas haben, machen sich solche Sorgen um die Wirtschaft, dass sie es lieber zusammenhalten.»

Auch die Zahl von Menschen ohne Wohnung steigt. Hauptsächlich seien arme Familien, Mieter, zu Opfern der Wirtschaftsmisere geworden, sagt Philip Mangano, Leiter eines staatlichen Programms zum Kampf gegen die Obdachlosigkeit. Er schildert, wie bitter es zugeht: Ohne jede Vorwarnung hätten viele Familien die schockierende Mitteilung von der Bank bekommen, dass ihr Vermieter die Hypothek für sein Haus nicht gezahlt habe und es nunmehr zwangsversteigert werde. Die Mieter müssten ausziehen - innerhalb von 30 Tagen. «Es ist ein unglaubliches Trauma für viele Familien, dass sie auf die Straße gesetzt werden, obwohl sie ihre Miete immer pünktlich gezahlt haben», sagt Mangano.

Besonders Großstädte melden, dass immer mehr Familien mit Kindern in die Notunterkünfte strömen. Allein in New York übernachteten Mangano zufolge hier im November 30 Prozent mehr Familien als im Vergleichsmonat 2007.

An die Hilfsorganisationen wenden sich zahlreiche Menschen, die dies vorher nie nötig hatten. «Vielen, die das erste Mal kommen, ist es peinlich, dass sie bei uns nach Lebensmitteln fragen müssen. Ich glaube, es gibt sogar Leute, die sich so sehr schämen, dass sie gar nicht kommen», sagt Helferin Hodgkins in Florida.

Ein Lichtblick: Nach Medienberichten über die prekäre Lage vieler Armen-Einrichtungen spenden wohlhabende Privatleute mehr als in der Vergangenheit, sagt eine Sprecherin der Organisation «Goodwill», eines der größten US-Hilfswerke. Während die Einrichtung dadurch sogar mehr einnimmt als noch vor einem Jahr, sieht es bei der CAFB nicht so rosig aus. Ein Großteil der bei der Lebensmittelbank eingehenden Spenden, 85 Prozent, stammen von Firmen - die nun viel weniger geben oder gar pleite sind. Noch hat die CAFB Vorräte, doch diese werden kleiner.

Der Staat will jetzt den Obdachlosen verstärkt unter die Arme greifen: Zusätzliche vier Milliarden Dollar (3,14 Mrd Euro) sollen Städte und Gemeinden zum Aufkaufen von Mehrfamilienhäusern bekommen, um mehr Menschen eine Bleibe zu bieten. Aber soweit wird es erst im nächsten Jahr sein, und das bedeutet für viele Betroffene: Weihnachten im Obdachlosenasyl.



Aus: "Sturm auf Suppenküchen: Krise trifft die Schwächsten in Amerika"
Von Constanze Kretzschmar, dpa (07.12.2008)
Quelle: http://www.an-online.de/news/vermischtes-detail-an/742025?_link=&skip=&_g=Sturm-auf-Suppenkuechen-Krise-trifft-die-Schwaechsten-in-Amerika.html (http://www.an-online.de/news/vermischtes-detail-an/742025?_link=&skip=&_g=Sturm-auf-Suppenkuechen-Krise-trifft-die-Schwaechsten-in-Amerika.html)

Title: [New Yorks größte Suppenküche... (2008/2009)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 08, 2009, 07:08:23 PM
Quote[...·] Es ist erst acht Uhr in der Frühe eines eisigen Wintertages, doch die Schlange der Hungrigen zieht sich schon fast ganz um den tristen Sozialbaublock im äußersten Westen Manhattans, im Stadtteil Chelsea. Erst in zweieinhalb Stunden öffnet hier die größte Suppenküche New Yorks. Sie befindet sich in der Church of the Holy Apostles, deren 160 Jahre alter Klinkerbau wie ein vergessener Überrest einer anderen Zeit zwischen den grauen Wohntürmen eingequetscht ist. Die meisten, die hier anstehen, können es kaum erwarten, bis die Pforten des schlichten Gotteshauses geöffnet werden. Es wird ihre einzige Mahlzeit sein und die halbe Stunde, die sie in der Kirche verweilen dürfen, die einzige Zuflucht in einer Stadt, die für Arme und Obdachlose ansonsten keinen Platz hat.

Sie haben auf den harten Schalensitzen der U-Bahn-Linie E übernachtet, vor dem Hauptpostamt auf der Seventh Avenue oder im Eingangsbereich des 24-Stunden-Kopierladens gegenüber. Hauptsache, man ist morgens gleich da. Nun stehen sie am Zaun des Kirchengrundstücks aufgereiht - eine Kompanie zerlumpter Gestalten, ein Bild so bitter wie die berühmten Dokumentarfotos von Dorothea Lange oder Walker Evans aus der großen Depression der 30er-Jahre. Viele Wartende tragen bei der Kälte ihre gesamte Garderobe am Leib. Andere schieben ihr Hab und Gut in einem Einkaufswagen vor sich her. Das Empire State Building, das seinen Schatten über Chelsea wirft, wirkt wie eine unwirkliche Erinnerung daran, dass man noch immer im glanzvollen Manhattan ist. Noch ist Warten angesagt.

[...] Wenn um halb elf die Pforten der Holy Apostles öffnen, schleusen Ordner in gelben Sicherheitswesten die "Gäste", wie die Hungrigen der Stadt hier genannt werden, in einen kleinen Vorraum, wo an langen Tischen Freiwillige mit Kellen hinter großen Trögen warten. Einen Schlag Reis, einen Schlag Gemüse, ein Stück Fleisch, genau 2.500 Kalorien insgesamt gibt es auf den Teller, der Tagesbedarf eines Erwachsenen. Dann geht es ab ins Hauptschiff der Kirche, wo unter hohen neogotischen Bögen und elaborierten Fenstermalereien 15 große runde Tische à zehn Sitzplätze aufgestellt sind. Die Kirchenbänke sind schon lange abmontiert worden, zum Gottesdienst am Sonntag werden Klappstühle aufgestellt. 1.300 bis 1.400 Menschen werden von 75 Helfern bis 14 Uhr hier durchgeschleust. Das ist nationaler Rekord.

Die Pastorin der episkopischen Gemeinde, Elizabeth Maxwell, die alle nur "Mutter Liz" nennen, ist alles andere als stolz auf diesen Rekord. "Am liebsten wäre es uns, wenn wir das hier überhaupt nicht machen müssten", sagt die 54 Jahre alte Frau, der das graue Haar strähnig in der Stirn hängt und der die Erschöpfung Ringe unter die Augen gemalt hat. Schlimmer aber noch als die Tatsache, dass der Hunger so viele Menschen in ihre Kirche treibt, ist es für Mutter Liz, dass sie nicht mehr weiß, wie sie den Betrieb aufrechterhalten soll.

"Wir sind wirklich im Moment von allen Seiten unter Beschuss", sagt sie an ihren Altar gedrängt, um dem geschäftigen Betrieb in ihrer Kirche nicht im Weg zu stehen. Ein steter Strom von Gästen drängt mit einem Tablett in der Hand in die Kirche auf der Suche nach einem freien Sitzplatz. Helfer mit Gummihandschuhen wuseln umher, um die Tische im Wechsel für die Nächsten freizuräumen. Im September, dem Monat des Zusammenbruchs an der Wall Street, so Mutter Liz, seien 22 Prozent mehr Hungrige als im selben Monat des Vorjahrs gekommen. Gleichzeitig hat der Staat New York innerhalb von fünf Monaten die Bezuschussung von Hungerhilfseinrichtungen um insgesamt 20 Prozent gekürzt. Und die Spenden von den Stiftungen, die sich früher auf großzügige Beiträge aus der Finanzwelt verlassen konnten, würden auch immer dünner. Wenn nichts Dramatisches passiere, sagt Mutter Liz, dann sei ihre Suppenküche in wenigen Monaten am Ende. Dabei geht es Holy Apostles noch vergleichsweise gut. "Andere Suppenküchen haben schon dichtgemacht."

Der Ernst der Lage kann gar nicht übertrieben werden. Man sieht es selten so deutlich wie morgens um zehn an der 28. Straße: New York steckt in einer Hungerkrise. 45 Prozent der Familien mit Kindern im Stadtgebiet können nicht mehr aus eigener Kraft genügend Lebensmittel auf den Tisch bringen. Beinahe zwei Millionen Menschen in der Stadt leben unter der Armutsgrenze - ein Viertel der Bevölkerung. "Die meisten von ihnen", meint Mutter Liz, "müssen sich zwischen Essen und Krankenversicherung entscheiden."

Mutter Liz ist gewiss kein zorniges Gemüt, aber wenn sie anfängt, über die soziale Gesamtsituation ihrer Stadt zu reden, gerät sogar sie in Rage. Die Tatsache, dass es im Schatten der opulentesten Konsumtempel und der Konzernzentralen in solch unfassbarem Ausmaß Hunger gebe, wettert sie, werde ignoriert - von der Politik, von der Wirtschaft, von den Medien. "Es ist einfach unakzeptabel, dass Millionen von Menschen nichts zu essen haben. Wir brauchen eine völlig neue Diskussion darüber, was Gemeinwohl bedeutet."

Gewiss, Armut und krasse soziale Gegensätze hat es in New York immer gegeben. Seit sich die Finanzkrise zur Depression ausweitet, scheint jedoch niemand mehr wirklich gefeit davor, bei Mutter Liz in der Schlange zu stehen. "Wir sehen hier vielleicht noch keine arbeitslosen Banker, aber ihre arbeitslosen Putzfrauen und die arbeitslosen Chauffeure, die sind schon da." In vielen Fällen, so die Pastorin, hätten ihre Gäste sogar Arbeit, könnten von dem Lohn in New York jedoch nicht leben. Ihre Gemeinde macht da keine Unterschiede, jeder, der an die Kirchenschwelle kommt, wird auch gespeist. "Wir fragen nicht", sagt Mutter Liz. "Wir gehen davon aus, dass niemand gerne in einer Suppenschlange steht."

So mischen sich zwischen die hoffnungslosen Fälle, die Langzeitobdachlosen und die Alkoholiker nicht wenige, die so wirken, als würden sie nach dem Essen wieder ins Büro gehen. Ein Mann in Anzug und Krawatte etwa sammelt von einem Tisch, an dem gerade eine Gruppe aufgestanden ist, übrig gebliebene Brotscheiben auf. Seine Geschichte erzählen mag er aus Scham freilich nicht. Er habe keine Zeit, entschuldigt er sich höflich, er müsse noch zu einem Termin.

Noch während der Mann das Brot in eine Papierserviette verpackt, rücken an dem Tisch in der Mitte der Kirche die nächsten zehn Esser an. Es ist ein Querschnitt der unteren Zehntausend New Yorks: eine verwirrt wirkende Frau, die viel zu viel Lippenstift aufgetragen hat, ein kurzhaariger Schwarzer mit kantigem Gesicht, der zugibt, gerade aus dem Gefängnis entlassen worden zu sein, ein streng riechender junger Mann in einem fleckigen Mantel, der offenbar schon längere Zeit auf der Straße lebt. Sie reden kaum miteinander, man will in Frieden seine tägliche halbe Stunde im Warmen genießen. Gehetzt wird dabei niemand. Dennoch kommen wie durch ein Wunder alle 1.300 Wartenden zum Zuge. Niemand, so scheint es, strapaziert sein Gastrecht über die Maßen.

...


Aus: "New Yorks größte Suppenküche - "Du sollst die Hungrigen speisen"" VON SEBASTIAN MOLL (08.01.2009)
Quelle: http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/du-sollst-die-hungrigen-speisen/ (http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/du-sollst-die-hungrigen-speisen/)

Title: [Suppenküchen in Not... (New York)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 25, 2009, 11:18:27 AM
Quote[...] Erschreckende Zahlen werden aus New York gemeldet, wo die größte Suppenküche der USA eingerichtet ist. Gouverneur David Patterson geht davon aus, dass in seinem Staat im laufenden Jahr 3,5 Millionen Bürger auf die Hilfseinrichtungen zurückgreifen müssen. Unter ihnen seien 2 Millionen, die noch nie zuvor bei einer Suppenküche waren. Mathematisch betrachtet heißt das: Die Zahl der Bedürftigen dürfte sich mehr als verdoppeln.

In anderen Regionen des Landes sieht es nicht besser aus: In den Industriezentren um Detroit etwa, wo Millionen von Amerikanern jüngst ihre Jobs verloren haben, sind soziale Programme ohnehin überlastet.

[...] Die Preise für Lebensmittel haben in den USA im letzten Jahr um 5,9 Prozent zugelegt; bei Grundnahrungsmitteln wie Mais und Getreide waren die Anstiege noch steiler. In den letzten Wochen hat der Trend gehalten. Mit mehr Geld können die Suppenküchen also zur Zeit nicht unbedingt mehr Nahrung kaufen. Trotzdem halten sich die sozialen Einrichtungen zunächst mit Kritik am Stimulus-Paket zurück. Sie verstehen, dass ein großer Teil des Geldes in Infrastrukturmaßnahmen fließen soll. Die sollen bis zu 3,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen - und die Schlangen vor den Suppenküchen kürzen.

...


Aus: "Inside Wall Street - Suppenküchen in Not" Von Lars Halter, New York  (24. Februar 2009)
Quelle: http://www.n-tv.de/1109358.html (http://www.n-tv.de/1109358.html)

Title: [Hat Sie diese Zeit verändert?... (Wallraff)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 07, 2009, 02:09:49 PM
Quote[...] ZEIT ONLINE: Sie haben die kältesten Nächte im Winter für eine Reportage unter Obdachlosen auf der Straße verbracht. Hat Sie diese Zeit verändert?

Günter Wallraff: Ich hatte früher selbst Vorurteile und habe öfter einen Bogen gemacht um jüngere Leute, die auf der Straße lagerten und mir ihren Becher hinhielten. Ich dachte, die meisten erbetteln das Geld nur, um ihren Alkoholkonsum zu finanzieren. Aber was für ein elendes und mühevolles Leben sie führen und welche Schicksale und Biografien hinter diesen Menschen stehen – das habe ich jetzt erst nachvollziehen können.

ZEIT ONLINE: Welche Geschichten haben Sie erfahren?

Wallraff: Da gibt es den Unternehmer, dem plötzlich sein Hauptkunde abhandenkommt, den Mann, der seine dramatische Scheidung nicht verkraftet. Viele geraten auch durch Hartz IV in diese Situation. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, finden sich in der Rolle von Bittstellern wieder und verlieren dadurch ihre Würde. Ich hatte bei Etlichen den Eindruck, sie sind über den Rand der Gesellschaft gekippt und haben sich dann irgendwann selbst aufgegeben. Es ist ein Teufelskreis: Wer seine Arbeit verloren hat, bekommt keine Wohnung und wer keine Meldeadresse vorweisen kann, ist chancenlos auf dem Arbeitsmarkt. 

Es gibt auch genug Menschen, denen man ihre Obdachlosigkeit gar nicht ansieht. Sie sehen so aus, als kämen sie gerade aus dem Büro. Man erkennt es nur an kleinen Zeichen: die Haare sind ungekämmt, der Anzug ein bisschen verknittert...

ZEIT ONLINE: Sie haben im Dezember und Januar bei Temperaturen bis zu minus 20 Grad im Freien übernachtet. Wie übersteht man das?

Wallraff: Ich war total ahnungslos und hatte nur einen ganz normalen Schlafsack dabei. Erst nach der allerschlimmsten durchzitterten Nacht habe ich erfahren, dass manche Obdachlose Bundeswehrschlafsäcke haben, die die schlimmste Kälte abhalten. Danach habe ich aufgehört, "Platte zu machen". Ich hatte wirklich Angst, zu erfrieren. Zum Glück habe ich nur einen schweren Schnupfen davongetragen. Aber die Menschen, die so ein Leben über viele Jahre führen, sind  gesundheitlich schwerst angeschlagen und haben nur eine geringe Lebenserwartung. 50, 60 Jahre ist auf der Straße schon ein stolzes Alter. Es ist für viele ein Selbstmord auf Raten. Ein Alkoholiker, ein ehemaliger Unternehmer, sagte mir: "Es gelingt mir leider nicht, mich totzusaufen, der Körper wehrt sich."

ZEIT ONLINE: Was stimmt von dem Vorurteil, dass die meisten Obdachlosen alkohol- und drogenkrank sind?


Wallraff: Weit mehr als die Hälfte der Menschen, die ich getroffen habe, hatten keine Alkohol- oder Drogenprobleme. Es stimmt allerdings, dass einige in diesem Milieu zu Alkoholikern werden. Gerade in Heimen mit längerfristiger Unterbringung findet man als Neuankömmling nur schwer Kontakt, wenn man nicht "mithalten" kann.

ZEIT ONLINE: Haben Sie auch Solidarität unter den Obdachlosen kennengelernt?

Wallraff: Ja, viele haben sich auf der Straße ihre Ersatzfamilie geschaffen. Das hat mich erstaunt. Ich dachte, je härter man ums nackte Überleben kämpft, umso mehr würde man nur noch den eigenen Vorteil sehen. Das kommt natürlich auch vor, Diebstähle sind nicht selten in dem Milieu. Aber ich habe mehrfach erlebt, dass auch das Allerletzte noch geteilt wurde. Als ich in Köln vor dem WDR-Gebäude übernachtete, bot mir ein Mann seine Schlafstelle über einem Heizungsschacht an. Er gab mir von seinem erbettelten Geld und sagte, ich sollte mir nehmen, was ich brauche. In diesem Moment war mir wirklich zum Heulen zumute.

ZEIT ONLINE: Wie sind Sie als Obdachloser von der Gesellschaft behandelt worden?

Wallraff: Ich habe keine Bösartigkeit erlebt, man hat mich bis auf eine Ausnahme nicht herabwürdigend oder verächtlich behandelt, meistens wurde ich gesiezt. Auf einer Polizeiwache in Goch am Niederrhein hat mir der Beamte sogar einen Tee angeboten. Er war sehr freundlich, aber auch hilflos. Es war mitten in der Nacht und eisig kalt, aber alle Unterkünfte waren belegt. Da hieß es dann: Tut uns leid, da müssen Sie auf der Straße übernachten. Das Problem ist, dass die Obdachlosenheime jede Person nur ein paar Tage im Monat aufnehmen. Den Rest der Zeit müssen die Leute dann schauen, wo sie bleiben.

ZEIT ONLINE: Was könnte der Staat tun, um die Situation für Wohnungslose zu verbessern?

Wallraff: Es gibt viel zu viel Bürokratie angesichts von Menschen, die oft gar nicht in der Lage sind, sich damit auseinanderzusetzen. Es müsste mehr geschulte Betreuer und Sozialarbeiter geben, die sich dem Einzelnen zuwenden. Vielleicht sogar Menschen, die früher selbst obdachlos waren und es geschafft haben, in ein normales Leben zurückzukehren. Die hätten ein viel größeres Einfühlungsvermögen. In Berlin gibt es Projekte, bei denen Sozialarbeiter Obdachlose auf der Straße aufsuchen und nicht in ihren Ämtern und Büros sitzen und darauf warten, dass mal einer vorbeikommt. Das schaffen diese Menschen oft gar nicht mehr. Sie leben von einem Tag auf den anderen – da geht es ums nackte Überleben.

ZEIT ONLINE: Viele Leute können nicht verstehen, dass Menschen lieber in Hauseingängen oder in Parks schlafen als in Obdachlosenunterkünften. Wissen Sie inzwischen warum?

Wallraff: Es gibt Heime, die wirklich gruselig sind. Es reicht ja schon, wenn ein Gast gewalttätig ist oder so unter Drogen steht, dass er eine Bedrohung darstellt. Meine schlimmste Nacht habe ich in einer Einrichtung in Hannover verbracht, einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Heim gehört wirklich geschlossen! Das Allerschlimmste war, dass dort nachts abgeschlossen wurde und ich einen Nachbarn hatte, der sich - offenbar im Drogenrausch - im Nebenzimmer in Gewaltfantasien gegen mich hineinsteigerte. Da bekam ich wirklich Panik. Am nächsten Tag konnte ich mich dann allerdings mit ihm verständigen und habe eine ganz andere Seite an ihm kennengelernt, einen hochgradig verzweifelten Menschen.

ZEIT ONLINE: Haben Sie den Eindruck, dass sich das Problem der Obdachlosigkeit wegen der Wirtschaftskrise noch verschärfen wird?


Wallraff: Es kann jeden von uns treffen. Wir befinden uns ja längst nicht mehr nur in einer Wirtschaftskrise, sondern in einer sich auswachsenden Systemkrise, in der alles wegzubrechen droht. Die Obdachlosigkeit wird dann kein marginales, sondern ein sehr zentrales Thema werden. Und zwar schneller, als wir uns im Moment vorstellen können.



Die Fragen stellte Carolin Ströbele 




Aus: "Obdachlosigkeit - "Es kann jeden treffen"" (ZEIT ONLINE,  4.3.2009)
Quelle: http://www.zeit.de/online/2009/10/wallraff-zu-obdachlosigkeit (http://www.zeit.de/online/2009/10/wallraff-zu-obdachlosigkeit)

Title: [Wenn das System sie nicht mehr unterstützt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 23, 2009, 09:54:49 AM
Quote[...] Die Wirtschaftskrise schafft dabei allerdings neue Fakten. Statt bisher 2,5 Millionen sind in Deutschland inzwischen drei Millionen Kinder unmittelbar von Armut betroffen, sagt Büscher und verweist auf die alarmierenden Prognosen des Kinderschutzbundes. Dessen Präsident Heinz Hilgers hatte kürzlich einen dramatischen Anstieg von Kinderarmut in Deutschland prophezeit. Dies gelte umso mehr, da nach der demografischen Entwicklung immer mehr Kinder in armen Stadtteilen geboren werden. In 20 Jahren könnte laut Hilgers jedes zweite Kind in einer sozial schwachen Familie leben.

Büschers Einschätzung ist ähnlich düster: "Wir laufen schon 2010 auf einen sozialpolitischen Gau hinaus." In Berlin zum Beispiel leben 38 Prozent der Familien von Hartz IV.

[...] Die Perspektivlosigkeit der Eltern nennt Büscher als eine der Ursachen von Kinderarmut: "Sie können nichts weitergeben." Kinder, die in solchen Verhältnissen aufwachsen, können später nur schwer wieder in die Gesellschaft integriert werden, prognostiziert der Autor. Sie werden zum großen Teil selbst Sozialleistungen empfangen. Und sollte es die nicht mehr geben, droht das Abrutschen in die Kriminalität: "Wenn das System sie nicht mehr unterstützt, unterstützen sie nicht mehr das System".

...


Aus: "KINDERARMUT - Suppe für die Seele" Von Anja Berens (23.03.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,614540,00.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,614540,00.html)

Title: [Das entspreche einem Rückgang um 7,4 Prozent... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 24, 2009, 11:22:09 AM
Quote[...] Der Anteil vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ist in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2006 einer Studie zufolge kontinuierlich gesunken. Zugleich sei auch die absolute Zahl von Vollzeitstellen "dramatisch" zurückgegangen, erklärten Wissenschaftler des IAQ-Instituts der Universität Duisburg-Essen. Trotz einer insgesamt positiven Beschäftigungsbilanz in Deutschland seien in dem untersuchten Zeitraum mehr als 1,6 Millionen volle Stellen verloren gegangen. Das entspreche einem Rückgang um 7,4 Prozent.

...


Aus: "Studie: Immer mehr Deutsche arbeiten Teilzeit" (23. März 2009)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/23/1095828.html (http://www.abendblatt.de/daten/2009/03/23/1095828.html)

Title: [Wir haben da ein Grundsatzproblem... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 24, 2009, 11:39:04 AM
Quote[...] Die Zahl der Berliner, die im Alter auf sog. Grundsicherung angewiesen ist, hat sich in den vergangenen fünf Jahren vervierfacht. Das räumte jetzt die Landesregierung ein. Betroffen sind demnach vor allem ältere Frauen aus den westlichen Bezirken. Die Finanzverwaltung warnt derweil vor einem massiven Problem.

Bereits 30.000 Berliner im Rentenalter erhalten demnach eine Grundsicherung. Ihre Renten werden demnach vom Staat aufgestockt, im Durchschnitt um 300 Euro pro Monat. Betroffen sind demnach auch 20.000 Berufsunfähige. Besonders deutlich wird die Entwicklung anhand der finanziellen Aufwendungen es Landes. Von 40,7 Millionen Euro im Jahre 2003 stiegen die Ausgaben für die Grundsicherung auf 280,7 Millionen Euro.

Betroffen davon ist vor allem der Westteil der Stadt. Frauen, die weite Teile ihres Berufslebens zu Hause waren, haben nun zu geringe Renten. In den Ostbezirken, wo in der Regel vollzeit gearbeitet wurde, gibt es dagegen deutlich weniger Betroffene, heißt es aus der Linken. Die erhebliche Arbeitslosigkeit nach der Wende dürfte jedoch spätestens in der kommenden Rentnergeneration zu exorbitant steigenden Armutszahlen auch im Osten führen.

,,Wir haben da ein Grundsatzproblem," meint denn auch Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und verweist auf die steigenden Belastungen für den Haushalt. Über zehn Prozent würden die Ausgaben für die Grundsicherung pro Jahr ansteigen. Auch der SPD-Politiker befürchtet eine ,,explosionsartige Zunahme" der Altersarmut in der Hauptstadt.




Aus: "Berlin-Brandenburg: Dramatische Zunahme der Altersarmut - Vor allem Frauen in West-Bezirken betroffen" Von Cecilia Frank (23. März 2009)
Quelle: http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=23032009ArtikelBBFrank1 (http://www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=23032009ArtikelBBFrank1)

Title: [Tent Cities... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 24, 2009, 11:47:14 AM
In hard times, tent cities rise across the country (updated 4:36 p.m. ET Sept. 18, 2008)
Since foreclosure mess, homeless advocates report rise in encampments
http://www.msnbc.msn.com/id/26776283/ (http://www.msnbc.msn.com/id/26776283/)

-.-

Quote[...] Einige haben vielleicht von ihnen gehört, viele Menschen in Deutschland halten aber das Elend mit dem Zehntausende US-Amerikaner konfrontiert werden für undenkbar, weil die Medien das Thema und dessen Ausmaß weitesgehend ignorieren. Überall in den USA entstehen Tent Cities, Elendsquartiere wie wir sie sonst nur aus den ärmsten Ländern der Welt kennen.

Ganz neu sind diese Tent Cities nicht, seit dem Beginn der Rezession Ende 2007 nimmt die Quantität der Zeltstädte aber stark zu. Allein in Sacramento gibt es mittlerweile über Zwanzig. Zunehmend sind es auch immer mehr ehemalige Angehörige der "Mittelschicht" die innerhalb weniger Wochen nach ganz unten durchgereicht werden. Sie verlieren ihren Job, können deswegen ihre Raten für ihr Haus nicht mehr begleichen und landen dann in einem Zelt oder leben in ihrem Auto. Die Obdachlosenunterkünfte in den USA sind überall hoffnungslos überfüllt.

...


Die folgende Videostrecke ist eine traurige Rundreise durch die USA.

Beginn der Videostrecke
http://www.youtube.com/watch?v=loNB3Px2NQk (http://www.youtube.com/watch?v=loNB3Px2NQk)

New Orleans: Camp in der Stadt unter einer Brücke
http://www.youtube.com/watch?v=MghnW4-n_7w (http://www.youtube.com/watch?v=MghnW4-n_7w)

Southern California Shanty Town
http://www.youtube.com/watch?v=jmeHiFZUWtE (http://www.youtube.com/watch?v=jmeHiFZUWtE)

St. Petersburg: Tent City wird von Cops zerstört
http://www.youtube.com/watch?v=8bB5IjUU-KU&feature=channel_page (http://www.youtube.com/watch?v=8bB5IjUU-KU&feature=channel_page)

Lakewood: Elends-Camp mitten im Wald (viele flüchten in die Wälder um Repressionen zu entgehen)
http://www.youtube.com/watch?v=UaKEA6tyLYU (http://www.youtube.com/watch?v=UaKEA6tyLYU)

Sacramento: Hauptstadt der Tent Cities
http://www.youtube.com/watch?v=oDOoc6AVRWw (http://www.youtube.com/watch?v=oDOoc6AVRWw)

http://www.youtube.com/watch?v=HVwG01-bogE (http://www.youtube.com/watch?v=HVwG01-bogE)

http://www.youtube.com/watch?v=O0uRPiDYUhM (http://www.youtube.com/watch?v=O0uRPiDYUhM)

Tent City in Ontario, California
http://www.youtube.com/watch?v=MNKeu58wb2k&feature=related (http://www.youtube.com/watch?v=MNKeu58wb2k&feature=related)

Nickelsville (Umland von Seatle): Ein Camp in dem viele "Alternative" lebten, wurde geräumt
http://www.youtube.com/watch?v=wgxyBJEilew&feature=related (http://www.youtube.com/watch?v=wgxyBJEilew&feature=related)

Nickelsville Down Town Seatle
http://www.youtube.com/watch?v=RHNiPW4ol8A (http://www.youtube.com/watch?v=RHNiPW4ol8A)

Rede eines Bewohners aus Nickelsville
http://www.youtube.com/watch?v=dScVPvQSzXc (http://www.youtube.com/watch?v=dScVPvQSzXc)

Las Vegas: Nachtfahrt
http://www.youtube.com/watch?v=NVPXUFyhkQ8 (http://www.youtube.com/watch?v=NVPXUFyhkQ8)

Reno: Geduldetes Camp
http://www.youtube.com/watch?v=hbzlGWPwrZI&feature=related (http://www.youtube.com/watch?v=hbzlGWPwrZI&feature=related)

...


Aus: "Tent Cities: Die neuen Slums der USA" Hanher (22.03.2009)
Quelle: http://de.indymedia.org/2009/03/244822.shtml (http://de.indymedia.org/2009/03/244822.shtml)

Title: [Letzte Zuflucht Campingplatz... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 04, 2009, 01:11:48 PM
Quote[...] Wenn die Wohnung unbezahlbar wird Film von Gudrun Thoma und Sebastian Schütz Im Grünen leben, umgeben von Natur: Das klingt nach Schlaraffenland. Dass immer mehr Menschen auf einen Campingplatz umziehen, hat allerdings weniger mit den Freuden des Zeltens zu tun. In Krisenzeiten wie diesen fehlt vielen das Geld für die eigenen vier Wände.
"Dauercampen citynah" als Alternative - für Rentner, Leiharbeiter oder auch Scheidungsopfer werden Wohnwagen oder Zelt immer häufiger zur letzten Zuflucht. Gertrud und Herbert Scheidt, Campingplatzbetreiber aus Lohmar in der Nähe von Bonn, werben ganz gezielt um solche neuen Gäste: "Möbliert und mobil wohnen, schnell, preiswert, diskret" und "Hartz-IV-Förderung möglich".
Die Reporter Gudrun Thoma und Sebastian Schütz haben sich auf dem Campingplatz der Scheidts einquartiert und das Leben der Bewohner dort begleitet. Bei Wind und Wetter wird der Alltag auf einem Campingplatz vor allem für alte Menschen zum körperlichen Kraftakt, insbesondere im Winter.

...


Aus: "Letzte Zuflucht Campingplatz - SWR (Stern.)  | Länge: 30 Minuten" (03.05.2009)
Quelle: http://programm.daserste.de/detail1.asp?heute=03.05.2009&id=X001154454&sdatlo=03.05.2009&sender=1&dpointer=21&anzahl=44&ziel=21 (http://programm.daserste.de/detail1.asp?heute=03.05.2009&id=X001154454&sdatlo=03.05.2009&sender=1&dpointer=21&anzahl=44&ziel=21)

Title: [Zur Lage der Unter-Fünfjährigen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 07, 2009, 10:01:28 AM
Quote[...] Washington - Es ist nach Angaben der Organisation Feeding America die erste derartige Untersuchung zur Lage der Unter-Fünfjährigen - und sie ist erschütternd: In den USA sind demnach schätzungsweise 3,5 Millionen Kinder von Hunger bedroht. Das erklärt die Organisation in ihrem am Donnerstag vorgelegt Bericht, der auf Zahlen des US-Amtes für Bevölkerungsstatistik und des Landwirtschaftsministeriums aus den Jahren von 2005 bis 2007 beruht.

Der Kinderarzt Dr. John Cook, der maßgeblich an dem Bericht mitarbeitete, erklärte, das Hungerrisiko unterscheide sich von Staat zu Staat. Die Situation werde vor allem von zwei Faktoren bestimmt: dem Ausmaß von Arbeitslosigkeit und Armut und dem Umfang staatlicher Lebensmittel- und Einkommensbeihilfen.

jjc/AP


Aus: "3,5 Millionen Kinder unter fünf in USA von Hunger bedroht" (07.05.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,623325,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,623325,00.html)

Title: [Er war halt ein schlichter Mensch... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 07, 2009, 01:01:33 PM
Quote[...] "Das wird immer mehr." Bei der Friedwaldbestattung wird die Asche der Verstorbenen unter einem Baum in die Erde gebracht.

Überhaupt konstatiert Bestatter Klein seit Jahren einen Trend zum Billig-Begräbnis. "Wir haben es heute überwiegend mit Feuerbestattungen zu tun. Früher war das mal anders." Bis zu 80 Prozent der Kunden wünschten inzwischen eine Urnenbeisetzung, das Verhältnis zu Erdbestattungen habe sich binnen Jahren umgekehrt.

Das hat natürlich in erster Linie mit Geld zu tun. Die Entwicklung zum Begräbnis light habe eingesetzt, seit 2004 das Sterbegeld abgeschafft worden sei, weiß Bestatter Klein. Selbst bei der klassischen Erdbestattung schauen die Trauernden auf die Kosten. "Die Leute sagen dann: ,Er war halt ein schlichter Mensch', und bestellen einen Sarg aus Weichholz."

Tatsächlich gibt es beim Behältnis der letzten Ruhe erhebliche Preisunterschiede. Für einen Eichensarg muss man zwischen 1200 und 3000 Euro hinlegen; das Modell auf Kiefer kostet weniger als die Hälfte. Auch der Ort der letzten Ruhe wirkt sich auf den Geldbeutel aus. So müssen Angehörige für ein Erdgrab 2580 Euro zahlen (Laufzeit 30 Jahre), ein Urnengrab kommt auf 1080 Euro.

Unschlagbar günstig ist das Grab unterm Baum. Da werden für einen Gemeinschaftsbaum 770 Euro, für den Familienbaum (bis zu zehn Angehörige) je nach Dicke des Stamms 3350 bis 6350 Euro fällig. Laufzeit 99 Jahre, Grabpflege fällt quasi flach.

Die Bestatter leiden inzwischen unter dem Sparkurs beim Beerdigen. Die Devise "gestorben wird immer" gilt zwar noch, seit 2004 ist das Geschäft aber, wie Bestatter Klein bemerkt, "nicht besser geworden". Für zusätzliche Probleme habe Hartz IV gesorgt. Angehörige der Empfänger von Sozialleistungen müssten für die Kosten der Beerdigung aufkommen. "Nur wenn sie nicht zahlen können, übernimmt das der Staat." Weil sich die Prüfung der Fälle aber oft über Monate hinziehe, müssten die Pietäten in Vorleistungen treten. Eine Beerdigung kann halt nicht warten, bis die Finanzierung geklärt ist.


Aus: "Frankfurt in der Krise - Der Trend geht zum Billig-Begräbnis" VON MARTIN MÜLLER-BIALON (05.05.2009)
Quelle: http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/frankfurt/1743911_Frankfurt-in-der-Krise-Der-Trend-geht-zum-Billig-Begraebnis.html (http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/frankfurt/1743911_Frankfurt-in-der-Krise-Der-Trend-geht-zum-Billig-Begraebnis.html)

Title: [Das nehmen wir hin mit eisiger Normalität... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 11, 2009, 09:50:58 AM
Quote[...] Genf/Stockholm. Die Schweinegrippe hat mehr als 4300 Menschen in 29 Ländern erfasst. Das meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Sonntag.

Laut Bilanz des europäischen Seuchenkontrollzentrums ECDC in Stockholm starben bislang mehr als 50 Menschen an dem Virus.

48 Tote stammen aus Mexiko, in den USA waren es laut ECDC zwei, US-Behörden meldeten ein drittes Todesopfer im Bundesstaat Washington. Kanada und Costa Rica nannten je einen Todesfall. In den USA waren 2254 Menschen mit dem Schweinegrippe-Erreger infiziert, in Mexiko den Angaben zufolge 1626; in Kanada 280, wie die ECDC mitteilte. In Deutschland sind elf Fälle bestätigt.

Der Schweizer Soziologe und frühere UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, kritisierte scharf den Umgang mit der Schweinegrippe. Vor allem die WHO-Kampagne schüre Angst und stehe in keinem Verhältnis zu den wirklichen Problemen.

"Von 6,2 Milliarden Menschen sind vermutlich seit einigen Wochen etwa 45 an der Grippe gestorben. Aber 100.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger und seinen unmittelbaren Folgen", sagte er. Alle fünf Sekunden verhungere ein Kind. "Das nehmen wir hin mit eisiger Normalität." dpa


Aus: "Scharfe Kritik an der WHO - Gibt Schlimmeres als die Schweinegrippe" (10.05.2009)
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/1749505_Scharfe-Kritik-an-der-WHO-Gibt-Schlimmeres-als-die-Schweinegrippe.html?sid=f119c0fe08dc2e4ba862f234faf5d736 (http://www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/1749505_Scharfe-Kritik-an-der-WHO-Gibt-Schlimmeres-als-die-Schweinegrippe.html?sid=f119c0fe08dc2e4ba862f234faf5d736)

Title: [...das ist jeder siebte Bewohner Münchens]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 19, 2009, 11:07:23 AM
Quote[...] Armut hat viele Gesichter in der teuersten Stadt Deutschlands. Da gibt es Menschen, die alle Papierkörbe am Ostbahnhof durchwühlen; da gibt es jene, die in der Sendlinger Straße mit einem Pappschild ("Bin obdachlos. Bitte um eine kleine Spende") auf dem Bürgersteig betteln; und jene, die die Zeitung "Biss" verkaufen - der Titel steht für "Bürger in sozialen Schwierigkeiten".

178.600 Menschen sind nach dem aktuellen Armutsbericht betroffen, das ist jeder siebte Bewohner Münchens. Sie müssen auskommen mit maximal 810 Euro monatlich. Besonders trifft es die Kinder. 21.000 leben in prekären sozialen Verhältnissen - ihre Zahl ist in den vergangenen fünf Jahren um fast 50 Prozent gestiegen.

...


Aus: "Armes reiches MünchenVon Sebastian Fischer und Angela Gatterburg" (19.05.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,625072,00.html (http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,625072,00.html)

Title: [Die durchschnittliche Quote für Deutschland lag 2007... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 19, 2009, 01:01:59 PM
Quote[...] Deutschland ist in der regionalen Verteilung von Besitz und Einkommen dreigeteilt. Das geht aus dem ersten Armutsatlas hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am Montag in Berlin vorstellte. Am ärmsten ist der Osten, am wohlhabendsten der Süden, die west- und nordwestlichen Bundesländer liegen dazwischen. Regional gibt es sehr große Unterschiede, selbst innerhalb eines Bundeslandes. Die Spannbreite der Armutsquoten ist weit höher, als Durchschnittswerte vermuten lassen.

Während in Baden-Württemberg jeder zehnte unterhalb der Armutsschwelle lebt, ist es in Mecklenburg-Vorpommern fast jeder Vierte.

Die durchschnittliche Quote für Deutschland lag 2007, also vor der Wirtschaftskrise, bei 14,3 Prozent, im Osten Deutschlands betrug sie 19,5, im Westen 12,9 Prozent.

[...] Gemessen an regionalen Armutsquoten zeigen sich sehr große Unterschiede zwischen den Regionen. Sie reichen von 7,4 Prozent im Schwarzwald bis zu 27 Prozent in Vorpommern, also fast dem Vierfachen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, erklärte, der Armutsatlas zeige, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional tief zerrissen sei. In Niedersachsen finden sich Armutsquoten zwischen 20,3 Prozent in Ostfriesland und 12,4 Prozent nordwestlich der Landeshauptstadt Hannover. In Bayern liegt die Quote in der Bayreuther Region fast doppelt so hoch wie um München herum.

[...] Schneider kritisierte die Strategien zur Armutsbekämpfung als ineffizient und sprach besonders den Konjunkturprogrammen jede positive Wirkung zur Stärkung von Regionen oder den armen Bevölkerungsschichten ab. Die Abwrackprämie begünstige Menschen, die sich einen Neuwagen leisten könnten, sagte er. Durch die kommunalen Investitionsprogramme fließe ein Drittel der zusätzlichen Milliarden allein in die reichen Länder des Südens. Mit Blick auf die Krise prognostizierte Schneider eine Zunahme der Armut ab 2010. In diesem Jahr würden die Krisenfolgen noch abgefangen, etwa durch das Kurzarbeitergeld.

Die Sozialforscher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes erarbeiteten den Armutsatlas auf der Basis von Armutsquoten aus den Jahren 2005 bis 2007. Die regionalen Quoten wurden vom Statistischen Bundesamt errechnet. Fast 20 Karten geben Aufschluss über die Armut in den Bundesländern und deren Regionen.

Die Armutsgrenze liegt nach offiziellen europäischen und deutschen Vereinbarungen bei 60 Prozent des mittleren Einkommens. Wer weniger hat, gilt im Vergleich zu anderen als arm. Die Schwelle lag für einen Alleinstehenden 2007 bei 764 Euro im Monat, für ein Paar mit zwei Kindern bei 1.835 Euro, für eine Alleinerziehende mit einem Kind bei 994 Euro. Das sind Beträge leicht über den Hartz-IV-Bezügen inklusive Miete und Heizung. Ein alleinstehender Hartz-IV-Empfänger kann durchschnittlich mit einer Unterstützung von 700 Euro im Monat rechnen.

(epd)




Aus: "Paritätischer Wohlfahrtsverband warnt: «Armutsatlas» teilt Deutschland in drei Teile" (18. Mai. 2009)
Quelle: http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1358459.html (http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1358459.html)

Title: [...weil sie gegen die hohen Lebensmittelpreise protestiert hatten]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 28, 2009, 10:06:08 AM
Quote[...] Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International befürchtet, dass die Wirtschaftskrise weltweit zu mehr Repression, Unterdrückung und Chancenungleicheit führt. Im neuen Jahresbericht, der an diesem Donnerstag veröffentlich wird, schreibt Generalsekretärin Irene Khan, die Aufmerksamkeit der Politiker und die finanziellen Mittel konzentrierten sich fast nur noch auf die Wirtschaftskrise, "dabei stecken wir mitten in einer Menschenrechtskrise".

So seien im vergangenen Jahr in Tunesien zwei Menschen von der Polizei getötet, viele verletzt und 200 strafrechtlich verfolgt worden, weil sie gegen die hohen Lebensmittelpreise protestiert hatten.

In dem westafrikanischen Land Kamerun seien sogar 100 Menschen erschossen worden, als sie mit Demonstrationen darauf aufmerksam machten, dass sie sich die Nahrungsmittel nicht mehr leisten konnten. Der "empörendste Fall der Verweigerung des Rechts auf Nahrung", so heißt es in dem Bericht, habe sich in Birma ereignet. Drei Wochen lang habe das Regime nach dem Zyklon Nargis keine ausländischen Helfer ins Land gelassen.

Amnesty International fordert "neue Führer, eine neue Politik, eine neue Art von Wirtschaft". Nötig sei eine multilaterale Kooperation zum Wohl aller Menschen, nicht nur zum Wohl weniger Auserwählter. Während sich Amnesty International früher vor allem auf politische Rechte wie Meinungsfreiheit oder Gleichheit vor dem Gesetz konzentriert hatte, nimmt sich die Organisation seit einigen Jahren auch des Themas Armut an.

...


Aus: "Jahresbericht von Amnesty International - Die Würde der Armen" Von Judith Raupp (28.05.2009)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/520/470071/text/ (http://www.sueddeutsche.de/politik/520/470071/text/)

Title: [Seit es auf Dosen und Flaschen Pfand gibt... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 21, 2009, 11:34:32 AM
Quote[...] Flaschen- und Dosensammler. Der Erste steht im S-Bahnhof Stellingen. Eineinhalb Stunden vor Spielbeginn ist sein Einkaufswagen halb voll. Er hat noch ein paar leere Taschen in Reserve. In eine Lache unter dem Wagen tropfen Bier, Red Bull, Wodka, Cola. Frank ist 42 und wäre ohne das Flaschensammeln "ganz schlecht dran". Mit Pfand ist er "schlecht dran". Frank ist bei jedem Heimspiel, Partien am Sonntag sind schwierig, weil dann die Dosen bis Montag zwischengelagert werden müssen.

In einigen Supermärkten seiner Wohngegend hat Frank Hausverbot, "weil die das mit dem Pfand nicht gerne sehen". Gibt's beim Einlösen des Pfandguts Ärger, sagt Frank: "Leute, das Pfandgesetz hab' nicht ich gemacht." Sondern der Trittin. Manchmal muss er die Flaschen und Dosen portionieren. Dann bringt er nur das Pfandgut in den Supermarkt, das dort auch verkauft wird. Es gibt Märkte, die alles nehmen. Es geht um Cent, aber die Menge macht's. Für den Markt und für Frank.

Unter den Fans hat Frank Stammkunden, die ihr Leergut in Einkaufstüten zu ihm bringen. Ist wie eine Spende. Er bekommt auch mal eine volle Flasche, am liebsten ist ihm Bier, oder Geld. Im S-Bahnhof Stellingen stehen heute fünf Einkaufswagen, die Stellplätze machen die Männer untereinander aus.

Vier der fünf Wagen gehören einem anderen Sammler, der schon mal neben einem Fan steht, der gerade trinkt, und darauf wartet, dass die Flasche leer wird. Dann schauen sich Fan und Sammler in die Augen, und der Fan schüttelt den Kopf, weil er sich vom Sammler nicht dazu nötigen lassen will, schneller zu trinken.

"Unter den Flaschensammlern gibt es nie Stress, vielleicht mal mit den Asylanten, weil die nicht gleich verstehen, wie das hier läuft", sagt Frank. Frank macht 40 bis 50 Mücken an einem guten, 25 an einem schlechten Tag. "Es gibt Spiele, da krieg' ich kaum was", sagt er. Frank, der von Hartz IV und Ein-Euro-Jobs lebt, versucht auf diese Weise, von seinen Schulden herunter zu kommen. Er wird in den nächsten Tagen Privatinsolvenz anmelden, und möchte den Gläubigern guten Willen zeigen, indem er ihnen ein paar Euro anbietet.

Da legt einer mehrere Flaschen in seinen Korb. "Danke", sagt Frank, der sich gerne mit den Fans unterhält. "Ich beruhige sie, wenn die Stimmung aufgeladen ist", sagt er. Das hilft den Fans und ihm hilft, "dass ich nicht nur zu Hause in der Bude hocke, wo mir die Decke auf den Kopf fällt". Frank hat die Kiste, auf der er sitzt, weil seine Knie langes Stehen nicht mitmachen, in eine Ecke gestellt. Da hockt er, wenn zwischen den ankommenden S-Bahnen Pause ist, und guckt sich um. Andere Flaschensammler lassen ihren Wagen häufiger stehen und suchen nach Dosen. Das macht Frank nicht, weil er weiß, dass herrenlose Einkaufswagen weniger Dosen kriegen.

Es gibt hier auch ambulante Sammler. Ein älterer Mann mit Glatze und Brille, in grauer Bundfaltenhose und grauer Windjacke sammelt und kontrolliert die Mülleimer. Ein anderer in rotem Pullover und guten Schuhen. Sie sehen aus wie wir. Daran kann man sehen, wie frisch das Elend über sie hereingebrochen ist. Wie es mit uns abwärts geht.

Hinter den Tunnels, dort, wo sich die Fans in Shuttle-Fahrer und Fußgänger teilen, steht Gerd, 48 Jahre alt, der "60 bis 70 Euro im Monat mit Flaschensammeln verdient". Reicht für Tabak und Bier. Bei ihm läuft's heute schlecht. Die Woche über sammelt er auf dem Kiez, der von einer selbst organisierten Tag- und Nachtschicht abgegrast wird, an den Landungsbrücken und auf dem Fischmarkt. Seine Tour beginnt zwischen zehn und zwölf Uhr am Vormittag.

Gerd bekommt 360 Euro Rente, die Miete zahlt das Amt. "Ich muss ja von irgendwas leben", sagt er, "ohne Flaschenpfand würde es nicht gehen." Gerd schätzt, dass es in Hamburg "so zwischen 2.000 und 2.500 regelmäßige Flaschensammler gibt, dazu kommen diejenigen, die es ab und zu mal machen". Ein paar arbeiten ständig auf Bahnhöfen und gehen durch Züge, die ein paar Minuten Aufenthalt haben. Die Bahn AG hat einen dieser Sammler mit dem Argument verklagt, das liegen gelassene Pfandgut gehöre ihr. Die Klage wurde abgewiesen.

"Es sind viele Alte dabei", sagt Jens, der mit Gerd zusammenarbeitet, "Rentner, Obdachlose, Arbeitslosengeld II-Empfänger, Schwerbehinderte." Gerd dreht sich eine Zigarette, plötzlich ist er weg. Er hat ein Klimpern gehört und fischt zwischen den Leuten im Tunnel eine Flasche hervor. "Wenn von uns jemand mehr als einen Fünfer in der Tasche hat, ist er reich", sagt Gerd. Auch er bedankt sich für jede Dose. "Ich krieg' ein bisschen Geld und hab Unterhaltung. Nur zu Hause sitzen, da verblödet man", sagt er.

Auf dem Fußweg ins Stadion steht alle hundert Meter ein Einkaufswagen, ein Mann oder eine Frau mit großen Tüten. Seit es auf Dosen und Flaschen Pfand gibt, liegt kaum mehr was in den Büschen.

...


Aus: "Sie sehen aus wie wir" VON ROGER REPPLINGER (19.05.2009)
Quelle: http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ha&dig=2009%2F05%2F19%2Fa0178&cHash=a982f9d361 (http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ha&dig=2009%2F05%2F19%2Fa0178&cHash=a982f9d361)


Title: [Armut ist definitiv ein gesellschaftliches Problem... (G. Trabert)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 05, 2009, 10:00:55 AM
Quote[...]  Berlin - Die Finanzbehörde hat im Auftrag Thilo Sarrazins (SPD) einen detaillierten Drei-Tage-Speiseplan für Hartz-IV-Empfänger erstellt. Demnach können sich Arbeitslose schon für 3,76 Euro "völlig gesund, wertstoffreich und vollständig ernähren", erklärte Sarrazin der "Welt". Damit ließe sich sogar etwas sparen, da der Regelsatz von 4,25 Euro pro Tag sogar noch unterboten wird. Zur Überprüfung der angegebenen Preise habe er eine Mitarbeiterin in einen Discounter geschickt, sagte Sarrazin gegenüber der "BZ". Voraussetzung für die Einhaltung der "Sarrazin-Diät" ist allerdings die strenge Enthaltsamkeit bei Alkohol und Zigaretten.

Quotevon  martin.westendorf 
12.2.2008 13:30 Uhr

Thilo Sarrazins als Ernährungsberater

Am Besten Herr Thilo Sarrazins richtet ein Konto für besonders hilfgsbedürftige Mitmenschen ein, überweist so viel Geld seines Girokontos darauf, dass ihm selbst noch ein "Hartz IV-Einkommen" bleibt und lebt dann nach seinen Vorschlägen für die Arbeitslosen.

- Oder sollte er auch seine Sparguthaben abgeben?

Wir brauchen wieder echte Vorbilder in der Politik die Persönlichkeitsausstrahlung und Charakter besitzen und niemanden der permant beschämt!


Quotevon  top_t 
12.2.2008 11:21 Uhr

Guten Appetit!

Wenn man nicht in der Lage ist, sich selbst zu verpflegen und auf die Hilfe der Gesellschaft angewiesen ist, kann man da wirklich Ansprüche stellen auf Alkohol und Zigaretten? 4,25 am Tag ist nicht viel, dafür hat man aber viel Zeit sich eine Beschäftigung zu suchen! HartzIV soll nämlich diese Zeit nur überbrücken und nicht zu einer Art Einkommen werden!
Dann wäre nämlich auch genug Geld im Topf um die Oma und den Opa etwas mehr zum täglichen Leben zur Verfügung zu stellen, anstelle Unwillige und Faule mit durch zu füttern.


Quotevon  ogre 
12.2.2008 9:57 Uhr

Was regen Sie sich auf?

An alle, die hier auf der großen Empörungswelle schwimmen: denken Sie daran, dass Hartz IV dazu gedacht ist, das Existenzminimum zu sichern und nicht dazu, sich sein Leben vom Staat finanzieren zu lassen. Außerdem soll es ein Druckmittel für die Betroffenen sein, sich schnell wieder selbst durch Arbeit finanzieren zu können (auch wenn es vielleicht nicht im erlernten Beruf ist).
Wenn ich sehe, dass in vielen Hartz-IV-Haushalten geraucht und/oder Alkohol konsumiert wird, scheint es ja noch zu viel Geld zu geben. Wenn dann noch den ganzen Tag der Fernseher läuft und die Leute zusehends verfetten, weil sie nur noch in der Lage sind, Fertigprodukte in die Mikrowelle oder den Ofen zu schieben (und damit noch unser Gesundheitssystem belasten), dann halte ich die Tips für durchaus vernünftig. Offensichtlich muss den Leuten ja mal gezeigt werden, wie sie sich vernünftig ernähren und wie sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen.


Quotevon  gernotdrechsler 
12.2.2008 11:32 Uhr

welch ein luxus!

eines verstehe ich nicht ganz: wieso gesteht schmalhans sarrazin den faulen kaffee zu, wo doch kräutertee viel gesünder und billiger ist? es gibt noch so viel zu sparen ...


Quotevon  kernkompetenz  kernkompetenz ist gerade offline
12.2.2008 14:53 Uhr

Wieviel darf's denn sein?

Mir geht dieses jetzt schon jahrelange monotone Hartz-IV-Gesülze von "Bild", "Linkspartei" und deren jammernden Anhängern ganz gewaltig auf den Sender. Als handele es sich um eine planmäßige absichtliche Verelendungsstrategie und nicht um den verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern.

Davor gab es doch auch die Sozialhilfe, und das war sogar noch weniger. Wem "Hartz IV" nicht auskömmlich ist, der soll halt arbeiten.


Quotevon  berlinradler 
12.2.2008 13:34 Uhr

Arbeit suchen

Man liest in den Kommentaren häufig den Vorschlag, von ALG II Betroffene sollen sich einfach Arbeit suchen. Gibt es denn wirklich so viele Millionen freie Arbeitsstellen? Wo?

Auch staune ich - wie einige Mitkommentatoren - über die scheinbar gefühlte Sicherheit einiger. Dass Arbeitslosigkeit sie niemals treffen kann, ist erstaunlich. Sind es im jungen Alter zunächst die Gerinqualifizierten, so finden sich bei den Alten dann auch immer mehr Fachleute und Akademiker. Von Risiken wie Krankheit (eigene oder die Verwandter), Wirtschaftskrise etc. ganz zu schweigen.

Zudem nützt es den Wohlhabenden nicht, würde man keine oder noch geringere Sozialleistungen anbieten. Das dürfte sich stark auf die Kriminalitätsstatistik und das Stadtbild (Obdachlose, Ghettos) auswirken.

Zu allerletzt frage ich mich wirklich, ob ein intelligenter Mensch wie Herr Sarrazin davon ausgeht, dass seine "gutgemeinten" Ratschläge wohlwollend aufgenommen werden könnten. ...


Quotevon  taspie  taspie
12.2.2008 7:22 Uhr

Abschaum

Ich lebe von ALGII, und wenn ich so etwas lese, bin ich fassungslos. Und: Nein. Ich habe keine Lust mich zu rechtfertigen. Weder dafür, dass ich von Transferleistungen lebe, noch dafür, dass ich kein Einkommen habe, also keiner Erwerbsarbeit nachgehe. Arbeitslosigkeit gehört zur Gesellschaft und lässt sich weder leugnen noch wegdiskutieren, und die Arbeitslosen können, auch wenn der ein oder andere es gerne hätte, nicht eliminiert werden. Noch nicht.

Ratschläge zur preiswerten Lebensführung oder Beschimpfungen als Sozialschmarotzer oder ähnliches, stammen aus den dunkelsten Niederungen der menschlichen Seele, von dort, wo alles ganz einfach scheint, völlig unkompliziert und handgreiflich. Wenn nur der ganze Schlamm nicht wäre, in dem man so tief steckt und der einen in seinem tiefsten Inneren nicht loslassen will. Ein zäher, klebriger Morast, in dem das geheime Innere gefangen ist, und von dem niemand etwas erfahren darf, und den man selbst am liebsten vergessen möchte. Ab und an öffnet sich jedoch der Schlund des eigenen Seelenlebens, zu quälend ist die ständige Verstellung, das Geheimnis, das man stets vor sich und anderen verbergen muss, und eine Wolke von ekelhaftem Gestank treibt ins Licht. Diskriminierung, Abwertung, Hetze und gute Ratschläge, sind die öffentlichen Manifestationen solcher geistigen Fürze. Am liebsten, weil so einfach und naheliegend, konzentrieren sie sich auf Minderheiten. Die können sich so schlecht wehren.

Früher dachte ich immer, die Deutschen besäßen eine ganz besondere Sensibilität für die seelischen Mechanismen, die zu solchen geistigen Deformationen und ihren öffentlichen Zurschaustellungen führen. Latente Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus habe ich nie wahrgenommen, war ich doch selbst nicht davon betroffen. Seit ich Hartz IV am eigenen Leib und an der eigenen Seele erleben, im Kontakt zu Behörden, Mitbürgern, durch die Äußerungen von Politikern, die sich Verantwortung anmaßen, oder auch nur beim Lesen einiger Leserbriefe auf dieser Seite, kenne ich meine Landsleute besser. Der ganze Sumpf ist noch vorhanden. Nicht in seinen wildesten, wortwörtlich erstickenden Ausprägungen. Aber die Ansätze sind da. Die Mechanismen sind dieselben. In Ihrer Grausamkeit ein wenig kastriert, aber sie regen sich. Zum Beispiel bei Herrn Sarrazin.

Vielleicht sollte ich mich bei Ihnen bedanken, Herr Sarrazin? Dafür, dass sie mich demütigen und erniedrigen? Ich kann sie ja schließlich nicht in die Luft sprengen, oder? Aber wohin mit der Wut? Schlagen sie mich, Senator! Erniedrigen sie mich. So wie sie es am eigenen Leib erfahren haben. Ich bin Abschaum. Der Abschaum am unteren Rand der Gesellschaft. Danke, dass Sie mich daran erinnern.

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Aus "Hartz-IV-Menü: Sarrazin: So sollten Arbeitslose einkaufen" Von Henning Onken, 11.2.2008
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Hartz-IV-Thilo-Sarrazin;art124,2474631,7-pg2 (http://www.tagesspiegel.de/berlin/Landespolitik-Hartz-IV-Thilo-Sarrazin;art124,2474631,7-pg2)


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Quote[...] Frage: Herr Trabert, Sie kommen gerade von der Generalversammlung der EAPN (European Anti Poverty Network) in Wien zurück. Dort waren Sie einer von acht Delegierten aus Deutschland. Inwiefern ist die Finanzkrise dort Thema gewesen?

Prof. Dr. Gerhard Trabert: Die Finanzkrise verschärft das Thema Armut in Europa. Derzeit sind etwa 80 Millionen Europäer von Armut betroffen. Es gab vor der Finanzkrise schon eine Zunahme von Armut, jetzt wird diese Krise, und dass hat sie teilweise auch schon, noch weiter in der scheinbaren sicheren Mitte unserer Gesellschaft eine soziale Abwärtsentwicklung verursachen. Die Schere zwischen arm und reich wird in Europa noch gravierender auseinandergehen.

Frage: Gibt es erste Anzeichen?

Trabert: Ja, die Arbeitslosigkeit in den europäischen Ländern nimmt zu. Der Verlust von Arbeit ist fast immer, wenn man einmal von den Abfindungen der Vorstandvorsitzenden und Managern bei Verlust ihrer beruflichen Position absieht, mit Einkommensminderungen verbunden. Zudem bedeutet Arbeitslosigkeit in unseren stark leistungsorientierten Gesellschaften immer auch ein Prestigeverlust, gerade auch im Hinblick auf den Sozialstatus. Bei vielen Betroffenen bedeutet dies eine deutliche Minderung des Selbstwertgefühles.

Frage: Vor ein paar Wochen hat der Paritätische Wohlfahrtsverband den Armutsatlas für die Bundesrepublik veröffentlich. Kann man in Deutschland überhaupt von Armut sprechen?

Trabert: Das kann man nicht, dass muss man. Mich ärgert es sehr, dass Politiker wie der in Mainz bekannte Herr Sarrazin das Armutsproblem immer wieder durch stigmatisierende, verharmlosende Äußerungen bagatellisieren, ja teilweise lächerlich machen. Arme Menschen sterben in Deutschland signifikant früher als reiche. Wenn man das reichste Viertel unserer Mitbürger mit dem ärmsten Viertel vergleicht, sterben arme Frauen acht Jahre und arme Männer zwölf Jahre früher. Das zeigt eindeutig, dass Armut in Deutschland existentiell bedrohliche Facetten hat und es eben nicht darum geht, ob man sich einen Plasmabildschirm oder CD-Player leisten kann.

Frage: Sie fliegen immer wieder in Krisengebiete, um die Menschen dort medizinisch zu versorgen. Sie waren in Afghanistan, Angola und nach dem Tsunami in Sri Lanka. Können Sie da die Armutsprobleme in Deutschland überhaupt noch erst nehmen?

Trabert: Die kann und nehme ich sehr wohl ernst. Es ist wenig sinnvoll, die Not und das Leid in der sogenannten Dritten Welt mit der Not und dem Leid hier bei uns zu vergleichen. Eine Schweizer Kollegin hat dies sehr gut formuliert: In Afrika verhungern die Menschen physisch, also körperlich weil sie nicht genug zum Essen haben. Bei uns in Europa verhungern die Menschen psychisch, also seelisch, weil sie ausgegrenzt, diskriminiert werden und an dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilhaben, teilnehmen können.

Frage: Wer gilt als arm in Deutschland?

Trabert: Wir orientieren uns an einer Definition der europäischen Union, die die sogenannte Einkommensarmutsgrenze festgelegt hat. Danach zählt der als arm, der weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens verdient. Dies wäre in Deutschland ein Einkommen von ungefähr 785 Euro. Von strenger Armut ist der betroffen der weniger als 40 Prozent verdient, dies wären in Deutschland beispielsweise alle Hartz IV–Empfänger.

Frage: Ist Armut ein gesellschaftliches Problem oder die Sache einzelner, die nicht mitkommen?

Trabert: Armut ist definitiv ein gesellschaftliches Problem. Natürlich spielen individuelle Verhaltensweisen auch eine Rolle, aber häufig sind diese die Folge gesellschaftsstruktureller Ursachen. So gibt es eine eindeutige Benachteiligung von armen Kindern im Bildungssektor. Studiengebühren verschärfen diese Ungerechtigkeit. Der Hartz IV – Betrag ist eindeutig zu gering. Wie soll man ein Kind ausgewogen ernähren, wenn man lediglich 2,67 Euro pro Tag für das Essen zur Verfügung hat? Die Gesundheitsreform führte und führt zu einer weiteren Benachteiligung, da immer mehr Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen zu leisten sind, die viele Patienten nicht mehr aufbringen können.

Frage: Hartz-IV-Empfänger sind zu faul zum Arbeiten, brauchen die Hilfe der Super-Nanny und verschwenden ihr Geld für Videospiele und Zigaretten. Viele Fernsehsendungen leben von Klischees. Wie sieht die Realität aus?

Trabert: Da sprechen Sie einen sehr wichtigen Aspekt an. Dieser billige und irreführende Journalismus verstärkt Vorurteile durch Fehlinformationen. Die Medien, was sie ja auch teilweise tun, sollten sich ihrer Verantwortung zum Kontext Armut bewusst sein und auf billigen Quotenfang verzichten. Die Realität sieht so aus, dass die alleinerziehende Mutter die Schulmaterialien für ihr Kind nicht zahlen kann, weil dafür im Hartz IV-Satz nichts vorgesehen ist. Dass Rentner sich die Praxisgebühr, die Hörgerätebatterien, die notwendige Brille oder den notwendigen neuen Zahnersatz nicht leisten können. Denn dies alles zahlt die Krankenkasse nicht mehr. Dass die türkische Familie, deren arbeitsloses Familienoberhaupt schon seit Monaten oder Jahren sich um Arbeit bemüht, nicht ausreichend Geld für das Essen zur Verfügung hat und sich täglich bei der Ausgabestelle der Tafel anstellen muss, und von dem abhängig ist, was es dort gerade mal wieder zum Essen gibt. Ich könnte Ihnen noch zahlreiche weitere Beispiele aufführen.

Frage: Was bedeutet es heutzutage für einen Menschen in Deutschland, arm zu sein?

Trabert: Ausgegrenzt zu sein. Am kulturellen Leben kaum noch teilnehmen zu können. Ein deutlich größeres Krankheits- und Sterberisiko zu haben. Und immer wieder vermittelt zu bekommen, du bist ein Verlierer, ein Looser, du bist selbst schuld, du musst irgend etwas falsch gemacht haben.

Frage: Für alleinerziehende Mütter mit drei und mehr Kindern galt bislang das höchste Armutsrisiko in Deutschland. Ist das immer noch so?

Trabert: Ja, leider. Kinder zu haben ist weiterhin ein Armutsrisikofaktor in einem der reichsten Länder der Welt, in Deutschland. Ein Skandal! Und wer auch noch alleinerziehend ist, ist quasi doppelt bestraft.

Frage: Wie ist es für ein Kind, in Deutschland in Armut aufzuwachen?

Trabert: Sehr früh im Leben zu spüren, dass vieles unerreichbar bleiben wird. Dass man in der Schule schlechtere Startchancen hat. In keinem europäischen Land ist der schulische Erfolg so sehr abhängig vom Sozialstatus der Eltern, wie in Deutschland. Kinder können eben nicht an der Schulfreizeit teilnehmen, da diese mal wieder 50 Euro oder 100 Euro oder 150 Euro oder noch mehr kostet, und dies von dem Hartz-IV-Betrag eben nicht zu bezahlen ist. Das beim Stadtbummel eben nicht einfach ein Eis gekauft werden kann, weil diese 80 Cent dem gesamten Etat für das Frühstück eines Hartz IV–Empfängers entsprechen.

Früher hat man arme Menschen vor allem am schlechten Zustand der Zähne erkannt. Wie wirkt sich Armut heute auf die Gesundheit aus?

Trabert: Dies ist weiterhin so. Von sozialer Benachteiligung betroffene Menschen zeigen deutlich höhere Erkrankungsquoten im Hinblick auf Erkrankungen der Herz- Kreislauforgane, wie zum Beispiel der Herzinfarkt, der Verdauungsorgane wie Magengeschwüre, der Luftwege wie der chronischen Bronchitis oder auch von Krebserkrankungen. Zudem kommen Depressionen und Selbstmordversuche ebenfalls deutlich häufiger bei armen Menschen vor.

Warum ist das so?

Trabert: Die Privatisierung im Gesundheitswesen, Stichwort: Brillen, medizinische Hilfsmittel, Zahnersatz, die Zuzahlungen, Praxisgebühr, Rezeptgebühr, stellen eine Benachteiligung armer Menschen dar, die zu erhöhten Erkrankungsraten und zu erhöhten Sterberaten führen. Die Menschen gehen seltener bei Beschwerden zum Arzt. Diagnose und Therapie werden demzufolge häufig zu spät durchgeführt. Arm zu sein bedeutet Stress. Psychischer Stress führt zu einer Verringerung der Körperabwehr und dies erhöht das Erkrankungsrisiko. Natürlich spielen hierbei auch ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Konsum von Zigaretten und Alkohol eine wichtige Rolle. Ohne die betroffenen Menschen aus ihrer Verantwortung entlassen wollen, bitte ich immer wieder darum, dieses individuelle Verhalten auch im Zusammenhang mit der schwierigen Lebenssituation zu sehen.

Frage: Staat und Krankenkassen tun also nicht genug, um den Gesundheitszustand zu verbessern?

Trabert: Ja. Arme Menschen haben einfach keine Lobby um die Entscheidungsträger beeinflussen und sensibilisieren zu können. Scheinbar ist die Distanz zur Lebenswelt, zur Lebensrealität sozial benachteiligter Menschen so groß, dass gerade die Politik sich von den Bedürfnissen armer Menschen meilenweit entfernt hat.

Wo müsste man anknüpfen?

Trabert: Wir müssten uns mit sozial benachteiligten Menschen in stärkerem Maße solidarisieren. Um dann, über öffentliche solidarische Parteinahme, den Druck auf die Politik, auf Krankenkassen, auf die Quellen von finanziellem Reichtum und Vermögen, zu erhöhen. Wir müssen endlich eine ethische oder / und auch christlich – humanistische Diskussion führen, was ist uns was in unserer Gesellschaft wert. Ist Gewinnmaximierung, reines Leistungsdenken, Ignoranz und Desinteresse gegenüber den Verlierern unseres Gesellschaftssystems zu akzeptieren, oder müssen hier andere Werte mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Werte, die Eigenschaften wie Teilen, Verantwortung oder schlichtweg Nächstenliebe in den Vordergrund stellen.

[...]


Frage: Sie sind mittlerweile seit 15 Jahren mit dem Ärztemobil unterwegs, um Wohnungslose medizinisch zu versorgen. Wie hat sich der Gesamtzustand von Wohnungslosen in den vergangenen Jahren verändert?

Er ist schlechter geworden! Die Veränderungen, speziell im Gesundheitssystem, mit den erwähnten Eigenbeteilungen, haben maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen. Wie soll ein wohnungsloser Patient von seinem Tagessatz von ca. 11,50 Euro, dann 10 Euro Praxisgebühr und die Zuzahlungen für eventuell ein Medikament zahlen können? Muss er sich entscheiden: Gehe ich zum Arzt und habe dann kein Geld mehr um mir etwas zum Essen kaufen zu können. Wir haben jedes Jahr im Dezember einen Gedenkgottesdienst für die verstorbenen wohnungslosen Menschen. Die Zahl der Verstorbenen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Frage: Ist Wohnungslosigkeit immer gleichbedeutend mit Armut?

Ja, dass ist so! Wobei wir natürlich den Begriff Armut, so wie er definiert wird, nämlich als Einkommensarmut hinterfragen müssten. Die betroffenen wohnungslosen Menschen haben sehr wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, sie sind arm, aber viele haben, ohne deren Situation zu glorifizieren, einen anderen Reichtum, der mich immer wieder berührt. Der überwiegende Teil der Betroffenen ist authentisch, er sagt was er denkt, ist offen und lässt sich nicht in starre Verhaltensschemata hineinzwängen. Dies ist, meines Erachtens, eine Form von Reichtum, den viele von uns, Vermögen Besitzenden, schon lange nicht mehr haben.

Frage: Arme und Reiche, die gab es doch schon immer. Glauben Sie, dass man Armut wirklich bekämpfen kann?

Ja, ich glaube fest daran, dass man Armut bekämpfen kann. Man wird sie nicht abschaffen können, aber man kann Ungerechtigkeiten deutlich reduzieren. Und man kann armen Menschen mit Respekt und Würde begegnen, denn jeder Mensch ist wertvoll und hat Fähigkeiten und Schätze in sich. Diese von Wertschätzung geprägte Begegnung kostet keinen Cent, höchstes etwas Zeit und Nachdenken.

Das Gespräch führte Katja Rietze.



Aus: "Arme Menschen sterben früher - Interview mit Sozialmediziner Gerhard Trabert"
Von Katja Rietze (MAINZ / WIESBADEN, 03.08.2009)
Quelle: http://www.wiesbadener-tagblatt.de/7021574.htm (http://www.wiesbadener-tagblatt.de/7021574.htm)


Title: [Kampagne gegen Mangelernährung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 05, 2009, 11:39:41 AM
Quote[...] Bonn (epd). Mit einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten und einer Unterschriftensammlung will ein Aktionsbündnis gegen Mangelernährung bei Hartz IV protestieren. Wer sich mit dem Hartz-IV-Satz gesund ernähren wolle, müsse aus Geldmangel ab dem 20. eines Monats die Ernährung einstellen oder auf alles andere verzichten, erklärte Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland am Montagabend in Bonn. Im derzeitigen Satz von 359 Euro monatlich seien für Ernährung und nicht-alkoholische Getränke täglich nur 3,94 Euro vorgesehen.

Das Bündnis aus Erwerbslosen Forum Deutschland, dem Aktionsbündnis Sozialproteste, KLARtext, dem Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne, der Sozialen Bewegung Land Brandenburg und Tacheles hat mit seinem Protestbrief die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, öffentlich Stellung zu beziehen. Bundesweit wollen die Sozialinitiativen in den kommenden Wochen Unterschriften für die Forderung eines Eckregelsatzes von 500 Euro sammeln, erklärte Behrsing. Wer für einen Eckregelsatz von 500 Euro kämpfe, kämpfe auch für Lohnerhöhungen, heißt es in dem Aufruf.

epd-West zr es



Aus: "Hartz-IV-Aktionsbündnis startet "Kampagne gegen Mangelernährung"" (08/2009)
Quelle: http://www.epd.de/west_index_67098.html (http://www.epd.de/west_index_67098.html)

Title: [Selbstständige benötigen immer häufiger... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 06, 2009, 09:46:54 AM
Quote[...] Nach einer Aufstellung der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit haben im Februar 2009 117.566 Selbstständige ergänzende Leistungen nach Hartz IV erhalten. Im Dezember waren es noch 112.256. Im Verlauf von zwei Jahren hat sich damit die Zahl der ,,aufstockenden Selbstständigen" verdoppelt, und der Trend setzt sich weiter fort.

Insgesamt gesehen sind rund 1,3 Millionen Erwerbstätige ihres geringen Einkommens wegen auf Aufstockung durch Leistungen nach Hartz IV angewiesen. 8,5 Prozent davon sind Selbstständige. Gut die Hälfte verdient mit dieser Tätigkeit weniger als 400 Euro pro Monat, knapp ein Viertel mehr als 800 Euro.

Dies zeige, dass immer mehr Selbstständige mit ihrem Einkommen nicht das Existenzminimum absichern könnten, betont die Bundesagentur. Gleichwohl hat sie im Dezember 2008 noch 12.800 Existenzgründer mit "Einstiegsgeldern" gefördert, allerdings 4.500 oder fast 26 Prozent weniger als im Dezember des Vorjahres. Im April 2009 erhielten nur noch 9.500 Personen ein Einstiegsgeld. (fm/c't)




Aus: "Selbstständige benötigen immer häufiger Leistungen nach Hartz-IV" (05.08.2009)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/Selbststaendige-benoetigen-immer-haeufiger-Leistungen-nach-Hartz-IV--/meldung/143082 (http://www.heise.de/newsticker/Selbststaendige-benoetigen-immer-haeufiger-Leistungen-nach-Hartz-IV--/meldung/143082)

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# http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/000100/html/sonder/broschuere_selbstaendige_2009.pdf (http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/000100/html/sonder/broschuere_selbstaendige_2009.pdf)

Title: [Zwangsvollstreckungen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 13, 2009, 11:25:24 AM
Quote[...] "Im Juli erlebten wir zum dritten Mal innerhalb der vergangenen fünf Monate einen neuen Rekord bei den Zwangsvollstreckungen", erklärte ein Unternehmenssprecher. Ungeachtet der anhaltenden Bemühungen der Regierung und der Bundesstaaten um ein Sicherheitsnetz für in Zahlungsnöte geratene Hausbesitzer hätten sowohl die Mahnungen als auch die Pfändungen durch die Banken deutlich zugenommen. Insgesamt seien in den ersten sieben Monaten des Jahres 2,3 Millionen Mahnungen, Versteigerungen und Bankpfändungen registriert worden. Mit fast 60 Prozent aller Zwangsvollstreckungen blieben im Juli die Bundesstaaten besonders betroffen, die Anfang des Jahrzehnts am meisten von dem US-Immobilienboom profitierten: Kalifornien, Florida, Arizona und Nevada.

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mik/Reuters/Dow Jones


Aus: "Zwangsvollstreckungen in den USA erreichen Rekordhoch" (13.08.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,642171,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,642171,00.html)

Title: [Das ist ein existenzielles Thema... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 07, 2009, 11:04:22 AM
Quote[...] «Das ist ein existenzielles Thema, aber im gegenwärtigen Wahlkampf zur Bundestagswahl kommt es praktisch nicht vor», sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher bei einer Diskussion mit örtlichen Vertretern der Bundestagsparteien.

Allein in Nürnberg hat der VdK rund 23.000 Mitglieder, bayernweit sind es über 550.000, «mehr als CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke zusammen Mitglieder haben», betonte Mascher. Die Mitgliederzahl in dem Verband wachse ebenso Jahr um Jahr wie der Beratungsbedarf seiner Mitglieder. Verantwortlich dafür seien vor allem die vielen Anfragen zu Alg-II-Regelungen. «Jeder zweite Hartz-IV-Bescheid ist falsch», sagte Mascher, «und dabei geht es um die Existenz der einzelnen Menschen. Das Gesetz ist mit zu heißer Nadel gestrickt worden.»

[...] Zwei Millionen Kinder seien in Deutschland von Armut betroffen, aber auch immer mehr Rentner. «Die Zahlen steigen in rasender Geschwindigkeit.» Ursache sei unter anderem die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen. Wer fünf Jahre ohne Arbeit ist, so Mascher, erwirbt in dieser Zeit am Ende einen Rentenanspruch von gut zehn Euro. Aber auch die Ausweitung des Niedriglohnsektors sei für Altersarmut mit verantwortlich.

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Aus: "Zunahme der Armut ist «erschreckend» - Die VdK-Präsidentin Ulrike Mascher diskutierte mit Bundestagskandidaten" Michael Kasperowitsch (5.9.2009)
Quelle: http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1081222&kat=10&man=3 (http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1081222&kat=10&man=3)

Title: [Viele Menschen können nicht mehr manövrieren... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 08, 2009, 01:25:02 PM
Quote[...] ,,Bekämpfte Armut" beinhaltet verschiedene Maßnahmen, insbesondere in den westlichen Industrienationen, in denen versucht wird, die Konsequenzen der Armut abzumildern. Dazu zählen im Feld der Sozialpolitik neben der ,,klassischen" Bekämpfung durch Sozialleistungen, die kompensatorische Erziehung und die Einrichtung von Suppenküchen, Tafeln, Kleiderkammern und Notunterkünften.

Zu dieser so genannten ,,bekämpften Armut" kommt noch die ,,verdeckte Armut" von Personen, die einen Anspruch auf eine Grundsicherungsleistung hätten, diesen aber – z. B. aus Unkenntnis oder Scham – nicht geltend machen.

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Aus: "Bekämpfte und verdeckte Armut" (8. September 2009)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Armut#Bek.C3.A4mpfte_und_verdeckte_Armut (http://de.wikipedia.org/wiki/Armut#Bek.C3.A4mpfte_und_verdeckte_Armut)

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Quote[...] Die verdeckte Armut in Deutschland erreicht fast die Größenordnung der statistisch erfassten und bekämpften. Neben den 2,8 Millionen Menschen, die staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, leben in der Bundesrepublik mindestens 1,8 Millionen Bedürftige ohne öffentliche Unterstützung. Das zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Richard Hauser und Dr. Irene Becker. Im Jahre 2003 kamen nach Analyse der Armutsforscher auf drei Empfänger von Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt "mindestens zwei, eher drei Berechtigte", die sich nicht bei den Behörden meldeten. Das entsprach 1,8 bis 2,8 Millionen Menschen. Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe dürfte die Zahl tendenziell gesunken sein, weil die Dunkelziffer unter den Arbeitslosen zurückging - in anderen Gruppen hingegen nicht. Deutlich überproportional von verdeckter Armut betroffen sind allein stehende Frauen über 60 Jahre. Zudem sehen die Forscher Indizien, dass das auch für die ausländische Bevölkerung gilt.

[...] Eine wesentliche Ursache dafür, dass Bedürftige auf staatliche Hilfe verzichten, ist Unwissenheit. So geht in Befragungen mehr als die Hälfte der verdeckt Armen davon aus, Sozialhilfe zurückzahlen zu müssen. Dass auch Beschäftigte Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe hatten, war vielen nicht bekannt, zeigt die Analyse. Die Hartz-Gesetze dürften dieses Informationsdefizit vergrößert haben, schätzen die Wissenschaftler: "Die Working Poor dürften sich noch seltener als anspruchsberechtigt sehen als vor der Reform - denn sie sind ja nicht arbeitslos."

Auch Furcht vor Stigmatisierung schreckt viele eigentlich Unterstützungsberechtigte ab.

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Aus: "Studie zu verdeckter Armut - Mindestens 1,8 Millionen Bedürftige leben ohne staatliche Hilfe" (18.01.2006)
Quelle: http://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-54018.html (http://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-54018.html)
Rainer Jung | Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Weitere Informationen: www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/320_61832.html (http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/320_61832.html)


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Quote[...] Bei der Diskussion um steigende Sozialleistungen richtet sich der Blick meist zuerst auf die Hartz-IV-Empfänger. Doch hinzu kommen Tausende Menschen, die sich knapp über dem Hartz-IV-Niveau befinden, sich mit Wohngeld, Kinderzuschlag oder Grundsicherung im Alter durchschlagen. Auch hier steigen die Zahlen, beim Wohngeld explodierte sie regelrecht.

Christine Sturm-Rudat vom Sozialverband VdK sagt: ,,Die verdeckte Armut nimmt definitiv zu. Viele Menschen können nicht mehr manövrieren." Der VdK und andere Wohlfahrtsverbände verzeichnen seit dem Beginn der Wirtschaftskrise vor einem dreiviertel Jahr einen starken Anstieg von Beratungen.

Der psychische Druck beginnt häufig schon, bevor die Armut beginnt: Viele haben Angst und erkundigen sich im Vorfeld, was bei Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Rente auf sie zukommen könnte. Sturm-Rudat warnt angesichts des steigenden Renteneintrittsalters: ,,Zwei bis drei Jahre können die Menschen irgendwie überbrücken. Zehn Jahre nicht." Weiteres Problem: ,,Heutzutage gibt es kaum noch ungekürzte Renten."

Insgesamt fließen in Augsburg viele Millionen Euro Sozialleistungen.

Hartz IV Im August gab es über 20 100 Hilfeempfänger, davon sind 14 600 erwerbsfähig, die anderen Kinder und Jugendliche. Damit hat sich gegenüber August letzten Jahres nicht viel geändert. Allerdings lagen die Zahlen am Jahresende beträchtlich tiefer und stiegen mit Beginn der Krise sprunghaft an. Viele hatten vorher nicht lang genug gearbeitet oder so wenig verdient, dass sie mit der Joblosigkeit direkt ins Arbeitslosengeld II durchrutschten. Nach Angaben des Gewerkschaftsbundes DGB betrifft das ein Drittel der Arbeitslosen. Außerdem bekommen inzwischen auch viele Kurzarbeiter Hartz IV. Die Zahlungen in diesem Bereich belaufen sich auf rund 90 Millionen Euro jährlich, davon zahlt der Bund den Unterhalt, die Stadt die Unterkunft.

Grundsicherung im Alter Diese beziehen in Augsburg 3400 Menschen (Vorjahr: 3200). Das kostet die Stadt rund 16,6 Millionen Euro im Jahr, allerdings bekommt sie einen Teil der Mietkosten (etwa zwei Millionen Euro) vom Bund zurück. Die Grundsicherung im Alter entspricht der früheren Sozialhilfe.

Wohngeld Die Regelungen für das Wohngeld wurden zum Januar erleichtert. Außerdem wurde es erhöht und damit nach Jahren den steigenden Mieten und Energiekosten angepasst. Dadurch stiegen die Zahlen. Während 2008 etwa 1500 Augsburger Wohngeld bezogen, sind es zurzeit 2300. Das Amt für soziale Leistungen rechnet bis Ende des Jahres mit 2500 Fällen. Hier wird sich die Zahl voraussichtlich einpendeln. Dementsprechend stiegen die Zahlungen von 1,75 Millionen auf 5,06 Millionen Euro im Jahr. Man rechnet in der Endsumme mit 5,6 Millionen. Wohngeld ist eine Bundesleistung.

Kinderzuschlag Ihn gibt es zusätzlich zum Kindergeld. Auch hier wurde zum Jahreswechsel der Bezug erleichtert, um zu vermeiden, dass Familien nur der Kinder wegen zu Hartz-IV-Empfängern werden. Die Neuregelung wirkt sich aus.

Während es vor einem Jahr 190 Fälle im Bereich der Augsburger Kinderkasse gab, sind es nun 730. Die Zahlungen stiegen von 67 000 auf 223 000 Euro im Monat. Der Kinderzuschlag ist eine Bundesleistung. Zuständig ist die Kinderkasse, die bei der Agentur für Arbeit angesiedelt ist. »Einblick Seite 36



Aus: "Die verdeckte Armut nimmt zu" von Ute Krogull (03.09.2009)
Quelle: http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Augsburg-Stadt/Lokalnews/Artikel,-Die-verdeckte-Armut-nimmt-zu-_arid,1850821_regid,2_puid,2_pageid,4490.html (http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Augsburg-Stadt/Lokalnews/Artikel,-Die-verdeckte-Armut-nimmt-zu-_arid,1850821_regid,2_puid,2_pageid,4490.html)

Title: [Armut im Osten Deutschlands... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 03, 2009, 01:34:55 PM
Quote[...] Die Stadt Demmin in Mecklenburg Vorpommern, rund 40 Kilometer von der Ostseeküste entfernt, darf für einen traurigen Rekord für sich verbuchen. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es mehr Arbeitslose: Jeder vierte ist hier ohne Job. Auf der Suche nach einer Beschäftigung haben viele Bewohner und Bewohnerinnen die Region bereits verlassen.

Zurück blieben die Älteren und schlecht Ausgebildeten, wie Annegret Müller. Sechs Mal verlor die gelernte Verkäuferin seit der Wende ihren Arbeitsplatz. Jetzt, mit 53, lebt sie von Hartz IV, der Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose. Weil der kaufkräftige Mittelstand weggezogen ist, mussten die meisten der Geschäfte zusperren. "Die Stimmung hier ist ganz schlecht", sagt die 53-Jährige, "am Monatsanfang sind die Läden noch voll, aber ab dem 10., 15. haben die Leute kein Geld mehr."

Helmut Kohl, der "Kanzler der Einheit", versprach bei der deutschen Wiedervereinigung, in der ehemaligen DDR für wirtschaftlich blühende Landschaften zu sorgen. Von der prognostizierten Angleichung der ökonomischen Verhältnisse in Ost und West ist heute wenig geblieben: 1,5 Millionen Menschen sind arbeitslos, viele Regionen leiden unter wirtschaftlichem Abschwung und Abwanderung.

In einem kürzlich vorgestellten Armutsatlas des deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes liegen die fünf neuen Bundesländer und Berlin im Spitzenfeld einer Armuts-Rangliste. Im Westen nimmt lediglich der Stadtstaat Bremen einen oberen Rangplatz ein. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Im Osten lebt demnach jede fünfte Person an oder unter der Armutsgrenze.

In manchen Regionen Ostdeutschlands - etwa im Kreis Demmin - liegt die Armutsquote bei 27 Prozent - beinahe ein Drittel der Bevölkerung kann hier als arm bezeichnet werden. Ein Aufschwung ist nicht in Sicht. Bald wird jeder zweite Bewohner der Region das 60. Lebensjahr überschritten haben. Der Mittelstand ist abgezogen oder verliert durch Arbeitslosigkeit an Kaufkraft. Es sind unter anderem die hohen Einkommensunterschiede, die seit der Wende fast zwei Millionen Menschen aus den neuen Bundesländern in den Westen gezogen haben.

Durch Westwanderung und Rückgang der Geburtenrate wird der Osten Deutschlands bis 2020 um eine weitere Million Menschen schrumpfen. Weil es vornehmlich die Hochqualifizierten sind, die dem Osten den Rücken kehren, verliert Ostdeutschland auch an Attraktivität für neue Betriebsansiedlungen. "Wenn sich der Osten weiter vom Westen Deutschlands entfernt, droht die Verödung ganzer Landstriche", warnt Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Auch der Osten hat seine Boom-Zentren. So konnten sich etwa die Städte Dresden, Potsdam und Jena wirtschaftlich so gut entwickeln, dass sie heute zu den Top 20 der Bundesrepublik gehören. Im Vergleich zur Mangel-Wirtschaft des DDR-Staates ist der Lebensstandard im gesamten Osten deutlich gestiegen. So sieht sich auch - trotz Armut und Arbeitslosigkeit - die Hälfte der Ostdeutschen als Gewinner der Einheit, während sich immer mehr Westdeutsche als die eigentlichen Verlierer sehen.

"Die Westdeutschen merken, dass sie in der Transferfalle sitzen", sagt Daniela Dahn, Schriftstellerin und Mitbegründerin der DDR-Oppositionsgruppe Demokratischer Aufbruch: "Man hat die Einheit so organisiert, dass das jetzt eine Gegend ist, die sich selbst nicht ernähren kann". Über 1,5 Billionen Euro aus dem Westen sollen nach Berechnung diverser Wirtschaftsinstitute bereits in den Osten geflossen sein. Dass die Region innerhalb der nächsten Jahre wieder auf die Beine kommt, ist mehr als fragwürdig. Die Lücke zwischen Ost und West wird - 19 Jahre nach der Wiedervereinigung - wieder größer.


Text: Bea Sommersguter


Aus: "Armut im Osten Deutschlands" (2009)
Quelle: http://oe1.orf.at/highlights/145876.html (http://oe1.orf.at/highlights/145876.html)

Title: [Die Studie des US-Landwirtschaftsministeriums... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 18, 2009, 12:16:10 PM
Quote[...] Im Jahr 2007 waren noch elf Prozent der Haushalte nicht angemessen mit Lebensmitteln versorgt. Ein Jahr später, im Krisenjahr 2008, sind es 14, 6 Prozent gewesen. Das geht aus einer Studie des US-Landwirtschaftsministeriums hervor. Demnach hatten rund 50 Millionen Amerikaner zeitweise nicht genügend Geld, um sich ausreichend Essen zu kaufen.

Präsident Barack Obama bezeichnete es als "besonders besorgniserregend", dass davon auch kleine Kinder betroffen gewesen seien.

[...] Nach Angaben des Ministeriums reagierten die Betroffenen unterschiedlich auf die Geldknappheit. Zwei Drittel hätten sich dadurch beholfen, dass sie zu billigeren Lebensmitteln griffen, öffentliche Suppenküchen besuchten oder andere Hilfen in Anspruch nahmen.

Ein Drittel der Betroffenen waren tatsächlich gezwungen, ihre Nahrungsaufnahme zu verringern.


Aus: "50 Millionen Amerikanern fehlt das Geld für Nahrung" (17.11.2009)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-11/wirtschaftskrise-nahrungsmangel-usa (http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-11/wirtschaftskrise-nahrungsmangel-usa)

Title: [Tom Vilsack spricht von einem Weckruf... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 30, 2009, 01:15:54 PM
Quote[...] Washington - Die Werte liegen auf Rekordhöhe - und jeden Tag kommen 20.000 neue Empfänger hinzu: Wegen der schweren Wirtschaftskrise ist nach einem Bericht der "New York Times" jeder achte Amerikaner - und jedes vierte Kind - auf die staatliche Hilfe angewiesen. Derzeit hängen 36 Millionen Amerikaner von Lebensmittelkarten ab, ein Drittel mehr als vor Ausbruch der Krise vor zwei Jahren. "Rekordhöhe, und jeden Monat ein weiterer Anstieg", schreibt das Blatt am Sonntag auf der Titelseite.

Mit den Lebensmittelkarten können arme Menschen Nahrungsmittel wie Brot, Milch und Käse praktisch wie mit einer Kreditkarte bezahlen. Im Durchschnitt erhalte jedes Familienmitglied auf diese Weise rund 130 Dollar. 28 Prozent aller schwarzen und acht Prozent der weißen Amerikaner würden die Leistung erhalten.

Bereits kürzlich hatte das US-Landwirtschaftsministerium einen Anstieg von Hunger und Unterernährung festgestellt. Demnach hatten während der schweren Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr rund 50 Millionen Amerikaner nicht immer genügend zu essen. 14,6 Prozent der Haushalte hatten demnach zumindest zeitweise nicht genügend Geld, um alle Familienmitglieder angemessen zu ernähren. Noch 2007 seien dies lediglich elf Prozent der Haushalte gewesen.

chs/dpa


Aus: "Krisenfolgen - Mehr Amerikaner brauchen Lebensmittelkarten" (29.11.2009)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,664139,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,664139,00.html)

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Quote[...] Präsident Barack Obama hatte während des Wahlkampfes versprochen, dass in den USA kein Kind mehr hungern muss. Jetzt bezeichnet das Weiße Haus eine vorliegende Untersuchung des Agrarministeriums als ,,sehr beunruhigend". Die Studie gibt an, dass 50 Millionen (oder jeder sechste) Amerikaner im vergangenen Jahr mehrfach nicht in der Lage waren, genügend Lebensmittel zu kaufen, um gesund zu bleiben. Vorrangig wird das auf eine grassierende Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlte Jobs zurückgeführt. Die Zahlen sind im Vergleich zu 2007 um ein Drittel gestiegen und die höchsten seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995. Sie dürften in diesem Jahr eine weitere Zunahme erfahren.

Landwirtschaftsminister Tom Vilsack spricht von einem ,,Weckruf" und sagte, er gehe davon aus, dass die jetzige Lage sogar noch schlechter sei, was aber erst im Bericht des nächsten Jahres dokumentiert werde. Man müsse von 6,7 Millionen Menschen mit einer ,,sehr geringen Lebensmittelsicherheit" ausgehen, was bedeutet, dass sie regelmäßig nicht genug zu essen haben. Nahezu alle Betroffenen sagen aus, sie verfügten kaum über genügend Geld, um sich ausgewogen zu ernähren. Auch wenn nur wenige angeben, es handle sich um ein permanentes Problem, das sich über das gesamte Jahr erstrecke, so sagen doch 88 Prozent, mit Geldnot hätten sie immerhin in drei bis vier Monaten des Jahres zu tun.

Die Zahl der Kinder, die in Haushalten mit Lebensmittelengpässen leben, erhöhte sich 2008 um nahezu ein Drittel auf 17 Millionen. Im Bericht der Regierung heißt es, dass die meisten Eltern, die selbst nicht genug zu essen haben, zwar dafür Sorge tragen, dass wenigstens ihre Kinder nicht hungern – dennoch über eine Million Kinder unter mangelnder Ernährung leiden. Am stärksten sind davon die Südstaaten betroffen. Mississippi weist den höchsten Anteil an Menschen auf, die mit langfristiger Lebensmittelknappheit zu kämpfen haben. Es folgen Texas und Arkansas. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind Schwarze oder Latinos. Millionen weiterer Amerikaner hungern nur deshalb nicht, weil sie so arm sind, dass sie von der Regierung Lebensmittelmarken erhalten oder sich auf die Versorgung durch Suppenküchen wie die von Feeding America verlassen. In manchen Staaten wie etwa West Virginia ist jeder sechste auf Lebensmittelmarken angewiesen.

Vicki Escarra, die Vorsitzende der Organisation Feeding America, die 200 Ausgabestellen für Lebensmittel in den Vereinigten Staaten betreibt und dabei 25 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgt, nennt den Bericht ,,alarmierend". ,,Obwohl diese Zahlen schon niederschmetternd genug sind, darf man nicht vergessen, dass sie die Situation von vor einem Jahr beschreiben. Seitdem ist die Wirtschaft wahrlich eingebrochen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass heute noch mehr Menschen Hunger leiden müssen als dieser Bericht wiedergibt."

Nach Angaben von Feeding America gibt es einen ,,dramatischen Anstieg" der Notfallhilfe, von Ausgabestellen und Suppenküchen im ganzen Land. Manche verzeichnen einen Mehrbedarf um über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Als Hauptursache gelten die auf über zehn Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit sowie die wachsende Zahl von Amerikanern, denen die Wochenarbeitszeit und damit die Löhne gekürzt wurden. Bereits vor der Wirtschaftskrise hatten viele der Arbeitenden damit zu kämpfen, steigende Lebenshaltungskosten zu bezahlen, beispielsweise höhere Benzinpreise, die für Menschen in ländlichen Regionen, die zum Arbeitsplatz weite Strecken zurücklegen müssen, eine große Last darstellen. Feeding America gibt an, 40 Prozent der von ihnen unterstützten Menschen lebten in Familien, in denen mindestens ein Erwachsener Arbeit habe.

Die Veröffentlichung des Berichts fällt mit dem in diesen Tagen in Rom stattfindenden UN-Welternährungsgipfel zusammen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erinnerte aus diesem Anlass daran, dass alle fünf Sekunden ein Kind an den Folgen von Unterernährung stirbt und über eine Milliarde Menschen auf der Welt an Hunger leiden.

Übersetzung: Holger Hutt


Aus: "Suppenküchen gegen den Hunger"
USA | 18.11.2009 16:32 |  Chris McGreal, The Guardian
Quelle: http://www.freitag.de/politik/0947-usa-hunger-armut-arbeitslosigkeit (http://www.freitag.de/politik/0947-usa-hunger-armut-arbeitslosigkeit)

Title: [Die Tendenz zu Sozialbestattungen ist deutlich gestiegen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 18, 2010, 12:07:49 PM
Quote[...] Das Land Berlin muss immer öfter für Begräbnisse von sozial schwachen Menschen aufkommen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa vom Sonntag haben sich die Ausgaben für Sozialbestattungen allein im Bezirk Mitte zwischen 2001 und 2009 fast vervierfacht.

Gaben im Jahr 2001 alle Berliner Bezirke rund 1,1 Millionen Euro für Sozialbestattungen aus, stiegen die Ausgaben im Jahr 2007 laut Senatsverwaltung für Soziales auf rund 2,9 Millionen Euro.

"Die Tendenz zu Sozialbestattungen ist deutlich gestiegen", sagte Rüdiger Kußerow, Obermeister der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg. Hintergrund sei beispielsweise der Wegfall des Sterbegeldes der Krankenkassen 2004. Viele Berliner hätten sich seitdem nicht versichert, um für ihre Beerdigungskosten vorzusorgen. "Die Leute können sich das einfach nicht mehr leisten", so Kußerow. "Es gibt ja immer mehr Hartz-IV-Empfänger."

750 Euro zahlen die Sozialämter Berliner Beerdigungsunternehmen für eine Sozialbestattung. Zusammen mit Friedhofs- und Verwaltungsgebühren kostet ein Armenbegräbnis das Amt damit rund 1000 Euro. Die Ausgaben werden den Bezirken vom Land zurückerstattet.

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Aus: "Immer mehr Armenbegräbnisse in Berlin" (17.01.2010)
Quelle: http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2010_01/zahl_der_sozialbestattungen.html (http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2010_01/zahl_der_sozialbestattungen.html)

Title: [Hunger in Deutschland... (D, 2010)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 15, 2010, 09:32:15 AM
Quote[...] In Deutschland sind elf Millionen Menschen von Armut bedroht. Tausende leben bereits am Existenzminimum. Dabei handelt es sich nicht nur um Obdachlose, sondern auch um Rentner, Witwer, Alleinstehende und Alleinerziehende. Für viele gehört der Hunger inzwischen zum Leben dazu. Und ihre Situation scheint aussichtslos.

Täglich kommen Bedürftige zur Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo in Berlin, um sich etwas Essen zu holen. Täglich bildet sich eine Schlange, die zum Monatsende hin immer länger wird. Denn dann ist das Geld knapp oder bereits aufgebraucht. Betroffen sind nicht nur Obdachlose, sondern auch Witwen, Rentner, Alleinerziehende. Die Zahl der ausgegebenen Lebensmittelrationen stieg in den vergangenen sechs Monaten um fast 15 Prozent. Im Juni zählte die Bahnhofsmission etwa 1.000 Menschen mehr als im Vorjahresmonat. Das war ein Anstieg von 28 Prozent. Dieter Puhl von der Bahnhofsmission weiß, dass viele der Bedürftigen lange Anfahrtswege für die eine Mahlzeit in Kauf nehmen.

Auch andere karitative Einrichtungen wie Suppenküchen und Tafeln haben derzeit großen Zuspruch. So macht etwa Rentnerin Heidrun Dietz vom Angebot für ein kostenloses Essen Gebrauch. Obwohl sie 45 Jahre gearbeitet hat, ist ihre Rente zu klein. Drei Euro hat sie täglich für Lebensmittel. In ihrem Kühlschrank befinden sich lauter Almosen. Ohne die Essensration von der Kirche könnte sie nicht überleben. Oft stellt sich Heidrun Dietz schon zwei Stunden vor Öffnung bei der Kirche an, um sich ihr Essen abzuholen.

Dass viele Menschen in Deutschland Hunger leiden, zeigt sich auch an anderer Stelle. Vor allem in größeren Städten kann man beobachten, dass Menschen in Papierkörben und Mülleimern nach Essbarem suchen. Für Petra Schöps aus Berlin sind diese Bilder keine Seltenheit. Die Besitzerin einer Imbissbude erzählt FAKT, dass es sich bei den Bedürftigen keineswegs nur um Obdachlose handelt. Oft seien es ordentlich gekleidete Menschen, die in die Mülleimer griffen, um nach einem angebissenen Brötchen, einer halben Wurst oder Pommesresten zu suchen.

Von Armut betroffen sind oft Menschen, die von Sozialleistungen leben. Nach Ansicht von Experten kann man mit den Regelsätzen für einen begrenzten Zeitraum auskommen, aber nicht auf Dauer. Doch anders als noch vor 20 Jahren ist Armut heute von langfristiger Natur. Das sagt Rudolf Martens, Wissenschaftler beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Er befürchtet, dass sich die Gesellschaft in Deutschland in Teilen auf amerikanische Verhältnisse zubewegt.

Bis sich die Menschen ihren Hunger eingestehen, dauert es oft lange. Vielen ist es auch peinlich, sich bei karitativen Einrichtungen Essen zu holen. Doch ihre finanziellen Mittel lassen ihnen keine andere Wahl.


Aus: "Hunger in Deutschland" (12. Juli 2010)
Quelle: http://www.mdr.de/fakt/7485585.html (http://www.mdr.de/fakt/7485585.html)

Title: [Sie beobachte aber auch die Tendenz (D, 2010, Tafeln)... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 04, 2010, 01:37:02 PM
Quote[...] die Tafeln brauchen nicht nur Lebensmittel, sondern auch mehr Helfer und staatliche Unterstützung. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutsche Tafeln erfahren die Ausgabestellen für Lebensmittel und warme Mahlzeiten immer mehr Zuspruch. Mehr als eine Million Bedürftige erhielten derzeit bei einer der rund 870 Tafeln regelmäßig Nahrungsmittel. Im Jahr 2005 seien es nur eine halbe Million Menschen gewesen.

In Thüringen kommen nach Angaben des Landesverbandes der Thüringer Tafeln rund 46.000 Menschen zu den 32 Tafeln. Ende vergangenen Jahres arbeiteten rund 700 Helfer bei den Thüringer Tafeln, 500 von ihnen ehrenamtlich. Tafel-Landeschefin Beate Weber-Kehr sagte, es werde immer schwieriger, Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern. Sie beobachte aber auch die Tendenz, dass Ämter Bedürftigen die Tafeln empfehlen, um sich aus der eigenen Verantwortung zurückzuziehen.

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Aus: "Deutscher Tafeltag: Tafeln brauchen mehr Helfer und Unterstützung" (02. Oktober 2010)
Quelle: http://www.mdr.de/nachrichten/7731455.html (http://www.mdr.de/nachrichten/7731455.html)

Title: [Ich hatte keine Ahnung... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 02, 2010, 11:26:09 AM
Quote[...] Begüterte Amerikaner sind sich zwar der enormen Kluft bewusst, die in ihrem Land zwischen Arm und Reich herrscht, haben aber die Tendenz, Bedürftigkeit als eine Art selbstverschuldetes Ungemach zu sehen. Doch als im Frühjahr die neusten Zahlen zur Familienobdachlosigkeit in den USA publiziert wurden, reagierte die Öffentlichkeit mit Entrüstung. Jedes fünfzigste Kind, insgesamt 1,5 Millionen Minderjährige, so das Resultat der Erhebungen des National Center on Family Homelessness (NCFH), muss auf ein festes eigenes Zuhause verzichten. Die Resultate einer vergleichbaren Erhebung wurden vor einem Jahrzehnt publiziert, damals gab es rund einen Fünftel weniger betroffene Minderjährige als heute.

Das Elend dieser Kinder hat verschiedenste Gesichter und bleibt doch den meisten Amerikanern verborgen. Sie leben entweder mit einem Elternteil oder seltener mit Vater und Mutter in einem Heim für Obdachlose, oder sie wohnen auf Pump in einem Billigmotel. Andere Familien nisten sich in einem zum Abbruch freigegebenen Haus ein, kommen vorübergehend bei Freunden oder Verwandten unter, übernachten im Van, Kombi oder gar Zelt. Wieder andere Kinder werden in provisorischen, häufig wechselnden Pflegefamilien placiert, weil ihre Eltern im Gefängnis oder in der Gosse gelandet sind.

[...] Nach dem Ende der Grossen Depression gab es in den USA lange Zeit kaum mehr obdachlose Familien. Noch vor zwanzig Jahren machten Familien nur gerade 1 Prozent der Personen ohne festes Dach über dem Kopf aus. Heute sind es 35 Prozent, die Hälfte der betroffenen Kinder ist im Vorschulalter. Wie lässt sich diese sprungartige Veränderung erklären? Bassuk nennt als wesentliche Faktoren die abwesenden Väter, die zu niedrigen Mindestlöhne und den Mangel an günstigem Wohnraum. Heute ist das Oberhaupt der typischen obdachlosen Familie weiblich, Mitte zwanzig, ohne Mittelschulabschluss und einer ethnischen Minderheit zugehörig. Besonders in afroamerikanischen Familien fehlt oft der Vater.

[...] Das Phänomen der alleinerziehenden Mütter ist nicht neu, hat sich aber in den letzten Jahrzehnten akzentuiert. Früher fanden diese Frauen meist in den Stadtzentren, in der Nähe von Arbeitsplätzen und Schulen, günstige Bleiben. Diese Möglichkeit existiert heute kaum mehr, weil solche Wohnungen aus den Innen- und Vorstädten Amerikas verschwunden sind. Die einstigen Ghetto-Mietshäuser, wo sich oft mehrere Generationen eine Wohneinheit teilten, fielen in den letzten zwanzig Jahren weitreichenden städtischen Modernisierungsprozessen zum Opfer. Anstatt mit staatlichen Bemühungen, diese verlorenen Heimstätten durch genügend Sozialwohnbauten zu ersetzen, begegnete man der wachsenden Not bedürftiger Familien mit einem Netzwerk von Obdachlosenheimen, Notschlafstellen und Suppenküchen. Wie InnVision im Silicon Valley kann die Mehrheit dieser subventionierten Einrichtungen nur dank ergänzenden privaten Zuwendungen überleben. Das bringt den gravierenden Nachteil mit sich, dass die Almosen immer dann versiegen, wenn sie aufgrund der wirtschaftlichen Not am dringendsten gebraucht würden.

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Aus: "Amerikas unsichtbare Obdachlosigkeit: Immer mehr Familien mit Kindern haben kein Zuhause"
Von Ursula Schnyder in Kalifornien (10. September 2009, Neue Zürcher Zeitung)
Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/international/amerikas_unsichtbare_obdachlosigkeit_1.3529465.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/international/amerikas_unsichtbare_obdachlosigkeit_1.3529465.html)


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Quote[...] Die amerikanische Gesellschaft bricht auseinander: Millionen Bürger haben durch die Rezession ihren Job verloren und verarmen, unter ihnen viele Mittelschichtfamilien. Die New Yorkerin Pam Brown hat den Absturz erlebt - über Nacht veränderte sich ihr Leben komplett.

Auf den Schock war sie nicht vorbereitet. "Es war entsetzlich", erinnert sich Pam Brown. "Über Nacht fand ich mich auf der falschen Seite des Lebens wieder. Dass mir so was passieren könnte, hätte ich mir nie träumen lassen. Ich bin in eine tiefe Depression gestürzt." Brown sitzt im einem Billigrestaurant an der 14. Straße und rührt in ihrem Kaffee für 1,35 Dollar. Mehr bestellt sie nicht - es ist zu spät fürs Frühstück und zu früh fürs Mittagessen.

Sparen muss sie sowieso. Bis Anfang 2009 arbeitete Brown noch als Vorstandsassistentin an der Wall Street, verdiente mehr als 80.000 Dollar im Jahr und wohnte mit ihren drei Söhnen in einer Sieben-Zimmer-Wohnung. Heute ist sie langzeitarbeitslos, muss in einem winzigen Apartment in der New Yorker Bronx hausen und ist nur mit viel Glück nicht obdachlos.

"Eins kam nach dem anderen - boom, boom, boom", sagt Brown. "Jedesmal rappelte ich mich wieder auf. Trotzdem trudelte ich immer weiter in den Abgrund." Ihre Stimme bebt. "Ich habe alles getan, was mir Amerika aufgetragen hat. Ich bin zur Schule gegangen. Ich war nie im Gefängnis. Ich habe wunderbare Kinder großgezogen. Und jetzt?" Sie lacht sarkastisch.

Brown ist eine von Millionen Amerikanern, die während der Rezession aus ihrer bürgerlichen Idylle bis an den Rand der Armut gefallen sind - oder darüber hinaus. Viele erleben den Absturz als Demütigung, die zu begreifen ihnen schwerfällt. Aussicht auf Hilfe haben sie keine: Staat und Gesellschaft lassen sie im Stich.

Längst jagt die Wall Street wieder neuen Profiten nach. Doch für weite Teile der Nation ist der Mythos von Aufstieg, Eigenheim und Selfmade-Wohlstand auf lange Sicht zerplatzt. Die Mittelklasse, Amerikas Rückgrat, bröckelt - ihr "American Dream" ist ausgeträumt.

Die US-Armutsrate erreichte voriges Jahr 14,3 Prozent, 1,1 Prozent mehr als 2008. Fast fünf Millionen Amerikaner rutschten erstmals unter die Armutsgrenze, die bei einer vierköpfigen Familie unterhalb eines Jahreseinkommens von 22.050 Dollar liegt. Viele erlebten den Absturz aus zuvor relativ guten Kreisen. Die Zahl der Langzeitarbeitlosen steigt weiter. Am stärksten sind Familien mit Kindern betroffen: Jedes fünfte Kind in den USA lebt in Armut.

"Verstehen Sie mich nicht falsch, die Lage war früher schon schlecht genug", sagt Bich Ha Pham, Direktorin des New Yorker Sozialdienstes Federation of Protestant Welfare Agencies (FPWA). "Doch diesmal kann es wirklich jeden treffen."

Im US-Kongresswahlkampf spricht davon keiner. "Die Leute schert es nicht", sagt Curtis Skinner, Familienexperte des National Centers for Children in Poverty. Im "vergifteten politischen Klima" dieser Tage seien neue Staatsausgaben tabu - selbst wenn sie Armen zugutekämen.

So lange ist das gar nicht her, dass auch Pam Brown wenig an diejenigen dachte, die durchs soziale Netz fielen. Auch sie selbst hatte keine Angst davor. "Ich habe mich nicht gekümmert", sagt sie. "Ich hatte keine Ahnung, wie es ist, wenn du nicht mehr frei über dein eigenes Leben bestimmen kannst."

Es sind die Schattenseiten einer Wohlstandsgesellschaft, in der sich Brown lange gut aufgehoben fühlte - bis ihr der Boden unter den Füßen wegbrach. Dabei hat sie einen exemplarischen US-Lebenslauf. In einfachen Verhältnissen geboren, schaffte sie es aus eigener Kraft nach oben. Brown ging in der Bronx zur High School und in Brooklyn aufs College, begann als Praktikantin bei Citigroup. Bald begleitete sie ihren Boss, einen Wealth-Manager, aufs Parkett der Stock Exchange, wanderte dann mit ihm zu Morgan Stanley, HSBC, Barclays.

Als Chefassistentin sah Brown, "wie Kapitalismus funktioniert". Sie hatte "den Finger am Puls" der Wall Street, war überzeugt: "Alles schien möglich." Auch für sie selbst: Brown wollte das Haus, in dem sie zur Miete wohnte, kaufen.

Doch kurz bevor sie zur Bank of America hätte wechseln sollen, erlag ihr Chef einem Herzinfarkt - mitten in der Finanzkrise. Die Bank übernahm Brown als Teilzeitkraft, baute ihre Stelle dann aber ab. Ihre Ehe zerbrach. Sie saß mit ihren Söhnen Said, 15, Yusuf, 20, und Malik, 21, alleine da.

Es war eine Falle. Da Brown zuletzt nur Teilzeit gearbeitet hatte, hatte sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Und so landete sie völlig ungewappnet in den Reihen der Armen, Hungrigen und Sozialhilfebedürftigen. "Es fiel mir ungeheuer schwer, mich als arm zu identifizieren", sagt Brown. Sie merkte, welche Vorurteile sie selbst hatte, wie viel Stigma und Scham dies mitbrachte. "Ich habe Mitgefühl lernen müssen - auf die harte Tour."

Diese Tour wurde zur Odyssee. Statt wieder Arbeit zu finden, verirrte sich Brown immer mehr im Labyrinth des US-Sozialhilfewesens. Bill Clintons "Welfare Reform" von 1996 lagerte die Sozialhilfe an Privatfirmen aus, die sie als Profitgeschäft betreiben. Sie unterwerfen die Antragsteller so strengen Kriterien, dass "die Mehrzahl sofort abgelehnt wird", wie die FPWA kürzlich resümierte. Viele andere geben freiwillig auf.

Auch Brown blieb nicht verschont. Die Behörden konnten lange nicht klären, wie viel Stütze ihr zustand. Durch einen bis heute nicht behobenen Computerfehler wurden ihr dann alle Bargeldansprüche vollends gestrichen. So erhält sie jetzt jeden Monat lediglich Lebensmittelmarken im Wert von 242 Dollar und knapp 400 Dollar Mietzuschuss. Für beides muss sie regelmäßig mit Dutzenden Dokumenten antreten, um sich wieder neu zu "bewerben".

Die Lebensmittelmarken reichen meist nur zwei Wochen. Danach ist Brown auf Suppenküchen angewiesen - oder Hilfsgruppen wie die "West Side Campaign Against Hunger" (WSCAH), die in einem Kirchenkeller an der West 86th Street eine Pantry und einen Kramladen unterhält.

"Wir sehen einen dramatischen Anstieg von Klienten", sagt WSCAH-Direktorin Doreen Wohl. "So schlimm war es in unserer 31-jährigen Geschichte noch nie. Dies ist eine wahre Krise." Die weißhaarige Frau steht in dem Lädchen, in dem die Bedürftigen sich per Punktesystem Lebensmittel aussuchen können: Getreide, Protein, Gemüse, Obst, Milch. So groß ist der Ansturm, dass die Kühlkammer für Fleisch zurzeit völlig leer ist.

Für Pam Brown war es im vergangenen Winter am schlimmsten. Da hatte sie an einem Tag nichts mehr zu essen und musste Mülltonnen durchstöbern. Erst ihr Sohn Malik munterte sie auf, indem er als Weihnachtsmann aufkreuzte. Dass vor allem ihre Kinder leiden, nimmt Brown am meisten mit. "Eltern sollten ihren Kindern Träume erfüllen", sagt sie. "Stattdessen helfen mir meine Jungs jetzt über die Runden."

Vom neuen Aufschwung, den die Ökonomen beschwören, spürt Brown nicht viel. Mehrmals die Woche hockt sie bis zu acht Stunden im Warteraum ihres "Job Centers", ihren säuberlichen Lebenslauf in der Tasche, nur um zu Trainingsprogrammen und Bewerbungsgesprächen geschickt zu werden, die zu nichts führen. "Es gibt keine Arbeit", seufzt sie. "Zu viele Leute. Zu wenige Stellen."

Dafür fühlt sie sich behandelt wie Vieh. "Die wissen nicht, wie sie mit gebildeten Leuten umgehen sollen", klagt sie über ihre überforderten Sozialhelfer. "Die kennen nur das Stereotyp der wütenden Schwarzen."

Zwei Jobs hatte sie zwischenzeitlich. Eine Immobilienfirma beschäftigte sie eine Woche lang als Aushilfe. "Da konnte ich Seife, Klopapier und Spülmittel kaufen." Im Winter kehrte sie für die Müllabfuhr die Straße - in einer abgelegenen Gegend, wo Kondome in der Gosse lagen. "Ich hatte Todesangst."

Zumindest sitzt sie, dank ihrer nachsichtigen Vermieterin, nicht auf der Straße. Doch das Haus steht zum Verkauf - wer weiß, wie es der neue Besitzer hält. Vor den Obdachlosenasylen graut es ihr. Gerade erst hat sie eine Freundin, die trotz MBA-Abschluss verarmt sei, in einem besucht: "Wie im Knast, mit Gittern und Sperrstunde."

Der Kellner schenkt Kaffee nach, umsonst. Brown nimmt einen Schluck und entschuldigt sich für ihre Klagen. "Eins will ich klarstellen", sagt sie. "Ich lasse nicht zu, dass mir das den Optimismus verdirbt."

...

Quote

Quoteottokaristda

So ist es

... Viele wollen oder können sich einfach nicht vorstellen, wie schnell es gehen wird. Der Spon schreibt über die Armut in den USA und schweigt über selbige im eigenen Land. In D werden leider noch sehr viele erfahren, wie es sich anfühlt wenn man plötzlich Hartz-IV-Empfänger ist, und alles was sie vorher über diese Menschen gesagt haben, ganz schnell vergessen werden. Sie werden schlicht behaupten, nie etwas negatives über Hartz-IV-Empfänger gesagt zu haben immer schon dagegen gewesen zu sein, aber eben typisch deutsch, erst grosse Fresse, und dann as komplette Gegenteil behaupten. Ich habe Deutschland noch nie sehr gemocht, wegen der Judenverfolgung, wegen der Großmannssucht (Am deutschen Wesen, soll die Welt genesen), wegen solchen Sprüchen wie "Sozial ist was Arbeit schafft" klingt irgendwie nach "Arbeit macht frei". Aber das ist typisch deutsch, immer großspurig und ein bisschen dumm. Deswegen kann die Politik und der Mainstream diese Gülle verbreiten, sie wird nur all zu gern aufgenommen, immer stramm an der Realität vorbeit, und wenn die Karre dann an der Wand ist, war es niemand gewesen, niemand hat je mitgemacht, niemand war je dafür, es ist halt einfach so passiert, und wenn überhaupt was das Ausland Schuld.


QuoteUmbanda
   
So, liebe Hartz IVler

...habt ihr jetzt endlich kapiert, wie unendlich dankbar ihr Mütterchen Merkel zu sein habt für all die Wohltaten? Und ihr, ihr Aufstocker, was geht es euch doch gut! Schämt ihr euch nicht, nach Mindestlöhnen zu verlangen? Seht wie es den Amerikanern geht! (Ironie aus)


QuoteVolker Zorn
   
USA

Und wenn der Spiegel und andere noch tausend Artikel über den Niedergang der USA schreiben - es wird in der absehbaren Zukunft dort keine sozialdemokratischen Systeme wie in Europa geben. Das liegt schlichtweg nicht in der Mentalität der meisten Amerikaner. Ob die Amerikaner damit besser oder schlechter fahren, kann man diskutieren. Die Menschen dort sind so erzogen, zunächst mal selbst ihre Probleme zu lösen und nicht von Staat Lösungen zu erwarten. Im Gespräch sehen viele Amerikaner durchaus den Vorteil von Krankenversicherung, sozialer Absicherung, guter Ausbildung für alle und der sonstigen "Errungenschaften" europäischer Staaten. Wenn es dann aber um den Preis dafür geht - hohe Steuern und die Einmischung des Staates in jeden Lebensbereich - dann wird letztendlich doch dem eigenen System der Vorzug gegeben.


QuoteHeinzel

...

""Eins kam nach dem anderen - boom, boom, boom", sagt Brown. "Jedesmal rappelte ich mich wieder auf. Trotzdem trudelte ich immer weiter in den Abgrund." Ihre Stimme bebt. "Ich habe alles getan, was mir Amerika aufgetragen hat. Ich bin zur Schule gegangen. Ich war nie im Gefängnis. Ich habe wunderbare Kinder großgezogen. Und jetzt?" Sie lacht sarkastisch."

Diese Aussage erinnert mich an Gläubige wie Christen und Muslime, die seine Gebote einzuhalten versuchen, und dafür von ihm eine Gegenleistung erwarten.
Nur wird diese nicht kommen. Und im Kapitalismus genausowenig.
Die Gesellschaft ist eine namenlose Masse, die kein Verantwortungsgefühl kennt. Das ist Fakt. Ansonsten gäbe es Klimawandel nicht, ansonsten gäbe es die Massentierhaltung mit alls ihren Konsequenzen nicht, ansonsten gäbe es solche Billigketten wie Kik nicht.


QuoteClawog
   
Armut in Amerika

Die Menschen in den USA sind und denken anders, als die "Doomsday-Elite" in Deutschland. Für viele Menschen war die "Krise" eine Gelegenheit, um aus der Armut heraus zu kommen. Die US Wirtschaft befindet sich gerade in einem Transformationsprozeß, in welcher mancher in die Armut stürzt and sehr viele auch wohlhabender werden. Es ist die Wahl eines jeden, gegebene Chancen wahrzunehmen. Den Marxisten bleibt es überlassen, das Gegenteil zu "beweisen". Wer seine Zeit damit vergeuden möchte, bitte schön. In einer freien Welt ist alles möglich und ganz besonders in den USA. Das erkennen auch viele Menschen, sonst müßte die Regierung nicht hunderte von Millionen Dollar für die Grenzsicherung ausgeben, um Illegale zu entmutigen ihr Leben auf's Spiel zu setzen.


Quotechristoph.

Blüht den Deutschen auch

Vieles wird ja aus den USA importiert, Mode, Halloween usw.. Und auch eine solche gesellschaftliche Entwicklung wie geschildert blüht den Deutschen.

Die Entsolidarisierung wird von Zeitgenosen wie Westerwelle und Sarrazin weiter befördert, und mit dem Stichwort "Globalisierung" wird jeder Abbau von Leistungen und Möglichkeiten für den Durchschnittsbürger als angeblich unvermeidlich hingestellt.

In Wahrheit wird eine Entwicklung gewollt und gefördert, bei der der Reichtum der oberen paar Millionen von der Armut der unteren zig Millionen genährt wird. Vom Gedanken der gesellschaftlichen Teilhabe für möglichst viele spricht man nur noch in Sonntagsreden.

Tatsächlich wird eine Politik gemacht, die sich aus meiner Sicht gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen richtet. Und es wird versucht, dies, z.B. über manipulative Kommunikation über die Medien, zu bemänteln. Offensichtlich erfolgreich, anders kann ich mir das Stillhalten der Menschen und die Wahlerfolge solcher Parteien nicht erklären.



QuoteAsirdahan

Warum

Ich wundere mich schon lange, weshalb man immer erst aufwacht, wenn es auch der Mittelschicht schlecht geht. Solange das die Unterschicht betrifft, scheint es niemanden zu kümmern, denen geht es eh mies, das ist quasi unabänderliches (gottgewolltes??) Schicksal.
Wenn es dieser Frau aus dem Artikel wieder gelingen sollte, Fuß zu fassen und wieder zu den Gutverdienenden zu gehören, wird dann ihr Mitgefühl anhalten, oder wird sie dann zu den Selbstgerechten gehören, die schwadronieren, ich war ganz unten, habe es aber dennoch geschafft. Man bedenkt dabei nicht, dass diese Kraft nicht jedem gegeben ist. Doch auch der Schwache muss essen, muss leben, und auch ihm ist ein Stück Sonnenschein zu gönnen.
Wer stark ist, schaut auf die Zurückgebliebenen hinab, statt sie zu sich heraufzuziehen. Egoismus, gepaart mit Selbstüberschätzung (ich bin so toll, mich erwischt es nicht), erstickt dann jedes Miteinander. Auch Amerika muss einen anderen Weg gehen. Die Zeiten, wo tapfere Pioniere neues Land urbar machten, sind vorbei. Freiheit, die nur die Starken genießen können, ist Knechtschaft für die Armen!


Quotekontinuität

Freiheit und Deregulierung

Solche Erscheinungen müßten bei der hiesigen FDP doch geradezu Wohlgefallen auslösen. Das ist halt Freiheit pur; und vor allem ist es keine römische Dekadenz, sondern vitaler und lupenreiner Kapitalismus.


Quotethomas bode

Konstruktionsfehler im System

Dass bei den Kongresswahlen diese Zustände gar kein Thema sind, ist bezeichnend. Das deutet auf das grundsätzliche Problem, dass in den derzeitigen westlichen Gesellschaften die Armen eine Minderheit sind. In einer Demokratie mögen rassische und religiöse Minderheiten geschützt werden, aber die diffuse Minderheit von 20- 30%, denen es richtig mies, oder nicht wirklich gut geht, die nur Verfügungsmasse von Unternehmen, oder Bittsteller von Behörden sind, die kommt nie auf einen grünen Zweig.
Die politische Kaste hat sich verbandelt mit dem Geld, und die Medien werden gelenkt von Eigentümern die natürlich selbst nicht zum, sagen wir mal Prekariat, gehören.
Unter diesen Umständen ist es ohne grundsätzliche Systemreformen unmöglich diesen widerlichen Zustand zu ändern. Die Lösung wird seitens der Machtzirkel immer auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben, an dem "Vollbeschäftigung" herrscht und "Bildungsgerechtigkeit" hergestellt ist. Was not täte wäre es als gesellschaftliches Ziel anzustreben, dass niemand unverschuldet in solch deprimierender Biografie enden muss. Zb. durch Bürgergeld. Aber dazu fehlt natürlich der politische Wille. Dieser richtet sich lediglich auf Machterhalt (gegenwärtig: der FDP willfährig sein), Geschenke für die die schon besitzen (könnte sich später bezahlt machen..) und die Produktion schöner Powerpoint-Folien zum BIP. Wie es aber Menschen geht, denen die leiden, die in unserer wieder vielbeschworenen christlichen Tradition "Brüder und Schwestern" genannt werden, interessiert herzlich wenig.


Quotekb26919
   
Was in USA passiert ist auch in Europa an der Tagesordnung. Europaer muessen nicht schadenfroh ueber den Atlantik schauen. Sie sollen sich lieber in der eignen Nachbarschaft umsehen, dann werden sie die Anzeichen schnell erkennen.


Quoteheinrichp

... was in den Armutsregionen der Welt passiert ist unfassbar. Ich komme gerade aus Darfur zurück. Dort leben 2,2 Millionen Menschen in Lagern. Die werden von den UN geschützt. Wenn dort nicht die weißen Lastwagen mit Mehl und Reis, Trockenmilchsäcken und Wasser kommen, dann sterben die Menschen. Das Welternährungsprogramm verteilt nur 1500 Kalorien pro Erwachsenen pro Tag, obwohl das Existenzminimum laut Weltgesundheitsorganisation bei 2200 Kalorien liegt. Obwohl dort die UN-Fahne weht, werden die Menschen in der Unterernährung gehalten. Und warum? Weil die freiwilligen Beiträge der Staaten gestrichen worden sind.




QuoteELOquenz

Einzelfälle?

Amerikas unsichtbare Obdachlosigkeit
Immer mehr Familien mit Kindern haben kein Zuhause

Elend mit verschiedenen Gesichtern

Begüterte Amerikaner sind sich zwar der enormen Kluft bewusst, die in ihrem Land zwischen Arm und Reich herrscht, haben aber die Tendenz, Bedürftigkeit als eine Art selbstverschuldetes Ungemach zu sehen. Doch als im Frühjahr die neusten Zahlen zur Familienobdachlosigkeit in den USA publiziert wurden, reagierte die Öffentlichkeit mit Entrüstung.

http://www.nzz.ch/nachrichten/international/amerikas_unsichtbare_obdachlosigkeit_1.3529465.html (http://www.nzz.ch/nachrichten/international/amerikas_unsichtbare_obdachlosigkeit_1.3529465.html)

Leider setzt sich diese "Selbstschuld-Mentalität" in den Köpfen hier zu Lande auch schon fest. Dank der Unternehmensberater Sekte und ihrer höhrigen Politikerschar, die schon fast in esoterischer Manier, die "Eigenverantwortung" und "Selbstaktivierung" als die Erlösung allen Übels lobpreisen und die Bevökerung damit immer und überall einlullen...

...und immer dabei auch noch schön freundlich sein und allseits lächeln, wie die Mutter die nach ihrer Putzstelle gerade ihre Stelle im Fastfood Restaurant angetreten hat, bevor sie abends noch an der Theke arbeiten muss, um über die Runden zu kommen...


QuoteServo,

Warum nach Amerika schauen, wenn das Elend so nahe liegt!

Unsere kapitalistischen Regierungen werden es nie begreifen, dass sie ohne ein Volk nichts sind. Wir sind auf dem besten Wege zurück in's tiefste Mittelalter, das unaufgeklärt ein paar wenige Reiche hatte, die sich die große Masse der Armen zu rechtlosen Untertanen gemacht haben.

Verweigert weiter einen Mindestlohn und macht weiter ohne Maximallöhne. Es ist pervers, dass einige Bonzen zig Millionen im Jahr abgreifen und auf das Dekadenteste über die Schicksale der großen, unteren Gesellschaftsschicht urteilen und walten.
Herr Wiedeking soll teilweise bis zu 100.000.000 Euro pro Jahr verdient haben, wenn man den Quellen trauen darf. In was für einer Gesellschaft leben wir, dass eine einzelne Person so viel verdienen darf wie gut 740 Arbeitnehmer in einem ganzen Arbeitsleben (45 Jahre mal 3000 € brutto/Monat)?
Das ist derart abartig, dass man gar nicht daran denken darf, ohne den Glauben an unsere Gesellschaft zu verlieren.

Die großen Arbeitgeber vergessen immer wieder, wer ihnen ihren unendlichen Reichtum beschert hat (das dumme, arbeitende Volk in der Produktion bzw. im Dienstleistungssektor). Und wenn der Gewinn nach Steuern mal von 3 MRD auf 2 MRD gesunken ist, wird wieder massenhaft entlassen, anstatt sich über den fetten Gewinn zu freuen. Aber nein, es muss immer mehr sein, immer mehr, immer mehr. Schließlich hat man sich fest vorgenommen, monatlich einen Luxus-Neuwagen zu erwerben. Selbst, wenn man so viel gescheffelt hat, dass sich die folgenden 20 Generationen keine Sorgen mehr machen müssen, heißt es weiter "Mehr! Mehr! Mehr!".
Logisch, Geld gerecht zu verteilen wird ja gerne mit Sozialismus gleichgesetzt, den wollen wir aber nicht, ist ja schließlich schon mal gescheitert (obwohl mir kein Land auf dieser Erde bekannt ist, in dem Sozialismus auch nur eine Sekunde praktiziert wurde).

Unsere Gesellschaft steht ganz nah am Abgrund. Wir müssen den Bonzen ein immer fetteres Leben gewährleisten und bleiben dabei auf der Strecke als Kollateralschäden. Wir brauchen dringend einen sozialen Staat. Bevor ich missverstanden werde, es geht nicht darum, faulen, arbeitsunwilligen Menschen ein angenehmes Leben zu schaffen. Jeder soll seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Aber jeder soll sich immer darüber im Klaren sein dürfen, dass er als wichtiges Mitglied der Gesellschaft gilt und auch entsprechend behandelt wird.

Aber es wir ja lieber über die Hartz-IV-Schmarotzer abgeledert anstatt über die wahren Verbrecher in diesem Land. Das ist ja viel einfacher, auf die kann man wenigstens mit dem Finger zeigen.

Unser System widert mich an!



...



Aus dem SPON Forum: Armut in Amerika
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=23380 (http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=23380)


Aus: "Armut in Amerika: "So schlimm war es noch nie""
Von Marc Pitzke, New York (01.11.2010)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,725978,00.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,725978,00.html)

Title: [6,49 Millionen Deutsche über 18 Jahre haben... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 16, 2010, 10:17:36 AM
Quote[...] 6,49 Millionen Deutsche über 18 Jahre haben aktuell so hohe Schulden, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Die Zahl der Betroffenen ist damit innerhalb eines Jahres laut dem "Schuldenatlas 2010" (Creditreform) um mehr als 300.000 gestiegen. Über 55 Prozent (3,61 Millionen) der überschuldeten Personen hierzulande haben auch schon mit juristischen Folgen wie einer eidesstattlichen Versicherung oder einer Privatinsolvenz zu kämpfen. Trotzdem betrachten die Experten dies als gutes Ergebnis: Man habe aufgrund des Wirtschaftseinbruchs eine deutlich stärkere Verschlechterung der Überschuldungssituation in Deutschland erwartet.

Überdurchschnittlich stark fiel der Anstieg der Überschuldung der Statistik zufolge in Sachsen-Anhalt (plus 0,53 Prozentpunkte gegenüber 2009) sowie im Saarland und in Berlin (jeweils plus 0,51 Prozentpunkte) aus. Um einen vergleichsweise geringen Anteil ist die Schuldnerquote in Bremen gestiegen (plus 0,21 Prozentpunkte) – allerdings weist die Hansestadt bereits die höchste Quote aller Bundesländer auf (14,13 Prozent). Am niedrigsten ist die Schuldnerquote derzeit in Bayern (7,06 Prozent), Baden-Württemberg (7,46 Prozent) und Sachsen (8,37 Prozent).
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Wie Creditreform weiter mitteilt, nimmt vor allem die Zahl der weiblichen Schuldner zu. Zwar stellen Männer hier immer noch die Mehrheit, allerdings ist ihr Anteil seit 2004 von 68,0 auf 61,3 Prozent zurückgegangen, während der der Frauen stetig steigt. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der überschuldeten Frauen allein 2010 um 11,4 Prozent. Auch in Bezug auf das Alter gibt es klare "Trends": So liegt die Schuldnerquote bei Personen in der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre mit 13,29 Prozent zwar weiterhin am höchsten, allerdings nimmt ihre Zahl jedes Jahr weiter ab. Anders sieht es bei den jungen Verbrauchern aus: Von den 20 bis 29-jährigen Einwohnern Deutschlands gelten mittlerweile 10,75 Prozent als überschuldet – mit steigender Tendenz. Einen Anstieg der Schuldnerquote verzeichnen auch die Altersgruppen der unter 20-Jährigen sowie ältere Personen über 70 Jahre.

Als Hauptauslöser für die Überschuldung gilt vor allem der Verlust des Arbeitsplatzes. Auch lasse die gestiegene finanzielle Belastung der Verbraucher – etwa für Gesundheit und Altersvorsorge sowie für Miete und Nebenkosten – einfach weniger Spielraum, um bestehende Kreditverpflichtungen erfüllen zu können, so die Experten von Creditreform. Das Anziehen der Konjunktur seit diesem Frühjahr ist der Sache aber offensichtlich auch nicht förderlich: die positiven Signale haben zu einem wieder lockereren Ausgabeverhalten geführt, das neue Kreditverpflichtungen nach sich zieht. Eine Verbesserung der Überschuldungssituation halten die Finanzexperten daher zumindest in den nächsten zwei Jahren für ausgeschlossen.

Parallel dazu ist auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen weiter angestiegen, das teilte das Bundesamt für Statistik mit. Im August 2010 meldeten die deutschen Amtsgerichte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) 2.660 Unternehmensinsolvenzen. Das waren 1,6 Prozent mehr als im August 2009. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Zeitraum Januar bis August beläuft sich auf 21.888 und damit auf 0,4 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die voraussichtlichen offenen Forderungen der Gläubiger (B2B und B2C) bezifferten die Gerichte allein für August 2010 auf 4,1 Milliarden Euro gegenüber 4,3 Milliarden Euro im August 2009. (Marzena Sicking) / (map)

Quote15. November 2010 19:08
Wieviele davon wohl ein iPhone/iPad/MAC haben?
Hyperion123

Dürfte doch die richtige Zielgruppe sein.


Quote16. November 2010 08:34
4,1 Milliarden Euro = PEANUTS
kacki

4,1 Mrd. Euro:
Das ist nichts im Vergleich zu den 100 Mrd. die Irland vom
Rettungsschirm braucht mit seinen 4 Mio Einwohnern.

Ist ebenfalls nichts zu den Milliarden die die HypoRealEstate
verzockt hat und den ganzen Landesbanken die sich verzockt haben ....



Aus: "Schuldenatlas 2010: 6,5 Millionen können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen" (15.11.2010)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schuldenatlas-2010-6-5-Millionen-koennen-ihre-Rechnungen-nicht-mehr-bezahlen-1136547.html (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schuldenatlas-2010-6-5-Millionen-koennen-ihre-Rechnungen-nicht-mehr-bezahlen-1136547.html)

Title: [...die auf dem Müll landen]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 22, 2011, 11:17:18 AM
Quote[...] Der Anteil der Senioren hat sich von 12 Prozent im Jahr 2007 auf aktuell etwa 17 Prozent erhöht. Heranwachsende machen bei einigen Tafeln schon einen Anteil von bis zu 40 Prozent aus. Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Tafel, Gerd Häuser, warnte vor den Konsequenzen, die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln für Geringverdienern hätten, und kritisierte die aktuelle Sozialpolitik: ,,Der Wirtschaftsaufschwung geht an Millionen Menschen vorbei. Die Zahl derjenigen, die sich aus eigener Kraft kaum aus dem Hartz-IV-Bezug befreien können, liegt auch weiterhin bei mehreren Millionen. Dazu kommen rund 1,4 Mio. Aufstocker. Von ihnen ist selten die Rede, wenn das neue Jobwunder gepriesen wird, gleichzeitig aber zum Beispiel die Mittel für berufliche Eingliederungsmaßnahmen für AlgII-Bezieher stark gekürzt werden."

Er forderte erneut einen Bundesbeauftragten für die Bekämpfung der Armut und appellierte angesichts von Mio. t noch verzehrfähigen Lebensmitteln, die auf dem Müll landen, Angebot und Nachfrage in eine ökologisch und sozial vertretbare Balance zu bringen.


Aus: "Deutsche Tafeln: Zahl der Hilfesuchenden gestiegen" (Mittwoch, 22. Juni 2011 )
Quelle: http://www.lebensmittelpraxis.de/industrie/2454-zahl-der-hilfesuchenden-gestiegen.html (http://www.lebensmittelpraxis.de/industrie/2454-zahl-der-hilfesuchenden-gestiegen.html)

Title: [Wie die Huffington Post berichtet... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 22, 2011, 11:46:09 AM
Quote[...] Wie die Huffington Post berichtet, betrat der 59-Jährige am 9. Juni eine Filiale der RBC Bank in Gaston County. Er gab der Bankangestellten einen Zettel: "Dies ist ein Banküberfall. Bitte geben Sie mir nur einen Dollar." Dann sagte er: "Ich werde mich dort drüben hinsetzen und auf die Polizei warten." Verone setzte sich, die Bank alarmierte die Polizei, die Beamten kamen und nahmen den unbewaffneten Mann fest. Er hatte sein Ziel erreicht.

Einzig und allein weil er im Gefängnis seine Geschwulst auf der Brust, seine zwei kaputten Bandscheiben und seinen lahmen linken Fuß kostenlos behandeln lassen kann, ließ er sich verhaften.

...


Aus: "Banküberfall für einen Dollar und Arzttermin" (21.06.2011)
Quelle: http://www.heute.at/unterhaltung/kurioses/Bankueberfall-fuer-einen-Dollar-und-Arzttermin;art752,571971 (http://www.heute.at/unterhaltung/kurioses/Bankueberfall-fuer-einen-Dollar-und-Arzttermin;art752,571971)

Title: [Die Kaufkraft der Rentner schrumpft... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 05, 2011, 10:34:36 AM
Quote[...] Wissenschaftler warnen seit Jahren vor einer steigenden Altersarmut in Deutschland, auch wegen der starken Zunahme der Niedriglöhner und Solo-Selbständigen, die für ihre Altersvorsorge zu wenig tun können.

...


Aus: "Kaufkraft der Rentner schrumpft - Altersarmut nimmt zu" Von Thomas Öchsner, Berlin (05.07.2011)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ruhestaendler-im-abseits-kaufkraft-der-rentner-schrumpft-altersarmut-nimmt-zu-1.1116121 (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ruhestaendler-im-abseits-kaufkraft-der-rentner-schrumpft-altersarmut-nimmt-zu-1.1116121)

Title: [Armutsgefährdet bedeutet in diesem Fall... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 03, 2011, 11:31:10 AM
Quote[...] Die Wirtschaft in Deutschland mag sich erholt haben, doch am jüngsten Teil der Gesellschaft ist der Aufschwung vorbeigegangen: Jedes sechste Kind ist von Armut bedroht. Dies geht aus einem Bericht des Statistischen Bundesamt in Berlin hervor. Nach der am Mittwoch veröffentlichten Studie gelten 15 Prozent der mehr als 13 Millionen Kinder und Jugendlichen als armutsgefährdet. In absoluten Zahlen sind das fast zwei Millionen Kinder.

Armutsgefährdet bedeutet in diesem Fall, dass das Netto-Einkommen in ihrem Elternhaus unter 11.151 Euro pro Jahr liegt. Die meisten von ihnen leben in Haushalten von Alleinerziehenden. Mehr als ein Drittel aller Kinder, die nur von Mutter oder Vater betreut werden, gilt als armutsgefährdet. Über die Kinderarmut kursieren verschiedene Zahlen, die immer wieder auch kontrovers diskutiert werden.

Wie aus den Daten weiter hervorgeht, wachsen in Deutschland gemessen an der Gesamtbevölkerung so wenig Kinder und Jugendliche auf wie in keinem anderen Land Europas. Nur 16,5 Prozent der 81 Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind jünger als 18 Jahre. Im Nachbarland Frankreich liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung bei mehr als 22 Prozent.

Dort wird bereits seit den frühen achtziger Jahren versucht, mit gezielter Familienpolitik die Geburtenrate zu steigern. Aber auch Großbritannien, die Niederlande sowie die skandinavischen Länder kommen auf einen Anteil von mehr als 20 Prozent. Die meisten Kinder und Jugendlichen Europas leben in der Türkei: Fast jeder dritte der 72 Millionen Türken ist laut der Übersicht jünger als 18 Jahre.


Aus: "Bericht des Statistischen Bundesamts Zwei Millionen Kinder von Armut bedroht" (03.08.2011)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/leben/bericht-des-statistischen-bundesamts-zwei-millionen-kinder-von-armut-bedroht-1.1127568 (http://www.sueddeutsche.de/leben/bericht-des-statistischen-bundesamts-zwei-millionen-kinder-von-armut-bedroht-1.1127568)

Title: [Geschätzte 3,5 Millionen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 03, 2011, 03:20:41 AM
Quote[...] Geschätzte 3,5 Millionen Obdachlose gibt es in den USA. In Chicago sind es vielleicht 40 000, darunter etwa 10 000 Jugendliche. Sie sind nur die Spitze des Eisberges. Die Anzahl derer, die von dem, was sie haben, nicht leben können und Hilfe brauchen, geht im ganzen Land weit in die Millionen. Mitte September veröffentlichte die US-Regierung die neuesten Daten zur Armut. Demnach gelten rund 46,2 Millionen Amerikaner als arm. Das sind so viele wie noch nie. Die Quote von 15,1 Prozent ist die höchste seit 1993 in dem Land mit der größten Volkswirtschaft der Welt. Seit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Oktober 2008 ist die Anzahl der Empfänger von Essensmarken um 70 Prozent gestiegen.

...


Aus: "Verelendung: Das Armutszeugnis der USA" Von Moritz Honert (02.10.2011)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/das-armutszeugnis-der-usa/4679362.html (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/das-armutszeugnis-der-usa/4679362.html)

-.-

Quote[...] In der Käuferschlange an der Kasse eines amerikanischen Supermarkts sind sie unschwer auszumachen: Kunden mit Lebensmittelmarken. Statt in bar oder mit einer Kreditkarte bezahlen sie mit einer staatlichen Plastikkarte. Der Kaufpreis der Lebensmittel wird elektronisch abgebucht, bis zu 500 Dollar kann eine arme Familie pro Monat erhalten. Für rund 46 Millionen Empfänger sind die Lebensmittelmarken ein Rettungsring, der sie vor Hunger bewahrt.

Ein halbes Jahrhundert nach Michael Harringtons bahnbrechendem Buch über das «andere Amerika» ist Armut in den USA wieder zu einem Thema geworden. Gestern legte das US-Zensusbüro neue Zahlen zur Verarmung vor; erstmals wurden dabei die Hilfsmassnahmen des Staats zur Linderung der Armut in Betracht gezogen: Lebensmittelmarken und Cash-Zahlungen, Miet- wie Heizbeihilfen.

Trotzdem rutschten laut den neuesten Berechnungen der Volkszählungsbehörde weitere drei Millionen Amerikaner in die Armut ab: 49 Millionen sind arm, mehr als 20 Millionen leben in extremer Armut mit einem Jahreseinkommen von 5500 Dollar oder weniger. Besonders unter Alten, aber auch Amerikanern asiatischer Herkunft sowie Latinos stieg die Zahl der Armen an.

Die Ursachen dieser Armut inmitten des Überflusses sind vielfältig; staatliche Hilfsprogramme greifen nur unzureichend, das soziale Netz ist loser geknüpft als etwa in Westeuropa. Für den Anstieg der Armut machen Experten unter anderem die Deindustrialisierung des Landes verantwortlich. Konnten Schulabgänger ohne Studium bis in die Achtzigerjahre durch industrielle Arbeit in die Mittelklasse vorstossen, so ist dieser Weg nun weitgehend versperrt: Über 50'000 US-Fabriken sind seit 1990 geschlossen worden, allein seit 2000 sind nahezu sechs Millionen Industriejobs durch Verlagerung ins Ausland, Pleiten oder Wegrationalisierung verschwunden. Auch deshalb stieg die Armutsrate gerade im Mittleren Westen, in Industriezentren wie Detroit, Youngstown und Toledo stark an.

Soziale Pathologien spielen gleichfalls eine Rolle: Die im internationalen Vergleich hohe Rate der Teenagerschwangerschaften treibt die Armutsrate ebenso nach oben wie der Zerfall afroamerikanischer Familien. Schon in den Sechzigerjahren hatte der Soziologe und spätere demokratische Senator Daniel Patrick Moynihan vor den Auswirkungen dieses Zerfalls gewarnt. Alleinerziehende weisse wie schwarze Mütter ohne Ausbildung werden oftmals ebenso marginalisiert wie vorbestrafte afroamerikanische Männer: Überwiegend wegen Drogenvergehen verurteilt, sind sie nach dem Absitzen ihrer Haftstrafen stigmatisiert und finden nur schwer den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Noch immer behindern zudem Rassenvorurteile den Aufstieg von Afroamerikanern.

Die Konzentration von Armen in städtischen Ballungszentren und die Zunahme von Armut in Suburbia verschärfen soziale Pathologien und münden nicht selten in eine regelrechte Kultur der Armut. Laut der Zensusbehörde stieg beispielsweise die Zahl der «extrem Armen» im Jahr 2010 in 300 der 360 grössten US-Ballungsräume an. Nicht weiter überraschend ist, dass die Armutsrate stärker in jenen Staaten anstieg, die wie etwa Florida und Nevada besonders vom Platzen der Immobilienblase betroffen sind.

Die hohe Armutsrate von Latinos wiederum verdankt sich einerseits illegalen Einwanderern, die von staatlichen Hilfsmassnahmen weitgehend abgeschnitten sind, sowie dem hohen Prozentsatz vorzeitiger Schulabgänger in der hispanischen Gemeinschaft. Daneben sind die Barrieren für den Universitätszugang grundsätzlich gewachsen; viele Familien sind kaum noch in der Lage, stark steigende Ausbildungskosten für Universitäten und Colleges zu bezahlen. Hohe Studiengebühren und die Notwendigkeit von Studienkrediten belasten viele US-Studenten mit hoher Verschuldung.

Trotz des traditionellen Bekenntnisses zur Chancengleichheit droht den USA damit eine soziale Verknöcherung: Laut diversen Studien, darunter auch eine der OECD, liegt die soziale Mobilität der US-Gesellschaft inzwischen hinter den skandinavischen Ländern sowie Deutschland und Frankreich. Aus Armut aufzusteigen, ist in den Vereinigten Staaten mithin schwieriger als in vielen europäischen Staaten.

Hinzu kommt trotz der staatlichen medizinischen Versorgung von Senioren eine wachsende Altersarmut aufgrund niedriger Renten und mangelhafter finanzieller Vorsorge sowie durch zusätzliche Gesundheitskosten, die vom Staat nicht abgedeckt werden. Jeder sechste ältere Amerikaner lebt in Armut, ein weiterer Anstieg der Armutsrate unter den Alten ist programmiert.

Noch schlimmer verhält es sich bei amerikanischen Kindern: Ihre Armutsrate betrug 2010 satte 22 Prozent. Auch verzeichnete der Zensus in einem Report vom September über 300 Bezirke, in denen mindestens 30 Prozent der Kinder in Haushalten mit problematischer Lebensmittelversorgung aufwachsen. Hier hilft der Staat nicht nur mit Lebensmittelmarken, sondern auch mit Schulmahlzeiten, die an Schultagen mehr als 20 Millionen Kinder sättigen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Erstellt: 08.11.2011, 15:51 Uhr



Aus: "Das andere Amerika" Von Martin Kilian (08.11.2011)
Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Das-andere-Amerika/story/22277508 (http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Das-andere-Amerika/story/22277508)


Title: [Die Familie rutscht ins Nichts... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 19, 2012, 02:37:42 PM
Quote[...] Die Familie rutscht ins Nichts.

... Was früher die Armen betraf, erreicht längst den Mittelstand. Ende 2011 war die spanische Arbeitslosenquote von 23 Prozent die höchste in der Europäischen Union. Sechs Jahre zuvor lag Spanien beim europäischen Durchschnitt von neun Prozent. Was seitdem geschehen ist, gleicht der Chronik eines angekündigten Todes. Die hausgemachte Überhitzung des Immobilienmarkts verband sich mit einer importierten Finanzkrise und nationaler Schlamperei. Fast alle leben auf Pump - die Haushalte, die Kommunen, die Regionen, der Staat. Jetzt wird das Minus fieberhaft hin und her geschoben und landet bei den Schwächsten. Seit 2007 verlieren die Menschen ihre Jobs, ihre Wohnungen, ihren Status. Den Nachkommen bleibt kaum etwas außer miserablen Aussichten. Und die Finanzmärkte bezweifeln weiter, dass die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Europäischen Union auf den Füßen bleibt.

Kürzlich veröffentlichte die Zeitung ,,El País" eine Serie über die Veränderungen im Land. Dreißigjährige mit Universitätsabschluss begnügen sich mit Stellen, für die sie siebenhundert Euro monatlich bekommen. Sechzig Prozent der jungen Leute wollen Beamte werden, weil sie sich nach Sicherheit sehnen. Die Stadtzeitungen annoncieren kostenlose Konzerte und Ausstellungen, verraten, wo man billig Urlaub machen und für ein paar Euro essen kann. ,,Die neuen Armen", so nennt man eine spanische Mittelklasse, die es nicht nur schlechter haben wird als ihre Eltern, sondern von Fall zu Fall zur Emigration gezwungen ist wie ihre Großeltern gegen Ende der Franco-Diktatur. Eine Erholung der spanischen Wirtschaft ist auf Jahre hinaus nicht in Sicht, und was zurzeit an Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich über Spanien hereinbricht, wird den Schaden zementieren.

...


Aus: "Suppenküchen für den Mittelstand" Von Paul Ingendaay, Madrid (18.04.2012)
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/neue-armut-in-spanien-suppenkuechen-fuer-den-mittelstand-11722330.html (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/neue-armut-in-spanien-suppenkuechen-fuer-den-mittelstand-11722330.html)
Title: [Das ist wie im 19. Jahrhundert... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 03, 2012, 11:51:15 AM
Quote[...] Sie üben in Ihrem Buch scharfe Kritik an den Tafeln. Warum?

Kathrin Hartmann: Weil sie das System stabilisieren. Die Tafeln sammeln übriggebliebenes Essen von Supermärkten, das sonst weggeschmissen werden würde und verteilen es an die Bedürftigen. Das klingt zwar super, weil es so pragmatisch daherkommt: Man nimmt Nahrungsmittel, die ansonsten entsorgt würden und gibt es an Leute, die nichts haben.

Tatsächlich zeigt es aber sehr deutlich den Ausschluss der Armen aus unserer Konsumgesellschaft, denn für die Armen bleiben nur noch die sprichwörtlichen Brosamen übrig. Und es suggeriert, dass man gegen Armut in diesem Land nichts mehr zu machen braucht, weil die Armen über die Tafeln aufgefangen würden.

Zwar sind die Tafeln für die Leute hilfreich, der Skandal aber liegt darin, dass es überhaupt solche Tafeln in einem reichen Land wie Deutschland geben muss. Sollen Arme im Ernst dankbar dafür sein, dass sie mit Müll abgefüttert werden?

Ich habe auch gehört, dass sich bei den ehrenamtlichen Tafelmitarbeitern so etwas wie ein Uschi-Glas-Effekt einstellen würde...

Kathrin Hartmann: Ich habe bei den Tafeln zum ersten Mal die tiefe Kluft zwischen Reich und Arm an einem Ort gesehen. Einmal habe ich beobachtet, wie eine der Tafelvorderern ganz selbstverständlich mit einem schwarz glänzenden Oberklassewagen an der Schlange Bedürftiger vorbei auf den Parkplatz gefahren ist, um dann Lebensmittel zu verteilen. Dieses Bild hat mich wirklich schockiert. Die gesellschaftlichen Verhältnisse wiederholen sich an der Tafel: Es gibt die Reichen, die geben und es gibt die Armen, die nehmen. Das ist wie im 19. Jahrhundert.

... Für die Tafeln braucht man einen Berechtigungsausweis, den muss man sich dann um den Hals hängen. Man muss zuerst seine Bedürftigkeit nachweisen, dann entscheiden die Tafeln, wen sie aufnehmen wollen. Außerdem muss man sich abmelden, wenn man einmal nicht kommen kann. Sonst kann man seine Zugangsberechtigung verlieren. Das Ganze ist von vorn bis hinten demütigend.

Einer meiner Protagonisten hat mir von einem besonders hässlichen Fall an einer Tafel in einer mittelgroßen Stadt in Bayern erzählt: Dort hat sein Bekannter einmal seine Lebensmittel von der Tafel an Tafel-Nutzer verteilt, die nicht so viel abbekommen haben wie er. Daraufhin hat er seine Zugangsberechtigung verloren, er ist rausgeworfen worden. Bei den Tafeln ist schließlich klar aufgeteilt, wer gibt und wer nimmt.

...

Quote2. Mai 2012 18:52
Twister2009, Bettina Hammer

Stephan Schleim schrieb am 2. Mai 2012 18:39
> Gut, dass das hier einen Platz gefunden hat.

Hm, ich bin da eher skeptisch eingestellt. Manche Aussagen, gerade
auch, was die Tafeln angeht und die ALG II-Agenda, befürworte ich.
Aber manches erscheint mir eher unausgegoren bis wenig überzeugend.

Da geht es mir nicht einmal um die Zahl - 7 Millionen, weniger als 10
Prozent = 1 Million?
Es geht mir um mehrere Aspekte:
1. dreht es sich letzten Endes hier zwar auch um die Frage, wie man
mit Armut umgeht (Vergleich Bangladesh/Deutschland), aber die Frage,
ob nicht auch die Erwartungen in den westlichen Ländern extrem
geworden sind, wird auch nicht aufgeworfen

2. der Begriff "die Reichen" ist mir zu vage - wer genau sind sie, ab
wann, was macht sie "Böse", gibt es da nicht auch solche und solche

3. die Analyse, was ALg II-Empfänger angeht, erscheint mir nicht nur
in diesem Interview glorifizierend. Ich bin selbst für ein BGE und
gegen ALG II, aber letztendlich muss ich immer wiede sagen, dass ALG
II-Empfänger keine homogene Masse sind. So wenig wie "die Reichen",
die "Journalisten", "die Polizisten" usw. Wer also letztendlich
keinerlei versoffenen und faulen ALG II-Empfänger getroffen hat und
meint, diese wären halt nur in sozialen Brennpunkten zu finden, der
ist im Endeffekt genauso einseitig wie derjenige, der meint, es gäbe
keine gesunde, arbeitsbeflissene und nichtrrinkende ALG II-Empfänger.
Es gibt eben alles - den faulen Sack, der zehntausend
Entschuldigungen für sein Nichterscheinen beim TErmin findet; die
schuftende Verkäuferin, die trotzdem ALG II ergänzend benötigt; den
versoffenen Proleten, der sowieso auf alles scheißt; die depressive
Kranke, die sicha ufrappelt aber keine Chance mehr hat; der 50jährige
genauso wie die 23jährige alleinerziehende Mutter, die Familie ohne
Erwerbseinkommen genauso wie der alkoholkranke Zyniker usw. usf.
Diese Verschiedenheit zu negieren und die Masse der ALG II-Empfänger
auf die lieben, arbeitsbeflissenen und arbeitssuchenden unschuldigen
und fleißigen Leute zu reduzieren hilft imho niemandem, denn dadurch
wird das Problem nicht anders, sondern die Leute reagieren mit
Ablehnung nach dem Motto "hä? Also, ich kenne x".

Es gilt insofern nicht mehr zu sagen "ALG II finde ich fair, wenn xyz
passiert", sondern zu sagen "jeder, egal ob arbeitsscheuer Typ, ob
alleinerziehende Mutti, ob Nazi, Linker, FDP-Anhänger, CDU-Freund
oder Pirat, ob Katholik, Ex-Polizist, Vorbestrafter, Kinderschänder
oder wer auch immer hat ein Anrecht auf ein BGE. Genauso gilt das für
Ex-Manager, die nun pleite sind.


Quote
2. Mai 2012 16:54
Im Prinzip richtig
Captain Data

... Lustigerweise werden, wenn es um's "Sozialschmarotzertum" geht, nur
die üblichen Verdächtigen vorgeführt: alkoholisierte, kettenrauchende
"Abhartzer", deren einzige Agenda darin zu bestehen scheint, beim
Aldi nebenan Bier und Kippen zu beschaffen und um 12 beim
Frühschoppen vom Bild- oder RTL-Reporter erwischt zu werden.

Den Geschäftsmann, der hingegen ein Zeitarbeitsunternehmen führt und
sich vom Staat jede Stelle fördern lässt und kräftig an den
vermittelten prekär beschäftigten Arbeitnehmern verdient, der wird
als "erfolgreich" und "Vorbild" geführt. Nicht aber eben als
"Schmarotzer". Denn: gäbe es ihn nicht, würden seine Arbeitnehmer
womöglich in besseren Arbeitsverhältnissen stehen und nicht staatlich
gefördert werden ...



Aus: ""Ein perfides Menschenbild bestimmt Hartz IV"" Reinhard Jellen (02.05.2012)
Gespräch mit Kathrin Hartmann über Hartz IV, Super-Gentrifizierung und die Politik der Tafeln
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36823/2.html (http://www.heise.de/tp/artikel/36/36823/2.html)

Title: [Es sind archaische Formen der Kriminalität... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 28, 2012, 12:36:37 PM
Quote[...] Masedo lehnt am lädierten Eingangstor seines Bauernhofs. Vor kurzem haben Diebe ein Seil an die Eisenstäbe gebunden, sie haben das andere Ende an einem Auto befestigt, Gas gegeben und das Tor mit Gewalt aufgerissen. Dann haben sie Masedos Hof geplündert. Schon das zweite Mal in einem Monat.

Beim ersten Mal rief Masedo noch die Polizei. Beim zweiten Mal kaufte er kein neues Torschloss mehr. "Das bringt ja nichts", sagt er. "Wer weiß schon, wann die nächsten Diebe kommen. Viel zu holen ist sowieso nicht mehr."

Pablo Masedo hat immer seine Hypothekenraten bezahlt. Er hat sich nie windige Wertpapiere andrehen lassen. Dennoch gehört nun auch er zu den großen Verlierern der spanischen Finanzkrise. Durch die hohe Arbeitslosigkeit und die sinkenden Löhne hat die Kriminalität auf dem Land enorm zugenommen. Allein im vergangenen Jahr wurden 20.000 Diebstähle auf Höfen und Feldern verzeichnet.

Die Zahl der Diebesbanden sei gewachsen, berichten der Landwirtschaftsverband Asaja und die Polizei. Auch Rentner und Arbeitslose würden nun klauen. So erreicht die spanische Wirtschaftskrise auch Maredos Bauernhof am Fuße der Sierra de Guadarrama.

Die Versicherung zahlt fast nichts

Masedo hat sein Hemd bis tief über die Brust aufgeknöpft, es spannt über seinem runden Bauch. Er blickt hinüber zu den grünen Weiden. Amseln und Sperlinge zwitschern in den Wipfeln der Steineichen, die Luft ist warm und duftet nach Heu. Seit seiner Geburt lebt er im Valle del Lozoya, nur wenige Kilometer von seinem Hof entfernt. "50 Jahre bin ich nun Bauer", sagt Massedo. "Ich habe Stürme und Dürren überstanden. Doch diese Einbrüche bringen mich an den Rand des Ruins."

Als Masedo nach dem ersten Überfall den Stall betrat, war der Boden mit Blut bespritzt. Die Diebe hatten seinen Lämmern vor Ort die Kehle durchgeschnitten, um sie besser wegtragen zu können. In den Tank seines Traktors hatten sie ein Loch gebohrt, um das Benzin abzusaugen. Auch die Batterie seiner Solaranlage hatten sie mitgehen lassen, dazu einen Stromgenerator, einen Wagenheber, diverse Zangen, Spitzhacken, Schraubenzieher und alles sonst, was aus Metall ist und sich beim Schrotthändler verkaufen lässt. Schrotthändler müssen über die Ware, die sie kaufen, nicht Buch führen und sind in Spanien bekannt dafür, nicht allzu genau nachzufragen.

Masedo ließ einen neuen Tank in den Traktor einbauen, er kaufte die nötigsten Werkzeuge und einen neuen Generator. Dazu eine Batterie für die Solaranlage, die er in einem Heuballen versteckte. Die Versicherung übernahm fast nichts davon, denn Masedo fehlten die Belege für die gestohlenen Dinge. Er musste sich 50 Jahre nicht um Diebe scheren. Warum hätte er Quittungen aufheben sollen?

In ganz Spanien wächst die Wut auf die Diebe. In Murcia im Osten Spaniens plünderten sie gerade die Felder. "Einmal haben sie auf einen Schlag fünf Tonnen Orangen geklaut", sagt Vincente Carrion, ein Bauer aus der Region. "Sie pflücken sie unter dem dichten Laub der Plantage weg, packen sie in Kisten, und wenn die Luft rein ist, rufen sie ihren Komplizen im Lkw per Handy, laden ein und sind auf und davon." Auf einem anderen Hof töteten sie die Kälber und zerlegten sie noch vor Ort, berichtet Carrion. "Sie ließen nur die Gerippe zurück."

Es sind archaische Formen der Kriminalität, die da zurückkehren. Denn natürlich wird keiner wirklich reich mit dem Klau von Lebensmitteln. Und so zeugt die neue Welle von Diebstählen und Einbrüchen auf dem Land vor allem davon, welches Ausmaß die Not vieler Spanier erreicht hat.

...


Aus: "Spaniens Krisenopfer "Sie ließen nur die Gerippe zurück"" Aus Madrid berichtet Stefan Schultz (28.06.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spaniens-wirtschaftskrise-treibt-diebe-auf-bauernhoefe-und-felder-a-841183.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/spaniens-wirtschaftskrise-treibt-diebe-auf-bauernhoefe-und-felder-a-841183.html)

Title: [Kleine Packungsgrößen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 27, 2012, 11:32:53 AM
Quote[...] Hamburg - Der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern Unilever setzt in den von der europäischen Schuldenkrise gebeutelten Ländern vermehrt auf günstige Produkte und kleine Packungsgrößen. "Die Armut kehrt nach Europa zurück", sagte der Unilever-Europa-Chef Jan Zijderveld der "Financial Times Deutschland".

...


Aus: "Unilever setzt auf Dritte-Welt-Strategie in Südeuropa" (27.08.2012)
Quelle: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,852232,00.html (http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,852232,00.html)

Title: [In Deutschland wollen oder müssen viele Rentner... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 28, 2012, 09:45:41 AM
Quote[...] In Deutschland wollen oder müssen viele Rentner arbeiten – auch noch im hohen Alter. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Ruheständler mit einem Minijob um knapp 60 Prozent also gut um 280.000 auf etwa 761.000 gestiegen. Das geht aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linken-Bundestagsfraktion hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. 120.000 der Minijobber waren im Jahr 2011 demnach 75 Jahre und älter.

Wer einen Minijob hat, also einer geringfügigen Beschäftigung bis zu 400 Euro monatlich nachgeht, muss dafür keine Steuern oder Sozialabgaben zahlen. Inzwischen gibt es aber zunehmend Rentner, die mehr als 400 Euro dazuverdienen.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hatten Ende vergangenen Jahres gut 154.000 Menschen im Rentenalter eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Damit hat sich ihre Zahl seit Ende 1999 knapp verdoppelt.

...

Quote
    rugero
    28.08.2012 um 7:58 Uhr

Das ist erst der Anfang Seit 1993 stagniert der Reallohn für einen großen Teil der Arbeitnehmer, Dumpinglöhne und Minijobs nehmen unter jüngeren Menschen zu. Die Altersarmut für viele Deutsche ist vorprogrammiert und wird in 10 bis 20 Jahren ein großes Problemdarstellen.

Die Politiker, die das angerichtet haben sind dann wohlversorgt im Ruhestand müssen das Desaster nicht selber ausbaden.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/rentner-minijob-verdienst?commentstart=1#cid-2277568


Quote
    Berghuhn
    28.08.2012 um 8:00 Uhr

Ehre und Armut

Eine der Putzfrauen die an meinem Arbeitsplatz putzt geht demnächst mit 65 Jahren in den Ruhestand... über 45 Jahre eingezahlt... immer geputzt... zu offiziellen Hungerlöhnen...
Und obwohl sie körperlich ausgelaugt ist, wird sie auf Minijobbasis weiterarbeiten (müssen). Sie will keine zusätzliche Grundsicherung... sie fühlt sich in ihrer Ehre und ihrem Stolz verletzt, dass ein Leben lang harte Arbeit (und Schikanen von Vorgesetzten) nicht für einen (einfachen) Lebensabend reichen und der Staat eingreifen würde... - so wird sie weitermachen... solange es irgendwie geht...

Wieviele solcher Biografien mag es geben...

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/rentner-minijob-verdienst?commentstart=1#cid-2277572


Quote
    vvmetro
    28.08.2012 um 8:02 Uhr

Wen wunderts

Der Idealbürger arbeitet, setzt Kinder in die Welt, ermöglicht ihnen eine gute Schul- und Berufsausbildung, erarbeitet sich eine Altersvorsorge und pflegt im selbstfinanzierten Haus die eigenen gebrechlichen Eltern. Ist das nicht schön?

Die Realität sieht anders aus. Immer mehr Bürger arbeiten als H4 Aufstocker, in Teilzeit, Nebenverdiener zu H4 oder überhaupt in prekären Jobs. Nicht einmal der eigene Lebensunterhalt ist gesichert. Von Altersvorsorge und ohne staatliche Hilfe die Kinder ernähren und die eigenen Eltern pflegen ist schon gar nicht mehr die Rede. Die einzigen die von diesem System profitieren, sind Unternehmer, die Arbeitnehmer zu Hungerlöhnen beschäftigen können, weil Vater Staat das Verhungern über H4 verhindert. Nicht umsonst ist der Haushaltstitel Arbeit und Soziales der größte im Bundeshaushalt. Und machen wir uns doch nichts vor:

Dies alles wird über Verschuldung des Bundes finanziert. Dieser Unsinn muss endlich aufhören. Es müssen Mindestlöhne her, die den Menschen ernähren und ihnen außerdem das Bewusstsein geben, dass sie zum Gemeinwohl beitragen und nicht vom Staat getragen werden, damit andere sie ausbeuten können.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/rentner-minijob-verdienst?commentstart=1#cid-2277574





Aus: "Zahl der Rentner in Minijobs drastisch gestiegen" (28.08.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/rentner-minijob-verdienst (http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-08/rentner-minijob-verdienst)

Title: [Ablaufdatum... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 28, 2012, 09:58:22 AM
Quote[...] Ablaufdatum - Zerbröselter Zwieback. Er begutachtete den Inhalt der durchsichtigen Tüte von allen Seiten...


Aus: "Ablaufdatum" (2012?)
Quelle: http://meykosoft.jimdo.com/unterwegs/abgelaufen/ (http://meykosoft.jimdo.com/unterwegs/abgelaufen/)

Title: [Sie weigern sich partout arm zu sagen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 10, 2012, 12:01:14 PM
Quote[...] Nur ein Drittel aller Kinder aus bildungsfernem Elternhaus macht überhaupt Abi oder Fachabi. Wenn ihre Eltern selbst die Hochschulreife haben, schaffen das gut zwei Drittel der Schüler.

... Nach dem Schulabschluss verschärft sich die soziale Selektivität noch einmal, so das Ergebnis der Studie: 80 Prozent aller Akademikerkinder mit Abitur studieren – vor vierzig Jahren war der Anteil fast genauso hoch. Bei den Abiturienten aus bildungsfernem Milieu dagegen entscheidet sich nur jeder Zweite für ein Studium. Mitte der Siebziger waren es noch 30 Prozent mehr.

...

Quotevon svenskan
    12.09.2012 12:03 Uhr

Ist ja interessant!
In dem Artikel wird immer nur von Akademikern und Bildungsfernen gesprochen. Wenn man also kein Akademiker ist, dann ist man Bildungsfern? Wenn also Kinder von Krankenschwestern, Handwerkern, Busfahrern usw. studieren, haben sie das trotz ihrer bildungsfernen (weil nur Hauptschulabschluss) Eltern geschafft? Welche Arroganz in dieser Aussage steckt ...


Quotevon Sperber59
    11.09.2012 07:59 Uhr
Falsche Bezeichnung
Ich halte den Begriff "bildungsferne Eltern" für die falsche Klassifizierung. Normale Einkommen von Mittelständlern reichen nicht mehr aus um Studenten zu unterstützen. ...


...


Aus: "Abiturienten mit bildungsfernen Eltern studieren seltener als früher" Ann-Kathrin Nezik (11.09.2012)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wissen/bildungsstudie-abiturienten-mit-bildungsfernen-eltern-studieren-seltener-als-frueher/7116320.html (http://www.tagesspiegel.de/wissen/bildungsstudie-abiturienten-mit-bildungsfernen-eltern-studieren-seltener-als-frueher/7116320.html)

-.-

Quote[...] Sie weigern sich partout arm zu sagen. Das sind die Schliche, wie man systematisch, das meint: innerhalb des Systems, vor der Realität flüchtet. Wie die letzthin in den Medien durchgenommene Schulstudie ebendort sprachlich abgehandelt wurde, verrät genug über den Charakter eines Systems, das sich weigert die Armut als gegeben und als abwürgende Kraft für eine gesamte Gesellschaftsschicht anzuerkennen.

Man konnte letzte Woche verfolgen, wie in Radio-Nachrichten und Teletexten, wie im Fernsehen und auf Webportalen, die genannte Schulstudie zu einer der Hauptgegenstände der Berichterstattung inszeniert wurde. Der Tenor und die verwendeten Phrasen waren überall beinahe identisch. Zentrale Erkenntnis der Studie war demnach, dass wohlhabende Grundschüler besser abschnitten als bildungsferne - das ist tatsächlich Orginalton gewesen. Es gab zwar auch andere Einsichten, aber schieben wir die jetzt mal beiseite, denn letztlich laufen sie auf dasselbe hinaus. Dass man nämlich wohlhabend und bildungsfern sozusagen als Antonyme konfrontierte, das erlaubte doch schon tiefe Einblicke. Das Gegenteil von wohlhabend ist nicht bildungsfern - besitzlos oder finanzschwach wären treffliche Worte gewesen; Synonyme für arm. Keines davon fiel jedoch.

Das darf als die sture Haltung der Studien- und Wahrheitsmacher und ihrer Berichterstatter angesehen werden, die tunlichst darauf achten, die Armut nicht zu sehr zu strapazieren. Sie soll nicht genannt werden, damit sie nicht zu sehr ins Blickfeld rutscht, damit sie inexistent bleibt. Arme Kinder sind daher als bildungsfern zu kennzeichnen, das vernebelt die Realität und tut so, als habe diese Gesellschaft keine massiven Probleme mit verstärkter Herausbildung von Schichten, die verarmen.

Natürlich stimmt auch, dass man die Armut hin und wieder kolportiert. Immer dann, wenn Studien zu Reichtum und Armut bemüht werden, nennt man die Armut auch. Aber dort bleibt sie abstrakt, als Zahlenspiel bestehen, als Durchschnittseinkommen und als durchschnittlich nicht erzieltes Einkommen. Dort sind Leute auch nicht arm, sie leben in Armut - das klingt wiederum ein Stückchen abstrakter und auch so, als hätte man die Wahl gehabt. Sprachlich kann man so gesehen nämlich in Armut oder in Miami leben - in etwas zu leben riecht nach Alternative, die derjenige, der in Armut lebt, ganz sicher nicht hat.

Dort aber, wo das Armsein als Auslöser diverser Benachteiligungen figurativ wird, vermeidet man die Nennung der Armut, weicht man ihr begrifflich aus. Als abstrakte Messgröße bei Armutsberichten bekommt sie zwar einen Namen, jedoch erhält sie kein Gesicht. Entwerfen aber konkrete Studien zu konkreten Themengebieten ein Bild davon, wie Armut anschaulich und greifbar wirkt, wie sie hineinstrahlt in den Alltag, wie sie benachteiligt, diskriminiert und schädigt, wie sie frustriert und Resignation begünstigt, wie sie Wege abschneidet und theoretischen Gleichheiten Hohn spottet - wenn also die Konkretion dinglich darlegt, dass Armut in allen Lebenslagen ein Begleiter ist, der die Gleichheitsansprüche unterwandert und Partizipation einschränkt, dann tauft man sie um, macht sie unverdächtig. Dann ist Armut nicht mehr das Gegenteil von Wohlhabenheit, dann wird Bildungsferne gesagt, wenngleich letztere eher ein Symptom der Armut ist als der Gegenspieler.

Denn Schulstudien, so viel man sie auch wegen ihrer Erhebungskriterien tadeln kann, konkretisieren jene Armut, die in Armutsberichten relativ vage bleiben. Sie zeigen die Auswirkungen von Armut, die fehlenden Mittel für Nachhilfe, die fehlende Zeit von working poor-Eltern, die nicht selten an zwei Arbeitsplätzen arbeiten, die mangelnde Kraft von Alleinerziehenden, das Gefühl von Alleingelassenheit arbeitsloser Familien. All das hat die Studie nachgezeichnet, man nannte es nur Bildungsferne, damit die Armut nicht zu sehr ins Blickfeld rutscht.

Man kann auch im Mainstream von Armut sprechen - das ist schon wahr. Nur da darf sie als Begriff, nicht aber als Auswirkung dienen. Das würde brüskieren, beunruhigen, müsste ja geradezu zum Umdenken anstimmen. Oder anders gesagt: Es würde die zum Denken anregen, die sich sonst darüber wenig Gedanken machen.

Daher beschreibt man die Schulstudie wie dargelegt, daher sind neben Bildungsferne auch Migrationshintergründe wesentlich zu machen. Aber in letzter Instanz, wenn man all diese Begrifflichkeiten auf ihren letzten Nenner herunterbricht, dann bleibt da die Armut als Faktor ungleicher Schülerleistungen. Denn ein Zufall, dass wohlhabende Eltern bessere Schüler hervorbringen, ist es nicht - und eine Auslegung nach Prädestinationsart, wonach Geld und Klugheit übereinstimmen, mag etwas für calvinistische Sektierer sein, kein Erklärungsansatz aber, der sich soziologischer Ansprüche verpflichtet. Nein, das ist kein Zufall, dass Geld besser abschneidet - und es ist noch weniger Zufall, dass man die Armut hier nicht beim Namen nennen will.


Aus: "Nur abstrakte Armut zugelassen" Mittwoch, 10. Oktober 2012
Quelle: http://ad-sinistram.blogspot.de/2012/10/nur-abstrakte-armut-zugelassen.html (http://ad-sinistram.blogspot.de/2012/10/nur-abstrakte-armut-zugelassen.html)
Title: [Insgesamt rund 12,8 Millionen Menschen...]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2012, 04:08:50 PM
QuoteDie Zahl der Deutschen, die als armutsgefährdet gelten, ist leicht gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, waren es im Jahr 2010 rund 12,8 Millionen Menschen. Das ist eine Quote von 15,8 Prozent. In den Jahren zuvor lag die Zahl leicht darunter. Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn sie im Monat weniger als 952 Euro zum Leben hat.


Aus: "Statistisches Bundesamt: Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Deutschland leicht gestiegen"
Mittwoch, 17. Oktober 2012
Quelle: http://www.dradio.de/nachrichten/201210170900/2 (http://www.dradio.de/nachrichten/201210170900/2)

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Quote[...] Das Armutsrisiko in Deutschland steigt, langsam aber stetig. Schon jetzt gilt jeder Sechste als armutsgefährdet, insgesamt fast 13 Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und deren Kinder. Im EU-Vergleich stehen auch deutsche Arbeitslose besonders schlecht da.

Wiesbaden - Das Armutsrisiko in Deutschland steigt seit Beginn der Statistik immer weiter. 15,8 Prozent der Einwohner, insgesamt rund 12,8 Millionen Menschen, waren im Jahr 2010 armutsgefährdet. Das sind die neuesten Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlichte. Besonders betroffen sind demnach Alleinerziehende und deren Kinder: In dieser Gruppe war mit 37,1 Prozent mehr als ein Drittel armutsgefährdet.

Als armutsgefährdet galt 2010, wer inklusive staatlicher Leistungen weniger als 60 Prozent des nationalen Durchschnitts (Median) verdient - in Deutschland sind das bei Singles 952 Euro oder weniger im Monat. Die Daten werden aufgrund eines EU-Gesetzes seit 2005 erhoben. Damals lag die Quote der Armutsgefährdeten erst bei 12,2 Prozent, 2009 erreichte sie 15,6 Prozent.

Frauen sind der Statistik zufolge mit 16,8 Prozent häufiger von Armut betroffen als Männer (14,9 Prozent). Die Armutsquote von Minderjährigen lag 2010 mit 15,6 Prozent leicht unter dem Bundesdurchschnitt. Niedriger lag der Wert mit 14,2 Prozent bei älteren Menschen ab 65 Jahren. Bei Alleinlebenden unter 65 Jahren waren 36,1 Prozent armutsgefährdet. In Haushalten von zwei Erwachsenen unter 65 Jahren traf dies auf 11,3 Prozent zu.

Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, kritisierte angesichts der Zahlen die Politik: "Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, wie es möglich ist, dass in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten immer mehr Bürger arm werden." Damit der Negativtrend sich nicht fortsetzt, fordert Stadler "die Abschaffung der Minijobs, Beibehaltung der Rentenquote von 51 Prozent und ausreichend gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten".

Die von den Statistikern veröffentlichten Zahlen sind ein zentrales Ergebnis der Erhebung "Leben in Europa 2011". Dazu wurden mehr als 13.500 Haushalte und 24.220 Personen befragt.

Ebenfalls am Mittwoch wurden Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat zur Armutsgefährdung von Arbeitslosen in Europa veröffentlicht. Mit einem Anteil von 67,8 Prozent, die in Armut abrutschen könnten, stehen Erwerbslose in Deutschland deutlich schlechter da als im Rest der Europäischen Union. Deutschland führt die europaweite Statistik seit Jahren an: In Frankreich waren demnach 33 Prozent der Arbeitslosen von Armut bedroht, in Großbritannien 47,4 Prozent und in Spanien 39,1 Prozent.

nck/dpa/Reuters


Aus: "Jeder sechste Deutsche ist armutsgefährdet" (17.10.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jeder-sechste-in-deutschland-ist-von-armut-bedroht-a-861803.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jeder-sechste-in-deutschland-ist-von-armut-bedroht-a-861803.html)

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Quotedeus-Lo-vult heute, 15:05 Uhr
... Dafür kommt Deutschland aber doch prima durch die Krise! Unsere Firmen schreiben noch immer Rekordgewinne. Da muss man etwas Armut schon hinnehmen.


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288-2.html#post11161943 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288-2.html#post11161943)


Quotebauklotzstauner heute, 14:15 Uhr

[Zitat von sysop:
Das Armutsrisiko in Deutschland steigt, langsam aber stetig. Schon jetzt gilt jeder Sechste als armutsgefährdet, insgesamt fast 13 Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und deren Kinder. Im EU-Vergleich stehen auch deutsche Arbeitslose besonders schlecht da. Jeder sechste in Deutschland ist von Armut bedroht - SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jeder-sechste-in-deutschland-ist-von-armut-bedroht-a-861803.html)]

Falsche Überschrift! Richtig müßte sie lauten: "Jeder sechste Deutsche IST ARM! Es sollte zum Handwerkszeug eines Journalisten gehören, manipulative Umbenennung von Begriffen a) nicht mitzumachen und b) zu thematisieren. Die Definition der im Artikel genannten "Armutsgefährdung" war nämlich vor wenigen Jahren noch ganz offiziell die der "relativen Armut". Darunter gibts dann nur noch eine Definition der "absoluten Armut", die sich wohl bei einem Dollar pro Tag weltweit bewegt. Es sollte klar sein, was eine solche Definition in einem entwickelten Land bedeutet, und daß man schon lange vor Erreichen dieser Grenze definitiv arm ist. Ist man aber im Wortgebrauch heute nicht mehr! Denn tatsächlich ist man mit nur einem Euro über den 30 Dollar/Tag nicht arm, sondern nur "armutsgefährdet". Da sollte auch dem Dümmsten ein Licht aufgehen, wie verrückt dieser Begriff ist. Wie wäre es, wenn man beim Spiegel endlich wieder elementarste REgeln der "Vierten Kraft" befolgen würde, statt Regierungspropaganda inklusive manipulativ verzerrender Begriffe nachzuplappern?


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161434 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161434)

QuoteTja...
liptovskykarl heute, 14:32 Uhr

Das sind eben die Auswirkungen von Harz4, Minijobs, Niedriglohnsektor, 1-Euro Sklavenjobs und aehnliche Auswuechse in Deutschland! Aber dafuer ist D ja Export(vize)weltmeister! Nur dafuer kann sich niemand von den 13 Mill. betroffenen in Deutschland etwas kaufen! Aber diese Politik ist ja "Alternativlos" und wird von unserer Einheitspartei aus CDSUFDPSPDGRUENE als Allheilmittel angesehen! ... Was ist nur aus der so erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft geworden, die es bis 1989/1990 in D gab?? Aber anstatt das man das Modell der nordischen Laender zum Vorbild genommen hat, hat man in D das Neoliberale Modell der USA oder Von GB versucht zu uebernehmen! Und nun sieht man das Ergebnis. Und nicht das ich jetzt wieder als linker Spinner hingestellt werde, ich weiss wovon ich spreche. Ich bin durch einen Arbeitsunfall Voll Erwerbsunfähig geworden und bekomme nach 34 Jahren in der ich in Vollzeit und teilweise in 3-Schicht-System gearbeitet habe, im Monat gerade einmal 631,-Euro an IV-Rente ausbezahlt! Wie sagt man so, zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel!


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161599 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161599)

QuoteTrotz Vollzeitjob arm!
tomrobert heute, 14:34 Uhr
Das ist das eigentliche Problem und stellt die Frage , ob das System der sozialen Marktwirtschaft überhaupt noch funktioniert, denn immer mehr Menschen werden trotz Vollzeitarbeit arm. Eine dünne Oberschicht etabliert sich , welche die Vorteile technologischen Vortschrittes mit Hilfe der politischen Akteure abschöpft , der breiten Masse ein paar Gadgets gönnt , aber auch immer mehr Macht auf sich vereint.


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161623 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161623)

QuoteAbsurde Rechnung :-(
quark@mailinator.com heute, 14:40 Uhr
Der Skandal ist doch, daß der Begriff "Armut" absurd gerechnet wird. ... Jemand sollte mal systematisch erfassen, wie viele Menschen weniger als 20% über Hartz IV haben. DIE Zahl würde wohl für Horror sorgen.


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161690 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288.html#post11161690)

QuoteArmutsbericht
Pandora0611 heute, 14:52 Uhr

13 Millionen Deutsche drohen in Armut zu fallen. Die Renten sollen auf 43% gekürzt werden. Und was sind die Ursachen? Als da wären: ■ Agenda 2010 ■ Hartz IV ■ 1-Euro-Jobs ■ Niedriglohn ■ prekäre Beschäftigung ■ Rente mit 67 ■ Absenkung des Rentenniveaus ■ steigende Energiepreise ■ etc. pp. ...


http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288-2.html#post11161804 (http://forum.spiegel.de/f22/rekordwert-jeder-sechste-deutsche-ist-armutsgefaehrdet-73288-2.html#post11161804)

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Quote[...] Die Finanz- und Wirtschaftskrise wird nach Schätzung von Experten der Vereinten Nationen im kommenden Jahr sieben Millionen weitere Arbeitsplätze vernichten. Damit werde die Zahl der arbeitslosen Menschen auf weltweit 207 Millionen anwachsen, wenn die Staaten nicht entschlossene Gegenmaßnahmen ergreifen. Das geht aus jüngsten Erhebungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor, die Generaldirektor Guy Ryder an diesem Samstag bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Tokyo offiziell vorstellt.

Bislang war die ILO für 2013 von einem Verlust weiterer vier Millionen Jobs ausgegangen. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor vier Jahren sind nach Angaben der UN-Arbeitsorganisation weltweit rund 30 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.

Der ILO-Direktor warnt in dem vorab zur Verfügung gestellten Text, dass "anhaltend unterdurchschnittliches Wachstum und weit verbreitete Arbeitslosigkeit katastrophale Folgen für Milliarden von Menschen und ganze Nationen haben". Besorgniserregend sei, dass etwa ein Drittel aller Arbeitslosen jünger als 25 Jahre sei. Nach ILO-Zahlen trifft das nicht nur auf viele Dritte-Welt-Staaten, sondern auch auf Euro-Länder wie Spanien und Griechenland zu. Experten sprechen von einer "ganzen verlorenen Generation".

...

Quote
   Morein
   12.10.2012 um 19:49 Uhr

1. Echt Krank

"Alarmierend ist Ryder zufolge auch, dass etwa 900 Millionen Frauen und Männer trotz eines Arbeitsplatzes im Elend leben. Sie verdienten so wenig, dass sie und ihre Familien nicht über die Armutsgrenze von zwei Dollar pro Person und Tag kommen könnten."
(Meistens dann auch noch Bauern, jene, ohne deren Arbeit niemand existieren kann, welch Hohn !)
Besser kann man dieses kranke System,das wir jetzt im Endstadium zucken sehen, nicht beschreiben.

Was läuft nur falsch? An dem Arbeitseifer der Menschen kann es nicht liegen.

Lügen & Seifenblasen. Die Seifenblasen platzen grade alle nach einander und wir sehen das nur sehr sehr wenige am Ende zu den Gewinnern gehören.

... ich freue mich jeden Tag darüber das bei mir warmes Wasser aus der Wand fließt und das ich diesen Luxus eigentlich gar nicht verdient habe. Ehrlich. Was braucht der Mensch zum Leben? Derjenige, der über ein Stück Land & ein paar Kühe verfügt ist ein reicher Mensch. Das ist Reale Marktwirtschaft.
Und genau die gilt es wieder aufzubauen.

...

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-10/arbeitslosigkeit-krise-weltweit-krise?commentstart=1#cid-2368041





Aus: "Krise vernichtet deutlich mehr Jobs als befürchtet" (12.10.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-10/arbeitslosigkeit-krise-weltweit-krise (http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-10/arbeitslosigkeit-krise-weltweit-krise)

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Quote[...]  wirft man einen Blick darauf, wie arbeitslose Menschen in den verschiedenen EU-Ländern behandelt werden, ist man verwundert: Knapp 68 Prozent der Erwerbslosen in Deutschland waren nach neuen Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat im Jahr 2010 armutsgefährdet. Arbeitslosigkeit, das bedeutet für die meisten Armutsgefahr.

In Spanien, Portugal oder Italien wird mit arbeitslosen Menschen dagegen behutsamer umgegangen. In Spanien waren demnach knapp 41 Prozent armutsgefährdet und in Portugal 36 Prozent. Für Italien haben die Statistiker im Jahr 2009 eine Armutsgefährdungsquote von rund 44 Prozent erhoben. Und auch in Frankreich (33 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (48 Prozent) sieht die Lage besser aus.

Armutsgefährdung ist ein relativer Begriff. Er erfasst, inwieweit es Menschen möglich ist, mit ihren Einkünften am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, wie ihre ökonomische Situation im Vergleich zu ihrem sozialen Umfeld ist. Beträgt das verfügbare Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren nationalen Einkommens, gelten Menschen als armutsgefährdet. Zuletzt lag die Schwelle in Deutschland bei einem Single bei 848 Euro im Monat.

In Deutschland verlieren also deutlich mehr Arbeitslose den Anschluss an ihr soziales Umfeld als in anderen Ländern. Nach Angaben des Wissenschaftlers Eric Seils von der Hans-Böckler-Stiftung hat das zwei Ursachen: Die Leistungen, die Jobsuchende in Deutschland zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit erhalten, sind im Vergleich zum Ausland niedrig. Und sie haben nur kurz Anspruch auf Arbeitslosengeld I. In Frankreich und den Niederlanden erhalten Erwerbslose fast doppelt so lange Arbeitslosengeld, in Dänemark sogar fast viermal so lang.

Die Hartz-IV-Sätze liegen für die meisten Bezieher unter dem Niveau der Armutsgrenze. Wer in den vergangenen Jahren keinen Job gefunden und auch jetzt vom Aufschwung des Arbeitsmarktes nicht profitiert hat, entkommt der Armut kaum. Weil die prekäre Beschäftigung mit geringen Löhnen in Deutschland auf dem Vormarsch ist, fällt auch das Arbeitslosengeld immer geringer aus.

Nun zeichnet sich in den Krisenländern eine ähnliche Entwicklung ab: Unter dem Druck der Rezession beschneidet die Politik Arbeitnehmerrechte: In Griechenland hat die Regierung Mindestlohn und Arbeitslosenhilfe gekappt und das Rentenalter hochgesetzt. In Portugal, Italien und Spanien dürfen die Löhne gesenkt werden. Um nur einige Beispiele zu nennen. Bei den Reformen gilt dabei als Vorbild: Die Agenda 2010.

...


Aus: "Armutsrisiko in Deutschland am größten" Daniel Baumann (16. Oktober 2012)
Quelle: http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/arbeitslosen-droht-armut-armutsrisiko-in-deutschland-am-groessten,1473632,20611576 (http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/arbeitslosen-droht-armut-armutsrisiko-in-deutschland-am-groessten,1473632,20611576)

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Quote[...] Bremen. 48 Prozent der Ausländer und 40 Prozent der Menschen mit familiärem Migrationshintergrund leben in Bremen mit dem Risiko der Einkommensarmut. Überdurchschnittlich viele von ihnen sind im Niedriglohnsektor und in sogenannten Mini-Jobs beschäftigt. Das geht aus dem diesjährigen Bericht zur sozialen Lage der Arbeitnehmerkammer hervor.

Jedes Jahr setzt die Einrichtung bei ihrem Bericht einen Schwerpunkt, 2012 richtet sie ihr Augenmerk auf die Situation von Menschen mit Migrationshintergrund. Mehr als 170 Seiten stark ist der Bericht mit Statistiken, Befunden und Analysen rund um das Thema Migration.

,,Dabei sind Migranten keine Problemgruppe, sondern eine Bereicherung für unsere Gesellschaft", betonte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, bei der Vorstellung des Berichts. Auch sind es nicht grundsätzlich ein niedrigerer Bildungsabschluss oder eine fehlende Qualifikation, die Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. In anderen Ländern erworbene Bildungs- und Berufsabschlüsse müssten hierzulande leichter und schneller anerkannt werden, so Schierenbeck.

Deshalb hat die Arbeitnehmerkammer in Zusammenarbeit mit dem Senator für Arbeit und der Handelskammer Beratungsstellen für Migranten als Anlaufstellen auf den Weg gebracht. In der Kammer können Interessierte sich bereits über Anerkennungsverfahren beraten lassen. Ein Großteil der Arbeitsplätze – auch das hat die Studie der Kammer ergeben – werde zudem über Kontakte vermittelt. ,,Dazu fehlt Migranten meistens der Zugang", sagte Schierenbeck.

Insgesamt  bleibt die Armutsgefährdung in Bremen hoch. Laut Thomas Schwarzer, Referent für kommunale Sozialpolitik, ,,ist die Armutsentwicklung in Bremen negativ". So hat Bremen vor Mecklenburg-Vorpommern in der Statistik den ersten Platz inne. Die Kinderarmut, ebenfalls ein großes Thema in Bremen, stabilisiere sich ,,auf hohem Niveau".


Aus: "Hohes Armutsrisiko für Migranten" (15.10.2012)
Quelle: http://www.weser-kurier.de/bremen/wirtschaft2_artikel,-Hohes-Armutsrisiko-fuer-Migranten-_arid,398251.html (http://www.weser-kurier.de/bremen/wirtschaft2_artikel,-Hohes-Armutsrisiko-fuer-Migranten-_arid,398251.html)

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Quote[...] Süddeutsche.de: Wie stehen die Chancen für Studenten, die derzeit eine Wohnung in München suchen?

Sigrid Meyer: Der private Wohnungsmarkt ist mittlerweile für Studenten unbezahlbar. Bei den wenigsten ist im Elternhaus so viel Geld da, dass den Kindern ein Zimmer in München bezahlt werden kann. Da heißt es für die Studenten: Arbeiten gehen. Das geht auf Kosten des Studiums, die Abschlüsse verzögern sich.

Wie ist die Situation bei Ihnen im Maßmann-Wohnheim?

Ich war eine Woche im Urlaub und habe in der Zeit 200 Anfragen bekommen. Durchschnittlich sind es dieses Jahr 30 Anfragen pro Woche mehr als noch im Vorjahr. Ich habe aber kein einziges Zimmer mehr frei. Die Münchner Unis boomen. Dadurch bekommen die Hochschulen natürlich auch mehr Studiengebühren. Dann müssten sie sich aber auch darum kümmern, dass die jungen Leute untergebracht werden. Ich weiß wirklich nicht, was die sich dabei denken.

Was hat sich im Vergleich zum Vorjahr verändert?

Nicht einmal letztes Jahr, als es den doppelten Abitur-Jahrgang gab, war die Situation so schlimm wie jetzt. Die Universitäten in München holen immer mehr Erasmus-Studenten beispielsweise aus Portugal, aus der Türkei oder aus Spanien und die bekommen oft erst auf den letzten Drücker ihre Zusagen. Dann gibt es hier natürlich keine freien Zimmer mehr. Oft kommen die Studenten direkt ins Maßmann-Wohnheim und es bricht mir fast das Herz, weil die völlig fassungslos sind. Die bekommen dann ganz feuchte Augen. Ich finde das fürchterlich.

Welchen Marathon haben die Studenten hinter sich?

Viele wohnen seit Wochen bei Freunden oder Bekannten auf dem Fußboden. Es gibt ja nicht einmal mehr freie Notunterkünfte. Die Studenten, die bisher persönlich ins Maßmann-Wohnheim gekommen sind, haben wirklich alles Erdenkliche probiert. Wir sind oft ihre letzte Hoffnung - und müssen sie leider enttäuschen.

Welche Studenten haben es besonders schwer?

Die ausländischen Studenten, vor allem die aus muslimischen Ländern. Sie werden bei der Vermietung von Privatzimmern schon gleich gar nicht genommen, sie kämpfen mit Vorurteilen. Deren Familien haben außerdem nicht die finanziellen Möglichkeiten wie deutsche Eltern. Wenn sie in München im Hotel wohnen müssen, dann ist das Geld, das sie von Zuhause mitbekommen, ganz schnell aufgebraucht. Wenn sie dann immer noch nichts finden, dann müssen sie wieder nach Hause fahren.

Was raten Sie den Studenten, die zu Ihnen kommen?

Das Studentenwerk hat ja überhaupt keine Unterkünfte mehr, ich schicke die deshalb schon zu den evangelischen und katholischen Hochschulgemeinden und hoffe, dass sie da Hilfe bekommen. Aber ich fürchte, dass das auch nichts bringt. Ich weiß gar nicht mehr, was ich den Studenten sagen soll. Ich habe selbst schon Informationen gesammelt und Stellen ausfindig gemacht, an denen sie es noch versuchen können, beispielsweise Privatadressen. Aber auch das nützt jetzt nichts mehr. Es ist alles belegt.

Was müssten die Stadt und die Universitäten tun, um die Situation der Studenten zu entschärfen?

Mehr private Wohnungseigentümer sollen ihre Wohnungen zu vernünftigen Preisen auch an Studenten vermieten. Und dann sollten die Zusagen der Unis an ausländische Studenten viel früher verschickt werden. Das wirft doch sonst ein ganz schlechtes Licht auf München. Stadt und Uni müssen kreativ sein und Studenten beispielsweise in ehemaligen Kasernen unterbringen - wenigstens vorübergehend.

Quoteraly, 17.10.2012

Da koennen die Leute froh sein, dass sie nicht in London studieren...



Aus: "Wohnungsnot der Studenten "Seit Wochen auf dem Fußboden"" Interview: Deniz Aykanat (17.10.2012)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wohnungsnot-der-studenten-seit-wochen-auf-dem-fussboden-1.1497711 (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wohnungsnot-der-studenten-seit-wochen-auf-dem-fussboden-1.1497711)

Title: [Etwa jeder fünfte Deutsche... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 23, 2012, 01:53:16 PM
Quote[...] Ist Deutschland ein reiches Land? Gemessen an der Wirtschaftsleistung stimmt das sicher. Doch neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes lassen Zweifel aufkommen, ob der Begriff überhaupt noch angemessen ist: Danach ist jeder fünfte Deutsche (19,9 Prozent) von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Das sind immerhin 16 Millionen Menschen. Diese Daten aus der Erhebung ,,Leben in Europa 2011" veröffentlichten die Wiesbadener Statistiker am Dienstag. Gegenüber 2010 stieg die Zahl der armen Menschen damit leicht an. Damals betrug der Anteil 19,7 Prozent.

...


Aus: "Gefühlte Armut trifft jeden Fünften" Von Timot Szent-Ivanyi (23.10.2012)
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/politik/eu-bericht-gefuehlte-armut-trifft-jeden-fuenften,10808018,20694870.html (http://www.berliner-zeitung.de/politik/eu-bericht-gefuehlte-armut-trifft-jeden-fuenften,10808018,20694870.html)

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Quote[...] Etwa jeder fünfte Deutsche war im vergangenen Jahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Das geht aus der Erhebung Leben in Europa 2011 hervor, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden veröffentlichte. Demnach waren 19,9 Prozent der Bevölkerung oder 16 Millionen Menschen in Deutschland aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, ihre laufenden Rechnungen zu begleichen, mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen, in den Urlaub zu fahren oder sich einen Pkw leisten.

Frauen waren mit einer Quote von 21,3 Prozent im Jahr 2011 häufiger von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen als Männer (18,5 Prozent). Während die unter 18-Jährigen mit einer Quote von 19,9 Prozent dem Bundesdurchschnitt entsprachen, waren ältere Menschen ab 65 Jahren seltener (15,3 Prozent) und Personen zwischen 18 und 64 Jahren häufiger (21,3 Prozent) betroffen.

Nach einer Definition der EU ist Armut oder soziale Ausgrenzung gegeben, wenn bei den befragten Haushalten eines oder mehrere der drei Kriterien "Armutsgefährdung", "erhebliche materielle Entbehrung" oder "Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung" vorliegen.

Quote
   deutscherinparis
   23.10.2012 um 12:15 Uhr

Lebensnotwendiger PKW?

"jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen...oder sich einen Pkw leisten"
Ich finde es erstaunlich, dass der PKW auf eine Stufe mit der vollwertigen Mahlzeit gestellt wird.


Quote
   r.schewietzek
   23.10.2012 um 13:21 Uhr

... Sehr viele Menschen sind nun einmal aufs Auto angewiesen, um zur Arbeit zu fahren; nicht jeder wohnt an einer Bahnstrecke.
Ich selber habe auch kein Auto, wohne aber in einer Stadt mit sehr gutem öffentlichen Nahverkehr, rund um meine Wohnung sind 4 Bushaltestellen. Das ist aber nicht bei jedem so, vor allem dann nicht, wenn man vielleicht das Pech hat, auf dem flachen Land zu leben, wo die Bahnstrecke stillgelegt wurde und der Busverkehr auf 3x täglich eingeschränkt wurde (und das gibt es öfters, als Sie denken). Da ist dann ein Auto unverzichtbar - und wir reden ja hier nicht von Rolls-Royce, sondern von einem ganz normalen, fahrtüchtigen Auto (Golf oder Kleinwagen).


Quote
   Suryo
   23.10.2012 um 12:07 Uhr

Bitte um Erklärung

"...mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen"

Ich verstehe das einfach nicht. Ich habe als Student zuletzt 550 Euro im Monat von den Eltern gehabt, keinen Job dazu. Damit habe ich Miete bezahlt, warm 300 Euro. Mit den dann noch bleibenden 250 Euro konnte ich mir jeden Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten - außerdem Handy, Internet und auch mal das eine oder andere Bier.

Bevor es jetzt wieder losgeht: ja, ich weiß, daß das Studentendasein nicht recht mit Langzeitarbeitslosigkeit und Altersarmut vergleichbar ist - aber eben nur rein psychologisch.

Auf dem Kassenzettel sind 15 Euro nun mal 15 Euro, egal, ob ich Student mit guten Berufsaussichten bin oder seit 10 Jahren arbeitslos.

Wie also kann es sein, daß angebliche 16 Millionen Menschen sich "keine tägliche vollwertige Mahlzeit" leisten können? Wie? Das ist nicht mal eine rhetorische Frage, ich verstehe es tatsächlich nicht.


Quote
   namevergeben
   23.10.2012 um 12:42 Uhr

37. Lebenskosten

"Wie also kann es sein, daß angebliche 16 Millionen Menschen sich "keine tägliche vollwertige Mahlzeit" leisten können? Wie? Das ist nicht mal eine rhetorische Frage, ich verstehe es tatsächlich nicht." Suryo

Weil sie vieleicht nicht in einer Billigwohngegend leben
Weil sie vieleicht krank sind und Medikamente zahlen müssen
Weil sie vieleicht Kinder haben
Weil sie vieleicht Versicherungen zahlen und nicht mehr bei Papa mitversichert sind
Weil sie vieleicht Schulden haben (Eigenschuld oder nicht)
Weil sie vieleicht ausgebeutet werden
Weil sie vieleicht vom AA in die Selbständigkeit getrieben wurden
Weil sie vieleicht das benötigte Auto(Arbeit) finanzieren müssen
Weil sie vieleicht kein Student sind, der sich von seinen Eltern aushalten lassen kann

Als Student sollte man genug Fantasie haben, um Gründe zu finden.


Quote
   MrWho
   23.10.2012 um 12:14 Uhr

Bei solchem Armutsbegriff gehts uns zu gut

"aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, ihre laufenden Rechnungen zu begleichen, mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen, in den Urlaub zu fahren oder sich einen Pkw leisten"

Armut und fehlende Liquidität sind nicht ganz dasselbe.

In Deutschland kann jeder vom Sozialstaat Abhängige sich täglich eine vollwertige Mahlzeit kaufen (lassen im Falle von Kindern). Ob er das tut, ist eine andere Frage. Gesunde Ernährung ist nicht teuer, und wer Geld bekommt, muss es auch richtig einsetzen. Also nicht für Zigaretten.

Arm sind eher jene, die nicht zum Amt gehen können (z.B. illegale Einwanderer) und die deshalb die Jobs annehmen müssen, für welche sich das Opfer von Sozialstaat und eigenen Ansprüchen zu schade ist.

Ob Urlaub oder PKW wirklich zum Armutsbegriff oder sozialer Ausgrenzung zählen? Ich fühle mich ohne PKW weder arm noch irgendwie nicht dazugehörig. Erholen kann man sich auch gut in Balkonien, oder an den Rhein setzen mit einem Bierchen.


Quote
   siar
   23.10.2012 um 12:51 Uhr

Sie haben vergessen zu erwähnen, dass Sie natürlich auch noch mindestens 20 € monatlich sparen.
Und wenn Sie am Wochenende zu Mami und Papi fahren, wird Ihnen sicherlich die Wäsche gewaschen und ein Fresspaket gepackt. Von Geldgeschenken zu Weihnachten und zum Geburtstag oder von der Omi mal was zugesteckt bekommen, wollen wir nicht anfangen. So kenne ich das von meinem Sohn.
Die Armen haben aber niemanden der denen mal so eben einen Fünfziger zusteckt und wehe man hat eine chronische Krankheit.
Machen sie sich doch mal nützlich und nehmen ein Ehrenamt an, vielleicht lernen Sie dann die bittere Realität kennen.
Ich betreue ehemalige Obdachlose, was manchmal an die eigene Sustanz geht.


Quote
   Student_1
   23.10.2012 um 12:51 Uhr

"Erhebliche materielle Entbehrung" im globalen Kontext

Klar gibt es in Deutschland einen sehr krassen Unterschied zwischen Arm und Reich, was ich nicht bestreiten mag.
Dennoch ist das Leben als "Armer" in Deutschland zum Glueck noch nicht so drastisch, wie in anderen Laendern.

Die Frage ist doch, was stellt fuer einen Deutschen eine erhebliche materielle Entbehrung im Vergleich zu einer Person aus einem Land der dritten Welt dar...


Quote
   siar
   23.10.2012 um 12:56 Uhr

Es ist so vorhersehbar, dass immer das Argument der Armen aus der 3.Welt kommen.
Sind die Mittelständler denn auch bereit für die Hungerlöhne in Bangladesh oder Somalia zu arbeiten?
Es ist schwer in einem armen Land arm zu sein, aber in einem reichen Land arm zu sein ist ungleich schwerer, denn hier wird Armut fast immer mit völliger Unfähigkeit gleichgesetzt.


Quote
   Ad Absurdum
   23.10.2012 um 12:50 Uhr

deutschland ist eines der reichsten industrieländer, deswegen finde ich diese art der argumentation entbehrlich. reich sind in deutschland wohl hauptsächlich eine handvoll leute - die sind dafür richtig reich.


Quote
   Suryo
   23.10.2012 um 12:56 Uhr

Mag sein, aber ich ahbe 900 Kilometer von zu Hause entfernt studiert, mit Wäsche bei Mama war da nix. Und auf Geldgeschenke kann man sich nicht verlassen. Wie gesagt, ich bin mir der Tatsache bewußt, daß es zwischen Studenten und ALG-II-Empfängern Unterschiede gibt.

Aber, zum wiederholten Male: es geht mir schlicht um die angeblich nicht zu bewerkstelligende vollwertige Mahlzeit, um gar nichts anderes. Auto konnte ich mir natürlich auch nicht leisten, Reisen auch nicht. Ich glaube einfach nicht, daß in Deutschland Menschen durch ihre Einkommensverhältnisse GEZWUNGEN sind, zu HUNGERN, Obdachlose vielleicht ausgenommen.


Quote
   lxththf
   23.10.2012 um 13:03 Uhr

Weil Sie ein familiäres Sicherungsnetz nutzen konnten, welches anderen Menschen nicht zur Verfügung steht.
Armut hat viele Gesichter. Ich unterstützte eine Aktion in einer ostdeutschen Großstadt, welche ähnlich wie die Tafel funktionierte und sah da Menschen, die es halt leider einfach im Leben aus verschiedensten Gründen nicht hinbekommen haben und wenn man die Armut in diesem Maße direkt gesehen hat, dann verkneift man sich das leichte "von oben" herab Gerede.
Es geht doch damit weiter, dass die Bildungschancen geringer sind, so dass soziale Benachteiligung schon im Kindesalter entsteht, wenn z.B. die Eltern nicht bei den Hausaufgaben helfen können, Kinder sozial isoliert werden, weil sie als arm gelten.
Armut ist ein reales Problem und wenn man ein bisschen die Augen offen hält und durch die Straßen der Stadt geht, findet man sie an vielen Ecken.
Hier sei mal auf ein Projekt hingewiesen: http://www.restaurant-des-herzens.de/


Quote
   digit.a.
   23.10.2012 um 13:09 Uhr

Und das Hinvegetieren...

.. bedeutet übrigens, dass zukünftigen Studenten/Auszubildenden von Mami und Papi keine finanzielle Unterstützung mehr bekommen werden.

Also, allein "vollwertige Mahlzeiten" taugen nicht als finanzieller Lebensentwurf für ganze Familien. Und schon gar nicht über Jahrzehnte hinweg betrachtet.

Die "absolute Armutdefinition" (1 US Dollar/Tag) ist für ein Erste-Welt-Land schlicht und ergreifend nicht angebracht.

(Off topic: Und hoffentlich wird es einmal eine Zeit geben, in der diese absolute Definition auch in anderen Teieln der Welt überflüssig und durch eine "relative" Begrifflichkeit ersetzt werden kann.)


Quote
   Suryo
   23.10.2012 um 13:10 Uhr

Nochmal: es geht mir nur um das Essen

Daß es in Wien teurer ist als "in irgendeinem Kaff", weiß man vorher, das ist eine eigenverantwortliche Entscheidung. Dann muß man eben auf das Leben in der teuren Großstadt verzichten. Gerade kleinere Unistädte bieten extrem viel.

Ach ja: auch ich habe teure Lernmittel anschaffen müssen. Auch das wußte ich vorher.

Bisher hat mir immer noch niemand erklären können, warum einige mit 15 Euro pro Woche jeden Tag eine vollwertige Mahlzeit essen können, und Menschen, die theoretisch 32 Euro pro Woche dafür haben, das angeblich partout nicht können.


Quote

   siar
   23.10.2012 um 13:06 Uhr

Zum wiederholten Male - Sie haben von der Realität außerhalb Ihres sozialen Umfeldes keine Ahnung.
Wenn Sie glauben wollen, gehen Sie in die Kirche. Wenn Sie die Realität sehen wollen, gehen Sie zu den Tafeln, reden Sie mal mit Betroffenen und bilden Sie sich Ihre Meinung nicht nur aus der Distanz Ihres Zimmerchen im Elfenbeinturm.


Quote
   nina_glyndwr
   23.10.2012 um 13:13 Uhr

Ein paar Punkte.

1. Was ist so schlecht am einfachen Kost wie Linsensuppe? Habe ich letzte Woche für mich gemacht. Spottbillig, gesund, und ich hatte Essen für 4 Tage. Mir macht es nichts aus, das gleiche über 3 oder 4 Tage zu essen. Diese Woche gibt es Hackbraten.

2. Das Problem ist, dass Leute oft nicht kochen und Mahlzeiten planen können.

3. Alleinstehende Leute sollten ernst darüber nachdenken, ob sie nicht zusammenziehen sollten. Nur ein Badezimmer oder ein Wohnzimmer muss man dann heizen. Nur einmal für einen Fernseher GEZ beazahlen. Dann ist man natürlich auch nicht so einsam.


Quote
   Suryo
   23.10.2012 um 13:14 Uhr

Tafeln

Höhöhö, ich arbeite ehrenamtlich bei einer Tafel. Die ist gleich neben einem Sozialkaufhaus. Soviel zu Ihrem Kampfbild vom verwöhnten Studentchen, das keine Ahnung von der Wirklichkeit hat.

Und wenn sie mal bei einer Tafel arbeiten würden, dann würde Ihr sozialromantisches Bild von den hungernden Kindern sofort zusammenbrechen. Die, die wirklich mal Nahrungsmittelspenden nötig hätten, gehen nämlich aus Stolz nicht hin: alte, alleinstehende Frauen, die nie gearbeitet haben, und Obdachlose. Das sind zwei Gruppen, denen ich "Armut" wirklich zugestehen will. Stattdessen sehen wir hier aber wöchentlich dieselben Familien, die hier ihren "Wocheneinkauf" machen, Stiegen voller Mangos (im Laden 1,50 Euro pro Stück) draußen wegwerfen, und sich aufregen, wenn es keinen eingeschweißten Kuchen oder keinen Schinken unter den Spenden gibt.


Quote
   lxththf
   23.10.2012 um 13:17 Uhr

Wenn Sie einen Partner hätten und mit diesem ein Kind und das während des Studiums ...
Ich glaub wir reden aneinander vorbei. Sie haben Recht, dass das Amt sicher vieles übernimmt, aber der Knackpunkt ist für mich, dass es leider auch viele Studenten gibt, die weit unter dem Existenzminimum leben und es keinen Sinn macht, Armut mit Armut zu vergleichen, zumal wenn das private soziale Sicherungsnetz wegfällt.
Sie haben 550€ bekommen. Es gibt genügend, die mit 400€ auskommen müssen und dann? Dann wird es eben manchmal eng mit einer warmen Mahlzeit. Ich kenne genügend Menschen die sich Monatelang von Dosensuppen ernähren mussten und täglich Leitungswasser trinken mussten, weil sie sonst die Rechnungen nicht bezahlen konnten (Semesterbeiträge kommen ja noch mit dazu).
Und dennoch sollte man eben nicht den Fehler machen und die Augen vor Armut verschließen, denn gerade Familien, die z.B. vorher etwas gebaut hatten, oder ein Auto auf Raten gekauft hatten und dann ihren Job verloren haben, rutschten oft in die Armut ab, denn dann muss von dem Geld vom Amt auch noch Kredite getilgt werden.
Die Beispiele sind vielfältig und es macht keinen Sinn, diese gegeneinander aufzurechnen und zu fragen, wer schlimmer dran ist.
Wir sind uns doch am Ende sicher einig, dass zum Beispiel mit dem Ausbau des Niedriglohnsektors definitv kein individueller Wohlstand geschaffen wird, sondern nur Arbeitslosenzahlen beschönigt werden.


Quote
   faltanhuchs
   23.10.2012 um 13:18 Uhr

Ich verstehe es nicht...

Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren gilt demnach als arm, wenn sie ca 2000€ oder weniger Netto im Monat haben....
(Quelle: http://www.amtliche-sozia... da und und durchklicken...1. Erwachsener ca 950, 2. über 14 0,5*950, 2 Kinder macht 0,6*950)

Wir (Familie, 2 Erw., 2Kleinkinder) leben jetzt kurz nach dem Studium von im Moment weniger als 1700€ netto alle zusammen. Wir essen gut, gesund (und oft auch bio, aber anderes Thema), kaufen uns ab und zu neue Sachen (Bücher, Klamotten - Kinder wachsen nunmal..., hier mal ne neue Lampe, da mal Stoff (zum nähen), da dies...), Essen gehen wir auch ab und zu, Konzerte ebenso und sind ca. einmal im Monat mind. für ein Wochenende unterwegs. Und trotzdem kommen wir im Jahr gerechnet eher mit nem kleinen Plus heraus. Was wir nicht haben: Smartphones und überteuerte Tarife, überdimensionierter Flachbildfernseher, den neusten Laptop, die neuste Spielkonsole für unterwegs. Nunja, auf große Reisen müssen wir verzichten, aber mich stört das nicht, meine Frau da schon eher.
Zwei Aussagen möchte ich damit begründen:

Wir wissen, viel Geld haben wir nicht. Aber: Arm sind wir nicht.

Viele sollten ihre Anspruchshaltung mal überdenken.

...


Quote
   Vote Saxon
   23.10.2012 um 13:19 Uhr

Jedes Jahr...

... so hab ich das Gefühl, kommen die Einschläge näher. Jahr für Jahr gibt es solche Berichte und Statistiken, und mehr und mehr betreffen sie auch mich. Nicht dass ich arm wäre - so arm wie ein Bauer in Afrika schon mal gar nicht - ich gehöre zum Mittelstand. Aber es fühlt sich so an, als würde dieser langsam aufgelöst. Jahr für Jahr arbeite ich mehr, um letztendlich weniger zu haben. Die vollwertige Mahlzeit ist davon nicht betroffen und noch steht das, für die Arbeit wichtige, Auto vor der Tür. Aber wenn eines meiner Kinder wieder auf Klassenfahrt will, oder einfach ein paar neue Sportschuhe braucht, muss ich schon überlegen, wie ich das schaffe. Noch sind das alles Luxusprobleme im Vergleich zu einer Hartz4 Familie, ich hoffe nur, dass das wenigstens noch so lange hält, bis die Kinder ihre eigenen Wege gehen.


Quote
   LaSilas
   23.10.2012 um 13:27 Uhr

Armutsromantik in der Konsumwelt

Überschwemmt von Werbung über Überflüssiges, das sich alle kaufen sollen, gewinnt die Vorstellung des asketischen Lebens wieder an Romantik. Es ist wohl auch Abneigung gegen den Konsumwahn.

Man hat die Welt bereist und fand auch die Armut irgendwie beschaulich, und meint, "bei uns" sollen die Armen doch dankbar sein, dass sie nicht verhungern. Sie sollen sich mit obdachlosen Indern vergleichen, die sie zwar mangels Geld nicht selbst besichtigen können, um sich besser zu fühlen - doch dafür ist das Fernsehen zuständig.

Die Kapitalisten freuen sich über Armut, denn sonst wären sie ja nichts Besonderes. So verlangen sie immer mehr Opfer von der Allgemeinheit, denn es gibt ja immer viel Ärmere im Ausland. Wenn es die nicht gäbe, könnte man auch die Arbeiter dort nicht ausnutzen. Das Spiel mit der Globalisierung, die nur Erpressung bedeutet, käme ans Ende.

Es brauchte keinen Krieg für die Masse der neuen Armen ohne Zukunftsaussichten. Wie Franziskaner sind nun viele stolz, mit wenig sie auskommen. Jeden Tag Kartoffeln, und aus den Schalen kann man noch Suppe machen. Die Armen müssen sich gegenseitig kontrollieren, dass sie auch bescheiden sind.

Georg Simmel schrieb über die geldfixierte Gesellschaft, in der sich Geiz und Verschwendung sich gegenseitig bedingen:

"Die Verschwendung ist nach mehr als einer Richtung dem Geize verwandter, als die Entgegengesetztheit ihrer Erscheinungen zu verraten scheint."

Georg Simmel: Über Geiz, Verschwendung und Armut
ex: Ethische Kultur. Wochenschrift für sozial-ethische Reformen. 7.Jg. 1899; Heft 42 (21.10.) , S. 332-335; Heft 43 (28.10.) S. 340-341. | http://socio.ch/sim/verschiedenes/1899/geiz.htm (http://socio.ch/sim/verschiedenes/1899/geiz.htm)


Quote
   perlenqwien
   23.10.2012 um 13:44 Uhr

Ich schätze mal, dass die Diskutanten hier nicht wirklich Not verspüren.
Dennoch bin ich (w.,53) ganz froh, dass ich in einer kinderreichen Familie nie Luxus gewöhnt war. Mit 17 Jahren habe ich das Nest verlassen und mit SEHR wenig Geld ausgestattet, habe ich wahrlich gelernt, mit wenig aus zu kommen. Im heutigen Leben muss ich nicht mehr extrem sparen, aber einmal für 4-6 Wochen/Jahr mache ich die Probe auf`s Exempel und versuche mit dem Hartz IV Satz zu leben. Resultat: Es geht, aber..........................
.............ich weiß eben genau, dass ich nicht muss!
Und das ist der Knackpunkt. Kino, Theater, Kneipe, Auto, Reparaturen, Reinigung, Schneiderei, Friseur etc.
=> alles gestrichen.
Als genügsamen Menschen macht mir das nix aus, aber es ist und bleibt freiwillig!
Und das macht den Qualitätsunterschied zu all jenen, die behaupten, es sei doch SO einfach.

...


Quote
   Waldi1966
   23.10.2012 um 13:37 Uhr

Zu undifferenziert
In meiner Nachbarschaft wohnt ein Ehepaar: sie war früher in einer Putzkolonne beschäftigt und kann jetzt krankheitshalber nicht mehr arbeiten; er hat - seit ich ihn kenne (18Jahre) - noch nie gearbeitet. Beide investieren massiv in die Tabakbranche - für die Zigaretten reicht das Geld auch immer. Gehört dieser Personenkreis dann auch zu denen, die sich arm fühlen ???
Solche Statistiken sollten, um echte Aussagekraft zu haben, doch etwas mehr differenziert werden.


Quote
   Moringa
   23.10.2012 um 13:47 Uhr

Bräsige Selbstgerechtigkeit
Unglaublich, welch bräsige Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit sich hier austobt. Schier zu leugnen versucht, was doch offentsichtlich ist, wenn man mit geöffneten Augen durch die Städte läuft. Dazu braucht es keinen Armutsbericht.
Schön auch die Tipps und Weisheiten für ein noch günstigeres Dasein von denen, die nicht auf jeden Euro achten müssen.

Diese Gesellschaft fällt auseinander, wenn ein großer Teil der Bevölkerung an den Rand gedrängt wird und nur noch irgendwie 'überleben' kann.



Quotejenna
   23.10.2012 um 14:40 Uhr

166. Kriterien der EU-Definition für Armut

Nachdem sehr viele in den Kommentaren über einzelnen Aspekte (v.a. Urlaubsreise, Auto) diskutieren, noch mal folgendes zur Studie:

"Erhebliche materielle Entbehrung liegt nach der EU-Definition für EU-SILC dann vor, wenn aufgrund der Selbsteinschätzung des Haushalts mindestens vier der folgenden neun Kriterien erfüllt sind:
1. Finanzielles Problem, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen.
2. Finanzielles Problem, die Wohnung angemessen heizen zu können.
3. Finanzielles Problem, unerwartete Ausgaben in einer bestimmten Höhe aus eigenen finanziellen Mitteln bestreiten zu können.
4. Finanzielles Problem, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige vegetarische Mahlzeit einnehmen zu können.
5. Finanzielles Problem, jährlich eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen.
6. Fehlen eines Pkw im Haushalt aus finanziellen Gründen.
7. Fehlen einer Waschmaschine im Haushalt aus finanziellen Gründen.
8. Fehlen eines Farbfernsehgeräts im Haushalt aus finanziellen Gründen.
9. Fehlen eines Telefons im Haushalt aus finanziellen Gründen."

Das bedeutet, dass es für die Studie nicht gereicht hat, das ein Kriterium erfüllt ist, sondern es müssen vier erfüllt sein.


Quote
   bonner
   23.10.2012 um 12:48 Uhr

... Wenn riesige Portionen gekocht werden und unmengen Zutaten bestellt werden, wird alles viel billiger. Das sollten Sie auch berechnen "Klüger" - Merkwürdigerweise haben die armrn, armen Kinder, die nie richtig was zu essen bekommen, weil kein Geld da ist, immer das neueste Handy und eine flat rate vom feinsten.

Noch etwas. Wenn manche Leute die Zeit, die sie mit Klagen verbringen, mit Weiterbildung verbringen würden, gäbe es auch bald keinen Grund zum klagen mehr.


Quote

   Klüger
   23.10.2012 um 15:01 Uhr

194. Ich wünschte ...

... Sie würden hier nicht einfach Ihre Vorurteile öffentlich Gassi führen.
Haben Sie keine Augen im Kopf, um zu sehen, was um Sie herum passiert?
Die armen alten Menschen, die im Müll wühlen - im reichen Deutschland?
Die vielen prekär Beschäftigten und gut ausgebildeten Menschen?
Die zunehmende Entsolidarisierung in Teilen der Gesellschaft?


Quote
   Demetrios I. Poliorketes
   23.10.2012 um 12:08 Uhr

Die Ergebnisse werden mal wieder völlig falsch dargestellt:

1. Die Presseerklärung von destatis spricht von "beispielsweise":

"Die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe sind bei den Betroffenen sehr eingeschränkt: Sie können aus finanziellen Gründen heraus beispielsweise ihre laufenden Rechnungen nicht begleichen, nicht mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einnehmen, keine notwendigen Anschaffungen tätigen, sich keine Urlaubsreise oder keinen Pkw leisten (siehe methodische Erläuterungen)."

Wenn man das Wörtchen weglässt, entsteht ein falsches Bild.

2. Es werden Dinge als "Fakten" dargestellt, die aber auf einer ungeprüften Selbsteinschätzung beruhen:

"Erhebliche materielle Entbehrung liegt nach der EU-Definition für EU-SILC dann vor, wenn aufgrund der Selbsteinschätzung des Haushalts mindestens vier der folgenden neun Kriterien erfüllt sind:"

Da sind Untertreibungen oder Übertreibungen vorprogrammiert, vor allem wenn Transferlseitungen in Anspruch genommen werden.

...


QuoteRe: Die Ergebnisse werden mal wieder völlig falsch dargestellt:

Lieber Demetrios I. Poliorketes, danke für den Hinweis. Sie haben recht, da ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir haben das korrigiert.

Schöne Grüße aus der Redaktion



Quote
   r.schewietzek
   23.10.2012 um 16:56 Uhr

275. Ich bin Jahrgang 55

und wir waren 'arm' - aber nicht so arm, daß wir hungern oder hätten frieren müssen. Wir hatten eine Sozialwohnung und mein Vater war Baggerführer - mit seinem Einkommen hat er fünf Menschen ernährt. Kleidung wurde selbstverständlich in der ganzen Nachbarschaft weitergegeben - da aber alle davon partizipierten und wir nichts anderes kannten, störte uns das nicht; ich habe mich immer schon zwei Jahre im voraus auf die Kleider der Nachbarstochter freuen können.
Wir hatten (trotz des Alleinverdienstes meines Vaters) ein Auto und wir haben mehrere Male Urlaub an der Nordsee machen können. Gastfreundschaft war bei uns ebenfalls groß angeschrieben - und die Gäste mit Bier und Wein zu bewirten, war normal. Es wurde auch öfters zum Essen eingeladen, bei Geburtstagen und Feiertagen war das selbstverständlich. Leitungswasser haben wir m.W. nie getrunken, aber Tee war üblich - und natürlich haben wir auf Klassenausflüge Stullen mitbekommen.
Klavierstunden waren nicht drin, aber die Mitgliedschaft im Sportverein durchaus.
Vergleiche ich die damalige Situation mit der heutigen, so zweifle ich, daß ein Niedriglöhner und Alleinverdiener das alles seiner Familie heute noch bieten könnte. Wie Sie schreiben, fehlt auch die Perspektive, das irgendwann zu können - und das macht den großen Unterschied zur damaligen Zeit aus. Alternativlose Armut als Lebensperspektive ist tatsächlich grausam; vermutlich können das jüngere Menschen nicht sehen, weil sie andere Zeiten nie gekannt haben.


...


Aus: "Jeder Fünfte Deutsche lebt in Armut" ZEIT ONLINE, dapd, tok (23.10.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/armut-deutschland (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/armut-deutschland)

-.-


http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/16-millionen-deutsche-fuehlen-sich-arm-a-862815.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/16-millionen-deutsche-fuehlen-sich-arm-a-862815.html)

Quote#12 Heute 09:20 von
denkpanzer
optional

   Das Geld ist da, es ist ein Verteilungsproblem. Und das muß die Gesellschaft lösen. Wenn wir das nicht schaffen können wir uns auf US Zustände einstellen; Menschen in Zeltstädten und Superreiche die Wahlkampf machen. ...

http://forum.spiegel.de/f22/statistik-16-millionen-deutsche-fuehlen-sich-arm-73755-2.html#post11195749


QuoteHeute 09:24 von
j.vantast
Differenzieren

   Es kommt ja nicht nur auf das Einkommen an. Heute kann man selbst mit einem bescheidenen Einkommen nicht mehr gut leben.
   Die exorbitant gestiegenen Lebenshaltungskosten machen es einem schwer. Mieten steigen, die Nebenkosten wachsen ins Uferlose, Benzin ist teuer wie nie.
   Wer vor ein paar Jahren noch von seinem Gehalt ganz gut leben konnte kann es heute einfach nicht mehr.
   Man kommt gerade noch so klar. Aber eine Reparatur vom Auto oder eine neue Waschmaschine? Da wird es verdammt brenzlig.
   Und dann soll man noch fürs Alter vorsorgen? Ja wovon denn?

   Obwohl ich einen guten Job habe, aber meine Lebensgefährtin krankheitsbedingt nun nur eine geringe Erwerbslosenrente bekommt, wird es einfach eng. Und es gibt jede Menge im Bekanntenkreis, denen es noch deutlich schlechter geht.
   Die hohen Ausgaben sind das Problem. Bei bereinigten Zahlen hätte ich vor einigen Jahren noch sehr gut leben können. ...

http://forum.spiegel.de/f22/statistik-16-millionen-deutsche-fuehlen-sich-arm-73755-2.html#post11195780


-.-

Quote[...]  Ausgerechnet eines der reichsten Industrieländer der Welt und das wirtschaftliche Vorzeigeland Europas versagt in der Bekämpfung der Armut auf ganzer Linie.

Politiker der Regierungskoalition protestieren vehement gegen diese Schlussfolgerung. Der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Schiewerling, verweist auf die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt und bezweifelt, dass die Statistik die Armut in Deutschland angemessen erfasst: "Sie gibt ein Zerrbild der Realität wieder." Schiewerlings Kollege Heinrich Kolb (FDP) attestiert: "Es ist fraglich, ob man mit den Kriterien verschiedene Lebenswirklichkeiten in Deutschland wirklich abbildet."

Wird Deutschland von den Statistikern also regelrecht arm gerechnet? Erstaunlicherweise lässt eine genauere Betrachtung der Zahlen exakt diesen Schluss zu. Verantwortlich dafür ist eine Definition der EU. In allen Mitgliedstaaten wird die Statistik nach diesen einheitlichen Kriterien durchgeführt. Demnach gilt als von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen, auf den mindestens einer der drei folgenden Punkte zutrifft:

   Armutsgefährdungsquote: 15,8 Prozent der Deutschen verfügen über weniger als 60 Prozent des Netto-Durchschnittseinkommens und gelten damit als von Armut bedroht. In Deutschland liegt diese Grenze konkret bei 952 Euro im Monat für einen Single und bei 2000 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Für die Armutsberichte etwa der Bundesregierung ist das der maßgebliche Faktor.
   Erhebliche materielle Entbehrung: 5,3 Prozent der Deutschen leben in Haushalten, in denen das Geld für grundlegende Dinge fehlt - konkret für mindestens vier der folgenden neun: Miete, Heizung, unerwartete Ausgaben, mindestens jeden zweiten Tag eine angemessene Mahlzeit, mindestens eine Woche Urlaub im Jahr außerhalb der eigenen vier Wände, Auto, Waschmaschine, Farbfernseher oder Telefon.
   Sehr geringe Erwerbsbeteiligung: Diese liegt vor, wenn die erwachsenen Mitglieder (bis 59 Jahre) eines Haushaltes zusammengerechnet weniger als 20 Prozent der möglichen Zeit einen Job haben. Bei einem Single ohne Kinder wäre dieses Kriterium erfüllt, wenn er weniger als 2,4 Monate im Jahr arbeitet. Bei einer Alleinverdienerin mit nichtberufstätigem Partner und zwei studierenden Kindern im Haushalt dagegen schon, wenn sie weniger als 9,6 Monate im Jahr beschäftigt ist.

Die Statistik nach EU-Kriterien krankt an einem entscheidenden Fehler: Sie betrachtet jeden Menschen als von Armut betroffen oder sozial ausgegrenzt, auf den auch nur einer der drei Indikatoren zutrifft. Das führt zu bizarren Verzerrungen ...

Quotesuboptimal
mockingbird85 heute, 18:01 Uhr
Wäre schön, wenn die offizielle Arbeitslosen-Statistik der BA genau so auseinander genommen würde - dann stellte sich heraus, dass wir in D doppelt so viele Arbeitslose haben als Monat für Monat "verkündet" wird. Jede Statistik ist eben nur so gut wie die Medien, die kritiklos übernehmen oder sich an Schwachpunkte heran machen ...

http://forum.spiegel.de/f22/zweifel-eu-statistik-so-wird-deutschland-arm-gerechnet-73807.html#post11199735


Quote1948-2008 heute, 18:10 Uhr
Die EU-Statistik mag nicht perfekt sein (welche Statistik wäre das schon ?), aber natürlich gibt es Armut in Deutschland, und nicht gerade wenig. Bei Deutschen genauso wie bei Ausländern. Die Zahl der tafeln spricht Bände: 1993 gab es gerade einmal eine Tafel, an der Essen an Bedürftige verteilt wurde, heute sind es fast 1.000 !

http://forum.spiegel.de/f22/zweifel-eu-statistik-so-wird-deutschland-arm-gerechnet-73807-2.html#post11199809


http://forum.spiegel.de/f22/zweifel-eu-statistik-so-wird-deutschland-arm-gerechnet-73807.html (http://forum.spiegel.de/f22/zweifel-eu-statistik-so-wird-deutschland-arm-gerechnet-73807.html)


Aus: "Zweifel an EU-Statistik - So wird Deutschland arm gerechnet" Von Florian Diekmann und Alexander Demling (23.10.2012)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/statistik-zu-armut-und-sozialer-ausgrenzung-verzerrt-die-wirklichkeit-a-862962.html

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Quote[...] Eigentlich hatte die Europäische Union vor, mit erweiterten Kriterien zur Bestimmung von Armut und sozialer Ausgrenzung die Fortschritte in den Mitgliedsstaaten zu messen. Daraus ist allerdings nichts geworden. Vor allem im Falle Deutschlands können nun nämlich die Rückschritte besichtigt werden. Galten 2005 noch 18,4 Prozent der Bevölkerung als arm, sind es mittlerweile fast 20 Prozent. Die Armen werden ärmer, die Reichen immer reicher. So platt das klingt, es stimmt leider. Das zeigen auch die jüngsten Zahlen der Statistiker.

Dabei sind die nun veröffentlichten Zahlen sehr glaubwürdig. Denn die EU verwendet einen relativ umfassenden Armutsbegriff, der nicht nur das Einkommen betrachtet, sondern zum Beispiel auch die Beschäftigungssituation berücksichtigt. Und zusätzlich werden die Betroffenen gefragt, ob sie sich zum Beispiel wenigstens einmal im Jahr für eine Woche einen Urlaub woanders als zu Hause leisten oder ihre Wohnung richtig heizen können. Keine Frage, wer dafür nicht genügend Geld hat, ist arm.

Deutschland gilt wegen seiner hohen Wirtschaftsleistung als reich. Doch der Reichtum eines Landes darf nicht allein daran gemessen werden. Es muss vor allem darum gehen, ob die Chancen zur Teilhabe an diesem Reichtum gerecht verteilt sind. Wenn jedoch 16 Millionen Menschen davon ausgeschlossen sind, dann ist das für Deutschland ein Armutszeugnis.


Aus: "Armutszeugnis für ein reiches Land" Von Timot Szent-Ivanyi (23.10.2012)
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/meinung/kommentar-armutszeugnis--fuer-ein-reiches-land,10808020,20694258.html (http://www.berliner-zeitung.de/meinung/kommentar-armutszeugnis--fuer-ein-reiches-land,10808020,20694258.html)

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Pressemitteilung Nr. 369 vom 23.10.2012: Jede/r Fünfte in Deutsch­land von Ar­mut oder sozi­aler Aus­gren­zung betrof­fen
WIESBADEN – Etwa jede/r Fünfte (19,9 %) in Deutschland – das sind rund 16 Millionen Menschen – war 2011 von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen (2010: 19,7 %).Dieser Indikator ist neben der Armutsgefährdungsquote ein weiteres wichtiges Ergebnis der Erhebung LEBEN IN EUROPA 2011, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. ...
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2012/10/PD12_369_634.html;jsessionid=218DF908B99D4862EC7B2EDDFF819B3D.cae1 (https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2012/10/PD12_369_634.html;jsessionid=218DF908B99D4862EC7B2EDDFF819B3D.cae1)

Title: [Weil Armut und Ausgrenzung... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 23, 2012, 05:23:05 PM
Quote[...] Sie träumen von einem besseren Leben, von einer Zukunft für ihre Kinder: Zehntausende Roma sind in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen, weil sie Armut und Ausgrenzung in ihren Heimatländern entrinnen wollen. Doch der Flüchtlingsstrom sorgt für erhebliche Probleme. ...

... Als EU-Bürger dürfen sich Rumänen und Bulgaren zwar ganz legal in der Bundesrepublik aufhalten, doch normal zu arbeiten ist ihnen verboten. Übrig bleiben meist Jobs als Tagelöhner, für drei, vier Euro die Stunde bieten sich die Männer am Straßenrand als selbständige Bauhelfer an, viele Frauen müssen sich prostituieren. Allerdings bekommen die Familien Kindergeld, Radu und Ilena kassieren demnächst für ihre Nachkommen 773 Euro im Monat, als Kranführer in Rumänien verdiente der 39-Jährige im selben Zeitraum etwa 110 Euro.

Es ist das Wohlstandsgefälle in der Europäischen Union, das diejenigen in die Ferne treibt, die in ihren Heimatländern ohnehin kaum noch etwas zu verlieren haben. Viele der Zuwanderer sind Analphabeten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden sie kaum eine Chance haben, dennoch träumen sie von einem besseren Leben in der neuen Heimat. Ein Bekannter habe ihn angerufen, sagt Radu, und ihm erzählt, dass es in Deutschland viele Jobs gebe, "gute Arbeit". Seine Kinder könnten zur Schule gehen und hätten vielleicht eine Zukunft.

Von "Armutswanderung" spricht daher der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Gerade die Roma in Rumänien und Bulgarien leben in ihren Heimatländern in derart erbärmlichen Zuständen, dass sie den Weg nach Deutschland suchen", sagte Jäger SPIEGEL ONLINE. Der Bund und die Europäische Union müssten endlich dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse der Roma in ihren Herkunftsländern verbesserten. Es müsse Druck gemacht werden, "damit die Diskriminierung von Minderheiten aufhört".

Zugleich sorgt aber auch eine gestiegene Zahl von Asylbewerbern für überfüllte Aufnahmestellen in Nordrhein-Westfalen. Vor allem Roma aus Serbien und Mazedonien kommen nun verstärkt nach Deutschland, was einige konservative Politiker mit den kürzlich erhöhten Leistungen für Flüchtlinge erklären wollen. Allerdings haben diese Menschen im Unterschied zu den EU-Bürgern aus Rumänen und Bulgarien wenig Aussicht, langfristig in der Bundesrepublik bleiben zu können. Ihnen droht die baldige Abschiebung.

Doch mit den Zuwanderern - denjenigen, die zwar bleiben, aber absurderweise nicht arbeiten dürfen - wächst offenbar auch die Kriminalität. Die Duisburger Polizei kennt ein Haus in der Charlottenstraße, in dem ganze Banden von Kindern hausen, die tagtäglich zum Stehlen ausgeschickt werden. Laut Innenministerium ist auch die Zahl von Wohnungseinbrüchen und Diebstählen an Geldautomaten zuletzt stark gestiegen, was die Behörde vor allem auf südosteuropäische Banden zurückführt. "Wir nehmen das sehr ernst", sagt Minister Jäger, "aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass dieses Problem alleine mit der Polizei zu lösen ist."

...


Aus: "Zuwanderung in NRW Der Roma-Treck" Von Jörg Diehl, Duisburg (23.10.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/roma-in-duisburg-zuwanderer-aus-rumaenien-in-nrw-a-862059.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/roma-in-duisburg-zuwanderer-aus-rumaenien-in-nrw-a-862059.html)

Title: [Allgemeine Erosion... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2012, 09:33:08 AM
Quote[...] Für immer weniger Arbeitnehmer in Deutschland gelten Tarifverträge. Viele Arbeitgeber haben sich aus der Tarifbindung verabschiedet und auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Betrieben geht seit langem zurück. Zugleich wird von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE), mit der geltende Tarifverträge auf ganze Branchen ausgeweitet werden können, immer seltener Gebrauch gemacht.

Insofern könne von einer allgemeinen Erosion des deutschen Tarifsystems gesprochen werden, befindet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde

Die WSI-Tarifexperten Reinhard Bispink und Thorsten Schulten schildern darin den Niedergang der Tarifbindung in den vergangenen 15 Jahren: In den westlichen Bundesländern wurden 2011 nur mehr 54 Prozent der Arbeitnehmer nach einem Flächen- oder Branchentarifvertrage entlohnt, im Osten waren es gerade noch 37 Prozent. Damit lagen beide Werte um je 15 Prozentpunkte unter denen von 1998, als sich noch 69 und 52 Prozent der abhängig Beschäftigten einer Tarifvertragsbindung erfreuten.

Besonders Mitarbeiter kleiner und mittlerer Betriebe, Erwerbstätige im privaten Dienstleistungssektor und Personen mit geringen Entgelten würden häufig nicht nach Tarif bezahlt. Dies sei problematisch, da ,,gerade im unteren Einkommensbereich die soziale Schutzfunktion des Tarifvertrags von besonderer Bedeutung" sei, schreiben die Wissenschaftler. Manche Branchen seien mittlerweile als ,,weitgehend tariffreie Zonen" zu betrachten.

...


Aus: "Tarifbindung in Deutschland Löhne ohne Untergrenze"  Von Stefan Sauer (25. Oktober 2012)
Quelle: http://www.fr-online.de/wirtschaft/tarifbindung-in-deutschland-loehne-ohne-untergrenze,1472780,20706404.html (http://www.fr-online.de/wirtschaft/tarifbindung-in-deutschland-loehne-ohne-untergrenze,1472780,20706404.html)

Title: [Der Anteil der Menschen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 07, 2012, 03:02:56 PM
Quote[...] Berlin - Der Anteil der Menschen in Deutschland, deren Arbeitseinkommen nicht zum Leben reicht, ist weiter gesunken. Zum Jahresende erhielten laut Statistischem Bundesamt 8,9 Prozent der Bevölkerung Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, das sind rund 7,3 Millionen Menschen. Das ist der niedrigste Wert seit der erstmaligen Berechnung im Jahr 2006.

In der Statistik sind alle Leistungen erfasst, die zur Sicherung des grundlegenden Lebensunterhalts dienen. Dazu zählen neben dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) die Sozialhilfe, die Grundsicherung im Alter, Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie Leistungen der Kriegsopferfürsorge.

Der Rückgang liegt vor allem an der stark sinkenden Zahl von Hartz-IV-Beziehern. Zum Jahresende 2011 waren das rund 6,1 Millionen Menschen - 16 Prozent weniger als 2006. Zwar ist das ein bundesweiter Trend, die Statistik weist aber deutliche Unterschiede auf: So ist der Rückgang der Hartz-IV-Bezieher in Mecklenburg-Vorpommern am stärksten. Während dort im Jahr 2006 noch fast 18 Prozent der Bevölkerung auf soziale Mindestsicherungsleistungen angewiesen waren, lag die Zahl 2011 bei nur noch unter 14 Prozent. Wie in den Vorjahren war die Quote zum Jahresende 2011 mit knapp 19 Prozent in Berlin am höchsten und in Bayern mit nur 4,3 Prozent am niedrigsten.

Gleichzeitig stieg den Statistikern zufolge die Zahl der Personen, die auf Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter angewiesen waren, besonders stark: Seit 2006 wuchs diese Gruppe um fast 25 Prozent auf mehr als 950.000 Menschen.

nck


Quote
Heute 12:33 von
juergenwolfgang
Die Menschen sind schlicht und ergreifend von HartzIV in die Altersarmut gewandert.
Daher der Anstieg auf 25% bei den Altersrentenbeziehern und bei gleichzeitiger Verringerung der HartzIV Empfänger!
http://forum.spiegel.de/f22/statistik-zahl-der-hartz-iv-empfaenger-sinkt-deutlich-74968.html#post11297020


QuoteHeute 12:34 von
autocrator
... es wäre bedeutend interessanter geworden, parallel zu dieser statistik etwas über die entwicklung der verteilung von einkommen und vermögen zu lesen. Hier wurde wieder mal nur die hälfte der wahrheit, die glänzende seite der medaille gezeigt.
http://forum.spiegel.de/f22/statistik-zahl-der-hartz-iv-empfaenger-sinkt-deutlich-74968.html#post11297027


QuoteHeute 14:07 von
JaguarCat
Die Zahlen gehen auch insgesamt zurück

   Zitat von unixv
   Gestern noch H4 ler, wird den Damen und Herren nahe gelegt, das sie sich Krank melden sollen, möglichst lang, damit sie verrentet werden, von wegen kein Stress mehr mit dem Amt!
   Dann haben sie das Gleiche in Grün, kleine Rente, aber sind aus allen Statistiken raus, genau so läuft der Hase!


   Wer von Hartz IV auf Frühverrentung "umsteigt", bekommt i.d.R. nicht genug Rente, damit es reicht, so dass er dann Grundsicherung beantragen muss, damit die Rente auf Hartz-IV-Niveau aufgestockt wird. In beiden Fällen - also egal, ob schon Grundsicherung oder noch Hartz IV - wird der Mann/die Frau aber bei den "Transferleistungsempfängern" mitgezählt. Und deren Zahl ist laut Statistik insgesamt zurückgegangen!

   Natürlich ist es bedauerlich, dass die Zahl der Empfänger von Grundsicherung um 25% auf über 950 Tausend gestiegen ist. Anderseits ist in diesem Zeitraum auch die Zahl der Rentenbezieher allgemein um 5% gestiegen, und unter den Leuten hat sich die Möglichkeit, die Rente per Grundsicherung aufzustocken, stärker herumgesprochen, so das etliche, die 2006 schon hätten Grundsicherung kriegen können, sie eben erst später beantragt haben.
   Dass trotz solcher Aufholeffekte die Zahl der Bezieher von Transferleistungen sinkt, ist ein gutes Zeichen.

http://forum.spiegel.de/f22/statistik-zahl-der-hartz-iv-empfaenger-sinkt-deutlich-74968-3.html#post11297784


...


Aus: "Zahl der Hartz-IV-Empfänger sinkt deutlich" (07.11.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zahl-der-hartz-iv-empfaenger-von-2006-bis-2011-deutlich-gesunken-a-865853.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zahl-der-hartz-iv-empfaenger-von-2006-bis-2011-deutlich-gesunken-a-865853.html)

-.-

Quote[...]

Rund 6,1 Millionen Personen waren in Deutschland Ende 2011 auf Hartz IV angewiesen. Das ist gegenüber 2006, als die ersten Berechnungen angestellt wurden, ein Rückgang von 16 Prozent, wie das Statistische Bundesamt heute berichtet.

Auch die Gesamtzahl derjenigen, die Geld vom Staat benötigen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, zum Beispiel über Sozialhilfe, weil sie erwerbsunfähig sind oder weil die Rente nicht reicht, ist von 2006 bis Ende letzten Jahres gesunken. Insgesamt zählt das Amt 2011 7,3 Millionen Empfänger solcher "sozialen Mindestsicherungsleistungen", wozu neben Hartz IV und den Sozialhilfeleistungen auch Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Leistungen der Kriegsopferfürsorge zählen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird mit 7,9 Prozent angegeben, was als der niedrigster Wert seit 2006 vermerkt wird.

Die gute Nachricht basiert hauptsächlich darauf, dass die große Masse der Empfänger von staatlichen Transferzahlungen, die Bezieher von ALG II bzw. Hartz IV, weniger geworden sind. Denn der Anteil derjenigen, die staatliche Zuschüsse im Rahmen der "Hilfe zum Lebensunterhalt" (Sozialhilfe) und der "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" (ebenfalls Sozialhilfe) benötigen, ist von 2006 bis 2011 gestiegen. Um beachtliche 24,7 Prozent. Insgesamt sind es 952.000 Personen.

Obwohl sich in allen Bundesländern zeigte, dass die Zahl der Empfänger sozialer Mindestsicherung sank, bleiben große regionale Unterschiede bestehen. Die Quote der Bezieher staatlicher Leistungen ist nach wie vor am höchsten in Berlin (18,9 %) und am niedrigsten in Bayern (4,3 %). Den stärksten Rückgang verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern von 17,8 Prozent im Jahr 2006 auf 13,7 Ende 2011.

Der genannte Trend des statistischen Bundesamts bietet nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Laut Nordkurier waren an den vier Sozialgerichten Brandenburgs im zweiten Quartal dieses Jahres rund 32 800 (!) unerledigte Klagen anhängig, mehr als die Hälfte der Verfahren hatte mit Hartz IV zu tun.

Quote7. November 2012 15:33
Bestätigung
Trascher (89 Beiträge seit 20.01.10)

Kann den Artikel nur bestätigen.
Saubere Leistung von den Landratsämtern bzw. der jewalig zuständigen
Ämter.
Allein in der Familie/Verwandschaft sind 2 Leute nach jahrelangen
Bemühungen der zuständigen Mitarbeiter aus dem Hartz4-System
herausgefallen und aufgrund von Depressionen erwerbsuntätig. Also
keine ALGII-Bezieher mehr.

Auch der Punkt mit den unbearbeiten Verfahren vor den Soziagerichten
ist nachvollziehbar, in meinem Umfeld sind es allein 5 Stück mit
einer sehr hohen Erfolgsaussicht. Schaden ohne die Belastung der
Beteiligten mehrere tausend Euro. Für Personen, die am/unter dem
Existnezminimum leben natürlich ohne Probleme ausgleichbar.

Das ist effektive Arbeit, da sag doch mal einer, Beschäftigte in
Ämtern seien faul.

Quote7. November 2012 16:44
Luschen
Merkur59 (247 Beiträge seit 28.11.08)

Trascher schrieb am 7. November 2012 15:33

> Allein in der Familie/Verwandschaft sind 2 Leute nach jahrelangen
> Bemühungen der zuständigen Mitarbeiter aus dem Hartz4-System
> herausgefallen und aufgrund von Depressionen erwerbsuntätig. Also
> keine ALGII-Bezieher mehr.

> Das ist effektive Arbeit, da sag doch mal einer, Beschäftigte in
> Ämtern seien faul.

Bei euch arbeiten Luschen im Jobcenter. Bei mir im Freundeskreis gibt
es einen Selbstmord wegen H4, im größeren Bekanntenkreis einen
weiteren. So sieht ein vorzeigbares Ergebnis bei der Eindämmung des
Scharotzertums aus.


Quote7. November 2012 17:32
Re: Bestätigung
Beardie (104 Beiträge seit 11.04.12)

Komischen Bekanntenkreis, den du da hast....



...


Aus: "Zahl der Hartz IV-Empfänger seit 2006 zurückgegangen" Thomas Pany (07.11.2012)
Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/153138 (http://www.heise.de/tp/blogs/8/153138)

Title: [Die Zahl der Menschen, die... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 08, 2012, 03:39:58 PM
Quote[...] Die Zahl der Menschen, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können, ist im Vergleich zum Jahr 2011 um rund 190.000 auf bundesweit 6,6 Millionen gestiegen, wie aus dem "Schuldneratlas 2012" hervorgeht, den die Wirtschaftsauskunftei Creditreform an diesem Donnerstag veröffentlicht hat. Das entspricht einem Anteil von 9,7 Prozent der Erwachsenen in Deutschland.

...


Aus: "Atlas der Privat-Pleiten - Wo Deutsche in der Schuldenfalle sitzen" (08.11.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/schuldneratlas-zeigt-wieder-anstieg-der-ueberschuldeten-in-deutschland-a-866036.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/schuldneratlas-zeigt-wieder-anstieg-der-ueberschuldeten-in-deutschland-a-866036.html)

Title: [Besonders irritierend sei... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2012, 01:47:57 PM
Quote[...] Düsseldorf - Die Armutsquote wächst in ganz Deutschland, besonders hart trifft es die Menschen in den größten deutschen Städten. In Leipzig, Dortmund, Duisburg, Hannover, Bremen und Berlin lebt zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Nur vier Städte lagen 2011 im oder unter dem Bundesdurchschnitt von 15,1 Prozent. Das zeigt eine neue Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, das Daten für die 15 größten deutschen Städte ausgewertet hat, in denen knapp 14 Millionen Menschen leben.

Trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung ist die Armutsquote im vergangenen Jahr wieder gestiegen. 2011 hatten nach den neuesten Daten des Statistischen Bundesamts aus dem Mikrozensus 15,1 Prozent (2010: 14,5 Prozent) der Menschen in Deutschland weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens zur Verfügung. Das ist der Wert, der nach gängiger wissenschaftlicher Definition die Armutschwelle markiert und den die Wissenschaftler vom WSI als Basis für ihre Berechnungen annehmen. In absoluten Zahlen entspricht der Wert einem monatlichen Nettoeinkommen von 848 Euro bei einem Alleinstehenden.

Die Autoren der WSI-Studie haben die Daten des Mikrozensus ausgewertet und parallel dazu mit den Zahlen für Hartz-IV-Empfänger abgeglichen. So sollen auch Menschen in verdeckter Armut erfasst werden, "die aus Scham oder Unwissenheit auf Sozialtransfers verzichten", wie die Autoren schreiben.

Das Ergebnis zeigt, dass zwar in den meisten Großstädten - wie im gesamten Bundesgebiet - der Anteil der Menschen sinkt, die Hartz IV beziehen. Gleichzeitig aber ist die Armutsquote in den untersuchten Städten zwischen 2005 und 2011 deutlich gestiegen; von 17,5 auf 19,6 Prozent - sie liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In einigen Städten sind die Zahlen noch erschreckender: In sechs Städten lebt sogar zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

Zwar scheine die Armut aufgrund der sinkenden Hartz-IV-Quoten weniger "tief" zu sein, schreiben die Autoren vom WSI, "aber zumindest einige unserer größten Städte befinden sich auf einem abschüssigen Pfad". Besonders irritierend sei, dass die Armut weiter gestiegen ist, obwohl die Arbeitslosigkeit zurückging. Als ein möglicher Grund wird der gewachsene Niedriglohnsektor genannt. Denkbar sei, dass bei einer wachsenden Gruppe von Beschäftigten das Einkommen gerade über der Hartz-IV-Grenze liegt.

Besonders hoch ist der Anteil armer Einwohner in den Städten, die hohe Arbeitslosenquoten haben. An der Spitze steht die ostdeutsche Stadt Leipzig, in der ein Viertel der Bewohner als arm gilt - allerdings ist die Quote von 27 Prozent im Jahr 2009 auf 25 Prozent im Jahr 2011 gesunken.

Ähnlich dramatisch sieht es in den Ruhrgebietstädten Dortmund und Duisburg aus: Die beiden Ruhrgebietstädte nähern sich mit Armutsquoten von gut 24 und 23,5 Prozent dem Niveau von Leipzig. Besorgniserregend ist hier der Trend: Von 2005 bis 2011 stieg die Armutsquote jeweils um etwa ein Drittel. Dabei beobachten die Forscher insbesondere in Duisburg weniger eine soziale Polarisierung, bei der Ärmere von der Einkommensentwicklung abgehängt werden, vielmehr verarme die "Stadt als Ganzes".

Auf der anderen Seite der Tabelle stehen Hamburg und die süddeutschen Großstädte Frankfurt am Main, Stuttgart und vor allem München. In der bayerischen Landeshauptstadt ist die Armutsquote zwar zuletzt ebenfalls leicht gestiegen, sie liegt aber mit rund 12 Prozent noch klar unter dem Bundesdurchschnitt. ...

QuoteDie Armut ist nicht vom
fwittkopf heute, 11:12 Uhr
Himmel gefallen. Die Politik hat modernisiert, privatisiert, globalisiert, europäisiert, oder wer nicht arbeitet, soll nicht essen (Müntefering, SPD) ...

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492.html#post11342839


Quoteeisfach heute, 11:34 Uhr
Das ist nicht irritierend, das ist die logische Konsequenz der Hartz-IV-Gesetzgebung. Das ist erst recht nicht irritierend, da es politisch nicht nur gewollt, sondern dieser Wille auch kommuniziert wurde: ---Zitat--- ...wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. (...) und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt. ---Zitatende--- (Gerhard Schröder, World Economic Forum Davos, 28.01.2005)

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-3.html#post11343069


QuoteKTRoadkill heute, 11:37 Uhr
"Besonders irritierend sei, dass die Armut weiter gestiegen ist, obwohl die Arbeitslosigkeit zurückging." Irritierend? Irritierend. Wenn Arbeitnehmer von einer Vollzeitstelle nicht mehr leben können und gemäß o. a. Definition als "arm" gelten, dann sch... was auf deren Produktivität, dann ist das einfach nur eine Schande für eine Gesellschaft, die nach wie vor den Anspruch an sich selbst stellt, "sozial" zu sein. Ich persönlich fühle mich in einer "sozialen" Gesellschaft wohl, aber das Deckmäntelchen "Niedriglohnsektor" wärmt eben nicht. Chance gehabt, Chance vertan. Und ich hab kein Lust mehr, mir von den Apologeten der Leistungsgesellschaft täglich deren "lohnendes" Dummgeschwätz anzuhören. Im Kapitalismus wird es immer Verlierer geben, die unverschuldet in eine Situationn geraten sind, obwohl sie nicht rechtzeitig den neuesten Trend erkannt haben. Ich habe z. B. keine Lust mehr, ausgebildeten Facharbeitern vorzuwerfen, dass sie vor 20 Jahren nicht erkannt haben, dass in 20 Jahren ihre Facharbeit nichts mehr wert sein wird. Dass sie dann vielleicht umschulen müssen und nach ihrer Umschulung nicht mehr ihr Facharbeitergehalt von zuvor erreichen werden, weil ihre Expertise nicht hoch genug ist und wegen ihres Alters auch nie mehr hoch genug sein wird. Genug ist genug. Wenn wir wieder "sozial" werden wollen als bundesrepublikanische Gesellschaft, brauchen wir Ideen. Die Märkte "von der Leine" zu lassen, weil die Arbeit in Deutschland zu teuer geworden war, hat zu wenigen zu viel gebracht. Umverteilung vom allermiesesten. Turbo-Kapitalismus, Markt-Radikalisierung, Wirtschaftsliberalismus: tolle Resultate für wenige. Das ist asozial. Natürlich ist nicht jeder Hartz-IV-Empfner unverschuldet in seine Situation geraten. Natürlich verdient nicht jeder, der im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, sein Gehalt. Nicht alle Beschäftigten sind angemessen und eindeutig nachweisbar produtkiv und holen ihre Lohnkosten wieder rein. Schwarze Schafe, Laumänner und Mitlaufende wird es immer geben. Wovon wir als Gesellschaft aber im Moment zuviel haben, sind rücksichtslose Egoisten, für die "Banker" und "Manager" noch ein viel zu harmloses Schimpfwort ist. ....

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-3.html#post11343097


QuoteHeute morgen in einem öffentl. WC in Köln...
unangepasst heute, 12:00 Uhr

[Zitat von lordofaiur] Verdammt nervt dieser Mist. Es gibt keine Armut in Deutschland! Hier muss keiner verhungern und nur weil sich einer kein IPhone leisten kann ist er noch nicht arm.

...fiel mir eine deutsche Frau auf, welche sich dort sehr gründlich wusch und ihre Zähne putzte. Ihre Habseligkeiten verstaute sie in 2 Plastiktüten. Darauf angesprochen klärte sie mich auf, daß sie z.Zt. obdach- und arbeitslos wäre und sie sich keine Unterkunft mit Waschgelgenheit leisten könne. Die Benutzung dieser beheizten WC Anlage kostet 50 Cent. sprich 15,-€ im Monat! Das ist Armut!


Quotespon-facebook-10000283853 heute, 12:04 Uhr

[Zitat von fwittkopf] .... Die Politik hat modernisiert, privatisiert, globalisiert, europäisiert, oder wer nicht arbeitet, soll nicht essen (Müntefering, SPD)...

Es ist ein Rätsel der modernen Zeit, dass Leute so etwas nach den sozialistischen Versuchen der Vergangenheit immer noch im Brustton der Überzeugung verbreiten. Vor allem, da deutlich ist, dass die Globalisierung nachweislich mehr Vorteile als Nachteile hat - die Preise des täglichen Bedarfs sind so gesunken, dass sie zumindest noch ein Gegengewicht zur Inflation bieten. Wenn die großen Arbeitgeber nicht nach China oder in andere Länder verkaufen könnten, wären Deutschland mit den vielen Transferleistungsbeziehern längst platt. Aber man wünscht sich die gleichmäßige Verteilung der Armut, weil man dann zumindest nicht auf den Nachbar neidisch sein müsste.

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-5.html#post11343459


Quotesaxae heute, 12:07 Uhr
Liebe SpiegelOnline Redaktion: Gibt es eine Absprache mit wem auch immer, dass mindestens einmal pro Woche eine "Armutsstatistik" für Deutschland herausgegeben wird? Mal sinds Kinder, mal Städte, mal Regionen, mal Bildung.... Das nervt unendlich!!!! Und bitte grenzt endlich den allgemeingültigen Begriff "Armut" zu dieser Statistikarmut ab. Wir hier in Deutschland schwelgen in purem Luxus. Schon soweit, dass man das nicht mal mehr mitbekommt. Und nein, beim Großteil der Weltbevölkerung gehören Dinge wie Computer, Fernseher, Auto, Microwelle....und dergleichen mehr nicht zur Grundausstattung. Wer nur eines davon in Deutschland nicht hat, fühlt sich sicher arm und wird mit diesen verqueren Statistiken gestützt.

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-5.html#post11343489


QuoteJohn2k heute, 12:08 Uhr

[Zitat von unangepasst]...fiel mir eine deutsche Frau auf, welche sich dort sehr gründlich wusch und ihre Zähne putzte. Ihre Habseligkeiten verstaute sie in 2 Plastiktüten. Darauf angesprochen klärte sie mich auf, daß sie z.Zt. obdach- und arbeitslos wäre und sie sich keine Unterkunft mit Waschgelgenheit leisten könne. Die Benutzung dieser beheizten WC Anlage kostet 50 Cent. sprich 15,-€ im Monat! Das ist Armut!

Die Politiker würden sagen, dass da noch Sparpotential drin ist. Die Leute sollen sich doch nicht so haben und bloß jeden zweiten Tag einen Luxus wie einen Toilettenbesuch leisten. Dann kommt man locker mit 7,50€ aus. Früher gabs das schließlich auch nicht und in Afrika gibts nicht mal beheizte Toiletten :-)

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-6.html#post11343507


QuoteArm? Arm!
Sharoun heute, 12:09 Uhr

[Zitat von caledonian2010]Im Rest Europas greift dieses Deutschlandbild: der Wohlstands-Fels in der Brandung tatsächlich noch, aber neuerdings bekommt man Statements von ehemals Deutschland bewundernden Europa-Reisenden, Nichtdeutschen, zu lesen wie: "Dieses Land ist nicht das Land, für das es gehalten wird. Wir haben in keinem anderen europäischen Großstädten so viele Bettler etc. pp. auf der Strasse gesehen." Von der Realität in DE, von der sie (dank positiver Projektionen) nichts ahnten, sind viele Europäer mittlerweile entsetzt. Das glorifizierte Bild, das das deutsche Machtkartell dank Medienmacht, in Europa über DE kommuniziert hat, bricht auch dort allmählich zusammen.

Nun: jenseits der sehr materiell geführten Armutsdebatte hier bleibt festzustellen, daß die Deutschen zunehmend verzweifelt um die Aufrechterhaltung eines normalen, bürgerlichen Lebens bemüht sind. Dazu ist es in bestimmten Gegenden (die sich ausweiten) nötig, alles, was nicht zum Überleben gebraucht wird, einzustellen. Und so kommt es eben, daß selbst in mittelgroßen Städten die Restaurants und Kneipen leer bleiben (und irgendwann dichtmachen), Kinos und Theater mangels Besucher in Schieflage geraten; ja generell immer weniger Menschen noch in ihrer Freizeit irgendetwas anstellen außer zu Hause zu bleiben und vor der Glotze SOZIAL zu VERARMEN. Speziell in Ostdeutschland - wo früher jede Bar und jede Kneipe rammelvoll war - ist das ganz extrem zu beobachten. Ganze Landstriche werden zu Altersheimen, in denen man keine Menschen mehr auf den Straßen sieht - sofern sie dort nicht sein müssen. Deutschland ist seit über 2 Jahrzehnten im Winterschlaf; und es wird immer schlimmer!

http://forum.spiegel.de/f22/sozialstudie-deutschlands-staedten-waechst-die-armut-75492-6.html#post11343522





Aus: "In Deutschlands Städten wächst die Armut" (14.11.2012)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wsi-studie-in-deutschlands-staedten-steigt-die-armutsquote-a-867074.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wsi-studie-in-deutschlands-staedten-steigt-die-armutsquote-a-867074.html)
Title: [Ein ganz normaler Vorgang... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 28, 2012, 09:52:22 AM
Quote[...] Die Bundesregierung hat nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung kritische Passagen zum Auseinanderdriften der Einkommen aus dem Entwurf ihres Armutsberichts gestrichen. Während in einer ersten Fassung des Arbeitsministeriums noch die Formulierung "die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt" aufzufinden war, fehlt die Passage in dem überarbeiteten Entwurf vom 21. November.

Auch Aussagen zur Lohnentwicklung wurden offenbar gestrichen. Getilgt wurde etwa diese Passage: "Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat zugenommen." Diese verletze "das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung" und könne "den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden". Stattdessen heißt es nun lediglich, es sei "kritisch zu sehen", dass für manche Alleinstehende ein Vollzeitjob nicht für die Sicherung ihres Lebensunterhalts reicht. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass im unteren Lohnbereich viele Vollzeitjobs entstanden seien.

Auch die Information, dass im Jahr 2010 in Deutschland knapp mehr als vier Millionen Menschen für weniger als sieben Euro brutto die Stunde arbeiteten, wurde aus dem Bericht gestrichen.

Die erste Fassung war im Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) geschrieben und dann im September den anderen Ressorts vorgelegt worden. Bereits zu dem Zeitpunkt hatte es wegen des Textes in der Koalition Streit gegeben, weil ein Satz als Plädoyer für eine Vermögenssteuer verstanden worden war.

Die Süddeutsche Zeitung zitiert den FDP-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der Bericht habe nicht "der Meinung der Bundesregierung" entsprochen. Ein Ministeriumssprecher sagte, es habe bei der Ressortabstimmung Veränderungswünsche gegeben. Dies sei "ein ganz normaler Vorgang".

Quote
    omnibus
    28.11.2012 um 8:36 Uhr

Sprache war schon immer ein Machtmittel.
Die Aussage, der Armutsbericht entspreche nicht "der Meinung der Bundesregierung" ist unfreiwillig komisch.
Ich freue mich schon auf die nächsten Kabarettsendungen, das war wirklich eine Steilvorlage für jeden Kabarettisten!



Aus: "Bundesregierung schönt Armutsbericht" (28.11.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-11/armutsbericht-bundesregierung-aenderungen (http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-11/armutsbericht-bundesregierung-aenderungen)

Title: [Der Bericht soll einen Gegenentwurf zum offiziellen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 18, 2012, 08:59:17 PM
Quote[...] Die Armut in Deutschland pendelt sich nicht nur auf hohem Niveau ein. Sie wird auch schöngerechnet von der Regierung und ist politisch gewollt – so lautet die Kritik der Nationalen Armutskonferenz (nak) in ihrem Schattenbericht [http://nationalearmutskonferenz.de/index.php/77-ueber-die-nak/242-14122012-die-im-schatten-sieht-man-nicht-der-4-armuts-und-reichtumsbericht-der-bundesregierung (http://nationalearmutskonferenz.de/index.php/77-ueber-die-nak/242-14122012-die-im-schatten-sieht-man-nicht-der-4-armuts-und-reichtumsbericht-der-bundesregierung)].

Der Bericht soll einen Gegenentwurf zum offiziellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung darstellen. Die nak kritisiert, dass die Armutsquote seit Jahren zwischen 14 und 16 Prozent liegt. Wer in Deutschland arm ist, bekomme laut dem Bericht immer weniger Chancen, der Armut zu entfliehen. Vizesprecherin Michaela Hofmann spricht von einem Skandal. Nach ihrer Einschätzung ist "Armut politisch gewollt".

Abzulesen sei das aus Hofmanns Sicht an den unzureichenden Hartz-IV-Sätzen und dem ausufernden Niedriglohn-Bereich. Kinder hätten auch nach der letzten Hartz-IV-Reform und dem damit verbundenen Bildungs- und Teilhabepaket "keine Chance, aus dem Armutskreislauf herauszukommen", sagte Hofmann.

Inzwischen arbeitet laut dem Bericht jeder Vierte im Niedriglohnsektor. Etwa 7,6 Millionen Menschen – 9,3 Prozent der Bevölkerung – erhalten staatliche Leistungen zur Sicherung ihres Existenzminimums.

Die nak ist ein Zusammenschluss von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften. Sie fordert unter anderem gesetzliche Mindestlöhne, höhere Regelsätze und Förderprogramme gegen Wohnungsnot.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium hat sich am Dienstag zum Thema Altersarmut geäußert: Altersarmut sei derzeit kein drängendes Problem, heißt es in dem Gutachten, das dem NDR vorliegt. Wenn es zum Problem werden sollte, sei das in erster Linie auf die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Dann könnten Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sein. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte Altersarmut in der jüngsten Zeit häufig zum Thema gemacht. Sie schlägt zur Lösung des Problems eine Zuschussrente vor.

...

Quote
    cafedelsur
    18.12.2012 um 14:52 Uhr

9. Der Abstieg

"Die Aufstiegschancen für Arme sind gering"

Die Abstiegschancen sind da ungleich höher:

,,Die Mittelschicht in der Bundesrepublik ist in den vergangenen Jahren um mehr als fünf Millionen Menschen kleiner geworden. Laut einer DIW-Studie profitiert nur noch eine kleine Elite vom wachsenden Wohlstand."

Einkommensverteilung Deutschlands Mittelschicht schrumpft dramatisch (13.12.2012)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/diw-studie-mittelschicht-schrumpft-ungleichheit-nimmt-zu-a-872641.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/diw-studie-mittelschicht-schrumpft-ungleichheit-nimmt-zu-a-872641.html)


Quote
    Hadraniel
    18.12.2012 um 14:55 Uhr

Moderner Feudalismus

Ohne Armut gibt es keinen Reichtum. Wenn alle Bürger (zumindest mehr oder weniger) über einen gewissen Wohlstand verfügen, gibt es keine Existenzängste mehr. Ohne stetige, wenigstens latente Existenzängste ist es aber schwierig, Macht über Menschen auszuüben.

8000 Jahre nach den ersten Anzeichen von "Zivilisation" beim homo sapiens geht es damals wie heute nur um eines: Macht.

Anders ist es nicht zu erklären, daß trotz inzwischen 100.000fach erhöhter Produktivität, auch heute noch Menschen 35 bis 80 Stunden die Woche arbeiten müssen, und ein nicht unsignifikanter Teil dabei nichtmal ohne Transferleistungen auskommt, oder gar in Sklavenhaltung dahinvegetiert.

Nie waren Sklaven so billig wie heute, nie so ersetzbar, im Überfluss vorhanden.

Das Finanzsystem ist dabei mit Absicht so konstruiert, daß es diese Zustände manifestiert, und die Reichen und Mächtigen unangetastet bleiben.

Die Decke der Zivilisation ist dünn.

,,Die Wenigen, die das System verstehen, werden so sehr an seinen Profiten interessiert oder so abhängig sein von der Gunst des Systems, dass aus deren Reihen nie eine Opposition hervorgehen wird. Die grosse Masse der Leute aber, mental unfähig zu begreifen, wird seine Last ohne Murren tragen, vielleicht sogar ohne zu mutmassen, dass das System ihren Interessen feindlich ist." Baron Rothschild


Quote
    Patrick_Bateman
    18.12.2012 um 15:00 Uhr

Langsam aber sicher habe ich das Gefühl, dass die ZEIT-Redaktion gelinde gesagt, ein bisschen am Rad dreht. Jeden Tag ein neuer Beitrag zum Thema Armut in Deutschland. Als Aufmacher ein Obdachloser unter seiner Decke oder mit Einkaufswagen. Um Obdachlose geht es in den Armutsberichten noch nicht einmal.

Wem wollen Sie denn das als Realität verkaufen? Ich lebe zufällig auch in Deutschland und meine und die der anderen Menschen ist ein komplett andere.


Quote

    Karl63
    18.12.2012 um 15:22 Uhr

Alles eine Frage der Wahrnehmung

selbstverständlich gibt es in der Bundesrepublik immer noch eine Mehrheit, die in relativem Wohlstand lebt. Der Punkt ist aber, dieser Wohlstand ist inzwischen (messbar) deutlich ungerechter Verteilt als noch vor 25 Jahren.
Dieses Problem schwelt nicht erst seit den nach P. Hartz benannten "Arbeitsmarktreformen" vor sich hin, die stetige Expansion des Niedriglohnsektors ist schon seit der Wiedervereinigung im Gange - auch darüber gibt es Statistiken und es ist die Aufgabe von Medien wie der ZEIT, solches zu publizieren.
Eine kurze Suche im Web führt ganz direkt zur Statistik der "Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II im Jahresdurchschnitt von 2005 bis 2012"
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1396/umfrage/leistungsempfaenger-von-arbeitslosengeld-ii-jahresdurchschnittswerte/ (http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1396/umfrage/leistungsempfaenger-von-arbeitslosengeld-ii-jahresdurchschnittswerte/)
Dort lässt sich ganz direkt ablesen, die Anzahl der Betroffenen hat sich seit 2005 in sehr viel geringerem Maße verringert, als die Anzahl der kurzfristig Arbeitslosen. Dies ist nur ein Indikator von vielen, der zeigt wie sehr sich Armut in dieser Gesellschaft verfestigt hat.
Wie gesagt, alles eine Frage des Blickwinkels und wer genau genug hinsieht, kann durchaus nachvollziehen worauf der Artikel abzielt.


Quote

    ffes
    18.12.2012 um 15:58 Uhr

Kampagnefähigkeit
Hier geht es nicht um die Armut oder die Armen sondern um die Mobilisierung des buntlinken Milieus.



Quote

QuoteTangens alpha
    18.12.2012 um 16:11 Uhr

Auch ich lebe in Deutschland und erlebe um mich herum nur Wohlstand und gut organisierten Wohlfahrtstaat.
Gerade der 4. ARB zeigt die positive Entwicklung, vorausgesetzt man lässt die linken Scheuklappen im Karl Liebknecht Haus oder in der Wilhelm-Leuschner-Str. und schaut die Zahlen unvoreingenommen an.

Es ist allerdings schon eine Frechheit hier "politischen Willen" zur Armut zu unterstellen, nur um die üble Forderung nach ungerechter Umverteilung zu reklamieren (O-Ton "Armut ist falsch verteilter Reichtum"). Alleine die vielen (falschen) Forderungen, die identisch mit denen der politischen Linken sind, disqualifizieren NAK für den problemorientierten Dialog

Wir haben unseren Reichtum verdient und nicht, wie hier suggeriert wird, von jemandem "verteilt" bekommen und schon gar nicht durch Erzeugung von Armut bei anderen erhalten. Solche Aussagen sind beleidigend und wir sehen in der Umkehr diese Formulierung als Aufforderung zum Diebstahl.

Unsere Konsequenz - Keine der dort unterzeichnenden Organisationen wird dieses Jahr und fürderhin von uns eine Spende erhalten und wir werben auch für entsprechendes Verhalten bei allen unseren Geschäftskontakten.

Wir würden uns natürlich über Unterstützer freuen - bitte folgen Sie unserem Beispiel

Da wir uns und unsere Partner nicht zur Gruppe der Armen zählen, hoffen wir, das der Wegfall der Spenden tüchtig schmerzt und Anlass zur Nachdenklichkeit gibt, wer eigentlich Geldgeber ist. Vielleicht gibt das Anlass zur Ein- und Umkehr.


Quote
    cafedelsur
    18.12.2012 um 15:02 Uhr

Wachsender Wohlstand bei gleichzeitiger Verarmung breiter Bevölkerungsschichten

,,Die Deutschen werden reicher: Das Nettovermögen der privaten Haushalte hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt - auf 10 Billionen Euro. Doch der Armutsbericht der Bundesregierung zeigt auch, wie ungleichmäßig der Wohlstand verteilt ist. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen verfügen über mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, der unteren Hälfte der Haushalte bleibt gerade mal ein Prozent. Und auch der Staat wird immer ärmer."

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neuer-armuts-und-reichtumsbericht-der-bundesregierung-reiche-trotz-finanzkrise-immer-reicher-1.1470673


Quote
    ibsche
    18.12.2012 um 15:02 Uhr

Ja wenn nur Geringqualifiziert betroffen sind...

"Dann könnten Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund betroffen sein"

Diese Lüge wird auch nicht besser, desto häufiger sie wiedergegeben wird.
Im Niedriglohnsektor arbeiten mittlerweile sehr viele, sehr gut ausgebildete Leute, weil sie entweder keinen
anderen Job finden oder über 50 Jahre alt sind. Davon mal abgesehen, frage ich mich was man mit dieser Aussage suggerieren will?
Soll es uns etwas umformuliert sagen: Wer dumm ist, hat halt Pech gehabt und wird nicht mehr länger in unserem sozialdarwinistischen System
mit durchgefüttert!? Das System muss sich den unterschiedlichen Eigenschaften der Menschen anpassen und nicht umgekehrt. Es wird immer
gering qualifizierte Menschen geben und ich möchte weiterhin, dass diese Leute in diesem Land anständig leben können. Diesen Luxus konnten und können wir uns
nach wie vor sehr gut leisten, man schaue sich das steigende BIP und die steigende Produktivität an. Es muss nur wieder ein politischer Wille dahinterstehen, die Verteilung des vorhandenen Geldes gerechter zu gestalten. Aber ich glaube die armen Menschen müssen weiterhin als Drohpotenzial für die Mittelschicht herhalten, damit diese aufgrund ihrer Angst selbst arm zu werden, nicht aufmüpfig wird.


Quote
    at engel
    18.12.2012 um 15:51 Uhr

Armut ist Standortfaktor

Natürlich ist Armut politisch gewollt. Würde zwar keiner so sagen, weil der Begriff moralisch besetzt ist, aber arme Menschen drücken natürlich auf Dauer die Löhne, weil sie praktisch jede Arbeit unter egal welchen Bedingungen annehmen. So gesehen ist Armut - Arbeitslosigkeit und der Niedriglohnbereich für Technokraten - ein entscheidender Standortfaktor. ...


Quote
    Dr. Michael Neunmüller
    18.12.2012 um 15:55 Uhr

Politisch geförderte Armut ist die - für die nicht Betroffenen - billigste Form der Inflationsbremse.


Quote
    Dottie
    18.12.2012 um 16:27 Uhr

Natürlich ist die Armut gewollt, weil es letztendlich die Politik selbst war, die dem Niedriglohnsektor Tür und Tor öffnete und die Rechte der Arbeitnehmer kontinuierlich abgebaut hat. Ohne Lohndumping gäbe es keinen Wettbewerbsvorteil für die deutsche Exportwirtschaft. Menschen gehen heute für 7 Euro brutto die Stunde arbeiten und wissen nicht, ob sie morgen noch einen Arbeitsplatz haben, oder bei der nächsten Leiharbeitsfirma vorstellig werden müssen. Nebenher sollen sie auch noch Kinder kriegen, für die Rente vorsorgen und die Rechnung für die Energiewende bezahlen. Das eigentlich Perverse an der ganzen Sache ist, dass die Medien noch die Mittelschicht gegen die Unterschicht und Friseuse gegen Hartz-IV-Empfänger ausspielen und diesen Menschen das Märchen vom Leistungsprinzip vorgaukeln, um die Spirale immer weiter nach unten zu drehen. Als ob ein Niedriglöhner jemals aus der Misere herauskommt. Das ist Sozialdarwinismus pur und genauso ein Luftschloss wie die Geschichte vom amerikanische Traum.


...


Aus: "Nationale Armutskonferenz - "Armut ist politisch gewollt"" (18.12.2012)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-12/nationale-armutskonferenz-bericht (http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-12/nationale-armutskonferenz-bericht)

Title: [Zehn Jahre später... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 11, 2013, 05:31:40 PM
Quote[...]  "Für einen Norddeutschen etwas pathetisch formuliert: Es geht um die Bändigung von Fliehkräften in unserer Gesellschaft. Oder banaler gesagt: Es geht darum, wie halten wir diesen Laden zusammen", sagte Steinbrück bei der Vorstellung des SPD-Regierungsprogramms. "Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft ist aus dem Lot geraten."

...

Quote
   KaffeeAusToGo
   11.03.2013 um 16:15 Uhr

Die Fliehkräfte, die ich rief ....

Es ist bei der SPD inzwischen wie bei der Linken. Solange sie nicht ehrlich und kompromisslos die Fehler ihrer Vergangenheit eingesteht und bereut, bleibt sie unglaubwürdig und verdient kein echtes Vertrauen.

Wer ständig in Fettnäpfchen tritt, dem fallen offensichtlich auch die Widersprüche nicht auf, die sich daraus ergeben, die Agenda 2010 nach wie zu begrüßen und gleichzeitig soziale Gerechtigkeit herstellen zu wollen.

Nochmal, solange die SPD sich nicht dazu bekennt, eben jene Fliehkräfte, welche die Gesellschaft allmählich auseinander zu reissen drohen, selbst mit verursacht zu haben, solange wird sie ihre Machtfantasien [...] nicht ausleben können. ...


Quote
   titanicus
   11.03.2013 um 16:54 Uhr

Anknüpfungspunkt an soziale Interessen verloren

Wie will Peer Steinbrück einen Gerechtigkeitswahlkampf führen? Die SPD steckt in einem Dilemma, in das sie im Juni 1999 mit dem Schröder/Blair-Papier, der theoretischen Vorwegnahme der Agenda-Politik, gestürzt wurde. Mit der Imitation von New Labour durch Gerhard Schröder kehrte die SPD ihrer Stammklientel, der Arbeitnehmerschaft und damit auch den Gewerkschaften, den Rücken. Seit jenem Bruch hat die Partei jeden Anknüpfungspunkt an soziale Interessen verloren. Das war keine Richtungsänderung, da wurde der SPD-Zug auf ein völlig neues Gleis gesetzt.
Seither büßte die SPD ein Drittel ihrer Mitglieder ein (jetzt noch 488000). Der Altersdurchschnitt liegt mittlerweile bei 58 Jahren. Die intellektuelle Auszehrung ist unausweichlich, da jeder, der sich dem New-SPD-Kurs nicht fügt, in dieser Partei keine Aussichten hat.
So ist es kein Wunder, dass mit Steinbrück nur ein Kandidat dieses Kurses übrig blieb. Er mag es mit seinen Aussagen zum Thema ,,soziale Gerechtigkeit" sogar ernst meinen, er steckt aber in der Glaubwürdigkeitsfalle. Eine Partei, die in der Regierungsverantwortung die Grundlagen für die Zunahme der Armut legte, kann nicht den geschönten Armutsbericht einer nachfolgenden Regierung kritisieren.
Es unwahrscheinlich, dass Steinbrück enttäuschte Stammwähler zurückholt oder neue dazugewinnt. Die Aussichten für die alte Tante SPD sind schlecht, Besserung ist nicht in Sicht. Vor allem, wenn jetzt auch noch Altzkanzler Schröder gefeiert wird.



Aus: "Steinbrück will Gerechtigkeitswahlkampf führen" (11.03.2013)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-03/spd-wahlprogramm-steinbrueck (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-03/spd-wahlprogramm-steinbrueck)

-.-

Quote[...]  ,,Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen", verkündete er damals.

Zehn Jahre später gelten die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Reform der sozialen Sicherungssysteme als ein Erfolg, der Deutschlands Wirtschaftsboom erst möglich machte.

Doch Schröders eigene Partei bezahlte einen hohen Preis für seine Entschiedenheit. Die Gewerkschaften gingen ebenso auf Distanz zur SPD wie viele Stammwähler und lang gediente Funktionäre. Die sozialdemokratische Abspaltung ,,Wahlalternative für soziale Gerechtigkeit" fusionierte mit der PDS zur Linkspartei, mit der Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine seinen alten Genossen das Leben schwer machte. Die Erosion seiner Machtbasis in der SPD war der wesentliche Grund dafür, dass Schröder 2005 die Flucht nach vorne antreten musste und nach der Wahl das Kanzleramt verlor.

... Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatten gemeinsam entschieden, den Ex-Kanzler einzuladen. Besonders über den Besuch freuen dürfte sich Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der seine Partei früher vehement vor Korrekturen der Agenda gewarnt hatte. Der Ex-Finanzminister würdigt Schröders Mut auch heute noch regelmäßig in SPD-Veranstaltungen – und erhält dann auch Applaus, der allerdings nie frenetisch ausfällt.

...


QuoteSchröders Erbe: Hartz IV
Mit seiner "Agenda2010" hat er Hartz IV eingeführt.

   ,,Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen", verkündete er damals.

Das Ergebnis kennen wir!
■ Das Arbeitslosengeld wurde von 36mon auf 12mon gekürzt
■ Die Arbeitslosenhilfe wurde mit der Sozialhilfe zusammen gelegt
■ Hartz IV gibt es erst, wenn der Bürger sein Vermögen (LV, Eigenheim, Erspartes, etc.) aufgebraucht hat.
■ Rentenkürzung
■ Rente mit 67
■ Praxisgebühr und Zusatzbeiträge
■ Einladung der "Heuschrecken"
■ Deregulierung der Finanzmärkte
■ 1€-Jobs
■ Ich-AG (Scheinselbstständige)
■ Niedriglohnsektor

...



Aus: "Schröders Erbe" Hans Monath (Montag, 11. März 2013)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/schroeders-erbe/7905934.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/schroeders-erbe/7905934.html)

-.-

Quote[...] "Der Umbau des Sozialstaates und seine Erneuerung sind unabweisbar geworden. Dabei geht es nicht darum, ihm den Todesstoß zu geben, sondern ausschließlich darum, die Substanz des Sozialstaates zu erhalten." Gerhard Schröder hat das gesagt, als er in seiner Regierungserklärung am 14. März 2003 die "Agenda 2010" verkündete.

Zehn Jahre später ist klar: Das Ziel wurde verfehlt. Der Sozialstaat ist ausgehöhlt. Deutschland ist auf dem Weg zur Klassengesellschaft. Wir sollten uns an den Begriff wieder gewöhnen. Die Zeiten, in denen ein sozialpolitisch eingehegter Kapitalismus "Wohlstand für alle" (Ludwig Erhard) zumindest möglich erscheinen ließ, sind vorbei. Die Ära der sozialen Marktwirtschaft ist beendet.

Eine große Enteignung hat stattgefunden. Aber in Deutschland sind nicht die Reichen enteignet worden. Sondern das Volk.

Der "Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung", der in der vergangenen Woche vorgelegt wurde , legt davon Zeugnis ab. Man muss genau hinsehen, um die traurige Botschaft des Berichts zu entziffern. Die Regierung hat sich in den vergangenen Monaten viel Mühe gegeben, die Lage zu schönen und zu manipulieren.

Aber an der Wahrheit konnte sie nichts ändern: Deutschland ist ein ungerechtes Land. 1970 besaß das oberste Zehntel der (West)-Deutschen 44 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens. 2011 waren es 66 Prozent. ...

... Was sind schon Zahlen im Vergleich zu Interessen? Und was ist schon die Wirklichkeit im Vergleich zu den Strukturen der Macht? Die Industrie, die regierenden Parteien, große Teile der Medien, willfährige Forscher und Institute - sie alle helfen, die Tatsachen zu leugnen, zu relativieren, zu ignorieren. Das Kartell der Profiteure ist so stark, dass es auf die Wirklichkeit keine Rücksicht mehr nehmen muss. Es schafft sich seine eigene Wirklichkeit.

...  Die Ideologen des Neoliberalismus reden gerne von Leistung, die sich lohnen soll. Aber wir leben nicht in einer Leistungsgesellschaft, sondern in einem Ständestaat. In seiner Agenda-Rede hatte Schröder vor zehn Jahren gesagt: "Es darf nicht so bleiben, dass in Deutschland die Chance des Gymnasialbesuchs für einen Jugendlichen aus der Oberschicht sechs- bis zehnmal so hoch ist wie für einen Jugendlichen aus einem Arbeiterhaushalt." Und heute sagt Sigmar Gabriel im Bundestag immer noch: "Dieser Sozialstaat muss alles dafür tun, damit ererbter Status nicht zum Schicksal wird. Wir wollen nicht, dass die Frage der Herkunft das Schicksal der Menschen bestimmt."

Die sozialpolitischen Ziele wurden verfehlt. Die wirtschaftspolitischen wurden erreicht. Die Agenda-Politik, die Schröder erfunden hat und die Merkel fortsetzt, hat Deutschlands Wirtschaft gestärkt, aber die Deutschen geschwächt.

An seiner erschütternsten Stelle zeigt der Armutsbericht, wie wenig Illusionen sich die Menschen über die deutsche Wirklichkeit machen. Wenn man sie nach den Gründen für Reichtum in der Gesellschaft fragt, nennt gerade mal ein Viertel besondere Fähigkeiten oder harte Arbeit. Eine viel größere Anzahl dagegen führt die Herkunft an (46 Prozent) oder das soziale Netzwerk (39 Prozent). Die ganz Enttäuschten halten gleich Unehrlichkeit (30 Prozent) oder die Ungerechtigkeit des Wirtschaftssystems (25 Prozent) für die Wurzeln des Wohlstands.

Was ist erschreckender: der Realismus der Menschen oder ihre Passivität?


Aus: "Sozialpolitik: Armutszeugnis für Deutschland"
Eine Kolumne von Jakob Augstei (11.03.2013)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-der-armutsbericht-ist-ein-armutszeugnis-a-888000.html (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-der-armutsbericht-ist-ein-armutszeugnis-a-888000.html)

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Quote[...] Die umstrittene Callcenter-Branche wächst - auch dank großzügiger Subventionen der Bundesregierung: 2011 flossen rund 36 Millionen Euro in den Sektor. Der Großteil waren Hartz-IV-Leistungen an Beschäftigte, deren Lohn nicht zum Leben reicht.

... Der größte Anteil der staatlichen Gelder fließt Regierungsangaben zufolge an Callcenter-Beschäftigte, deren Lohn nicht zum Leben reicht. So stockte die Bundesregierung 2011 den Lohn von Mitarbeitern der Branche mit 32,7 Millionen Euro Hartz-IV-Leistungen auf. Zwar arbeiten in Callcentern viele in Teilzeit oder als Minijobber. Aber selbst Vollzeitbeschäftigte erhielten den Angaben zufolge durchschnittlich 461 Euro pro Monat, weil sie sonst unter das Hartz-IV-Niveau gefallen wären.

Die Daten überraschen kaum, wenn man sich den Anteil der Callcenter-Beschäftigten anschaut, die ein Entgelt unterhalb der offiziellen Niedriglohnschwelle von 10,36 Euro brutto in der Stunde beziehen. Im Jahr 2010 - aktuellere Daten liegen nicht vor - waren es mehr als 68 Prozent. Der Niedriglohnanteil in Callcentern war damit dreimal so hoch wie in der Gesamtwirtschaft.

Neben den Hartz-IV-Leistungen bezuschusst der Staat die Callcenter zusätzlich. So gingen in den Jahren 2011/2012 noch mal rund fünf Millionen Euro als Fördermittel an die Branche, davon allein 3,4 Millionen Euro im Jahr 2011. In der Summe subventionierte der Staat die Firmen also in einem Jahr mit 36,1 Millionen Euro.

Die Fördergelder stammen aus Töpfen von Bund und Ländern zur "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Größte Profiteure waren die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Zu den geförderten Unternehmen zählen auch Callcenter großer deutscher Konzerne.

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Aus: "Aufstocker: Callcenter kosten den Staat jährlich 36 Millionen Euro"
Von Yasmin El-Sharif (11.03.2013)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/callcenter-kosten-den-staat-jaehrlich-36-millionen-euro-a-888076.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/callcenter-kosten-den-staat-jaehrlich-36-millionen-euro-a-888076.html)

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Quote[...] Peer Steinbrück will sich als Partner der Wirtschaft positionieren. Bei einem vertraulichen Treffen mit einem Dutzend Wirtschaftsgrößen am Mittwochabend hat er seine industriepolitischen Vorstellungen erläutert.
... Steinbrücks Botschaft, so berichten Teilnehmer, sei gewesen: Die Wirtschaft brauche keine Sorge vor einer SPD-Regierung zu haben, auch in der Steuerpolitik werde es keine Wende nach links geben. In der SPD-Zentrale hieß es zu dem Treffen, dass sich Steinbrück jetzt intensiver als ,,wirtschaftsnah" positionieren wolle. ...


Aus: "Steinbrück umgarnt die Wirtschaft bei Geheimtreffen" (21.02.2013)
Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wahlkampfvorbereitung-steinbrueck-umgarnt-die-wirtschaft-bei-geheimtreffen/7821436.html (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wahlkampfvorbereitung-steinbrueck-umgarnt-die-wirtschaft-bei-geheimtreffen/7821436.html)
Title: [Gesellschaftlich arrangierte Bedürftigkeit... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 11, 2013, 09:32:34 AM
Quote[...] Was haben der Genfer See, Castrop-Rauxel, ein Sammellager für Asylbewerber in Bayern, eine Suppenküche in Thüringen und ein Sozialkaufhaus an der belgischen Grenze gemeinsam? Es sind Stationen innerhalb der Entstehungsgeschichte des Buches Schamland – Die Armut mitten unter uns, das am 12. April erscheint.

Für viele ist Hartz-IV die existentielle Entlassungsurkunde aus der Mehrheitsgesellschaft. Früher oder später überschreiten sie eine magische Grenze, hinter der sich die Tafeln als vermeintlich letzte Lösung aufdrängen. Gerne werden deshalb Hartz-IV-Empfänger von Behörden auf die Tafeln verwiesen. Doch allein beim Gedanken an eine Tafel legen die meisten einen inneren Schalter um. Das eigene Leben rattert durch die imaginäre Rechenmaschine des sozialen Vergleichs. Am Ende wird ein tristes Ergebnis ausgespuckt: versagt!

Die Tafeln mögen ein logistisches Erfolgsmodell sein, weil sie es schaffen, Lebensmittel von A nach B zu transportieren und auszugeben. Aber trotz all dieser Bemühungen wird konsequent übersehen, dass Tafeln zu einem Symbol des sozialen Abstiegs geworden sind, das den gesellschaftlichen Misserfolg derjenigen schonungslos offenlegt, die bei Tafeln euphemistisch "Kunden" genannt werden. Und diese Menschen überlegen sich dann, was eigentlich mit ihnen passiert ist. Immer wieder hörte ich diese Klage: Wir stehen vor der Tafel, aber wir stehen auch vor dem Abgrund unseres eigenen Lebens.

So haben Tafeln für viele einen bitteren Beigeschmack, denn das dort Erlebte wiegt das Erhaltene nicht auf. Bei Tafeln haben viele das Gefühl, nicht im Mittelpunkt zu stehen, sondern eher im Weg. Tafeln sind schambesetzte Stressräume, in denen um kleinste Gaben konkurriert wird. Sozial ist das alles nicht. Sozial ist etwas, auf das ein Anspruch besteht. Almosen sind, auch bei aller Freundlichkeit und Nettigkeit, gerade nicht sozial. Letztlich sind Tafeln eine wirtschaftliche und politische, aber keine soziale Lösung. Tafeln sind nichts anderes als gesellschaftlich arrangierte Bedürftigkeit. Sie sind Verharmlosungsagenturen, die nicht für Gerechtigkeit sorgen, sondern das Bedürfnis nach Verdrängung bedienen.

... Schamland ist ein exemplarischer Blick in den unverstellten Rückspiegel der eigenen Gesellschaft. Es zeigt die Hinterbühne eines reichen Landes aus der Sicht der Menschen, die arm sind inmitten von Reichtum. Die Kernthese des Buches ist, dass Tafeln die Ersatzprogrammatik im sich schleichend auflösenden Sozialstaat sind, das moralische Nadelöhr der Gegenwartsgesellschaft.

... Die Tafeln geraten immer stärker in den Fokus von Menschenrechtsorganisationen. Die Menschenwürde wird durch zahlreiche Erfahrungen bei Tafeln beschädigt – dieses Bild zeigte ich mir auf meiner Reise eindrücklich. Das Menschenrecht auf soziale und kulturelle Teilhabe ist offensichtlich in Deutschland ebenso beschädigt, wenn Bürgerinnen und Bürger mit Sachleistungen abgespeist werden. Almosen sind keine angemessene Kompensation für Rechte.

Im März 2013 hatte ich Gelegenheit auf einem "Side Event" bei der UNO in Genf zu Tafeln und Menschenrechten zu sprechen. Nimmt man eine globale Perspektive ein, so wird die Paradoxie von Armut im Reichtum schlagartig evident. Vertreter der Länder des Südens können nicht verstehen, welche Rückentwicklung in ein vormodernes Almosensystem in den letzten 20 Jahren in Deutschland vor sich ging, während im Süden Armut bekämpft und Teilhabe verbessert wurde. Die Welt steht Kopf.

... Ein Ende der Tafelbewegung durch geplante Selbstauflösung ist nicht in Sicht. Die immer wieder bemühte Rhetorik von der eigenen "Überflüssigkeit" erweist sich lediglich als Ritual. Praktisch ist vielmehr ein hoher Verstetigungs- und Institutionalisierungsgrad ersichtlich – die Tafeln sind zu einem System geworden. Sie sind weder eine soziale noch eine ökologische Bewegung, auch wenn sie dies auf ihrer Pressekonferenz in Berlin am 23. April verkünden werden. Sie haben kein Ziel, dass auf Veränderung und Transformation zielt, sie setzen lediglich immerzu das Gleiche fort. Sie "retten" Lebensmittel, aber sie bekämpfen keine Armut.

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Aus: "Die Würde des Menschen ist unauffindbar" Stefan Selke (11.04.2013)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/38/38915/1.html (http://www.heise.de/tp/artikel/38/38915/1.html)

Title: [In der ersten Reihe... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 16, 2013, 02:41:24 PM
Quote[...] Jedes vierte Kind im Alter von unter fünf Jahren auf der Welt leidet nach einem neuen Bericht des UN-Kinderhilfswerkes Unicef an Unterernährung. 165 Millionen Kinder seien aufgrund von Mangelernährung bereits im Mutterleib oder während ihrer ersten Lebensjahre in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, heißt es in einem Bericht, der auf einer Konferenz zu Ernährungs- und Klimagerechtigkeit im Rahmen der irischen EU-Ratspräsidentschaft am Montag in Dublin vorgestellt wurde.

... Die Konferenz in Dublin, an der mehr als 100 Vertreter armer Regionen in der Welt teilnehmen, beschäftigt sich vor allem mit dem Zusammenhang von Unterernährung und Klimawandel. "Durch die schnellere Abfolge von Flutkatastrophen und Dürren, wird es schwieriger, Nahrung zu produzieren", sagte der irische Außenminister Eamon Gilmore, einer der Gastgeber. "Wir brauchen innovative Lösungen um die Bevölkerung in der ersten Reihe zu schützen", sagte er.

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Aus: "165 Millionen Kinder leiden an Unterernährung" (15. April 2013)
Quelle: http://www.stern.de/gesundheit/schaeden-durch-mangelernaehrung-165-millionen-kinder-leiden-an-unterernaehrung-1997634.html (http://www.stern.de/gesundheit/schaeden-durch-mangelernaehrung-165-millionen-kinder-leiden-an-unterernaehrung-1997634.html)

Title: [Bei der schweren Hungerkatastrophe in Somalia... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 02, 2013, 11:36:53 AM
Quote[...] Bei der schweren Hungerkatastrophe in Somalia zwischen Oktober 2010 und April 2012 sind mehr als eine Viertelmillion Menschen gestorben. Laut einem aktuellen Bericht der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) sowie der US-Organisation Hunger-Frühwarnsystem-Netzwerk (FEWS NET) starben in dieser Zeit 258.000 Menschen.

Dies sind weit mehr Menschen als bislang angenommen. Dem Hunger und der schweren Ernährungsunsicherheit seien 133.000 Kinder unter fünf Jahren zum Opfer gefallen, heisst es in dem Bericht.

Die UNO hatte im Juli 2011 die Krise in mehreren Regionen Somalias offiziell zur Hungersnot erklärt. Wie andere Staaten am Horn von Afrika litt das Land unter einer extremen Dürre, von der insgesamt mehr als 13 Millionen Menschen betroffen waren.

In Somalia starben Zehntausende Menschen, Hunderttausende flohen in die Nachbarländer. Im Februar erklärte die Uno die Hungersnot offiziell für beendet; Hunger und Dürre dauerten aber an.



Aus: "Mehr als 250.000 Tote durch Hungersnot in Somalia" (2. Mai 2013)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/un-bericht-mehr-als-tote-durch-hungersnot-in-somalia-1.1663218 (http://www.sueddeutsche.de/panorama/un-bericht-mehr-als-tote-durch-hungersnot-in-somalia-1.1663218)

Title: [Um sie an die Rechtslage zu erinnern... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 12, 2013, 04:48:14 PM
Quote[...] Schuldgefängnisse - und ihre mittelalterlichen Vorläufer, die Schuldtürme - sind seit dem 19. Jahrhundert passé. In den USA ist diese Praxis seit 1833 illegal, 1983 erklärte sie der Supreme Court für verfassungswidrig: Es sei "unfair", eine "mittellose Person wegen Zahlungsunfähigkeit zu inhaftieren".

Die Realität sieht anders aus. ... In 18 US-Staaten stecken die Gerichte Schuldner heute wieder gerne ins Gefängnis. Viele dieser Gerichte finden sich im Süden (Alabama, Arkansas, Florida, Tennessee) oder im Mittleren Westen (Illinois, Indiana, Minnesota, Missouri). ...

... Seit sich die ACLU und das Brennan Center hinter das Thema klemmen, horcht die Justiz auf. In Ohio traf sich Maureen O'Connor, die Vorsitzende des dortigen Obersten Gerichts, mit den Aktivisten und versprach nach Angaben Brickners, Merkkärtchen an die Richter zu verteilen, um sie an die Rechtslage zu erinnern ...


Aus: "Schuldnerhaft in den USA: Aus Armut in den Knast" Marc Pitzke, New York (12.06.2013)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/schuldgefaengnisse-in-den-usa-treffen-die-armen-a-904042.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/schuldgefaengnisse-in-den-usa-treffen-die-armen-a-904042.html)

Title: [ ...heißt es dazu im aktuellen Regelbedarfsbericht.]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 01, 2013, 12:25:28 PM
Quote[...] In Deutschland leben 3,1 bis 4,9 Millionen Menschen in verdeckter Armut. Das heißt, dass sie kein Hartz IV beantragen, obwohl sie wegen geringen Einkommens oder Vermögens Anspruch darauf hätten. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in aktuellen Simulationsrechnungen für das Arbeitsministerium. Umgerechnet verzichten zwischen 34 und 44 Prozent der Berechtigten auf staatliche Unterstützung, mehr als jeder dritte. Als mögliche Gründe, warum kein Leistungsantrag gestellt wird, nennen die IAB-Forscher in der 247-seitigen Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu erwartende Leistungshöhe oder –dauer.

Politisch bedeutsam sind diese Zahlen für die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze. Denn die richtet sich nach den Konsumausgaben der unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher – Hartz-IV-Empfänger werden dabei ausgenommen, um keine Verarmungsspirale in Gang zu setzen. Die Regelsatzberechnung war 2011 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert worden. Die Richter hatten damals auch festgestellt, dass die Einbeziehung von verdeckt armen Haushalten in die Referenzgruppe "die Datenbasis verfälschen" würde. Bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben solle der Gesetzgeber darauf achten, diese zu entfernen.

Dann müssten aber auch die Regelsätze steigen. Rechnet man die verdeckt Armen heraus, so steigen die Konsumausgaben bei Alleinstehenden laut IAB im Schnitt um bis zu 2,4 Prozent, bei Paaren mit einem Kind um bis zu 5,5 Prozent. Das Bundesarbeitsministerium bezeichnet die Zahl der verdeckt Armen als "beträchtlich", will aber die Berechnung nicht ändern. Würde diese Personengruppe herausgerechnet, "käme es durch die an deren Stelle nachrückenden Haushalte mit höherem Einkommen tendenziell zu einer Verlagerung der Referenzgruppe in den mittleren Einkommensbereich", heißt es dazu im aktuellen Regelbedarfsbericht, der am Mittwoch im Sozialausschuss beraten wurde.

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Aus: "Mehr als jeder Dritte verzichtet auf Hartz IV"  Cordula Eubel (01.07.2013)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/2013-06/verdeckte-armut-hartz-iv (http://www.zeit.de/politik/2013-06/verdeckte-armut-hartz-iv)

Title: [Der Erfolg ist schwierig zu messen... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 01, 2013, 10:06:48 AM
Quote[...]  Es war ein bedeutender Moment in der Geschichte der Vereinten Nationen: Die 55. Vollversammlung im September 2000 in New York wurde zum "Millennium-Gipfel". Auf der bisher größten Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs wurden erstmals konkrete, auf einen bestimmten Zeitrahmen bezogene Ziele zur Bekämpfung der größten Probleme der Menschheit formuliert. Im Zentrum stand die Bekämpfung von extremer Armut und Hunger. Die damals 189 Mitgliedstaaten unterzeichneten acht Ziele mit 21 Unterpunkten. Als Basisjahr wurde 1990 festgelegt, als Zieljahr 2015.

Seither zieht die UNO jährlich Bilanz, jeweils aus Anlass ihrer Vollversammlung, die am Dienstag in New York zu Ende geht. Der Zwischenstand: In fast allen Bereichen der sogenannten Millenniumsziele wurden im Vergleich zu 1990 Fortschritte erzielt. Bei genauerem Hinsehen stellt man aber fest: Konkret werden bis 2015 wohl nur drei der 21 Unterpunkte erreicht. Und die Zahlen des UN-Millenniumsberichts zeigen: Vor allem im südlichen Afrika ist die Lage weiter dramatisch.

Das erste und wohl wichtigste Millenniumsziel war die Halbierung der extremen Armut und des Hungers. Die Vereinten Nationen setzten sich das Ziel, zwischen 1990 und 2015 den Anteil der Menschen zu halbieren, deren Einkommen weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt - heute rechnet man aufgrund der Preisentwicklungen mit 1,25 Dollar. Dieses Ziel ist erreicht worden. Heute leben etwa 700 Millionen Menschen weniger in extremer Armut als 1990.

Dazu beigetragen hat vor allem die positive Entwicklung in Südostasien und China. In China wurde der Anteil von 60 Prozent auf 12 Prozent (2010) verringert. Ein Erfolg - allerdings leben immer noch 162 Millionen Chinesen in extremer Armut.

Große Sorge bereitet der südlich der Sahara gelegene Teil Afrikas. Noch immer leben dort 48 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut. Der Rückgang beträgt hier nur acht Prozent. Zudem ist die absolute Zahl extrem armer Menschen in der Region aufgrund des enormen Bevölkerungswachstums stark angestiegen: Von 290 Millionen auf 414 Millionen Menschen.

Extreme Armut entsteht oft durch einen Teufelskreis: Wer arm ist, findet durch fehlende Bildung und schlechte Gesundheit keinen Zugang zu produktiver Beschäftigung. Auch mit fehlenden Umweltressourcen, Krieg, Korruption oder schlechter Regierungsführung haben die Menschen in den Entwicklungsländern zu kämpfen.

Ebenfalls erreicht wurde das Ziel, den Anteil der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Noch immer müssen aber etwa eine Milliarde Menschen schmutziges Wasser trinken. Auch das Vorhaben, die Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern erheblich zu verbessern, konnte bereits lange vor 2015 umgesetzt werden - wobei die absolute Zahl der Slumbewohner wächst, auch wegen der zunehmenden Verstädterung.

Drei Erfolgsmeldungen also, doch wenn der derzeitige Trend beibehalten wird, werden die übrigen Ziele in den verbleibenden zwei Jahren nicht mehr erreicht. Unter anderem sollte allen Kindern der Welt der Abschluss einer Grundschulausbildung ermöglicht werden. Dies wird bis 2015 nicht der Fall sein. Allerdings gibt es hier deutliche Fortschritte, gerade auch in der Gleichstellung von Mädchen und Jungen. In Entwicklungsländern verlassen heute zehn Prozent der Kinder die Schule vor dem Ende der Grundschule, 1990 waren es noch zwanzig Prozent.

Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren und von Müttern konnte nicht so stark gesenkt werden wie erhofft. In Afrika stirbt immer noch jedes neunte Kind unter fünf Jahren, zumeist an vermeidbaren Krankheiten. Im Vergleich zu 1990 sind es weltweit aber 41 Prozent weniger. Die Zahl der Todesfälle von Müttern bei der Geburt ist fast halbiert worden, Ziel war allerdings ein Rückgang um drei Viertel. Klar verfehlt wird auch das Ziel, die Ausbreitung von HIV zum Stillstand zu bringen. Im südlichen Afrika infiziert sich jährlich jeder hundertste Mensch neu mit HIV, eine Behandlung erhalten in Entwicklungsländern nur 55 Prozent der Infizierten.

Auch ökologische Nachhaltigkeit war eines der Millenniumsziele. Davon kann momentan keine Rede sein. Der CO2-Ausstoß ist seit 1990 weltweit um mehr als 46 Prozent gestiegen. Fast ein Drittel der Meere ist überfischt und in Südamerika und Afrika werden jährlich Millionen Hektar Wald zerstört. Das Artensterben hält an. Immerhin stehen heute etwas mehr Land- und Meeresflächen unter Schutz als noch 1990.

Vereinbart wurde auf dem Millenniumsgipfel auch der Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft. Der Erfolg ist schwierig zu messen. Die öffentliche Entwicklungshilfe belief sich 2012 auf knapp 126 Milliarden Dollar - mehr als im Jahr 2000, aber weniger als noch 2011. Deutschland war 2012 mit 13,1 Milliarden Dollar nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Geberland. Der Anteil der Entwicklungshilfe an der Wirtschaftsleistung der Geberländer ist im Vergleich zu 1990 nicht gestiegen, zwischenzeitlich lag er sogar deutlich unter dem damaligen Wert.

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Aus: "Bilanz zu Millenniumszielen: Extreme Armut sinkt weltweit um die Hälfte" Jan Wittenbrink (01.10.2013)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/un-vollversammlung-in-new-york-zwischenbilanz-zu-millenniumszielen-a-924976.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/un-vollversammlung-in-new-york-zwischenbilanz-zu-millenniumszielen-a-924976.html)

Title: [Europa ist mit der schlimmsten humanitären... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 11, 2013, 01:30:06 PM
Quote[...] Hamburg - In Großbritannien sind offenbar immer mehr Menschen auf fremde Hilfe zum Überleben angewiesen. Laut einem Bericht der Zeitung "Independent" will das Rote Kreuz in diesem Winter erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder Lebensmittel sammeln und verteilen. Dazu würden freiwillige Helfer in Supermärkten um Essen und Trinken bitten. Die Wohltätigkeitsorganisation FareShare solle die Hilfspakete dann an Armenküchen im ganzen Land verteilen.

Auch in anderen Staaten Europas hat sich die Lage laut einer Studie der Internationalen Föderation von Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) drastisch verschlechtert. So sei die Zahl der Menschen, die von den nationalen Hilforganisationen in 22 Ländern mit Lebensmitteln versorgt würden, in den vergangenen drei Jahren um 75 Prozent gestiegen - von zwei auf 3,5 Millionen. Insgesamt könnten sich 43 Millionen Bürger in Europa nicht genug zu essen leisten.

"Europa ist mit der schlimmsten humanitären Krise seit sechs Jahrzehnten konfrontiert", ließ IFRC-Generalsekretär Bekele Geleta mitteilen. Die Hilfsorganisationen machen vor allem den drastischen Sparkurs vieler Staaten für den Notstand verantwortlich. "Wir verstehen zwar, dass die Regierungen sparen müssen", sagte Geleta, "aber wir raten dringend von willkürlichen Einschnitten in die Gesundheits- und Sozialsysteme ab."

Der Trend zu mehr Hunger und Armut sei in ganz Europa zu spüren, sagte Geleta, nicht nur in den eigentlichen Krisenländern. Laut der Studie ist die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, auch in Staaten wie Frankreich oder Deutschland gestiegen. Selbst Menschen mit einer Arbeitsstelle müssten immer häufiger um zusätzliche Unterstützung bitten.

Noch besorgniserregender sei die Situation aber in Ländern wie Griechenland, Italien oder Spanien. Allein in der italienischen Wirtschaftsmetropole Mailand seien mehr als 50.000 Menschen auf Lebensmittelhilfe angewiesen.

Wie ernst die Lage in Spanien ist, zeigt auch ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht der Caritas. Demnach habe sich die Zahl der extrem armen Menschen in dem Land seit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 verdoppelt. Mehr als sechs Prozent der spanischen Bevölkerung, etwa drei Millionen Menschen, hätten im vergangenen Jahr mit 307 Euro oder weniger im Monat auskommen müssen.

stk/dpa

QuoteRotes Kreuz verteilt Lebensmittel
wurzelbär heute, 12:36 Uhr
in England ! Um dem Ansehen nicht zu schaden, sagt man in Deutschland man geht zum Tafeln. Ist doch nichts anderes, hört sich aber besser an!

http://forum.spiegel.de/f22/erstmals-seit-zweitem-weltkrieg-rotes-kreuz-verteilt-lebensmittel-grossbritannien-102965-5.html#post13959730

Quote
52.
jueze71 heute, 12:42 Uhr
[Zitat von bombi_22]die große Verirrung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts namens Sozial-/Wohlfartsstaat hinter uns zu lassen. Merke: Erst wenn man selbst vor Hunger kaum denken kann oder sich die hungrigen Kinder in den Schlaf weinen, erblühen wieder Unternehmergeist, Eigeninitiative und Eigenverantwortung.....
Ich verstehe: Alle auf Dauer Hungernden sind faul, dumm und verantwortungslos.

Sie sind etwas ganz besonderes. Sie kamen ohne Hirn auf die Welt und haben dennoch schreiben gelernt.

http://forum.spiegel.de/f22/erstmals-seit-zweitem-weltkrieg-rotes-kreuz-verteilt-lebensmittel-grossbritannien-102965-6.html#post13959832

Quote
58.
james-100 heute, 12:53 Uhr
[Zitat von bombi_22]die große Verirrung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts namens Sozial-/Wohlfartsstaat hinter uns zu lassen. Merke: Erst wenn man selbst vor Hunger kaum denken kann oder sich die hungrigen Kinder in den Schlaf weinen, erblühen wieder Unternehmergeist, Eigeninitiative und Eigenverantwortung.....

Stimmt, soviel Eigenverantwortung wie die Zockerbankster, die Aktionäre, die Anleger und Investoren maroder Banken gezeigt haben. Die haben ja allesamt mit ihren Vermögen, Einlagen und Eigenkapital gehaftet.
http://forum.spiegel.de/f22/erstmals-seit-zweitem-weltkrieg-rotes-kreuz-verteilt-lebensmittel-grossbritannien-102965-6.html#post13960019

Quote. In den siebziger/achtziger Jahren ...
naseweiser heute, 13:03 Uhr
hatten wir in der EG/EU Getreide- und Fleischberge , Milch- und Weinseeen , die mit Milliardenaufwand verwaltet und schließlich teilweise exportiert bzw. verscherbelt werden mußten. Wie schafft es der homo sapiens sapiens eigentlich, durch eine Überproduktionskrise kombiniert mit Kaufkraftverlust von Millionen Menschen auf eine allgemeine Notstandssituation hin zuzusteuern ? Und das nicht zum ersten Mal . Müßte er nicht endlich drauf kommen , dass es am "System" liegen könnte? ...

http://forum.spiegel.de/f22/erstmals-seit-zweitem-weltkrieg-rotes-kreuz-verteilt-lebensmittel-grossbritannien-102965-8.html#post13960159


Aus: "Erstmals seit Zweitem Weltkrieg: Rotes Kreuz verteilt Lebensmittel in Großbritannien" (11.10.2013)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rotes-kreuz-in-grossbritannien-verteilt-lebensmittel-a-927283.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rotes-kreuz-in-grossbritannien-verteilt-lebensmittel-a-927283.html)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rotes-kreuz-43-millionen-europaeer-koennen-sich-kein-essen-leisten-a-927251.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/rotes-kreuz-43-millionen-europaeer-koennen-sich-kein-essen-leisten-a-927251.html)
Title: [Wenn Studenten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 21, 2014, 10:23:32 AM
Quote[...] Der deutsche Durchschnittsstudent verfügt laut der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks über 864 Euro im Monat - und gilt damit nach den Kriterien des Bundes genauso als "armutsgefährdet" wie viele Hartz-IV-Empfänger oder ältere Menschen mit Mini-Renten. Die Grenze ist für einen alleinlebenden Menschen momentan dann unterschritten, wenn er mit weniger als 980 Euro pro Monat auskommen muss.

Viele Ausgabestellen der Deutschen Tafel versorgen daher nun auch verstärkt Studenten mit kostenlosen oder stark verbilligten Lebensmitteln und Körperpflegeprodukten. "Die Zahl der Studenten, die zu uns kommen, ist in den vergangenen Monaten sehr stark gewachsen", sagt Manfred Baasner, Vorsitzender der Wattenscheider Tafel, die sich auch um Menschen im benachbarten Bochum kümmert. Dort studieren etwa 40.000 junge Männer und Frauen. Studentische Kundschaft vermelden unter anderem auch Tafel-Ehrenamtliche aus den Uni-Städten Berlin, Leipzig und Paderborn.

In Münster wird sogar darüber nachgedacht, eine Ausgabestelle direkt an der Uni zu eröffnen: Damit wäre die Hemmschwelle deutlich niedriger, das Angebot von Gratis-Lebensmitteln anzunehmen, glaubt der Vorstand des münsterschen Tafel-Vereins.


Aus: "Lebensmittel für lau: Wenn Studenten günstig tafeln" (21.01.2014)
Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/armut-tafel-wattenscheid-hat-studenten-als-kunden-a-939006.html (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/armut-tafel-wattenscheid-hat-studenten-als-kunden-a-939006.html)

Title: [Das könnte knapp werden... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 11, 2014, 11:34:19 AM
Quote[...] Noch 50 Dollar im Geldbeutel, für eine Woche. Das könnte knapp werden. Dieses mulmige Gefühl kennt Paul Vaughn, Student an der George Mason University im US-Staat Virginia. Es gab Zeiten, da hatte er parallel zwei Nebenjobs - und selbst damit reichte das Geld kaum für das Allernötigste, erinnert er sich. "Fast so schlimm wie der Hunger selbst ist der Stress, dass man hungrig sein wird", erzählte Vaughn kürzlich der "Washington Post".

"Es gibt tatsächlich Studenten, die hungrig ins Bett gehen oder nicht wissen, was sie morgen essen sollen", sagt Nate Smith-Tyge. Er ist Leiter der Studententafel an der MSU-Universität im Staat Michigan. 30 bis 40 ehrenamtlich engagierte Studenten verteilen hier alle zwei Wochen Essenspakete an bedürftige Kommilitonen. Über die Theke gehen dann unter anderem Brot, Nudeln und Früchte - alles finanziert durch Spenden. "Wir bitten die Leute darum, alles mitzunehmen, was sie brauchen - aber nicht mehr als sie brauchen", sagt Smith-Tyge. Das funktioniere in der Regel auch gut. Er hofft dennoch, dass diese Form der sozialen Hilfe keine Dauerlösung wird.

Mehr als 4000 Studenten versorgt die Tafel so jährlich, bis zu 300 allein bei einer einzelnen Essensausgabe - und sie ist mittlerweile nicht mehr allein. "Langsam realisieren auch andere Universitäten, dass immer mehr Studenten nicht wissen, wo sie ihre nächste Mahlzeit herbekommen", sagt Smith-Tyge. An mehr als 120 US-Hochschulen gebe es mittlerweile Studententafeln, zum Beispiel an der University of Missouri im Mittleren Westen der USA oder an der Oregon State University an der Westküste - noch vor fünf Jahren habe es bundesweit gerade einmal neun Studententafeln gegeben.

Wie verbreitet existentielle Sorgen unter US-Studenten sind, zeigen Umfragen: So gaben an der City University New York im Jahr 2011 knapp 23 Prozent der Studenten an, aus finanziellen Gründen manchmal hungrig zu sein. An der ländlich gelegenen Western Oregon University an der US-Westküste teilten laut einer aktuellen Umfrage sogar fast 60 Prozent der Studenten die Sorge, nicht genügend Geld für Lebensmittel zu haben.

Der große Ansturm auf die Studententafeln mag nicht zuletzt an den hohen Studiengebühren in den USA liegen. Dem Verband College Board zufolge stiegen sie in den vergangenen zehn Jahren an Privatuniversitäten um 25 Prozent, an staatlichen Hochschulen um 51 Prozent. So kostet ein Studium in den USA zwischen 3000 bis mehr als 40.000 Dollar im Jahr. Wer keine wohlhabende Familie oder ein Stipendium hat, muss sich dafür extrem verschulden: Rund 70 Prozent der US-Absolventen studiertem im Jahr 2013 auf Kredit, zeigt eine Umfrage des Finanzunternehmens Fidelity; sie verließen die Universität im Schnitt mit 35.000 Dollar Schulden (etwa 25.000 Euro).

... Auch in Deutschland versorgen immer mehr Ausgabestellen der Deutschen Tafel mittlerweile auch Studenten. "Die Zahl der Studenten, die zu uns kommen, ist in den vergangenen Monaten sehr stark gewachsen", sagt Manfred Baasner, Vorsitzender der Wattenscheider Tafel, die sich auch um Menschen im benachbarten Bochumkümmert. Dort studieren etwa 40.000 junge Männer und Frauen. Studentische Kundschaft vermelden unter anderem auch Tafel-Ehrenamtliche aus den Unistädten Berlin, Leipzig und Paderborn.

...


Aus: "Tafeln an US-Unis: "Es gibt Studenten, die hungrig ins Bett gehen"" (11.05.2014)
Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/studienfinanzierung-in-den-usa-tafeln-fuer-arme-studenten-a-968548.html (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/studienfinanzierung-in-den-usa-tafeln-fuer-arme-studenten-a-968548.html)

Title: [In Zukunft dürften deutlich mehr... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 24, 2014, 11:24:13 AM
Quote[...] Derzeit erhalten gerade einmal 2,7 Prozent der 65 oder mehr Jahre alten Menschen die staatliche Grundsicherung im Alter, sozusagen das Hartz IV für Senioren.

Bundesweit waren das 2012 knapp 465 000. Hinzu kommen 435 000 jüngere Personen, die zu krank sind, um noch arbeiten zu können. Ihre Erwerbsminderungsrente ist so niedrig, dass sie ebenfalls diese Grundsicherung vom Staat zum Überleben brauchen.

In Zukunft dürften deutlich mehr Ruheständler die Hilfe vom Steuerzahler benötigen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet damit, dass 2025 bereits jeder zehnte Rentner auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sein wird. Der Rentenpräsident selbst nennt lieber keine Zahlen, aber auch er befürchtet eine wachsende Altersarmut, ob bei Solo-Selbständigen mit einem geringen Einkommen, Langzeitarbeitslosen oder Arbeitnehmern mit dauerhaft geringen Löhnen.

Nun hat die Bundesregierung Zahlen vorgelegt, die neuen Stoff für die Diskussion um die Altersarmut liefern. Demnach erwartet das Bundesarbeitsministerium in den nächsten vier Jahren weiter kräftig steigende Kosten für die Sicherung der Existenz von armen alten Menschen. Dies ergibt sich aus der Aufstellung des Haushalts für 2014 und Antworten des Ministeriums auf Fragen der Linken-Bundestagsfraktion, die der SZ vorliegen.

... Im laufenden Jahr 2014 muss der Bund voraussichtlich 5,493 Milliarden Euro lockermachen, um die Existenz von 65-Jährigen und Älteren sowie von Erwerbsgeminderten zu sichern. 2018 werden es nach den Planungen des Arbeitsministeriums bereits 7,154 Milliarden Euro sein - etwa 1,7 Milliarden Euro zusätzlich. Nimmt also die Altersarmut schon in den nächsten Jahren rasant zu?

... Ein Hauptgrund für die höheren Ausgaben ist für das Ministerium die demografische Entwicklung. "In den kommenden Jahren wird die Anzahl der 65-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung weiter ansteigen und damit auch die Anzahl der Anspruchsberechtigten", sagt der Sprecher. Außerdem könnten sich die Kosten auch vergrößern, ohne dass die Anzahl der armen Alten entsprechend zunimmt, etwa weil wegen steigender Mietpreise Unterkünfte teuer werden.

2013 belief sich die Grundsicherung im Alter im Durchschnitt auf 707 Euro im Monat. Die Höhe hängt aber stark von den Kosten fürs Wohnen und damit vom Wohnort ab sowie vom anrechenbaren eigenen Einkommen. Trotzdem hält der rentenpolitische Sprecher der Linken, Matthias Birkwald, die Haushaltszahlen für alarmierend: "Das Rentenpaket ändert nichts an der deutlich hörbar heranrauschenden Welle neuer Altersarmut", sagt der Bundestagsabgeordnete. Das allgemeine Rentenniveau werde durch das Rentenpaket, für das alle Ruheständler durch geringere Rentenerhöhungen zahlen müssten, sogar "noch tiefer sinken".

Quotepob11 vor 3 Stunden

Ja sicher, was soll denn sonst das Ergebnis von Minilöhnen, H4, Kettenverträgen, Zeitarbeit, usw. zusammen mit dem abgesenkten Rentenniveau sein ?

Die Arbeitsmarkt"reformen" der Ära Schröder waren eben nicht der Garant für Wohlstand, sondern mitten in der Gesellschaft deponierte Zeitbomben. Das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis.


QuoteJP255 In der letzten Stunde

Nierdiglöhne, Löhne die seit 20 Jahren stagnieren, Zerstörung der gesetzlichen Rente und vieles mehr. Alles Faktoren, die Armut im Alter hervorrufen. Das ist gewollt und ein Ergebnis dieser neoliberaler Politik. Kohl, Schröder und Merkel wollten und wollen das so und sie wurden und werden gewählt. ...


...


Aus: "Bundesregierung erwartet steigende Kosten für arme Alte" Thomas Öchsner, Berlin (24. Juni 2014)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskussion-um-altersarmut-bundesregierung-erwartet-steigende-kosten-fuer-arme-alte-1.2012109 (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskussion-um-altersarmut-bundesregierung-erwartet-steigende-kosten-fuer-arme-alte-1.2012109)
Title: [Die Zahl der Stromsperren... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 22, 2014, 06:55:19 PM
Quote[...] Hamburg - Die Zahl der Stromsperren hat sich im vergangenen Jahr erneut erhöht. 344.798 Haushaltskunden in der Grundversorgung wurde 2013 zeitweise der Strom abgeklemmt, heißt es im Monitoringbericht der Bundesnetzagentur (BNetzA), der offiziell Anfang Dezember vorgestellt werden soll und der SPIEGEL ONLINE vorab vorliegt. Das waren gut 23.000 Sperrungen mehr als 2012 und rund 33.000 mehr als 2011.

Noch weit mehr Haushalte haben Probleme mit ihrer Stromrechnung. Fast sieben Millionen Mahnverfahren seien 2013 so weit gegangen, dass die Lieferanten ankündigten, den Strom zu kappen, heißt es sinngemäß im Monitoringbericht. 2011 hatte es rund sechs Millionen solcher Drohungen gegeben.

Stromversorger können die Belieferung von Haushalten mit elektrischer Energie einstellen, wenn Rechnungen trotz Mahnverfahren über längere Zeit nicht bezahlt werden. Allerdings muss die Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur ausstehenden Summe stehen und darf nicht die Gesundheit zum Beispiel von kranken Menschen oder Kindern gefährden. Daneben kann eine Stromsperre auch mit dem Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften oder Stromdiebstahl durch das Umgehen von Zählern begründet werden.

Hauptgrund für die wachsenden sozialen Probleme sind die stark steigenden Strompreise. Seit 2002 haben sich die Kosten für die Verbraucher fast verdoppelt. Auch 2013 und 2014 zogen die Strompreise kräftig an, einerseits weil die Umlage für erneuerbare Energien stieg, andererseits weil die großen Stromversorger sinkende Kosten nicht an die Verbraucher weitergaben.

...

QuoteBei 39 Mio Haushalten
kalim.karemi heute, 14:17 Uhr
Sind das weniger als 1%, dieser Quote wurde der Strom sicher auch in der Vergangenheit abgedreht. Wem die Packung Kippen wichtiger ist als Licht im Wohnzimmer, der muss halt die Konsequenz tragen.

Quote7 Millionen Haushalte betroffen
Poco Loco heute, 15:04 Uhr

Ich weiss nicht wie Sie auf 1 % kommen, wenn 7 Millionen Haushalte zumindest angemahnt werden müssen? Das zeigt doch, dass deutlich mehr Haushalte Probleme damit haben den Strom zu bezahlen, nach meiner Rechnung sind das fast 18 % der Haushalte.

http://www.spiegel.de/forum/wirtschaft/bundesnetzagentur-rund-345000-haushalten-wurde-der-strom-gesperrt-thread-192732-3.html#postbit_20891389




Aus: "Bundesnetzagentur: Rund 345.000 Haushalten wurde der Strom gesperrt" Stefan Schultz (22.11.2014)
Quelle:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/strom-laut-bundesnetzagentur-waren-345-000-haushalte-mit-stromsperre-a-1004435.html#js-article-comments-box-pager (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/strom-laut-bundesnetzagentur-waren-345-000-haushalte-mit-stromsperre-a-1004435.html#js-article-comments-box-pager)

Title: [Wie passt das zusammen?... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 01, 2015, 12:41:45 PM
Quote[...] Nicht nur Bruttoinlandsprodukt und Einkommen steigen – sondern auch die Armutsquote, mahnt jetzt ein Bericht des Paritätischen Gesamtverbands. Mit 12,5 Millionen Menschen hierzulande gelten so viele als arm wie noch nie. Es sind 15,5 Prozent der Bevölkerung, die laut Bericht unterhalb der Armutsgrenze leben; und das im viertreichsten Land der Welt, das mit 5,4 Prozent zudem die niedrigste Arbeitslosenquote in ganz Europa hat. Nur im angeschlagenen Griechenland, in Bulgarien, Italien und Portugal leben noch mehr arme Menschen als hier.

Wie passt das zusammen? Eine erste Erklärung ergibt sich aus der Statistik selbst: Als "arm" gelten per Definition all diejenigen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. In Deutschland ist das der Fall, so schlüsselt der Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes auf, wenn Alleinlebende weniger als 979 Euro im Monat zum Leben haben und ein Vier-Personenhaushalt weniger als 1.873 Euro.

Manche Ökonomen und Journalisten kritisieren diese "relative Armutsdefinition", wie sie im Jargon der Statistiker genannt wird. Die Berechnungsmethode sei Quatsch, denn sie bilde die wirtschaftliche Dynamik hierzulande nicht ab, weil sie bedeute: Wenn die Wirtschaft wächst und alle Beschäftigten mehr verdienen, dann steigt auch das Einkommen aller – und damit natürlich auch die 60-Prozent-Schwelle.

Und plötzlich finden sich ganz automatisch mehr Leute unter der entscheidenden Einkommensgrenze, obwohl sie finanziell gar nicht schlechter gestellt sind als zuvor. Statt wirklich Armut zu messen, gebe der Bericht des Paritätischen Verbandes deshalb höchstens Aufschluss über die bestehenden Einkommensunterschiede.

Ist die gestiegene Armut also nichts anderes als ein Statistiktrick? Ganz so einfach ist es offenbar nicht. Denn wenn die Einkommensunterschiede zunehmen, dann bedeutet das wohl, dass nicht alle Menschen dieses Landes gleichermaßen vom Wirtschaftswachstum profitieren. Nur ein gewisser Teil gewinnt.

Genau so ist es, sagt Armutsforscher Ernst-Ulrich Huster, Professor für Politikwissenschaft der Universität Gießen: "In den letzten Jahren haben nur die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher satte Zuwächse erzielt." Die unteren 20 Prozent hingegen hätten Einbußen hinnehmen müssen – und am stärksten gelitten hätten die ärmsten zehn Prozent.

... Die radikalere These ist: Es gibt nicht trotz des Booms mehr Arme in diesem Land. Vielmehr war der Boom nur möglich, weil die Wirtschaft mehr Menschen in die Armut gedrängt habe. Es gibt einige Forscher, die diese Meinung vertreten und mit Zahlen belegen. Zum Beispiel die Juristin Helga Spindler, Professorin für Sozial- und Arbeitsrecht an der Universität Duisburg-Essen, sie sagt: "Die Armutsentwicklung hat nicht automatisch etwas mit Konjunktur, steigenden Gewinnen und Erträgen zu tun, sondern hängt natürlich davon ab, ob das Geld auch an Arbeitnehmer und Dienstleister weitergegeben wird."

Das sei aber nicht der Fall. Laut Armutsbericht der Bundesregierung verdienten in den 1990er Jahren 17 Prozent der Beschäftigten Niedriglöhne. Heute seien es bereits 23 Prozent, die weniger als 9,15 Euro pro Stunde erhalten. Über zwei Millionen Erwerbstätige bekämen sogar weniger als sechs Euro die Stunde, mahnt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Das durchschnittliche Monatsbrutto eines Vollzeitbeschäftigten beträgt 2.575 Euro, das sind rund 1.650 Euro netto. In einigen Branchen aber liegt es noch weit darunter: Im Handel und Bau sind eher 1.500 Euro die Regel – brutto wohlgemerkt. Und im Gastgewerbe sind 1.094 Euro der Schnitt. Dazu kommen noch knapp eine halbe Million Kleinselbständige, die oft sogar für nur fünf Euro die Stunde schuften.

Das führt dazu, dass hierzulande etwa drei Millionen Menschen "arm trotz Arbeit" sind, sagt Armutsforscher Huster. Das sind 25 Prozent mehr als noch 2008, bestätigen Daten des Statistischen Bundesamts.

Es gibt 1,3 Millionen Aufstocker, die trotz sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung Hartz-IV in Anspruch nehmen müssen, um über die Runden zu kommen – und wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die aus Stolz oder Unwissenheit keine Stütze beantragen, erfasst keine Statistik. Weitere 2,6 Millionen Beschäftigte gehen nebenbei einem Minijob nach, weil das Geld andernfalls nicht reicht, beziffert die Bundesagentur für Arbeit.

Den extremen Wenigverdienern könnte der neu eingeführte Mindestlohn nun wohl helfen, ein Einkommen oberhalb der Sicherungsgrenze von 979 Euro zu verdienen, so sagt Huster, vorausgesetzt er wird auch tatsächlich gezahlt. Die Frage, ob das dann für alle Mitbewohner im Haushalt reicht, sei jedoch eine andere.

Hat Deutschland sein Beschäftigungswunder also nur erreicht, weil zwar mehr Menschen arbeiten, aber in immer prekäreren Arbeitsverhältnissen, wie Kritiker längst sagen? "Unumwunden: so ist es", findet Huster: Es gebe sieben Millionen prekär Beschäftigte hierzulande, ebenfalls sieben Millionen im Mindestlohnsektor, wobei Überschneidungen zwischen beiden möglich sind. Problematisch sei vor allem die Zunahme an Minijobs, schlechter bezahlter Leiharbeit, Werk- und Honorarverträgen und befristeten Verträgen, sagen die Forscher. Die Hälfte aller neu Eingestellten bekommt nur noch befristete Verträge. "Und unter allen Erwerbstätigen tragen die befristet Beschäftigten das größte Armutsrisiko", warnt Juristin Spindler.

Auch die OECD stellt fest, dass sich der deutsche Arbeitsmarkt zwiegespalten hat: in einen sicheren Sektor mit kündigungsgeschützten Stellen ohne Befristung, in dem die Beschäftigten gutes Gehalt verdienen und von regelmäßigen Lohnsteigerungen profitieren. Und in einen ungeschützten Bereich mit Befristungen, wenig Schutz und kleinem Lohn. Gerade der letztere wächst.

Deshalb warnt die Sozialrechtlerin Spindler: "Die bloßen Erwerbstätigenzahlen sagen zu dem Problem der Armut überhaupt nichts aus. Man muss auch sehen, dass trotz mehr Erwerbspersonen und weniger Arbeitslosen in der Summe nicht mehr verdient wird, weil das Arbeitsvolumen nicht steigt." Das ist heute genauso hoch wie im Jahr 1993, obwohl die Arbeitskräfteschar seither um fast fünf Millionen stieg. Das bedeutet: Obwohl viel mehr Deutsche arbeiten, verdienen alle zusammen nicht mehr als vor 20 Jahren, weil das Geld auf viel mehr Köpfe verteilt wird.

Das liegt am Heer der Teilzeitarbeitenden, deren Zahl sich seitdem verdoppelt hat. Nun sind es auch nicht, wie man hoffen könnte, viele 80-Prozent-Stellen, die da entstanden sind und mit denen sich Männer und Frauen nun den Arbeitsmarkt teilen. Größtenteils geht es um Halbtagsjobs oder Stellen mit noch weniger Stunden – die zudem größtenteils weiblich besetzt sind. Wenn man es auf alle Erwerbstätigen hochrechnet, arbeiten 45 Prozent aller Frauen nur halbtags.

Oft seien das eben nicht diejenigen aus Gutverdienerfamilien, sagt Armutsforscher Huster, sondern Frauen, deren Männer prekär beschäftigt seien und im Niedriglohnsektor arbeiteten. "Wenn dann auch die Frau nur eine Halbzeitstelle hat, reicht es oft trotzdem nicht, um sich aus der Armutsgrenze hinauszuarbeiten."

Was tun? Vollbeschäftigung bringt wenig, wenn sie die bestehende Arbeit bloß umverteilt. Die Grundsicherung anzuheben, wie der Paritätische Gesamtverband es fordert, könnte helfen. Einige Arbeitgeber müssten ihre Niedriglöhne dann wohl erhöhen, weil sonst Hartz-IV plötzlich lukrativer würde als die Erwerbsarbeit.

Andererseits sind nicht nur die Arbeitslosen diejenigen, die den Armutsforschern Sorgen machen. Denn sie sind längst nicht die größte Gruppe derer, die armutsgefährdet sind: Es sind vor allem auch 1,6 Millionen Alleinerziehende, die bessere Betreuungsplätze für ihre Kinder bräuchten, um wieder mehr Stunden zu arbeiten; Ausländer, die mehr von Eingliederungshilfen hätten; und zehn Millionen Geringqualifizierte, die erst einmal Hilfe bei der Berufsausbildung bräuchten. Sie bleiben oft arm, selbst wenn sie arbeiten.

Quote
   Huysmans
   27. Februar 2015 23:04 Uhr

Endlich wagt es eine gute Zeitung die Realitäten anzusprechen!
Es wurde seit Schröder und seiner verdammten Agenda allerhöchste Zeit, daß die Enteignung, die Verarmung und die Plünderung und Zerstörung der Sozialsysteme thematisiert wird.

Die Bettler in den Städten, die Millionen (!) Menschen, die sich ohne die Tafel nicht mehr ausreichend ernähren können, die Hunderttausende denen der Strom und Gas abgestellt wird, die Kinder, die sich mit ihren Eltern nur noch schämen ihre Armut merken zu lassen und so vieles Anderes, was 30 Jahre lang gut funktionierte und danach aus Deutschland eine Attrappe gemacht wurde, die den 20% hinter den Kulissen ein opulentes Leben ermöglichte. ...


Quote
   Activman
   27. Februar 2015 22:28 Uhr

Der Arbeitsmarkt hat sich radikal verändert
Die neue Armut ist politisch gewollt und wurde durch die damalige Regierung unter "S"PD-Schröder besiegelt. Es sollte ja ein Niedriglohnsektor geschaffen werden, um die Unternehmensprofite zu erhöhen und somit Investoren ins Land zu locken.
Man sollte aber auch Phänomene wie die Globalisierung, die Rationalisierung der Arbeitsprozesse durch industrielle Roboter, den Verteilungskampf innerhalb der westlichen Gesellschaften usw. (die Liste ist lang) beachten, die den Arbeitsmarkt radikal verändert haben. Leider geht man das Problem der Arbeitslosigkeit und der unverschuldeten Armut mit "antiken" Methoden an, die heute nicht mehr greifen. Daher werden uns die Massenarbeitslosigkeit und diverse Armut noch lange begleiten - ein politischer Wille das zu ändern ist nicht in Sicht. ...


Quotebromfiets
   27. Februar 2015 22:34 Uhr

... Seit 1980 ist die Lohnquote gefallen, Sozialleistungen wurden zurückgefahren, der Spitzensatz bei der Einkommensteuer wurde massiv gesenkt und 1997 die Vermögensteuer ausgesetzt. Im gleichen Jahr wurde übrigens mit dem "Rentenreformgesetz 1999" [Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/080/1308011.pdf] eine der größten Sozialkürzungen des Jahrhunderts eingeläutet, die Rot-Grün dann vollendet hat. ...


Quote
   Tateus
   27. Februar 2015 21:54 Uhr

Oh mein Gott,
"Beschäftigungsforscher sagen: Der Boom war nur möglich, weil so viele in die Armut getrieben wurden."
was für eine Feststellung. Unglaublich, dass sogenannte "Beschäftigungsforscher" mit solchen Feststellungen auch noch Geld verdienen. Deutschland profitiert seit 10 Jahren von Sozialabbau, Lohndumping und Leiharbeit. All das schaft am laufenden Band Armut und sichert Gewinne von Konzernen. Sorry, aber um da drauf zu kommen braucht man sicher keine Forscher!


Quote
   RealMagnum
   27. Februar 2015 22:05 Uhr

... arme Leute wählen im Regelfall nicht mehr, da egal ob CDU/SPD/GRÜNE/FDP dran kommen. Ich wähl Kleinstparteien ohne jede Chance auf Regierungsbeteiligung.

Witzig immer, wie sich über Definitionen gestritten wird, ob armer Sack oder nicht. Kommt mal in den Block, man begreift schnell, dass solche Art von Diskussionen nirgends hinführen. In den letzten Jahren hat sich hier richtig ne eigene kleine Welt, losgelöst von der Gesamtgesellschaft entwickelt. Hier haben 15 jährige inzwischen das Berufsziel Drogendealer, da sie doch noch clever genug sind zu begreifen, dass sie in der bürgerlichen Welt eh nix reißen werden (siehe Aufwärtsmobilität BRD). Sollte euch schon ein bisschen Sorgen machen, weil es in einigen Jahrzehnten sonst US-Verhältnisse geben wird, inklusive Gewaltkriminalität an jedermann.

Gab hier erst diesen Mittwoch eine clanbezogene Schießerei Mittwoch abend um 22 Uhr, schön mitten in der Innenstadt. Ich hoffe Sören und Laura wurden nicht beim Lernen gestört.

Mir persönlich ist die ehrliche Abscheu der Bürgerlichen ehrlich gesagt lieber als das "wir sind da für die kleinen Leute da" unserer Genossen und Grünen (höchste Energiepreise, Sprit unfassbar teuer, Verelendung als Staatsdoktrin), da weiß ich wenigstens woran ich bin und werde nicht hinterrücks gef... Ist deutlich ehrlicher als die Heuchelei der deutschen "Linken".


Quote
   plötzlich linksextrem
   27. Februar 2015 21:33 Uhr

Ohne Arme macht das Reich sein keinen Spass.
Marktkonforme Demokratie ...


QuoteJan Reiter
   27. Februar 2015 21:34 Uhr

Es gibt keine materielle Armut in Deutschland

Soziologen haben die Formel "arm ist , wer weniger als 60% des Durchschnittseinkommens hat" erfunden. Wohl aus politischen Gründen.
Jeder ALG II Empfänger genießt heute höheren Wohlstand als ein Durchschnittsarbeiter 1960. Die gesundheitsversorgung ist sowieso besser.
Ich schäme mich, wenn deutsche Soziologen von "Armut" in Deutschland sprechen und ich die wirklich armen Menschen in Entwicklungsländern sehe.

Quote

   hairy
   gestern 8:37 Uhr

Herr Reiter sagt also

zum Kleinrentner mit seiner 700 Euro pro Monat und zum Geringverdiener mit seinen 7 Euro netto die Stunde: "Was wollen Sie? Den Leuten in Afrika gehts noch viel schlechter!"


Quote

   Grails_Knight
   27. Februar 2015 21:53 Uhr

Aufklärung

Die UN unterscheidet relative von absoluter Armut.

Der begriff der absoluten Armut beschreibt, das Menschen keinen Zugang zu ausreichender Ernährung, Kleidung und Unterkunft haben. Diese Armut ist akut und gefährlich, sie tötet Menschen und ist ein zeichen für Gesellschaftliches versagen und extreme wirtschaftliche Probleme. Diese Armut war in Europa lange Zeit ausgerottet und kehrte während der Krise wieder zurück. Mittlerweile ist der Hunger wieder in Südeuropa angekommen. Und nein, sowas wie einen "relativen Hunger" gibt es nicht, Hunger ist nach der Definition eine akute gefährdung durch bleibende Schäden durch eine mangelnde Kalorienversorgung.

Der begriff der relativen Armut hingegen beschreibt die Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft, die Möglichkeit an der Gesellschaft teilzuhaben. Relative Armut besagt, das der davon betroffene nicht in der Lage ist, ein leben zu führen, das ihn als Vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, in der er lebt, kennzeichnet. Relative Armut ist ein Zeichen sozialer und ökonomischer Ausgrenzung und vor allem ein Problem der Industrienationen. Ein hoher Grad an relativer Armut zeigt an, das eine Gesellschaft zerrissen und ungerecht organisiert ist.

Dabei ist es unerheblich, ob der betroffene überleben kann, sondern es geht darum, ob er sich als Teil der gesellschaft wahrnehmen und an ihr Teilnehmen kann. Viele in Deutschland können das nicht. Soziale spannungen und die bildung von Parallelgesellschaften sind die Folge.



Quote
   Palivec
   27. Februar 2015 21:37 Uhr

Hartz & Co.

Die Erkenntnis kam mir schon 2004, als ich mir die Wirkungsweise von Hartz und den Arbeitsmarktreformen der Schröder-Regierung durch den Kopf gehen ließ. Seltsamerweise waren die Medien damals die Cheerleader dieser Reformen und verunglimpften lieber Arbeitslose statt aufzuklären. Das schließt dieses Blatt größtenteils ein.


Quote
   Grails_Knight
   27. Februar 2015 21:39 Uhr

14. Der relative Armutsbegriff macht Sinn!

Der Realtive Armutsbegriff macht durchaus Sinn.

Er zeigt an, wieviele Menschen vom Wirtschaftlichen Aufschwung profitieren und wieviele abgehängt werden.

Natürlich steigt bei steigenden Einkommen auch der Wert, ab dem man als Arm gilt. Wenn aber alle Einkommen anstiegen, würde es dadurch eben NICHT mehr Arme geben, sondern bestenfalls gleichviele. Und wenn - Gott bewahre - der Anstieg der Löhne tatsächlich bei den unteren Einkommen am stärksten wäre, so könnte man tatsächlich die relative Armut beseitigen.

Relative Armut besagt übrigens einiges. Der Begriff zeigt, das Menschen nicht am gesellschaftlichen leben Teilhaben können, wie es der durchschnitt kann. Da komtm am Schuljahresanfang schonmal ein Problem auf, wenn man plötzlich ein paar hundert Euro für neues Schulmaterial aufbringen soll - aber mit dem nötigsten um Teilhabe zu ermöglichen schon an seine Grenzen kommt. Da kann eine kaputte Waschmaschine schonmal zum echten problem werden, weil man eben nicht mal eben eine neue kaufen kann - aber trotzdem saubere Kleidung braucht. Die relative Armut ist also keinesfalles "kein problem". Sie ist ein indikator für gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft und den sozialen Frieden.

Die erfassung absoluter Armut macht im übrigen in Deutschland kaum Sinn, denn der besagt, das man nicht in der Lage ist, sich zu ernähren und keine Unterkunft hat. Das trifft in Deutschland tatsächlich kaum jemanden.

Quote

   wolfgang.schmidt
   27. Februar 2015 21:47 Uhr

Der Realtive Armutsbegriff ist schwach-sinn

Er hat nichts mit Armut zu tun, denn er zeigt nur auf, dass die Reichen in Deutschland schneller reich werden.
Das diese Ungleichverteilung nicht gut ist, ist ein anderes Thema, sie hat aber nichts mit Armut zu tun.
Der Armutsbegriff müsste sich an der Inflationsrate und den Lebenshaltungskosten orientieren, nicht am Gehalt der Anderen.


Quote

   S.Politis
   27. Februar 2015 23:20 Uhr

Wohnungslose Menschen gibt es kaum in Deutschland?
Spiegel Online 2013 ["Drastischer Anstieg: Fast 300.000 Bundesbürger haben keine Wohnung", http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zahl-der-wohnungslosen-ist-in-deutschland-drastisch-gestiegen-a-914380.html]
Immer mehr Menschen in Deutschland verlieren ihr eigenes Dach über dem Kopf. Seit 2010 ist ihre Zahl um 15 Prozent auf 284.000 gewachsen. Mehr als 30.000 Kinder sind betroffen.

Und die Situation könnte sich in den kommenden drei Jahren sogar noch erheblich verschärfen, befürchtet der 1954 gegründete Hilfsverband, in dem etwa 1200 soziale Dienste und Einrichtungen zusammengeschlossen sind. Demnach könnte die Zahl der Wohnungslosen bis zum Jahr 2016 auf 380.000 anwachsen.


Quote

   Zahlen und Zeit
   27. Februar 2015 23:42 Uhr

Ja, freilich ist der relative Armutsbegriff sinnvoll in dem Sinn, dass er Erkenntnis über den Zustand von Staat und Gesellschaft bringt. Er ist aber nicht so sinnvoll, dass er alleine ausreicht.

Und der relative Armutsbegriff ist keinesfalls deckungsgleich mit der Alltagsvorstellung von Armut. Wenn eingangs dieses Artikels nicht etwas fehlt, gibt es nämlich in Rumänien und Bulgarien gemäß des relativen Armutsbegriffs weniger Armut als in Deutschland. Und das würde kaum jemand als korrekte Lagebeschreibung erachten. Die Aussage "die Einkommensungleichheit ist in Deutschland größer als in Rumänien und Bulgarien" ist allerdings keineswegs absurd.

Man muss bei aller Sinnhaftigkeit des relativen Armutsbegriffs also vor allem aufpassen mit welchen Worten und Sätzen man die Zahlen (bzw. letztlich ist es ja nur eine: die Zahl) kommuniziert. Man kann die Aussagekraft deutlich überdehnen, auch wenn es zweifellos eine AUssagekraft gibt.



Quote
   JaguarCat
   27. Februar 2015 21:53 Uhr

Fehler im Artikel!

Zeit online schreibt: "Nur ein gewisser Teil gewinnt.". Doch wenn zum Beispiel nur die oberen 20% gewinnen würden, dann würde sich das "mittlere Einkommen" (genau gesagt das Median-Einkommen) überhaupt nicht ändern! Denn das ist das Einkommen, dass die oberen 50% und die unteren 50% trennt. Fazit: Es gewinnt also mehr als die Hälfte.

UND: Jeder neu hinzugekommene Billig-Job würde das Median-Einkommen sogar drücken. Es sind also viele, sehr viele Einkommen, die in den letzten Jahren gewachsen sind. Die Spreizung ist größer geworden, zweifellos, aber die immer wieder implizierte Behauptung, die Strukturstärke Deutschlands würde nicht auch bei der Mittelschicht ankommen, ist falsch!

QuoteGrails_Knight
   27. Februar 2015 22:00 Uhr

Es kommt vor allem....

kaum etwas bei der Unterschicht an.

Die Mittelschicht hat lange Zeit ebenfalls verluste hinnehmen müssen, das Einkommen dort wieder ansteigen gleicht das allerdings immernoch nicht wieder aus, es ist aber durchaus positiv zu bemerken.

Dennoch wird durch das permanente abhängen der Unterschicht im ökonomischen und sozialen zusammenhalt der Gesellschaft ein Problem geschaffen, das zur Bildung von Parallelgesellschaften führt und den sozialen Frieden gefährdet.

Verstärkt wird das ganze noch durch unsere "selbst dran Schuld" Mentalität, durch Hartz-IV Hetze und durch die immer stärker werdende druckausübung auf die unteren schichten, ohne das sich wirklich etwas verbessern würde.

Man spielt mit den leuten Reise nach jerusalem und erzählt ihnen, sie bekämen eher einen (guten) Job, wenn sie schneller um die Stühle rennen. Dabei rennen sie sich allerdings nur selbst über den haufen, denn die Zahl der Stühle sinkt, die Zahl derer die drumherumrennen steigt aber.

Es ist wie im Lotto. Jeder kann gewinnen, aber nicht alle. Und die verlierer werden vergessen und missachtet. Das ist unser Problem. Die Mittel- und Oberschicht akzeptiert Arme Menschen nicht, blickt verächtlich auf sie herab und entwürdigt sie, weil sie nicht so sind wie sie selbst.

Selbst die akzeptanz alternativer Lebensentwürde ist in den letzten jahren in diesem Land extrem abgesunken. Wer nicht mitmacht, wird ausgegrenzt. Ökonomisch und sozial. Das ist vor allem unser Prolbem.



Quoteyurina
   27. Februar 2015 22:42 Uhr

Hier spricht ein Gutmensch.
Ich ahne schon, was ich für höhnische Kommentare damit kassiere. Aber ich sags trotzdem: Unsere Gesellschaft entsolidarisiert sich seit mehreren Jahrzehnten (die ich miterlebt habe und daher aus Erfahrung spreche). Wir glauben fleißig an den Mythos: "wer will, der schaffts - man muss eben was leisten". Und wer das nicht kann, hat es nicht besser verdient. Ja. Viele schaffen's - allen Widerständen zum Trotz (aber manchmal auf Kosten von... Familie, Gesundheit und aufrechtem Gang). Schön für sie. Viele eben nicht. Und unser Land kann nun mal nicht nur aus lauter zielstrebigen Superhirnen bestehen. Die - aus welchen Gründen immer, und oft auch nur durch einen Jobverlust - nach unten durchgereicht werden bis aufs Hartz IV Level, werden mit dem absoluten Minimum und gerne auch weniger (genannt "Anreiz") abgefunden. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die das schlimm findet und Empathie empfindet, statt Verachtung. Sonst hört doch auf mit dem Geschwafel von der "jüdisch-christlichen Wertegemeinschaft"! Können wir uns nicht leisten ? Müssen wir uns leisten können - sonst ist das Ende Krieg und Extremismus. Schon an vielen Orten zu besichtigen. Wollen wir das ?

QuoteIgnatius J Reilly
   27. Februar 2015 22:50 Uhr

Waren wir zivilisatorisch schon mal weiter?
In Afrika wurde vor einigen Jahrzehnten ein prähistorisches Skelett ausgegraben, das man zunächst für ein Affenskelett hielt. Bei näherer Betrachtung bemerkte man jedoch, dass dieser Primat in jungen Jahren einen schwerwiegengen Knochenbruch erlitten hatte, welcher ihn, auch nach der Ausheilung, so behinderte, dass er (der Primat) unmöglich für sich selbst hätte sorgen können. Trotzdem ist dieser Primat alt geworden. Das heißt, dass andere für ihn gesorgt haben müssen. Dies wertete man als Anzeichen von Zivilisation und stufte das Skelett als "frühmenschlich" ein.
Dieser Sachverhalt lehrt uns, dass die Sorge für Schwächere nicht nur das Fundament, sondern auch das Erkennungsmerkmal für Zivilisation ist.


QuoteReader55
   vor 12 Stunden 24 Minuten

Trotz Aufschwung steigt Armut. Das ist ja nun wieder mal ganz was Neues. Gut, das das mal aufgefallen ist.


Quote
   Für die Überwindung der Unmenschlichkeit
   gestern 22:38 Uhr

Brecht

"Armer Mann und reicher Mann
standen da und sahn sich an
und der Arme sagte bleich:
"Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich".



Aus: "Trotz Aufschwungs steigt die Armut" Nadine Oberhuber (27. Februar 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/armut-einkommen-mindestlohn-vermoegen (http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/armut-einkommen-mindestlohn-vermoegen)

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Kontext: "Hartz IV und die Folgen" (Published on Nov 17, 2014)
"Deutsche Zurichtungen" - Christoph Butterwegge zu seinem Buch "Hartz IV und die Folgen" ...
https://www.youtube.com/watch?v=2xLNctsDN0k (https://www.youtube.com/watch?v=2xLNctsDN0k)

Christoph Butterwegge (* 26. Januar 1951 in Albersloh) ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er ist Professor für Politikwissenschaft am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Butterwegge ist Armutsforscher und Mitglied der Forschungsstelle für interkulturelle Studien (FiSt). Er war von 1970 bis 1975 sowie von 1987 bis 2005 Mitglied der SPD ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Butterwegge (http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Butterwegge)



Title: [Man hat um diese Messmethode jahrelang gestritten... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 21, 2015, 11:52:14 AM
Quote[...] Deutschlandradio Kultur: Über meinen heutigen Gast schrieb kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Für die einen ist er der Mann, der den Finger in die Wunde legt. Anderen geht er nur auf die Nerven." Die Rede ist von Ulrich Schneider, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. ... Herr Schneider, nicht jeder kennt den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der jüngst erschienen ist, ein Bericht, der eine Kontroverse ausgelöst hat, die bis heute nachwirkt und über die wir natürlich auch in dieser Sendung sprechen werden. - Zunächst aber einmal die Frage: Was sagt der Armutsbericht Ihres Verbands, wie groß ist die denn, die Armut in Deutschland?

Ulrich Schneider: Wenn wir der Definition folgen, die die EU vorgibt, dann sind alle arm oder armutsgefährdet, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens haben. Dann sind es 15,5 Prozent heute. Das sind 12,5 Millionen Menschen, die dann in der Tat so wenig Einkommen haben, dass sie unter die Armutsgrenze fallen. Aber natürlich muss man diese Zahl auch interpretieren.
Darunter sind beispielsweise viele Studenten, wenn nicht sogar alle Studenten, von denen wir wissen, die haben eine gute Ausbildung, die werden es schon zu was bringen. Dazwischen sind Menschen, die nur ganz kurzzeitig unter die Armutsgrenze fallen, aber Perspektiven haben. Und deswegen muss man auch immer die einzelne Lebenssituation sich anschauen.
Aber wenn wir sehen, dass in Deutschland die Zahl derer, die von Fürsorgeleistungen leben müssen, mittlerweile bei über acht Millionen liegt, also zehn Prozent auch ausmacht, dann zeigt das, dass diese Zahlen schon in einem Zusammenhang stehen, bei dem man von Armut sprechen muss.

Deutschlandradio Kultur: Welche Menschen beziehungsweise Gruppen von Menschen sind besonders armutsgefährdet?

Ulrich Schneider: In Deutschland sind es vor allen Dingen, und die stechen heraus, einmal die Erwerbslosen. Das sind weit über die Hälfte, die unter der Armutsschwelle leben, deshalb auch, weil viele auf Hartz IV angewiesen sind. Hartz IV aus unserer Sicht Armut ist. Das ist nicht ausreichend, was da gezahlt wird. Auch weil wir die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zusammengekürzt haben mit der Agenda 2010. Die Menschen fallen schneller ins Loch, schneller in Hartz IV.
Und daneben sind es aber vor allen Dingen - und das ist erschütternd, glaube ich - die Alleinerziehenden in Deutschland. Wenn wir anschauen, dass mittlerweile 39 Prozent der Alleinerziehenden in Hartz IV sind, ist das irre; eine irre Zahl, dass fast die Hälfte unter der Armutsschwelle lebt, dann ist mittlerweile Armut für Alleinerziehende fast so was wie die Regel geworden für viele. Und das ist schon sehr schwierig, zumal das Problem seit Jahren bekannt ist und offensichtlich sehr wenig dran getan wird.

Deutschlandradio Kultur: In welcher Risikogruppe nimmt denn die Zahl der Armen besonders zu?

Ulrich Schneider: Es sind die Rentnerinnen und Rentner. Wir haben – zum Glück, muss man sagen – heute noch bei den Rentnerinnen und Rentnern eine unterdurchschnittliche Armutsquote. Das heißt, denen geht's im Durchschnitt noch ganz gut, besser als dem Rest der Bevölkerung. Das ist so. Und deswegen wird das Thema auch immer runter gespielt: "Es gibt keine Altersarmut". Aber, das muss man sehen, es ist die Gruppe mit den allerhöchsten Zuwächsen. In den letzten Jahren hat sie galoppierend zugenommen, die Armut unter den Rentnerhaushalten, dass wir davon ausgehen müssen, dass bereits im Laufe dieses Jahres Rentner ebenfalls zu den Gruppen gehören werden, die überdurchschnittlich Armutsquoten aufweisen – mit wachsender Dynamik. Wir gehen davon aus, dass wir in etwa zehn, 15 Jahren fast eine Verdopplung der Altersarmut bei den Rentnern zur Kenntnis nehmen müssen.

Deutschlandradio Kultur: Wo gibt es auffällig viel und wo besonders wenig Armut? Wo sind die regionalen Unterschiede festzumachen? Können Sie da Beispiele nennen?

Ulrich Schneider: Wir haben ein Süd-Nord-Gefälle.

Deutschlandradio Kultur: Also nicht mehr Ost-West?

Ulrich Schneider: Ost-West ist in der Tendenz auch noch da, aber eigentlich ist Deutschland, was Armutsrisiken anbelangt, regional ein Flickenteppich geworden. Wenn man sich eine Karte mal vor seinem geistigen Auge vorstellt und rote Punkte überall einfügt, wo die Armut besonders hoch ist, da ist das Ruhrgebiet beispielsweise mit deutlich höheren Armutsquoten über 19 Prozent besonders betroffen und hat mehr Arme als beispielsweise Thüringen oder Teile von Brandenburgs, etwa im Süden Brandenburgs. Und wir haben eine unheimlich starke Armutsquote in Bremen. Bremen hat die Rote Laterne in Deutschland.

Deutschlandradio Kultur: Und Bremerhaven noch mal schlimmer.

Ulrich Schneider: Bremerhaven ist noch schlimmer. Also, wenn in Deutschland immer etwa von Neukölln gesprochen wird durch die Literatur von Herrn Buschkowsky: Neukölln hat im Vergleich zu Bremerhaven tatsächlich noch eine bessere Armutsquote. Bremerhaven ist da ganz schlimm. Da sieht man auch, Ost-West allein trägt nicht mehr.
Die Länder, die positiv herausragen, die soll man erwähnen. Das ist Bayern, Baden-Württemberg, auch Teile von Hessen, die wirklich relativ wenig Armut zeigen. Und da, wo es also wirklich schlimm aussieht nach wie vor: Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, auch Sachsen. Das heißt, wir haben auch Osten, aber nicht mehr nur Osten.

Deutschlandradio Kultur: Herr Schneider, Sie haben schon eingangs gesagt, nach welchem Kriterium Sie Armut oder relative Armut bemessen. Und an dieser Definition von Armut hat sich ja eine Kontroverse entzündet, die teilweise recht heftig geführt wurde und auch noch wird. Vergleichsweise moderat, aber eben doch gewichtig war die Einlassung von Bundessozialministerin Andrea Nahles. Wie auch andere stellte die Sozialdemokratin die Aussagekraft der Messmethode in Frage. Begründung: Diese führe in die Irre. Wenn der Wohlstand hierzulande explodieren würde, dann bliebe – getreulich der Definition – das Ausmaß an Armut trotzdem gleich, nur eben auf viel höherem Niveau.
Ist diese Messmethode wirklich ein geeigneter Indikator? Oder anders gefragt: Ist sie nicht zu simpel für solch ein komplexes Problem?

Ulrich Schneider: Man hat um diese Messmethode jahrelang gestritten auf der EU-Ebene. Ist sie tauglich, ist sie es nicht? Ob sie tauglich ist oder nicht, ob diese Ungleichheit, die sie ja eigentlich nur misst, noch keine Armut ist, ob die tatsächlich was über Armut aussagt, das muss dann jeweils bewertet werden anhand der konkreten Beträge in Euro, die da ausgewiesen werden.
Man muss sich also genau anschauen: 60 Prozent, was ist das überhaupt? Wo liegt die Armutsgefährdungsgrenze? Und wenn man sich das anschaut, dann sind das immer Werte, ich kann sie auch mal nennen: Das ist beispielsweise für einen Singlehaushalt 892 Euro oder für einen Paar-Haushalt mit zwei Kindern sind das 1.873 Euro. Das sind Werte, die immer um Hartz IV liegen. Also, je nach Mietkosten, die können sehr unterschiedlich sein je Region, ist man mal unter Hartz IV, mal nicht: Man würde mit diesen Beträgen noch Hartz IV beziehen. Oder man ist sogar dann tatsächlich knapp über Hartz IV. Wir haben es mal durchgerechnet. In der Tat, man ist mit diesen Beträgen nie weit weg, häufig aber auch unter Hartz IV.
Deswegen sagen wir in diesem konkreten Fall, und die Prüfung muss man allerdings schon machen, in diesem konkreten Fall sagt diese 60-Prozent-Schwelle etwas über Einkommensarmut aus, wenn man der Überzeugung ist, und das sind wir als Paritätischer Wohlfahrtsverband, dass Hartz IV nicht geeignet ist in der Höhe, Armut auszuschließen.
Und darum geht der eigentliche Streit auch mit der Arbeitsministerin. ...

...

Deutschlandradio Kultur: ... Wachsender Wohlstand und wachsende Armut, wie passt das zusammen?

Ulrich Schneider: Das passt zusammen, wie es der Statistiker ausdrücken würde: Wenn jemand mit dem Kopf im Ofen liegt und mit den Füßen im Eisschrank, ist es trotzdem angenehm warm im Durchschnitt. Das ist genau der Punkt, um den es geht.
Wir haben einen von Jahr zu Jahr wachsenden volkswirtschaftlichen Reichtum in dieser Gesellschaft. Nur er verteilt sich sehr ungleich. Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Zuwächse vor allen Dingen bei den ohnehin schon sehr Vermögenden landen. Wir wissen, dass zehn Prozent der Vermögendsten in Deutschland mittlerweile auch über die Hälfte des Gesamtvermögens Deutschlands auf sich vereinen. Und die Tendenz dieser Spaltung steigt. Das heißt, es kommt prozentual betrachtet, relativ betrachtet immer weniger bei denen, die es bräuchten, an.
Das wird bei den Löhnen gerade zum Teil korrigiert. Aber auch hier muss man sehen, mit Ausnahme des Mindestlohnes, der eine gewisse Wirkung hat zweifellos, ist es so, dass insbesondere gut qualifizierte Berufe gute Lohnzuwächse haben, während schlecht qualifizierte nach wie vor rumdümpeln und im Zweifelsfall Reallohnverluste nach wie vor hinzunehmen haben.

...

Deutschlandradio Kultur: In Ihrem jüngsten Buch mit dem Titel "Mehr Mensch! Gegen die Ökonomisierung des Sozialen" steht die Widmung gleich vorne, wo eine ja auch Widmung hingehört: "Für alle Gutmenschen, Bedenkenträger und Sozialromantiker." ...

Ulrich Schneider: Das ist praktisch das Umdrehen des Spießes. Also, ich bin es wirklich leid, den Neoliberalen die gesamte Rhetorik zu überlassen. Es ist eine hohe Kunst, wie Begriffe einfach immer gedreht werden. Die Menschen, die tatsächlich Güte haben, eigentlich eine Tugend, werden plötzlich als "Gutmenschen" diskreditiert, nämlich Phantasten, die sowieso nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Die Menschen, die nachdenklich sind, die vom Ende her denken, die auch möglicherweise auf Fehlentwicklungen hinweisen, werden plötzlich als "Bedenkenträger" diskreditiert, Menschen, die nicht mehr in die Zeit passen. Man denkt heute nicht mehr nach. Und die Menschen, die Gerechtigkeit einklagen, weil die Ungerechtigkeit einen schon anschreit, sind plötzlich Menschen, die eine Neiddebatte führen – so werden Begriffe einfach gedreht. ...



Aus: "Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband "Wir haben Umverteilung zum Tabu erklärt"
Moderation: Martin Steinhage (18.04.2015)
Quelle: http://www.deutschlandradiokultur.de/ulrich-schneider-vom-paritaetischen-wohlfahrtsverband-wir.990.de.html?dram%3Aarticle_id=317207 (http://www.deutschlandradiokultur.de/ulrich-schneider-vom-paritaetischen-wohlfahrtsverband-wir.990.de.html?dram%3Aarticle_id=317207)

Title: [Es hätten sich regelrechte... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 15, 2015, 11:12:33 AM
Quote[...] Wer Armut in Amerika erleben will, muss meist nicht sehr weit fahren. In die Außenbezirke von St. Louis, Missouri, zum Beispiel, in den Rust Belt rund um die Auto-Stadt Detroit – oder in die Kleinstadt Syracus. Gerade mal 150.000 Einwohner leben in dem Ort rund 400 Kilometer nördlich von Manhattan. Kaum irgendwo ist die Spaltung in Arm und Reich und Schwarz und Weiß so eindeutig wie hier. 65 Prozent der afroamerikanischen Einwohner leben inzwischen in den ärmsten Gebieten der Stadt. Noch vor 15 Jahren waren es 43 Prozent.

Es hätten sich regelrechte Slums gebildet, warnen Experten angesichts der Zahlen. 13,8 Millionen Amerikaner leben derzeit in Gegenden mit extremer Armut, im Jahr 2000 waren es 7,2 Millionen. Zwischen 2000 und 2013 hat sich die Zahl fast verdoppelt. Noch nie, schreibt Paul Jargowsky, Politik-Professor an der Rutgers Universität, in einer aktuellen Analyse, sei die Zahl so hoch gewesen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Als Millionen von Menschen im Zuge der Rezession überall im Land ihren Job verloren, zogen diejenigen weg, die es sich leisten konnten – und ließen Arbeiterfamilien zurück, deren Jobs in der Automobilindustrie gestrichen oder nach Übersee verlagert wurden. Wer eine neue Stelle finden konnte, blieb häufig weit unter dem bisherigen Einkommen und konnte sich das alte Leben nicht mehr leisten. Übrig blieben moderne Industrie-Wüsten wie Detroit, aus denen mit den wohlhabenderen Bewohnern auch die Steuergelder verschwanden. Den hoch verschuldeten öffentlichen Haushalten fehlte es an Ressourcen für öffentliche Sozialprogramme, die neue Chancen ermöglicht hätten.

Doch die Ghettoisierung der Armen, sagt Myron Orfield, Direktor des Institute on Metropolitan Opportunity an der Universität von Minnesota, sei vor allem das Ergebnis eines Zusammenspiels von wirtschaftlichen Interessen, Diskriminierung und lokaler Politik. Viele wohlhabendere Gegenden erlauben den Bau von Sozialwohnungen von vornherein nicht oder machen es zur Auflage, dass ein Haus freistehend oder eine bestimmte Grundfläche haben muss. Eine schwarze Familie bekommt meist seltener einen Kredit, selbst dann, wenn sie mehr verdient als eine weiße. Und Gutscheine, die auf die Miete angerechnet werden und Familien mit niedrigen Einkommen mehr Wahlmöglichkeiten geben sollen, werden von vielen Vermietern nicht akzeptiert. All das ließe vielen keine andere Wahl, als sich in Gegenden mit niedrigem Durchschnittseinkommen zurückzuziehen – und lasse Ghettos auf beiden Seiten des Einkommensspektrums entstehen.

Die Verantwortlichen in der Politik und die großen Spieler der poverty housing industry – der Milliardenindustrie, die sich um die Entwicklung und den Bau von Sozialwohnungen entwickelt hat – haben das Problem über die Jahre verschärft. Dominiert wird der Markt von wenigen Unternehmen, die mit lokalen Politikern, Behörden und Organisationen um Aufträge und Steueranreize feilschen. LISC (Local Initiatives Support Corporation), einer der größten Anbieter am Markt, investierte seit 1980 landesweit rund 14,7 Milliarden Dollar in den Bau neuer Sozialwohnungen. Enterprise Community Partners, ein weiteres steuerbefreites Non-Profit-Unternehmen, steckte allein 2013 2,7 Milliarden Dollar in fast 17.000 neue Sozialwohnungen.

Weil die Chancen auf staatliche Gelder größer und der Widerstand von Anwohnern und Behörden geringer ist, wenn neue Billig-Bauten in Gegenden mit ohnehin niedrigem Durchschnittseinkommen gebaut werden, entstehen bis heute kaum Sozialwohnungen in durchmischteren Vororten. Anders gesagt: Steuervergünstigte Sozialwohnungen entstehen dort, wo die Ärmsten der Armen ohnehin schon leben. Die Branche habe gemeinsam mit lokalen Behörden und Politikern dafür gesorgt, den Status quo zu sichern, meint Orfield. Unternehmen und Politiker argumentieren, Investitionen in die Gegenden erhöhten die Chance, dort neues Wachstum zu schaffen und die Viertel neu zu beleben. Die Unternehmen verweisen darauf, nicht nur die Gebäude zu errichten, sondern auch in Ausbildung, Sicherheit und Kultur zu investieren.

Kritiker fürchten allerdings, die neuen Slums Amerikas würden zu Armutsfallen für ihre Bewohner. Kinder, die in die Gegenden hineingeboren werden, schaffen es nur selten hinaus. Die Schulen sind schlecht ausgestattet, die Kriminalitätsrate ist deutlich höher als im Landesdurchschnitt. Würden Kinder und Jugendliche Gewalt und Stress in den Ghettos ausgesetzt, heißt es in einer Studie des Furman Center der New York University, beeinträchtige das die kognitive Entwicklung, die schulischen Leistungen und die psychische und physische Gesundheit. Neue Sozialwohnungen in bestehenden Krisen-Gegenden zu bauen, sagt auch Orfield, sei in etwa so, als behandle man einen Krebspatienten ausschließlich mit Palliativmedizin, anstatt die Krankheit tatsächlich zu bekämpfen.

Der Wirtschaftsboom Anfang des Jahrtausends entschärfte das Problem kurzzeitig. Damals war die Zahl der Amerikaner in den Armutsghettos von 9,2 auf 7,2 Millionen gefallen, weil die Arbeitslosigkeit zurückging. Lohnsubventionen ließen die Einkommen steigen, der Mindestlohn wurde erstmals seit Jahren angehoben. Viele Familien zogen aus den ärmeren Gegenden erstmals um in wohlhabendere Vororte, die Sozial-Ghettos in Chicago und Detroit wurden aufgebrochen. Doch trotz all der vorübergehenden Effekte, sagt Orfield, seien die alten Strukturen bestehen geblieben.  

Gegen neue Vorschläge aus der Politik, den Bau in andere Gegenden auszudehnen, wehrt sich die Branche hartnäckig. Als der Bundesstaat Connectitut Anfang des Jahres einen Gesetzesentwurf einbrachte, der vorsah, 75 Prozent der neuen Sozialwohnungen in wohlhabenderen, ländlicheren Gegenden entstehen zu lassen, protestierten nicht etwa die Anwohner vor Ort – sondern Unternehmen wie LISC. Es sei wichtig, schrieb die Firma in einer Stellungnahme, dass die Menschen in ihrer gewohnten Umgebung blieben und die städtische Infrastruktur zur Verfügung hätten. Der Widerstand zeigte Wirkung, das Gesetz wurde gekippt.

Doch jetzt scheint sich erneut etwas zu tun. Am 25. Juni entschied der oberste Gerichtshof in einem Fall aus Texas – trotz des geballten Widerstands der Industrie –, dass die bisherige Vergabe von Steuernachlässen für den Bau von Sozialwohnungen diskriminierend ist. Nur zwei Wochen später präsentierte das Department of Housing and Urban Development eine neue Regulierung, die die Behörden vor Ort zwingt, offenzulegen, wie sie Bundesmittel nutzen, um Rassentrennung aktiv zu bekämpfen. Können sie das nicht, verlieren sie die Unterstützung. "Dies sind positive Entwicklungen", sagt Myron Orfield. Ob sie ausreichten, die alten Ghettos aufbrechen, bleibe abzuwarten.

Quote12stellae, gestern 17:19 Uhr

Vor zehn Jahren nannten CDU Politiker das, "den Niedriglohnsektor ausbauen". Die Verarmung breiter Schichten auf der welt steht auf der politischen Agenda, denn nur so kann man die Macht der mächtigen zementieren und ihren Reichtum weiter merhen. Es ist eben ein Verteilungsproblem, wenn die mächtigen mehr Geld haben wollen müssen die Armen ärmer werden. Das war das eigentliche Ziel der Agenda 2010 und ist das eigentliche Ziel der "Sparpolitik" in Europa, durchgedrückt durch CDU/FDP/AfD/ALFA wasauch immer.

Für die Agenda 2010 war SPD verantwortlich, aber die wirtschaftliche Inkompetenz spricht in dem Fall für die Sozen. Viele wußten nicht was sie tun und auch nicht für wen...

Quoteasdf0816, gestern 19:31 Uhr

Geschichtsklitterung

"Vor zehn Jahren nannten CDU Politiker das, "den Niedriglohnsektor ausbauen"" [...]
"Für die Agenda 2010 war SPD verantwortlich, aber die wirtschaftliche Inkompetenz spricht in dem Fall für die Sozen. Viele wußten nicht was sie tun und auch nicht für wen..."

Für den Niedriglohnsektor war Rot-Grün verantwortlich und nicht die CDU. Merke: Auch Inkompetenz schützt nicht vor politischer Verantwortung...

[ 03.02.2005: "Arbeitslosigkeits-Schock: Rot-Grün will den Niedriglohn-Sektor ausbauen"
Berlin - Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend (SPD), sagte der "Berliner Zeitung", über die Erleichterung von Zuverdiensten für Arbeitlose könne möglicherweise schon in diesem Sommer entschieden werden. "Einen Aufschwung auf dem ersten Arbeitsmarkt wird es nur geben, wenn man den Niedriglohn-Sektor attraktiver macht", sagte er zur Begründung. Für die Hilfsempfänger sei dies ein Anreiz, auch schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Die Unternehmen erhielten mehr Spielraum, niedrig qualifizierte Tätigkeiten in Deutschland zu halten.

Auch die Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen, Thea Dückert, sprach sich für eine entsprechende Nachbesserung der Hartz-Gesetzgebung aus. "Das sollten wir so schnell wie möglich machen", sagte sie. Bei Zuverdiensten von bis zu 400 Euro sollten Hilfsempfänger künftig jeden zweiten Euro behalten dürfen.

Unterdessen lehnte die IG Metall die von den Arbeitgebern verlangte Senkung des Arbeitslosenbeitrags auf 5,5 Prozent ab. IG-Metall-Vize Berthold Huber sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Das ist mir zu kurzsichtig." Stattdessen müsse man weiter denken. ...

http://www.spiegel.de/wirtschaft/arbeitslosigkeits-schock-rot-gruen-will-den-niedriglohn-sektor-ausbauen-a-339913.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/arbeitslosigkeits-schock-rot-gruen-will-den-niedriglohn-sektor-ausbauen-a-339913.html)]



QuoteKonjunkturbanause
   gestern 17:53 Uhr

16. [empty]

Im Grund stimme ich Ihnen zu, aber...

"Die Gründe & Ursachen sind überall die Gleichen, eine immer ungerechtere Verteilung des Wohlstandes und mangelnde Bildung."

Leider schützt -- auch hohe -- Bildung heute nicht mehr vor Armut.

Akademiker (vor allem auch junge Hochschulabsolventen) sind heute vielfach von Armut bedroht. Schließlich sind viele arbeitslos, weshalb auch sie den "Maßnahmen" von Jobcentern und Arbeitsagenturen ausgeliefert sind.

Viele Akademiker arbeiten nach dem Abschluss in Praktika, Volontariaten, 450-Euro-Jobs, Teilzeitstellen (wie etwa an der Uni). Um -- als billige, aber qualifizierte Arbeitskraft -- einen Jobeinstieg zu erhalten, werden viele Hochschulabsolventen zudem von ihren Eltern alimentiert. Diese Subvention nutzen viele Arbeitgeber natürlich gern...

Auch werden Akademiker von den Behörden dazu gezwungen, sich bei Zeit- und Leiharbeitsfirmen zu bewerben. Sie werden sogar dazu gezwungen, ihr Qualifikationsniveau und ihren Abschluss zu verschweigen, damit die "Überqualifikation" nicht zum "Vermittlungshemmnis" wird.

Dass Bildung auch in den USA kein (hohes) Einkommen garantiert, wird auch daran erkennbar, dass viele Studienkredite (Gesamtvolumen: 1 Billion Dollar) nicht mehr bedient werden können:

The student loan bubble is starting to burst
John Carney, Thursday, 5 Sep 2013 | 2:06 PM ET
Quelle: http://www.cnbc.com/id/101012270 (http://www.cnbc.com/id/101012270)



Aus: "Armut: In den USA kehren die Slums zurück" Thorsten Schröder, New York (13. August 2015)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-08/slum-armut-diskriminierung-usa (http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-08/slum-armut-diskriminierung-usa)

http://www.zeit.de/2015/19/usa-rassismus-armut-baltimore-ferguson-new-york (http://www.zeit.de/2015/19/usa-rassismus-armut-baltimore-ferguson-new-york)

Title: [Was haben mehr als sechs Jahre... ]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 10, 2016, 04:52:10 PM
Quote[...] Was haben mehr als sechs Jahre Krise in Griechenland angerichtet? Die Befunde der OECD sind dramatisch: Die Kinderarmut ist stark gestiegen. Weite Teile der Bevölkerung können sich die Wohnung kaum leisten. Die Jugendarbeitslosigkeit ist seit Jahren enorm hoch. Wer arbeitslos wird, der bleibt es meist für lange Zeit. Und gleichzeitig gewähren Staat und Sozialsysteme weiterhin jenen Privilegien, die nur selten darauf angewiesen sind. ... Die Armut habe zugenommen, ebenso die Ungleichheit bei den Einkommen, heißt es im Bericht. Nehme man das Niveau von 2005 als Maßstab, seien inzwischen ein Drittel der Haushalte arm - sie verfügen über weniger als 50 Prozent des damaligen mittleren Einkommens. ... Die Reformen der vergangenen Jahre hätten vor allem die Schwachen belastet. ...

...


Aus: "OECD-Bericht: So muss die Armut in Griechenland bekämpft werden - jetzt" Florian Diekmann (10.03.2016)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-oecd-fordert-kampf-gegen-armut-und-ungleichheit-a-1081580.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-oecd-fordert-kampf-gegen-armut-und-ungleichheit-a-1081580.html)

Title: [So viele wie nie zuvor seit der Einführung 2003... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 19, 2016, 12:54:35 PM
Quote[...]  Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei geminderter Erwerbsfähigkeit ist auf einen Rekord gestiegen. 1,038 Millionen Menschen in Deutschland bezogen Ende vergangenen Jahres diese Form der Sozialhilfe, so viele wie nie zuvor seit der Einführung 2003. ... Etwas mehr als die Hälfte dieser Bezieher (51,6 Prozent oder rund 536.000 Menschen) erhielt 2015 Grundsicherung im Alter. Diese Grenze liegt für Menschen, die vor 1947 geboren sind, bei 65 Jahren. Ab dem Geburtsjahrgang 1947 wird sie schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Ende vergangenen Jahres lag sie bei 65 Jahren und vier Monaten. Ein Jahr zuvor, als die Altersgrenze noch einen Monat früher erreicht war, bekamen etwa 512.200 Menschen Grundsicherung im Alter. ... Der Hauptgeschäftsführer des Paritätische Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, nannte die Zahlen alarmierend.  "Ein System, das es zulässt, dass alte Menschen massenhaft zum Sozialamt geschickt werden, und wegen zu niedriger Leistungen schließlich bei Lebensmitteltafeln auftauchen, ist eines Sozialstaats nicht würdig", so Schneider, "eine Stabilisierung der gesetzlichen
Rentenversicherung ist ebenso unumgänglich wie eine Reform der Grundsicherung selbst."


Aus: "Rente : Ältere immer öfter auf Grundsicherung angewiesen" (19. April 2016)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-04/grundsicherung-alter-rente-sozialleistung-unterstuetzung (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-04/grundsicherung-alter-rente-sozialleistung-unterstuetzung)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 30, 2016, 09:13:15 AM
Quote[...] Da wird es selbst Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) kalt den Rücken runtergelaufen sein, als sie die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Alexander Krauß auf den Tisch bekam. Der Mann ist in der CDU-Fraktion eigentlich arbeitsmarktpolitischer Sprecher. Beim Sozialen scheint er sich nicht so auszukennen. Denn sonst würde er nicht unverfroren von ,,Rabenvätern und –müttern" sprechen.

Sozial heißt nun einmal in Sachsen immer auch: Wer hat das Geld? Wer kommt – weil er nicht genug verdient – in Zahlungsprobleme? Und dazu gehört nun einmal nicht nur Schuldendienst, Wohnungsmiete und Energie. Dazu gehören oft genug auch die Alimente, die Väter oder Mütter für ihre Kinder an die geschiedenen Ehepartner zahlen müssen. Und dass das mit ,,Rabenvätern" eher nichts zu tun hat, sondern mit der simplen sozialen Fähigkeit, den Unterhalt für die Kinder auch leisten zu können, macht die Ministerin dem CDU-Abgeordnete bei seinem Fehltritt ins Soziale auch deutlich: ,,Der Bezug von Unterhaltsvorschuss ist nicht gleichzusetzen mit der Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Diese ist deshalb nicht Gegenstand der UVG-Geschäftsstatistik."

Denn ,,Rabenväter und –mütter" hatte der Abgeordnete nur in den Titel seiner Anfrage geschrieben, als wollte er jemanden da draußen mit seiner Fähigkeit für starke Biertisch-Parolen beeindrucken. Tatsächlich gefragt aber hat er nach dem Unterhaltsvorschuss. Und den zahlt Väterchen Staat nun einmal, wenn die Unterhaltspflichtigen nicht zahlen – oft genug eben auch nicht zahlen können.

Das wird wieder einmal an der Statistik deutlich. Denn wie bei allen Statistiken, wo es um die ganzen Folgeeffekte von Armut und niedrigen Einkommen geht, ist Leipzig ganz vornedran mit 5.007 Kindern, für die Land, Bund und Kommune in die Unterhaltszahlung einspringen mussten.

Diese Zahlungen erfolgen immer nur unter dem Vorbehalt, dass sich die zuständigen Behörden das Geld dann bei den zahlungspflichtigen Elternteilen wiederholen. Aber auch die sogenannte Rückholquote erzählt davon, dass bei den meisten der Elternteile, die Unterhalt zahlen sollten, eigentlich nichts zu holen ist. Nur rund 19 Prozent der ausgelegten Unterhaltsgelder konnten 2015 wieder zurückgeholt werden. In Leipzig lag der Anteil mit 10 Prozent noch deutlich niedriger.

Tatsächlich sind die Kommunen hochgradig daran interessiert, die Gelder wieder einzutreiben, denn während sie bei den Ausgaben ein Drittel der Summe tragen, bekommen sie von den Einnahmen aus der ,,Rückholquote" 59 Prozent. Für Leipzig bedeutet das, dass die Stadt 2015 zwar 9,1 Millionen Euro an Unterhaltsvorschüssen gezahlt hat, aber nur etwas über 900.000 wieder einholen konnte.

Was eben nicht bedeutet, dass in Leipzig besonders viele ,,Rabenväter" wohnen, sondern dass hier besonders viele Menschen (und eben auch Eltern) mit ihrem Geld nicht über die Runden kommen. In Dresden zum Beispiel war die Belastung der öffentlichen Kasse mit 6,8 Millionen Euro etwas geringer, betraf auch nur 3.784 Kinder.

Der kleine Lichtstreif am Horizont: Auch in Leipzig ist die Zahl der betroffenen Kinder gefallen – von 5.275 auf die erwähnten 5.007. Ein Zeichen dafür, dass viele junge Eltern ihre Einkommenssituation verbessern konnten.

Was übrigens solche Statistiken nie verraten, ist, wie sehr diese pekuniären Nöte erst dazu führen, dass Familien und Partnerschaften zerbrechen und das Thema Unterhaltszahlung erst eines wird.

Auf die Idee, hier von ,,Rabeneltern" zu schwadronieren, kann nur ein Abgeordneter kommen, der sich mit dem Thema noch nie beschäftigt hat.

Die Anfrage von Alexander Krauß. Drs. 4863


Aus: "Wenn ein CDU-Mann nach ,,Rabenvätern" fragt: Auch 2015 musste Leipzig für über 5.000 Kinder Unterhaltsvorschuss zahlen" Ralf Julke (29. Mai 2016)
Quelle: http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2016/05/auch-2015-musste-leipzig-fuer-ueber-5-000-kinder-unterhaltsvorschuss-zahlen-139527 (http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2016/05/auch-2015-musste-leipzig-fuer-ueber-5-000-kinder-unterhaltsvorschuss-zahlen-139527)

http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2015/08/zahl-der-auf-unterhaltsvorschuss-angewiesenen-kinder-in-sachsen-sank-2014-erstmals-leicht-102627 (http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2015/08/zahl-der-auf-unterhaltsvorschuss-angewiesenen-kinder-in-sachsen-sank-2014-erstmals-leicht-102627)

http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2014/08/Fast-34000-Kinder-in-Sachsen-mit-Unterhaltsvorschuss-56657-63407 (http://www.l-iz.de/leben/familie-und-kinder/2014/08/Fast-34000-Kinder-in-Sachsen-mit-Unterhaltsvorschuss-56657-63407)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 13, 2016, 11:48:35 AM
Quote[...] Jeder fünfte Deutsche ist von Armut bedroht. Nicht irgendein Forschungsinstitut hat diese Feststellung herausgegeben, sondern das Statistische Bundesamt. Die Daten sind ein Alarmzeichen für den im Grundgesetz garantierten Sozialstaat. 20,6 Prozent oder 16,5 Millionen Menschen sind demnach von Armut bedroht. Die Skandalzahlen, die das Leistungsversprechen des Sozialstaates dementieren.

Die Beschäftigung mit dem Thema Armut ist stets ein Kampf um die Interpretationshoheit. Wird mit den Zahlen und Ziffern übertrieben, um Aufmerksamkeit zu erzeugen oder Stimmung zu machen? Wird verharmlost – und so das tabuisierte ,,Skandalthema" eingehegt?

Der dauernde Interpretationskampf spiegelt sich in der gesamten Medienberichterstattung wider. Denn die dokumentierte Armutsbilanz in Deutschland ist eine permanente Imageverletzung der Postulate der sozialen Marktwirtschaft. Gezielte Verharmlosung und perfide Ablenkung treffen heute auf alarmierende Statistiken und meist anonyme Schicksale. Bezogen auf die sachliche Auseinandersetzung fehlt es Journalisten meist an der notwendigen Klärungsenergie: Was stimmt, welche Positionen und Interpretationen der Daten sind valide? Welche Befunde sind interessengeleitet oder gezielt verwirrend?

Unbestritten ist, dass die Kluft zwischen Reichen und Armen in Deutschland immer größer wird; die Schlüsselbegriffe ,,zunehmende soziale Ungleichheit" und der drohende ,,Abstieg der Mitte der Gesellschaft" haben Konjunktur. Die Kinderarmut steigt, auch weil die Zukunftschancen von jedem fünften Kind düster aussehen. Immerhin: Zumindest beim Thema der verstärkten Unterstützung für von Armut betroffenen Kinder gibt es so etwas wie einen parteiübergreifenden Konsens. Selbst wirtschaftsnahe Wissenschaftler und Unternehmensvertreter haben das Problem inzwischen identifiziert. Nicht zuletzt, weil damit das Versprechen des sozialen Aufstiegs für alle sichtbar zur leeren Hülle wird. Das kommunikative Ritual ist auf allen Kanälen gleich: Hier müsse der Staat handeln, um mehr Chancengerechtigkeit für ,,arme" Kinder und damit bessere Aufstiegschancen zu schaffen. Aber konkrete Schritte zur Bekämpfung der (Kinder-)Armut oder gar bessere Bildungschancen für alle sind nicht erkennbar. Was sind Gründe für die Polarität zwischen dem Faktenstand zur Armut – und der Inkonsequenz bei der Veränderung von Strukturen?

Armut ist in den meisten Fällen gesichtslos, die Scham der Betroffenen spielt dabei eine große Rolle. Kaum jemand möchte sein Leben vor der Kamera ausbreiten oder in der Lokalzeitung präsentieren. Gelegentlich tauchen Fälle in den Sonderspalten oder populären ,,Ombuds-Formaten" auf, wo auf die traurigen Einzelschicksale aufmerksam gemacht wird. Nach dem Motto: Die Redaktion interessiert sich für die Menschen ,,ganz unten". Zu oft werden diese Einzelfälle aber von den Redaktionen funktionalisiert für die Eigenwerbung: ,,Schaut her, wir kümmern uns."

Der direkte Kontakt zum abgehängten Fünftel wird weder von Politikern noch vorn Bürgern und schon gar nicht von den Medien gesucht. Auch weil Armut oft mit sozialer Ausgrenzung und Rückzug in ausgelagerte Quartiere verbunden ist, mit denen sich die Mehrheitsgesellschaft lieber nicht konfrontiert sehen möchte.

82 Prozent der Deutschen halten die Ungleichheit in Deutschland für zu groß: Dies ist der Befund einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die kürzlich vorgestellt wurde. Die Studie ist ein Plädoyer für einen stabilen Sozialstaat. Aber offenbar mit geringem Nachrichtenwert. Kaum eine Zeitung griff das Thema auf. Schade: Die Auswertung der Ergebnisse wäre ein Argumente-Fundus gewesen, um die Debatte über die ,,soziale Ungleichheit" zu illustrieren.

Ein anderes Beispiel: Die Anhebung des Rentenniveaus soll Thema im Wahlkampf 2017 werden; die SPD denkt wieder an die Einführung einer Vermögenssteuer. Beim linken Flügel der Grünen scheint klar, dass die Frage der sozialen Umverteilung aus einem Steuerkonzept 2017 nicht ausgeklammert werden darf. Sprecherin Simone Peter ist überzeugt: ,,Die Vermögenssteuer wirkt viel zielgenauer als die Erbschaftssteuer und bringt jährlich zehn Milliarden Euro für Investitionen." Ganz anders sieht das freilich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er warnt vor ,,Standortverlagerungen" und Belastungen des Mittelstandes. Der Verzicht auf eine stärkere Belastung von Vermögen über eine Million gehört für ihn zu den ,,Lockerungsübungen", die auf dem Weg zu der von ihm angestrebten schwarz-grünen Koalition im Bund nötig seien.

Der noch ungeklärte Streit zeigt: Die Vernachlässigung des Armutsthemas und die Tabuisierung einer ausgleichenden Steuerpolitik sind zwei Seiten einer Medaille. Die ,,Not leidende" mediale Resonanz des Themas ,,Armut" hat aber auch hausgemachte Gründe: Arme organisieren sich nicht, sind von Beteiligung weitgehend ausgegrenzt. Kollektive Zivilcourage ist offenbar von jenen besonders schwer zu bekommen, die sie so bitter nötig hätten. Zu Armut und Sozialpolitik gibt es zudem viel zu wenig Expertise und Einordnung, die wirklich verständlich ist. Zahlen, Daten und Fakten sind oft kompliziert. Weil die Forscher sich unangreifbar machen wollen, verstecken sie ihr Skandalon allzu häufig im komplizierten Detail.

Daraus folgt, dass Armut kaum Übersetzer hat: Wer entziffert etwa die vollständigen Arbeitslosenzahlen, mit allen Datenquellen und ,,bereinigten" Sonderfaktoren? Armut hat zu wenige Advokaten, auch weil Engagierte in diesem Feld rasch ein Verlierer-Image verpasst bekommen.

Wo sind heute die prominenten Sozialpolitiker, deren Stimme Gewicht hat? In den vergangenen Jahren sind Sozialpolitiker kaum noch aufgefallen, sieht man einmal von früheren Arbeitsminister Norbert Blüm oder dem 2013 verstorbenen Ottmar Schreiner (SPD) ab. Offenbar folgt die Sozialpolitik keinem erfolgversprechenden Karrieremuster mehr. Im Politikbetrieb gehören diese Experten zu den letzten Mohikanern. Das hat Folgen: Nicht nur die Politik, auch die Medien schreiben dem Thema nur einen geringen Nachrichtenwert zu.

... Das Thema Armut hat zu wenig Raum in den Medien. Jeden Abend werden die wenigen Aktienbesitzer in der Börse vor acht – und anderen Hauptnachrichtensendungen – über die Entwicklung der Kapitalmärkte informiert. Aber warum gibt es in Zeiten der größten gesellschaftlichen Spaltung seit einem Vierteljahrhundert nicht ein vergleichbar besetztes Forum der Arbeitnehmer, Sozialpolitiker, der Sprecher der Tafeln oder von engagierten Initiativen?

Erst wenn wir Armut im Fernsehen für alle sichtbar machen, wird sie in unser Bewusstsein dringen.

QuoteSigismundRuestig 13.09.2016 | 09:26

Dass die Ungleichheit bzw. soziale Spaltung auch in Deutschland seit Jahren zunimmt, und mittlerweile auf einem inakzeptablen Niveau angelangt ist, dürfte wohl unstrittig sein. Lediglich dort, wo dieses Ergebnis politisch nicht gewünscht wird, wird versucht, dagegen zu argumentieren, indem i.d.R. die Zahlenbasis bestritten wird. U.a. auch von "namhaften" Wirtschaftswissenschaftlern (nicht nur von IW und IFO) - wird immer wieder versucht, die Zahlenbasis anzugreifen bzw. zu relativieren! Erst kürzlich hat Herr Hüther vom arbeitgebernahen IW diese Zahlentrickserei wieder eindrucksvoll in der Zeit demonstriert (http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-09/ungleichheit-einkommen-schere-deutschland-verteilung-studie ), indem er einfach mal den Zeitraum 2009-2013 willkürlich herausgegriffen hat! Aber auch die Welt, die ja kürzlich die wachsende Ungleichheit noch als Märchen abgetan hatte, reiht sich ein in diese Riege der Zahlenakrobaten, jüngst mit dem Artikel "Der wahre Spaltpilz der amerikanischen Gesellschaft": http://www.welt.de/wirtschaft/article157451200/Der-wahre-Spaltpilz-der-amerikanischen-Gesellschaft.html Dort werden willkürlich die Jahre 2007 und 2015 herausgegriffen und für diesen Zeitraum eine weitere Vergrößerung der Einkommensungleichheit zwischen den obersten 1% der Einkommenspyramide und den restlichen 99% in den USA bestritten. Übrigens eine Methode, der sich auch die Klimawandel-Leugner bedienen!Bei einer weiter zurückreichenden Langfristbetrachtung kommt man jedoch zu ganz anderen Ergebnissen:US real income growth 1993-2015: +94.5% for top 1%; +14.3% for the rest. Top 1% captured 52% of income growth, rest 48% (Quelle: http://eml.berkeley.edu/~saez/saez-UStopincomes-2015.pdf [triking it Richer: The Evolution of Top Incomes in the United States (Updated with 2015 preliminary estimates) Emmanuel Saez, UC Berkeley June 30,2016]) Noch extremer wird die Entwicklung der Ungleichheit, wenn man nicht das Einkommen, sondern das Vermögen betrachtet bzw. wenn man nicht die top 1% sondern die top 0,1% der Einkommenspyramide zum Vergleich heranzieht. Und ähnlich sieht es auch in Deutschland aus.Aber das hören die Leugner der Einkommens- bzw. Vermögensungleichheit nicht so gerne!Was ist zu tun? 1. Die Politik überzeugen, dass die Themen Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit endlich umfassend anzugehen sind. Nur so gewinnt man auch die "Abgehängten" wieder zurück, die, mangels politisch überzeugendem Angebot, möglicherweise auf die rechten Populisten hereinfallen. Rufe nach Burka-Verboten und ähnlichen Symbolhandlungen, wie sie derzeit u.a. auch in der Union verbreitet sind, lenken nur ab. 2. Diejenigen in die Ecke stellen, die die Thematik mit Floskeln wie "den anderen Leuten in die Taschen greifen" aushebeln wollen. Die "anderen Leute" sind die Superreichen, häufig auch durch "unverdiente" Erbschaften reich geworden, die sich angemessene Beiträge zur sozialen Gerechtigkeit locker leisten können - und manche von ihnen auch gerne leisten wollen! Genaugenommen sind diese das Ergebnis einer permanenten Umverteilung, wie sie in unseren Steuer- und Abgabensystemen seit Jahrzehnten verankert sind! Warum eigentlich? ...


Quotegelse 13.09.2016 | 10:25

>>Nicht zuletzt, weil damit das Versprechen des sozialen Aufstiegs für alle sichtbar zur leeren Hülle wird.<<
Das ist in hierarchisch organisierten Gesellschaften nichts Neues: Es können unmöglich alle aufsteigen: je höher die Hierarchieebene, um so geringer die Zahl der Pöstchen, die dort zu vergeben ist.
Umkehrung der Hierachiepyramide wäre die Revolution. Und die ist doch die schlimmste Todsünde, oder?


...


Aus: "Die im Dunkeln sieht man nicht" Thomas Leif (12.09.2016)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-im-dunkeln-sieht-man-nicht-1 (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-im-dunkeln-sieht-man-nicht-1)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2016, 12:03:08 PM
Quote[...] In Bremen ist das Armutsrisiko besonders hoch. Das geht aus Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervor. Nahezu jeder vierte Einwohner Bremens galt demnach als arm (24,8 Prozent), gefolgt von Berlin (22,4 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (21,7 Prozent).

Insgesamt waren in Deutschland 15,7 Prozent der Bevölkerung von monetärer Armut bedroht, das waren 0,3 Prozentpunkte mehr als 2014 und ein Prozentpunkt mehr als 2005, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte. Die Armutsquote liegt damit so hoch wie niemals zuvor seit der Wiedervereinigung.

Die Entwicklung weist große regionale Unterschiede auf. Im Westen Deutschlands sind mehr Menschen von Armut bedroht als vor zehn Jahren. Im Osten ist die Entwicklung dagegen rückläufig - mit Ausnahme von Berlin. In den alten Bundesländern ohne Berlin waren es 14,7 Prozent (plus 1,5 Punkte), in den neuen 19,7 Prozent (minus 0,7 Punkte). Den stärksten Anstieg im Zehn-Jahres-Vergleich verzeichnete Nordrhein-Westfalen: um 3,1 Prozentpunkte auf 17,5 Prozent.

Als armutsgefährdet gelten Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben.




Aus: "Alarmierende Statistik: Jeder vierte Bremer gilt als arm" (22.09.2016)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsrisiko-waechst-in-bremen-gilt-jeder-vierte-als-arm-a-1113424.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsrisiko-waechst-in-bremen-gilt-jeder-vierte-als-arm-a-1113424.html)

http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Klares-Ziel-umstrittener-Weg-_arid,1462031.html (http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Klares-Ziel-umstrittener-Weg-_arid,1462031.html)

https://weserreport.de/2016/09/politik/trauriger-rekord-bremen-ganz-vorn-bei-kinderarmut/ (https://weserreport.de/2016/09/politik/trauriger-rekord-bremen-ganz-vorn-bei-kinderarmut/)


Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 29, 2016, 08:49:21 AM
Quote[...] Die Tafeln haben in den vergangenen zwei Jahren Aufnahmestopps verhängt, Wartelisten an die Wände geklebt, Bedürftige weggeschickt. Der Grund: Immer mehr Menschen reihen sich in die Schlangen vor den Tafeln ein, um kostenlose Lebensmittel zu kriegen. Momentan kommen 1,5 Millionen regelmäßig. Das sind doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Es scheint, als würden sehr viele Menschen in Deutschland nicht von der guten wirtschaftlichen Lage und sinkenden Arbeitslosenquote profitieren.

Seit der Wiedervereinigung war das Risiko, hierzulande arm zu werden, noch nie so hoch wie im vergangenen Jahr, sagt die Hans-Böckler-Stiftung. Jeder Sechste war gefährdet. Und weil die Zahl der Tafelnutzer im Vergleich zu 2014 um 18 Prozent zunahm, der Spendenzuwachs aber nur um zehn Prozent, sagte Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Tafel, am Dienstag: ,,Trotz angestiegener Spendenmenge bekommt jeder Einzelne im Durchschnitt etwas weniger Lebensmittel."

Eine weitere Entwicklung: Rund 220 000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr zu den Ausgabestellen. Vor allem am Anfang habe es wegen kultureller Unterschiede und Sprachproblemen Schwierigkeiten gegeben. So hätten syrische Männer Probleme damit gehabt, Hilfe von Frauen anzunehmen. Manche hätten Lebensmittel aus religiösen oder kulturellen Gründen nicht angenommen. Altkunden befürchteten, die Flüchtlinge nähmen ihnen etwas weg. Außerdem hätten viele Tafeln ihren neuen Kunden zunächst klarmachen müssen, dass Tafeln keine staatlichen Einrichtungen seien und sie keinen Anspruch auf Lebensmittel hätten. ,,Unser Problem sind aber nicht die Flüchtlinge, sondern es ist die Armut", sagte Brühl mit Blick auf die Gesamtbevölkerung.

Schon vor drei, vier Jahren habe Brühl die Regierung darauf hingewiesen, dass immer mehr Flüchtlinge kämen. Ohne irgendeine Reaktion. Dass die Menschen aus Syrien und Afghanistan Tafeln nutzen, erklärte Brühl mit einer ,,mangelhaften Versorgung" in den Unterkünften und dem Wunsch, mal rauszukommen, mit anderen zu sprechen. Bei Flüchtlingen, die in Wohnungen untergebracht seien, reiche die staatliche Unterstützung oft nicht aus – wie das bei Hartz-IV-Empfängern der Fall sei. Mittlerweile habe sich die Situation entspannt. Es gebe Dolmetscher und mehrsprachiges Informationsmaterial. Die Vorurteile langjähriger Kunden seien einem größeren Verständnis gewichen. Und: In 40 Prozent der Tafeln packen Flüchtlinge mit an und arbeiten als Ehrenamtliche. Tendenz steigend.

Statt der Verteilungsdebatte beobachte Brühl allerdings immer mehr ,,Versuche von außen, einen Keil zwischen die Ärmsten in diesem Land zu treiben." Vor Ort hätten Mitarbeiter NPD-Ortsgruppen weggeschickt, nach den Ausschreitungen in der Kölner Silvesternacht eine Bürgerwehr. Bei Facebook gebe es immer mehr rassistische Kommentare, wie ,,deutsche Lebensmittel für deutsche Arme". Das Redaktionsteam reagiere darauf, nehme zum User Kontakt auf oder lösche den Post. In E-Mails kündigten Spender an, wegen der Flüchtlinge nicht mehr zu helfen. Wieder betonte Brühl: ,,Bereits vor der sogenannten Flüchtlingskrise sind immer mehr Menschen zu den Tafeln gekommen." Allein der Anteil der Rentner ist von 2007 bis 2014 von zwölf auf 24 Prozent gestiegen.

Die Idee der Tafeln stammt aus den USA. In Deutschland wurde die erste Tafel 1993 von der Initiativgruppe Berliner Frauen gegründet. Waren es 2002 gut 300 Tafeln, gibt es heute bundesweit etwa 900 mit rund 2100 Läden und Ausgabestellen. Die Nachfrage ist da. Und wird mehr. Neben Rentnern und Geringverdienern kommen vor allem Langzeitarbeitslose. Wobei es sich sehr oft um alleinerziehende Frauen und Migranten handelt. Knapp ein Viertel der Nutzer sind Kinder und Jugendliche. Jedes siebte Kind lebt hierzulande von Hartz IV.

Damit sich die Situation jener Menschen, die von ihrem Geld nicht leben können, verbessert, fordert der Verband einen Bundesbeauftragten zur Bekämpfung von Armut, eine bedarfsgerechte Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze und eine kostenloses Mittagsverpflegung für alle Kinder. Im Kontext der Flüchtlingsintegration wirbt der Verband außerdem für Antirassismusprojekte und möchte eine sachlichere Debatte. Die Organisation mahnt die Politik, die Angebote der Tafeln nicht überzustrapazieren ,,Verliert die Regierung die Ärmsten weiter aus ihrem Blickfeld, droht der gesellschaftliche Unfriede", sagte Brühl.

Die Tafeln finanzieren sich ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Hin und wieder gibt es Kleidung und Bücher. Einige Stellen bieten warme Mahlzeiten an. Hauptsächlich bekommen die Tafeln aber Obst, Gemüse, Backwaren und Konserven. Von Discountern, dem Handel und Restaurants. Mal haben sie zu viel im Lager und wollen etwas loswerden, mal haben ihre Produkte ein bald endendes Mindesthaltbarkeitsdatum oder kleine Schönheitsfehler. 2015 verteilten die Tafeln 215 000 Tonnen. Die Hälfte von ihnen klagte, die Mengen reichten nicht aus. Im gleichen Jahr warf jeder einzelne Bürger 80 Kilogramm an Lebensmitteln in den Müll.

Quote2010ff 28.09.2016, 21:57 Uhr

    Trotz sinkender Arbeitslosenquote kommen immer mehr Menschen zu den Tafeln.

Woran mag das wohl liegen? Ich komm nicht drauf, ich komm nicht drauf...

...


QuotePsychosis 28.09.2016, 19:34 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Karl-Heinz123 28.09.2016, 18:18 Uhr
Ach ja............

Gerade in den Nachrichten gehört:
"Die deutsche Wirtschaft brummt, noch nie gab es so viele offene Stellen."


Quotenochnefrage 28.09.2016, 17:08 Uhr
Gibt es ein Angebot, entsteht eine Nachfrage. Das gilt für ein neues Smartphone, das gilt auch für Hilfseinrichtungen wie die Tafeln.

Wer obdachlos ist, kann sich in das Sozialsystem eingliedern, monatliche Sozialhilfe und eine Unterkunft erhalten. Wer das nicht möchte oder meint, sich nicht einpassen zu können, muss die Konsequenzen tragen. Es gibt Menschen, die den Menschen ausserhalb des Systems helfen - gut, das ist ihre freiwillige Entscheidung, eine objektive Notwendigkeit ist es nicht. Aber auch der Helfende hat ja einen Gewinn für sein Tun.

Dass auch Migranten zu den Tafeln kommen, obwohl sie mit staatlichen Zahlungen und anderes versorgt sind, ist verständlich - schliesslich möchten viele sparen und mit dem zu ihrem Unterhalt gegebenem Geld ihre Angehörigen zuhause unterstützen. Das ist zwar nicht im Sinne der öff. Zahlungen - aber ok.

Aus der gesteigerten Nachfrage nach den Hilfsangeboten kann man nicht auf eine erhöhte Not schliessen. Wie oben gesagt: Wenn  ein Angebot geschaffen wird, stellt sich die Nachfrage ein.


QuoteAnwarziel 28.09.2016, 13:12 Uhr
Man kann es noch so schönreden. Es gibt bereits Verteilungskämpfe.
Dass diese die ärmsten unseres Landes am stärksten treffen war voraussehbar.
Die Politik scheint demgegenüber aber völlig gleichgültig zu sein. ...



Quotetizian2011 28.09.2016, 13:05 Uhr

    Es scheint, als würden sehr viele Menschen in Deutschland nicht von der guten wirtschaftlichen Lage und sinkenden Arbeitslosenquote profitieren.

Scheint nicht so, ist so.


...


Aus: "Weniger für die Ärmsten: Essen bei den Tafeln reicht nicht für alle" Marie Rövekamp (28.09.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/weniger-fuer-die-aermsten-essen-bei-den-tafeln-reicht-nicht-fuer-alle/14609554.html (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/weniger-fuer-die-aermsten-essen-bei-den-tafeln-reicht-nicht-fuer-alle/14609554.html)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 10, 2016, 12:47:46 PM
Quote[...] Deutschlandweit ist die Überschuldung nach Angaben von Creditreform zum dritten Mal in Folge angestiegen. Im Bundesschnitt war zum Stichtag am 1. Oktober 2016 jeder Zehnte Bundesbürger über 18 Jahre überschuldet. ... Besonders hohe Werte errechneten die Statistiker von Creditreform erneut für das Ruhrgebiet. Blickt man auf die Städte zwischen Duisburg und Dortmund ergibt sich eine durchschnittliche Schuldnerquote von 14,65 Prozent. ... Für die nahe Zukunft rechnen die Creditreform-Experten nicht mit einer nachhaltigen Entspannung der privaten Überschuldungslage in Deutschland. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Überschuldungszahlen weiter ansteigen werden. Das ist auch die Einschätzung von Christoph Zerhusen, dem vor allem die steigende Altersarmut und das Abschneiden vieler Bevölkerungsteile von gesellschaftlicher Teilhabe Sorge machen. ...


Aus: "Im Ruhrgebiet ist jeder Siebte überschuldet" Peter Schneider (10.11.2016)
Quelle: http://www1.wdr.de/nachrichten/schuldneratlas-nrw-100.html (http://www1.wdr.de/nachrichten/schuldneratlas-nrw-100.html)

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Quote[...] Mehr als jeder zehnte Erwachsene in Deutschland ist überschuldet. Damit könnten über 6,8 Millionen Menschen im Alter von über 18 Jahren ihre Rechnungen derzeit nicht mehr begleichen, berichtete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Donnerstag in Düsseldorf. Die Zahl der Überschuldeten sei im Vergleich zum Vorjahr um 131.000 oder 1,9 Prozent weiter angestiegen.

Besonders deutlich habe dabei mit einem Plus um 5,6 Prozent die Zahl der harten Fälle mit hoher Überschuldung zugenommen. Weiter ansteigend sei auch die Altersüberschuldung. Derzeit seien in Deutschland 174.000 Menschen ab 70 Jahren davon betroffen - dies entspricht einer Zunahme von 25.000 Fällen oder 16 Prozent. Mit einer Überschuldungsquote von 1,34 Prozent liege diese Altersgruppe jedoch immer noch deutlich unter den Werten der jüngeren Altersjahrgänge.

Die Überschuldung von Verbrauchern in Deutschland nimmt trotz der guten Konjunktur seit Jahren zu. Im vergangenen Jahr bereits konnte fast jeder Zehnte seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Besonders schwerwiegend sind die Probleme im Ruhrgebiet. In vielen Städten steigt die Zahl der Überschuldungsfälle überdurchschnittlich schnell an.

Negativer Spitzenreiter im Vergleich der Bundesländer war im vergangenen Jahr Bremen mit einer Schuldnerquote von 14,08 Prozent. Am günstigsten war die Verschuldungslage in Bayern (7,12 Prozent) und Baden-Württemberg (8,09 Prozent). Nordrhein-Westfalen lag mit einer Quote von 11,52 Prozent im unteren Mittelfeld der Bundesländer.

mik/dpa-AFX


Aus: "Konsum: Mehr als jeder Zehnte ist überschuldet" (10.11.2016)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/experten-warnen-vor-zunehmender-privatverschuldung-a-1120598.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/experten-warnen-vor-zunehmender-privatverschuldung-a-1120598.html)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 21, 2016, 11:09:30 AM
Quote[...] Obdachlose verspeisten Schwäne im Tiergarten, das meldeten Berliner Medien kürzlich und machten auf eine dramatische Verelendung aufmerksam: Immer mehr Obdachlose, darunter auch Kinder, leben auf der Straße, trotz eines umfassenden Hilfesystems für wohnungs- und obdachlose Personen mit etwa 7000 Heimplätzen.

Zuständig und verantwortlich für die Unterbringung sind die Bezirke, nicht der Senat. Von November bis März gibt es zusätzliche Plätze im Rahmen der Berliner Kältehilfe. Für diesen Winter wurde deren Zahl gerade auf 800 Plätze erhöht, der neue Senat will die Zahl auf 1000 ausweiten. Das ist gut gedacht. Doch inzwischen macht sich eine Obdachlosenrealität breit, der die Stadt nicht mehr gewachsen ist.

Die Gründe sind vielfältig. Aus vielen osteuropäischen EU- Staaten, wie Polen, Bulgarien, Ungarn, der Slowakei, kommen Arbeitssuchende nach Berlin, oft mit ihren Familien. Sie halten sich hier legal auf, sind aber nicht berechtigt, soziale Leistungen zu erhalten. Was die Ämter ihnen anbieten, ist eine Rückfahrkarte für den Reisebus. Doch viele bleiben, denn mit Kleiderkammern, Suppenküchen, medizinischen Hilfen lässt sich in Parks oder auf der Straße überleben. Auch im Winter?

Für die anspruchsberechtigten Berliner Obdachlosen sind inzwischen auch anerkannte Flüchtlinge ungewollt zur Konkurrenz geworden. Wenn die ihre Notunterkünfte verlassen müssen und keine Wohnung finden, bringt man sie in Obdachlosenwohnheimen unter. Jeder vierte Platz soll so besetzt sein.

Alle wissen, dass keine Stadt, erst recht keine Metropole, Obdachlosigkeit verhindern oder beseitigen kann. Darum geht es nicht. Aber das Berliner Hilfesystem ist nicht auf der Höhe der Zeit. Seit Langem schon hält es nicht mehr Schritt mit neuen Problemen wie wachsender Wohnungsnot, dem starken Zuzug von EU-Ausländern, der Unterbringung von Flüchtlingen. Noch nie wurden überhaupt verlässliche Zahlen über die Gruppe der Wohnungslosen erhoben. Und die zuständigen Bezirke sind alleine nicht in der Lage, es besser zu machen. Sie können die Campierenden verscheuchen, den Müll einsammeln und die Schwäne umsiedeln. Aber ist das eine wirksame Strategie gegen Obdachlosigkeit?

QuoteDoppelemm 20.11.2016, 12:45 Uhr
Was mit dem etwas unglücklichen Wort "Obdachlosenrealität" beschreiben wird offenbart doch am Ende eines:

Daß diese Obdachlosenrealität- die seit den 250 Jahren des existierenden Kaitalismus seitdem weltweit dazugehört wie alle anderen Folgen dieses Wirtschaftssystems - komplett von politischer Seite ignoriert wurde und wird.

Was man nicht untersucht oder als Problem ansieht muß man dann auch nicht anpacken:

es wird - wie die neue Armut ganzer Bevölkerungsgruppen heutzutage oder die schon vor zehn Jahren in Berlin absehbare Wohnungsknappheit - wegdefiniert.
Einfach ausgeblendet, regelrecht geleugnet. Gibt es nicht, basta.

Aber es gibt keinen Erkenntnismangel:

Wenn es im viktorianischen England(!) möglich war, eine umfassende öffentliche Struktur aus Obdachlosenasylen, Suppenküchen und Badeanstalten zu schaffen ebenso wie in den USA der Jahrhundertwende, die die verelendeten Massen aus Ost(!) Europa und der ganzen Welt über Einwandungswellen und Generationen hinweg aufnahmen und wenigstens Obdachlosen-Unterkünfte und eine Versorgung in den Städten einplanten und bauten, dann darf man doch laut fragen, wen diese jahrzehntelange(!) Realität hier in D so sehr störte, daß man einfach die Augen davor verschloß - und einfach nichts tat oder so wenig, daß es eher eine Verhöhnung ist als Hilfe.

Von den viel beschworenen Werten unserer westlichen Welt, gar christlichen oder solchen der Nächstenliebe vermag ich gar nichts, aber null komma gar nichts zu erkennen.

Es ist unmenschlich, nicht humanistisch und unchristliches Verhalten auf allen Ebenen.
Wenn jemand neben dir strauchelt oder hinfällt, wenn dessen Kräfte nicht mehr reichen, nicht einmal für das eigene Leben, dann hilft man diesem Menschen auf - aber das kalte politische Herz dieser Gesellschaft schlägt nicht in diesem Takt.

Mir soll niemand mehr etwas von der "Überlegenheit" unserer Werte erzählen, es widert mich nur noch an ... da haben wir über Welt-Frieden, den neuen Feind, noch gar nicht gesprochen.


QuoteSchland 20.11.2016, 14:41 Uhr

"Den Deutschen geht es so gut wie nie" ...

... Die Gesetze sind so gestaltet, dass der Profit der Superreichen immer steigt, das erzeugt natürlich mehr und mehr Verlierer.

Das Problem der Obdachlosigkeit gibt es extrem auch in den USA und anderen europäischen Ländern. Ob in Spanien, Italien, Griechenland, Deutschland, England. Die als reich geltenden Länder haben heute eine große Ungleichheit.

Eine Ursache ist die so genannte "Personenfreizügigkeit". Diese bedeutet, dass Arbeitsnehmer wie Kartoffeln aus Ausland billiger gekauft werden. Arbeitgeber dürfen die "Fachkräfte" aus den billigsten und ärmsten Ländern Europas importieren, müssen sie aber nicht gut unterbringen. Es geht nur um die Profitmaximierung, die pure Ausbeutung. Um das Wohl der Menschen geht es nicht. Darum wurde trotz bereits sehr hoher Migration in Deutschland der "Fachkräftemangel" ausgerufen. Die Sklaven schienen auszugehen, die für ganz billig arbeiten und keine Ansprüche stellen. Jahrzehnte lang haben die Regierungen die Armut einfach ignoriert.

In England gibt es ähnliche Schwierigkeiten, so wird der Brexit verständlich:

Die fünfjährige Brooke Blair aus Großbritannien liest Premierministerin Theresa May in einer kurzen Videobotschaft "die Leviten": Es gebe viel zu viele Obdachlose und Arme in Großbritannien. May solle endlich etwas tun, um die Armut zu verringern. "Ich bin wütend!" schließt Brooke ihren Appell...

Informationen der Europäischen Kommission und des europäischen Statistikamtes EUROSTAT zufolge sind 120 Millionen Menschen akut von Armut bedroht, etwas mehr als jedes vierte Kind ist betroffen – nicht irgendwo, sondern mitten in Europa...

Doch nicht nur in Europa, auch in anderen, wirtschaftlich prosperierenden Regionen herrscht nach wie vor Armut. So wenden sich jährlich rund 46 Millionen US-Bürger an die Organisationen des Anti-Hunger-Netzwerk "Feeding America", das sind rund 14,3% der US-Gesamtbevölkerung.


"Ich bin wütend!"
Von Gregor J. Mayer, mit Material der EU-Kommission, Feeding America, EUROSTAT (2016)
https://www.phoenix.de/content//1160884 (https://www.phoenix.de/content//1160884)


...


Aus: "Obdachlosigkeit: Berlin bekommt das Elend nicht in den Griff" Barbara John (19.11.2016)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/obdachlosigkeit-berlin-bekommt-das-elend-nicht-in-den-griff/14866152.html (http://www.tagesspiegel.de/berlin/obdachlosigkeit-berlin-bekommt-das-elend-nicht-in-den-griff/14866152.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 21, 2016, 12:09:08 PM
Quote[...] In den vergangenen Jahrzehnten ist der Anteil der Menschen, die als extrem arm gelten, wegen der Globalisierung und hohen Wirtschaftswachstums enorm zurückgegangen. Vor 20 Jahren konnte sich noch knapp 30 Prozent der Weltbevölkerung statistisch betrachtet nicht einmal eine Dose Bohnen leisten. Bis 2013 ist der Anteil auf etwas unter elf Prozent gesunken. Das sind noch immer 767 Millionen Menschen. Die meisten armen Menschen leben in Indien. Fast jeder dritte Arme der Welt ist dort zu Hause. Nimmt man Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Bangladesch, China und Tansania dazu, decken diese sieben Ländern 67 Prozent der extremen Armut der Welt ab. Sie gehören bis auf den Kongo aber nicht zu den ärmsten Länder der Welt, wegen ihrer Größe wohnen dort lediglich die meisten Armen. ...


Aus: "Wo die Armut zuhause ist: Die sieben Länder mit den meisten Armen der Welt" Andreas Sator (21. November 2016)
Quelle: http://derstandard.at/2000047140544/Wie-sich-die-Laender-mit-den-meisten-Armen-der-Welt (http://derstandard.at/2000047140544/Wie-sich-die-Laender-mit-den-meisten-Armen-der-Welt)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 03, 2017, 11:02:28 AM
Quote[...] Eine der Ersten war Janina. Ich traf sie vor zehn Jahren in Bochum-Wattenscheid. Als ich sie kennenlernte, war sie elf Monate alt. Zwei Etagen unter ihr lebte ihr Opa. Sein Einkommen bekam er vom Amt, genau wie ihr Papa und ihre Mama. Die beiden stritten oft, und Janina stellten sie zum Füttern in einem Autositz aufs Sofa, weil sie keinen Kinderstuhl hatten. An diesem Tag, es war der 24. Oktober, hatten Janinas Eltern noch sieben Euro auf ihrem Konto. Zu wenig, um bis zur November-Überweisung über die Runden zu kommen. Der Kühlschrank war leer, die Windeln für Janina waren aufgebraucht, und immer wenn es an der Tür klingelte, zitterten die Eltern, aus Sorge, das Jugendamt würde kommen, um das Kind mitzunehmen und damit den einzigen Antrieb, diesen ganzen dreckigen Alltag auszuhalten.

Dann war da Sascha, ein Kölner, blass und schlau, zehn Jahre alt. Er hatte gesehen, wie seine Mutter weinte, als die Grundschullehrer ihm eine Empfehlung für die Hauptschule ausstellten. Jetzt saß er da, sprach mit den Freunden über die Zukunft, die für einen Zehnjährigen genau das sein sollte, was sie für seine Klassenkameraden war: ein Ort der Träume und Spinnereien. Einer wollte Hundeverkäufer werden, einer Präsident von Afrika, einer, natürlich, Fußballstar. Und Sascha? Der ahnte, welchen Platz ihm die Erwachsenen längst zugewiesen hatten. "Wenn ich hier den Hauptschulabschluss mache", sagte er, "kann ich ja höchstens Kloputzer werden."

Oder Ercan, auch er zehn Jahre alt. Nur eine gut 30 Meter breite Straße trennte die Wohnblocks in Berlin-Kreuzberg, in denen er als Jüngster in einer achtköpfigen Familie groß wurde, von den wohlhabenden Altbauten, in denen die meisten Kinder einzeln oder im Doppelpack aufwuchsen. Dass die Eltern der anderen Kinder mehr Geld hatten, störte Ercan nicht. Dass viele von ihnen die Welt bereisten und er das Viertel nur selten verließ, auch nicht. Aber dass er jeden Morgen in diese Schule gehen musste, in der die Klos ständig verstopft waren und es wegen Bauarbeiten schon lange keinen Schulhof mehr gab, diese Schule, in der ihm so oft der Kopf wehtat, weil es in der Klasse so laut war, wenn seine Mitschüler fluchten und störten und die Lehrer "Ruhe!" schrien, das nervte Ercan sehr. Denn er hätte gern mehr gelernt – so wie die Jungen und Mädchen aus den Altbauten, die von ihren Eltern weit weg in bessere Schulen gefahren wurden.

Seit mehr als zehn Jahren berichte ich in Fernsehreportagen, Büchern und Zeitungsartikeln immer wieder über arme und abgehängte Kinder in Deutschland. Ich war in Wohnungen, die nach Urin stanken, und in solchen, in denen sich Eltern mühten, auch ohne Geld Würde und Anstand zu wahren. Ich habe mit Grundschulkindern gesprochen, die jobben wollten, um ihren Eltern zu helfen, und solchen, die wütend wurden, weil ihnen immer gepredigt wurde, dass sie verzichten müssten.

Ich habe all die Statistiken gelesen. Und weiß, dass Janinas, Saschas und Ercans Lebenschancen schlechter sind als die ihrer Altersgenossen. Dass die drei aller Wahrscheinlichkeit nach nicht studieren werden. Mehr als in vielen anderen Industrieländern entscheidet bei uns die soziale Herkunft über die Zukunft von Kindern. Bereits mit sechs Jahren können sich arme Kinder im Schnitt schlechter konzentrieren und sind häufiger übergewichtig und krank als ihre nicht armen Altersgenossen. Sie können schlechter sprechen, schlechter zählen. Und in der Schule gelingt es viel zu selten, diesen Startnachteil wettzumachen. Das gilt übrigens selbst dann, wenn die Eltern zwar wenig Geld, dafür aber einen hohen Bildungsstand haben. Ich kenne die Analysen, wonach ein Kind, das arm ist, später gefährdeter ist, Drogen zu nehmen, ein Opfer von Gewalt oder selbst kriminell zu werden. Der Malus der Armut bleibt oft ein Leben lang, bis zum Ende: Die statistische Lebenserwartung eines Jungen, der in eine arme Familie geboren wird, ist elf Jahre niedriger als die eines Jungen aus wohlhabendem Hause.

Auch weiß ich inzwischen, wie Leser und Zuhörer reagieren, wenn ich von Kindern wie ihnen schreibe oder auf Veranstaltungen von ihnen erzähle. Manche bedauern Janina, Sascha und Ercan ein paar Sätze lang, dann geben sie deren Eltern die Schuld: Diese allein seien verantwortlich für das Schicksal ihrer Kinder, nicht die Gesellschaft. Die meisten Leser und Zuhörer aber sind anders. Sie fühlen mit und sind bestürzt über, wie es immer heißt, "so viele arme Kinder in unserem reichen Land".

Es ist eine Reaktion, die man auch in den nächsten Wochen wieder hören wird, wenn die Bundesregierung ihren Armutsbericht veröffentlicht. Eine Reaktion, die seit zehn Jahren auf jede neue Studie, jede neue Statistik zur Kinderarmut in Deutschland folgt.

Es sind ja auch traurige Zahlen: Rund zwei Millionen Kinder in Deutschland sind von Armut bedroht, das ist jedes fünfte. Besonders häufig arm sind Kinder von Arbeitslosen, Alleinerziehenden und solche mit mindestens zwei Geschwistern. Armut ist in Deutschland natürlich relativ und, um den Einwand der Leserbriefschreiber schon mal vorwegzunehmen, natürlich nicht mit der in Kalkutta zu vergleichen.

Arm sein heißt laut Statistik erst mal nur, dass die Familie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. Arm sein bedeutet aber auch: beengte Wohnungen, raue Stadtviertel, kein Geld für individuelle Förderung, für Wünsche, nie Urlaub.

Ercan konnte in die Dreiraumwohnung der Großfamilie keine Freunde einladen. In Saschas Viertel klauten die Älteren den Kleineren Geld und Handys. Und Janinas Familie ging die halbe Stunde zum Jobcenter stets zu Fuß. Das Straßenbahnticket war viel zu teuer.

Wie kann das sein?, beklagen dann regelmäßig die Journalisten. Wir müssen etwas ändern, bekräftigen die Politiker, Jahr um Jahr.

"Kinderarmut ist eines der beschämendsten Probleme in unserem Land", sagte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen 2007.

"Für mich ist die Bekämpfung von Kinderarmut ein sehr wichtiger Punkt", sagte die aktuelle Familienministerin Manuela Schwesig im Jahr 2014.

"Kinderarmut ist ein bedrückendes Problem", sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles im Mai 2016.

Welch große Einigkeit! Wenn aber alle ihre Bestürzung geäußert haben, wird es still, bis zur nächsten Statistik, der nächsten Welle der Empörung.

Ich fühle mich dann wie in einer Zeitschleife. Denn die Zahl der armen Kinder ist bis Mitte der 2000er Jahre angestiegen und sinkt nicht. Seit zehn Jahren nehmen unsere Regierungen in Kauf, dass zwei Millionen Janinas und Saschas und Ercans in Wattenscheid, Köln oder Berlin aufwachsen und von Anfang an schlechte Karten haben, Erfolge zu erleben, Talente zu entfalten, die Welt zu erobern – oder wem das zu sozialromantisch klingt: Steuerzahler zu werden und in die Rentenkassen einzuzahlen, Unternehmen zu gründen, mit ihrem Geist dieses Land zu bereichern und damit unsere Zukunft zu sichern.

Klar: Hier und da werden, wie es dann heißt, "Maßnahmen" ergriffen, es wird, wie gerade geschehen, der Kinderzuschlag für Eltern mit niedrigem Einkommen um zehn Euro erhöht oder das Kindergeld um zwei Euro monatlich, es werden Teilhabepakete geschnürt. Und in einzelnen Stadtvierteln, in vielen kleinen Projekten gelingt auch Großes. Aber legt man die Lupe beiseite und betrachtet das ganze Bild, hat sich wenig geändert. Wann gingen Bürger einmal auf die Straße, um sich darüber zu empören, dass so viele Kinder abgehängt sind? Wo ist der gut vernetzte Verein, der Druck macht, bis es gut ausgestattete Bildungseinrichtungen für alle von Anfang an gibt? Wo ist die konzertierte Aktion der Regierung gegen Chancenarmut? Dabei ist es offensichtlich, was dringend zu tun wäre: herausragende Bildungseinrichtungen für ganz Kleine zum Beispiel, vor allem in den Vierteln, in denen die Armut groß ist. Aber auch: endlich verlässliche Ganztagsgrundschulen, in denen die Kinder nicht am Nachmittag nur betreut werden, sondern in denen alle gemeinsam auch nach zwölf Uhr noch lernen, Sport treiben, musizieren und ein warmes Mittagessen bekommen. Wenn die Bundesländer es weiter nicht schaffen, ihren föderalen Flickenteppich zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuweben, müsste der Bund die Verantwortung für diese Schulen tragen.

Kommen wir zum Geld: Wie können wir hinnehmen, dass dem Staat ein armes Kind – trotz Mahnungen der Verfassungsrichter – weniger wert ist als ein armer Erwachsener? Dass der Hartz-IV-Regelsatz für einen Zehnjährigen rund 100 Euro im Monat niedriger ist als der seiner Elternteile?

Jeder, der Kinder hat, weiß, dass diese häufiger neue Kleidung brauchen als Erwachsene, dass sie Bücher, Stifte und vor allem: gesundes Essen brauchen. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass es ihnen viel schwerer fällt zu verzichten als den Eltern, die ihre Lage begreifen können. Und Verzicht bedeutet nicht, die zum Klischee aufgeblasenen Markenschuhe nicht kaufen zu können, sondern sich all das nicht zu leisten, was die Freunde tun: Schwimmunterricht, Zoobesuche und, wenn es regnet, einen Kinobesuch mit Popcorn.

Es wäre für den Staat einfach, dafür zu sorgen, dass große Familien günstiger wohnen können. Dass kinderreiche Familien – wie etwa in Frankreich – Rabatte bekommen, wenn sie verreisen wollen oder Kleidung und Schulsachen kaufen.

Deutschland investiert viel Geld, um Ehen und Familien zu unterstützen. 200 Milliarden Euro verteilen Behörden pro Jahr an Paare mit und ohne Kinder. Allerdings tun sie das nicht mit der Gießkanne, wie oft kritisiert wird, sondern mit einem außer Kontrolle geratenen Rasensprenger: Er wässert die Wiese vor allem dort, wo sie ohnehin schon sattgrün ist.

Es gibt über 150 Familienleistungen – Elterngeld, Kindergeld, Kita-Zuschuss –, und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat gerade erst berechnet, wie sich dieses Geld verteilt. Das Ergebnis war überraschend: 13 Prozent der Fördersumme landen bei den reichsten zehn Prozent der Familien, nur sieben Prozent bei den ärmsten zehn Prozent. Anders ausgedrückt: Ein armes Kind ist dem Staat monatlich im Schnitt 107 Euro wert, ein reiches aber 199 Euro. Ein absurdes System.

Würde der Staat stattdessen jedem Kind, egal wie alt, egal aus welcher Familie, das zahlen, was es zum Leben braucht, wäre das nicht nur ein Zeichen dafür, dass alle Kinder gleich viel wert sind, sondern auch eine wirksame Waffe gegen die Folgen der Armut. Kindergrundsicherung nennen Wissenschaftler das und schlagen vor: 500 Euro sollte jedes Kind pro Monat erhalten.

Das klingt nach Träumerei? Auf gerade mal 30 Milliarden Euro schätzt ein Team der Böll-Stiftung die Mehrkosten pro Jahr. Allein die Abschaffung des Ehegattensplittings würde etwa 20 Milliarden einbringen. Möglich wäre es also. Stattdessen erleben wir seit Jahren diese unwürdige Aufführung aus Armutszahlen, politischem Bedauern und gleichzeitigem Nichtstun. Warum?
Inzwischen habe ich nur eine Erklärung: Am Ende sind Kinder wie Janina, Ercan und Sascha den allermeisten dann doch egal. Klar, es fällt schwer, in die runden Augen zu blicken und zuzuhören, wenn die Kleinen von ihrer Armut erzählen. Selbstverständlich müssen viele schlucken, wenn ihnen klar wird, wie unwahrscheinlich es ist, dass es in diesen Leben, die mit wenig Chancen beginnen, eine Wende zum Guten geben wird.

Aber spätestens wenn aus den süßen Zehnjährigen laute, manchmal schwierige Teenager geworden sind, wandelt sich das Mitleid vieler in Ablehnung. Sollen sie sich doch mehr anstrengen, höre ich oft. Sollen sie doch sehen, wie sie klarkommen! Binnen weniger Jahre werden aus den Opfern ihrer Lebensumstände Täter.

Das ist nur eine der Strategien, das Gewissen zu besänftigen. Andere ersticken ihr Mitgefühl in abstrakten Debatten, über Armutseinwanderung oder den Armutsadel. Die Milderen haben gerade vor Weihnachten wieder gespendet, immerhin.

Für echte Aufstiegschancen der armen Jungen und Mädchen aber kämpft niemand. Vielleicht, so denke ich manchmal, belügen sich vor allem die Menschen der Mittelschicht selbst. Haben sie wirklich ein Interesse daran, dass die armen Kinder mitmischen beim ohnehin angespannten Wettkampf um Karrierechancen? Oder sind viele Eltern insgeheim froh darüber, dass ein Fünftel der Konkurrenz bereits in der Schule abgehängt ist?

Ein Student, der sich ehrenamtlich um Ercans Bruder kümmerte, hat es mal so formuliert: "Es heißt immer: Kinder sind unsere Zukunft. Aber die Kinder in unserer Siedlung sind damit nicht gemeint."

Da hat er wohl recht. Offenkundig können die Deutschen ganz gut damit leben, dass zwei Millionen Kinder mit wenig Geld und noch weniger Chancen aufwachsen. Was zu tun wäre, liegt auf der Hand: Investitionen in Schulen und Kindergärten, vor allem dort, wo arme Kinder leben, Geld für günstige Wohnungen, eine Kindergrundsicherung, die den Namen verdient.

Bleiben wir weiter untätig, sollten wir zumindest auf die öffentliche Selbstkasteiung verzichten, die quartalsweise mit großer Rhetorik unternommen wird. Was für eine eingeübte Empörung! Wenn die armen Kinder jedes Mal, wenn ihr Schicksal bedauert wird, einen Zehner bekämen – dann zumindest hätten sie noch etwas von dieser billigen Heuchelei.

QuoteImmer noch Optimist #1.4

kurze Geschichte aus meinem Bekanntenkreis:
Michaels Mutter arbeitete als Bardame, Schwester Hartz-4, er selbst ist zeitweise im Heim aufgewachsen - also alles andere gute Voraussetzungen. Mit Willenskraft und Fleiß hat er es zu einem gut bezahlten Jab im Öffentlichen Dienst geschafft.
Ich bewundere ihn dafür. Es kann also klappen...


QuoteC.H.William #1.5

" Es kann also klappen..."
Eben. Es ist also alles in Ordnung.


QuoteHalbgasfahrer #1.18
[" Es kann also klappen..."]
Ihrem Kommentar mangelt es so fundamental an Empathie, dass mir schlecht wird.


Quote
wawerka #1.10

Hervorragender Kommentar, Sie haben "neoliberal" zutiefst verinnerlicht!  [Bei mir sah's zuerst auch nicht so gut aus, aber dann habe ich im Lotto gewonnen. Ich bewundere mich dafür! Es kann also klappen...] ... es lässt sich schon erahnen, was in diesem Land schiefläuft. "Ich kenne Leute...", "Arbeitsmoral" (Auch bei 4-jährigen? Oder doch erst ab 6?), man möchte Max Liebermann zitieren, wenn man solche Beiträge liest.


QuoteC.H.William #4

"Reichtum ist erblich!"
"Armut auch.*


Quotezakalakanak #4.2

Stimmt nicht immer, aber oft.


QuoteProfessor Deutlich #15

Es wird wieder einmal die "Abschaffung des Ehegattensplittings" als mögliche Finanzierungsquelle genannt. Hier kursieren weitverbreitete Missverständnisse. Dabei ist das Ehegattenspltting keineswegs eine Subvention. Es stellt lediglich Ehepaare, bei denen die Partner verschieden hohe Einkommen haben mit denen gleich, bei denen die Einkommen identisch hoch sind.

Beispiel:

Paar A: Sie 50.000 € , Er 50.000 €
Paar B: Sie 80.000 €, Er 20.000 €

Beide Ehepaare habe also zusammen jeweils 100.000 €.

Das Splitting sorgt dafür, dass beide Paare gleich besteuert werden. Ohne Splitting müsste Paar B wegen der Progression deutlich mehr Steuern zahlen als Paar A.

Für eine unterschiedliche Aufteilung des Einkommenserwerbs in einer Ehe gibt es viele mehr oder weniger gute Gründe: Kinder(!), Krankheit, Qualifikation, Neigung ... Das steueroptimal exakt gleiche Einkommen beider Partner wird wohl nur höchst selten erreichbar sein (vielleicht beim verbeamteten, gesunden Studienratsehepaar mit gleichaltrigen Partnern, aber sonst wohl kaum ...)

Das Splitting sorgt also dafür, dass Ehepaare die interne Aufteilung der Einkommenserwirtschaftung frei gestalten können, ohne dadurch steuerliche Nachteile befürchten zu müssen. Diese Freiheit würde ihnen bei Abschaffung des Splittings genommen werden.

Eine Abschaffung des Splittings würde meiner Ansicht nach die Ehe als rechtliches Institut - mit ihren vielen und weitreichenden gegenseitigen Verpflichtungen - in Frage stellen.


Quotenach-denklich #15.1

Die betroffenen Familien mit Kinderarmut werden von Ihren Zahlenspielereien nicht profitieren, da deren Familieneinkommen in einer anderen Liga spielt. ...


QuoteE. Freudlos #17

bei 192 € kindergeld im monat und einen blick auf die 7,5 mrd menschen dieser welt von armut zu sprechen, halte ich für vermessen.
das "problem" ist meiner meinung nach kein finanzielles problem auch wenn die autorin das anders sieht.


QuoteHbinder #19

Bei allem Gejammere über die Kinderarmut in Deutschland: Sie ist und war politisch gewollt! Die verheerenden Hartz-Gesetze zertrümmerten nicht nur den Sozialstaat, führten zu Rentenkürzungen per Anrechnungsbetrug, zu Lohnraub von etwa 20% und zu institutionalisierter Altersarmut.
Vor allem: Kinder und ihre Mütter hatten auf einmal kein Anspruch auf Hilfe in der Not; alles wurde über eine "Einrichtung" abgewickelt, die sich Bedarfsgemeinschaft nennt. Alle "Einnahmen" der Kinder, Mütter und Väter wurden und werden streng kontrolliert und gegengerechnet. Das führte dazu, dass die Kirchengemeinde einem armen Konfirmanden die Konfirmation nicht ausrichten kann ohne dass der Mutter die Sozialhilfe gekürzt wird oder versuchen sie mal armen Kindern die "Nebenausgaben" für Schule zu übernehmen und noch schlimmer, versuchen sie mal per Nachbarschaftshilfe das ins minus gerade Girokonto einer Alleinerziehenden auszugleichen: Die Hartz-IV-Verbrecher haben Einblick in jede Kontobewegung, sehr schnell sind sie mit Kürzungen dabei und wenn es noch mieser läuft mit Bußgeldbescheid.
Die Ausführung der (verbrecherischen) Hartz-IV-Gesetze wird "Jobcenter" überlassen, also nicht Beamten. Diese Jobcenter "wirtschaften" nach Gutsherrenart, mit Sanktionen (Kürzungen unter dem Armutsniveau) die eigentlich unterlassene Hilfeleistungen sind wird ein Klima der Angst erzeugt, dem vor allem Kranke und Behinderte kaum gewachsen sind: Armut macht krank, Jobcenter chronisch krank.


Quote
c0mm0n sense #21

Herkunft ist Zukunft.


QuoteLampe21
#24  —  vor 1 Stunde 1

Schuldigung, ich bin es leid immer von Kinderarmut zu reden. Schuld ist in den Meisten fällen nicht die Gesellschaft, sondern ganz alleine die Eltern, die Ihren, entschuldigen sie den harten Ausdruck: Ihren Arsch nicht hoch kriegen. Ich rede nicht von Müttern die nach einer Trennung meist kurzfristig in Harz 4 abrutschen oder Menschen die durch Krankheit aus der Bahn geworfen werden.

Man kann auch mit dem Harz 4 Satz ein vernünftiges Leben führen ohne das den Kindern auch nur etwas fehlt. So ist unsere Familie gestärkt aus dem Schicksalsschlag hervorgegangen.

Als erstes haben wir unser Auto verkauft, dann wurde bei einem Bauern vor der Stadt ein Stück Land gepachtet, wo wir unser Gemüse angebaut haben. Dort haben wir als Familie zusammen viel Zeit verbracht und unsere Essen für das Jahr selber angebaut. Im Herbst haben wir Stundenlang in der Küche gestanden und unsere Vorräte für den Winter eingekocht. Ab September haben wir mit Erlaubnis der Besitzer das Fallobst aufgesammelt und eingeweckt. Fleisch und fehlende Speisen haben wir günstig bei den Bauern kaufen können. Sieben Jahre haben wir so gelebt, und ich muß sagen uns hat es an nichts gefehlt, wir konnten ohne zusätzliche Hilfen den Kindern ihre Klassenfahrten bezahlen. Wir sind regelmäßig ins Schwimmbad und Kino gegangen usw.
Also hört auf von Kinderarmut zu sprechen, die meisten Eltern sind schuld, daß es den Kindern schlecht geht und nicht die Gesellschaft!

Quote
wawerka #24.1

Applaus, Applaus. Und was machen die Kinder, die nicht so tüchtige Eltern haben? Die haben dann halt Pech gehabt, richtig? Haben wir als Gesellschaft dann vielleicht eine Verantwortung für diese Kinder? Ach was, bestimmt nicht. Sollten wir uns als Gesellschaft, wenn schon nicht aus menschlichen Überlegungen, sondern aus rein eigenem Interesse vielleicht Gedanken machen, was aus diesen Kindern später wird. ...



Quoteeinervonvieren #24.3

"Schuldigung, ich bin es leid immer von Kinderarmut zu reden. Schuld ist in den Meisten fällen nicht die Gesellschaft, sondern ganz alleine die Eltern..."
Und was kann das Kind dafür?


QuoteIsland Monkey #28

So lange es nur eine Minderheit betrifft werden die Deutschen das Meisterhaft ignorieren.


QuoteUwe Friedel #30

Danke für diesen Artikel. Wir aus Ober- und Mittelschicht profitieren doch von der "Unterschicht", von all den Niedriglöhnern, die die "Drecksarbeit" machen. Gewisse Parteien und Wähler haben kein Interesse, diesen Zustand zu beheben. Demokratie (die ich sehr, sehr schätze!) ist halt immer auch die Diktatur der Mehrheit! Wir sollten unsere "westlichen Werte" nicht nur hochhalten, sondern auch leben. Dazu gehört SOLIDARITÄT. Solidarität von jedem "reichen" Papa, jeder "reichen" Mama mit den Papas und Mamas, die ihren Kindern nicht so viel bieten können. Die Kinder der Mittel- und Oberschicht reisen durch die Welt, in die schönsten Landschaften... die ärmsten sind noch nicht mal auf einen Baum geklettert, weil sie im Concrete Jungle (Betonwüste, Song von Bob Marley) wohnen.


QuoteRobertina
#36  —  vor 1 Stunde 5

Liebe Julia Friedrichs,
vielen Dank für diesen Artikel.
Ich stelle mir vor: Sie tun sich mit anderen Journalistinnen und Journalisten zusammen und bringen in vielen Zeitungen jeden Tag oder mindestens jede Woche bis zur Wahl Reportagen, Hintergründe und Politikerinterviews zu Kinderarmut.
Ich stelle mir vor, die Leserinnen und Leser dieser Reportagen und Berichte schreiben an ihre Bundestagsabgeordneten und fordern, dass das Ende der Kinderarmut in Deutschland DAS Wahlkampthema Nummer 1 werden soll.
Ich stelle mir vor, dass die Parteien beginnen, dies in ihr Wahlprogramm aufzunehmen: Grundabsicherung der Kinder, massive Investitionen in Frühförderung und Spracherwerb, massive Investitionen in Schulen und Schulgebäude, kleine Lerngruppen in den Hauptschulen und Patenschaften starker gesellschaftlicher Akteure für jede Hauptschule, eine 1a Grundausstattung in Computern und im kritischen Umgang mit Computern und Digitalisierung für alle Schulen, radikale Entscheidungen, den Schulen Schulsozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen und Köche und Köchinnen! für gutes, nicht billiges Essen an die Seite zu stellen. Ein "Erhebt Euch - Empört Euch - Verbessert Euch" Programm mit massiven finanziellen und programmatischen Anreizen für Schulen, sich neu zu erfinden.
Ich stelle mir vor, dass diese Gesellschaft aufhört, sich in rechten Untergangsphantasien zu ergötzen und statt dessen in die Zukunft der nächsten Generationen zu investieren. ...


Quote
benyakov #38

Als Kinder werden wir in eine soziale Umgebung hineingeboren.
Und diese sozialen Umwelten sind sehr vielfältig.
Frau Friedrichs Plädoyer zielt in die Richtung, diese Vielfalt der sozialen Umwelt für Kinder sozusagen weg zu beamen. Ihre Lösung ist mittelschichtszentristisch und entwertet jede soziale Umgebung, die ihrer Norm nicht entspricht als "unwert".

Es schimmert die sozialromantische Bevormundung all der Menschen durch, deren Leben ökonomisch nicht an diesem Mittelschichtideal ausgerichtet ist. Sie entscheidet an der Stelle der natürlichen Eltern, dass das Leben derer Kinder sich an Frau Friedrichs schichtspezifischen Normen auszurichten habe.
Wie bei den frühen Aktionen vor Terre des Hommes stellt sich die Frage, was eigentlich das Kernmotiv ist, geht es um die Kinder oder sind die Kinder nur ein notwendiger Baustein für das eigene innere Wohlbefinden?

Ich war als Kind in mehrfacher Hinsicht von den Kriterien betroffen, die Frau Friedrich für arme Kinder nennt. Ich habe Beschämungen und Kränkungen erfahren. Ich habe aber auch erfahren, wie bedeutsam es für mich war, sozialen Aufstieg durch Leistung zu erreichen. Ich habe es aber, wie viele in einer vergleichbaren Situation, auch erfahren, wie schmerzhaft es ist, dabei seinem Herkunftsmilieu immer fremder zu werden, denn ich blieb immer Kind meiner Eltern.


QuoteSchrdro #42

Aus dem Artikel: "Vielleicht, so denke ich manchmal, belügen sich vor allem die Menschen der Mittelschicht selbst. Haben sie wirklich ein Interesse daran, dass die armen Kinder mitmischen beim ohnehin angespannten Wettkampf um Karrierechancen? Oder sind viele Eltern insgeheim froh darüber, dass ein Fünftel der Konkurrenz bereits in der Schule abgehängt ist?"

Ich denk mal, da ist was dran. Es geht doch schon im Kleinen los: Viele Eltern freuen sich doch ebenso über eine 5 des Nachbarskindes, wie über eine 2 des eigenen Sprösslings. Man mag das bedauern, aber so ticken viele Menschen nun mal. ...


QuoteKrüger Hei richtig Wilhelm #50

Gibt es ein Recht auf Faulheit?Viele Linke aus meinem Bekanntenkreis leben auf Kosten der Fleißigen.


QuoteE_Dantes #50.1

...und viele Reiche leben auf Kosten der Fleißigen...


Quoteunzeit41 #53

Die entscheidenden Sätze des Artikels sind meines Erachtens diese:
,,Haben sie (die Menschen der Mittelschicht) wirklich ein Interesse daran, dass die armen Kinder mitmischen beim ohnehin angespannten Wettkampf um Karrierechancen? Oder sind viele Eltern insgeheim froh darüber, dass ein Fünftel der Konkurrenz bereits in der Schule abgehängt ist? (...) Offenkundig können die Deutschen ganz gut damit leben, dass zwei Millionen Kinder mit wenig Geld und noch weniger Chancen aufwachsen."
Genauso "gut" - und aus genau denselben Gründen - können ,,sie" mit den vielen Wohnungslosen, Niedriglöhnern, Altersarmen usw. leben.... Wenn Andere weniger kriegen, kriege "ich" mehr! Und umgekehrt. Die pure Konkurrenzgesellschaft.

Ich arbeite im universitären Milieu, und habe immer wieder einmal Aussagen vernommen, die die obige Haltung widerspiegeln. Es besteht bei manchen offensichtlich kein Interesse daran, alle Menschen an den Chancen der Gesellschaft, an Bildung und materiellem Wohlstand teilhaben zu lassen.

QuoteNamensgebung #53.1

Ich vermute, dass die meisten 'Mittelschichts'-Eltern vor allem froh darüber wären, wenn sich die Bildungschancen ihrer eigenen Kinder nicht durch den Besuch bestimmter Schulen verschlechtern.



Quote
Runkelstoss #53.2

Ich arbeite im universitären Milieu, und habe immer wieder einmal Aussagen vernommen, die die obige Haltung widerspiegeln. Es besteht bei manchen offensichtlich kein Interesse daran, alle Menschen an den Chancen der Gesellschaft, an Bildung und materiellem Wohlstand teilhaben zu lassen.

Richtig beobachtet, allerdings ist die Folgerung nicht ganz richtig. Bei vielen Menschen basiert die eigene Zufriedenheit auf der Wahrnehmung von Unterschieden. Das sagen jedenfalls Sozialpsychologen, ich hab es geschafft und die nicht. Deswegen ist eine Unterschicht sozial so wichtig, damit es Unterscheidungsmerkmale gibt. Fuer die Unterschicht gibt es dann noch Auslaender auf die man herunterschauen kann.

Ganz wichtig ist das Argument, dass die Armen selber schuld sind. In der Zeit von Dickens hat man fehlende Moral dafuer verantwortlich gemacht, heute werden andere Stereotypen verwendet, fett, faul, Kettenraucher, Spielkonsole, Alkohol, usw. usw.


...


Aus: "Jedes 5. Kind ist arm" Julia Friedrichs (19. Januar 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/2017/02/kinderarmut-deutschland-eltern-chancen-sozialpolitik/komplettansicht (http://www.zeit.de/2017/02/kinderarmut-deutschland-eltern-chancen-sozialpolitik/komplettansicht)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 02, 2017, 04:59:35 PM
Quote[...] Seit der Wiedervereinigung hat es in Deutschland nicht mehr so viel Armut gegeben: Ein Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes [http://www.der-paritaetische.de/armutsbericht/download-armutsbericht/ (http://www.der-paritaetische.de/armutsbericht/download-armutsbericht/)] und anderen Organisationen beziffert die Armutsquote auf 15,7 Prozent - rund 12,9 Millionen Deutsche sind demnach gefährdet. Vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet ist das Armutsrisiko deutlich gestiegen.

Vor zehn Jahren lag die Armutsquote noch bei 14,7 Prozent. Als arm gelten laut Statistischem Bundesamt alle Personen, die in Haushalten leben, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte erzielen. Für ein Paar ohne Kinder setzte der Verband für 2015 beispielsweise als Armutsschwelle 1413 Euro monatlich an.

Nur vier Bundesländer konnten der Studie zufolge ihre Armut abbauen - ausgerechnet solche, denen man es aufgrund ihrer Strukturschwäche kaum zugetraut hätte: Die Armutsquoten von Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegen zwar trotzdem noch über dem bundesweiten Durchschnitt, doch ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen (auf der Website des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes können Sie die Armutsquoten Ihrer Region nachsehen).

Das trifft auch auf die ostdeutschen Bundesländer insgesamt zu. Im Zehn-Jahres-Vergleich konnten sie ihre Armut signifikant abbauen - jedoch auf einem ziemlich hohen Niveau. So stehen insbesondere Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt mit Armutsquoten von über 20 Prozent im Bundesvergleich nach wie vor schlecht da.

In Nordrhein-Westfalen ist die überdurchschnittliche Armutsquote von 17,5 Prozent zumindest nicht weiter gestiegen. Die mit Abstand stärkste Zunahme zeigt das Land Berlin, wo die Quote von 20 auf gleich 22,4 Prozent gestiegen ist. Auch in Thüringen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen hat die Armut deutlich zugenommen. Bremen stellt seit Jahren das Schlusslicht dar. Die Armutsquote beträgt dort mittlerweile 24,8 Prozent und jeder vierte Einwohner lebt unter der Armutsschwelle.

Die wohlhabenden Südländer Bayern und Baden-Württemberg heben sich mit Armutsquoten von 11,6 und 11,8 Prozent deutlich positiv von den anderen Ländern ab.

Besonders gefährdet, unter die Armutsgrenze zu fallen, sind dem Bericht zufolge Alleinerziehende. Mit 43,8 Prozent gehören sie neben Erwerbslosen (59 Prozent), Ausländern (33,7 Prozent), Menschen mit niedrigem Qualifikationsniveau (31,5 Prozent), Menschen mit Migrationshintergrund (27,7 Prozent) und Familien mit drei oder mehr Kindern (25,2 Prozent) zu den Risikogruppen.

"Wir haben es wieder mit einem zunehmenden Trend der Armut zu tun", sagte der Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider. "Die wirtschaftliche Entwicklung schlägt sich schon lange nicht mehr in einem Sinken der Armut nieder."

Vielmehr müsse mit Blick auf die letzten zehn Jahre konstatiert werden, dass wirtschaftlicher Erfolg offensichtlich keinen Einfluss auf die Armutsentwicklung habe, heißt es in dem Bericht. Auch zunehmende Beschäftigungszahlen sorgten nicht für ein geringeres Armutsrisiko.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat Kritik an der Studie des Wohlfahrtsverbandes geübt. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg hält den Armutsbericht für undifferenziert. Es sei "zu pauschal", Menschen mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens als arm zu bezeichnen, sagte er in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Freitag.

Diese Einstufung sage nichts über die tatsächliche Situation eines Menschen aus und bedeutete nicht unbedingt, dass die Betroffenen "abgehängt" seien. Als Beispiel nannte er die 2,8 Millionen Studenten: Hunderttausende von ihnen fielen in die umstrittene Armutskategorie, seien aber gesellschaftspolitisch besonders aktiv und sähen sich zu Recht als die zukünftige Leistungselite.

Quoteantelatis 02.03.2017, 13:52
34. Total verwirrend

Also hier bei Spiegel Online wechseln sich ja fast täglich die Beiträge ab, in denen gesagt wird, dass die Armut immer mehr wird und dann wieder, dass es den Menschen besser geht als jemals zuvor und es noch nie so wenig Arbeitslose gab. Was soll man da jetzt glauben? ...


Quotejosch@sapo.pt 02.03.2017, 13:48

28. ... die Wirtschaft floriert, prima! ...


Quotekaeptn99 02.03.2017, 13:45

23. ... Fakt ist doch: Die Geldmenge ist nicht geringer geworden, die Armut steigt also nicht, weil das Geld "verloren" geht sondern vielmehr, weil es sich woanders befindet. Darüber spricht man dann aber nicht so gern, bedeutet es doch, dass es mehr Armut gibt, weil es mehr Reichtum gibt.

Die populistisch einfache Variante ist: Ein paar Reiche beuten die Gesellschaft aus. Es ist natürlich komplizierter aber im Groben und Ganzen heißt das Ergebnis: Es geht unfair zu in Deutschland.


...


Aus: "Neuer Höchststand: Deutschland wird flächendeckend ärmer" (02.03.2017)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsbericht-in-deutschland-ist-die-armut-auf-neuem-hoechststand-a-1137030.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsbericht-in-deutschland-ist-die-armut-auf-neuem-hoechststand-a-1137030.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 20, 2017, 07:59:53 AM
Quote[...] Einer von neun Erdenbürgern - 795 Millionen weltweit - hat heute nicht genug zu essen, meldet das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um 216 Millionen gesunken, obwohl mittlerweile viel mehr Menschen auf der Erde leben als damals. 216 Millionen - das sind mehr als die Einwohner von Brasilien und Griechenland zusammen. Obwohl die Zahl der Notleidenden immer noch ungeheuerlich groß ist, scheint die Welt also zumindest auf dem richtigen Weg zu sein.

Die schrecklichste, tödlichste Form des Hungers ist die flächendeckende Hungersnot. Der letzten großen Katastrophe dieser Art fielen in Somalia 2011 geschätzte 258.000 Menschen zum Opfer, annähernd fünf Prozent der dortigen Bevölkerung. Doch im historischen Vergleich des 20. Jahrhunderts wirken selbst solche Zahlen klein. Seit 1920 starben mehr als 70 Millionen Menschen durch Hungersnöte, wobei fast die Hälfte auf Maos "Großen Sprung" in den Abgrund entfällt, ein weiteres Viertel auf Stalins mörderische Politik der Zwangskollektivierung, vor allem in der heutigen Ukraine und Kasachstan.

Während zwischen 1920 und 1970 global im Schnitt rund 400 von 100.000 Menschen per Dekade in Hungersnöten starben, betrug diese Rate in den Nullerjahren noch 3 pro 100.000. Das stellte schon eine Studie im Jahr 2000 fest. Die Zahlen rund um die Jahrtausendwende haben also bereits Mut gemacht. Und seitdem ist der Hunger in Entwicklungsländern um weitere 29 Prozent zurückgegangen, meldet der Welthunger-Index (WHI), der jährlich herausgegeben wird. Zu dieser Formel gehört der Anteil von Unterernährten und von unterentwickelten oder sogar an Hunger gestorbenen Kindern in der Bevölkerung. Für alle betroffenen Regionen in der Welt gilt: Die Zahlen nehmen ab.

... In allen Weltregionen hat sich die Ernährungssicherheit und die Anzahl Kalorien pro Kopf in den letzten sechzig Jahren enorm verbessert. Obwohl es immer mehr Menschen gibt auf der Welt, gibt es gleichzeitig auch immer mehr Nahrung pro Kopf. Die Uno nennt Hunger das "größte lösbare Problem der Welt".


Aus: "Früher war alles schlechter: Immer mehr Menschen werden satt" Christoph Henrichs und Guido Mingels (19.03.2017)
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/immer-mehr-menschen-werden-satt-obwohl-die-weltbevoelkerung-zunimmt-a-1132731.html (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/immer-mehr-menschen-werden-satt-obwohl-die-weltbevoelkerung-zunimmt-a-1132731.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 15, 2017, 02:53:34 PM
Quote[...] BERLIN AFP | Das Armutsrisiko für Kinder in Deutschland ist einem Bericht zufolge gestiegen. Im Jahr 2015 galten rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche als armutsgefährdet, wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf den ,,Familienreport 2017" berichtet, der heute in Berlin vorgestellt wird. Die sogenannte Armutsrisikoquote von unter 18-Jährigen lag demnach 2015 bei 19,7 Prozent – damit lag sie 1,5 Prozentpunkte höher als im Jahr 2010.

Als Grund für den Anstieg nennt der ,,Familienreport 2017" zum einen den Zuzug von Kindern aus Migrantenfamilien nach Deutschland. Aber auch Familien, in denen nur der Vater einer Erwerbsarbeit in Vollzeit nachgehe, hätten deutlich weniger Einkommen als solche, in denen auch die Mutter arbeiten gehe.

,,Die Chancen von Kindern sind in unserem Land immer noch zu ungleich verteilt", sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Die Familienpolitik habe in dieser Legislatur zwar viel vorangebracht. Dennoch würden zu viele Kinder von staatlichen Angeboten nicht erreicht. Das beste Mittel, um bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen, sei ,,eine gute, verlässliche und kostenfreie Kinderbetreuung", sagte Barley. Jeder Euro, der in gute Kitas, Ganztagsschulen und Horte investiert werde, zahle sich mehrfach aus.

Dem ,,Familienreport 2017" zufolge verdoppelte sich die Zahl nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften in den vergangenen 20 Jahren fast auf 843.000, wie die Zeitung weiter berichtet. In den neuen Bundesländern sei nur noch gut jedes zweite Elternpaar verheiratet, in den alten Bundesländern seien es drei von vier.

Die Zahl der Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, ist demnach deutlich gestiegen: von rund 1,9 Millionen im Jahr 1996 auf 2,3 Millionen im Jahr 2016. Neun von zehn Alleinerziehenden sind weiblich, 44 Prozent gelten als armutsgefährdet.

Paarfamilien dagegen tragen nur zu zehn Prozent ein Armutsrisiko. In Paarfamilien mit drei oder mehr Kindern allerdings steigt das Armutsrisiko auf 25 Prozent.

Um die Teilhabechancen für Kinder aus Geringverdienerfamilien zu verbessern, seien gute Ganztagsangebote notwendig, aber auch mehr frühkindliche Betreuung, zitierte die Zeitung aus dem Report. Auch in Migrantenfamilien würden solche Angebote inzwischen besser angenommen. Bei Kindern bis zu drei Jahren stieg die Betreuungsquote hier um sieben Prozentpunkte auf 21 Prozent.

QuoteHanne, 15.09.2016

... und bald gibt es dann wieder "Wochenkrippen" für die "armen" Kinder der Geringverdiener, damit Mutti und Vati die Woche über auch ordentlich (für weiterhin wenig Geld) der Wirtschaft zur Verfügung stehen können/müssen/sollen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wochenkrippe (https://de.wikipedia.org/wiki/Wochenkrippe)



Aus: "Bericht zur Lage von Familien: Armutsrisiko von Kindern steigt" (15. 9. 2017)
Quelle: http://www.taz.de/Bericht-zur-Lage-von-Familien/!5447583/ (http://www.taz.de/Bericht-zur-Lage-von-Familien/!5447583/)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 17, 2017, 02:16:20 PM
Quote[...] Köln - Sie sitzen auf der Domplatte, vor Supermarkt-, Kirchen- und Hauseingängen, bitten mal zurückhaltend, mal aggressiver um ein paar Cents: Bettler sind im Kölner Stadtbild in der jüngeren Vergangenheit offensichtlicher geworden.

Mit Armut in Köln – nicht nur von Bettlern und Obdachlosen, sondern auch von Langzeitarbeitslosen, Frauen mit zu kleiner Rente oder Alleinerziehenden – beschäftigt sich der neue Leitfaden der Caritas ,,Arm in Köln". Er widmet sich dem Umgang mit Betteln und Armut, denn: ,,Armut ist nicht zu übersehen in der Stadt", sagte Caritas-Vorstand Peter Krücker bei der Vorstellung der Broschüre am Montag im Notel, der Notschlafstelle und Krankenwohnung für obdachlose Drogenabhängige.

Das persönliche Empfinden, dass es mehr Bettler und arme Menschen im Stadtbild gibt, entspreche auch dem Empfinden der Fachleute. Ihnen sei zwar klar, dass die Handreichung keine Armut beseitige, aber sie solle dazu beitragen, diese Not besser zu verstehen und die persönliche Haltung dazu zu überprüfen. ,,Wir treten dafür ein, bettelnde Menschen nicht zu ignorieren", sagt Krücker, der den Leitfaden mit dem Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), dem Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF), der Katholischen Jugendagentur sowie IN VIA und der Bahnhofsmission verfasst hat.

... Peter Krücker schätzt, dass rund 20 Prozent der Kölner Bevölkerung arm sind. Das heißt, jeder fünfte Kölner hat Probleme seine Grundbedürfnisse zu sichern, wie genügend Essen zu haben. Die Ursachen von Armut sind vielfältig: Mietschulden, psychische Störungen, Sucht, der Tod des Lebenspartners. Dass Armut auf den Straßen immer sichtbarer wird – Krücker schätzt, dass es in Köln 3000 bis 5000 Obdachlose gibt – ist indes ein ,,absolutes Großstadtphänomen". Dabei sei Betteln immer ein Thema urbaner Gesellschaften gewesen. ,,Es gehört eben dazu", sagt er, auch wenn sich die Quantität verändert habe – und die Gesellschaft sei unsicher gegenüber Bettlern geworden.

...


Aus: "Bürger sollen sensibilisiert werden Jeder fünfte Kölner ist arm"  Jennifer Wagner (17.10.2017)
Quelle:  http://www.rundschau-online.de/28602284 (http://www.rundschau-online.de/28602284)
Title: [Hunger & Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2017, 12:13:50 PM
Quote[....]  Jahrelang sank die Zahl der Hungernden - nun steigt sie wieder. Allein in Afrika sind 26 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. In einer Sonderserie beleuchtet die Deutsche Welle die Hintergründe dieser Katastrophe.

Es ist eine dieser Situationen, in denen man erst später realisiert, was eigentlich geschehen ist. Eine Ärztin und eine Krankenschwester beginnen, ein kleines Kind wiederzubeleben. Die Eltern sitzen regungslos am Bettrand. Nach wenigen Minuten gibt die Ärztin die Anweisung, die Wiederbelebungsversuche zu beenden. Ein leises Schluchzen füllt die Stille. Dann ein Schreien. Ein Pfleger trägt eine kleine Trennwand herein und stellt sie vor das Krankenbett. Wie es weiter geht, sehen wir nicht mehr.

Diese Szene in einer Klinik im Norden Kenias war einer der bedrückensten Momente auf unserer Recherchereise in die Hungergebiete Afrikas. Sie macht deutlich, dass es bei den 26 Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen nicht um eine abstrakte Zahl geht - und das der Hunger für einige dieser 26 Millionen mehr als eine Bedrohung ist. Das kleine Mädchen in der Klinik in Kenia starb nicht an einer unheilbaren Krankheit oder an den Folgen eines Unfalls. Es starb daran, dass zu lange nichts mehr zu essen bekommen hatte.

Der Zeitpunkt für dieses Rechercheprojekt ist nicht zufällig: Bereits Anfang des Jahres schlugen Hilfsorganisationen Alarm. Eine sich immer weiter ausbreitende Dürre könnte in Afrika und im Jemen eine der schlimmsten Hungersnöte der letzten Jahrzehnte auslösen. Doch bald schon machte die Krise keine Schlagzeilen mehr - obwohl sich die Situation bis heute nicht grundlegend verbessert hat. Allein in den beiden am stärksten betroffenen Ländern, dem Südsudan und Somalia, sind weiterhin mehr als 14 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen.

Was hat zu dieser dramatischen Situation geführt? Die Antwort der Reporter ist eindeutig: Nicht die Natur, sondern der Mensch. Der weltweite Klimawandel, massive Abholzung und einseitige Bodennutzung machen das Leben für Afrikas Kleinbauern immer schwieriger.

Doch die Folgen politischer Konflikte sind weitaus verheerender. In den besondes betroffenen Ländern - von Nigeria über den Südsudan bis nach Somalia - herrschen entweder Bürgerkrieg oder terroristische Organisationen machen ganze Landesteile unsicher. In diesen Ländern erfüllt der Staat seine grundlegenden Aufgaben nicht. Gesundheitsversorgung, Bildung oder Sicherheit sind für viele Bürger ein Fremdwort. Stattdessen bereichert sich eine kleine Elite an den oft beachtlichen Reichtümern.

Trotzdem kamen die Reporterteams auch mit hoffnungsvollen Geschichten zurück. Somalia zum Beispiel hat seit Anfang des Jahres eine neue Regierung - nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg. Viele Beobachter sind zumindest vorsichtig optimistisch. Und überall trafen die Reporter auf Menschen, die in Ausnahmesituationen über sich hinauswachsen und einfach nicht aufgeben. Der Mensch ist eben nicht nur die Ursache des Hungers, er ist auch die Lösung. ...


Aus: "Afrika - DW Special: Warum Afrika hungert" Jan-Philipp Scholz  (21.10.2017)
Quelle: http://www.dw.com/de/dw-special-warum-afrika-hungert/a-40966100 (http://www.dw.com/de/dw-special-warum-afrika-hungert/a-40966100)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 21, 2017, 03:00:40 PM
Quote[...] Immer mehr Rentner in Deutschland versorgen sich bei Tafeln mit Lebensmitteln. In den letzten zehn Jahren habe sich ihre Zahl verdoppelt, teilte der Bundesverband der Tafeln mit. "Fast jeder vierte Tafelkunde ist mittlerweile Rentner. Das sind in etwa 350.000 Menschen", sagte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl der Neuen Osnabrücker Zeitung. Insgesamt versorgen die rund 900 Tafeln nach eigenen Angaben bis zu 1,5 Millionen Menschen regelmäßig mit Lebensmitteln.

Für den Bundesverband der Tafeln ist die steigende Zahl der hilfebedürftigen Senioren ein Zeichen für die zunehmende Altersarmut. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung forderte Brühl von der Politik eine ernsthafte Bekämpfung der Armut. Denn diese sei für ihn ein Nährboden für das Gefühl, abgehängt zu sein, "und damit letztlich auch Wegbereiter des Extremismus". Der Verbandschef kritisierte zudem, dass die Politik sich nur im Wahlkampf für die Tafeln interessiere. Laut ihm werden die Tafeln zukünftig nicht mehr für "schöne Bilder" mit Politikern herhalten.

Auch Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, kritisiert die zunehmende Altersarmut. Sie sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Wenn 350.000 Senioren regelmäßig darauf angewiesen sind, bei den Tafeln für kostenlose Lebensmittel anzustehen, dann ist das ein deutlich sichtbares Signal dafür, dass die Altersarmut auf dem Vormarsch ist." Dem Sozialverband zufolge beziehen Ende dieses Jahres rund 522.000 Personen Leistungen der Grundsicherung im Alter. Ende 2006 hatte diese Zahl laut VdK noch bei rund 371.000 gelegen.

Besonders betroffen sind laut Ulrike Mascher Frauen sowie Erwerbsminderungsrentner, die hohe Abschläge auf ihre Rente zahlen müssen. Neben der Lebensmittelversorgung werden auch die hohen Mieten zunehmend ein Problem für viele Rentner. "Wir brauchen eine Kehrtwende in der Wohnungspolitik. Der soziale Wohnungsbau muss oberste Priorität haben", sagte die VdK-Präsidentin. Laut ihr müsse das Rentenniveau auf 50 Prozent angehoben und Kürzungsfaktoren in der Rentenformel abgeschafft werden, "damit die Renten wieder parallel zu den Löhnen steigen". Außerdem verlangte Mascher erneut eine Abschaffung der Abschläge für Erwerbsminderungsrentner sowie einen Freibetrag von monatlich 200 Euro in der Grundsicherung.

Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung stehen die meisten Rentner allerdings relativ gut da. Laut ihren Zahlen erhalten rund 404.000 Personen zusätzliche Leistungen der Grundsicherung im Alter. Ein Sprecher der Rentenversicherung sagte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass mehr als 97 Prozent der Rentner über mindestens so viel Einkommen verfügen, dass sie keine ergänzende Grundsicherung beziehen müssen. Selbstständige mit oft unstetigen Erwerbsbiografien, Erwerbsgeminderte, Langzeitarbeitslose und Niedrigverdiener haben laut Rentenversicherung ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter.



Aus: "Deutlich mehr Rentner versorgen sich bei Tafeln" (21. Dezember 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-12/altersarmut-gesetzliche-rentenversicherung-tafeln-jochen-bruehl (http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-12/altersarmut-gesetzliche-rentenversicherung-tafeln-jochen-bruehl)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 16, 2018, 12:22:00 PM
Quote[...] Porträt Bettina Kenter-Götte hatte als Schauspielerin einen guten Start in die Karriere. Dann wurde sie Mutter. Jetzt legt sie ein Buch über ihr Leben mit Hartz IV vor

... 1951 kam ich zur Welt, in einer Theaterfamilie, zwei Jahre nachdem die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz gegen große Widerstände verankert worden war. Vor mir waren da: der Papà, ein angesehener Regisseur, die Mamà mit meiner älteren Halbschwester, und die Kriegerwitwe, die als Kindermädchen kam und Teil der Familie wurde. Mamà, klug, schön und selbstbestimmt, gab die Schauspielerei auf, um den Künstlerhaushalt zu managen. Für Führerschein und Bankgeschäfte brauchte sie noch die Unterschrift ,,des Ehemannes". Theaterleute sind Reisende. Von Wiesbaden zogen wir nach Essen, von Essen nach Stuttgart.

Willy Birgel, Maximilian Schell und Inge Meysel gingen bei uns ein und aus; ich wuchs in den Beruf hinein – und früh hinaus aus dem Elternhaus. Nach dem Abitur – mein Vater war über 70 (die Rente unzulänglich, der ,,Ehrensold" schmal, er arbeitete noch) – sollte und wollte ich schnell auf eigene Beine und (damals noch ungewöhnlich) auch ins Ausland. So stand ich schon ein Jahr später auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Zehn gute Berufsjahre folgten; nichts deutete auf ein prekäres Leben hin. Doch dann, 1980, begann eine andere Geschichte, wie Tausende Frauen sie in tausend Varianten erleben.

Wie es dazu kam? Zu jener Zeit bekam eine ledige Frau, ein Fräulein also, noch nicht immer und überall problemlos ein Rezept für ,,die Pille". Das war eine Hormonbombe mit üblen Nebenwirkungen, jedoch das Sicherste, denn Männer mischten sich überall ein, nur in Verhütungsfragen nicht. Eine Zeit lang glaubte ich, die Entscheidung zum Überraschungskind sei meine gewesen; später wusste ich: Das Leben hatte schon längst entschieden. Doch ich würde, wie viele andere Frauen, allein sein mit dem Baby. Bald musste ich Rollenangebote absagen: Der Bauch wuchs – und mit ihm die Ängste. Sechs Wochen ,,Mutterschutz" würden mich schützen und dazu (neu!) vier Monate ,,Mutterschaftsurlaub". Und dann?

Frühjahr 1981: Mit einem süßen Bündelchen Mensch im Arm wandelte ich durch blühende Isarauen – und bald auch durch die nach kaltem Rauch stinkenden Flure des Sozialamts. An Arbeit war nicht zu denken; Schauspielende sind Reisende. Immer im Einsatz. Krippen gab es kaum, und sie hätten mir auch nichts genützt. Singlemamas, sofern nicht vermögend, hatten damals kaum eine andere Wahl, als eine Berufspause einzulegen und Sozialhilfe zu beantragen. Ich war nicht vermögend. Immerhin, ich war sorgeberechtigt; elf Jahre zuvor hätte noch ein ,,Amtsvormund" über mich und mein Kind bestimmt, doch jetzt, 1981, kam nur ab und zu die Amtspflegerin vom Jugendamt unangemeldet reingerauscht, um nachzusehen, ob das ,,uneheliche Kind" auch ordentlich gewickelt war. Ja klar, als ,,ledige Mutter" wurde ich täglich diskriminiert, aber ich hatte keine Zeit, mich zu ärgern; ich hatte genug damit zu tun, beim Amt Heizkosten und Waschmaschinenreparatur zu erstreiten und mein Kind in den Schlaf zu singen.

Auch heute sind 40 Prozent der Alleinerziehenden (zu 90 Prozent Frauen) auf ALG-II-Leistungen angewiesen. (Alimente und Kindergeld werden davon abgezogen.) Nicht Arbeitslose, sondern Singlemütter, ,,Aufstocker", KünstlerInnen, Behinderte, Erwerbsgeminderte, pflegende Angehörige, Alte und Kinder bilden den Hauptteil der ,,Grundgesicherten" oder ,,Hartzer". Die Mütter von damals erhalten nun eine Durchschnittsrente von 600 Euro; Frauen sind noch immer die Deppen der Nation.

Während mein Kind im Kindergarten den Ententanz übte und ich mir beim Ausfüllen von Unterhaltstiteln und Beihilfen einen Tennisarm zuzog, stand die Welt am Rand des Atomkriegs und blieb nur verschont, weil ein Russe einen Befehl verweigerte. Ich begann zu schreiben, bekam einen Preis dafür, und wagte mich, als meine Tochter drei war, wieder auf die Bühne. Bei der Premiere lag das plötzlich erkrankte Kind fiebernd auf einem Kostümhaufen in der Garderobe, die Babysitterin war auf Reisen. Zwischen zwei Auftritten habe ich die kleine Stirn gekühlt, in der Pause Wadenwickel angelegt. Ich gab die Schauspielerei auf.

Nun war ich Mutter – eine andere, ebenso schöne Realität. Sie musste nur finanziert werden. Mit Unterstützung aus der Branche wurde ich Synchronschauspielerin (und sorgte nebenbei dafür, dass – nach Tschernobyl – der Sandkastensand in der Kita ausgewechselt wurde; dabei wurde mir klar, dass wir unsere Kinder vor den ärgsten Gefahren nicht schützen können). München war Synchronhochburg, Studiozeiten lassen sich mit Kita, Hort und Babysitterin abdecken. Ist das Kind krank, lässt Mama Termine und Geld sausen, und sie wird tunlichst nicht selbst krank. Im Lauf der Jahre habe ich vielen Stars meine Stimme geliehen. Joanna Johnson in der Serie Reich und Schön war die Erste in der Reihe.Also gerettet; so schien es. Doch infolge sinkender Honorare, lückenhafter Alimente und der Entmietung durch einen Immobilienhai waren die Lebenshaltungskosten Mitte der 90er Jahre kaum noch zu stemmen. Meine Arbeitszeit betrug oft 80 Wochenstunden. Nicht mitgerechnet das bisschen Haushalt, Muttersein, Organisation und Fortbildung. Inzwischen war ich auch als Synchronbuchautorin gefragt, verfasste deutsche Dialogbücher; die sind wichtig: Sprecher und Sprecherinnen brauchen im Studio eine lippensynchrone Übersetzung des Films, das ,,Synchronbuch". Nachdem ich den entsprechenden Gerätepark (Monitor, PC, Fax und Kopierer) gekauft hatte, ,,checkte" ich Filme und Serien familienfreundlich daheim im Kellerbüro. Also, mal wieder gerettet. 2002, die Tochter hatte ihr Abi schon in der Tasche und war als Studentin unterwegs, meist im fernen Ausland. Nach der Kirch-Media-Pleite brach die Branche ein. Um der schlechten Auftragslage zu begegnen, wurde ich Teil der Künstlergruppe auf einem Fünf-Sterne-Kreuzfahrtschiff und gelangte so ans Nordkap. Doch dann wurde ich krank. Nach zwei Jahren Kranksein waren meine Rücklagen weg und ich fand mich als ,,Aufstockerin" bei Hartz IV und der Armentafel wieder.

Kein Einzelfall. Freie Bühnen- und Medienschaffende haben kaum je Anspruch auf ,,ALG I". Und der Schauspielberuf ist teuer. Wiederholungs- und Castinghonorare, Zuschüsse für Fotos und Vorsprechreisen sind längst gestrichen. Kleintheater – wichtige Arbeitgeber für ,,Freie" – können selten mehr als 50 Euro pro Vorstellung zahlen; für Probenzeiten, Sozialversicherung und im Krankheitsfall gibt's da kein Geld. Die Gage für einen Drehtag muss weit mehr abdecken als Tage fürs Textlernen und Wochen oder Monate zwischen zwei Engagements.

Die Kosten für Agentur, doppelte Haushaltsführung, Altersvorsorge, für Porträtfotos, Outfit und Internetpräsenz sind nicht leicht zu stemmen. Frauen – wie immer – trifft es am härtesten. Sie werden – auch hier – schlechter bezahlt als Männer und haben noch weniger zu tun: In jungen Jahren kommen auf eine Frauen- zwei Männerrollen, jenseits der 50 ist das Verhältnis 1:8. Die alte ,,Arbeitslosenhilfe" gibt es nicht mehr. Selbst bekannte Fernsehgesichter sind deshalb nun mitunter auf ALG II/Hartz IV angewiesen. Doch Armuts-Outing ist nicht auftragsfördernd, Armut selbst im Kollegenkreis tabu. Manche hungern und frieren, aus Stolz, aus Scham, aus Furcht vorm Amt. Ich ging hin; doch nach elf fehlerhaften Bescheiden, zehn Widersprüchen und einer Sanktion wurde mir klar: Hartz IV bekämpft nicht die Armut, sondern die Armen.

Darüber schrieb ich ein Theaterstück. Und ich nahm, nach 25 Jahren, die Theaterarbeit wieder auf, reiste mit dem Stuttgarter Theater tri-bühne nach Afrika, zu einem Gastspiel am Teatro Avenida in Maputo, Schauplatz eines Romans von Henning Mankell, dem Leiter des Theaters. Das Hartz-Grusical wurde 2011 mit dem Stuttgarter Autorenpreis prämiert. Seither setze ich mich für die Enttabuisierung der Armut ein. Indem ich mich als arm geoutet habe, wollte ich andere ermutigen, das auch zu tun. Wir brauchen (auch!) ein #me-too der Armutsgeschändeten, damit sichtbar wird, wie viele betroffen sind und wie schwer. Was sich ändern muss? Schluss mit Paradise Papers, Cum-Ex, Vorstandsmilliarden, Schluss mit Zwangsverarmung und Armenbashing! Löhne, Renten, Regelsätze rauf, Herz statt Hartz, gut entlohnen statt Sanktionen, Kinder- und Elterngeld auch für die Armen, Anstandsgebot statt Abstandsgebot! Wann begreifen wir endlich, dass jede neue Idee der Hartz-Architekten wieder nur das ist, was der verurteilte Straftäter Peter Hartz über sein eigenes Werk sagte: ,,Ein Fehler, ein Betrug." Kein Schwuler, keine andere Minderheit dürfte mehr so diskriminiert werden wie die Armen. Spahn und Scholz und Co.: Ab zum Hartz-IV- und Tafelpraktikum! Danach hält der Gesundheitsminister ein Kinderfuttergeld von 2,99 pro Tag hoffentlich nicht mehr für ausreichend und gesund.

Selbst für JournalistInnen ist es schwierig, Einblicke in die Realität von Hartz IV zu erhalten. Wer nicht betroffen ist, hat keinen Zutritt zu dieser Schreckenskammer der Gesellschaft – und wer dort ist, verliert die Sprache: Schockstarr kämpfen Betroffene ums tägliche Überleben, wohl wissend, dass kaum jemand ihren Geschichten Glauben schenken würde, denn sie sind fürwahr unglaublich.  ... Selbst schwangere Frauen werden ,,sanktioniert". Sie können wegen Stromsperren nach Leistungskürzungen ihren Babys kein Fläschchen mehr warm machen. Ich wollte die unglaublichen Geschichten erzählen und schrieb ein Buch, wie das Alltagsleben mit Heart's Fear wirklich ist: erniedrigend, bedrohlich, bedrückend, aussichtslos, existenzgefährdend, absurd – und mitunter auch komisch. Während einer ,,Aufstock"-Phase, nach einer auswärtigen Autorenlesung, musste ich mir das Geld für die Heimfahrt leihen, von einer Zuschauerin.

Das habe ich nicht mehr zu befürchten. Ich bin der Martermühle entronnen, bin wieder gesund, habe gut zu tun und viele Ideen, bekomme inzwischen auch Rente – und vor drei Jahren habe ich geheiratet. Meine kleine Enkelin (damals zwei) hat Blumen gestreut; ihr dabei zuzusehen, an diesem Tag, war für mich ein Triumph der Liebe über eine skrupellose Gesellschaft.

Quote
Lethe | Community


Die Phantasie vieler Menschen reicht nicht an die Realität heran; wo doch, wollen viele trotzdem nicht daran erinnert werden, wie nahe sie selbst dem Abgrund sind. Und ein unentwegtes Trommelfeuers journalistischer Schönfärberei - z.B. durch unreflektierte Übernahme "offizieller" Statistiken und "offiziellen" Sprachgebrauchs - erzeugt eine Distanzschicht, durch die kein Mitgefühl dringt; selbst die Neugierde, zu sehen, was sich hinter der Hochglanzfassade verbirgt, wird unterbunden.


Quote
Richard Zietz | Community

Guter Bericht, direkt von der Freiberufler(innen)-Elendsfront 2018.


...


Aus: ",,Nichts deutete auf ein prekäres Leben hin"" Bettina Kenter-Götte (Ausgabe 15/2018)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nichts-deutete-auf-ein-prekaeres-leben-hin (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nichts-deutete-auf-ein-prekaeres-leben-hin)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 23, 2018, 12:13:30 PM
Quote[...] Laut einer Auswertung der EU-Statistik SILC haben Arbeitslose in Deutschland oft zu wenig Geld, um sich Essen zu kaufen. 30 Prozent der Erwerbslosen hierzulande – 837.000 Personen – hatten demnach im Jahr 2016 Schwierigkeiten, jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit zu bezahlen. In der Gesamtbevölkerung lag der Anteil bei 7,1 Prozent. Die Zahlen gehen aus einer Sonderauswertung der SILC-Umfrage durch das Statistische Bundesamt hervor, die der Passauer Neuen Presse vorliegt.

Laut der Umfrage leiden Erwerbslose an weiteren Entbehrungen: 18,4 Prozent, das sind 519.000 Personen, gaben an, ihnen habe das Geld gefehlt, ihre Wohnung angemessen zu heizen, heißt es weiter.

In der SILC-Umfrage über Einkommen und Lebensbedingungen in Europa wurde auch erhoben, was unerwartete Ausgaben in Höhe von mindestens 985 Euro für die Haushalte bedeuten. Hier gaben 2,27 Millionen Erwerbslose (81,5 Prozent) an, dies nicht aus eigenen Finanzmitteln bestreiten zu können. In der Gesamtbevölkerung lag der Anteil bei gut 30 Prozent.

"Die Befunde sind für den Sozialstaat Deutschland im wahrsten Sinne ein Armutszeugnis", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Sabine Zimmermann. Seit den Hartz-Reformen werde die soziale Sicherung für Erwerbslose überwiegend Hartz IV überlassen. Die Politikerin forderte, Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung zu ersetzen.

Quoteehemalige SPD-Stadträtin
#1  —  vor 6 Stunden 146

"Die Befunde sind für den Sozialstaat Deutschland im wahrsten Sinne ein Armutszeugnis"

Deutschland ist für viele Menschen keine "reiches Land" und ihr Leben ist prekär.


QuoteIrgendsoenTyp #12  —  vor 5 Stunden 1

Na ja, irgendwo wird sich schon eine Statistik finden lassen auf deren Basis unsere "Volksvertreter" dies begründen können. Es braucht in Wirklichkeit ja auch keine Tafeln. ...


QuoteV12Ökodiesel #14

Lassen Sie sie sich nicht in die Irre führen. Die "Auswertung der EU-Statistik SILC" ist tatsächlich eine UMFRAGE.


QuoteManfred der Erste #14.1

Sie glauben das also nicht! Wo leben sie? Machen sie doch einfach mal die Augen auf. Wenn sie dann in der Lage sind, diesen Teil den man schon offen sieht hochrechnen zu können, werden sie zu einem erstaunlichen Ergebnis kommen.


QuoteIrgendsoenTyp #17

Was? Man kann sich mit 4,-€ am Tag nicht gesund und nachhaltig ernähren? Das hatte ja niemand absehen können. Der Zynismus kennt keine Grenzen. Während man Familien wie den Quandts ihr auf Räuberei basierendes Vermögen nicht antasten darf, bieten sich Menschen die nur das nötigste besitzen anscheinend umso besser an.
Der einzige Grund hierfür ist der, dass sie sich nicht wehren können. Man holt es dort, wo die Gegenwehr am geringsten ist. Parteien wie die FTP, aber auch Teile der CDU und mittlerweile auch der SPD (unvergessen: "Der Boss der Bosse") trällern dieses Lied in aller Öffentlichkeit schon seit Jahren.
Wer offenen Auges die Situation betrachtete, sah dies schon seit Langem. Ein Kind kann das oft schon überblicken. Ein hochgebildeter und gestandener Politiker anscheinend nicht. (Wehe dem der des Kaisers neue Kleider nicht sehen will) Wir verspielen offenen Auges unsere Zukunft durch Tatenlosigkeit und wenn wir uns regen kommt so etwas wie die AFD dabei heraus.


Quotedongerdo #18

Spätrömische Dekadenz halt.....


Quotegaffel #21

Ich kenne HartzIV Empfänger und Gleichgestellte, die (auch mit Kind) sich gesund ernähren, warm (und gemütlich) wohnen. Es ist wohl eher eine Frage, wofür das zugegeben knapp bemessene (aber geschenkte) Geld ausgegeben wird. Die Eigenverantwortung kommt mir bei diesem Sozialstaatsgelaber zu kurz! Versorgungsmentalität schafft Opferdenken und Abhängigkeit. Das ist würdelos. Und das Ergebnis basiert auf einer Umfrage, also auf subjektiver Wahrnehmung und nicht auf Fakten. Wer da immer gleich drauf hüpft, sollte seine Identifikation hinterfragen... auch Opfer von irgendwem????


QuoteLilly.K #31

Ich lebe mittlerweile in einem Land ,in dem 95% der Lohn und Einkommenssteuer von 50% der Arbeitnehmer bezahlt wird. Ich nenne das Abschaffung der Mittelschicht,die diesen Sozialwahn zu bezahlen hat und ansonsten gefälligst nach mehr Sozialleistungen für die Hartz iv Empfänger zu rufen hat, offene Grenzen fordern soll damit noch ein paar Millionen in den " Genuss" des arbeitsfreien Lebens kommen. Ein Sozialstaat ohne Grenzen kann nicht existieren, darüber sollte sich jeder im klaren sein. Ich kenne einige Hartz iv Empfänger und es ist eine Tatsache, dass es denen nicht schlechter geht als mir. Von dem was ich mehr verdiene,geht ein Teil für das Auto drauf das ich brauche um 50 Std/ Woche zur Arbeit zu kommen,der Rest wird gespart für einmal Urlaub im Jahr.


Quote
Tordenskjold #31.4

"Sozialwahn"...

Ich wünsche Ihnen eine Phase der Arbeitslosigkeit. Dann werden Sie sehen, wieviel "Sozialwahn" es noch gibt.

Aber sie lassen sich mit ihrem geringen Einkommen schön ausspielen, gegen diejenigen, die noch weniger haben als Sie.
Statt zu fordern, dass Sie endlich fair entlohnt werden und den Ärmsten ein Minimum gegeben wird, wollen Sie den Ärmsten am liebsten noch was wegnehmen.

Über Leute wie Sie freuen sich Weidel und Lindner. Beide bestens bezahlte Fürsprecher der Reichen, die in Ihren Betrachtungen interessanterweise gar nicht vorkommen.

Raten Sie mal, wo das ganze Geld bleibt, dass Sie eigentlich für Ihre Arbeit bekommen sollten? Ich gebe Ihnen eine Tipp: Die Armen haben es nicht.


QuoteGafivogoma #69

Entfernt. Bitte formulieren Sie Kritik sachlich und differenziert. Danke, die Redaktion/sq


Quote
Tordenskjold #69.1

Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.


QuoteOF-am-Meer #64.2

... "Traurig, wie sich Geringverdiener gegen die Arbeitslosen ausspielen lassen. Schade, dass die fiesesten Kommentare der Sozialneider gerade gelöscht wurden."

Das ist billigste Hetze gegen eine anonyme Masse, die Sie "Geringverdiener" nennen.

Ich versichere Ihnen, das bringt niemanden weiter. Und konstruktiv ist es auch nicht, noch eine Front aufzumachen. Es muss endlich die Spaltung der Gesellschaft aufhören.

"Kaum einer fragt wo das Geld eigentlich bleibt, dass den Menschen mit geringem Einkommen fehlt. Man vermutet, dass es bei den Arbeitslosen und den Flüchtlingen landet. Auf den Gedanken, dass seit Jahrzehnten von unten nach oben verteilt wird, kommt kaum jemand."

Das weiß eigentl. jede/r mit ein wenig Grips. Und was wählen die Leute?


QuoteEttigirbnichlam #73

Ich hoffe, dass der Tenor der Kommentare nicht bezeichnend ist für die Mehrheitsmeinung im Land.
Es kommen ganz viele Kommentare, dass ja immer noch Geld für Zigaretten, Alkohol, teure Handys usw. da ist.
Das Problem, dass das wahrscheinlich tatsächlich oft der Fall ist, liegt doch darin, dass diese Menschen es von einer Generation zur anderen einfach nicht erlernt haben, wie mit Geld richtig umgegangen wird.
Es wird in diesen Tagen viel von Integration geredet, dieses Klientel wird sich teilweise selbst überlassen.
Ich habe im Moment auch keine Idee, wie man , ohne den Eindruck der Bevormundung zu erwecken, dort eingreifen und helfen könnte.

Im übrigen sei gesagt, dass jeder, wirklich jeder , durch Umstände, die er nicht für möglich hält, in die Situation kommen kann , auf sehr wenig Geld angewiesen zu sein.

Ein Riesenproblem werden in der Zukunft die Armutsrentner sein. ...


QuoteSabadell05 #76

Die Zeit hat meinen Hinweis, dass zehn Jahre lang kein Geld für Hartz IV Empfänger da war, jetzt aber Milliarden für Migranten, wegzensiert.

,,Das gehöre nicht zum Thema"

Doch, tut es ! - Hört auf, Kritik zu zensieren, ihr tut eurer Zeitung und der Demokratie im Lande keinen Gefallen damit !


Quotewoherwohinwarum #76.1

Es waren auch Milliarden für die Bankenrettung da. Ist aber einfacher, nach unten zu treten, da haben Sie Recht.

Die Studie hier ist übr. über den Stand von 2015 - vor den offenen Grenzen.


QuoteFrauComments #87

Eine gute Freundin von mir bezieht seit Jahren Harz IV und sie hat immer genug zu essen und sie hat es auch warm und sie hatte eine nette kleine Wohnung in einem netten Stadtteil und und und.......natürlich lebt sie nicht in Saus und Braus aber sie hat wirklich alles und es mangelt ihr an nichts! Vielleicht ist sie auch die einzige große Ausnahme.


Quote
Megatron187 #87.1

Kennste eine, kennste alle... Kopf --> Tisch


Quoteahlibaba2 #88

Ich erinnere mich da an SPD-Muentefering, wie er einmal die Parole ausgab, wer nicht arbeite, solle auch nicht essen.
Offensichtlich hat die SPD ihr Menschenbild mit ihrer Hartz-Agenda erfolgreich umgesetzt.


Quotetb1997 #104

Auch wenn es vielleicht dem ein oder anderem Kommentator nicht gefällt, aber könnte es evtl. auch sein, dass diese Leute einfach nie gelernt haben mit Geld umzugehen? Das sie nie gelernt haben, sich selber eine Mahlzeit zu zu bereiten, sondern immer auf teure Fertiggerichte angewiesen sind? Und dies hat noch nicht einmal etwas mit H-IV zu tun. Ich kann mich noch gut an den Aufschrei der Sozialgemeinde erinnern, als zwei Kölner H-IV Empfänger ein Kochbuch herausgebracht habe, genau für das Budget von H-IV Empfängern. Und noch ein Wort zum heizen. Ich kannte mal ein Mehrfamilienhaus, in dem nur H-IV Empfänger gewohnt haben. Die Fenster waren noch einfach Verglast, und man konnte einfach nicht dagegen anheizen. Aber statt den Vermieter in die Pflicht zu nehmen, wurde die Heizung voll aufgedreht, und es wurde trotzdem nicht richtig warm. Auch hier ist der H-IV Empfänger wieder selber das Problem, bzw. seine Unfähigkeit. Und ja, nicht alle sind Unfähig, aber auch nicht alle frieren, oder essen nur Fertiggerichte.


QuoteGeigerzähler #104.1

Kippen und Alk kosten halt auch noch.

Bekannte von mir sind zwar keine H4 Empfänger aber Geringverdiener.
Wenn der Lohn drauf ist wird erstmal dick eingekauft. Statt planvoll. Dazu 2-3 Kästen Bier die Woche und 1 Schachtel Kippen am Tag. Neues Handy muss ja auch immer sein ( freilich ohne Hülle und nach 1-2 Monaten ist es kaputt...).

...


QuoteBall_flachhalten #104.5

Sie haben ihre Vorurteile gut verinnerlicht.
RTL plus wirkt.


QuoteGeigerzähler #109

Ich kann auch 3000 Euro netto verdienen und mir keine vollwertige Mahlzeit leisten.
Koks, Nutten, Glücksspiel und den Rest halt verprassen.


QuoteSt.Expeditus #117

... FertigGerichte gibt es ab 1.99 in guter Qualität und großer Aunwahl.
Da muss niemand hungern und selbst kochen. geht noch billiger.


QuoteBall_flachhalten #117.1

Genau Hartz IV kürzen. .... *sarkasmus*


QuoteHarrogate #119

Ich bin echt baff. Es gibt immer mehr Millionäre und Milliardäre in Schland, die sich mit Hilfe des Staates die Taschen auf Kosten der Steuerzahler füllen und hier wird den untersten Schichten der Gesellschaft auch noch der letzte Pfennig fürs Essen vorgerechnet. Ekelhaft.
Die oberen Kasten bekommen es immer wieder hin mit dem Finger auf die bösen Sozialbetrüger, Flüchlinge zu zeigen, die Leute glotzen hin, regen sich auf und gleichzeitig wird ihnen tief in die Taschen gegriffen.

Da kann man nur schreien " Wacht auf ihr Deppen! "


...


Aus: "Vielen Arbeitslosen fehlt das Geld für Essen" (23. Juni 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/armut-arbeitslose-essen-mahlzeit-geld (https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/armut-arbeitslose-essen-mahlzeit-geld)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 20, 2018, 10:49:54 AM
Quote[...] Kaum jemand ahnte, was genau auf Griechenland zukam, als am 23. April 2010 der damalige Premierminister Giorgos Papandreou in einer Fernsehansprache vor der malerischen Hafenkulisse der kleinen Insel Kastelorizo einen Offenbarungseid leistete. An den Finanzmärkten bekam der hoch verschuldete Staat kein Geld mehr. Griechenland stand vor der Pleite. Papandreou verglich das Land mit einem ,,sinkenden Schiff". Das SOS wurde gehört. Innerhalb einer Woche stellten die Eurostaaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) Kredite von 110 Milliarden Euro bereit, um Griechenland finanziell über Wasser zu halten.

Achteinhalb Jahre und drei Kreditpakete später ist die Gefahr des Staatsbankrotts gebannt. Aus einem Haushaltsdefizit von 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2009 wurde 2017 ein Überschuss von 0,8 Prozent. Kein anderes Euro-Krisenland hat bei der Haushaltskonsolidierung so beeindruckende Erfolge erzielt wie Griechenland.

Aber um welchen Preis: Der Sparkurs, den die Athener Regierungen auf Geheiß der Gläubiger steuern mussten, trieb die Griechen in die tiefste und längste Rezession, die ein europäisches Land in Friedenszeiten durchzumachen hatte. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte um mehr als ein Viertel. Zehntausende Firmen gingen in Konkurs. Die Einkommen fielen um durchschnittlich ein Drittel, die Arbeitslosenquote stieg von 7,5 auf 27 Prozent. Das Arbeitslosengeld – 360 Euro für einen Single, 504 Euro für eine vierköpfige Familie – wird in Griechenland maximal ein Jahr lang gezahlt.

Eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Von der Arbeitslosigkeit ist es deshalb oft nur ein kleiner Schritt in die Obdachlosigkeit.

Makis weiß das. ,,32 Jahre bin ich zur See gefahren", sagt der 61-Jährige. ,,2013 ging die Reederei in Konkurs, seitdem bin ich arbeitslos – keiner nimmt einen Seemann in meinem Alter." Als die Ersparnisse aufgebraucht waren, verlor er seine Wohnung. Jetzt lebt er als Obdachloser am Hafen von Piräus. In vier Jahren hofft er auf eine Rente. ,,Viel wird es nicht sein", sagt Makis, ,,aber hoffentlich genug für ein Dach über dem Kopf." Auf dem Papier hat Griechenland die Krise hinter sich gelassen. Seit 2017 wächst die Wirtschaft endlich wieder, wenn auch schwach. Die Arbeitslosenquote ist auf 19,5 Prozent gesunken. Aber das sagt wenig, denn immer weniger Menschen haben Vollzeitjobs. Von den 1,7 Millionen Beschäftigten in der Privatwirtschaft arbeitet jeder Dritte in Teilzeit – für durchschnittlich 394 Euro netto im Monat. Diese Teilzeitarbeiter haben kaum eine Chance, nennenswerte Rentenansprüche zu erarbeiten. In Griechenland tickt eine soziale Zeitbombe: ,,Ich befürchte eine Explosion der Armut", sagt Ökonomieprofessor Savvas Robolis.

Schon jetzt leben viele Rentner unter der Armutsgrenze. Nach 22 Rentenkürzungen beträgt die durchschnittliche Pension 723 Euro. Jeder vierte Rentner muss mit weniger als 372 Euro im Monat auskommen. Und weitere Abstriche stehen bevor: Zum 1. Januar 2019 werden die Renten erneut um bis zu 18 Prozent gekürzt, 2020 sinkt der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer von heute 8636 auf 5685 Euro. Auch nach dem Ende der Kreditprogramme geht also der Sparkurs weiter.

Erwin Schrümpf ist besorgt: ,,Ich denke, die menschliche Krise wird sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen, die Menschen werden noch mehr leiden und hungern als bisher." 2012 gründete der Salzburger seinen Verein Griechenlandhilfe. Inzwischen haben Schrümpf und seine 40 Mitarbeiter rund 430 Tonnen Hilfsgüter nach Griechenland gebracht. ,,Anfangs waren es vor allem Medikamente und medizinisches Zubehör, inzwischen bringen wir auch Babynahrung und Hygieneartikel", berichtet der 53-Jährige. ,,Manche Familien haben nicht einmal Geld, um den Kindern eine Zahnbürste oder Schulhefte zu kaufen, in Behindertenheimen fehlt es sogar an Wasch- und Putzmitteln." Schrümpf sagt: ,,Die Not wird nicht kleiner, sondern größer."

Wer kann, der geht: Rund 500 000 Griechen sind während der Krise ausgewandert, überwiegend Akademiker und gut ausgebildete Fachkräfte. ,,Die meisten sind nicht vor Arbeitslosigkeit und Not geflohen, sondern vor dem ,System Griechenland' – der Vetternwirtschaft, dem politischen Stillstand und der gesellschaftlichen Apathie", sagt Nikos Stampoulopoulos. Der Filmemacher wanderte 2009 nach Amsterdam aus, kehrte 2014 nach Athen zurück. Der 48-Jährige betreibt die Webseite ,,Nea Diaspora", auf der sich Auslandsgriechen vernetzen und austauschen können. An eine Rückkehr dächten die wenigsten, sagt Stampoulopoulos. ,,Griechenland hat in den vergangenen Jahren Hunderttausende seiner besten Talente verloren. Dieser Exodus ist die schlimmste Langzeitfolge der Krise."


Aus: "Griechenland ,,Die Menschen werden noch mehr leiden"" Gerd Höhler (20.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/wirtschaft/griechenland-die-menschen-werden-noch-mehr-leiden-a-1566011,0#artpager-1566011-1 (http://www.fr.de/wirtschaft/griechenland-die-menschen-werden-noch-mehr-leiden-a-1566011,0#artpager-1566011-1)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 08, 2018, 09:32:45 PM
Quote[...] Seit 2011 wurde jedes Jahr mehr als 300.000 mal der Strom gesperrt. ...

Quelle: https://www.swr.de/report/leben-ohne-strom-hunderttausenden-wird-der-strom-abgestellt-mit-schlimmen-folgen-fuer-die-betroffenen/-/id=233454/did=22515508/nid=233454/1eirrgw/index.html (https://www.swr.de/report/leben-ohne-strom-hunderttausenden-wird-der-strom-abgestellt-mit-schlimmen-folgen-fuer-die-betroffenen/-/id=233454/did=22515508/nid=233454/1eirrgw/index.html) (6.11.2018)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 29, 2019, 11:56:22 AM
Quote[...] Kris Thomas hat Hunger. Und zwar von der Art, die schwach macht und krank. Die Menschen vernichten kann.

Thomas ist 27 Jahre alt, er möchte arbeiten, er hat zwei Kinder, für die er sorgen will. Er hat ein Anrecht auf staatliche Unterstützung. Doch im Großbritannien des Jahres 2019, dem nach Schätzungen des "Global Wealth Reports" der Bank Credit Suisse fünftreichsten Land der Welt, reicht das alles nicht mehr.

Und so betritt Thomas mit einer leeren Sporttasche in der Hand den niedrigen Vorraum der Bridgeway-Hall-Methodistenkirche in Nottingham und setzt sich mit gesenktem Kopf an einen Tisch. Um ihn herum Männer in zerschlissener Kleidung.

"Was ist der Grund für Ihren Besuch?", fragt eine Frau in grüner Schürze, nachdem sie sich zu Thomas gesetzt hat. Sie ist ehrenamtliche Mitarbeiterin der Tafel in Nottingham, einer gemeinnützigen Organisation, die übrig gebliebene Lebensmittel kostenlos an Bedürftige verteilt.

Als Thomas aufschaut, um ihr seinen pinkfarbenen Berechtigungsschein zu geben, wird in seiner Halsbeuge ein Tattoo sichtbar: Stacy, der Name seiner Freundin. Sie und ihre gemeinsamen Kinder Cleo und Kaydn, zehn und acht Jahre alt, sitzen auch da. Sie sind es, um die sich Thomas am meisten Sorgen macht.

Er antwortet: "Das Jobcenter hat uns sanktioniert und unser Geld gestrichen, obwohl wir zwei Bewerbungsgespräche hatten." Die Frau in der grünen Schürze schüttelt den Kopf. "Das ist ein Albtraum", sagt sie. "Reden Sie gar nicht erst weiter, sonst rege ich mich wieder auf."

Thomas nickt und sagt, dass es ihm das Blut zum Kochen bringt, wenn er darüber nachdenkt. Dabei ist er keine Ausnahme. Wie ihm geht es Millionen von Briten. Hunger grassiert auf der Insel. Arbeiter, Arbeitslose, Kinder - 14 Millionen Menschen im Land gelten inzwischen als arm, für mehr als die Hälfte davon ist es ein täglicher Kampf, den Kühlschrank zu füllen. Mehr als vier Millionen Kinder sind betroffen.

Seit 2008 ist die Zahl der Tafeln von 29 auf 2000 gestiegen, Hunderttausende Menschen nutzen sie. Die Folgen der Mangelernährung: Schüler lernen schlechter, Eltern werden kränker, die Alten sterben früher.

Der Grund dafür liegt ein Jahrzehnt zurück. 2008 crashten die Banken. Die britische Regierung stellte 500 Milliarden Pfund für deren Rettung bereit, aber schon bald darauf titelte das "Time-Magazine": "Schneller als sie begann, ist die Bankenkrise vorbei". Die Gewinne in den Finanzhäusern sprudelten wieder, die Aktien stiegen. Kurz darauf peitschte die neugewählte konservativ-liberale Regierung ein Austeritätsprogramm durch und machte sich an eine Reform der Sozialprogramme. Der Hunger kehrte zurück.

Die Frau in der grünen Schürze legt Thomas ein Klemmbrett hin, er unterschreibt und bekommt mehrere Tüten, vollgepackt mit Nudeln, Brot und Tomatensauce. Ein paar Schokoladeneier hat sie auch untergebracht, für die Kinder an Ostern.

Kris und Stacy bedanken sich und verteilen das Essen auf mitgebrachte Taschen, damit es sich besser tragen lässt. Geld für den Bus haben sie nicht. Fast eine Stunde laufen sie zu Fuß nach Hause.

Auf dem Heimweg dreht Kaydn Runden auf seinem Rad, verschwindet immer wieder hinter Häuserecken. Stacys Blick flackert, sie kämpft seit Jahren mit Panikattacken, stark befahrene Straßen jagen ihr Angst ein. Sie brüllt Kaydn hinterher. Kris versucht, alle im Blick zu behalten und gleichzeitig seine Geschichte zu erzählen.

In der Schule lief es gut, Kris Thomas plante zu studieren. Doch als er Stacy kennenlernte, die bald von ihm schwanger wurde und zu Hause rausflog, mussten die beiden ihr Leben selbst zum Laufen bringen. Er fand eine Stelle im Flagshipstore einer Sportladenkette und stieg bald zum stellvertretenden Storemanager auf.

Als aber seine kleine Cleo das Trinken verweigerte und auf der Intensivstation landete, war für ihn an Arbeit nicht zu denken. Er fand eine Vertretung und meldete sich ab - so wie es halt richtig ist, dachte er. Sein Chef dachte anders: Er mahnte ihn ab. Wut packte ihn, sagt Thomas. "In diesem Augenblick habe ich nur zwei Möglichkeiten gesehen: kündigen oder meinen Chef umbringen." Er kündigte.

In der Cafeteria eines großen Supermarkts bekam Thomas einen neuen Job. Doch als das betrügerische Kartenhaus der Großbanken implodierte, Großbritannien in die Rezession stürzte und der Supermarkt Personal entließ, verlor er ihn wieder.

Dreimal fand Thomas in den folgenden elf Monaten wieder Arbeit, dreimal wurde er Opfer von Entlassungswellen, erzählt er. Um zu überleben, liehen Stacy und er sich Geld. Dann ergatterte er einen Job als Müllmann bei der Stadt, verdrehte sich beim Heben den Rücken, sei trotz Ischias, trotz des Schmerzes, täglich zur Arbeit gegangen - und wurde trotzdem gefeuert. Kris und Stacy wussten nicht weiter.

Für Menschen, die straucheln, wurde der Wohlfahrtsstaat einst aufgebaut - ein Sicherheitsnetz, das Stürze vor dem ganz harten Aufschlag bremst, das verhindert, dass Leben zerbrechen. Dieses Netz, das Regierungen nach dem Zweiten Weltkrieg in ganz Europa spannten, gilt als einer der Gründe für die jahrzehntelange Stabilität auf dem Kontinent und in Großbritannien.

Mit der schrittweisen Einführung der Universal-Credit-Reform im Jahr 2012 durch die konservative Regierung unter David Cameron wurde das Leben für viele Betroffene jedoch schwerer, kritisiert Nigel Adams, der Tafeln in Nottingham gründete. Zwei der größten Probleme seien demnach: Verliert jemand seinen Job und stellt einen Antrag auf Sozialleistungen, gibt es die ersten Wochen kein Geld, und bleibt er einem Termin fern, wird das Geld gekürzt.

Kris und Stacy hatten mittlerweile auch Kaydn bekommen. Anfangs halfen noch Verwandte, doch bald leerten sich die Küchenregale. Kris sagte zu Stacy, sie solle das verbliebene Essen einfach den Kindern geben. "Ich selbst habe nichts gegessen", erzählt er. Drei Tage lang. Am vierten, auf einem Parkplatz, wurde ihm erst schwarz vor Augen, dann schlug er bewusstlos auf dem Asphalt auf. Eine Tafel half.

Nigel Adams weiß, was Hunger mit Menschen machen kann, er kennt Hunderte ähnliche Geschichten wie die von Kris Thomas. Auf Dauer verlören Hungernde ihre Hoffnung. Fehle Zuspruch, stürzten viele in die Depression, gäben nicht mehr auf sich und ihre Wohnung acht, zahlten irgendwann keine Miete mehr und landeten auf der Straße, schlimmstenfalls in der Drogenszene. Vor allem junge Männer seien gefährdet.

Adams weiß das, weil auch er 2008 eine folgenreiche Entscheidung traf. Ein paar Jahre zuvor hatte er bei einer Baufirma angefangen, wurde stetig befördert und hatte schließlich dreißig Leute unter sich. Doch als die Inhaber begannen, Mitarbeiter unter Druck zu setzen, um in kürzerer Zeit höhere Gewinne zu erzielen, kündigte er - auch weil er schon seit seiner Jugend der Kirche dienen wollte, und zwar nicht von irgendeiner Kanzel herab, sondern auf der Straße, inmitten der Menschen, die Hilfe brauchten.

Er organisierte eine kleine Suppenküche und Tafel in Nottingham. Anfangs seien bloß die immer gleichen zehn obdachlosen Alkoholiker zu ihm gekommen, erzählt Adams. Doch mit der Regierungsübernahme der Konservativen 2010 sei etwas ins Rutschen geraten. Die Tories hätten den Grundgedanken des Sozialsystems verändert, Solidarität durch Misstrauen ersetzt. Nicht mehr unterstützen und fördern wollten sie die Armen, sondern fordern und nötigenfalls strafen - als seien die Menschen Diebe, die sich an der Gesellschaft vergingen.

Die Regierung übergab den sogenannten Social Fund an die Kommunen. Die jedoch waren bald damit überfordert und schickten die Menschen immer häufiger zu Adams. Es ist der Kreislauf, den Experten immer wieder kritisieren: Die Tafeln springen ein, der Staat zieht sich aus seiner Verantwortung zurück.

Vierzehn Tafeln betreibt Adams mittlerweile allein in Nottingham. Vergangenes Jahr verteilte er laut eigener Angabe 14.000 Lebensmittelpakete, tausend mehr als im Jahr davor, in dem es schon tausend mehr als 2016 gewesen waren. Landesweit waren es allein bei den Tafeln des größten Anbieters Trussell Trust mehr als 1,6 Millionen Essensrationen für jeweils drei Tage. Kris Thomas sieht zu, dass er und seine Familie eine Woche mit einer Ration durchkommen.

Tim Lang, Professor an der University of London, forscht zu Armut und Hunger in Großbritannien. Er gründete das Center for Food Policy, schrieb 18 Bücher und mehr als hundert wissenschaftliche Studien. Er sagt, als er 1981 anfing, sei die Situation in seinem Land besser gewesen. Was sich heute abspiele, erinnere ihn an Zustände des Mittelalters, nicht nur wegen der Kirchenspeisungen, sondern vor allem, weil arme Menschen im Durchschnitt sieben Jahre früher sterben als reiche, außerdem sind sie in ihrer Lebensspanne 17 Jahre mehr krank.

Diese Lücke zwischen den Lebenserwartungen von Armen und Reichen sei das Ergebnis der konservativen Politik. Und seit zehn Jahren wächst diese Lücke. Für Tim Lang ist das eine Katastrophe. Kris und Stacy kämpfen jeden Tag mit ihr.

Unter dem Universal-Credit-Programm bekam die Familie von Kris Thomas die ersten fünf Wochen kein Geld. Sie überbrückten die Zeit mit einem Kredit, verpassten dann einen Jobcenter-Termin, von dem sie nichts wussten, weil er online mitgeteilt wurde, ihnen aber das Geld für Internet fehlt. Das Jobcenter strich ihnen darauf 40 Prozent der Unterstützung.

480 Pfund bekam die Familie diesen Monat für Essen, Strom und Miete, erzählt Thomas. Die Armutsgrenze der britischen Social Metrics Commission liegt für eine Familie mit zwei Kindern bei 353 Pfund wöchentlich, also bei rund 1400 Pfund im Monat. Ohne Tafel hätte die Familie keine Chance.

Lange verheimlichten sie ihre Situation vor den Kindern, bis es so offensichtlich wurde, dass selbst eine Lehrerin von Kaydn auf Kris Thomas zukam und fragte, ob sie für den Jungen Schuhe kaufen dürfe.

Arbeiten und für seine Familie zu sorgen, war Thomas' Stolz. Arbeit hat er keine mehr, und nun nagt an ihm auch das Gefühl, beim Sorgetragen zu versagen. "Ich habe Angst, meine Kinder nicht beschützen zu können", sagt er. Vor allem den achtjährigen Kaydn.

Der Junge hat Schwierigkeiten in der Schule. Er neidet den anderen Kindern die Klamotten und Spielzeuge, vor Kurzem hat er angefangen zu klauen. Thomas sieht seinen Sohn einen Weg einschlagen, an dessen Ende Knast und Tod stehen. Er hat das schon oft gesehen, in seinem persönlichen Umfeld und in seinem Viertel.

Philip Alston ist Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für extreme Armut. Jährlich wählt er nur zwei Länder aus, die er besucht. Vergangenes Jahr reiste er zwei Wochen durch Großbritannien, sprach mit Sozialarbeitern, Lehrern und Frauen, die sich aus ihrer Not heraus prostituieren. In seinem Abschlussbericht warnt er davor, wo der derzeitige Kurs hinführt, lieh sich dafür die Worte des britischen Philosophen Thomas Hobbes. Der schrieb über das Leben in einer Gesellschaft ohne funktionierenden Gesellschaftsvertrag: "Das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz."

Dabei, sagt Alston, hätte es nach dem Bankencrash 2008 durchaus Alternativen gegeben: Großbritannien hätte, anstatt zu sparen, ins eigene Land investieren können. Alston kommt es vor wie ein riesiger Laborversuch, so unnachgiebig seien die Sparprogramme durchgepeitscht worden. Und wie im Labor lassen sich Ursache und Wirkung dieses millionenfachen Menschenversuchs sehr genau beobachten.

Die Verarmung befeuere den weiteren Aufstieg der extremen Rechten. Denn dahin würden sich die Menschen wenden, wenn sie keine anderen Optionen sehen, sagt Alston.

Auch Kris Thomas vertraut schon lange keinem Politiker mehr, geht zu keiner Wahl. Er sei zwar kein Rassist, sagt er, aber die Ausländer bekämen zu viel Geld, und deshalb ist er für den Brexit. Tatsächlich legen Veröffentlichungen nahe, dass Armut und Ungleichheit ein wichtiger Faktor im Brexit-Referendum gewesen sein könnten.

Dabei könnten Männer wie Thomas die großen Verlierer des Brexits werden. Der Absturz des britischen Pfunds infolge des Austrittsreferendums hat nach Angaben von Philip Alston schon jetzt die Lebenshaltungskosten für arme Menschen um jährlich 400 Pfund erhöht.  ...


Aus: "Armut in Großbritannien: Als Kris Thomas ohnmächtig zusammenbrach - vor Hunger " Aus Nottingham berichten Raphael Thelen (21.05.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ausland/grossbritannien-immer-mehr-menschen-auf-tafel-angewiesen-a-1266188.html (https://www.spiegel.de/politik/ausland/grossbritannien-immer-mehr-menschen-auf-tafel-angewiesen-a-1266188.html)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 12, 2019, 09:40:36 AM
Quote[...] In den kommenden 20 Jahren steigt die Altersarmut in Deutschland trotz Reformbemühungen weiter an. Das geht aus Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor. Demnach könnte der Anteil der von Armut bedrohten Rentnerinnen und Rentner bis 2039 von 16,8 auf 21,6 Prozent steigen – trotz einer positiven Entwicklung der Wirtschaft und trotz der aktuell diskutierten Reformmodelle wie etwa der Grundrente. Diese seien "nicht ausreichend zielgenau", heißt es in der Studie.

Demnach sind von der Altersarmut vor allem Geringqualifizierte, Alleinstehende sowie Menschen mit längerer Arbeitslosigkeit betroffen. Als von Armut bedroht gelten sie dann, wenn sie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen. Laut der Studie sind das Personen, deren monatliches Nettoeinkommen unter 905 Euro liegt.

Besonders stark steigt das Armutsrisiko laut den DIW-Berechnungen für ostdeutsche Rentner. Zwar liegt die Grundsicherungsquote in Ostdeutschland derzeit mit etwa 6,5 Prozent unter dem Anteil im Westen mit rund zehn Prozent. Bis 2039 wird sie sich demnach aber auf etwa 12 Prozent verdoppeln.

Die derzeit diskutierten Modelle für eine Rentenreform, wie etwa die im Koalitionsvertrag vorgeschlagene Grundrente, würden daran kaum etwas ändern. Stattdessen müsste die Politik mehr auf die Ursachen von Altersarmut abzielen, schreiben die Wissenschaftler.

"Um die Zielgenauigkeit zu stärken, könnte die Reform um eine einfache Einkommensprüfung und eine etwas flexiblere Auslegung der Versicherungszeiten ergänzt werden", sagte Studienleiter Christoph Schiller. Entscheidend sei, Kosten zu sparen, denn mit dem Renteneintritt der sogenannten Babyboomer würden die öffentlichen Kassen in Deutschland in den nächsten 20 Jahren auf eine große Belastungsprobe gestellt.


Aus: "Bertelsmann-Studie: Altersarmut in Deutschland steigt trotz Grundrente" (12. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-09/altersarmut-studie-deutschland-anstieg-bertelsmann-stiftung (https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-09/altersarmut-studie-deutschland-anstieg-bertelsmann-stiftung)

QuoteParisMatch #53

Sehen wir die Folgen der Schroeder/Fischer Reformpolitiken gestrickt nach neoliberalen Rezepturen weiterverfolgt von den diversen Merkelregierungen?


QuoteCoveillance #22

Laut einer Bertelsmann-Studie könnte in 20 Jahren mehr als fünfte Rentner von Altersarmut bedroht sein.

Diese Stiftung beschreibt letztlich die Ergebnisse des Systems, welches sie selbst seit vielen Jahren propagiert.


QuoteNiklasMo #25

Ich glaube nicht, das in 20 Jahren Altersarmut hierzulande das größte Problem sein wird. Den meisten Rentnern wird es besser gehen als ihren Enkeln, was historisch gesehen noch nie so der Fall war.


Quotemounia #25.2

Und warum glauben Sie das? Viele Rentner sammeln doch heute schon Pfandflaschen,um über die Runden zu kommen.Gehen zur Tafel,zu Sozialläden...


QuoteB.Schulz #35

Wer war das gleich, der die Renten und die Einkünfte massiv gedrückt hat? Richtig, die SPD und die Grünen, sollte man nie vergessen.


QuoteCarina Si-Fi #35.1

....und wer ändert nichts daran?


Quoteregilot #49

20 Jahre.... das hört sich noch weit weg an. Ist es aber nicht.

Noch etwas weiter "weg", aber eben auch nicht mehr so fern, wird die technologische Entwicklung dafür sorgen, dass immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden (Stichwort künstliche Intelligenz, Roboter,....). Wir müssen uns definitiv nicht nur mit einer lebenswürdigen Grundrente befassen, sondern kommen langfristig auch nicht um ein Grundeinkommen herum, worin am Ende die Grundrente aufgehen würde. Spannende Zeiten stehen an.


...
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 18, 2019, 04:38:17 PM
Quote[...] Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Menschen, die sich regelmäßig über die Tafeln mit Lebensmitteln versorgen, um zehn Prozent gestiegen. Das teilte der Dachverband Tafel Deutschland mit. Derzeit hätten die Tafeln 1,65 Millionen Kunden.

Noch einmal deutlich stärker sei der Anstieg der Nutzerinnen und Nutzer unter Senioren: Unter älteren Menschen, die Rente oder Grundsicherung bezögen, besuche jeder Fünfte – 20 Prozent – regelmäßig eine Tafel. "Diese Entwicklung ist alarmierend", sagte Verbandschef Jochen Brühl. "Altersarmut wird uns in den kommenden Jahren mit einer Wucht überrollen, wie es heute der Klimawandel tut."

Brühl forderte die Politik auf, Reformen anzustreben und sich verbindliche, ressortübergreifende Ziele zur Bekämpfung von Armut zu setzen. "Die Zeit der kleinen Schritte ist vorbei", sagte er. Niedrige Rentenzahlungen seien nach Langzeitarbeitslosigkeit der zweithäufigste Grund, eine Tafel aufzusuchen.

Doch nicht nur Armut im Alter gibt demnach Anlass zur Sorge: Auch 50.000 Kinder und Jugendliche sind unter den regelmäßigen Nutzern der Tafeln – beinahe ein Drittel. Dazu sagte der Verbandsvorsitzende Brühl: Deutschland leiste sich, Kinder systematisch zu vernachlässigen. "Hier wachsen wegen struktureller Nachteile die Altersarmen von übermorgen heran."

In Deutschland gibt es knapp 950 Tafeln, diese Zahl sei quasi konstant. Die gemeinnützigen Einrichtungen retten überschüssige Lebensmittel und verteilen das Essen an sozial und wirtschaftlich Benachteiligte. Bedürftige müssen sich registrieren, um die Tafeln nutzen zu können.

Im vergangenen Jahr konnten die Tafeln 265.000 Tonnen Lebensmittel weitergeben. Um diese Menge zu erhöhen, seien allerdings mehr Kühlfahrzeuge und Lagerräume nötig, hieß es vom Verband. Das Ehrenamt stoße an seine Grenzen, sagte Brühl. Denn genügend Lebensmittel gebe es: In einer aktuellen Studie bemisst das Bundeslandwirtschaftsministerium die Menge der Lebensmittel, die in Deutschland pro Jahr weggeschmissen und vernichtet werden, bei mehr als zwölf Millionen Tonnen. Die Tafeln gehen sogar von bis zu 18 Millionen Tonnen aus.

Der Dachverband der Tafeln forderte eine staatliche finanzielle Unterstützung bei der "Rettung und Verteilung von Lebensmitteln". Brühl mahnte jedoch: Auch die Verbraucher hätten "eine Verantwortung".


Aus: "Armut: Zahl der Nutzer der Tafeln steigt deutlich" (18. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/armut-tafel-hilfsorganisation-lebensmittel-renter-anstieg (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/armut-tafel-hilfsorganisation-lebensmittel-renter-anstieg)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 25, 2019, 11:35:34 AM
Quote[...] Gernot Laganda, 47, ist Leiter der Klima- und Katastrophenpräventionsabteilung im Welternährungsprogramm (WFP) der UN. Das Programm erreicht jährlich 90 Millionen Menschen.

... Derzeit gehen wir von 822 Millionen hungernden Menschen weltweit aus. ... Seit den frühen 1990er-Jahren hat sich die Zahl der Klimakatastrophen auf rund 200 mehr als verdoppelt. Derzeit sind 22 Millionen Menschen im Jahr gezwungen aufgrund von Klimaereignissen zu migrieren, weil sie ihre Lebensgrundlagen verlieren. Die meisten innerhalb des jeweiligen Landes. Erzwungene Migration wird ein immer größeres Problem. ... Wir erleben jetzt die Auswirkungen auf das Klima, die wir durch unseren CO2-Ausstoß längst erzeugt haben.  Die Entscheidungen, die wir heute in unseren Volkswirtschaften treffen, bekommt erst die Generation unserer Kinder zu spüren. Die 1,5-Grad-Schwelle wird auf jeden Fall überschritten. In einigen afrikanischen Ländern ist das Durchschnittsklima bereits jetzt bis zu zwei Grad höher als in vorindustriellen Zeiten. Das ist die Realität, in der wir leben. ...


Aus: "Klimawandelfolgen und Hunger ,,Bei uns schrillt immer öfter die Sirene""  Matthias Jauch Nantke Garrelts (24.10.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/klimawandelfolgen-und-hunger-bei-uns-schrillt-immer-oefter-die-sirene/25152562.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/klimawandelfolgen-und-hunger-bei-uns-schrillt-immer-oefter-die-sirene/25152562.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 14, 2019, 04:24:05 PM
Quote[...] Alte Menschen in Deutschland können ihre Rechnungen oft nicht mehr bezahlen. Innerhalb von nur zwölf Monaten sei die Zahl der überschuldeten Verbraucher im Alter ab 70 Jahren um 44,9 Prozent auf 380.000 gestiegen, berichtete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem "Schuldneratlas 2019". Seit 2013 habe sich die Zahl der überschuldeten Senioren sogar um 243 Prozent erhöht. Und auch bei den 60 bis 69 Jahre alten Verbrauchern kämen immer mehr nicht mehr mit ihrem Geld zurecht.

Die Gründe für die wachsende Altersarmut sind nach Einschätzung der Organisation vielfältig. Einerseits machten sich hier die Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte bemerkbar, die fast durchweg auf eine Kürzung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente abgezielt hätten. Außerdem wirkten sich die wachsende Zahl unsteter Erwerbsbiografien und der immer größer werdende Niedriglohnsektor aus. Auch der zum Teil dramatische Anstieg der Mieten spiele eine Rolle.

Die Entwicklung bei den Senioren steht auffälligen Gegensatz zur Entwicklung in den übrigen Altersgruppen. Denn die Zahl überschuldeter Personen insgesamt ist in Deutschland in diesem Jahr erstmals sei fünf Jahren wieder gesunken – allerdings nur geringfügig. Derzeit sind den Angaben zufolge 6,92 Millionen Verbraucher nicht in der Lage, ihre Rechnungen zu bezahlen. Das sind knapp 10.000 weniger als im Vorjahr.

Wie der Schuldneratlas Deutschland 2019 zeigt, sehen die Autorinnen und Autoren den Hauptgrund für den leichten Rückgang in der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren. Es sei jedoch zu befürchten, dass der positive Trend nur von kurzer Dauer sein werde, da sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen in Deutschland zuletzt wieder deutlich eingetrübt hätten. Weiterhin seien bei jedem zehnten Erwachsenen die Gesamtausgaben dauerhaft höher als die Einnahmen.

In Ostdeutschland hat sich die Lage etwas entspannt: Die Überschuldungsquote liegt hier zwar mit 10,3 Prozent zum achten Mal in Folge über dem Vergleichswert im Westen (9,9 Prozent), trotzdem hat sich die Lage im Osten der Republik über die Jahre kontinuierlich verbessert.   


Aus: "Schuldneratlas: Überschuldung bei Senioren steigt drastisch an" (14. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-11/schuldneratlas-verbraucher-ueberschuldung-ausgaben-bundeslaender (https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-11/schuldneratlas-verbraucher-ueberschuldung-ausgaben-bundeslaender)

Quoteklaurot #7

"Weniger Menschen sind überschuldet"

Wie sich Überschriften unterscheiden können. Die Süddeutsche bringt es so:
"Jeder Zehnte kann seine Schulden nicht mehr bezahlen"

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schulden-verschuldung-schuldneratlas-1.4681664 (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schulden-verschuldung-schuldneratlas-1.4681664)

Alles eine Frage des Blickwinkels.


QuoteArt Den #3

,,Derzeit sind nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform 6,92 Millionen Verbraucher nicht in der Lage, ihre Rechnungen zu bezahlen."

...was zum? Aber Deutschland ist doch noch immer ein Paradies, oder?


Quoteistdochwahr #3.1

das fand ich auch ziemlich krass. das ist ja fast jeder 10 erwachsene.


Quotelassteskrachen #3.2

Es liegt nicht nur an Deutschland, sondern haupsächlich an den Menschen- natürlich tappen viele in die Schuldenfalle, weil si3e sich über die Konsequenzen von Verträgen nicht in klaren sind.
Zu viel Miete, zu viel Konsum.


QuoteThethu #3.12

Auch wenn das immer wieder kolportiert wird - es ist tatsächlich nur eine Minderheit der Betroffenen wegen Konsumschulden in dieser Situation. Die Mehrheit landet dort, weil sie nach eintretender Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit ihre Kredite nicht mehr abzahlen können. Können Sie in jeder Statistik zu dem Thema nachlesen.


Quotehobuk #4

"Die Zahl der Rentenempfänger ab 70 Jahren, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten..."

Dann sollen sie halt mehr Pfandflaschen sammeln. [sark. off]


Quotemupfl #4.1

In anderen Ländern gibt es kein Pfand. Klarer Standortvorteil für die Bundesrepublik.


Quotem.schmidt67 #5

Wir reden davon, dass in der Zukunft noch mehr Rentner und ich rede vom verdienten Ruhrstand, noch ärmer werden.
Ich glaube nicht, dass die Grundrente dafür ausreicht aus dem Tal der Tränen heraus zu kommen.
Problem Nr. 1 ist die starke ungerechte Verteilung von Kapital.

In der Zukunft wird sich das noch verstärken, wenn immer mehr Stellen durch KI und Roboter wegfallen. ...


QuotePolyvinylpyrrolidon #6

Tja, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Niemand zwingt die Menschen, wenig zu verdienen. Und das mit den Schulden verstehe ich nicht. Wenn man für etwas nicht genug Geld hat, dann kauft man es sich eben nicht.


QuoteNeroTheDark #6.11

Wieviel Ignoranz sich in nicht einmal drei Zeilen Text verbergen kann, erstaunlich!


Quotehobuk #6.6

"Wenn man für etwas nicht genug Geld hat, dann kauft man es sich eben nicht."

Richtig, Essen, Wohnen, Strom und Wasser sind sowieso total überbewertet.
Da kann man sich ein kleines Vermögen zusammensparen, wenn man diszipliniert lebt und ein paar Jahre darauf verzichtet.



QuoteEntenschorsch #6.3

Gruß von einem Leiharbeiter im Maschinenbau. 2,5k, die hab ich nichtmal brutto mit 150 Euro Weihnachtsgeld. Von den 20 Tagen gesetzlicher Urlaub ganz zu Schweigen.
Wir sind die, die die Rendite für Siemens Aktionäre erarbeiten, und während der Arbeiter neben mir Tarif verdient, und am Matching Programm teil hat, und 30 Tage Urlaub macht. Die schämen sich dann immer, wenn sie von ihren Sonderzahlungen im vierstelligen Bereich reden, während meine im unteren dreistelligen Bereich liegen.


QuoteDrkdD #16

"Einerseits machten sich hier die Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte bemerkbar, die fast durchweg auf eine Kürzung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente abgezielt hätten. Außerdem wirkten sich die wachsende Zahl unsteter Erwerbsbiografien und der immer größer werdende Niedriglohnsektor aus. Auch der zum Teil dramatische Anstieg der Mieten spiele eine Rolle"

Wer hätte das schon gedacht...

Aber die gute Nachricht ist. Es gibt auch viele die von dem neoliberalen Wahnsinn profitiert haben. Das sind immerhin mindestens 10% der Bevölkerung. Und damit das so bleibt sollten wir schnell die Unternehmenssteuern senken.


Quotealraschid #20

Es sollte niemanden überrascht haben. Dies war gewollt ... Das macht uns wettbewerbsfähig. ...


...
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 07, 2019, 12:02:46 PM
Quote[...] Der Bundesverband der Tafeln hält es für problematisch, Lebensmittel auf für die Bauern auskömmlichen Preise zu erhöhen. "Einfach nur höhere Lebensmittelpreise zu fordern, ist zu einfach. Das würde die Kundenzahl bei den Tafeln in die Höhe treiben", sagte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zwar sei das Anliegen von Landwirten und einigen Vertretern der Politik verständlich. Aber: "Auch Menschen, die wenig haben, müssen sich gesund ernähren können."

Die Zahl derer, die sich bei den 940 Tafeln mit Lebensmitteln versorgen, sei gegenüber dem vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen und liege bei 1,65 Millionen. Besonders groß sei die Nachfrage älterer Menschen, sagte Brühl. "Die Zahl der Rentner unter den Tafelkunden ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent auf 430.000 gestiegen."

Es koste viel Energie, Armut zu verstecken. Diese Kraft hätten ältere Menschen oftmals nicht mehr. Sie "kommen dann zu uns". Viele Tafeln hätten zudem spezielle Angebote für ältere Menschen gestartet, etwa Senioren-Nachmittage. "Das senkt vielleicht die Hemmschwelle" und sei auch ein Beitrag gegen Alterseinsamkeit.

Brühl forderte deshalb die Unterstützung der Politik. "Bislang sind unsere Lager und Kühlfahrzeuge ausschließlich spendenfinanziert. Wir geraten an Kapazitätsgrenzen." Um noch mehr zu leisten, müsse aufgestockt werden. "Das Geld will uns aber niemand geben. Stattdessen werden wir von der Politik mit Schulterklopfern abgespeist. Das reicht nicht", sagte er.

Er gehe nicht davon aus, dass die derzeit diskutierte Grundrente Probleme grundsätzlich lösen werde. "Grundrente klingt so, als werde damit die Altersarmut in Deutschland abgeschafft. Das ist natürlich Quatsch." Eine effektive Bekämpfung der Altersarmut beginne im Erwerbsleben oder noch früher. "Unter unseren Kunden sind auch 500.000 Kinder und Jugendliche. Deren Zahl übersteigt also noch die der Rentner, die unsere Angebote nutzen."

Brühl beklagte, die Gesellschaft verdränge, unter welchen Bedingungen viele Menschen lebten. "Ich glaube zwar nicht, dass Menschen hierzulande hungern." Aber gerade ältere Menschen berichteten, dass sie die Heizung im Winter nicht anstellten aus Sorge, die Heizkostenabrechnung im Frühjahr nicht mehr bezahlen zu können.

Die gemeinnützigen Tafeln sammeln Lebensmittelspenden von Händlern und Herstellern und verteilen diese regelmäßig an bundesweit mehr als 1,6 Millionen bedürftige Menschen.


Aus: "Tafeln: "Auch Menschen, die wenig haben, müssen sich gesund ernähren können"" (7. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/altersarmut-tafeln-lebensmittel-anstieg-nachfrage-kunden (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/altersarmut-tafeln-lebensmittel-anstieg-nachfrage-kunden)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 23, 2019, 08:25:11 PM
Quote[...] Der Weg ist nie weit. Wer in Paris das nächste "Restaurant des Herzens" sucht, muss nur einen der allgegenwärtigen Obdachlosen fragen. "Das Essen ist ok, nicht großartig, aber auch nicht schlecht", sagt Hervé, der bärtige Mann mit Schlafsack und Rucksack, der seit ein paar Wochen den Hinterhofeingang des Konzertsaals Bataclan in unserer Pariser Nachbarschaft bewohnt.

Hervé hat schon mittags vier leere Bierdosen vor seinem Straßenlager aufgereiht, aber dann richtet er sich plötzlich auf. Seine Augen leuchten: "Kennst du Coluche?", fragt er. "Der Mann würde im Boden versinken, wenn er heute noch lebte". Hervé schaut in den Himmel, als hätte er dort nicht den lieben Gott, sondern Coluche persönlich entdeckt. Er lächelt verträumt.

Man muss ihn kennen, diesen Coluche. Die "Restaurants du Coeur" sind nämlich nicht irgendwelche Tafeln, sondern seine Idee, die des 1986 verstorbenen Komikers und Schauspielers Michel Colucci, genannt Coluche. Bis heute weiß das fast jeder Franzose.

"Die 'Restaurants des Herzens', das bedeutet Brüderlichkeit, das war die Idee von Coluche", sagt Hervé. Sein Gesicht ist rot, vor dem Kopfkissen seines Schlaflagers liegt Erbrochenes. "Hast du noch mal 50 Cent, dann reicht es für den Einkauf?" fragt er zwischendurch. Hervé weiß, wovon er redet. Seit Jahren besucht er die Gratis-Essensausgaben in Paris. Schon zweimal luden ihn Freiwillige der "Restaurants des Herzens" zum jährlichen Benefizkonzert ihres Vereins in das Pariser Zénith ein, wo in der französischen Hauptstadt die ganz großen Konzerte stattfinden. "Es war fantastisch", erinnert sich Hervé.

Es ist gar nicht so einfach, Hervé zu verstehen. Nicht nur, weil er getrunken hat, sondern weil die "Restaurants des Herzens" seit ihrer Gründung im Jahr 1985 längst ein riesiger Massenbetrieb geworden sind. Ihr Verein brüstet sich damit, landesweit 2000 Lokale zu unterhalten, in der 72.000 Freiwillige tätig sind. Nach eigenen Angaben will die Organisation allein im Jahr 2018 133 Millionen Essen an 900.000 Bedürftige verteilt haben, mit nur hundert Festangestellten. "Logistik ist unsere Stärke", sagt Sophie Ladegaillerie, eine 36-jährige Pariser Art-Direktorin, die heute im Aufsichtsrat des Vereins sitzt. Dass es bei einem so großen Unternehmen nicht immer nur brüderlich zugeht, lässt sich jeden Abend in Paris besichtigen.

Freitagsabends um 20 Uhr organisieren normalerweise zwölf Freiwillige die Essensausgabe vor dem Pariser Ostbahnhof. Doch in diesem Dezember wird in Paris gestreikt, viele Bahnen und Busse fahren nicht, nur sieben Helfer haben sich angemeldet. Der Verein lancierte deshalb einen Hilferuf an Unternehmen, die an ihn spenden. Prompt stehen sechs neue Kräfte zur Verfügung von Orphelia, einer Freiwilligen, die die Essensausgabe am Gare de l'Est seit sieben Jahren leitet.

Doch der Abend ist trotzdem ein Trauerspiel: Es regnet, die Neuen wissen noch nicht, was zu tun ist, und das Essen wird schnell kalt. Es gibt Couscous mit Fleischbällen am ersten Stand, Schokomüsli und Milch am zweiten, Gemüsesuppe am dritten, Tee und Kaffee am vierten und Trinkwasser am fünften. Vor allem aber gibt es viele lange Gesichter. Es prasselt vom Himmel auf die Plastikteller. Bis die Leute einen ergattern, müssen sie im triefenden Nass Schlange stehen, anschließend schlingen sie stehend im Regen das Essen hinunter. "Im Senegal schmeckt es, hier nicht", sagt ein aus Westafrika stammender Gast. Die um ihn herum stehen enthalten sich jedes Kommentars.

Orphelia bemüht sich nach Kräften, rennt von einem Stand zum anderen, hat für nichts anderes Zeit, bis jeder, der noch etwas will, bedient worden ist. Aber amüsanter macht auch ihr aufopferungsvoller Einsatz den Abend nicht. Ohne ein Dach über dem Kopf im kalten Dezemberregen an einer Pariser Bahnhofsmauer das Abendbrot einzunehmen, hat mit der "Geselligkeit", die Sophie Ladegaillerie als Markenzeichen der "Restaurants des Herzens" preist, wenig zu tun.

"In Frankreich ist es wichtig, dass man mit Vergnügen isst", verteidigt Ladegaillerie dennoch das Motto ihres Vereins. Dazu gehöre, dass beim Essen eine "soziale Verbindung" entstehe. Die Freiwilligen würden deshalb alles "mit einem Lächeln" machen, sagt Ladegaillerie im PR-Modus. Sind das die Floskeln einer Managerin, die sich einredet, Gutes zu tun?

Michael Ponrajah, ein 28-jähriger Designer, teilt an diesem Abend am Ostbahnhof das erste Mal Essen an Obdachlose aus. Er kam nur auf Bitte seiner Firma, die der Anruf der "Restaurants des Herzens" ereilte. Nun aber erinnert sich Michael an seinen Vater, der als Flüchtling aus Sri Lanka nach Paris kam und seine erste Zeit in der Stadt als Bettler auf der Straße verbrachte. "Ich werde wiederkommen und das öfter machen", sagt Michael am Ende des Abends. "Ich habe die Leute lächeln gesehen."

Das propagierte Lächeln, das trotz der Obdachlosen-Misere in Frankreich viele Franzosen mit den "Restaurants des Herzens" in Verbindung bringen, ist wahrscheinlich der größte Werbeerfolg des Vereins. Er kann deshalb die Hälfte seines Umsatzes von mehr als 80 Millionen Euro aus Spenden bestreiten. Ein Drittel bekommt er aus französischen und europäischen Subventionen, ein Achtel aus Einnahmen rund um sein Benefizkonzert im Zénith.

Dass der Slogan mit dem Lächeln funktioniert, hat wiederum viel mit Coluche zu tun. Er war Komiker, er brachte alle zum Lachen, auf der Bühne und im Kino. Vor allem aber war er selbst lange arm und musste sich ohne festes Einkommen durchschlagen. Als er berühmt wurde, nutzte er seine Bekanntheit, um die "Restaurants des Herzens" zu gründen. Man muss sich den Status des 1986 mit nur 41 Jahren verstorbenen Künstlers ähnlich wie bei Loriot in Deutschland vorstellen, nur war sein Witz ein ganz anderer. Coluche hatte immer etwas Anarchistisches, Herrschaftsfreies, das sich gegen jede Autorität richtete - erst recht gegen die katholische Kirche, die auch in Frankreich lange für die Armen zuständig war. Das haftet den "Restaurants des Herzens" bis heute an. Sie sind auch eine Art Gotteshausersatz für die französische 68er-Generation und ihre Kinder.

Nicht umsonst richtet der Clochard Hervé vor unserer Haustür seinen Blick gen Himmel, wenn er an Coluche denkt.


Aus: "Armut: Frankreichs neue Gotteshäuser" Georg Blume, Paris (23.12.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ausland/restaurants-des-herzens-frankreichs-neue-gotteshaeuser-a-1301831.html (https://www.spiegel.de/politik/ausland/restaurants-des-herzens-frankreichs-neue-gotteshaeuser-a-1301831.html)

QuoteHorst Haber heute, 17:49 Uhr

Was will der Artikel denn nun sagen?

Mir ist unklar, was der Artikel denn aussagen will. Er klingt für mich insgesamt sehr kritisch, so als ob die Restos du Coeur etwas Schlechtes seien, nur weil sie nicht perfekt sind. Kein Wort dazu, warum so viele Menschen diese Hilfe brauchen (Versagen des Staates). Dazu die These mit dem Religionsersatz für die 68er. Was zum Geier will der Autor aussagen?


Quotesurfbosi heute, 17:02 Uhr

Wahrscheinlich verstehe ich den Sprachwitz des Autors nicht. Ich kann aber an der Organisation selber und an den Umständen, die der Autor beschreibt nichts wirklich schlechtes erkennen. Aber vielleicht sollte der Artikel auch einfach unterhaltsam rüberkommen. Ist aber das falsche Thema dafür.


Quotegelbenesick heute, 17:13 Uhr

"Restaurants des Herzens"

Egal ob in Frankreich, dem UK, Deutschland und dem Rest von Europa, die Tafeln werden immer nötiger und mehr. Kann mir mal bitte jemand der Foristen hier erklären, warum und wieso diese im reichen Europa nötig sind? ...


Quotebrux heute, 18:11 Uhr
10. Antwort
[Zitat von Horst Haber] Mir ist unklar, was der Artikel denn aussagen will. Er klingt für mich insgesamt sehr kritisch, so als ob die Restos du Coeur etwas Schlechtes seien, nur weil sie nicht perfekt sind. Kein Wort dazu, warum so viele Menschen diese Hilfe brauchen (Versagen des Staates). Dazu die These mit dem Religionsersatz für die 68er. Was zum Geier will der Autor aussagen?

Das ist eben ein echter Blume-Artikel. Der Mann hängt (mit vermutlich recht üppigem Gehalt) in Paris ab und beglückt uns mit Anekdoten aus Frankreich, einem Land voller Probleme und Missstände. Paris verlässt er eher selten. Ich lebe im ärmsten Department Frankreichs (Überseegebiete ausgenommen), dem Aude. Auch hier gibt es diese Restaurants, aber sie sind sehr rar und ausserhalb der Spendensaison gar nicht aktiv. In Paris werden eher Migranten betreut, die staatliche Hilfe verweigern, weil sie illegal im Land sind. Rentner findet man da nicht so oft. ... Blumes Berichte aus einem fremden fernen Land sind für mich total aus der Zeit gefallen und eher komisch.



Quoterosinenzuechterin heute, 18:21 Uhr

12. [Zitat von gelbenesick] Egal ob in Frankreich, dem UK, Deutschland und dem Rest von Europa, die Tafeln werden immer nötiger und mehr. Kann mir mal bitte jemand der Foristen hier erklären, warum und wieso diese im reichen Europa nötig sind? Was läuft so falsch, dass "wir" es nicht schaffen, alle Bürger eines jeden Landes mitzunehmen?

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten ein Leben lang zum Mindestlohn! Dann steht Ihnen am Ende des Arbeitslebens nicht genug Geld aus der Rentenkasse zur Verfügung, um der Notwendigkeit der Aufstockung entgangen zu sein. Um im Alter ein Leben in finanzieller Würde führen zu können, müsste der Mindestlohn 12 bis 15 EUR pro Stunde betragen. Das tut er aber nicht. Manche Parteien haben das erkannt, andere ignorieren es. Diese Ursache der Armut ist also staatlich gewollt. Eine andere Ursache ist das Zurkassebitten von Kindern für die Schulden ihrer Eltern ("Erbschuld"). Ich kenne Familien, die ihren Kindern keine Musikschule mehr bezahlen können und für einen Klassenfahrtzuschuss das Amt aufsuchen müssen, weil sie finanziell dafür geradestehen müssen, dass die von Hartz IV lebenden Großeltern ihr spärliches Einkommen versaufen statt ihre Schulden abzubezahlen. Wieder andere wurden von den Pflegekosten für die Eltern aufgefressen. Gut, dass wird nun gesetzlich korrigiert, nützt aber denen, die nun mit leeren Taschen dastehen, auch nichts mehr. Andere müssen ihr Hab und Gut verkaufen, weil sie die fünf- oder gar sechsstellige Rechnung nicht bezahlen können, die Ihnen die Gemeinde schickt, weil sie gerade eine Straße neu hat eindecken lassen. Jeder Arme hat eine andere Geschichte und in anderen Ländern gibt es noch ganz andere Schauergeschichten. Aber solange wir keinen echten, EU-weiten Sozialstaat haben, in dem Ausgaben-, aber auch Einkommensunterschiede besser wegnivelliert werden, wird es immer Menschen geben, die am Ende eines harten Lebens ohne die Tafeln verhungern würden. Sicher ist lediglich eins: Es wird nie einen Politiker treffen. Deswegen ändert sich an dieser prekären Lage auch nichts. Statt dessen müssen wir von Unternehmern hören, die lieber ihr Land verlassen als wieder Vermögenssteuer zu bezahlen.


Quoteeggie heute, 18:35 Uhr

Etwas schwer erträglich, wenn sich saturierte Journalisten über Armut mokieren.


Quotemahnmal heute, 18:43 Uhr

[Zitat von gelbenesick] Egal ob in Frankreich, dem UK, Deutschland und dem Rest von Europa, die Tafeln werden immer nötiger und mehr. Kann mir mal bitte jemand der Foristen hier erklären, warum und wieso diese im reichen Europa nötig sind? Was läuft so falsch, dass "wir" es nicht schaffen, alle Bürger eines jeden Landes mitzunehmen?

Kann ich Ihnen sagen : Weil hier einer dem anderen die Butter auf dem Brot nicht gönnt, wenn einer arm ist, ist er "selber " schuld. Ich finde den Bericht beschämend, dem Autor war es scheinbar wichtiger, auf den Alkoholgenuss des Obdachlosen ein zu gehen. Man sollte lieber froh sein, dass es Leute gibt, die Ehrenamtlich für andere noch was tun. Wenn ich sehe, wie manche Rentner hier in unserem ach so reichen Land Weihnachten verbringen werden, wird mir übel ...


...
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 25, 2019, 12:11:06 PM
Quote[...] Zwei Drittel der Wohnungslosen in Deutschland sind nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geflüchtete Menschen. Insgesamt seien 2018 rund 678.000 Menschen ohne eigene Unterkunft gewesen, davon 441.000 anerkannte Geflüchtete, sagte die Geschäftsführerin des Verbandes, Werena Rosenke, der Rheinischen Post.

Zudem sind den Angaben zufolge immer mehr Frauen von Wohnungslosigkeit betroffen. In Notunterkünften drohe ihnen häufig Gewalt. "Es ist eine prekäre und gefährliche Situation für Frauen, dass es immer noch Gemeinschaftsunterkünfte und sogar sanitäre Anlagen gibt, die nicht nach Geschlechtern getrennt sind", sagte Rosenke. Der Anteil der Frauen unter den Wohnungslosen sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und liege nun bei 27 Prozent. Die größte Gruppe stellten die unter 25-Jährigen. Ihr Anteil belaufe sich auf 23 Prozent gegenüber 17 Prozent bei den Männern in dieser Altersgruppe.

Seit 2016 schließt der Verband nach eigenen Angaben in seine Schätzung die Zahl der Geflüchteten ein, bezieht sich aber in der näheren Auswertung ausschließlich auf die 237.000 Deutschen, EU-Migranten und Drittstaatler. Zu den geflüchteten Menschen fehlten demnach sozio-demografische Angaben wie Geschlechterverteilung, Familienstand und Haushaltsgröße. Viele von ihnen blieben in Asylunterkünften und seien in der Regel auch krankenversichert.

Rosenke begrüßte, dass die Bundesregierung eine Statistik über Wohnungslose einführen will. Sie forderte zudem, einen Schuldenerlass für diejenigen Wohnungslosen zu ermöglichen, die Schulden bei Krankenkassen haben. Außerdem sollten Bund, Krankenkassen und kassenärztliche Vereinigungen einen Notfallfonds bilden, aus dem Behandlungen für Wohnungslose bezahlt werden können. Dieser Fonds müsse sich auf 150 Millionen Euro pro Jahr belaufen.


Aus: "Zwei Drittel aller Wohnungslosen sind Geflüchtete" (24. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/wohnraum-wohnungslosigkeit-fluechtlinge-frauen-wohnungshilfe (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/wohnraum-wohnungslosigkeit-fluechtlinge-frauen-wohnungshilfe)

Quoteirgendwasistimmer #1

Ich bezweifle, dass es zu wenig Wohnungen gibt.
Das Problem ist - alle wollen in die Metropolen, Berlin, Ruhrgebiet usw.
In der Oberpfalz gibt es Orte mit Leerstand und unter 2% Arbeitslosen - also beste Chancen bei der Arbeitssuche. Warum vermittelt man den Wohnungslosen keine Wohnungen in solchen Gegenden?
Und wenn jemand da nicht hin möchte, kann der Wunsch nach Wohnraum nicht allzu hoch sein.
Es wird Zeit, die verödenden Landstriche wieder zu besiedeln.


Quote
Que Che #1.1

Ja ja, Probleme die man selbst nicht hat, lassen sich immer ganz einfach lösen.


Quotepelmeni #8

Es ist unseriös, einen Artikel über Wohnunglosigkeit mit einem Foto eines Obdachlosenlagers zu illustrieren. So kann der Eindruck entstehen, in Deutschland gäbe es knapp 700.000 Obdachlose. Tatsächlich wird die Zahl der Obdachlosen, also die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf, auf zwischen 40.000 und 50.000 geschätzt. Das sind natürlich auch erschreckend viele Menschen, aber längst nicht gut eine halbe Million, wie Untertitel+Bild suggerieren.

Auch leben längst nicht alle Wohnunglosen in Notunterkünften, wie der Artikel ebenfalls suggeriert. Viele kommen bei Freunden und Verwandten unter, Geflüchtete Wohnungslose leben in Gemeinschaftsunterkünften, die sicherlich nicht sehr komfortabel sind, aber auch nicht den Zuständen in den Notunterkünften für Obdachlose entsprechen.

Im Übrigen handelt es sich bei den Zahlen um Jahresgesamtzahlen. D.h. wer innerhalb eines Jahres jemals wohnungslos war, fließt in die Statistik ein, auch wenn er nur einen Monat bei Freunden auf der Couch geschlafen hat und dann wieder eine eigene Wohnung hatte. Es waren also niemals 678.000 Menschen gleichzeitig wohnungslos.


Quote
Klaus Lachshammer #8.1

Danke für Ihren Hinweis, mich hat das auch geärgert. Es wird zumindest mit dem Bild suggeriert, dass wohnungslos = obdachlos gilt, was aber mitnichten der Fall ist. Dieser Unterschied wird im Artikel bedauerlicherweise auch nicht weiter ausgeführt. Und wie Sie schon schreiben: Auch 50.000 Menschen sind eine viel zu große Zahl, aber eben ein ganz anderer Schnack als 678.000. Dieser Artikel ist für mich leider nahe an der Fake-News-Grenze.


Quotepelmeni #8.2

Ich glaube nicht, dass der/die Verfasser/in hier bewusst manipulieren will. Vielleicht kennt er/sie den Unterschied zwischen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit ja selbst nicht.


Quotetomalla #8.4

Den Artikel muß doch jemand im Verlag korrekturgelesen haben.
Wieviel Unkenntnis sollte man dann generell bei Artikel hier unterstellen?


Quote
Mynte #12

München: Freunde erzählen, dass ein Handwerker im Auftrag der Stadt Wohnungen für Migranten renoviert. Er, der Handwerker, sucht in der Gegend seit 2 Jahren eine Wohnung für sich und seine Familie.
Ja, es gibt Widersprüche, die sich nicht so einfach auflösen lassen. Und man muss nicht sonderlich prophetisch begabt sein, um zu sehen: Diese gesellschaftlichen Widersprüche werden wachsen.


QuoteKonradRainer #12.1

Freunde erzählten mir : "Er, der Handwerker, sucht in der Gegend seit 2 Jahren eine Wohnung für sich und seine Familie."
Ich gehe davon aus das der Handwerker eine Wohnung hat und nach einer anderen sucht, also keineswegs obdachlos ist. Er hat Arbeit, ein Auskommen, schon mal nicht schlecht. Wo sehen sie da einen gesellschaftlichen Widerspruch? Doch hoffentlich nicht darin, dass er die Wohnungen für Migranten renovieren soll?


QuoteBarbadunga #12.5

"Scheint ja inzwischen wirklich in Mode zu sein hier über die Hören-Sagen-Stories zu berichten."

Häufig haben diese Stories mehr faktische Relevanz als das was in den Medien vorgetragen wird.


Quoteweiterwursteln #12.8

Gerade weil der überwiegende Teil der "Medien" nicht als verlängerter Arm der Rechtsradikalen und Faschisten wie Höcke dienen will, sind diese in der heutigen Zeit wichtiger denn je.


QuoteTom Orrow #32

73% der Obdachlosen sind Männer. Die Zahl 73 ist im ganzen Artikel nicht zu finden. Thematisiert werden aber die Frauen. Das muss man nicht verstehen, oder?
Ist das einfach schon reine Gewohnheit? Stört es keinen, dass Männer in der Gosse leben? Es war nur deshalb ein Artikel wert, weil der Frauenanteil ansteigt. Um was denn eigentlich? 1%? ...


Quote
Nortonschrauber #39

Der Anteil der Frauen unter den Wohnungslosen sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und liege nun bei 27 Prozent. Die größte Gruppe stellten die unter 25-Jährigen.

Das muß man sich mal vorstellen!
Ich finde das unsagbar traurig. Was ist mit den Eltern, wie ticken die? Wie kann das da abgelaufen sein, daß die Töchter lieber auf der Straße leben?

Unfaßbar.


QuoteSperb #46

Du bist arm, ohne frei zu sein. Dies ist der elendste Zustand, in den ein Mensch geraten kann.


QuoteBaumkronenläufer #51

Vielen Flüchtlingen ist einfach eine Wohnung nicht genug. Sie muss in einer hippen Metropole sein. Bescheidenheit ist sehr oft nicht im Gepäck. Das Anspruchsdenken macht einen wütend.


QuoteDesaguliers #55

Jetzt, wo ein Drittel der Wohnungslosen Frauen sind, fällt ZON das Problem auf. Übrigens: die weitaus meisten Obdachlosen - also diejenigen, die wirklich unten angekommen sind - sind Männer. Wie wäre es, wenn darüber berichtet würde? Und ganz grundsätzlich: mir persönlich ist es scheißegal, welches Geschlecht oder welche Ethnie ein Wohnungsloser/Obdachloser hat. Der Skandal bleibt der gleiche.


...
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 29, 2020, 01:07:12 PM
Quote[...] Karosh Taha, geboren 1987 in der kurdischen Stadt Zaxo, lebt und schreibt im Ruhrgebiet.

... In Deutschland wird der Begriff der 'Armut' in politischen Kontexten seit Jahrzehnten vermieden; wenn er unvermeidlich wird, dann wird er umschrieben: Von 'sozialer Ungerechtigkeit' ist die Rede, von 'Chancenungleichheit' und 'Perspektivlosigkeit' – diese chamäleonartigen Wörter eignen sich gut für Wahlplakate, weil sie verschiedene Probleme ansprechen können, ohne das Kernproblem 'Armut' ausgesprochen zu haben.

Die Verleugnung der Armut bedeutet auch: Es gibt keine 'Armen'. Es gibt nur Menschen, die glauben, arm zu sein, aber eigentlich sind sie: 'Geringverdiener*innen', 'Hartz-IV-Empfänger*innen', 'Sozialschmarotzer*innen', 'Arbeitsunwillige'. 1962 wurde 'Armenfürsorge' in 'Sozialhilfe' umbenannt, dann Anfang der 2000er-Jahre in 'Arbeitslosengeld I' und 'Arbeitslosengeld II', schließlich in 'Hartz-IV-Leistungen' – die Begriffe sind nicht nur technokratischer geworden, sie lenken die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung: Es geht nicht mehr um Arme, sondern um Arbeitskräfte. Es geht um Leistung, die sie erbringen müssen – und wenn sie es nicht tun, dann entwickelt man ein Programm moderner Zwangsarbeit: Das Beamtendeutsch nennt sie "Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung" und verschleiert die Tatsache, dass Menschen hierbei zu einer Arbeit gezwungen werden, für die sie mit einem Euro pro Stunde entschädigt werden sollen, nicht entlohnt. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn es handelt sich nicht um ein Arbeitsverhältnis.

Der arbeitslose Mensch hat dem Grundsatz "Fördern und Fordern" zu gehorchen. Ihm wird die Hilfe gekürzt, wenn er nicht nach einer Arbeit sucht, einen Job ablehnt oder ohne die Erlaubnis des Jobcenters in den Urlaub fährt. Wieso glauben wir eigentlich, arme Menschen dazu verpflichten zu können, ihre Armut selbst zu überwinden? Einerseits ist großes Misstrauen gegenüber Armen gesät worden: Sie nähmen nur, sie gäben nicht. Sie würden die Gesellschaft belasten, sie würden den Steuerzahler belasten. Andererseits – gibt es kein andererseits.

Während man früher glaubte, dass Armut ein gottgegebenes Schicksal sei, glaubt man heute, Armut sei selbst verschuldet – und wenn etwas selbst verschuldet ist, dann kann, nein, dann muss man sich selbst aus dieser Armut befreien, und das kann nur, wer hart genug arbeitet. Und wenn man es nicht schafft, dann nur, weil man nicht hart genug gearbeitet hat; also ist man selber schuld, also ist man wahrscheinlich faul, arbeitsunwillig, nicht ehrlich, nicht loyal gegenüber der Gesellschaft. Der Arme ist im ständigen Rechtfertigungsmodus, obwohl Reichtum legitimiert werden sollte. Die Lüge der harten Arbeit erhalten wir aufrecht, indem wir Beispiele von sozialen Aufsteiger*innen präsentieren – obwohl diese eine krasse Ausnahme darstellen. Dadurch wird Armut nicht als ein strukturelles Problem gesehen, sondern als ein Charakterproblem.

So loben wir Arbeiterkinder als Aufsteiger*innen, wenn sie ihr soziales Milieu verlassen. Wir ermutigen sie sogar, es zu verlassen, wir sprechen von einer sozialen Leiter, wenn doch eigentlich von einer finanziellen Leiter gesprochen werden müsste – wir drängen die Aufsteiger*innen dazu, Verrat an ihrem Milieu zu begehen, ihre Normen, Werte und Verhaltensweisen aufzugeben – und sich dafür zu schämen. Zugleich sollen nicht alle aufsteigen, nur einzelne, damit man weiterhin daran glaubt, hart arbeiten zu müssen, dass es genügt, nur ehrlich sein zu müssen, um der Misere der Armut zu entkommen. Armut ist nämlich nützlich: Je geringer die Hilfeleistung oder der Lohn, desto abhängiger ist der Arme vom Wohlwollen des Reichen, je abhängiger vom Staat, desto williger ist der Mensch, jeder Arbeit nachzugehen, die der Staat ihm bietet.

'Armut' bedeutet vor allem: sich als soziales Wesen, eingebunden in ein Netz sozialer Beziehungen, etwas nicht leisten zu können, was in der Gesellschaft als Norm gilt – ob dies Markenschuhe sind, ein einwöchiger Urlaub oder die Autoreparatur. Entscheidend ist die Feststellung, dass sich jeder Mensch ohne diese Güter in der Öffentlichkeit schämen würde. Was das für Güter sind, kann überall anders sein. Aber es sind Dinge, die die 'etablierten Regeln des Anstandes' der jeweiligen Gesellschaft festgelegt haben. Mit den Worten des Politikwissenschaftlers Philipp Lepenies: "Armut ist jene relative Grenze, die es dem Einzelnen nicht mehr erlaubt, in Würde und Anstand Teil der eigenen Gesellschaft zu sein."


Aus: "Armut: Ehrlich und arm sind keine Gegensätze"  Karosh Taha (28. April 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2020-04/armut-chancenungleichheit-arbeitslosigkeit-hartz-iv-10nach8/komplettansicht (https://www.zeit.de/kultur/2020-04/armut-chancenungleichheit-arbeitslosigkeit-hartz-iv-10nach8/komplettansicht)

QuoteAugenspray #3

Armut ist weder gottgegeben, noch immer selbst verschuldet.
Meistens schlicht eine Frage der Bildung und des Willens.


Quote_Lyssa_ #3.7

In Deutschland ist es meist eine Frage der Psyche. Insofern ist Perspektivlosigkeit hierzulande (natürlich nicht in südamerikanischen Favelas!) in der Tat der bessere Begriff. Die meisten in Deutschland seit Generationen Armen "vererben" bzw. vermitteln ihren Kindern sog. multiple Vermittlungshemmnisse (wenig Bildung, Suchterkrankung, psychische Erkrankung, Gewalterfahrung etc. ). Und ja, der Staat tut hier zuwenig für die Kinder. Das Problem lässt sich aber nicht in Cash lösen.

Und Armut als "sich nicht leisten können, was in der jeweiligen Peer Group als normal gilt und ohne dass man sich schämt" führt konsequent dazu, dass sobald sich ein Milliardär verspekuliert und sich keinen Privatjet mehr leisten kann sondern erste Klasse Linie fliegen muss er als arm gelten würde. Grotesk.

Ich war als Kind finanziell "arm". Aber eben nicht perspektivlos weil psychisch stabile Eltern und ein intaktes soziales Umfeld. Die fehlenden Markenschuhe haben mich nicht umgebracht. Die Empfehlung der Berufsberaterin in der Schule, doch Rechtsanwaltsgehilfin zu lernen weil Abi machen und Jura studieren zu wollen na nun wirklich ein Wunschtraum bleiben wird - das war schon eher eine Unverschämtheit.

Was mich als eine der Aufsteigerinnen nun wirklich ankekst ist dass man NIE gefragt wird: wo hakt es aus deiner Sicht? Was können wir tun, um mehr Kindern diesen Weg zu ermöglichen?

Stattdessen wird entweder die Existenz solcher Chancen bestritten oder über "Klassenverräter" schwadroniert.


Quotetartan #7

Sehr schöner Artikel, der einige ziemlich eingeschliffene Denkweisen mal etwas "aufmischt"....


QuoteComputer sagt NEIN #7.1

So ist es. Und manche, wie zu lesen, stolpern in die Falle und über ihre Eitelkeit. Aber Hauptsache mal loswerden, dass die Welt schon ok so ist (arm = faul und doof). Diese Sicht ist noch kein Verbrechen. Aber die Auswirkungen dieser Denkweise erleben wir jeden Tag. Falls nicht vor der eigenen Haustür, flimmern sie über die Schirme, Krisen, Kriege und mangelnde Empathie.


QuoteElofant #16

"... indem wir Beispiele von sozialen Aufsteiger*innen präsentieren – obwohl diese eine krasse Ausnahme darstellen."

Sozialer Aufstieg ist keine krasse Ausnahme, bis vor kurzem war es eher die Norm. Die Kinder hatten meist ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern und dementsprechend einen höheren Lebensstandard. Das ist nur ein aus dem Text herausgegriffenes Beispiel, aber auch generell fand ich die Argumentation im Text ziemlich wirr und unfundiert.


QuoteShibboleth #17

Was mich immer stört, das ist der Begriff "sozialschwach", wenn es um arme Menschen geht. Eigentlich ist der Cum-Ex Betrüger und Steuerhinterzieher sozialschwach, egal wieviel er auf dem Konto hat, während der arme Mensch, der bei der Tafel mithilft, die syrische Flüchtlingsfamilie, die 500 Masken am Tag ehrenamtlich für die Bevölkerung näht, und der CEO oder Firmenbesitzer, der für soziale Zwecke spendet, "sozialstark".


Quoteschmirgel #27

Ich denke, sagen zu dürfen, ich bin verhältnismäßig arm. Da ich mir in dieser Gesellschaft weniger erlauben kann, als dies der Norm entspricht, werden andere mir zustimmen. Ich möchte nicht Reich werden. Für mich ist es kein erstrebenswertes Ziel, Dinge zu besitzen, in dem Wissen, dass andere dafür etwas entbehren müssten. Das Problem ist meiner Meinung nach, weniger die Besitzlosigkeit, als die damit verbundene Machtlosigkeit. Wie kann ich ohne Besitz für mein Kind eine Chancengleichheit herstellen. Die Gefahr des kompletten Untergangs ist da. Bislang kommen wir über die Runden, sind nicht arbeitslos, die Kinder entwickeln sich prächtig und sind glücklich. Aber dies kostet mehr Energie, als rücksichtslos und Reich zu sein.


QuoteHerr Jemand #27.1

Ihr Kommentar hat mich beeindruckt, zudem stellen Sie die richtigen Fragen. ...


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Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 23, 2020, 09:19:17 AM
Quote[...] Mehr als 250 Millionen Kinder weltweit haben nach Angaben der Unesco keinen Zugang zu Bildung. Das geht aus dem Weltbildungsbericht der UN-Organisation hervor, der an diesem Dienstag veröffentlicht wird. Demnach besuchten im Jahr 2018 geschätzte 258 Millionen Kinder, Heranwachsende und Jugendliche keine Schule. Die Zahl ist seit der Jahrtausendwende zurückgegangen. Damals lag sie noch bei mehr als 350 Millionen.

,,Armut wirkt sich auf Anwesenheit, Abschluss und Lernchancen aus", heißt es in dem Bildungsbericht. Trotz Fortschritten bei der Reduktion extremer Armut, besonders in Asien, sei jeder zehnte Erwachsene und jedes fünfte Kind davon betroffen - in Afrika südlich der Sahara sogar jedes zweite Kind.

In dem Bericht kommt die der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation außerdem zu dem Schluss, dass neben den vielen Kindern ohne Bildungszugang auch ,,Millionen andere (...) aufgrund ihrer Herkunft, Identität oder einer Behinderung innerhalb des Bildungssystems ausgegrenzt" und von den Folgen der Corona-Pandemie besonders betroffen seien. So sei beispielsweise in einem Viertel aller Länder weltweit getrennte Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung gesetzlich vorgeschrieben. Auch Minderheiten und Geflüchteten werde der Zugang zu hochwertiger Bildung in vielen Ländern der Welt nicht hinreichend gewährt.

,,Im Krisenkontext, wie der aktuellen Covid-19-Pandemie, verschärfen sich bestehende Ungleichheiten weltweit", sagte die deutsche Entwicklungsstaatssekretärin Maria Flachsbarth anlässlich der Veröffentlichung des Berichts laut einer Mitteilung. In Deutschland habe man bereits viel erreicht, sagte Walter Hirche, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission. ,,Aber die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt noch immer separiert, statt den Unterricht an allgemeinen Schulen zu besuchen", so Hirche. ,,Das müssen wir ändern."


Aus: "Mehr als 250 Millionen Kinder ohne Zugang zu Bildung" (23.06.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/folgen-der-armut-mehr-als-250-millionen-kinder-ohne-zugang-zu-bildung/25941042.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/folgen-der-armut-mehr-als-250-millionen-kinder-ohne-zugang-zu-bildung/25941042.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 20, 2020, 03:52:29 PM
Quote,,Mayr ist keine zerrissene Person, sondern eine junge Autorin mit Mut zur Selbstentblößung. Die ist subtil, im eigentlichen Sinne radikal. ..."

Anna Mayr, Die Elenden. Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht (Hanser Berlin)


https://www.buchmarkt.de/buecher/umgeblaettert-heute-nichts-geringeres-als-ein-literarisches-phaenomen/ (https://www.buchmarkt.de/buecher/umgeblaettert-heute-nichts-geringeres-als-ein-literarisches-phaenomen/) (19.08.2020)

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Quote[...] In der Projektionsfläche des Arbeitslosen sähen wir aufgrund dieses Stigmas ,,die schlimmstmögliche Version von uns selbst" und wollten damit nichts zu tun haben.

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Aus: "Armut in Deutschland: ,,Wir müssen das Nichtarbeiten enttabuisieren"" Anna Mayr im Gespräch mit Änne Seidel (09.08.2020)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/armut-in-deutschland-wir-muessen-das-nichtarbeiten.694.de.html?dram:article_id=482024 (https://www.deutschlandfunk.de/armut-in-deutschland-wir-muessen-das-nichtarbeiten.694.de.html?dram:article_id=482024)

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Quote[...] Für die meisten Menschen ist Armut ein abstrakter Begriff, über den sich gut streiten lässt: Ist arm, wer unterhalb eines gewissen Einkommensdurchschnitt liegt oder ist man nur arm, wenn man sich  nicht leisten kann, Grundbedürfnisse wie wohnen, essen und medizinische Versorgung zu befriedigen? Aber wie es sich anfühlt, arm zu sein, wie der Alltag von Armen aussieht, wie es ist, den ständigen Druck der Arbeitsagentur aushalten zu müssen, kaputte Schuhe zu haben, an der Klassenfahrt nicht teilnehmen zu können und wegen der Kleidung, die man trägt, ausgelacht zu werden [...].

Anna Mayr weiß es. Die heutige Zeit-Redakteurin, ... wuchs im Ruhrgebiet in einer der für die Region typischen Städte aus: Nicht groß, nicht klein, irgendwie dazwischen, beliebig, den Namen der Stadt nenne Mayr nicht.  Ihre Eltern sind Langzeitarbeitslose. Beide haben Abitur, die Mutter hat studiert, bis sie schwanger wurde. Es sind gute Eltern, sie lieben ihre Kinder und vermitteln ihnen Werte wie Bildung, Anstand und Toleranz. Aber sie sind arm, haben meistens keine Arbeit, werden in sinnlose Qualifikationsmaßnahmen gesteckt oder haben nur ab und an kleine Jobs.

Anna Mayr beschreibt in ihrem Buch ,,Die Elenden", wie das Leben in ihrer Familie ablief, wie sie als Kind unter der Armut litt und wie sich diese Erfahrung bis heute auf sie auswirkt, wie unerträglich ihr die Sprüche von Kollegen und Bekannten sind, die von ,,Hartz-IV-Nazis" reden, die über Flüchtlinge herziehen oder Artikel über Arme schreiben, aber das nur aus der Perspektive der Sozialarbeiter tun. In den Medien kommen die Armen selbst kaum zu Wort, auch wenn es um Armut geht, wie Mayr am Beispiel der Talkshow Anne Will zeigt:

,,Ich recherchierte also selbst und fand heraus, dass es in zwölf Jahren fünf Sendungen mit dem Begriff »Hartz IV« im Titel gegeben hatte. Eingeladen waren: ein FAZ-Journalist, eine Arbeitsvermittlerin, die Chefin eines Zeitarbeitsunternehmens, Robert Habeck (Grüne), Hubertus Heil (SPD), Lars Klingbeil (SPD), Jens Spahn (CDU), Sarah Wagenknecht (Linke), ein Start-up-Unternehmer, eine Unternehmensberaterin, zwei ehemalige Hartz-IV-Empfängerinnen, eine Anwältin, der Chef eines Jobcenters, Ottmar Schreiner (SPD), Frank Steffel (CDU), Cem Özdemir (Grüne), Markus Söder (CSU), der ehemalige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Günther Wallraff, die Leiterin der Dresdner Tafel, Ursula von der Leyen (CDU), Klaus Ernst (Linke), der Präsident des Industrieverbands, ein Pfarrer und Jan Fleischhauer. Ja, richtig: kein einziger Mensch, der von Hartz IV lebt."

Mayr beschreibt die Folgen von Armut: Freunde wenden sich ab, man kann am sozialen Leben nicht mehr teilhaben, nicht in eine Kneipe gehen, in Urlaub fahren. Sie beschreibt ein Leben, das oft trostlos ist, denn in unserer Gesellschaft ist man, was man arbeitet. Auch wem es selbst nicht gut geht, zehrt davon, noch immer besser zu sein, als jemand der nicht arbeitet. Es zeigt ihm, dass er normal ist. Für Mayr ist das eine wichtige Funktion der Armen in der Gesellschaft.

Anna Mayrs Buch ist eine Mischung als persönlicher Erfahrungen, der Beschreibung von Unsicherheiten, die sie bis heute prägen und gleichzeitig eine gut recherchierte Analyse des Begriffs Armut, seiner Entwicklung und Bedeutung für die Gesellschaft. Minutiös beschreibt sie, wie sich die Politik in langen Sitzungen auf das HartzIV-Programm einigte, dessen zahlreiche Repressionen im Konzept der von Peter Hartz geleiteten Kommission überhaupt nicht vorkamen.

Sie rechnet vor, dass um Armut herum eine blühende Industrie entstanden ist: ,,In Deutschland arbeiteten im Jahr 2018 insgesamt 235.000 Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe. Streetworker, Heimerzieher, Sozialarbeiter — der Arbeitsmarkt für solche Berufe wächst immer weiter. 51 Milliarden Euro wurden in dem Jahr in diesem Bereich ausgegeben — im Vergleich zu 30 Milliarden Euro für Hartz IV." und lehnt dann Vorstellungen wie der nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen ebenso ab wie die um sich greifende Verherrlichung des Verzichts: ,,Jede Forderung nach »weniger« ist eine Forderung, die vor allem denen schadet, die sowieso schon wenig haben. Die Forderung nach autofreien Städten etwa richtet sich gegen alle, für die innenstadtnahes Wohnen zu teuer ist — während die Bewohner der Innenstädte es sich leisten können, Maut-Gebühren zu bezahlen, oder sogar eine Sondergenehmigung für Anwohner bekommen. Eine CO2-Steuer ist den Superreichen egal, für die Mittelschicht wäre sie vielleicht ein Anreiz, mehr vegetarische Produkte zu kaufen — für die Armen ist sie ein Fleischverbot."

Anna Mayr fordert, dass den Menschen der Druck genommen wird, will, dass wer arm ist, mehr Geld bekommt. Sie orientiert sich dabei am Steuerfreibetrag von 9168 Euro im Jahr – pro Person und auch für Kinder. Sie sich sicher, viele würden dann, wenn sie nicht mehr in Angst leben würden, Jobs annehmen oder sich engagieren. Und Betrüger? Klar, die würde es auch geben: ,,Eine freie Gesellschaft muss aber davon ausgehen, dass es Betrug geben wird, genau wie Hotels davon ausgehen, dass Handtücher gestohlen werden, und Städte davon ausgehen, dass Menschen bei Rot über Ampeln gehen. In unserer Gesellschaft basiert so vieles auf Vertrauen. Warum vertraut das Jobcenter meinen Eltern dann nicht, wenn sie sagen, dass sie kein Geld haben, sondern lässt sie alle ihre Kontoauszüge einreichen, seit Jahrzehnten schon? Warum vertraute das Jobcenter mir nicht, als ich Abitur machte, sondern ließ mich alle paar Monate eine Schulbescheinigung vorzeigen? Die Antwort ist einfach: Weil die Armen von Erwerb und Konsum und Arbeit ausgeschlossen sind, sollen sie auch vom Lügen ausgeschlossen sein."

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Aus: "Die Elenden: Wenn sich die Freunde abwenden" Stefan Laurin (20. August 2020)
Quelle: https://www.ruhrbarone.de/die-elenden-wenn-sich-die-freunde-abwenden/189000 (https://www.ruhrbarone.de/die-elenden-wenn-sich-die-freunde-abwenden/189000)

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Quote[...] Nora Pauelsen: Anna, was hat die Arbeitslosigkeit deiner Eltern mit dir gemacht?

Anna Mayr: Das ist schwierig zu beantworten. Was würde jemand zu der Frage sagen: Was hat es mit dir gemacht, dass dein Vater Ingenieur ist? Ich glaube, dass ich früh ein starkes Empfinden für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit entwickelt habe. Als ich im Teenageralter verstanden habe, was Arbeitslosigkeit bedeutet, war ich wütend; weil niemandem daran gelegen war, unsere Situation zu verbessern. Ein ganz praktisches Beispiel dafür war, dass ich als Kind in einem Hartz-IV-Haushalt nicht mehr als 100 Euro im Monat verdienen durfte, ohne dass mein Hartz-IV-Satz gekürzt worden wäre. Das ist eine strukturelle Ungerechtigkeit: dass manche junge Menschen nach ihren Eltern beurteilt werden und manche nicht.



Du hast dich lange dafür geschämt, dass deine Eltern arbeitslos sind. Hast du diese Scham jetzt verloren?

Anna Mayr: Sonst hätte ich wohl kein Buch darüber geschrieben. Der Moment, in dem ich die Scham verloren habe, war in einem Gespräch mit einem Freund, der sich viel mit Gesellschaftstheorie beschäftigt hat. Er sagte zu mir: Es ist doch das Recht eines Menschen in Deutschland, nicht zu verhungern. Niemand muss dankbar für das Geld sein, das er vom Staat zum Überleben bekommt. Ich hatte vorher lange gedacht, dass die Eltern meiner Freunde Steuern zahlen müssen, damit ich überleben kann. Dieses Bild von Arbeitslosen prägt das Fernsehen ja extrem: Da sind die, die auf unsere Kosten leben. Aber genauso wie die Ampel in meiner Straße funktioniert und Schlaglöcher repariert werden, lässt man Familien in diesem Land eben nicht auf der Straße schlafen. Das ist mir in dem Moment, mit 19, erst klar geworden. Abgesehen davon weiß ich inzwischen, wie viele Steuern hinterzogen werden und was mit Steuergeld noch so alles gemacht wird.



Du schreibst, dass du jetzt wegen deiner Kindheit in armen Verhältnissen besonders viel Anerkennung für deine Karriere bekommst. Wie findest du es, als ,,Aufsteigerin" gelobt zu werden?

Anna Mayr: Ich finde dieses Lob ganz niedlich, weil ich weiß, woher es kommt: Es ist der Versuch, die Position von Menschen als Resultat ihrer Arbeit, ihres Kampfes darzustellen. Wer selbst nicht ,,aufgestiegen" ist, der lobt die Aufsteigerin, um sich damit zu beweisen, dass auch er seine Position verdient hat – weil man ja wohl nur hart arbeiten muss, um Erfolg zu haben und wer unten bleibt, ist selber schuld.  Mir persönlich ist dieses Lob egal. Interessant finde ich aber, dass die Menschen, die mehr als ein Milieu kennen, mich nie loben. Weil sie verstehen, dass ,,Aufstieg" oder das Wechseln von Milieus ein Produkt von vielen verschiedenen Umständen ist. Und dass man sich einfach nur wünscht, nicht als hervorhebenswerter Sonderfall gesehen zu werden.



Früher hast du von Hartz-IV gelebt, jetzt verdienst du selbst Geld und lebst in Berlin-Mitte. Die meisten Menschen lernen in ihrem Leben nur eine soziale Schicht kennen. Kann man sich in zwei so unterschiedlichen Lebenswelten wohlfühlen? Ist man immer zerrissen zwischen zwei Extremen?

Anna Mayr: Zunächst einmal: Ich finde das Wort ,,Schicht" despektierlich, weil es ein oben und unten annimmt. Zerrissen bin ich auf jeden Fall nicht. Aber das Gefühl, noch etwas anderes zu kennen, eine andere Lebenswelt, kann man sich so vorstellen: Du tauchst. Unter der Wasseroberfläche, immer geradeaus, neben allen anderen her. Nur zwischendurch tauchst du plötzlich auf, holst Luft – dir wird bewusst, dass du gerade tauchst und dass es noch etwas anderes gibt als das Wasser, in dem du schwimmst. Menschen, die ihr Leben immer im gleichen Milieu verbracht haben, tauchen einfach nur und müssen nie Luft holen. Sie kennen nur eine Realität, ein Set von sozialen Codes und Gewohnheiten. Deshalb fallen ihnen die Unterschiede zu anderen Lebensrealitäten nicht andauernd auf. Wenn ich in einer teuren Bar für Getränke bezahle, dann sehe ich manchmal die Rechnung und denke: Fuck, ist das gerade teuer. Was man von dem Geld alles kaufen könnte! Das ist so ein Lufthol-Moment. Und dann schwimme ich aber weiter, bezahle, setze mich ins Taxi nach Hause. Wenn man sich nicht anpasst, zu viel über der Oberfläche schwimmt, sich selbst die ganze Zeit von außen betrachtet, dann wird man unglücklich.



Wie stehst du zu reichen Menschen?

Anna Mayr: In meinem Umfeld waren wenig Leute wirklich reich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Menschen existieren, die 5000 Euro netto im Monat verdienen. Meine Freunde und ich haben auch ein Unverständnis gegenüber reicheren Kindern gehabt – die bekommen ja alles von ihren Eltern in den Arsch geschoben. Heute denke ich mir: Wenn man Geld hat, das Kind etwas will und man es sich objektiv leisten kann, warum würde man es dem Kind dann nicht kaufen? Wir sind alle gefangen in Ideologien und Strukturen, reiche Menschen sind das genau so wie arme. Und auch Reiche haben Angst, ihren Reichtum zu verlieren. Der Unterschied ist, dass jeder für Reichtum Empathie entwickeln kann: Früher habe ich teure Restaurants verachtet, heute finde ich es eigentlich ganz schön, kleine Portionen von großen Tellern zu essen. Für Armut hingegen gibt es keine Empathie.



Findest du, dass Geld in unserer Gesellschaft fair verteilt ist?

Anna Mayr:  Nein. Ich glaube, Erbschaft wird auf lange Sicht nicht mit der Demokratie vereinbar sein. Die Idee der sozialen Marktwirtschaft war ein Leistungswettbewerb, aber in dem Moment, wo sich viel Vermögen an wenigen Stellen akkumuliert, ist die soziale Marktwirtschaft kein Leistungswettbewerb mehr, sondern ein Erb-Wettbewerb. Neulich habe ich einen Text über Vermögensabgaben geschrieben. Ein Leser reagierte mit der Frage, warum ich neidisch auf seine Kinder sei. Ich habe geantwortet, dass ich überhaupt nicht neidisch bin. Er solle sich nur bewusst machen, dass seine Kinder für ihr Erbe nichts geleistet haben. Wenn wir über die Armen sprechen, dann tun wir so, als würden Geld und Leistung zusammenhängen – aber gleichzeitig sehen wir bei den Reichen jeden Tag, dass das eine Lüge ist. Ich würde das Erben abschaffen, und dafür die Möglichkeiten, zu Lebzeiten zu schenken, ausweiten.



Du schreibst, dass wir unsere Identität herbeikonsumieren. Arbeitslose seien von dieser Identitätsbildung ausgeschlossen. Was meinst du damit?

Anna Mayr: Jeder drückt durch das, was er kauft, aus, was er sein möchte. Wenn man aber kein Geld hat oder nur genau so viel, um das Billigste zu kaufen, wird einem die Freiheit genommen, zu bestimmen, wer man sein möchte. Die günstigen Klamotten, die man sich leisten kann schreien ja: ,Ich bin Teil der Unterschicht.' Wer Sachen von Kik trägt, ist ein Asi, weil Asis Sachen von Kik tragen. Dieses Bild wird ständig reproduziert.



Aber ich kann mich doch auch ohne Geld identifizieren, indem ich zum Beispiel joggen gehe oder auf einem alten Handtuch draußen Yoga mache.

Anna Mayr: Auch das alte Handtuch ist Symbol einer Second-Hand-Öko-Bewegung, auch Yoga-Kurse sind Konsum. Aber das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen. Es ist auch in Ordnung, wenn jemand sich eine Rolex kaufen möchte, um in seinem Milieu akzeptiert zu werden. Jeder Mensch ist in bestimmte Wertesysteme eingespannt und wir versuchen alle nur, möglichst gut klarzukommen. Konsum bestimmt unseren Alltag. Alles wird gekauft. Selbst das alte Handtuch, das eine junge Studentin im Second Hand Shop kauft. Es ist ein Ausdruck ihrer selbst zu sagen: Ich schere mich nicht um Luxus. Aber Arbeitslose haben diese Wahl nicht. Bei einer jungen Studentin ist es cool, wenn sie in einen Second Hand Shop geht und auf Marken scheißt. Bei einem 50-jährigen Arbeitslosen, der in einen Second Hand Shop geht und auf Marken scheißt, denkt man: Ja, weil du dir nichts anderes leisten kannst.


Du schreibst, wir sollten uns über andere Dinge identifizieren als unseren Job. Wo liegt für dich da das Problem?

Anna Mayr: Wenn du dich nur über deinen Job identifizierst, machst du dein Selbst von jemandem abhängig. Von einer Firma, einem Arbeitgeber oder Investoren, denen du als Mensch vollkommen egal bist. Wir sagen zu Kindern: ,,Du musst unabhängig werden" – und meinen in Wirklichkeit damit, dass sie abhängig von einem Arbeitgeber werden müssen. Eigentlich ist man nur unabhängig, wenn man mit eigenem Vermögen ohne Investoren ein Unternehmen gründet, und selbst dann ist man abhängig vom allgemeinen Wirtschaftswachstum und von Konsumenten. Wenn sich Leute mit ihrem Job so stark identifizieren, dass sie ohne ihre Arbeit nichts mehr sind, haben sie noch größere Angst, arbeitslos zu werden – weil sie dann sich selbst verlieren würden. Viele nehmen sich sogar das Leben, wenn sie ihren Job verlieren. Wenn man sich nur über seinen Job identifiziert, sind außerdem Menschen ohne Job einfach nichts. So schließen wir die Leute aus, die nicht arbeiten. Das sind nicht nur Arbeitslose, sondern auch alte Leute, die vereinsamen und alleine sterben, weil sie, sobald sie aus ihrem Job heraus sind, ihre Identität und ihr soziales Umfeld verlieren.



Wie identifizierst du dich denn abseits deines Berufs als Journalistin?

Anna Mayr: Ich mache tatsächlich gerne Yoga, auch wenn das immer ein bisschen peinlich klingt. In der Corona-Zeit habe ich angefangen, zu malen und zu puzzlen und zu backen. Ich bin großer Fan von Gegenwartsliteratur, vor allem, wenn sie von Frauen geschrieben wird. Ich schreibe und ich mag Katzen. Meine größte Leidenschaft sind aber wahrscheinlich Menschen und ihre Leidenschaften. Hobbies, Obsessionen. Das können Tauben sein oder Modelleisenbahnen oder Briefmarken.



Wir sollten uns anders gegenüber Arbeitslosen ausdrücken, schreibst du. Statt ,,sozial schwach" sollte man besser ,,arm" sagen. Wieso ist das wichtig?

Anna Mayr: Worte prägen unsere Welt. ,,Sozial schwach" ist ein Begriff, der abgrenzt. Es gibt die Gesellschaft und die ,,sozial Schwachen". Was soll sozial schwach überhaupt heißen? Dass man nicht einfach Freunde findet? Es klingt wie eine natürliche Disposition von Menschen, mit der die Gesellschaft nun eben umgehen muss. Man problematisiert die Leute, nicht die Situation. ,,Arm" hingegen hat ein Gegenteil, es ist eingebettet in ein Gefüge, in dem manche verlieren und manche gewinnen. Man spricht ja auch gern über ,,sozial schwache Gegenden", was auch eine absolute Bullshit-Formulierung ist. Oft geht es da ja um Orte, an denen viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Diese Menschen sind miteinander teils extrem gut vernetzt, sind füreinander da, also sozial viel stärker als die Lehrerkinder in Einfamilienhaussiedlungen es vielleicht jemals sein werden.


Wie verändert sich der Blick auf Arbeitslose, wenn durch die Pandemie mehr Menschen ihren Job verlieren?

Anna Mayr: Es lernt gerade ein neues Milieu Arbeitslosigkeit kennen: junge Menschen, die im Marketing gearbeitet oder ein Traineeship angefangen haben. Wenn diese Gruppe von Menschen, die oft in bürgerlichen Haushalten aufgewachsen ist, sich plötzlich mit Hartz-IV beschäftigen muss, sehe ich eine Chance darin, dass sich Hartz-IV verbessert. Empathie mit dem Langzeitarbeitslosen zu haben, wird wohl immer noch für die meisten sehr schwer sein. Dieses Gefühl von Abseits und Machtlosigkeit nachzuempfinden, ist emotional sehr anstrengend. Das kann man nicht von jedem erwarten. Aber wenigstens Empathie dafür zu haben, dass es manchen Leuten anders geht als einem selbst. Und dass man nicht auf sie herabblickt, sondern jeden Menschen als Produkt von Umständen und Zufällen begreift.


Aus: ",,Wenn man sich nur über seinen Job identifiziert, sind Menschen ohne Job nichts"" Interview von Nora Pauelsen (17.08.2020)
Quelle: https://www.jetzt.de/kultur/anna-mayr-im-interview-ueber-arbeitslosigkeit-und-ihr-buch-die-elenden (https://www.jetzt.de/kultur/anna-mayr-im-interview-ueber-arbeitslosigkeit-und-ihr-buch-die-elenden)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 03, 2020, 12:02:53 PM
Quote[...] Der erste Blick lädt nicht eben zum Zugreifen ein. Ramponiert sehen einige Eierkartons aus, klebrige Flecken lassen so manche gesprungene Schale vermuten. Trotzdem bekommt Arthur Kamarad leuchtende Augen, als er die Ware inspiziert. "Zehn Cent pro Stück sind unschlagbar", sagt er: "Für mich ist das hier das Paradies."

Dorthin getrieben hat den 50-Jährigen – wuchtige Statur, angegraute Stehfrisur, Ray-Ban-Brille am Kragen – die blanke Not. Von heute auf morgen kappte der Lockdown das Einkommen des Fitnesstrainers auf null, fortan zehrte er vom Ersparten. Einmal 500 Euro habe er aus dem Härtefonds bekommen, die erste Rate der Notstandshilfe ließ zweieinhalb Monate auf sich warten. Ein Segen, dass Kamarad die Kette Foodpoint entdeckte, um sich billig zu versorgen – zuallererst mit Eiern, von denen er täglich bis zu zehn vertilgt. Die tatoogezierten Muskelpakete, die er unter straff gespanntem Leiberl spazieren trägt, wollen genährt werden.

Neukunden wie Kamarad machen Sozialmärkte, die Bedürftigen Lebensmittel zu Sonderpreisen bieten, zu einer der wenigen boomenden Branchen der Krise. Die Foodpoint-Geschäfte verzeichnen einen bis zu viermal so starken Zulauf wie vor der Pandemie. Der Mitbewerber Sozialshop eröffnet in Wien kurzerhand zwei neue Fillialen. Auch die Soma-Märkte, unter deren Label österreichweit 38 Geschäfte firmieren, registrieren wachsenden Andrang – wobei Verbandschef Gerhard Steiner damit rechnet, dass es sich erst um die Vorhut handelt: "Viele trauen sich aus Scham nicht gleich, in den Sozialmarkt zu gehen."

Jene Menschen, die sich am Montagmorgen vor der Foodpoint-Filiale in Wien-Hernals anstellen, haben die Hemmschwelle längst überwunden. Eine halbe Stunde vor Öffnung sind die Ersten da, um sich Zettel mit Nummern zu holen – weil der Platz knapp ist, wird der Eintritt reguliert. Drinnen, in den zwei schummrigen Räumen, steuern die meisten erst einmal die Obst- und Gemüsesteigen an. Flink tasten Hände Gurken ab, drehen Äpfel nach allen Seiten. Ein Mann schüttelt den Kopf, als er den in rauen Mengen vorhandenen Knoblauch einem Frischetest unterzieht. Zu rasch geben die einzelnen Zehen unter Fingerdruck nach.

Wer sucht, findet rasch was zum Naserümpfen. Der Ingwer ist dürr, einige Pfirsiche sind angestochen, abgepackte Melonenscheiben safteln. In der Kühltruhe liegen zergatschte Cremeschnitten und brüchige Fertigpizzen, so manche Kartonage ist zerissen. Doch pingelig zu sein, das können sich die Kunden hier nicht leisten.

"Wofür du im Supermarkt 150 Euro bezahlst, kriegst du hier um 50", erzählt ein junger Mann, der in Schlapfen, Leiberl und Jogginghose auf Einlass wartet. Pünktlich zum Start des Lockdowns ist der Flüchtling als Küchengehilfe rausgeflogen und von 1.250 Euro netto im Monat auf 950 runtergerasselt – da gehe es um jeden Euro. "Man kann mit 900 Euro schon leben", sagt er, "aber du wirst dir nie etwas ansparen können, um irgendwie weiterzukommen – etwa für den Führerschein oder einen Kebabstand."

Pensionisten, Frauen mit Kindern, Kurzarbeiter und Arbeitslose geben sich an jenem Morgen die Klinke in die Hand, viele darunter haben Migrationshintergrund. Aber auch Studenten sind dabei, die zuallererst ein idealistisches Argument anführen. "Mir gefällt der Gedanke, dass Essen nicht verschwendet wird", sagt eine Soziologiestudentin, die nebenbei um 600 Euro im Monat kellnert. Da sei es verkraftbar, wenn die Bananen halt nur mehr zum Vermantschen in einem Kuchen taugen.

Ohne Sozialmärkte würden viele der feilgebotenen Lebensmittel direkt im Müll landen. Das Gros stammt von den Supermärkten, die überflüssige Ware gratis überlassen und sich so Entsorgungskosten sparen. Zum Teil sind das Ladenhüter – etwa aus der Zeit gefallene Osterhasen, wie sie das Foodpoint-Geschäft in Hernals sogar verschenkt.

Der größte Teil aber, erläutert Spar-Konzernsprecherin Nicole Berkmann, entfalle auf Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) bald abläuft. Dieses sagt aus, wie lange der Hersteller die volle Genussfähigkeit garantiert – was aber nicht heißt, dass die Sachen danach verdorben sind. Greenpeace etwa fand heraus, dass Lebensmittel mitunter noch Wochen nach Ablauf des MHD tadellos waren. "Aber die Kunden kaufen sie dann einfach nicht mehr", sagt Berkmann.

Die Produkthersteller liefern ebenfalls, sei es, weil sie zu viel produziert haben – oder Waren in schadhafter Verpackung loswerden wollen. Am Höhepunkt des Lockdowns hatten auch Gastronomiebetriebe reichlich Nahrungsmittel geschickt, auf denen sie sitzengeblieben sind, erzählt Marius Aigner vom Verein Start-up, der die fünf Foodpoint-Märkte in Wien betreibt. Mit Mitbewerbern und anderen Sozialeinrichtungen wie der Obdachlosenherberge Gruft gebe es überdies regen Tauschhandel "wie vor hunderten Jahren. Der eine hat massenhaft Eistee, der andere Soda Zitron – dann wird getauscht."

Die Kühlkette werde penibel eingehalten, das Marktamt kontrolliere die Hygiene, sagt Aigner: Bedenkliche Ware sortiere man natürlich aus. Dennoch sichern sich die Betreiber ab. Wer hier einkaufen will, muss nicht nur sein niedriges Einkommen belegen, sondern auch einen Haftungsausschluss unterschreiben. Inbegriffen sei der Hinweis, so Aigner, beim Einkauf "alle Sinne walten zu lassen".

"Vergammelt war noch nie etwas", berichtet Arthur Kamarad, der – weil er nun wieder als Trainer arbeiten kann – mittlerweile aus dem Kundenkreis herausgefallen ist. Und selbst wenn das Gemüse mitunter schon batzweich war – mein Gott: "Ich habe Tomatencremesuppe zu schätzen gelernt." Daran änderten auch die verächtlichen Kommentare nichts, die ihm vermeintliche Freunde auf Facebook geschickt hatten: "Was? Dort gehst einkaufen?"

Billiges Essen für die Armen, weniger Verschwendung – ein Segen also für alle? Stefan Selke widerspricht entschieden. Es sei eine zivilisatorische Errungenschaft, dass der Sozialstaat die Daseinsfürsorge der Bedürftigen garantiere, sagt der Soziologie-Professor von der Uni Furtwangen in Deutschland. Wenn sich aber die immer professionelleren Sozialmärkte zu Einrichtungen auswachsen, mit denen die Bürger fix rechnen, sinke der Druck auf die Politik, für ausreichende Leistungen zu sorgen. "Der Staat wird aus der Verantwortung entlassen", sagt Selke: "Was ein Recht war, wird zum Almosen umgemünzt. Das ist ein Rückfall ins Mittelalter."

Allerdings steckt dahinter ein Henne-Ei-Problem. Gibt sich der Staat knausrig, weil es die Sozialmärkte gibt? Oder ist es umgekehrt? Wenn alle Spezialshops zusperren, wäre noch lange nicht garantiert, dass Regierungen im Gegenzug Sozialleistungen anheben. "Wir sind eine Ergänzung, kein Ersatz", sagt Foodpoint-Betreiber Aigner: "Wir können so rasch aushelfen, wie es die Behörden nicht schaffen." Auf Sozialämtern warte man Wochen oder Monate auf Leistungen.

"Es ist ein Dilemma", sagt Martin Schenk von der Armutskonferenz: "Sozialmärkte helfen Menschen unmittelbar, dass sie etwas ordentliches auf dem Tisch haben. Doch gleichzeitig schaffen sie Parallelstrukturen, die für Bedürftige beschämend sein können." Das Argument mit der schwindenden Verantwortung des Staates sei nicht einfach von der Hand zu weisen, "denn eigentlich sollten die Sozialleistungen so bemessen sein, dass Sozialmärkte überflüssig sind".

Schenk fallen einige Beispiele ein, wo Österreich nachbessern könnte. Das Arbeitslosengeld beschert Betroffenen hierzulande einen vergleichsweise harten Absturz auf 55 Prozent des früheren Nettolohns. Auch die Mindestsicherung, sagt er, biete keine so üppige Absicherung, wie Kritiker behaupten: "Sonst müssten nicht so viele Menschen zum Sozialmarkt gehen."

Verschärfend wirkt: Die Teuerung trifft ärmer Menschen in aller Regel härter als den besser situierten Teil der Bevölkerung. Laut Statistik Austria lag die Inflationsrate für die untersten zehn Prozent der Einkommensverteilung in den letzten vier Jahren dreimal über dem Schnitt, nur einmal gleichauf. Vor allem die stark gestiegenen Mieten schlagen durch.

Sie habe gar keine andere Wahl, sagt vor dem Geschäft in Hernals eine Frau, die in Kurzarbeit ist: "Niemand weiß, wie es weitergeht." Da gelte es, vorsorglich jeden Euro beiseite zu legen – und den Speiseplan notgedrungen ans Angebot anzupassen. Was heute auf dem Teller lande? "Fisolen mit viel Knoblauch."


Aus: "Boom der Sozialmärkte: Segen für alle oder Rückfall ins Almosenwesen?" Gerald John (2.9.2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000119670837/boom-der-sozialmaerkte-segen-fuer-alle-oder-rueckfall-ins-almosenwesen (https://www.derstandard.at/story/2000119670837/boom-der-sozialmaerkte-segen-fuer-alle-oder-rueckfall-ins-almosenwesen)

QuoteStag77, 2. September 2020, 15:55:26
Ich bin selbst Mitbegründer eines vergleichbaren Vereins (rein ehrenamtlich betrieben) und bin mir der genannten Kritikpunkte bewusst. Häufiger noch kommt übrigens folgendes Argument: Wenn Menschen mit Sozialhilfe u.Ä. auch dank solcher Einrichtungen eh ganz gut über die Runden kommen, nähme man ihnen die Motivation, ernsthaft wieder einen Job zu suchen etc.
Ich habe noch zu keiner schlüssigen Antwort gefunden, auch weil mir die kausalen Zusammenhänge weitaus komplexer erscheinen, als von der einen oder anderen Seite dargestellt.
Es gäbe sicher, auch im Gesamten gesehen, bessere Systeme, aber ich denke, letztlich geht's darum, sich um eine lebendige Balance zwischen all den tw. auch (scheinbar) widersprüchlichen Aspekten zu bemühen.


QuoteNightwolf

... Solange es kein Gleichmaß in der Steuerpolitik gibt, bleibt der Gesellschaft die Verteilungsungerechtigkeit erhalten und daraus resultiert dann eben der "Scherenfaktor" zwischen oben/unten oder arm/reich. Und da sich in absehbarer Zeit nichts daran ändern wird, werden wir wohl mit den Sozialmärkten, den Tafeln und sonstigen "Almosenebenen" leben müssen und sie auch benötigen.
Ein erster Schritt wäre Lebensmittelvernichtung, egal ob durch Überproduktion oder nicht zeitgerechte, verbilligte Abgabe) exorbitant zu besteuern bzw. zu bestrafen.
Weiters verbindlich eine Teil-Grundsicherung einführen und an den Armutsfallenstellschrauben (Wohnkosten, Niedriglohnsektor) zu drehen. Dies für den Anfang - das MEHR hat noch viele "Baustellen".


Quote
Salzkristall

Ja, aber wie soll das alles funktionieren liebe Leute? Wenn man höhere Sozialabgaben von Reichen verlangt, wie können diese sich dann bitte noch teure Autos kaufen, Golduhren, überdimensionierte Häuser oder eine Yacht in Malibu? Wollt ihr ernsthaft in einer Welt leben in der Reiche von ihrem Überfluss etwas abgeben müssen, nur damit andere Menschen ein würdiges Leben führen können?


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Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 01, 2020, 09:35:36 AM
Quote[...] Ältere Menschen in Deutschland sind zunehmend von Armut bedroht. Der Anteil der über 64-Jährigen, die gemessen am mittleren Einkommen bundesweit armutsgefährdet sind, stieg in den vergangenen 15 Jahren um 4,7 Prozentpunkte auf 15,7 Prozent im Jahr 2019, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. In keiner anderen Altersgruppe war der Anstieg so groß.

Eine Person gilt als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens beträgt.

Insgesamt stieg die Armutsgefährdungsquote seit 2005 um 1,2 Prozentpunkte auf 15,9 Prozent, wie es weiter hieß. Die Armutsgefährdungsquote war für Personen über 64 Jahre somit im Jahr 2019 annähernd genauso hoch wie in der Gesamtbevölkerung.

Der Anstieg der Armutsgefährdungsquoten für die Generation 65 plus fällt nach Angaben der Statistiker in den westlichen und den östlichen Bundesländern einschließlich Berlin ähnlich hoch aus. Unterschiede zeigen sich aber im Vergleich zur Armutsgefährdung über alle Altersgruppen hinweg. Im Westen stieg die Armutsgefährdungsquote für über 64-Jährige seit 2005 um 4,6 Prozentpunkte auf 16,2 Prozent im Jahr 2019 und liegt somit sogar knapp oberhalb der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Westen zusammen.

Im Osten wurde den Angaben zufolge im gleichen Zeitraum ein Anstieg um 4,9 Prozentpunkte auf 13,8 Prozent gemessen. Dieser Wert liegt jedoch um 4,1 Prozentpunkte unter der Armutsgefährdungsquote für alle Altersgruppen im Osten.

Auffällig ist laut Statistischem Bundesamt, dass der Anstieg der Armutsgefährdung in der Generation 65 plus im Osten gegenläufig zum dort beobachteten Gesamttrend verläuft. Über alle Altersgruppen hinweg nahm die Armutsgefährdungsquote im Osten ab: Von 20,4 Prozent im Jahr 2005 auf 17,9 Prozent im Jahr 2019.

Bezogen auf die Bundesländer bestand das höchste Armutsrisiko für ältere Menschen wie bereits vor 15 Jahren im Saarland (2019: 18,4 Prozent), in Rheinland-Pfalz (17,8 Prozent) und in Bayern (17,5 Prozent). Am niedrigsten war es im vergangenen Jahr in Brandenburg (12,5 Prozent), Schleswig-Holstein (13 Prozent), Thüringen und Sachsen (jeweils 13,4 Prozent). Besonders stark gestiegen ist die Armutsgefährdungsquote bei den Älteren seit 2005 in Berlin (plus 7,4 Punkte auf 14,8 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (plus 7,1 Punkte auf 16,8 Prozent).

Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger der sogenannten Grundsicherung im Rentenalter hat sich seit Einführung der Leistung im Jahr 2003 bundesweit mehr als verdoppelt: von 258.000 zum Jahresende 2003 auf 562.000 zum Ende des vergangenen Jahres. Der Anstieg sei auch auf die insgesamt in Deutschland steigende Zahl von Menschen im Rentenalter zurückzuführen, erklärten die Statistiker. Allerdings sind inzwischen mehr der Menschen im Rentenalter auf die Sozialleistung angewiesen als vor 17 Jahren: Ihr Anteil stieg von 1,7 Prozent zum Jahresende 2003 auf 3,2 Prozent im Dezember 2019.

Zwischen den Bundesländern zeigten sich deutliche Unterschiede. So sind ältere Menschen in den Stadtstaaten besonders häufig auf Grundsicherung angewiesen, allen voran in Hamburg (8,5 Prozent). Ein Grund dafür könnten die höheren Lebenshaltungskosten in den Städten sein, wie es hieß. Auch in Bremen (6,9 Prozent) und Berlin (6,6 Prozent) ist die Quote überdurchschnittlich hoch. (epd)



Aus: "Armutsrisiko in Generation 65 plus am stärksten gestiegen" (30.09.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/besonders-in-berlin-armutsrisiko-in-generation-65-plus-am-staerksten-gestiegen/26230864.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/besonders-in-berlin-armutsrisiko-in-generation-65-plus-am-staerksten-gestiegen/26230864.html)

Quote2010ff 30.09.2020, 19:11 Uhr

Die zunehmende Verarmung auch der älteren Menschen unserer Gesellschaft steht seit mehr als 10 Jahre fest. Und über diesen Trend wird auch spätestens seit der Kenntnis, wie sich die Agenda-Politik auswirkt, ausgiebig berichtet.

Das ist ein alter Hut. Die Gesellschaft wurde neoliberalisiert, immer weiter ökonomisiert, große Teile der abhängig Beschäftigten wurden prekarisiert. Im aktiven Erwerbsleben sind sind auf eine Subsistenzexitenz reduziert worden - von der Hand in den Mund - wo ein Famlieneinkommen schon längst nicht mehr für Miete, Nahrung und Urlaub reicht. Und aus der prekären Arbeitswelt von Aufstocker und Co. gleitet man dann übergangslos in die Altersarmut.

Das wird seit 15 Jahren präzise und wahrhaftig berichtet. Gekontert wird es von Frau Merkel, die es besser weiß: Deutschland geht es gut. Und es gibt die vielen bezahlten und nicht bezahlten Kräfte in den Medien, die diese Mantra wiederholen.

Schließlich soll es so bleiben in unserer Klassengesellschaft. Für diejenigen oben, die Vollkasko leben. Und die darunter, die sich ein Rattenrennen liefern müssen um Jobs, Wohnungen, den Malle-Urlaub und den Dacia,  und ein wenig Planungssicherheit für nicht nur die nächsten drei Monate.


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Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 14, 2020, 06:34:18 PM
Quote[...]  Eine Frau schlägt wütend auf einen Kochtopf. Sie ist verzweifelt, sie weiß nicht, wie sie ihre Tochter versorgen soll. "Was zum Teufel soll ich machen. Meine Tochter hat seit vier Tagen nichts gegessen. Ich habe kein Geld, um etwas einzukaufen. Es tut mir weh und ich bin wütend. Unsere Kinder bitten um etwas zu Essen. Die da oben sollen hören, wie unseren Kindern der Magen knurrt", schimpft diese Mutter aus dem Bundesstaat Mérida in einem Video, das in den sozialen Netzwerken geteilt wird.

Die venezolanische Ernährungswissenschaftlerin Susana Raffalli kennt Szenen wie diese. "Ein Großteil der Familien ist auf das Geld angewiesen, das ihnen Angehörige aus dem Ausland schicken. Doch mit der Coronakrise hätten viele ihren Job verloren", sagt sie. "Die Geldsendungen bleiben nun oftmals aus. Sie sind um 52 Prozent zurückgegangen. Das führt zur Ernährungsunsicherheit bei den Familien."

Laut einer aktuellen Statistik der katholischen Universität Andrés Bello leben 96 Prozent der Haushalte in Venezuela in Armut und 64 Prozent in extremer Armut. Fleisch, Fisch, Eier, Obst und Gemüse kommen nur noch bei den wenigsten Familien auf den Tisch. Das Land leidet seit Jahren unter Hyperinflation, den Sanktionen, es fehlt an Devisen. In der Coronakrise verschärft sich die Not der Menschen im ohnehin schon gebeutelten Venezuela immer noch weiter.

In den letzten Monaten sind viele Venezolaner trotz der Pandemie immer wieder auf die Straße gegangen, auch in den ländlichen Regionen, weil es ihnen am wesentlichsten mangelt: Es gibt kein Wasser, kein Benzin, regelmäßig fällt der Strom aus, die Lebensmittelpreise sind horrend. Demonstranten plünderten teilweise die Läden. In dem einst größten Erdölförderland Lateinamerikas liegen die Raffinerien brach. Das Land produziert selbst kaum und ist nicht in der Lage ausreichend Lebensmittel zu importieren. Und die wenigen Landwirtschaftsprodukte, die es gibt, können wegen des Benzinmangels nicht transportiert werden.

Die Auswirkungen der Krise spürten vor allen Dingen die Kinder, sagt Raffalli: "Wenn sie unter Unterernährung leiden, ist die Gefahr drei Mal so hoch krank zu werden oder an Krankheiten zu sterben. Die ersten Lebensjahre dieser Kinder sind gekennzeichnet von Unsicherheit und Hunger. Das führt zu schwerwiegenden emotionalen Schäden und im Schulalter zu Lern- und Konzentrationsstörungen. Als Erwachsene sind sie emotional und in ihrem Sozialverhalten eingeschränkt. Der Teufelskreis von Armut geht also weiter."

Zudem werde das öffentliche Gesundheitssystem noch stärker als sowieso schon belastet. Die Maßnahmen der Regierung um die Unterversorgung zu bekämpfen, blieben erfolglos, kritisiert die Ernährungswissenschaftlerin. "Es gibt ein Programm, das Familien mit Lebensmitteln unterstützen soll. Aber am Ende konzentrieren sich diese Bemühungen nicht auf die Menschen, die es wirklich nötig haben. Außerdem wurden immer wieder Korruptionsfälle aufgedeckt", sagt sie.

Auch für den Soziologen Luis Pedro España spitzt sich die Situation immer weiter zu. Er forscht an der katholischen Universität Andrés Bello über Armutsprävention. "Wenn wir die Statistiken vergleichen, haben wir was die Unterernährung von Kindern unter fünf Jahren betrifft mittlerweile ähnliche Verhältnisse wie beispielsweise in Nigeria oder dem Kongo", sagt er.

Der Hunger hat Auswirkungen auf eine ganze Generation und damit auf die Zukunft Venezuelas.


Aus: "Hunger in Venezuela: Kein Fleisch, keine Milch, kein Brot" Anne Demmer, ARD-Studio Mexiko-Stadt (12.10.2020)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/venezuela-hunger-101.html (https://www.tagesschau.de/ausland/venezuela-hunger-101.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 21, 2020, 10:28:39 AM
Quote[...] ZEIT ONLINE: Die Wirtschaftskrise durch Corona trifft auch die Mittelschicht. Spiegelt sich das in der Zusammensetzung der Menschen wider, die zu den Tafeln kommen?

Kirkhart: Ja, absolut. Ich schätze, dass etwa 40 Prozent derjenigen, die durch die Pandemie neu zu unseren Verteilungsstellen kamen, nie zuvor auf Essensspenden angewiesen waren. Aber sie wussten sich nicht mehr anders zu helfen. Sie müssen wissen, die Menschen hier in Appalachia sind stolz. Viele haben geweint, als sie zum ersten Mal zur Lebensmittelverteilung kamen, ihre Kinder hinten im Auto. Sie sagten Dinge wie: "Ich würde das hier eigentlich nicht tun, aber ich habe Kinder." Es hat viel Zuspruch unsererseits gebraucht, um zu vermitteln: Es ist in Ordnung, das hier sind außergewöhnliche Umstände, niemand konnte das vorhersehen. Es ist wichtig, das so würdevoll wie möglich zu gestalten.

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Aus: "Hunger in den USA: "Viele haben geweint"" Interview: Johanna Roth, Huntington (20. Oktober 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/ngo-facing-hunger-west-virginia-armut-cynthia-kirkhart-usa-lebensmittelverteilung/komplettansicht (https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/ngo-facing-hunger-west-virginia-armut-cynthia-kirkhart-usa-lebensmittelverteilung/komplettansicht)

Quotetaxonix #8

Die USA haben eines der höchsten BIP pro Kopf der Welt, und trotzdem sind dort Menschen auf Lebensmittelspenden angewiesen. Das kapitalistische System erweist sich ein weiteres Mal als völlig ungeeignet, die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, aber das soll es vermutlich auch gar nicht. Es soll die Reichen einfach immer noch reicher machen, und noch reicher, und noch reicher. Und das klappt schließlich super, auch in Corona-Zeiten.


Quotemounia #8.1

Vor allem in Corona Zeiten.


Quotelilaa #56

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https://www.theguardian.com/business/2020/sep/17/wealth-of-us-billionaires-rises-by-nearly-a-third-during-pandemic (https://www.theguardian.com/business/2020/sep/17/wealth-of-us-billionaires-rises-by-nearly-a-third-during-pandemic)

Dass es in den USA so wenig Aufstände gibt, wundert mich mittlerweile wirklich.


Quotestegie1 #23

Amerika weiss das und will das so.


QuoteEnde Gelände #49

Bitte nicht immer dieser herablassende Blick auf die USA. Ja, es gibt Probleme und ja, dort ist nicht alles Gold was glänzt. Nur sollten wir nicht vergessen, dass es dort vielen besser geht als in den meisten anderen Länder auf der Welt. Und das es immer noch das Sehnsuchtsland Nr. 1 für Auswanderer auf der Welt ist und es wohl immer bleiben wird. Im Hinblick auf die momentane dt. Hochnäsigkeit gilt weiter der Spruch: Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall."


QuoteQuer- und Weiterdenker #53

Jeder kann es schaffen in Amerika - bettelarm zu werden und zu verhungern. Das ist der amerikanische (Alb)Traum. Während andere Länder schon seit vielen Jahren einen funktionierenden Sozialstaat aufgebaut haben, bauen die US-Amerikaner ihre jüngsten Schritte in Richtung einer allgemeinen Gesundheitsfürsorge, Obamacare, ab. Den verhungernden Evangelikalen bleibt da noch der Glaube an ein Leben im Paradies nach dem Tod, allen anderen bleibt gar nichts. Außer den Superreichen natürlich, die machen fetten Gewinne mit Spekulationen an der Börse. Deren Vorratskammern sind voll und vor der Einfahrt parkt der neue Ferrari, schon der fünfte Neue dieses Jahr. Aber jeder kann es schaffen, man muss nur besonders fleißig, nicht wahr liebe Amerikaner?


QuoteSublime85 #72

... liebe ZEIT, wenn ihnen dieser Hunger eine Topplatzierung wert ist, wann wird genauso prominent eine Reportage über eine der anderen hungernden Bevölkerungen gemacht, welche, wohl wahr nicht in der nördlichen Hemisphäre leben. Jeden Tag hungern weltweit über 600 Mio Menschen, mehr als es Amerikaner gibt. Von denen habe ich in letzter Zeit bei ihnen nicht viel gehört.

Quelle: https://www.actionagainsthunger.org/world-hunger-facts-statistics (https://www.actionagainsthunger.org/world-hunger-facts-statistics)


QuoteDrkdD #72.1

Allerdings sind das meistens keine Hungernden aus einem reichen Land. Es sind die Länder die arm sind oder korrupte Regierungen haben. Oder beides. Dann ist eine hungernde Bevölkerung so gut wie sicher......


QuoteR4mbo #75

Hauptsache dem Aktienmarkt geht's gut.


QuoteHH1960 #87

Es ist schon bitter, was sich die letzten 10-20 Jahre nicht nur in den USA zum Schlechten verändert hat. Auch bei uns sind ähnliche Tendenzen zu erkennen.

Arme gab es immer, aber einen solches Ausmaß wohl kaum. Tafeln hier wie dort, prekäre Arbeitsverhältnisse zuhauf. In den USA zusätzlich noch schlechte Schulen und viele Menschen ohne Krankenversicherung.

Gleichzeitig ist das BIP, die Aktienkurse und das
Vermögen der Reichen exorbitant gestiegen.
Wenn dann die Rede von höheren Spitzensteuersätzen oder einer Vermögensteuer ist, schallt einem das Wort ,,Sozialismus ,, entgegen.

Dabei sieht ein Blinder, dass das System so nicht weitergehen kann.


Quoteprincline #93

"Viele haben geweint"
Auf der ganzen Welt weinen Menschen denen es noch viel schlechter geht als denen in Trumps Land. Afrika, Lateinamerika, Mexiko, Indien wie in Diktaturen in Asien.

Pandemie stürzt in Lateinamerika 45 Millionen in Armut.


QuoteLobotominho #93.1

Können wir uns darauf einigen, Arme nicht gegen andere Arme auszuspielen? ...


Quoteschorndruck #113

Das Essen scheint dazu sein, nur fehlt das Geld um Essen kaufen zu können. Ich mag den Kapitalismus so sehr, dass ich manchmal kotzen könnte.


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Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 26, 2020, 10:28:13 AM
Quote[...] Mitte März war der Ofen aus. Als der Lockdown die Wirtshäuser zum Schließen zwang, landete auch Anna vor der Tür. Seither müsse sie jeden Cent zusammenkratzen, um ihre drei Kinder durchzubringen, erzählt die gelernte Köchin, mehr gäben Arbeitslosengeld und Mindestsicherung nicht her. Und ein neuer Job? "Keine Chance."

Damit sie über die Runden kommt, stellt sich die Alleinerzieherin einmal die Woche vor einem Sechzigerjahre-Bau mit futuristischem Betonturm an. Jeden Donnerstagmorgen verteilt die Caritas hier, am Vorplatz der Pfarre Gartenstadt in Wien-Floridsdorf, Lebensmittel zum Schnäppchentarif. Schon eine Stunde vor Öffnung haben sich die ersten Kunden mit Trolleys hinter Corona-bedingten Kreidelinien am Gehsteig postiert; dass die Zutrittsmarken nach Zufall und nicht nach Reihenfolge verteilt werden, hat sich noch nicht herumgesprochen. Anna ärgert sich: "Ich war eine der Ersten und habe nur Nummer 30."

Dann, um 9.30 Uhr, geht es endlich los. Wer noch keinen Bezugsausweis hat, muss erst seine Notlage nachweisen, außerdem gilt es, den "Solidarbeitrag" zu bezahlen: vier Euro für ein Lebensmittelpaket, sechs Euro für zwei, wie sie Familien ab zwei Kindern zustehen. Pro Ration sind grosso modo 13 Kilo vorgesehen.

Nach einem Zwischenstopp bei einem Aufpasser mit Desinfektionsspray – "Bitte Maske über die Nase ziehen!" – wartet Station eins der Ausgabe. Freiwillige Helfer verteilen hier, was Supermärkte und Erzeuger an abgepacktem Essen überlassen haben. Die Basisausstattung bietet an diesem Morgen, in leichter Variation, Nudeln, Brot, Aufstriche, Konservenfisch, Joghurt, Pudding, Tomaten oder Mais in der Dose. Extras gibt's bei Bedarf obendrauf – solange der Vorrat reicht. Fleisch und Eier etwa sind immer knapp, die von McDonald's sackerlweise gelieferte Grillsauce entpuppt sich hingegen als Ladenhüter.

"Haben Sie vielleicht Katzen?", fragt einer der Verteiler mit einem Charme, der jedem Greißler der alten Schule Ehre machen würde. "Oder darf's ein Strudel ein?" Kundin Elli nimmt dankend an und ergattert obendrein noch die letzten drei Eier, ehe sie – Station zwei – zum Stand mit Obst und Gemüse weiterzieht. Ganz könne die Essensausgabe den Besuch im Supermarkt nicht ersetzen, erzählt die 28-Jährige Mutter zweier Kinder, denn manche Basics wie Öl oder Milch gebe es nie. Doch was vorhanden ist, sei in der Regel tipptopp – und drei Tage komme ihre Familie mit einer Ladung schon aus.

Elli, derzeit in Karenz, ist noch nicht lange Kundin, der erste Besuche kostete sie viel Überwindung. Pünktlich zum Lockdown hat ihr Mann den Job als Kellner verloren, ein halbes Jahr kam die Familie halbwegs durch. Das erhöhte Arbeitslosengeld habe ebenso geholfen wie der Familienbonus, sogar der Vermieter zeigte sich kulant. Aber wenn der Partner hunderte Euro weniger als früher nach Hause bringt und die Fixkosten fast das ganze Einkommen fressen, gehe es sich irgendwann nicht mehr aus: "Da spürt man es bereits, wenn die Preise im Supermarkt um ein paar Cent steigen."

Jede Menge neue Gesichter haben die Mitarbeiter der Wiener Caritas, die unter dem Label LeO – Lebensmittel und Orientierung – zwölf Ausgabestellen betreibt, seit dem Ausbruch der Krise registriert. Neben den Langzeitklienten tauchten immer mehr Menschen auf, die eben noch fest im Berufsleben standen. Viele hätten nie gedacht, dass sie einmal auf eine Hilfsorganisation angewiesen sein würden, sagt Caritas-Präsident Michael Landau: "Die Armut rückt bedrohlich in die Mitte der Gesellschaft."

Landau nimmt einen neuen Anlauf, um der Regierung ins Gewissen zu reden. Eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes, das hierzulande mit 55 Prozent des Nettolohnes ein zu niedriges Niveau biete, fordert er und eine Aufstockung der Sozialhilfe, etwa der Basisleistung von derzeit 917 auf 1.000 Euro. Vor einer "Pandemie der Armut", warnt Landau, niemand dürfe im Winter vor eine unzumutbare Wahl gestellt werden: Heizen oder Essen.

Abdul würden höhere Leistungen helfen, denn Hoffnung auf einen Job hat er wenig. Bis zur Krise habe er bei einem Sicherheitsdienst im Spital gearbeitet, erzählt der Mittvierziger, ehe er sich je eine Ladung Kartoffeln und Zwiebeln in eine Tragtasche kippen lässt. Doch als Diabetiker gelte er in Corona-Zeiten als Risikofall – und sei deshalb rausgeflogen. "Es ist absurd", sagt Abdul, der als Flüchtling aus Afghanistan nach Österreich gekommen ist. Als er jung und gesund war, habe er wegen des endlosen Asylverfahrens jahrelang nicht arbeiten dürfen: "Jetzt, wo ich arbeiten darf, verhindert das die Krankheit." (Gerald John, 24.10.2020)


Aus: "Wenn das Geld nicht mehr zum Einkaufen reicht" Gerald John (24. Oktober 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000121131744/wenn-das-geld-nicht-mehr-zum-einkaufen-reicht (https://www.derstandard.at/story/2000121131744/wenn-das-geld-nicht-mehr-zum-einkaufen-reicht)

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richard145

Zu 90% sind nicht die Leistungen zu wenig, sondern die Menschen können schlicht mit Geld nicht umgehen.
Wieviel und was kriegt Frau Anna jetzt? Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung oder stockt sie auf ?
Was ist mit Kindergeld, hat man es bewusst ausgelassen?


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Miss Leonie, 24. Oktober 2020, 16:37:50

Vor ein paar Tagen war ein Bericht wo ein Bauer erklärte dass heuer die Kartoffeln auf Grund der Wetterlage überdurchschnittlich groß gewachsen seien.
Für diese Kartoffeln würden sie 6 Cent, für die wesentlich kleineren 12 Cent bekommen.
Diese Kartoffeln werden deshalb für die Biogasanlage verwendet! Wir verbrennen unsere Nahrung!
Wieder einmal: Menschen verhungern, und wir werfen Nahrung in den Müll,- weil die Kartoffel zu groß ist. Irre


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Freigeist

Gut auch einmal die Kehrseite des Lockdowns und der Massnahmen zu zeigen - Denn alles was es bisher brachte war das Leid der Einen gegen das Leid der Anderen zu tauschen. Moralisch mehr als fragwürdig.


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Hosenträgerträger

Armut hat ihre Ursachen nur bedingt im Lockdown. Es war möglich bis dahin rentabel Fluglinien mit Milliarden zu versorgen. Es war in der Finanzkriese möglich, Banken mit Abermiliarden zu versorgen. Es ist aber offenbar unmöglich Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen.


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Desismeibuadakarlidertrottl!

Tonnenweise werden tagtäglich Lebensmittel von den Supermärkten entsorgt , ...aber bevor man welchen gibt , die nix haben , wird es vernichtet..
Es ist einfach nur noch absurd , die Bauern pflügen die Erdäpfl wieder ein weil sie zu groß sind , etc etc...


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Harry669

Wer kein Geld hat soll zum Bankomat gehen würde Kurz sagen.


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Tiefeot

Also irgendwas passt doch da nicht. Die Alleinerziehende mit 3 Kindern bekommt 1600 aus der BMS, zusätzlich 600 € Familienbeihilfe und dann muss doch der Vater auch noch Alimente bezahlen, bzw. bekommt sie einen Vorschuss vom Jugendamt.

Wenn ich jetzt das Einkommen rein ohne Alimente berechne kommen wir auf 2.200€.
Wie kann man zu 4 nicht mit 2.200€ auskommen?


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EchteWahrheit

Diese Leute können nicht mit Geld umgehen, das ist das Problem.

Drum geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auf. Die einen vermehren ihr Vermögen, die anderen kommen zu nichts. Finanzielle Bildung wäre hier notwendig und nicht die Neid- und Hassdebatte die die SPÖ regelmäßig vom Zaun bricht.


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georgelser.blogsport.at

Pah, selbst Schuld!

Hätten die halt was g'scheites wie Immobilieninvestor, Spekulant oder Erbe gelernt.
Dann wären sie heute auch Leistungsträger.


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Keoma

Die Satire werden halt nicht besonders viele kapieren.


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Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 31, 2020, 01:15:55 PM
"In Deutschland: Armutsrisiko sinkt auf statistischen Tiefpunkt" Dietrich Creutzburg (30.10.2020)
Abseits öffentlicher Aufmerksamkeit weisen neue Daten eine verblüffend positive Entwicklung aus. Besonders stark gesunken ist die Quote armutsgefährdeter Kinder und Jugendlicher. ... Inzwischen liegen bei Eurostat die Daten für 2019 vor.  ... Die Armutsgefährdungsquote ist im vergangenen Jahr kräftig gesunken. Sie gibt an, welcher Anteil der Bevölkerung ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des allgemeinen Mittelwerts erreicht. Und Eurostat weist nun einen Rückgang von 16 Prozent im Jahr 2018 auf 14,8 Prozent im Jahr 2019 aus. Dies ist der niedrigste Wert seit 2007. ...
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/wie-das-armutsrisiko-in-deutschland-ist-17028389.html (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/wie-das-armutsrisiko-in-deutschland-ist-17028389.html)

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"Altersarmut nimmt deutlich zu" Steven Micksch (30.10.2020)
Tatsächlich hat das Armutsrisiko einen neuen Höchststand erreicht. Laut Statistischem Bundesamt lebt jede sechste Person in Deutschland an der Armutsgrenze (aktuell 1074 Euro bei einem Einpersonenhaushalt): der höchste Wert seit Beginn der Erfassung der Statistik im Jahr 2005.
Zwar liegt das größte Risiko in den Altersgruppen unter 18 Jahren sowie zwischen 18 und 25 Jahren. Doch gleich dahinter kommt die Gruppe der 65-Jährigen und älter. Eine Tendenz, die seit Jahren zunimmt und sich beispielsweise auch in Frankfurt widerspiegelt.
Nach Statistiken der Stadt stieg die Zahl der Grundsicherungsempfänger:innen, die 65 Jahre oder älter sind, von 9645 im Jahr 2015 auf mittlerweile 11 242 im August 2020. Rechnet man noch die Menschen dazu, die in Heimen leben und Grundsicherung beziehen, steigt die Zahl sogar auf 12 848. Die Tendenz der vergangenen Jahre ist klar steigend. Welche konkreten negativen Auswirkungen die Corona-Pandemie oder aber welche positiven Effekte die Grundrente haben könnte, die es ab 2021 geben wird, kann man im Frankfurter Sozialdezernat noch nicht genau abschätzen.
Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU) sagt: ,,Wir beobachten das Thema Altersarmut sehr aufmerksam. Wenn Menschen jetzt pandemiebedingt arbeitslos werden, wird das leider auch Auswirkungen auf deren Rentenbiografie haben. ...
https://www.fr.de/frankfurt/altersarmut-nimmt-deutlich-zu-90086175.html (https://www.fr.de/frankfurt/altersarmut-nimmt-deutlich-zu-90086175.html)

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"Mikrozensus: Armutsrisiko gestiegen - Corona-Auswirkungen noch ungewiss" (13.08.2020)
Das Armutsrisiko in Deutschland ist so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf Basis des Mikrozensus waren im vergangenen Jahr 15,9 Prozent der Bürger von Armut bedroht, 2018 waren es noch 15,5 Prozent. ... ,,Die Zahlen zeigen ganz deutlich, dass sich die Armut bereits vor der Corona-Krise verschärft hat, und zwar zu einer Zeit, als die Wirtschaft boomte und die Arbeitslosenzahlen niedrig waren", erklärte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. Es seien noch immer zu viele Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt und die Löhne zu niedrig.
,,Die Armut in diesem Land hat im langfristigen Trend exorbitant zugenommen", kritisierte der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Werner Hesse, auf Anfrage. Die Zahlen würden die Dringlichkeit belegen, bei den Ärmsten die Einkommen zu erhöhen. So müssten die Hartz-IV-Regelsätze endlich auf ein bedarfsgerechtes Niveau angehoben werden. ,,Millionen armer Menschen leben in existenzieller Not und sind von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen - und es werden immer mehr." ...
https://www.weser-kurier.de/deutschland-welt_artikel,-armutsrisiko-gestiegen-coronaauswirkungen-noch-ungewiss-_arid,1928303.html (https://www.weser-kurier.de/deutschland-welt_artikel,-armutsrisiko-gestiegen-coronaauswirkungen-noch-ungewiss-_arid,1928303.html)

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"Zahlen für 2019: Armutsrisiko in Deutschland steigt leicht" (13.08.2020)
Der Anteil von Armut gefährdeter Menschen ist 2019 gewachsen. Besonders stark betroffen war Bremen. In Ostdeutschland ist der langfristige Trend hingegen positiv. ...
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsrisiko-in-deutschland-steigt-leicht-a-babea677-1951-40e6-ace6-a8b40c20ac4d (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/armutsrisiko-in-deutschland-steigt-leicht-a-babea677-1951-40e6-ace6-a8b40c20ac4d)

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"Armutsrisiko in Deutschland 2019 gestiegen" (Donnerstag, 13. August 2020)
Wiesbaden – Das Armutsrisiko in Deutschland ist im vergangenen Jahr gestiegen. Im ganzen Land waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) auf Basis des Mikrozensus 15,9 Prozent der Menschen von Armut bedroht, im Jahr zuvor waren es 15,5 Prozent.
Die Schwelle für die Armutsgefährdung lag 2019 bei 1.074 Euro bei einem Einpersonen­haushalt – das sind 60 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens. Wer we­niger Geld zur Verfügung hat, gilt als armutsgefährdet.
Am meisten Menschen waren in Bremen mit fast einem Viertel der Bevölkerung (24,9 Prozent) bedroht, die wenigsten in Bayern (11,9) und Baden-Württemberg (12,3).
Wie sich die Coronakrise auf das Armutsrisiko auswirkt ist noch unklar. ...
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115574/Armutsrisiko-in-Deutschland-2019-gestiegen (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115574/Armutsrisiko-in-Deutschland-2019-gestiegen)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on January 05, 2021, 01:39:00 PM
Quote[...] Mallorca hängt wie kaum eine andere Insel am Tropf des Tourismus. In der Corona-Pandemie bleiben die Hotels und Restaurants leer. Viele ehemalige Angestellte haben nicht einmal mehr Geld für Nahrungsmittel. Währenddessen steigen die Infektionszahlen auf Rekordhöhen - die Intensivstationen füllen sich.

In der Schlange vor der Kapuzinerkirche in der Altstadt von Palma de Mallorca tragen auffällig viele Sonnenbrille - obwohl der Himmel wolkenbedeckt ist. Andere ziehen Kapuze oder Baseballkappe tief ins Gesicht. Sie alle warten auf eine kostenlose Essensausgabe. An dieser Tafel und an anderen Hilfsstationen der spanischen Urlaubsinsel wird die Zahl der oft verschämt wartenden Bedürftigen von Woche zu Woche größer. Im Zuge der Corona-Krise nimmt die soziale Not in der liebsten Partyhochburg von Deutschen und Briten drastisch zu. Die Nachfrage nach Hilfsleistungen sei hier noch nie so groß gewesen, stellte die Regionalzeitung "Diario de Mallorca" dieser Tage fest.

"Ich habe weder Strom noch Wasser, und auch nichts zu essen", sagte der arbeitslose 53 Jahre alte Kellner Damian der Digital-Zeitung "Crónica Balear". An den Tafeln stellen Obdachlose und Bewohner von Problemvierteln längst nicht mehr die Mehrheit. Es stellen sich immer mehr Menschen an, denen man die Armut auf den ersten und auch auf den zweiten oder dritten Blick nicht ansieht. Vor der Kirche stehen neben Damian junge Uniabsolventen, gut gekleidete Eltern mit ihren Kindern und Betreiber von Hotels und Cafés, die ihre Häuser wegen der ausbleibenden Touristen dicht machen mussten. Viele waren im von Corona schwer erschütterten Gastgewerbe tätig und verloren ihren Job. Sie sind Not nicht gewohnt, sie leiden und schämen sich.

Sie sind die "nuevos pobres", die "neuen Armen". Sie sind viele, und es werden immer mehr. Nach einer Studie der Universität der Balearen (UIB) über die Auswirkungen des Virus hat sich die Zahl der in der Region in extremer Armut lebenden Menschen in nur einem Jahr auf rund 34.000 verdoppelt. Als arm gelten bereits 320.000. Das heißt: mehr als jeder Vierte der 1,18 Millionen "Baleáricos". "Diario de Mallorca" bezeichnete 2020 als "das Jahr der weit verbreiteten Armut". Man sehe viele Menschen, die im Auto oder auf der Straße übernachten. Das Blatt zitierte die Koordinatorin des Roten Kreuzes für die Balearen, Juana Lozano, mit der Information, allein in den ersten zehn Monaten des Jahres habe man rund 52.000 Hilfspakete mit Lebensmitteln sowie Hygiene- und Putzartikeln verteilt. Im gesamten Jahr 2019 seien es 11.000 gewesen.

Als die UIB Ende November ihre Studie veröffentlichte, warnte die Leiterin des Sozialen Observatoriums der UIB, Maria Antònia Carbonero: Die soziale Not werde sich im Laufe des Winters verschärfen. Es gebe nicht genug Mittel, um allen Notleidenden zu helfen. "Die Hilfsorganisationen sind überfordert", sagte sie. Dabei konnte Carbonero zu dem Zeitpunkt nicht ahnen, was in den darauffolgenden Wochen passieren würde: Trotz strenger Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit - darunter einer schon seit Ende Oktober geltenden nächtlichen Ausgangssperre - stiegen die Corona-Zahlen massiv. Inzwischen verzeichnen die Balearen erschreckende Werte, die in ganz Spanien unerreicht sind. Zuletzt kletterte die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen auf 530, wie die Gesundheitsbehörden mitteilten.

Wochenlang waren die Balearen unangefochten das Epizentrum der Pandemie in Spanien gewesen, am Montag wurden sie von Extremadura überholt. In Regionen wie Madrid, Katalonien oder Valencia - die wegen ihrer Lage nicht so isoliert sind wie die Inseln oder Extremadura an der wenig besuchten Grenze zu Portugal - war diese 14-Tage-Inzidenz mit Werten von zum Teil deutlich unter 400 weit niedriger. Zum Vergleich: In Deutschland betrug dieser Wert zuletzt nach Angaben der EU-Behörde ECDC 379, in ganz Spanien 271. Auf Mallorca, wo die 14-Tage-Inzidenz nach jüngsten amtlichen Angaben sogar bei 608 lag, geht die Angst um.

Der Winter könnte noch "heißer" werden als von Carbonero befürchtet. Man hat Angst vor einem Kollaps der Intensivstationen, die immer voller werden. "Wir erleben eine schreckliche Situation, die wir uns auch nicht in unseren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können", räumte Regionalpräsidentin Francina Armengol kurz vor Silvester ein. Wegen der schier unaufhörlich steigenden Zahlen wurden die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nach Weihnachten wieder verschärft. Bars und Restaurant müssen seit dem 29. Dezember auf Mallorca werktags vier Stunden früher - um 18 Uhr - schließen. Der Ladenschluss wurde von 22 Uhr auf 20 Uhr weiter vorgezogen. Eine nennenswerte Lockerung der Einschränkungen sei bis Februar nicht zu erwarten, sagte am Montag Regierungssprecherin Pilar Costa.

Man weiß auf Mallorca, dass die Restriktionen nötig sind. Immerhin starben auf den Balearen-Inseln bereits 477 Menschen mit Covid-19. Man hat gleichzeitig aber große Angst vor einem längeren Lockdown. Dieser könnte dem für die Insel überlebenswichtigen Tourismus den endgültigen Todesstoß versetzen, wie Unternehmer der Branche warnen, die für 35 Prozent des Regionaleinkommens sorgt. Der Ängste damit aber nicht genug. Im Zuge der wachsenden sozialen Not gebe es mehr kleinere Überfälle und Einbrüche unter anderem auch auf Privathäuser, berichten Medien schon seit Wochen. Die Zeitung "Última Hora" sprach von "verzweifelten Amateurtaten", die allem Anschein nach mit der Krise zu tun hätten. Schaufenster würden zum Beispiel mit Ziegelsteinen eingeschlagen.

Aus den offiziellen Zahlen geht zwar noch keine Verschlimmerung der Sicherheitslage hervor. Aber trotzdem profitieren einige von den Sorgen. Im Herbst hätten Firmen, die Alarmanlagen und andere Warnsysteme installieren, ein "rekordverdächtiges" Anfragevolumen registriert, berichtete das "Mallorca Magazin" unter Berufung auf den Maklerverband der Balearen (ABSI). "Uns steht ein schrecklicher Winter mit vielen Einbrüchen bevor. Das ist schlimm", zitierte das Blatt eine Bewohnerin aus Puig de Ros. Nicht nur sie sieht im Sonnenparadies dunkle Wolken aufziehen. Rentnerin Catalina (81), die jeden Tag mit Freundin Maria (76) vor der Kapuzinerkirche Schlange steht, drückt sich deutlicher aus: "Die Menschen hier in den Schlangen werden immer mehr. Wenn das so weiter geht, gibt es hier Krieg."

Quelle: ntv.de, Emilio Rappold, dpa


Aus: "Schlangen vor den Essensausgaben Mallorca kämpft gegen Corona-Armut" (Dienstag, 05. Januar 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Mallorca-kaempft-gegen-Corona-Armut-article22270769.html (https://www.n-tv.de/panorama/Mallorca-kaempft-gegen-Corona-Armut-article22270769.html)
Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 15, 2021, 03:16:38 PM
Quote[...] Die anhaltende Kältewelle hat Deutschland derzeit im Griff. Eine ausreichend aufgeheizte Wohnung ist aber nicht für alle Menschen selbstverständlich: Im Jahr 2019 lebten rund 2,0 Millionen Personen in Deutschland in Haushalten, die ihre Wohnung oder ihr Haus aus finanziellen Gründen nicht angemessen warmhalten konnten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand von Ergebnissen der Erhebung "Leben in Europa (EU-SILC)" mitteilt, waren das 2,5 % der Bevölkerung. Der Anteil ist aber rückläufig: 2009 war er noch mehr als doppelt so hoch (5,5 % oder 4,5 Millionen Menschen).

Alleinlebende und Alleinerziehende können besonders häufig nicht angemessen heizen

Alleinlebende und Haushalte von Alleinerziehenden waren am häufigsten betroffen. Rund 4,8 % der Alleinlebenden sowie 7,0 % der Personen in Alleinerziehenden-Haushalten konnten ihre Wohnung aus Geldmangel nicht angemessen heizen.

Menschen in Bulgarien, Litauen und Zypern im EU-Vergleich am stärksten betroffen

In der Europäischen Union (EU) waren 2019 rund 6,9 % der Bevölkerung finanziell nicht in der Lage, ihre Wohnungen adäquat zu heizen. Am häufigsten traf dies auf Menschen in Bulgarien (30,1 %), Litauen (26,7 %) und Zypern (21,0 %) zu. In Schweden, Österreich und Finnland war der Anteil mit jeweils knapp 2 % am niedrigsten.


Aus: "2 Millionen Menschen in Deutschland konnten 2019 nicht angemessen heizen" (15. Februar 2021)
Quelle: https://www.ruhrbarone.de/2-millionen-menschen-in-deutschland-konnten-2019-nicht-angemessen-heizen/196138 (https://www.ruhrbarone.de/2-millionen-menschen-in-deutschland-konnten-2019-nicht-angemessen-heizen/196138)

https://www.presseportal.de/pm/32102/4838087 (https://www.presseportal.de/pm/32102/4838087)

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Quote[...] Wiesbaden Die Menschen in Deutschland wohnen im Durchschnitt zunehmend beengter, vor allem in den Städten. Im vergangenen Jahr lebten 6,4 Millionen in überbelegten Wohnungen, das sind 340 000 mehr als im Jahr zuvor.

Allerdings lag die Überbelegungsquote in Deutschland (7,8 Prozent) deutlich unter dem EU-Durchschnittswert (17,1 Prozent). Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mit. Grundlage der Zahlen ist die aktuelle Erhebung ,,Leben in Europa" (EU-SILC).

Laut den Statistikern gilt eine Wohnung als überbelegt, ,,wenn sie über zu wenige Zimmer im Verhältnis zur Personenzahl verfügt". Das ist laut den Angaben etwa der Fall, wenn ein Gemeinschaftsraum fehlt oder pro Paar, das in dem Haushalt lebt, kein eigener Raum vorhanden ist oder Geschwister unterschiedlichen Geschlechts zwischen 12 und 17 Jahren keinen jeweils eigenen Raum haben.

Betroffen sind demnach vor allem die Einwohner von Städten. ,,Jede achte Person (12,7 Prozent) wohnte 2019 hier auf zu engem Raum - im Vergleich zu 2010 ein Zuwachs von rund 3 Prozentpunkten", hieß es beim Bundesamt.

In Kleinstädten und Vororten lebten laut den Angaben 5,5 Prozent beengt, neun Jahre zuvor waren es noch 4,7 Prozent. Auf dem Land waren 4 Prozent der Wohnungen überbelegt, im Vergleich zu 2010 wurde sogar ein leichter Rückgang von 0,7 Prozentpunkten verzeichnet.

Entscheidend seien finanzielle Aspekte, hieß es. So lebte laut den Zahlen hierzulande mehr als jeder fünfte armutsgefährdete Mensch (20,5 Prozent) im vergangenen Jahr auf zu engem Raum. Bei Alleinerziehenden und ihren Kindern lag die Überbelegungsquote bei 19 Prozent. Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren verfügen dagegen meist über mehr Platz. Hier lag die Quote bei lediglich 2,6 Prozent.

Im EU-weiten Vergleich haben die Menschen in Rumänien (45,8 Prozent), Lettland (42,2 Prozent) und Bulgarien (41,1 Prozent) besonders mit Überbelegung zu kämpfen. Am geringsten sind die Zahlen dagegen auf Zypern (2,2 Prozent) und auf Malta (3,7 Prozent).

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Aus: "6,4 Millionen Menschen leben in Deutschland in überbelegten Wohnungen" (26.11.2020)
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/statistisches-bundesamt-6-4-millionen-menschen-leben-in-deutschland-in-ueberbelegten-wohnungen/26661388.html (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/statistisches-bundesamt-6-4-millionen-menschen-leben-in-deutschland-in-ueberbelegten-wohnungen/26661388.html)

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Quote[...] Wiesbaden (ots)

Die Armutsgefährdung - gemessen an der Armutsgefährdungsquote - ist im Zeitraum von 2009 bis 2019 in allen westlichen Bundesländern und in Berlin gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hat sich der Anteil der von Armut bedrohten Menschen in Bremen am stärksten erhöht: Dort war 2019 fast ein Viertel (24,9 %) der Bevölkerung armutsgefährdet, mehr als in jedem anderen Bundesland. 2009 hatte der Anteil der armutsgefährdeten Personen in Bremen gut ein Fünftel (20,1 %) betragen. Auch in Hessen (2019: 16,1 %, 2009: 12,4 %) und Nordrhein-Westfalen (2019: 18,5 %, 2009: 15,2 %) ist das Risiko, von Einkommensarmut bedroht zu sein, seit 2009 vergleichsweise stark gestiegen. Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut.

Rückgang der Armutsgefährdung in östlichen Bundesländern

In den östlichen Bundesländern mit Ausnahme von Berlin ist die Armutsgefährdungsquote im Zehnjahresvergleich zurückgegangen. 2019 waren in Berlin 19,3 % der Personen von Armut bedroht, 2009 waren es 19,0 %. Den bundesweit stärksten Rückgang verzeichnete Mecklenburg-Vorpommern, und zwar von 23,1 % im Jahr 2009 auf 19,4 % im Jahr 2019.

Im Zeitverlauf entwickelte sich die Armutsgefährdung in den Bundesländern unterschiedlich und meist nicht kontinuierlich. Beispielsweise lag die Armutsgefährdungsquote in Bremen bereits im Jahr 2015 bei 24,8 % (0,1 Prozentpunkte unter dem Stand von 2019) und fiel im Folgejahr auf 22,6 %. Ähnliche Schwankungen traten auch in anderen Bundesländern auf. Diese und weitere Ergebnisse zur Armutsgefährdung, zum Teil in tiefer regionaler Gliederung, sowie detaillierte Erläuterungen zu den Datenquellen und den angewandten Berechnungsverfahren stehen im Internetangebot der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zur Verfügung. Dort finden sich auch Armutsgefährdungsquoten, die auf Basis regional unterschiedlicher Armutsgefährdungsschwellen ermittelt wurden.

Methodische Hinweise

Diese Ergebnisse gehen aus aktuellen Berechnungen auf Basis des Mikrozensus hervor, die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder im Rahmen des Arbeitskreises "Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik" durchgeführt wurden. Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Europa. Aufgrund seiner Stichprobengröße lassen sich für alle Bundesländer verlässliche Indikatoren ermitteln und vergleichen. Das zur Ermittlung der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle herangezogene bedarfsgewichtete Einkommen (Äquivalenzeinkommen) wird auf Basis der 1994 entwickelten neuen OECD-Skala berechnet. Nach dieser wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet. Für die weiteren Haushaltsmitglieder werden kleinere Gewichte eingesetzt (0,5 für weitere Personen ab 14 Jahren und 0,3 für jedes Kind unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen.

Die Grundlage der hier veröffentlichten Armutsgefährdung ist die Armutsgefährdungsschwelle auf Bundesebene (Bundesmedian), die für Bund und Länder einheitlich ist und somit einen regionalen Vergleich ermöglicht. Für die Berechnung von Armutsgefährdungsquoten kommen mehrere Datenquellen der amtlichen Statistik infrage. Auf europäischer Ebene und auf Bundesebene (insbesondere im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung) wird zur Berechnung von Indikatoren zur Einkommensarmut und -verteilung die Statistik "Leben in Europa" (EU-SILC) als Datengrundlage herangezogen. Nach den Ergebnissen der EU-SILC-Erhebung ergab sich, bezogen auf das Berichtsjahr 2018, bundesweit eine Armutsgefährdungsquote von 16,0 %. Zum Vergleich: Die auf Basis des Mikrozensus berechnete Armutsgefährdungsquote für das aktuelle Berichtsjahr 2019 lag bundesweit bei 15,9 %. Zu beachten ist, dass sich Mikrozensus und EU-SILC sowohl hinsichtlich des zugrundeliegenden Einkommenskonzepts und der Einkommenserfassung als auch hinsichtlich des Stichprobendesigns unterscheiden. Für die Darstellung vergleichbarer Indikatoren auf Bundesländerebene kann EU-SILC nicht verwendet werden, da die Stichprobe nicht groß genug ist, um die Indikatoren auch für kleinere Bundesländer auszuweisen.

Neben den dargestellten Armutsgefährdungsquoten gemessen am Bundesmedian werden im Rahmen der Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik auch Armutsgefährdungsquoten gemessen am Landes- beziehungsweise regionalen Median berechnet. Hierzu wird das mittlere Einkommen (Median) im jeweiligen Bundesland beziehungsweise in der jeweiligen Region herangezogen. Dadurch wird den Unterschieden im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern beziehungsweise Regionen Rechnung getragen. Regionale Einkommensunterschiede werden zum Teil durch Unterschiede im Preisniveau (insbesondere im Mietniveau) ausgeglichen. Dies kann dazu führen, dass die Armutsgefährdung gemessen am Bundesmedian in prosperierenden Regionen unterschätzt und andererseits die Armut in Regionen mit einem relativ niedrigen Einkommensniveau überschätzt wird.

Armutsgefährdungsquoten sind gegenüber stichprobenbedingten Schwankungen des mittleren Einkommens (Median) nicht sehr robust. Das bedeutet, dass bereits geringe zufällige Schwankungen dieses Einkommens merkliche Veränderungen der Armutsgefährdungsquoten zur Folge haben können. Deshalb sollten nur über einen längeren Zeitraum stabile Entwicklungen inhaltlich interpretiert werden. Dies gilt insbesondere für relative Armutsrisikoquoten kleiner Bevölkerungsgruppen oder für regional tief gegliederte Ergebnisse.


Aus: "Statistisches Bundesamt: Armutsgefährdung in Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen von 2009 bis 2019 am stärksten gestiegen" (13.08.2020)
Quelle: https://www.presseportal.de/pm/32102/4678003 (https://www.presseportal.de/pm/32102/4678003)

Title: [Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 14, 2021, 07:26:16 PM
Quote[...] Erst gestern hat Sammy den 16. Strich gemacht. Arnold. "Hat sich aufgehangen." Unruhig schaut er nach rechts und links, späht über die Reeperbahn nach der Polizei und fliegenden Flaschen. Nach Junkies, die nicht mehr klarkommen und Ärger suchen. Sammy zählt die Toten seit November. Er kannte die meisten von ihnen, nicht gut, aber alles Leute, mit denen er mal auf der Straße geschlafen hat, Platte gemacht oder "in einem Laden war" – "Kollegen" eben.

Nicht nur Sammy zählt. Der Senat zählt. Die Opposition zählt. Das Straßenmagazin Hinz&Kunzt zählt. Sie alle versuchen, die Ahnung zu beziffern, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie viele hatten: Dass die Pandemie kaum eine Gruppe so hart treffen wird wie die 50.000 Obdachlosen in Deutschland. Während sich die meisten Menschen in Deutschland hinter Haustüren und Bildschirmen zurückzogen, Ladenbesitzer Jalousien runterließen, Wirte Schlösser an sonst dauergeöffnete Kneipen hängten, blieben die übrig, die weder Home noch Office besitzen und keiner Ausgangssperre nachkommen konnten.

Nirgendwo zeigt sich deren Not so deutlich wie in Hamburg. Die Hamburgische Bürgerschaft zählt 13 tote Obdachlose in diesem Winter. Im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor waren es nur fünf. Die Hamburger Rechtsmedizin zählt sogar 17 Todesfälle, manche von ihnen kamen vor ihrem Tod noch ins Krankenhaus. Die Rechtsmediziner fassen die Todesursachen der Verstorbenen so zusammen: "innere Erkrankungen, Verletzungen, Vergiftungen und Unterkühlungen".

Konkret bedeutet das:

Paul nahm sich am 11. Januar das Leben.

Leslaw erlitt auf dem leeren Kiez einen Herzinfarkt.

Jonathan sprang von der Hebebrandbrücke.

Robert starb an einer Alkoholvergiftung.

Thomas an einer Überdosis.

Hamburg steht mit seinen Zahlen bundesweit an der Spitze. Doch die Zahlen sind überall hoch. "Seit den Neunzigerjahren sind nicht mehr so viele Obdachlose den Kältetod gestorben", sagt Werena Rosenke von der Bundesgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe. 22 Menschen sind seit Ende September in ganz Deutschland draußen erfroren. Wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die an anderen Ursachen starben, weiß niemand.

Man weiß nicht mal genau, wie viele Obdachlose eigentlich in Hamburg leben. Laut einer Studie im Auftrag der Sozialbehörde sind es heute rund 2.000, fast genau so viele wie im doppelt so großen Berlin. Die Zahl ist nicht vollständig, aber sie zeigt, dass sich die Zahl der Obdachlosen in Hamburg innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt hat.

Glaubt man den Sozialarbeitern, Ehrenamtlichen und manchen Politikern in Hamburg, sind die jetzt steigenden Todeszahlen ein Symptom für eine zunehmende Verelendung, die weit vor der Pandemie begann. Mitarbeiter der Drogenkonsumräume berichten, dass sich der Gesundheitszustand vieler Süchtiger deutlich verschlechtert habe. Streetworker erzählen von Menschen, die plötzlich schon morgens im eigenen Urin liegen und die schon vor dem Winter kaum mehr Kraft hatten.

Doch warum sterben ausgerechnet seit der Corona-Pandemie mehr Menschen? Egal, wen man in der Stadt spricht, Sozialarbeiter, die Mitarbeiter von Hinz&Kuntz, die Leute der Drogenkonsumstätte, Obdachlose – niemand weiß genau zu sagen, wer die Schuld trägt und wie das Sterben hätte verhindert werden können. Sogar Menschen, die von der Politik die sofortige Öffnung aller Hotels fordern, sind ratlos. Claudia Meister, die Geschäftsführerin des Vereins Hanseatic Help, sagt: "Du hättest alle Hotels der Stadt aufmachen können, Leute wären trotzdem gestorben." 

Um zu verstehen, warum die Pandemie für manche Obdachlose den Tod bedeutet, muss man sich deshalb das komplizierte Geflecht ansehen, aus dem das Elend gemacht ist. In diesem Geflecht spielen verschlossene Kiezkneipen eine Rolle, genauso wie die Minusgrade, die Notunterkünfte, die Flüchtlinge und der Arbeitsmarkt.

In der Nähe der Helgoländer Brücke am Hamburger Hafen, unter der in diesem Winter einer der Obdachlosen starb, liegt die Jugendherberge am Stintfang. Wo sonst laute Jugendliche sitzen, die Wodka und Red Bull in Thermoskannen schütten, wo sich Mädchen heimlich aufs Jungszimmer schleichen, sitzen jetzt unter Flaggen-Girlanden stille Menschen und mit ihnen ihre Geschichten.

Die Solidarität in der Hansestadt war in Anbetracht der zweistelligen Minusgrade im Februar groß. Sie erfasste auch Sven Seidler, den Betreiber der Herberge. Vor wenigen Wochen beschloss er, seine Räume für die Obdachlosen zu öffnen. Seitdem wohnen hier knapp 50 Hamburger Obdachlose. Organisiert haben den Aufenthalt auf Zeit zwei Vereine: Straßenblues und Hanseatic Help. Beide Organisationen finanzieren mit privaten Spenden die Unterkunft, 40 Euro pro Person und Nacht.

Beim Abendessen ist es still an diesem Tag. Gabeln kratzen über die Teller, die Hafenlichter zittern in der Elbe vor der Glasfassade des Speisesaals. Vor den beigen Tischen sitzt an diesem Abend ein polnischer Mann mit Wollmütze, Arme und Beine ineinander verschränkt, als presse die Kälte der letzten Wochen immer noch seinen schmalen Körper zusammen. Eine Flüchtlingsfamilie, die mit zwei kleinen Mädchen und rosa Kinderrucksack am Morgen vor der Herberge stand. Der tätowierte Punkrocker Jochen, "seit 25 Jahren bayerischer Flüchtling". Der Autist Carlos, der sich vor allem fragt, was die Deutschen gegen Karl Marx haben. Die Notariatsfachangestellte Nadine, die Perlen an den Ohren und Narben am Hals hat. Menschen, die meist früh, manchmal erst spät einen Weg nahmen, den keiner von ihnen so geplant hatte.

Und da sitzt an diesem Abend ein junger Mann in weißer Adidas-Jacke, der sich wünscht, dass diese verdammte Einsamkeit aufhört. Und diese Pandemie, wegen der er Job und Wohnung verlor.

Olegs ist ein Nichtbürger. Er hat jüdische, deutsche und russische Vorfahren, wegen derer er bei seiner Geburt in Lettland keine Staatsbürgerschaft bekam. Der einzige Pass, den er besitzt, ist ein "Alien Passport", ein lettischer Pass, der wirklich so heißt, für Menschen ohne Staatsbürgerschaft. "Ich bin ein Alien", stellt er nüchtern fest.

Und so hört sich dieses Leben an: Die erste Nacht auf der Straße erlebte er in einer Winternacht in Lettland, da war er zehn Jahre alt, erzählt er. Sein Vater hatte ihn vor die Tür gesetzt. Seitdem schlägt er sich durch, arbeitete auf Baustellen, reiste nach Salzburg, Tschechien, Paris. Er hatte da ein paar "Aktionen". In Karlsbad raubte er ein Casino aus, und saß dafür zwei Jahre im Gefängnis. Im Fünf-Sterne-Hotel hatten sie ihn geschnappt. Später ging er dahin, wo sich viele einen Neuanfang versprechen: In Frankreichs Fremdenlegion. Aber davon erzählt er nicht gern. Er sollte nach Syrien, Bomben entschärfen. Aus Protest schnitt er sich die Adern auf. Olegs schiebt seinen Ärmel nach unten, eine Narbe zieht sich quer über den blassen Unterarm. Sie ist der einzige Beleg für das Leben, von dem er berichtet.

Olegs hatte nie ein wirkliches Zuhause, in das er sich hätte zurückziehen können. Und es ist das, wonach er sich am meisten sehnt. Fragt man ihn, wie er sich seine Zukunft vorstellt, sagt er: "Ich will ein ganz normales Leben."

Noch im März war er diesem normalen Leben, von dem er träumt, ganz nah. Er arbeitete auf Baustellen als Stuckateur, erhielt viele Aufträge. Dann aber, ab dem ersten Lockdown im März 2020, habe ihn sein Chef nicht mehr angerufen. Als die Aufträge ausblieben, habe ihn erst seine Freundin verlassen, dann verlor er seine Wohnung. Die Pandemie machte ihn einmal mehr obdachlos. Er musste zurück auf die Straße, zu den "Kollegen", zur Gegend um den Hauptbahnhof. Zurück in das Leben, das er hinter sich lassen wollte. "Ich muss weg von da", sagt er. "Wenn ich wieder in meine alten Schritte steige, passieren immer schlimme Sachen."

In Hamburg landen viele Menschen wie Olegs, die sich ein besseres Leben erhoffen. 2009 hatten laut der Hamburger Sozialbehörde rund 70 Prozent der Obdachlosen eine deutsche Staatsangehörigkeit. 2018 waren es nur noch 36,1 Prozent. Viele von ihnen kamen, um Arbeit zu finden. Doch das ist in der Pandemie so schwer wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch Olegs läge in nicht-pandemischen Zeiten vielleicht nicht im Stockbett einer Jugendherberge. Und müsste nicht stundenlang gegen die Einsamkeit anspazieren, bis die Leere der Stunden ihn doch erwischt.

Gerade prekär Angestellte traf die Krise besonders hart. Freiberufler, Selbstständige, Kurzarbeiter, Bauarbeiter. Menschen, die in guten Wirtschaftsjahren instabile Jobs annahmen, mit denen sie über die Runden kamen. Es sind die unverbindlichsten Arbeitsverhältnisse, die zarten Fäden, die bei einem Zittern der Konjunktur als erstes reißen. Die Arbeitsagentur spricht in einem im November veröffentlichten Bericht vom "Corona-Effekt" auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem bei zwei Gruppen stellt sie einen noch stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit als bei allen anderen fest: Bei Ausländern und Personen ohne Berufsausbildung. Der Sozialverband Hamburg warnte schon vor Monaten wegen der Pandemie vor einer steigenden Armut in der Hansestadt.

Die Arbeitslosigkeit, die wegfallenden Aufträge, die erlahmte Wirtschaft macht es den Menschen noch schwerer, aus der Obdachlosigkeit wieder herauszufinden. Die Pandemie wirkt wie ein zäher Strudel, der Perspektiven schluckt. Und sie verlangsamt wichtige Prozesse: das Einreichen von Anträgen, Terminvergaben, das Verstreichen von Zeit. Die Menschen hängen länger im Übergang fest. Drogensüchtige müssen länger auf Entzugsplätze warten. Arbeitslose auf Vorstellungstermine. Auf den Bescheid für Sozialleistungen. Auf eine Zukunft.

Auf den Straßen fehlen freundliche Gesichter und die zugehörigen Institutionen, die das Leben vor der Pandemie für Obdachlose erträglicher machten. Wer den Job verliert und auf der Straße landet, landet nicht auf dem belebten Kiez, sondern streicht an verschlossenen und vernagelten Türen entlang. Der stellt seinen Becher in eine ausgestorbene Fußgängerzone, dem fehlen die leeren Astra-Flaschen der Studenten am Kiosk, die Samstag jetzt Netflix schauen, statt auf der Reeperbahn zu feiern.

Dem fehlen die Orte, die ihn kurz vergessen lassen, dass er ein Übriggebliebener ist. Einer der nicht zu Hause bleiben kann, dem ohne Dach keine Decke auf den Kopf fallen kann. Dem fehlen Momente, die daran erinnern, dass sich Menschen zumindest manchmal auf Augenhöhe begegnen. Wie im Elbschlosskeller, der 24 Stunden geöffnet hatte, ein Ort für alle, für Partygänger, Tänzer, Sexarbeiterinnen, für die Nachbarn, für Sammy und die Leute von der Platte, die sich mal aufwärmen wollten. Ein Ort, an dem vor der Pandemie alle ein bisschen gleicher wurden.

Die wenigen Orte, die für Obdachlose noch geöffnet sind, lassen keine Sekunde vergessen, wo man in der Gesellschaft steht, wie etwa die Notunterkünfte. "Wenn ich nicht so stark wäre und ein inneres Ziel hätte, wäre ich zerbrochen", sagt Jochen.

Er ist Ende 40, Punkrocker und hatte früher einen Iro, "mit dem konntest du Augen ausstechen – brutal". Jetzt glänzt sein kahler Kopf im Licht des Speisesaals der Jugendherberge. Die Buchstaben ACAB an den rechten, PUNK auf den linken Fingern, ein Wettergott auf der Hand, ein Dämon am Hals. Messer im Oberschenkel, Stuhl auf dem Kopf, Ehering auf die Augenbraue. [...] Sein Körper ist eine Kampfzone. Während Menschen wie Olegs nie einen geraden Weg kennenlernten, lebte Jochen schon immer gegen den Bausparvertrag, gegen das Sonntagsessen und den Nine-to-five-Job. Zuletzt hatte er einen Marktstand in der Hippiestadt Christiana in Kopenhagen. Den musste er schließen wegen Corona, er reiste nach Hamburg.

Zwei Wochen schlief er in Notunterkünften, für Jochen ein 14-tägiger Alptraum. Er erzählt, sein Zimmernachbar in der ersten Notunterkunft habe die Krätze gehabt, ein anderer wollte ihn verprügeln, nur weil er ihn bat, die Mandarinenschalen in den Müll und nicht daneben zu werfen. "Die Leute dort saufen, bis alles leer ist, meistens bis fünf Uhr morgens."

Ein paar Mal schütteten sie Bier um sein Bett. Hopfengeruch ist nicht hilfreich bei der Jobbewerbung. "Ich kann die Menschen verstehen, die später draußen erfroren sind. Du hältst es da drin nicht aus." Seit drei Tagen ist Jochen hier in der Herberge am Stintfang, jetzt hat er ein Vorstellungsgespräch als Baggerfahrer.

Theoretisch, also regierungstheoretisch, muss niemand auf der Straße schlafen. Und niemand erfrieren. Die Koalition nannte in den vergangenen Wochen bei den vielen, teils heftigen Diskussionen um die Obdachlosen das Zauberwort "Winternotprogramm". Einige in der Herberge wie Jochen waren in diesem Winternotprogramm. Manche von ihnen schliefen lieber auf der Straße oder in Zelten. 1.400 Betten stellt die Stadt für die mindestens 2.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. Vier-Bett-Zimmer in einer Zeit der Kontaktbeschränkungen.

Eine ungewöhnliche Allianz aus CDU und Linke forderte deshalb Ende Januar die Öffnung der leerstehenden Hotels und Herbergen wie in anderen Städten, etwa in Düsseldorf oder Berlin, um den Menschen Einzelzimmer zu bieten. Doch die Sozialbehörde Hamburg beharrte auf den Notunterkünften, obwohl deren schlechter Zustand nach Ansicht von Sozialarbeitern eine Erklärung sind, warum Menschen auf der Straße erfroren sind.

Auch Sammy, der die Toten zählt, und die anderen Punkrocker von der Reeperbahn meiden die Notunterkünfte. Gegenüber des verschlossenen Elbschlosskellers sitzt zwischen den schmutzigen Matratzen, Penny-Tüten und Wodkaflaschen Inge, Hamburgs selbst ernannte Bordsteinamsel und Königin der Platte unter Kentucky Fried Chicken. Rauchend und hustend schimpft sie gegen das Winternotprogramm. Da, sagt sie, sei es "noch beschissener als hier". Inge hat 35 Jahre Straßen-Expertise und kann Sätze sagen wie: "1986 hatten wir auch 'nen scheiß kalten Winter."   

Sie streicht über ihren zertrümmerten Wangenknochen, irgendwer raucht Crack neben ihr, ein Mädchen mit Sekt unterm Arm schaut im Vorbeigehen zu ihr hinab, und Inge sagt: "Die Menschenwürde ist unantastbar."

Auch wenn später Wolken aufziehen und es abends wieder regnen wird in Hamburg, scheint an diesem Nachmittag die Sonne auf Inges Reich. Die Plattenkönigin beschließt, dass es Zeit für Wodka ist. Neben Inge sitzt "ihre Schwester" Kerstin, die habe dreißig Jahre in der Altenpflege gearbeitet. "Ist das fair?", krächzt Kerstin, die Stimmbänder wie mit Stacheldraht geschliffen. Inge hat noch eindreiviertel Ohren, ein Viertel verlor sie an Nazis. "Aber für was, Schatz? Für was?", fragt sie und lässt den Kopf mit ihrem blassrosa Iro hängen, das Gefieder der erschöpften Bordsteinamsel.

Inge braucht keine halbe Minute, um ihre Geschichte zu erzählen. Sie hatte mal eine Wohnung am Fischmarkt. Die Miete wurde zu hoch, sie suchte Hilfe beim Sozialamt, bekam keine. Dann kürzt sie ab: "Na ja, und so bin ich in der Prostitution gelandet." Sie schaut einem in die Augen: "Solange ich lebe, will ich kein Arschloch sein. Ich bin für alle da." Inge weiß auch nicht, was genau hier draußen schiefläuft. Sie kannte einige der Toten. Tränen steigen ihr in die geschwollenen Augen, wenn sie von ihnen spricht. Eine Freundin von ihr sei im Krankenhaus gestorben. Mit dem Wodka schwappen die Tränen zu Kerstin rüber, die weint und einen Schluck gegen die Traurigkeit nimmt.

Sie spüre die Angst vor Corona auf der Straße. Aber damals hätten auch alle Angst vorm Kalten Krieg gehabt. "Diese Einstellung brauchst du, anders kannst du hier nicht überleben." Und Inge will noch ein bisschen überleben.

Am Abend kommt ein Junge mit schweren Lidern an der Herberge am Stintfang an. Er heißt Khalid, ist afghanischer Flüchtling und wird hier zum ersten Mal seit sechs Nächten Schlaf finden. Auch seine Geschichte ist voller Verzweiflung und Ausweglosigkeit. In dieser Nacht aber wird ihn zumindest der Regen nicht kümmern, der von draußen an sein Fenster prasselt, so wie an die Fenster von Jochen, Olegs und den anderen Obdachlosen.

Zumindest in dieser Nacht kann ihnen wenigstens der Regen egal sein.


Aus: "Obdachlosigkeit in der Corona-Krise: Die toten Kollegen" Marlene Knobloch (14. März 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/obdachlosigkeit-corona-krise-pandemie-armut-strassenleben-tote/komplettansicht (https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/obdachlosigkeit-corona-krise-pandemie-armut-strassenleben-tote/komplettansicht)

QuotePeleador #20

Danke für den schonungslosen und zugleich liebevollen Blick auf einzelne Menschen, auf die kaum einer schaut. ...


QuoteWaltraud Gundlach #20.1

Ich denke auch nicht, daß niemand auf diese Menschen schaut. Es ist sehr schwer, jemanden zu helfen, der nicht die Kraft aufbringt, mitzumachen. Da hilft dann eben nur Kältebus, Essen ausgeben, Arzt anbieten.

Wer selbst alkoholabhängige Väter oder Mütter als Kind erlitten hat, der sieht diese Krankheit, auch mit noch soviel Liebe, als endlosen Schmerz für jene, die nicht helfen können und dies mitertragen müssen.


Quoteratzeputz le Grand #21

In Hamburg geht das schon seit sehr vielen Jahren so.
Die Stadt der meisten Reichen und es gibt womöglich die meisten leerstehenden
Bürogebäude in dieser Stadt. Mehr muss man fast nicht sagen.

Was in diesem Artikel nicht erwähnt wird:
Die Notunterkünfte sind eher Schlafplätze als ein Ort wo man mal etwas Ruhe
finden kann. Die Leute müssen jeden morgen wieder auf die Strasse, egal ob krank oder Schneesturm, und dürfen erst gegen Abend wieder kommen.
Schon vor der Pandemie war es alles andere als menschenwürdig.


QuoteKoronbock #2

Na ja, manchmal ist es wirklich schwer, diesen Menschen zu helfen. Ich habe früher beim Roten Kreuz mitgeholfen, Obdachlose zu betreuen. Lieder war es manchmal so, dass wir mit Aggression und totaler Verweigerung "begrüßt" wurden. Nicht, dass das die Norm war.
Aber es gibt Obdachlose, die wollen einfach nicht, dass man ihnen hilft, sind stur wie Panzer. Da läuft jedes Hilfsangebot ins Leere. Das gehört auch zur Wahrheit.


QuoteKeine Macht den Verschwörugnsmythen #2.2

Wenn noch eine F-Diagnose ins Spiel kommt, sprich psychische Erkrankung, ist es allerdings auch mit dem Helfenlassen nicht so leicht, wie es nach außen erscheint. Oder auch, weil man mit der Gesellschaft innerlich abgeschlossen hat, was ich mir gut vorstellen könnte bei Menschen, die mehrere Jahre auf der Straße gelebt haben.


Quotejoaber #2.4

"Selbst wenn die Stadt Unterkünfte anbietet, werden die kaum genutzt."

Also mir hat zumindest mal einer erzählt, er würde immer mal wieder in den Unterkünften von Leidensgenossen beklaut werden. Und deswegen nicht mehr dort hin gehen. Er und zwei andere zogen die warmen Abluft-Schächte unserer Firma "hinten" vor.


QuoteMiami-HH #2.5

Das ist absolut richtig.

Ein EX Kollegen meiner Frau war auch "abgerutscht"
War schon immer der Flasche zugeneigt, dann ging die Frau, wenig später der Job und Sie traf ihn im Park mit "Kollegen"
Meine Frau, in der Zwischenzeit als Freelancer Selbständig gemacht, bot ihm an Aufträge zuzuschustern,
Oh ja toll ich melde mich bei dir.
Jahre später auf der Platte verstorben.
Hatte keine Kinder, keine Eltern mehr, keinen Halt gefunden.
Furchtbar.


QuoteDerax #2.6

Ich habe/arbeite schon lange im Gesundheit System. Obdachlose sind arme nette Menschen/Patienten aber ab einem gewissen Level kann man Ihnen von unserer Seite nicht helfen.


Quotenichtimmerdanurmanchmal #2.7

Ja, das stimmt wohl. Aber zur Wahrheit gehört es auch, dass Politik und Gesellschaft diese Menschen egal sind,bzw sie in Augen vieler nicht als Menschen existieren.


QuoteFitnesstante #6

Zur Obdachlosigkeit in diesem Land führen nie äußere Rahmenbedingungen allein, sondern immer nur ergänzt durch einen zentralen Faktor: Psychische Erkrankungen. Zu letzteren zählt auch Alkoholismus.
Das macht es nicht weniger traurig.


QuoteFakten bitte #6.2

Anstatt Vorurteile zu bedienen sollten Sie sich mit den Betroffenen unterhalten. Immer wieder erzählen diese wie Sie obdachlos geworden sind weil Sie Ihren Job verloren und die Miete nicht mehr zahlen konnten. Seit Hartz-IV geht dies sehr schnell. Jeder ist dem Risiko von Sanktionen ausgesetzt die zu Obdachlosigkeit führen können.
Diesen dann auch noch die Verantwortung in Form von Vorurteilen über zu stülpen stellt aus meiner Sicht eine völlige Ignoranz gegenüber der Realtiät dar.
Und dies gilt in beide Richtungen. Sie bedienen nicht nur Vorurteile gegenüber Obdachlosen, sondern auch gegenüber psychischen Erkrankungen.


Quoteatlantik #7

Warum hat es der Staat nicht geschafft, für die Obdachlosen für die Dauer des Lockdowns ein Teil der leeren Hotels anzumieten?
Da wäre sowohl den Hotelbesitzern als auch den Obdachlosen geholfen gewesen.


Quoteatlantik #7.3

"Du hättest alle Hotels der Stadt aufmachen können, Leute wären trotzdem gestorben."

Aber mit größter Wahrscheinlichkeit weniger und für die anderen wäre es wenigstens für einen kurzen Zeitraum weniger Elend gewesen.

"Auch in Hotels hätten Regeln gegolten, halten sich viele Obdachlosen nicht daran?"

Ist das so? Oder ist das ein Vorurteil?


QuoteYoginiMuffin #7.4

Nein, es ist zu vermuten, dass nicht alle mitmachen. Es gibt auch rollende Suppenküchen für Obdachlose und mobile Ärzteteams, und die halten IMMER in Frostnächten Zimmer vor, nicht selten sogar Einzelzimmer in Jugendherbergen oder Pensionen. Doch circa die Hälfte der Angesprochenen nimmt das Angebot nicht an. Die Gründe sind vielschichtig, aber zwingen kann man eben nicht.


Quotelassteskrachen #7.8

Es gibt auch Regeln in Obdachlosenunterkünften, so zB kein Alkohol und keine Drogen. Es ist wohl kein Vorurteil, wenn Süchtige hier die Hilfe nicht annehmen.
In Stuttgart hat eine Pension für Obdachlose geöffnet, allerdings werden hier eher unproblematische Fälle untergebracht.


QuoteClemensinhh #14

Die Wohnungsnot ist ein gewollter Zustand. Und somit ist auch die Obdachlosigkeit ein gewollter Zustand. Die Lobbyarbeit der Immobilien Branche ist wirklich sehr erfolgreich gewesen. Sie haben es geschafft diesen Zustand als einen Natürlichen erscheinen zu lassen. Wir sind wirklich alle sehr, sehr dumm, das wir uns das schon so lange gefallen lassen.


Quotemenschhj #15

Ohne das Ehrenamt wäre die Not sehr viel schlimmer. Kein Ruhmesblatt für die staatlichen Institutionen.


QuoteJebussss #16

Wenn ich am Hauptbahnhof vorbei Fahre und die Obdachlosen vor den Türen der Theater schlafen, mit dünnen Schlafsäcken, bei -10 Grad in der Nacht. Da habe ich mir schon gedacht, dass dies nicht alle Überleben werden.

Es gibt Unterkünfte, viele Obdachlose nehmen diese nicht wahr, aus Angst beklaut oder verprügelt zu werden.


QuoteDardix #16.1

Nicht nur das, einige nutzen auch die Unterkünfte nicht, weil dort ihre Hunde nicht mit reindürfen. Und das ist oft das Einzige, was sie noch haben.


Quoter.schewietzek #24  —  vor 2 Stunden

So macht es übrigens Finnland.


Soziale Gerechtigkeit: "Straßenobdachlosigkeit gibt es in Finnland nicht mehr"
In Finnland ist die Obdachlosigkeit gesunken wie sonst nirgends. Denn jeder Bürger bekommt dort eine Wohnung vom Staat. Könnte das auch in Deutschland funktionieren?
Interview: Elisabeth Kagermeier 1. März 2018
Juha Kaakinen: In Finnland sinkt die Obdachlosigkeit seit den Achtzigern, weil Regierung und NGOs sehr eng zusammenarbeiten. Außerdem ist in der finnischen Gesellschaft tief verankert, dass wir uns um alle kümmern müssen und keiner zurückgelassen wird. Ich denke, jeder Mensch hat ein Grundrecht darauf, einen anständigen Ort zum Leben zu haben.
Aber bis vor zehn Jahren haben wir die Gruppe der Langzeitobdachlosen, die auf der Straße leben, nicht erreicht. Damals gab es vor allem in der Metropolregion Helsinki viele Menschen, die auf der Straße lebten. In einem Park hatten sich Obdachlose kleine Dörfer aus Zelten und Hütten zwischen den Bäumen gebaut und dort in ärmlichen Verhältnissen gelebt.
Jetzt, zehn Jahre später, sieht man in Finnland keine Obdachlosen mehr, wenn man durch die Straßen läuft. Es gibt immer noch Leute, die keine eigene Wohnung haben und zum Beispiel bei Freunden unterkommen. Aber das Phänomen der Straßenobdachlosigkeit gibt es in Finnland nicht mehr.
ZEIT ONLINE: Woran liegt das?
Kaakinen: Wir haben das Prinzip umgedreht: Normalerweise müssen Obdachlose erst ihr Leben auf die Reihe kriegen, um wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. Wir machen das andersherum. Wir geben ihnen eine dauerhafte Wohnung, damit sie ihr übriges Leben wieder in den Griff kriegen können. ...

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/finnland-soziale-gerechtigkeit-grundwohnen-juha-kaakinen-interview (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/finnland-soziale-gerechtigkeit-grundwohnen-juha-kaakinen-interview)

Vielleicht sollte Deutschland bzw. die deutschen Kommunen das Konzept mal übernehmen.


QuoteGimmeldinger #27

Unerklärlich und nicht nachvollziehbar wie menschlich kalt diese Stadt sein kann, obwohl wegen Corona tausende Zimmer in Hotels, Pensionen und Kasernen leer stehen.


Quoteoisisblues_muc #30

Jeder, der hier die Unterbringung in Hotels fordert, möge sich fragen, ob er sein eigenes Hotel dafür vermieten würde. Obdachlose rauchen häufig, haben Alkoholprobleme oder psychische Krankheiten, oder einen Hund.
Schon mal an der Rauch - und Tierverbot in den Hotels gedacht? Wenn jemand wochenlang in einem Hotelzimmer raucht, kann man das danach generalsanieren.
Und liest man, welche Probleme Obdachlose oftmals habe, glaube ich nicht so recht daran, dass das mit dem Nichtrauchen oder -trinken in einem Hotelzimmer funktionieren würde.

Wenn es so einfach wäre, warum finden sich unter den Kommentatoren keine, die einen freien Raum im Winter einem Obdachlosen zur Verfügung stellen?


QuoteMr Pro Evens #28

Einige Kommentare sind wirklich schwer zu ertragen. Ich empfehle jeden, der/die meint, weitergehende Einschätzungen über Obdachlosigkeit zu treffen, einen Realitätscheck. Sprecht mit den betroffenen Menschen! Falls die Hemmungen dafür zu groß sein sollten, empfiehlt sich ein Stadtrundgang der anderen Art:

Hamburg hat viele Seiten – unsere Stadtführer zeigen auf dem Rundgang ,,Hamburger Nebenschauplätze" ein ganz anderes Gesicht der Hansestadt. Harald und Chris führen viele Neu­gierige durch die Innen­stadt, wie sie kaum einer kennt. Sie möchten, dass die Menschen erfahren, wie Wohnungslose leben.
Jetzt Termin buchen
https://www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang/ (https://www.hinzundkunzt.de/stadtrundgang/)


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Title: [Hunger / Armut... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 23, 2021, 05:31:01 PM
Quote[...] Rom – Die Vereinten Nationen warnen vor dem Anstieg des akuten Hungers in mehr als 20 Ländern weltweit. Extreme Wetterlagen, Heuschreckenplagen, politische Konflikte und die Corona-Pandemie könnten die Ernährungssituation von vielen Millionen Menschen in den kommenden Monaten drastisch verschlechtern, wie die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und das Welternährungsprogramm WFP am Dienstag in Rom in einem Bericht feststellten.

"Wir sehen, wie sich eine Katastrophe vor unseren Augen entwickelt", erläuterte WFP-Direktor David Beasley aus den USA. Besonders kritisch sei die Lage der notleidenden Menschen im Bürgerkriegsland Jemen, im Südsudan und im Norden Nigerias.

Obwohl der Großteil der betroffenen Krisenländer in Afrika liegt, dürfte der akute Hunger nach der UN-Prognose auch in vielen anderen Regionen der Welt stark wachsen. Genannt werden etwa Afghanistan, Syrien, Libanon sowie der Karibikstaat Haiti.

Über 34 Millionen Menschen haben nach UN-Angaben schon jetzt mit so starker Unterernährung zu kämpfen, dass der Hungertod nicht mehr weit ist. "Es ist unsere Aufgabe, sofort zu handeln und schnell vorzugehen, um Leben zu retten, den Lebensunterhalt zu sichern und das Schlimmste zu verhindern", forderte der aus China stammende FAO-Chef Qu Dongyu. "In vielen Regionen hat die Pflanzsaison gerade erst begonnen oder steht kurz vor dem Start." Es sei ein Wettlauf gegen die Zeit. (APA, 23.3.2021)


Aus: "Der akute Hunger wächst in mehr als 20 Ländern, 34 Millionen Menschen bedroht" (23. März 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000125289575/der-akute-hunger-waechst-in-mehr-als-20-laendern-34 (https://www.derstandard.at/story/2000125289575/der-akute-hunger-waechst-in-mehr-als-20-laendern-34)
Title: [Armut ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on September 22, 2021, 08:52:37 PM
Quote[...] Laut Berechnungen des europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) können fast drei Millionen Menschen in Europa ihre eigenen vier Wände nicht richtig heizen, obwohl sie einen Job haben. Rund 2,7 Millionen Menschen – das entspricht 15 Prozent der Europäer in der sogenannten Erwerbsarmut – fehle das nötige Geld für die Heizkosten, so der europäische Dachverband der Gewerkschaften.

»Es gibt Millionen unterbezahlter Arbeiter in Europa, die sich entscheiden müssen, ob sie ihre Häuser heizen, ihre Familie ernähren oder ihre Miete zahlen können, obwohl sie einen Vollzeitjob haben«, sagte EGB-Generalsekretärin Esther Lynch. Durch steigende Energiepreise werde das Problem noch größer.

Für die Analyse [https://www.etuc.org/en/pressrelease/low-wages-leave-3-million-workers-without-heating (https://www.etuc.org/en/pressrelease/low-wages-leave-3-million-workers-without-heating)] wertete der Gewerkschaftsbund entsprechende Daten des europäischen Statistikamts aus. Als armutsgefährdete Erwerbstätige (»Working Poor«) gelten dabei Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Lohns in einem Land verdienen.

Von dem Problem sind nicht alle Länder in der EU gleichermaßen betroffen. So sei in Zypern fast jeder zweite armutsgefährdete Erwerbstätige nicht in der Lage, adäquat zu heizen, so der EGB – gefolgt von Bulgarien (42,8 Prozent), Litauen (34,5 Prozent) und Portugal (30,6 Prozent). In Deutschland liegt die Quote der von Armut bedrohten Erwerbstätigen, die nicht ausreichend heizen können, dagegen lediglich bei 7,9 Prozent.

Strom und Gas sind in Europa derzeit so teuer wie nie – und dürften auch wegen Maßnahmen zum Klimaschutz noch teurer werden. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Bei der Energiewende müsse man sicherstellen, dass der verletzlichste Teil der Bevölkerung nicht den höchsten Preis bezahle, sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans vor rund einer Woche.

Der Gewerkschaftsbund forderte die EU nun dazu auf, in eine geplante Richtlinie zum Mindestlohn eine »Schwelle des Anstands« einzuführen, damit den Menschen genügend Geld zum Heizen bleibt. So liege der Mindestlohn in 20 europäischen Staaten unter der Armutsschwelle.

mic/AP


Aus: "Fast drei Millionen Europäern fehlt das Geld zum Heizen – trotz Arbeit" (22.09.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/erwerbsarmut-fast-drei-millionen-europaeern-fehlt-trotz-eines-jobs-das-geld-zum-heizen-a-2f64be16-bdd1-4731-9290-e2bfbe4678d7 (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/erwerbsarmut-fast-drei-millionen-europaeern-fehlt-trotz-eines-jobs-das-geld-zum-heizen-a-2f64be16-bdd1-4731-9290-e2bfbe4678d7)

Quotewasnu

"lediglich bei 7,9 Prozent"

Geht es noch zynischer?


QuoteDank an all die Parteien, die den Mindestlohn stets bekämpfen und jede Erhöhung zu verhindern versuchen. Motto: kauft euch Pullis, das wärmt und kurbelt die Wirtschaft an...


Quotefinde ich sehr erstaunlich, Heizkosten (heize mit Gas) gehoeren eigentlich zu den absoluten Peanuts. Wer nicht mal das bezahlen kann hat sicher noch ganz andere Probleme.



QuoteMan merkt, sie sind Kälte gewohnt.

QuoteIn Europa leben etwa 750 Millionen Menschen. Da sind die 3 Millionen eigentlich eine zu vernachlässigende Größe. ...


etc.

Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 14, 2021, 12:35:12 PM
Quote[...] Die Welthungerhilfe hat vor einer Zunahme von Hungersnöten gewarnt. Generalsekretär Mathias Mogge sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): ,,Wir sind dramatisch vom Kurs Zero Hunger bis 2030 abgekommen, denn der Hunger ist wieder auf dem Vormarsch."

Aktuell hungerten rund 811 Millionen Menschen weltweit, und 41 Millionen stünden kurz vor einer Hungersnot. ,,Der aktuelle Welthungerindex zeigt, dass 47 Länder noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau bis 2030 erreichen werden", sagte er.

Die Welthungerhilfe stellt an diesem Donnerstag in Berlin offiziell den sogenannten Welthungerindex 2021 vor. Der internationale Bericht ermittelt die weltweite Hungersituation und soll zeigen, wo Fortschritte zu verzeichnen sind und in welchen Ländern der größte Handlungsbedarf besteht.

Mogge sagte dem RND: ,,Die Welthungerhilfe fordert politische Initiativen, um die Konflikte weltweit einzudämmen, finanzielle Anstrengungen, um den akuten Hungersnöten zu begegnen." Zudem seien verbindliche Vereinbarungen auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz in Glasgow zur Bekämpfung des Klimawandels nötig.

Die Ernährungslage verschlechtere sich wegen der vielen verschiedenen Krisen. Mogge nannte Kriege und Konflikte, den Klimawandel sowie die Folgen der Corona-Pandemie. Gewaltsame Konflikte hätten in den vergangenen Jahren wieder zugenommen. Sie seien einer der größten Hungertreiber. ,,Wo Krieg herrscht, werden Ernten, Felder sowie Infrastruktur zerstört und fliehen Menschen aus ihren Dörfern."

Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller schlägt Alarm. ,,Die Folgen der Corona-Pandemie und viele Konflikte haben in den letzten Jahren zu einer negativen Trendwende geführt: Millionen Menschen stehen ohne Arbeit auf der Straße, Versorgungsketten sind unterbrochen, Lebensmittelpreise steigen", sagte der CSU-Politiker der ,,Augsburger Allgemeinen". ,,130 Millionen Menschen sind so in Hunger und Armut zurückgefallen", betonte der Minister. Der Klimawandel verschärfe die Lage.

,,Wir müssen Hunger- und Armutsbekämpfung endlich als vorausschauende Friedenspolitik verstehen - und ganz oben auf die Agenda der Weltpolitik setzen", forderte Müller vor dem Welternährungstag am 16. Oktober. Er verwies auf 15.000 Kindern, die jeden Tag verhungern. ,,Das ist ein unglaublicher Skandal". Müller fügte hinzu: ,,Hunger ist Mord, denn wir haben das Wissen und die Technologie, alle Menschen satt zu machen."

Eine Welt ohne Hunger sei grundsätzlich möglich, machte Müller deutlich. ,,Mit rund 40 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für eine nachhaltige Ernährungs- und Landwirtschaft durch die Industrieländer, Privatwirtschaft und Entwicklungsländer kann der Hunger bis 2030 besiegt werden." (dpa)


Aus: "Mehr als 800 Millionen Menschen betroffen: ,,Der Hunger ist wieder auf dem Vormarsch"" (14.10.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/mehr-als-800-millionen-menschen-betroffen-der-hunger-ist-wieder-auf-dem-vormarsch/27704854.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/mehr-als-800-millionen-menschen-betroffen-der-hunger-ist-wieder-auf-dem-vormarsch/27704854.html)
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 21, 2021, 09:19:39 AM
Quote[...] Kaktusblätter, mit dem Messer von den Stacheln befreit und kurz angedünstet – das ist alles, was Bole ihren drei Kindern schon seit Monaten zu essen bieten kann. Ihr Mann sei kürzlich gestorben, genau wie ihre Nachbarn, um deren zwei Kinder sie sich jetzt auch noch kümmern muss. ,,Was soll ich sagen?", fragt die kaum 30-jährige Mutter ein Team des Welternährungsprogramms (WFP). ,,Wir sind den ganzen Tag damit beschäftigt, noch irgendwo Kaktusblätter zu finden, Tag für Tag und Woche für Woche."

Der Boden im Dorf Fandiova im Süden Madagaskars ist zu feinem Staub zerbröselt. Bäche und Seen sind ausgetrocknet, Kühe und Ziegen gestorben. Außer Kaktusblüten nehmen die Menschen auch Heuschrecken, Tamarindensaft oder gar Lehm zu sich, um überhaupt etwas im Bauch zu haben.

Kinder gehen längst nicht mehr zur Schule, weil sie bei der Nahrungssuche helfen müssen. Einige Familien würden sogar ihre Mädchen zur Heirat verkaufen, berichtet Mialy Radrianasolo von Unicef – um so zu etwas Geld zu kommen und einen Magen weniger füllen zu müssen.

Inselbewohner, die nicht weit über 40 Jahre alt sind, können sich an ähnliche Zustände nicht erinnern. Zuletzt soll es zu Beginn der 60er Jahre eine ähnlich lange und schwere Dürre gegeben haben. Nach WFP-Erhebungen sind bereits 1,14 Millionen Madagassen auf Lebensmittelhilfe angewiesen, mehr als 135.000 Kinder sollen akut unterernährt sein.

Falls der Regen auch im kommenden halben Jahr ausbleibt, werde eine weitere halbe Million Kinder Hunger leiden, sagt WFP- Sprecherin Alice Rahmoun. ,,Dann droht 28000 Menschen der Hungertod." Schon heute ist die Hälfte aller madagassischen Kinder wegen mangelnder Ernährung von Entwicklungsstörungen betroffen.

Fachleute nennen die sich anbahnende Katastrophe ,,die erste von der Klima-Erwärmung erzeugte Hungersnot". Tatsächlich sind Dürren auf Madagaskar nicht ungewöhnlich. Doch so hartnäckig wie diesmal blieb der Regen in dem Land von der Größe Frankreichs bisher nicht aus. Eine Folge der Erwärmung der Meere, davon ist der US-Klimaforscher Chris Funk überzeugt.

Sowohl der Anstieg der Temperatur im Indischen Ozean wie im Pazifik – und die damit zusammenhängenden Klimaphänomene El Niño und La Niña – seien für das Ausmaß der derzeitigen Dürre verantwortlich. Erwärmte Meere führen zu steigenden Temperaturen, die Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf.

Dadurch verringert sich der Niederschlag. Nach Funks Worten kam es seit 2014 mit nur einer Ausnahme jedes Jahr entweder zu einem El Niño oder einer La Niña. Die vergangenen sechs Jahre zählten zu den trockensten Madagaskars seit 1981.

Die fatalen Auswirkungen des ausbleibenden Niederschlags wurden durch andere Eingriffe der Menschen verschlimmert. Schon in den 20er und 30er Jahren sorgte die französische Kolonialmacht durch das Anlegen riesiger Plantagen für eine immense Entwaldung der Insel.

Das hohe Bevölkerungswachstum (von fünf Millionen im Jahr 1960 auf 27 Millionen heute) setzte den verheerenden Trend fort. Schließlich wirkte sich auch die derzeitige Pandemie katastrophal aus: Ein Einreiseverbot für Touristen brachte den zweitwichtigsten Wirtschaftssektor Madagaskars zum Erliegen.

Kurzfristig könne dem ausbleibenden Regen nur mit einer verbesserten Nutzung des Niederschlags begegnet werden, sagen Experten. Das wenige Regenwasser müsse gesammelt und in Reservoirs aufbewahrt werden. Kein wirklicher Trost für die mehr als eine Millionen Madagassen, die heute Hunger leiden. Sie sind auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Und dass endlich wieder Regen fällt.

Aber danach sieht es nicht aus. Experten gehen davon aus, dass auch in der jetzt eigentlich beginnenden Regenzeit die Niederschläge nur dürftig ausfallen werden, wenn nicht gar ausbleiben. Das heißt, die nächsten Ernten sind ebenfalls extrem gefährdet – die Hungersnot könnte sich somit drastisch verschärfen. Dabei beginnen ohnehin mit der Zeit zwischen den Ernten die ,,mageren Monate", in denen es an lebenswichtigen Ressourcen oft mangelt.

Dieses Szenario alarmiert die Helfer. Sie bereiten sich deshalb darauf vor, dass die Unterstützung rasch und massiv ausgedehnt werden muss, um den Menschen das Überleben zu sichern. So rechnet man beim UN-Welternährungsprogramm damit, dass sehr bald sehr viel mehr Menschen als bisher auf Nahrungsmittelrationen angewiesen sein werden. Heute versorgt WFP eigenen Angaben zufolge 370.000 Menschen mit Essen.

Die Organisation der UN stellt sich aber darauf ein, dass diese Zahl ab Dezember auf gut 600.000 steigt, später womöglich gar auf eine Million. Diese Ausweitung der Hilfe bedeutet eine enorme logistische Herausforderung. So müssen zum Beispiel Lieferketten organisiert und Vorräte eingekauft werden. Das alles kostet viel Geld und Zeit. Zeit, die viele Menschen auf Madagaskar womöglich nicht mehr haben.


Aus: "Wenn der Klimawandel in den Hunger treibt"  Christian Böhme,  Johannes Dieterich (19.10.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/not-auf-madagaskar-wenn-der-klimawandel-in-den-hunger-treibt/27719054.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/not-auf-madagaskar-wenn-der-klimawandel-in-den-hunger-treibt/27719054.html)

Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 28, 2021, 12:16:48 PM
Quote[...] Einer neuen Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge hat die Armutsquote in Deutschland in der Pandemie ein Rekordhoch erreicht. 16,1 Prozent der Bevölkerung - das entspricht 13,4 Millionen Menschen - müssten zu den Armen gerechnet werden, heißt es in dem Bericht mit dem Titel "Armut in der Pandemie".

Das sei ein neuer trauriger Rekord, sagte Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider. Die aktuellen Daten fügten sich in das Bild der letzten Jahre ein: Es lasse sich ein stetiger Trend erkennen, der auch 2020 nicht gebrochen zu sein scheine. 2006 betrug die Quote noch 14,0 Prozent.

Als arm gilt jede Person, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. Dabei handelt es sich um das gesamte Nettoeinkommen des Haushaltes inklusive Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, anderer Transferleistungen oder sonstiger Zuwendungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband folgt damit der in der EU verwendeten Definition von relativer Armut im Verhältnis zum Lebensstandard in einem Land.

Dass das ganz große Beben in der Armutsstatistik trotz Pandemie ausgeblieben sei, habe unterschiedliche Gründe, erläuterte Schneider. Rund vier Fünftel der Bevölkerung waren 2020 nicht von corona-bedingten Einkommensverluste betroffen, nämlich Rentnerinnen und Rentner, Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes. Andere lebten als Niedrigeinkommensbeziehende ohnehin bereits unter der Armutsschwelle.

Dass die Armutsquote verglichen zum Jahr 2019 "nur" um 0,2 Prozentpunkte gestiegen ist, ist laut Schneider vor allem ein Hinweis darauf, dass die rasch ergriffenen Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern wirkten. Insbesondere das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld bewahrten laut dem Geschäftsführer viele Menschen in dieser Krise ganz offensichtlich vor dem Fall in die Einkommensarmut.

Dem Bericht zufolge sind insbesondere die Erwerbstätigen die Einkommensverlierer der Corona-Krise - vor allem die Selbstständigen. "Zählte die Mikrozensus-Erhebung 2019 unter den Erwerbstätigen insgesamt 8,0 Prozent und unter den Selbständigen 9,0 Prozent Arme, kommt die neue Erhebung auf 8,7 Prozent bei den Erwerbstätigen und sogar 13 Prozent bei den Selbstständigen."

Am meisten von der Armut betroffen seien dabei nach wie vor insbesondere Haushalte mit drei und mehr Kindern (30,9 Prozent) sowie Alleinerziehende (40,5 Prozent). Erwerbslose Personen (52 Prozent) und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen (30,9 Prozent) seien ebenfalls stark überproportional betroffen. Das Gleiche gelte für Menschen mit Migrationshintergrund (27,9 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,8 Prozent).

Im Ländervergleich zeigt sich den Angaben zufolge, dass sich der Wohlstandsgraben zwischen Bayern und Baden-Württemberg einerseits und dem Rest der Republik verfestigt und zum Teil sogar vertieft hat. Kommen die beiden süddeutschen Länder demnach auf eine gemeinsame Armutsquote von 12,2 Prozent, sind es für die übrigen Bundesländer gemeinsam 17,7 Prozent.

Der Abstand zwischen Bayern (11,6 Prozent) und dem am schlechtesten platzierten Bundesland Bremen (28,4 Prozent) beträgt mittlerweile 16,8 Prozentpunkte. Mit außerordentlich hohen Armutsquoten von um die 20 Prozent fallen auch Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt auf.

"Einmal arm, immer arm - das ist für immer mehr Menschen eine reale Bedrohung", sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa vor der Veröffentlichung des Armutsberichts. Die Pandemie habe lange angelegte Armutsrisiken sichtbar gemacht.

Laut Welskop-Deffaa brauche es Angebote, "die Menschen unverzüglich helfen, wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - in eine Lebenskrise geraten". Eine im Lebenslauf verfestigte Armut dürfte nicht hingenommen werden.


Aus: "13,4 Millionen Menschen leben in Armut" (16.12.2021)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/armut-deutschland-paritaetischer-wohlfahrtsverband-101.html (https://www.tagesschau.de/inland/armut-deutschland-paritaetischer-wohlfahrtsverband-101.html)
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on February 16, 2022, 11:12:23 AM
Quote[...] Der Chef des Welternährungsprogramms (WFP) der Vereinten Nationen, David Beasley, befürchtet schlimme Folgen der Pandemie. Seiner Meinung nach droht die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Als er im April 2017 sein Amt antrat, seien bereits 80 Millionen Menschen "dem Hungertod entgegen gegangen", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Vor zwei Jahren, direkt vor Ausbruch der Pandemie, sei die Zahl bereits auf 135 Millionen gestiegen. Die größten Treiber seien damals Konflikte und der Klimawandel gewesen. Inzwischen aber habe sich die Zahl auf mehr als 285 Millionen noch mal mehr als verdoppelt. Ursachen seien inzwischen zusätzlich zu den bestehenden Faktoren fortwährende wirtschaftliche Probleme und die Unterbrechung von Lieferketten aufgrund der Pandemie.

Unter die von ihm genannten Zahlen fasst Beasley alle Menschen, die nach der weltweit einheitlichen Einstufung auf der internationalen fünfstufigen Krisenskala in die Stufen drei bis fünf fallen. Das sind jene, die unter ernster akuter Unterernährung leiden (Stufe 3), einer ernsten Notsituation ausgesetzt sind, in der sie oft nicht wissen, woher sie ihre nächste Mahlzeit bekommen (Stufe 4) oder von einer akuten Hungersnot betroffen sind, in der mindestens 30 Prozent der Bevölkerung trotz humanitärer Hilfe akut unterernährt sind (Stufe 5).

Besonders besorgniserregend ist laut dem WFP-Direktor, dass derzeit 45 Millionen Menschen in mehr als 40 Ländern von einer akuten Hungersnot bedroht sind. Auf der Krisenskala entspricht das der Stufe vier.


Aus: "45 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht" (16. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-02/hunger-un-welternaehrungsprogramm-bedrohung-pandemie (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-02/hunger-un-welternaehrungsprogramm-bedrohung-pandemie)

Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 06, 2022, 03:56:45 PM
Quote[...] Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat vor einer Hungerkrise immensen Ausmaßes in Afrika gewarnt. Demnach leidet bereits mehr als jeder vierte Mensch auf dem Kontinent unter "alarmierendem" Hunger. Das betreffe etwa 346 Millionen Menschen, teilte das IKRK mit. Zudem werde die Zahl der Hungernden in den kommenden Monaten weiter zunehmen, hieß es. Diese Entwicklung bleibe angesichts des Ukraine-Kriegs und anderer Krisen aber "weitgehend unbemerkt".

Die Hungerkrise betrifft den Angaben zufolge weite Teile des Kontinents, von dürregeplagten Ländern wie Somalia und Äthiopien im Osten bis nach Mauretanien und Burkina Faso im Westen. Die schreckliche Notlage der Zivilbevölkerung in der Ukraine dürfe die weltweite Aufmerksamkeit nicht von anderen Krisen wie der Hungerkrise in Afrika ablenken, sagte der Leiter der internationalen Einsätze des IKRK, Dominik Stillhart. "Wir weiten unsere Einsätze aus, um so vielen Menschen wie möglich zu helfen, aber die Zahl der Menschen, die ohne Nahrung und Wasser auskommen müssen, ist erschütternd", sagte Stillhart.

Allein am Horn von Afrika, dem östlichsten Teil des Kontinents, sind wegen der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten Millionen Menschen von schwerem Hunger bedroht. Nach UN-Angaben von Januar sind allein im Osten und Süden Äthiopiens mehr als sechs Millionen Menschen auf Hilfslieferungen angewiesen.

Westafrika steht nach Angaben elf internationaler Hilfsorganisationen vor der schlimmsten Nahrungsmittelkrise seit zehn Jahren. Demnach hat sich die Zahl der Menschen in der Region, die dringend auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind, durch interne Konflikte, Dürren, Überschwemmungen und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie seit 2015 fast vervierfacht. Statt sieben seien mittlerweile 27 Millionen Menschen davon betroffen. Bis Juni könne diese Zahl auf 38 Millionen Menschen ansteigen, hieß es.

"Die Getreideproduktion in Teilen der Sahel ist gegenüber dem Vorjahr um rund ein Drittel gesunken", sagte Assalama Dawalack Sidi, Regionaldirektorin der Hilfsorganisation Oxfam. Die Lebensmittelpreise in Westafrika seien um 30 Prozent gestiegen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten in diesem Jahr 6,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren in der Region akut unterernährt sein. Mitte der Woche findet eine Geberkonferenz für die Sahelzone statt.

Das Rote Kreuz befürchtet zudem, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die ohnehin schwierige Situation in Afrika weiter verschlimmern könnte. Der Krieg habe bereits zu steigenden Lebensmittel- und Treibstoffpreisen und zu Unterbrechungen der Lieferketten beigetragen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie verstärkt, hieß es. Das IKRK braucht für seine humanitäre Hilfe in Afrika in diesem Jahr den Angaben nach eine Milliarde Euro – 800 Millionen fehlen noch.


Aus: "Laut Rotem Kreuz fast 350 Millionen Hungernde in Afrika" (5. April 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-04/afrika-hungerkrise-ukraine-krieg-corona (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-04/afrika-hungerkrise-ukraine-krieg-corona)
Title: [Armut ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 17, 2022, 10:56:14 AM
Quote[...] Der Ostbeauftragte Carsten Schneider hat jüngst einen Vorschlag gemacht, der durchaus verlockend klingt. Schneider warb für ein sogenanntes Grunderbe. Die Idee ist einfach: Der Staat schenkt allen Staatsbürger:innen zum 18. Geburtstag 20.000 Euro. Das Geld könnten junge Erwachsene zum Beispiel in ihre Ausbildung stecken. Sie könnten Unternehmen gründen, sich weiterbilden oder ein Vermögen aufbauen. Das Ziel: mehr Chancengleichheit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat berechnet, dass die Einführung eines solchen Grunderbes – und die Finanzierung durch eine Vermögenssteuer – die Vermögensungleichheit im Land abmildern könnte.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Es reicht nicht aus, allein auf die Zahlen zu schauen. Denn die Idee hat einen massiven Haken: Sie verkennt oder ignoriert die Mechanismen, die Ungleichheit langfristig festschreiben – und die Wirklichkeit von Armut.

Ein Grunderbe dürfte in erster Linie für ein Lächeln auf den Lippen von Mittelschichtskindern sorgen, die sich endlich ein eigenes Vermögen aufbauen können. Das ist auch nachvollziehbar, aber Armut fängt nicht erst mit der Volljährigkeit an. Wenn die einen lernen, sich mit eleganten Begriffen, Tischmanieren und einem fein verzierten Lebenslauf zu schmücken, lernen die anderen, arm zu sein.

20.000 Euro zum 18. Geburtstag kommen zu spät, um die langfristigen sozialen Folgen wie Geburtstagskerzen auszupusten. Armut ist nicht einfach nur ein Mangel an Geld. Armut ist eine Fülle an Erfahrungen, Ausgrenzungen, erzwungenen Entscheidungen und antrainierten Verhaltensweisen, die schon früh einen Keil zwischen Betroffene und den Rest der Gesellschaft treiben. Und dieser Keil verschwindet nicht einfach durch ein Grunderbe.

Armut in der Jugend heißt, keinen Kopf für die Englischprüfungen zu haben, weil zu Hause das Geld für die Heizung fehlt – und deshalb den Sprung aufs Gymnasium zu verpassen. Armut heißt, in der Schule "Ich habe keinen Hunger" zu sagen, weil die Kohle für die Mensa fehlt. Armut heißt Sommerferien am Fließband anstelle eines ersten Praktikums, weil Mama und Papa keine Connections haben und ein unterbezahlter Ausflug in die Welt der Selbstverwirklichung einfach nicht drin ist.

Armut heißt, von Kindheitstagen an als Projektionsfläche für die Vorurteile der anderen zu dienen. Armut heißt, von Anfang an die Augen als Bittsteller immer auf den Boden zu richten und sich permanent für die eigene Existenz rechtfertigen zu müssen. Armut heißt auch, nicht als vollwertiger Mensch – und als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft – akzeptiert, sondern im besten Fall geduldet zu werden.

Und Armut heißt Angst. Genauer gesagt: Armut ist Angst. Angst, gekleidet in Preisschilder, Kontoauszüge, Kalenderblätter, Routineuntersuchungen, Alleinsein, Merkblätter und Ausfüllhinweise. Diese Angst geht Hand in Hand mit Gewalt. Gewalt, verschleiert in erzwungenen Entblößungen beim Amt, stumme Blicke und abschätzige Gesten.

Das Gerede von Ungleichheit maskiert diese Erfahrungen viel zu oft und macht sie unsichtbar. Kindheit und Jugend entscheiden darüber, wer in welche Schule einsortiert wird, wie viel kulturelles und soziales Kapital wir anhäufen können und welche Zukunft überhaupt denkbar ist. Es sind diese Jahre, die den Grundstein für die Kluft legen, die später kaum überwindbar zwischen den Klassen klafft. All das lässt sich nicht einfach mit 20.000 Euro zum 18. Geburtstag korrigieren. Die eigene soziale Herkunft ist kein Kleidungsstück, das man von heute auf morgen einfach ablegen kann.

Der US-Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson sagte einmal, das Gegenteil von Armut sei nicht Reichtum, sondern Gerechtigkeit. Wie aber könnte die aussehen? Nun, gegen Armut hilft vor allem eines: Geld. Insofern ist die Idee hinter dem Grunderbe gar nicht verkehrt. 20.000 Euro zur Volljährigkeit aufs Konto wären definitiv ein Anfang – und würden vielen jungen Menschen das Leben erleichtern. Auch jenen, die von Armut betroffen sind. Ihnen könnte das Geld ermöglichen, überhaupt von zu Hause auszuziehen, um zu studieren oder eine Ausbildung an einem anderen Ort zu beginnen. Auch das unbezahlte Praktikum oder ein Auslandssemester wären möglich. Und wer das Geld richtig anlegt, kann sich vielleicht sogar kleine Rücklagen aufbauen. 

Aber: Das Grunderbe soll nicht einfach als Überweisung auf dem Konto auftauchen. Es soll – wie auch immer das in der Praxis aussieht – zweckgebunden funktionieren und dem Vermögensaufbau oder der eigenen Ausbildung dienen. Auch hier gilt wieder: Wer aus einem nachmittagsbesonnten Altbau-Akademiker-Haus kommt, der bringt einen Startvorteil mit; hat wahrscheinlich schon ein Aktiendepot und kann die Vermögensberaterin der Eltern noch schnell um Rat fragen. Wem das alles fehlt, der muss es sich selbst erarbeiten. Und darf sich am Ende, falls der soziale Aufstieg auch mit Grunderbe nicht funktioniert, wahrscheinlich noch anhören, er sei selbst schuld.   

Das heißt: An der strukturellen Ungleichheit dürfte sich wenig ändern: Der Abstand zwischen den Klassen bleibt gleich.

Deshalb müsste man die Idee weiterdenken: Warum das Grunderbe nicht auf jene beschränken, die es auch tatsächlich brauchen? Und wieso sollte der Staat einen solchen Batzen Geld nicht direkt bei Geburt auszahlen? Und später, zum 18. Geburtstag, noch einmal nachlegen. Das würde Ungleichheit von Anfang an bekämpfen. Das Geld dafür wäre da. In Deutschland wird jede Minute rund eine halbe Million Euro vererbt. Dieses Vermögen müsste bloß vernünftig besteuert werden.

Um aber wirklich an einer gerechten Gesellschaft zu arbeiten, braucht es weitere Maßnahmen: ein Bildungssystem, das einen Teil der Gesellschaft nicht schon nach vier Jahren aussortiert. Eine Grundsicherung, die ihren Namen verdient – und nicht davon ausgeht, dass vier Euro für Essen pro Tag ausreichen. Und Gesetze, die für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Zusammen mit einem ordentlich ausgearbeiteten Grunderbe wären das gezielte Maßnahmen, die die Kluft zwischen den Klassen tatsächlich verringern könnten – von Beginn an. 


Aus: "Grunderbe: Reichtum ist nicht das Gegenteil von Armut" Ein Kommentar von Benjamin Hindrichs (17. Mai 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/campus/2022-05/grunderbe-deutschland-armut-ungleichheit (https://www.zeit.de/campus/2022-05/grunderbe-deutschland-armut-ungleichheit)

QuoteDerBesteForist #3

Der Autor hat sicher in vielem Recht. Aber sehr unvollständig ist die Systemkritik, wenn sie denn intendiert war. Armut ist vor allem fehlendes Geld durch schlechte Löhne.
Gering gebildet, ohne Selbstvertrauen, das sind Menschen auch in der Vergangenheit gewesen, ohne Mini-und Dumpinglöhne. Daraus entsteht natürlich auch Angst.

Ansonsten ein Artikel voller Klischees über Arme und Wohlhabende. ...


QuoteXUser #5

Arg polemisch der Artikel. Böse "Reiche", denen alles in den Schoß fällt.
Dem ist bei weitem nicht so. Es gibt nicht schwarz/weiß, sondern unzählige Grauschattierungen. ...


QuoteBunny Lebowski #6

Mit 18 hätte ich bestimmt nicht wenig dieses Geldes in Bier investiert...


QuoteSchlaupilz #20

Interessante Ausführungen, die nicht unbedingt von der Hand zu weisen sind. Vor allem das negative Selbstwertgefühl, das sich von der Kindergartenzeit an, etabliert. Aber: der Sozialstaat hat mittlerweile eine Fülle von Fördermaßnahmen, gerade auch in der Schule und im Kindergarten! für arme, benachteiligte Kinder und Jugendliche geschaffen. Das kann man nicht einfach ignorieren. Schreibt eine Förderschullehrerin nach 35 jähriger Dienstzeit an Förder, - Haupt, - Grund, - und Gesamtschule.


QuoteGast98101-40213 #24

Statt Einmalzahlung zu einem Zeitpunkt,wo viele nicht damit umgehen können, brauchen wir weniger Spreizung der Einkommen bei Erwerbsarbeit

Das hilft gegen Armut

Zusätzlich mehr nicht finanzielle Förderung von Kindern, damit die Armutserfahrung nicht so tief eindringt


Quoteclehmann #28

Die Ungerechtigkeit wird man nie abschaffen können, egal, wie der Staat sich bemüht. Man kann die Menschen nicht vor sämtlichen Folgen ihrer Entscheidungen schützen.
Ein "Grunderbe" bei der Geburt mag für Viele eine Hilfe sein, bei anderen wird es von den Eltern in die Trinkhalle getragen. Schon ist wieder eine neue Ungerechtigkeit geschaffen. ...


...
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on June 14, 2022, 10:23:47 AM
Quote[...] Nach zwei Dürrejahren sind am Horn von Afrika mehr als 18,4 Millionen Menschen von Lebensmittelmangel, Hunger und Unterernährung betroffen. Bis September könnte die Zahl der Betroffenen in Äthiopien, Somalia und Kenia laut UN-Nothilfeprogramm OCHA auf bis zu 20 Millionen steigen. Den Angaben zufolge gelten mehr als 7,1 Millionen Kinder in den betroffenen Regionen als unterernährt, darunter seien etwa zwei Millionen schwer unterernährte Kinder.

Die Lage habe sich auch deshalb zugespitzt, weil wegen Wasser- und Futtermangels rund sieben Millionen Tiere verendet seien, teilte das UN-Programm mit. Für die Nomaden und Halbnomaden in den Dürregebieten bedeutet der Verlust von Rindern, Schafen und Ziegen den Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz. Das Fehlen von Milch habe zudem zur Unterernährung der Kinder beigetragen, hieß es.

Auch der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise am Horn von Afrika. Die ausbleibenden Getreidelieferungen erschweren die Versorgungslage und Hilfsprogramme.

Das OCHA berichtete weiter, dass viele Wasserquellen versiegt seien. Zugleich seien die Preise für Wasserlieferungen seit November um 71 Prozent angestiegen. Der Wassermangel führe zu einer Verschlechterung der hygienischen Bedingungen und mehr gesundheitlichen Problemen. 

Es fehle auch an Hilfen für die Regionen, denn bisher sei nur ein geringer Teil der Mittel aufgebracht worden, damit die Regierungen der betroffenen Länder und Hilfsorganisationen die Folgen der Dürre bekämpfen und den Menschen helfen könnten, teilte das UN-Büro mit. In den kommenden Monaten würden umgerechnet weitere 1,6 Milliarden Euro benötigt.

Wegen der sich verschlechternden Lebensbedingungen haben laut OCHA seit Anfang des Jahres bereits mehr als eine Million Menschen ihre Dörfer verlassen, allein 805.000 Menschen in Somalia. Und ein Ende der Dürreperiode ist derzeit nicht in Sicht: Langfristigen meteorologischen Prognosen zufolge soll auch die im Oktober beginnende nächste Regenzeit keine Abhilfe schaffen.


Aus: "Afrika: Mehr als 18 Millionen Menschen haben zu wenig zu essen" (13. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-06/afrika-aethiopien-somalia-kenia-duerre-nahrungsmittelmangel (https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-06/afrika-aethiopien-somalia-kenia-duerre-nahrungsmittelmangel)
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 14, 2022, 08:05:17 PM
Quote[...] So viele Menschen wie nie zuvor in Deutschland müssen ihre Lebensmittel von den Tafeln beziehen. Eine Umfrage unter den bundesweit 962 Einrichtungen ergab, dass die Zahl der Kundinnen und Kunden seit Jahresbeginn um etwa die Hälfte gestiegen sei, teilte der Dachverband Tafel Deutschland mit. "Damit suchen deutlich über zwei Millionen armutsbetroffene Menschen Unterstützung bei der Ehrenamtsorganisation – so viele wie nie zuvor."

Fast jede fünfte Tafel gab bei einer Umfrage im Juni an, Lebensmittel an doppelt so viele oder noch mehr Menschen als vor einem halben Jahr zu verteilen. Mehr als 60 Prozent der Tafeln verzeichnen einen Zuwachs von bis zu 50 Prozent. Zu den neuen Kunden zählten vor allem Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch viele Arbeitslose, Geringverdiener und Rentnerinnen.

Jede dritte Tafel musste den Angaben zufolge einen Aufnahmestopp einführen. Es fehlten Lebensmittel oder Ehrenamtliche, um allen zu helfen, die nach Unterstützung fragten. "Die Tafeln sind am Limit", sagte der Tafel Deutschland-Vorsitzende Jochen Brühl. "Wir sehen deutlich, dass es den Menschen jetzt am Nötigsten fehlt und rufen weiterhin zu Spenden für die Tafeln auf." Er kritisierte, dass der Staat für die Versorgung der Menschen sorgen müsse – nicht das Ehrenamt.

Der Sozialverband Deutschland forderte die Ampel-Koalition deshalb dazu auf, mit weiteren Entlastungsmaßnahmen gezielt Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen zu unterstützen. Der Hilferuf der Tafeln sei "ein echtes Armutszeugnis für Deutschland".

Die Tafeln sammeln überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern und verteilen diese. Mehr als 60.000 Ehrenamtliche engagieren sich dabei.


Aus: "Mehr als zwei Millionen Menschen suchen Hilfe bei der Tafel" (14. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-07/lebensmittel-tafeln-anstieg-zwei-millionen (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-07/lebensmittel-tafeln-anstieg-zwei-millionen)

QuoteSumtina #2

Wenn man dann noch bedenkt, dass bislang die meisten noch nicht von den erhöhten Energiekosten, sondern rein durch die Teuerung der Lebensmittel dort anstehen, kann man in etwa eine Ahnung bekommen, wie das in ein paar Monaten aussieht. ...


QuoteHeini Huckeduster #2.1

@Sumtima: Dafür können Sie doch kluge Ratschläge im Kommentar 1 lesen!

["Müssen ist ja relativ. In der Regel muss man, weil man das Geld woanders ausgegeben hat. ...."]


QuoteEin Unbekannter #10

Dieses traurige Szenario wird sich im kommenden Halbjahr bestimmt noch verstärken.
Gleichzeitig werden immer noch tonnenweise Lebensmittel weggeworfen, weil es günstiger und einfacher ist. Das wäre ein Punkt den eine Regierung sofort ändern könnte.


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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on July 26, 2022, 12:20:45 PM
"Die Rezession wird Deutschlands Moral auf die Probe stellen" (25.07.2022)
An Kriegsverbrechen im weit entfernten Ausland hat sich Deutschland schon oft gewöhnt. An harte Einbußen am eigenen Leib schon lange nicht mehr. Ein Kommentar. Thorsten Mumme
https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ifo-index-bricht-ein-die-rezession-wird-deutschlands-moral-auf-die-probe-stellen/28547652.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ifo-index-bricht-ein-die-rezession-wird-deutschlands-moral-auf-die-probe-stellen/28547652.html)

QuotePat7 10:30 Uhr
Es gibt bereits Menschen die so arm sind, dass noch ärmer richtig Hunger bedeutet. Zumal die schon jetzt Tafeln doppelt bis dreimal soviel Menschen versorgen müssen bei zurück gehenden Spenden  und steigenden Kosten.

Das hat bisher nur wenige Nicht Betroffene interessiert und es gab und gibt  genügend Vorurteile die diesbezüglich absichtlich breit getreten werden.
Doch nun droht diese Art Armut Menschen die bisher noch nie in Kontakt damit kamen. Und auf einmal ist es ein gesellschaftliches Thema.
Denn jetzt erreicht dieses Schicksal die Bevölkerungsgruppen die auch als Wähler wichtig sind.
Von denen die schon lange in Armut leben, gehen viele nicht (mehr) wählen. Weil es für sie eh keine Rolle spielt wer in der Regierung sitzt.


Quotebritzer66 25.07.2022, 18:13 Uhr

Vielleicht sollten wir uns dabei von der ,,Moral" der Besucher der Bayreuther Festspiele inspirieren lassen. Alles so wie immer. Dann kann es ja so schlimm nicht sein.


QuoteZarquon 10:10 Uhr

    Der Winter wird zeigen, welches Leid Deutschland länger aushalten kann.

Corona hat bereits gezeigt, wie "leidensfähig" Teile der Bevölkerung sind. Wenn schon eine Maske bei einigen für psychologische Probleme sorgt, dann möchte ich mir nicht vorstellen, wie es bei wirklichen Problemen wie Inflation oder Arbeitslosigkeit aussehen wird.


QuoteKernwerk 25.07.2022, 17:09 Uhr

    An grausame Kriegsverbrechen im weit entfernten Ausland hat sich Deutschland schon oft gewöhnt. An harte Einbußen am eigenen Leib schon
    lange nicht mehr. Der Winter wird zeigen, welches Leid Deutschland
    länger aushalten kann.


Da braucht man nicht lange überlegen. Die hier schon öfters zitierte Weisheit von Brecht gilt immer noch: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.


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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on August 29, 2022, 03:35:50 PM
Quote[...] Es ist eine böse Überraschung, die die Briten am Freitag traf: Um 80 Prozent werden die Energiepreise steigen, verkündete die Regulierungsbehörde der britischen Versorger, Ofgem. Ab Oktober dürfen die Energieunternehmen einem durchschnittlichen Haushalt umgerechnet etwa 350 Euro im Monat berechnen, im Januar wird der Preis voraussichtlich auf 460 Euro im Monat steigen. Derzeit sind es nur etwa 193 Euro. Britische Wohnungen werden mit Gas und Elektrizität geheizt, nicht mit der billigeren Ölheizung. Obwohl Großbritannien nicht direkt von den Lieferungen Russlands abhängig ist, wird Energie auch auf der Insel zu europäischen Marktpreisen abgerechnet.

Die Folge: Immer mehr Bürger sind auf die Unterstützung von Tafeln, genannt Food Banks, angewiesen. Das erlebt auch Coran, die Projektleiterin der Tafel der Stiftung Trussell Trust im Londoner Stadtteil Merton, jeden Tag. Da sei zum Beispiel der alleinstehende Familienvater von zwei Kindern, der einen guten Job gehabt, aber plötzlich einen Schlaganfall erlitten habe. "Es kann jeden von uns treffen", sagt Coran. Sie kenne Familien, die finanziell und psychisch so am Ende seien, dass sie – bis zur Hilfe vom Trussell Trust – nicht einmal eine Matratze für das Bett der Kinder gehabt hätten, sich keinen Kühlschrank, keinen Kocher, nicht einmal passende Unterwäsche für die Kinder haben leisten können. Doch wer keinen Kühlschrank hat, kann von vielen Sonderangeboten nicht profitieren. Einige Leute, die zur Tafel kommen, lehnten mittlerweile Kartoffeln, Reis und Nudeln ab, weil sie nicht kochen und Energie sparen wollen. "Die Armut geht viel weiter und tiefer, als man dies auf der Straße erkennt", sagt Coran. "Und es wird schlimmer."

Bisher hat die Regierung lediglich ein Hilfspaket von 15 Milliarden Pfund beschlossen: Sie zahlt Rentnern eine einmalige Energiezulage von bis zu 300 Pfund. Im Herbst werden zudem alle Haushalte einen Preisabschlag auf ihre Energiekosten von insgesamt 400 Pfund erhalten. Acht Millionen der ärmsten Haushalte bekommen zusätzlich noch 650 Pfund. Aber die Versorgerbetriebe warnen, dass dies angesichts der weiter steigenden Gas- und Elektrizitätspreise nicht reichen werde. Im Winter könnten 30 bis 40 Prozent der Verbraucher in die Energiearmut rutschen, glaubt der Vorsitzende von E.ON, Michael Lewis. Haushalte würden dann mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen. Dabei bleibt es nicht. Auch die Lebensmittelpreise steigen und Sprit ist teurer geworden. Die Inflation wird bis Ende des Jahres nach Angaben der Bank von England auf 13 Prozent steigen.

Vielen sieht man die Armut nicht an. Nach außen scheinen die Leute ihrem normalen Alltag nachzugehen. Aber gleich die erste Rentnerin, die man in Merton auf der Straße anspricht, erzählt, wie es hinter den Kulissen wirklich aussieht: "Es gab Zeiten, da bin ich ins Geschäft gegangen und habe gekauft, was ich brauchte. Aber das ist vorbei", sagt sie. Sie kaufe nicht mehr bei den teureren Supermärkten wie Morrisons, Sainsbury's oder Waitrose. "Mittlerweile bin ich auf dem Niveau angekommen, dass ich zu Poundland gehe", sagt sie. Dort habe sie heute ein Paket Taschentücher für ein Pfund bekommen, sagt sie stolz. Einen Laib Brot unter ein Pfund finde sie jedoch nicht mehr. Die zierliche Frau ist auf die britische Staatsrente von umgerechnet 220 Euro die Woche und eine kleine Betriebsrente angewiesen. "Ich sitze abends im Dunkeln im Zimmer, um Energie zu sparen. Das Licht vom Fernseher muss reichen", sagt sie. Im Winter werde sie sich mit Suppen warmhalten und sich warm anziehen. Es sei gut, dass sie eine harte Kindheit gehabt habe. "Hauptsache, man ist glücklich!", sagt sie.

Bisher haben die beiden Nachfolgekandidaten von Premierminister Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak, nicht erklärt, wie sie den britischen Haushalten in der sogenannten cost-of-living crisis helfen wollen. Dass die Energiepreise eingefroren werden könnten, ist bisher nur ein vager Plan. Johnson forderte die britische Öffentlichkeit vergangene Woche lediglich auf, die Briten sollten die Energiepreise als Opfer für den Krieg in der Ukraine ansehen. Die Menschen in der Ukraine müssten für die Freiheit gar mit ihrem Blut zahlen.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben wenig Verständnis für diese Einstellung. Coran ist schlecht auf die Regierung zu sprechen. Sie erlebt zu viel Armut und zu wenig Unterstützung von der "höheren Schicht dieser Gesellschaft", wie sie sagt. Die Merton Foodbank liegt in einem Stadtviertel Londons, in dem sich Billigsupermärkte wie Costcutter und Poundland neben Wettbüros drängen und Geschäften, in denen Leute ihren Schmuck versetzen können. Manche Sozialwohnung in diesem Viertel wurden nie saniert. Noch heute müssen sich die Bewohner mit alten Elektroheizungen begnügen. "Es gibt Familien, die zahlen 120 Pfund die Woche für Energie. Das wird im Winter auf 300 bis 400 Pfund die Woche steigen", meint Coran. Der von der Regierung gezahlte einmalige Heizkostenzuschlag von 650 Pfund für diese ärmsten Haushalte bringe da nicht viel. "Wo sollen diese Familien 300 oder 400 Pfund die Woche hernehmen?" Die resolute Frau macht sich Sorgen, wie es weitergehen soll.

Seit 2011 ist die Zahl der Tafeln des Trussel Trusts wegen der steigenden Armut in Großbritannien von knapp 80 auf 1.400 Hilfszentren gestiegen. "Wir erklären den Leuten, welche Zuschüsse sie beim Staat beantragen können, wir geben Sprachkurse, klären über Finanzplanung auf. Wir hier in Merton haben in den letzten beiden Jahren 20.000 Haushalte durchgeschleust", sagt Coran.

Zusätzlich zu den Zentren der Stiftung gibt es in Großbritannien noch weitere 1.172 unabhängige Food Banks. Der ehemalige Oppositionsführer der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte einst, es gebe im Großbritannien mehr Food Banks als Filialen von McDonalds, und übertrieb damit nicht.

Das spiegelt die Armut eines Landes wider, in dem ein Großteil der Arbeitsbevölkerung nur noch den Mindestlohn verdient und dies oft nur über sogenannte Nullstundenverträge, die keine festen Arbeitszeiten und keine Absicherung gegen Krankheit oder Berufsunfähigkeit gewähren. Mit Corona haben sich zudem zahlreiche Leute aus dem Berufsleben zurückgezogen, weil sich die Arbeit zu den niedrigen Löhnen für sie – im Vergleich zur staatlichen Unterstützung – nicht lohnt oder weil sie zu krank sind, um zu arbeiten. Dies mag an den Langzeitfolgen von Corona liegen oder aber daran, dass immer mehr Patienten mehr als ein Jahr auf Operationen und Behandlungen im Krankenhaus warten müssen. Nach der Angabe des Armutsberichtes der Joseph Rowntree Foundation lebt fast ein Fünftel der britischen Bevölkerung (22 Prozent) in Armut, also 14,5 Millionen Menschen, davon 8,1 Millionen Erwachsene im arbeitsfähigen Alter und 2,1 Millionen Rentner. Dreißig Prozent der Kinder leben in Armut.

Nicht jeder darf bei der Food Bank auftauchen. Dafür ist ein Erlaubnisschein erforderlich, den die Bürgerämter ausstellen. Diesen Schein erhalten Obdachlose, überschuldete Personen oder Bürger und Bürgerinnen, deren staatliche Unterstützung sich verzögert. Diese Leute dürfen sich dann drei Essenspakete in sechs Monaten abholen. Die Leute sollen bewusst angehalten werden, ihre Situation zu ändern. "Bei Personen, die mental gut drauf sind, klappt das auch. Die sehen wir nie wieder," sagt die Helferin. Aber bei psychischen Problemen sei dies anders.

Südosten der Stadt, beim Hilfszentrum Lewisham Donation Hub, packen Afsahne und Karim Tüten mit Geschirr, einem Bügeleisen, einem Kocher und sogar einem Fernseher zusammen. Das junge Ehepaar kommt aus Kurdistan. Sie sind froh, dass sie noch leben – nicht weil sie die Flucht über den Ärmelkanal überstanden haben, sondern weil ihre Familien im Irak nicht wissen, wo sie geblieben sind. "Wir durften nicht heiraten. Unsere Familien wollten unsere Ehe nicht. Sie hätten uns umgebracht", sagt Afsahne mit einem Hinweis auf drohende Ehrenmorde. Deshalb sind dies auch nicht ihre richtigen Namen. Sie fangen hier in Lewisham neu an – wie vielen Menschen, denen Lawrence Smith, der Gründer der Organisation, hilft. Zu ihm darf jeder kommen, auch ohne Voucher.

Lawrence hat "das Ding", wie er seine Organisation nennt, aufgebaut. Seine Mutter führt eine Hilfsorganisation in Gambia. Dort hat er gesehen, wie man gegen Armut kämpft. Er hofft, dass er sein "Ding" demnächst juristisch als Hilfsorganisation führen darf, denn dann gibt es bessere Finanzierungsmöglichkeiten. Derzeit läuft alles per Spende ab, wie etwa die 150 Paar Schuhe, die ein großzügiger Geschäftsmann anlieferte. Lawrence bekommt kein Geld vom Staat. Aber er versorgt mit seinen 70 Freiwilligen Bedürftige mit Computern, Handys, Mikrowellen, Fernsehern und Fahrrädern. Immer wieder fährt Lawrence los, um Familien zum Beispiel eine Waschmaschine zu bringen, wie Roxanne, einer Mutter mit drei Kindern, die in einer Sozialwohnung lebt. Viele Menschen im Viertel machen mit, spenden, helfen.

Vor dem Zentrum an der Hauptstraße drängen sich die Kunden, stöbern durch Kleidung, warten darauf, Handys zu bekommen. In den Räumen, die fast schon einem kleinen Supermarkt ähneln, sortieren seine Helferinnen die Sachspenden und füllen Shampoo aus Großbehältern in Marmeladengläser ab. In den Regalen stapeln sich Windeln für Erwachsene, Badezimmerutensilien und Bügeleisen, Wasserkocher, Küchenmaschinen und Rasierer. Jason, ein hagerer Mann in hellblauem Hemd, bekommt von einem Mitarbeiter gerade Kopfhörer, damit er es bei dem Lärm in seiner Notunterkunft aushält. Er wurde nach 17 Jahren Gefängnis für eine tödliche Messerstecherei entlassen und will seine Ruhe haben. "Da stand ich auf der Straße, wurde von Wohnung zu Wohnung abgeschoben. Jetzt fang ich neu an", sagt Jason. Lawrence schickt niemanden weg, alle dürfen kommen. Er arbeitet rund um die Uhr, ist glücklich, aber erschöpft. Die traurigen Geschichten seiner Kunden machen ihm zu schaffen, mehr noch, wenn er seinen Mitarbeitern, fast alles Geflüchtete, durch ihre Depressionen helfen muss. Aber er macht weiter.

Coran hingegen hört auf. Nach acht Jahren reicht es ihr. "Unsere Tätigkeit sollte eine Zwischenlösung für wenige Notfälle in der Bevölkerung sein", sagt sie. "Jetzt werden wir vom Staat zu notwendigen Dienstleistern erklärt und übernehmen die Versorgung ganzer Stadtteile." Sie sieht, wie sich der Staat auf die Arbeit der Hilfsorganisationen verlässt, gleichzeitig aber die Spenden zurückgehen. "Die Leute haben kein Geld mehr. Sie können sich die Spenden nicht mehr leisten", sagt Coran. Sie hofft, dass von der Politik für diesen Winter eine Lösung gefunden wird. "Wir sind hier die sogenannte erste Welt und kein Entwicklungsland. Eigentlich sollte es uns ja gar nicht geben", meint sie.


Aus: "Armut in Großbritannien: "Ich sitze abends im Dunkeln, um Energie zu sparen"" Bettina Schulz, London (29. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-08/grossbritannien-armut-inflation-energiekosten/komplettansicht (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-08/grossbritannien-armut-inflation-energiekosten/komplettansicht)

QuoteJoern.R #32  —  vor 4 Stunden

"Das spiegelt die Armut eines Landes wider, in dem ein Großteil der Arbeitsbevölkerung nur noch den Mindestlohn verdient und dies oft nur über sogenannte Nullstundenverträge, die keine festen Arbeitszeiten und keine Absicherung gegen Krankheit oder Berufsunfähigkeit gewähren."

Während der Proprieratismus...

"Proprietarismus (frz. propriétarisme von propriété, Eigentum bzw. propriétaire, Eigentümer) ist ein durch den französischen Ökonomen Thomas Piketty bekannt gewordener Begriff für ein politisch-ökonomisches System, das die Ungleichheit der Vermögen vergrößert, sowie eine Ideologie, die auf Eigentumsrechte fixiert ist, diese Ungleichheit fördert und ethisch-moralisch rechtfertigt. Nach Piketty hat sich die Welt seit den 1990er Jahren hin zu einem ,,hyper-inegalitären" Zustand entwickelt, einem Zustand maximaler Vermögensungleichheit, wozu Steuer-, Erbschafts- und Aktienrecht sowie der Wegfall der Systemkonkurrenz und der Niedergang der Arbeiterbewegung beigetragen haben, neuerdings auch die Vermögenspreisinflation infolge des Zinsverfalls nach der Finanzkrise 2008. Diese Entwicklung werde durch eine Quasi-Sakralisierung des Eigentums als unantastbares Verfassungsgut gefördert ..."
https://de.wikipedia.org/wiki/Proprietarismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Proprietarismus) | https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Piketty (https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Piketty)

in Großbritannien wie in allen industrialisierten Staaten wie auch im Globalen Süden stets neue Höhepunkte erreicht und feiert. In GB besonders auffällig anhand der extrem hohen Quote des Eigentumbesitzes im Immobilienbereich, welche in den letzten Jahren aber aufgrund immer mehr Menschen nicht zur Verfügung stehenden ausreichenden Kapitals unmöglich wird...
https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-09/grossbritannien-immobilien-immobilienpreise-finanzkrise-altersvorsorge/komplettansicht (https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-09/grossbritannien-immobilien-immobilienpreise-finanzkrise-altersvorsorge/komplettansicht)

zumal das britische Rentensystem, generell das Sozialsystem nur das Allernotwendigste deckt, umfassende (wenngleich auch zunehmend reduzierte) Kompensationsmaßnahmen inegalitärer Einkommens- und Kapitalverteilungen in anderen Ländern deutlich effektiver sind.

Da kann aus den der öffentlichen Hand ebenfalls reduzierten zur Verfügung stehenden Mitteln noch soviel umverteilt werden, in Gänze reicht es nicht aus für eine aus Aspekten der Gerechtigkeit eigentlich notwendige Zuwendung, zumal in GB immer noch die Nachwehen (oder immer noch Wehen(?)) der strikt neoliberal orientierten Ideologie des Thatcherismus durch das Land geistern.

[Thatcherismus ist die Bezeichnung für die Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik von Margaret Thatcher, der britischen Premierministerin von 1979 bis 1990. Es handelte sich ursprünglich um einen von der marxistischen Linken verwendeten Begriff, der bereits vor Thatchers Regierungsantritt geprägt wurde. Später übernahmen Anhänger von Thatcher den Ausdruck und versahen ihn mit einer positiven Konnotation.[1] Der Thatcherismus war keine geschlossene Theorie, sondern eine Praxis, die man weder mit dem Attribut konservativ noch mit dem Attribut liberal vollständig beschreiben kann. Im Thatcherismus werden auch traditionelle Werte bzw. im britischen Kontext Viktorianische Werte betont, die in Kontrast zur permissiven Gesellschaft stehen. Mehr als andere wichtige britische Politiker (mit Ausnahme Tony Blairs) zeigte Thatcher auch öffentlich ihren christlichen Glauben und betonte die aus ihrer Sicht zentrale Rolle des Christentums im nationalen Leben.[3] Der Thatcherismus dient – in den Worten von Nigel Lawson – als politische Plattform für eine starke Betonung des freien Marktes, beschränkte Staatsausgaben und Steuersenkungen, gepaart mit britischem Nationalismus.[4] Nigel Lawsons Definition: ,,Freie Märkte, Finanzdisziplin, strenge Kontrolle über die öffentlichen Ausgaben, Steuersenkungen, Nationalismus, ,,Viktorianische Werte" (im Sinne einer Samuel Smiles-Hilf dir selbst-Variante), Privatisierung und ein Schuss Populismus." ... [https://de.wikipedia.org/wiki/Thatcherismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Thatcherismus)]]


QuoteKaiBrinkmann #26

Eine Arbeitsmarktpolitik, die Nullstundenverträge zulässt und einen viel zu großen Teil der Arbeitnehmer um den Mindestlohn herumvegetieren lässt, schafft solche neoliberalen Exzesse. 15 Milliarden Zuschuss sind nicht wenig und in der aktuellen Krise kann keine Regierung der Welt ihr Volk dauerhaft mit Zuschüssen retten.

Allerdings haben die Tories selbst die Voraussetzungen für den Niedergang von Gesundheits- und Sozialsystem geschaffen und der jahrelange Egoismus der Reichen und die mangelhafte Solidarität zerstören das restliche gesellschaftliche Fundament der Briten. Ein Wunder, dass die Leute in Resignation verfallen und nicht auf die Barrikaden gehen.

Das alles wird bei uns in ähnlichem Maße eintrete, auch wenn wir an manchen Stellen etwas besser aufgestellt sind. Leider gilt das auch für den rechten Rand, der es ähnlich wie Putin kaum erwarten kann, am gesellschaftlichen Konsens zu zündeln. Wenn die Energiepreise weiter explodieren und unsere Ampel weiter die Besserverdienenden schont, wird es auch uns um die Ohren fliegen.


Quoteschmitzblitz #20

Und das wo die Grünen noch nicht einmal an der Regierung in Großbritannien beteiligt sind...


Quotefrancesco sappa #20.4

hey einfacher Bürger ich höre in meiner Umgebung oft so Aussagen wie:"das haben uns alles die Grünen und die linken eingebrockt".Hab auch versucht den Peoples klarzumachen daß es Parteien gibt die uns das mind, 16 Jahre lang eingebrockt haben. Die wollten oder konnten es nicht verstehen."Es sind doch eh alle Parteien gleich"!!!!kam oft als Antwort.Dann blätterte er seine Bildzeitung um.:-(


Quoteambjoernsen #37

Es ist allgemein bekannt, dass das britische Sozialsystem nicht an unseres heranreicht. Für Selbstgerechtigkeit gibt es aber keinen Grund. Zwar werden die Heizkosten für Menschen im Sozialleistungsbezug hierzulande übernommen. Gekniffen sind aber die vielen Millionen Menschen, die knapp über der sozialrechtlichen Bemessungsgrenze liegen. So geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt, der mit Gas heizt, mit Nachzahlungen von über 3.000 Euro zu rechnen hat und das bei drastisch erhöhten laufenden Abschlägen und einer hohen Inflationsrate. Wer da keine entsprechenden Rücklagen hat, für den ist es auch kein Trost, dass es vielen Briten noch schlechter geht. Die Hilflosigkeit der Bundesregierung zeigt sich durch Almosen nach dem Gießkannenprinzip und Sparappelle wie die Nutzung von Wollpullovern im Winter, die kalte Dusche oder den Einsatz des guten alten Waschlappens. Noch haben wir den schönsten Sommer. Auch liegt die Jahresabrechnung des Energieversorgers noch nicht im Briefkasten. Die Energiekrise ist also vorerst für den einzelnen nur abstrakt. Das wird sich ändern. Niemand konnte natürlich voraussehen, dass Putin nicht tatenlos zuschaut, wie der Westen die russische Wirtschaft abwürgt und sich dann weigert, uns weiterhin in vollem Umfang mit billigem Erdgas zu versorgen. Jetzt zahlt bald jeder einzelne den Preis für die Sanktionspolitik des Westens und der Ampel. Die Solidarität mit der Ukraine wird auf eine harte Probe gestellt.


QuoteRiau #41

Der Ultraliberalismus ist doch eine philanthropische (menschenfreundliche) Wirtschaftsphilosophie oder liege ich falsch?


Quotefrancesco sappa #41.1

.....gilt aber nur für die "Leistungsträger" und "besserverdiener/innen":-)


QuoteG.A. Mbusia #42

"Johnson forderte die britische Öffentlichkeit vergangene Woche lediglich auf, die Briten sollten die Energiepreise als Opfer für den Krieg in der Ukraine ansehen. Die Menschen in der Ukraine müssten für die Freiheit gar mit ihrem Blut zahlen."

Nietzsche war blauäugig, als er Moral als Machtmittel allein der Schwächen gegen die Starken beschrieben hat. Es ist viel schlimmer; die Starken wenden sie ebenso an, um das Elend der Schwachen mit Weihwasser zu besprenkeln. ...


QuoteDieHabsburgerin #47

... es gibt 13,8 Millionen ! Armustbetroffene Menschen in Deutschland, wir HABEN schon längst die gleichen Verhältnisse wie in GB..unsere Tafeln melden Aunahmestops und Haben Probleme die vielen Menshcne zu versorgen. Armut ihn Deutschand ist viel zu sehr mit Scham und Schuld belegt. Für weitere Infos gerne den Hashtag IchbinArmustbetroffen googlen und Lesen . #IchbinArmutsbetroffen


QuoteOllec #49

Es ist grauenhaft wie nahezu durch alle westlichen Gesellschaften der Armenbesen durchgeht, überall ist zu lesen" immer mehr reiche und immer mehr arme".
Der Kapitalismus ist meiner Meinung nach am Ende, das wird erhebliche Probleme mit sich bringen die wir uns nicht vorstellen wollen.
Bestes Beispiel ist doch die übergewinn Steuer. Da machen sich Menschen auf Kosten eines ganzen kontinents die Taschen voll, ganze Länder verarmten an allen Ecken und enden und dann kommt ein Lindner um die Ecke und schützt die auch noch.
Die Menschen wollen nicht alles Millionäre oder Milliarde sein, sie wollen ein normales auskömmliches leben wo sie Fair behandelt und entlohnt werden. Das ist doch nicht zuviel verlangt, und die oberen 20% haben soviel Geld wie teils ganze volkswirtschaften nicht, das ist nur noch krank.
Und als i-Tüpfelchen kommt der Klimawandel der uns eh alle ins verderben bringt.
Was wir brauchen ist die sozialökologische Marktwirtschaft.


QuoteZeitabzuhauen #49.1

Dafür haben wir nicht das politische Personal.


QuoteAristocats1 #52

Danke für den Artikel. Das ist Kapitalismus im Endstadium. Die Kapitalisten machen jetzt wahr, was einer der ihren (Warren Buffet) schon vor Jahren so ausgedrückt hat: ",,Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen"

Das Geld ist übrigens nicht weg. Es taucht bei den wirklichen Reichen in unvorstellbaren Größenordnungen wieder auf. Das nennt man die perfekte Strategie der Umverteilung von unten nach oben.


Quoteflaviussilva #52.1

Ich erinnere mich bei Ihren Kommentar eher an gedrucktes Gespräch zwischen einem von sich selbst überzeugten Anglo-Amerikaner (so genau weiß ich es nicht mehr), war bei einem Hedgefonds) und einem Deutschen (Banker), fand noch vor der Finanzkrise (Lehmann Brothers und die Folgen) statt.

Der Anglo-Amerikaner wollte den Deutschen von der Übernahme des dortigen Modells überzeugen. Auf Einwände des Deutschen, dass dies einige Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft mit sich bringen würde, die für entsprechende Leute wohl auch Reaktionen aus der Bevölkerung nach sich ziehen würden. Antwortete der Anglo-Amerikaner, die würden sich an Ungerechtigkeiten schon gewöhnen, sei bei Ihm zuhause ja auch nicht anders. Worauf einige, seiner Meinung, nach nötigen Maßnahmen erfolgten wo in Deutschland um zu setzen seien.

Darauf der Deutsche, er wisse was dann passieren würde, nur ein Detail könne er nicht voraussagen. Erfreut meinte der Anglo-Amerikaner, wenn es nur ein Details gebe, dann könne man ja sofort mit der Umsetzung beginnen, das würde sich schon klären, was ist es denn für ein Detail?

Der Deutsche, Oh ich kann beim besten Willen nicht sagen ob der Mob wo mich dann durch die Straßen zerrt, dabei die Internationale singt oder das Horst-Wessel-Lied.


...
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on October 13, 2022, 11:45:23 AM
Quote[...] Etwa 830 Millionen Menschen weltweit müssen hungern. Das geht aus dem aktuellen Welthungerindex der Welthungerhilfe vor. Demnach machen Konflikte, die Klimakrise und die Corona-Pandemie Fortschritte bei der Hungerbekämpfung zunichte, hinzu kommen strukturelle Ursachen. Der Krieg in der Ukraine habe die Lage zusätzlich deutlich verschärft.

https://www.welthungerhilfe.de/hunger/welthunger-index (https://www.welthungerhilfe.de/hunger/welthunger-index)

Laut Welthungerhilfe erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der weltweit hungernden Menschen von 811 auf bis zu 828 Millionen. Unter akutem Hunger litten den Angaben zufolge 193 Millionen Menschen. Die Folgen des Krieges in der Ukraine sind dabei noch nicht statistisch eingeflossen. "Der Krieg in der Ukraine – mit seinen Auswirkungen auf die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln, Düngemitteln, Treibstoffen und deren Preise – verwandelt eine Krise in eine Katastrophe", heißt es im Welthungerindex. Grund dafür sind die steigenden Getreidepreise, da die Ukraine durch den Krieg deutlich weniger Getreide exportiert.

Für ihren Report erstellte die Welthungerhilfe basierend auf den Indikatoren Unterernährung, Kindersterblichkeit, sowie Auszehrung und Wachstumsverzögerung bei Kindern eine Rangliste von 121 Ländern. Auf dem letzten Platz war dabei der von einem Bürgerkrieg betroffene Jemen, wo 41,4 Prozent der Bevölkerung unterernährt waren. In 35 Ländern wurde die Hungerlage als ernst und in neun als sehr ernst eingestuft.   

Die höchsten Hungerraten herrschen laut Welthungerhilfe in Südasien und Afrika südlich der Sahara. Besonders dramatisch ist demnach die Lage am Horn von Afrika, wo es die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten gibt. In Somalia erlebten Menschen in einigen Regionen bereits eine lebensbedrohliche Hungersnot.

In Lateinamerika und der Karibik gilt das Hungerniveau als insgesamt niedrig. Eine Ausnahme ist dabei Haiti, das Platz 116 auf dem Welthunger-Index belegt und wo 47,2 Prozent der Bevölkerung unterernährt sind. In dem Karibikstaat ist die Sicherheits-, Gesundheits- und Versorgungslage so ernst, dass die Regierung die UN um Hilfe durch eine bewaffnete internationale Truppe gebeten hat.

Eine schlechte Ernte, Inflation und Getreideknappheit durch den Ukraine-Krieg verschärfen die prekäre Ernährungssituation vieler Menschen in Haiti, wie die Landesdirektorin der Welthungerhilfe in Haiti, Annalisa Lombardo, in einem Lagebericht schrieb. Dringende Hilfe werde durch Blockaden und Benzinmangel behindert.

Wie im Welthunger-Index beschrieben, verschlimmern in Haiti und anderswo aktuelle Konflikte und Krisen bereits bestehende Probleme. So würden weltweit chronische Schwachstellen in den Ernährungssystemen offenbart. Die Welthungerhilfe verfolgt das Ziel, die Nahrungsversorgung gerechter, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen, sowie akute Notlagen durch Aufstockung finanzieller Ressourcen abzumildern.

Die Programmdirektorin der Welthungerhilfe, Bettina Iseli, sagte im ARD-Morgenmagazin, es müsse "absolute Priorität" haben, den weltweiten Hunger bis zum Jahr 2030 zu besiegen, so wie es ein UN-Ziel fordert. Ausreichende und gesunde Ernährung sei ein "Menschenrecht, das jeder Mensch hat", sagte sie. Eine Strategie um den Hunger zu bekämpfen ist Iseli zufolge eine Diversifizierung beim Getreideanbau, um die Abhängigkeit vom Weizen zu reduzieren. Lokale und klimaresiliente Getreidearten könnten hier mehr Nahrungssicherheit schaffen.


Aus: "Zahl der Hungernden hat weltweit zugenommen" (13. Oktober 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-10/welthunger-index-welthungerhilfe-zahl-hungernder-zunahme (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-10/welthunger-index-welthungerhilfe-zahl-hungernder-zunahme)

Title: [Armut ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on November 26, 2022, 11:04:03 AM
Quote[...] Eine wachsende Zahl von Rentnerinnen und Rentner bezieht zusätzlich zur Rente Leistungen aus der sozialen Grundsicherung. Das berichtet das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" unter Berufung auf eine Aufstellung des Statistischen Bundesamtes. Im Juni des laufenden Jahres erhielten demnach bundesweit fast 628.600 Menschen im Rentenalter Grundsicherungsleistungen. Das seien rund 51.000 Menschen mehr als noch im Juni 2021. ...


Aus: "Armut unter Rentnern wächst" (Stand: 24.10.2022)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/rentner-grundsicherung-103.html (https://www.tagesschau.de/inland/rentner-grundsicherung-103.html)

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Quote[...] Wer in Deutschland studiert, ist deutlich stärker von Armut bedroht als der Rest der Bevölkerung. 2021 waren 37,9 Prozent der Studierenden armutsgefährdet. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung lag dieser Wert im vergangenen Jahr nur bei 15,8 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden im Vorfeld des Weltstudierendentags mit. Noch höher war das Armutsrisiko bei Studierenden, die allein oder ausschließlich mit Kommilitonen zusammenlebten - demnach galten 76,1 Prozent als armutsgefährdet.

Das Bundesamt gab die Zahlen anlässlich des Weltstudierendentags bekannt und bezog sich dabei auf erste Ergebnisse der Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Eine Person gilt demnach als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2021 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15.009 Euro netto im Jahr oder 1251 Euro im Monat.

Studenten mussten bei den Kosten für Wohnraum besonders tief in die Tasche greifen: So lag der durchschnittliche Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen für Studierende bei 31,6 Prozent und damit deutlich über der Wohnkostenbelastung der Gesamtbevölkerung mit 23,3 Prozent.

Wer allein oder in Wohngemeinschaften mit anderen Studierenden lebte, musste im Schnitt gut die Hälfte (51,1 Prozent) des verfügbaren Einkommens für Wohnkosten aufbringen. "Liegt die Wohnkostenbelastung auch nach Abzug möglicherweise erhaltener wohnungsbezogener Transferleistungen noch bei mehr als 40 Prozent, gelten Haushalte als überbelastet", so das Statistikamt. Im vergangenen Jahr lebte knapp ein Viertel der Studierenden in Haushalten, auf die das zutraf.

Wie schwierig die Lage vieler Studierender ist, zeige sich laut den Statistikern auch darin, dass 38,5 Prozent bereits im vergangenen Jahr - und damit vor der Energiekrise - in Haushalten lebten, die nicht in der Lage waren, unerwartete größere Ausgaben aus eigenen finanziellen Mitteln zu stemmen - in der Gesamtbevölkerung war es knapp ein Drittel.

Die Bundesregierung hatte im September ein drittes Entlastungspaket als Ausgleich für die rasant steigenden Preise vorgestellt. Zu den Maßnahmen zählen auch Einmalzahlungen an Studierende. Damit sollen zusätzliche Belastungen, etwa durch eine größere Nachzahlung infolge der stark gestiegenen Preise für Energie, abgemildert werden.

Dem Deutschen Studentenwerk (DSW) reicht das nicht. Die Bundesregierung müsse nachlegen, teilte das DSW in einer Pressemitteilung mit. Bei den Direkthilfen und Bafög müsse nachgebessert werden. "Studierende stehen in diesem Wintersemester vor einer dramatischen sozialen Notlage", sagte Matthias Anbuhl, Generalsekretär des DSW. "Sie kommen finanziell und psychisch auf dem Zahnfleisch aus der Corona-Pandemie - und wissen angesichts explodierende Preise oftmals nicht, wie sie nun Strom, Gas und Lebensmittel bezahlen sollen."

Das studentische Budget sei in aller Regel extrem auf Kante genäht, nun drohe diese Naht zu reißen. Gerade beim Bafög bestehe großer Handlungsbedarf: Grundbetrag und Wohnkostenpauschale müssten erhöht und die Sozialleistung automatisch an die Inflation angepasst werden. Das sei die beste Armutsprophylaxe.


Aus: " Statistisches Bundesamt Viele Studierende armutsgefährdet" (Stand: 16.11.2022)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studierende-armutsgefaehrdet-101.html (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/studierende-armutsgefaehrdet-101.html)

"Armutsgefährdete Studierende: Bundesregierung muss nachlegen" (16.11.2022)
https://www.studentenwerke.de/de/content/armutsgef%C3%A4hrdete-studierende-bundes (https://www.studentenwerke.de/de/content/armutsgef%C3%A4hrdete-studierende-bundes)

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Quote[...]  Susanne Hansen sitzt im Frühjahr 2022 vor ihrem Computer und hat Angst. Angst davor, dass es Nachteile für ihre Familie haben könnte, wenn sie öffentlich von ihrem Leben erzählt - einem Leben in Armut. Denn sie schämt sich und sie kennt die Vorurteile: Arme seien faul, hätten es sich in der "sozialen Hängematte" bequem gemacht. Doch dann schreibt sie, über ihre Trennung, ihre zwei kranken Kinder und darüber, wie die Familie in Hartz IV rutschte. Ihre Geschichte ist eine von Hunderttausenden, erzählt auf Twitter unter dem Hashtag ichbinarmutsbetroffen.

Nutzer berichten, wie sie neidvoll auf gefüllte Teller in Restaurants blicken, wie sie aus Geldnot geliebte Gegenstände verkaufen müssen, sich am Monatsende kein Essen mehr leisten können und von der Sorge vor der nächsten Stromrechnung. Beispiele, die zeigen, was es heißt, arm zu sein, in einem reichen Land wie Deutschland.

Ein Forschungsgebiet von Holger Schoneville, Juniorprofessor für Sozialpädagogik an der Universität Hamburg. Gemeinsam mit Studierenden untersucht er die Tweets zur Armut. ...


Aus: "#ichbinarmutsbetroffen - Wie ein Hashtag Armut sichtbarer macht" (Stand: 30.10.2022)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/armut-151.html (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/armut-151.html)


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Quote[...] Die Armutsquote in Deutschland ist im vergangenen Jahrzehnt weiter gestiegen. Ein Drittel größer wurde der finanzielle Abstand für Haushalte unterhalb der Armutsgrenze. Eine Studie erkennt darin eine Gefahr für die Demokratie.

In Deutschland leben immer mehr Menschen in Armut. Zu diesem Ergebnis kommt der jüngste Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Quote der sehr armen Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, ist demnach zwischen 2010 und 2019 um gut 40 Prozent gestiegen. Der finanzielle Rückstand von Haushalten unterhalb der Armutsgrenze habe sich um ein weiteres Drittel vergrößert.

https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008464 (https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008464) (2022)

"Der soziale Stresstest hält wegen Rekordinflation und Corona-Pandemie weiter an", so WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Schon in wirtschaftlich stabilen Zeiten sei der Rückstand der armen Teile der Bevölkerung immer weiter gewachsen und habe die gesellschaftliche Teilhabe für viele spürbar eingeschränkt.

Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens in Deutschland zur Verfügung hat. Für eine alleinstehende Person waren das 2021 laut statistischem Bundesamt 1251 Euro pro Monat. Anfang des vergangenen Jahrzehnts waren noch 14,3 Prozent der Menschen statistisch betrachtet arm. Im Jahr 2019 lag der Wert dann bei 16,8 Prozent.

Wenig Geld zur Verfügung zu haben wirkt sich demnach in allen Lebensbereichen aus. Haushalte mit einem Einkommen unter 2000 Euro netto im Monat hätten "einen schlechteren Gesundheitszustand, geringere Bildungschancen, und sind insgesamt mit ihrem Leben unzufriedener", so Kohlrausch. Das durchschnittliche Nettoeinkommen pro Haushalt betrug 2018 rund 3700 Euro pro Monat.

Einkommen privater Haushalte (14.10.2020)
Nach Einkommensgruppen (netto) und Einkommensquellen (brutto), 2018
https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/#:~:text=Das%20Nettoeinkommen%20der%20Privathaushalte%20in,Euro%20(durchschnittlich%207.607%20Euro). (https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/#:~:text=Das%20Nettoeinkommen%20der%20Privathaushalte%20in,Euro%20(durchschnittlich%207.607%20Euro).)

Menschen mit wenig verfügbarem Einkommen verzichteten schon vor der Krise besonders oft auf Alltägliches. Zum Beispiel das angemessene Heizen der Wohnung oder der Neukauf von Kleidung und Schuhen. Über eine Urlaubsreise denkt nur jeder zweite Haushalt mit niedrigem Einkommen überhaupt nach.

Die stark gestiegenen Kosten seit 2020 führen demnach auch dazu, dass immer mehr Menschen mit mittleren Einkommen einen deutlichen Spardruck spüren und ebenfalls viel verzichtet oder zumindest eingeschränkt wird. Bei Haushalten bis 3500 Euro Nettoeinkommen will rund jeder Dritte beim Lebensmitteleinkauf kürzertreten.

Frühere Befragungen haben es bereits aufgezeigt, die aktuelle Studie des WSI zeigt es aber nochmals deutlich: Wer wenig am Wohlstand einer Gesellschaft teilhaben kann, neigt eher dazu das System als ganzes in Frage zu stellen.

Nur rund zwei Drittel der Menschen unterhalb der Armutsgrenze halten die Demokratie für die beste Staatsform. 59 Prozent finden, die Demokratie in Deutschland funktioniert gut. Das seien 11 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung. "Armut und soziale Polarisierung können unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten ins Wanken bringen", vor allem wenn sie sich verfestigten, so Kohlrausch.


Aus: " Studie Armut in Deutschland stark gestiegen" (Stand: 24.11.2022)
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/armut-in-deutschland-stark-gestiegen-101.html (https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/armut-in-deutschland-stark-gestiegen-101.html)
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 10, 2022, 01:40:57 PM
Quote[...] Schon eine Stunde vor Öffnung der Lebensmittelausgabe des Arbeiter-Samariter-Bundes in Hamburg-Jenfeld stehen die Ersten an einem nasskalten Tag hinter Flatterband an. Während sie mit ihren Tüten oder Einkaufstrolleys geduldig warten, bis eine grüne Ampel Einlass gewährt, bauen drinnen ehrenamtliche Helfer Kisten auf - gefüllt mit Salat, Käse oder Brot. In Kooperation mit der Hamburger Tafel, die ihre Zentrale nebenan hat, können Bedürftige sich hier einmal wöchentlich gespendete Lebensmittel abholen.

So wie viele der Tafeln in Deutschland hat auch diese Ausgabestelle einen Aufnahmestopp verhängt. Denn der Ukraine-Krieg und starke Preissteigerungen haben einen enormen Zulauf ausgelöst. "Die Lage der Tafeln in Deutschland ist so herausfordernd wie noch nie zuvor in der 30-jährigen Geschichte", sagt der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafeln, Jochen Brühl. "Wir haben mehr Kundinnen und Kunden - gleichzeitig werden weniger Lebensmittel gespendet."

Menschen in der Grundsicherung, Alleinerziehende, Rentner, Geflüchtete, Obdachlose - mehr als zwei Millionen Menschen kommen den Angaben zufolge zu den mehr als 960 Tafeln in Deutschland. In den vergangenen Monaten ist eine neue Gruppe hinzugekommen: Immer mehr Menschen aus dem Niedriglohn-Sektor, die sonst immer noch knapp über die Runden gekommen seien, seien plötzlich auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen, berichtet Brühl.

Auch in Hamburg ist das spürbar: "Da sind Leute, die vor zwei Monaten nicht damit gerechnet haben, dass sie sich einmal bei der Tafel melden werden", sagt der Geschäftsführer der Hamburger Tafel, Jan-Henrik Hellwege. Viele spürten Scham, zur Tafel zu gehen. "Es ist gesellschaftlich tabu, finanzielle Not zu zeigen." Partnereinrichtungen übernehmen in der Hansestadt die Ausgabe an registrierte Bedürftige. Fast alle 31 Lebensmittel-Ausgabestellen haben laut Hellwege einen Aufnahmestopp verhängt.

Bei der Lebensmittelausgabe des Arbeiter-Samariter-Bundes in Jenfeld rufen täglich etwa fünf Menschen an, die man erst einmal vertrösten müsse, berichtet Koordinatorin Daniela Skaza. Maike Funk kommt schon seit drei Jahren zu dieser Ausgabestelle. Dieser Schritt sei ihr anfangs sehr schwer gefallen, erinnert sich die Frührentnerin. Am Eingang zeigt sie einen Nachweis vor und zahlt zwei Euro als kleinen Betrag für die Nebenkosten der Aktion.

Die Ehrenamtlichen versuchen, für die Bedürftigen, die sie Kunden nennen, eine Atmosphäre wie in einem Geschäft zu schaffen. "Butter?", fragt eine Mitarbeiterin, als Funk vorbeikommt. "Oh ja, Kekse backen", freut sich die 60-Jährige und verstaut die Ware in ihren Tüten. "Das Wichtigste ist es, den Menschen frische Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, damit sie richtig kochen können", erklärt Tafel-Geschäftsführer Hellwege.

Im Lager der Hamburger Zentrale stapeln sich überschüssige Lebensmittel, die Händler und Hersteller abgegeben haben. Doch es sind weniger als in früheren Zeiten. "Schon länger bemüht sich der Handel durch verschiedene Strategien, weniger zu verschwenden", sagt Brühl vom Dachverband der Tafeln. "Durch den Krieg sind zudem Logistikketten gestört. Deshalb gibt es weniger Überschüsse."

Die Menge der Lebensmittel, die an von Armut Betroffene ausgegeben wird, hat nach Angaben des Dachverbandes deshalb vielerorts reduziert werden müssen. Zudem seien die Tafeln selbst von den Preissteigerungen etwa für Energie und Transport betroffen. "Die Tafeln sind am Limit", sagt Brühl. Bereits seit Beginn der Pandemie müssten die Ehrenamtlichen viel leisten - oft spüre man bei den Helfern Erschöpfung. Brühl betont, er sei mit Blick auf die kommenden Monate äußerst besorgt.

Viele Tafeln bieten weit mehr als eine Lebensmittelausgabe - etwa warmes Mittagessen, Bringdienste oder Kleiderkammern. "Die Arbeit der Tafel überall in Deutschland verdient unser aller Respekt und Anerkennung", sagt die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier. "Denn so traurig es ist: In Zeiten von Rekord-Inflation und Preisexplosion können sich eben viele nicht einmal mehr das Essen leisten."

Aber das ehrenamtliche Engagement der Tafeln dürfe bei Politik und Behörden nicht vorab als verlässliche Größe mit eingerechnet und damit Verantwortung abgegeben werden, fordert Engelmeier. Brühl kritisiert, dass staatliche Leistungen oft nicht zielgenau seien und appelliert: "Armut ist nicht ein Problem der Armen, sondern ein Problem der Gesellschaft als Ganzes - das scheint noch nicht bei allen angekommen zu sein."

Quelle: ntv.de, Stephanie Lettgen, dpa


Aus: "Mehr Bedürftige, weniger Spenden Armut bringt Tafeln ans Limit" (10.12.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Armut-bringt-Tafeln-ans-Limit-article23775372.html (https://www.n-tv.de/panorama/Armut-bringt-Tafeln-ans-Limit-article23775372.html)
Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on December 25, 2022, 12:06:12 PM
Quote[...] Heute gab's für mich nur Joghurt, aber Maus hat Tortelloni bekommen", schreibt eine Mutter. Anderswo ist zu lesen: "Heute ist mein vierter Tag mit Kartoffeln und Quark, um über die Runden zu kommen."

Vom Flaschensammeln wird erzählt und wie unangenehm das ist. Aber: "Ich habe 6,70 Euro zusammen." Und Frau S. ist froh, dass es jetzt immer schon so früh dunkel ist. Es sei für sie "die optimale Möglichkeit, ungesehen in Mülleimer zu leuchten, ob dort Pfandflaschen drin sind."

Alle diese Tweets haben eines gemeinsam. Sie sind bei Twitter unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen zu lesen. Urheberin ist Anni W., eine Mutter aus Nordrhein-Westfalen. Doch hinter dem Hashtag steckt keine ausgeklügelte Strategie, sondern vielmehr Frust.

"Ich war so wütend", erinnert sich Anni W. an jenen Tag im Mai. Da hatte sie zwei Artikel mit dem Tenor gelesen: Wer mit Hartz IV, der Grundsicherung in Deutschland also, nicht auskomme, der könne nicht mit Geld umgehen. Also tippte sie ins Handy: "Hi, ich bin Anni, 39, und habe die Schnauze voll! Ich lebe von Hartz IV, und es reicht ganz einfach nicht! Nein, ich kann keine weiteren Kosten senken. Nein, ich gebe kein Geld ,unnütz' aus." Dann setzte sie den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen und traf einen Nerv.

Es folgten Tweet um Tweet aus ganz Deutschland, im September wurde mal gezählt, da waren es 500.000. "Manchmal kann ich das noch gar nicht begreifen", sagt Anni W. Sie weiß aber eines: "Ich will mich nicht mehr verstecken." Jeder kann wissen, wie sie lebt. 400 Euro blieben im Monat, nach Abzug der Fixkosten, für sich und ihren zehnjährigen Sohn.

"Söhnchen braucht Vitamine", erklärt sie. Aber sie habe ihm klargemacht: "Nur Äpfel, nicht Birnen, die sind zu teuer." Eine neue Winterjacke ist auch vonnöten. Wie sie die zahlen soll? "Ich weiß es einfach nicht", sagt Anni W. 200 Euro mehr hätte sie gerne im Monat, dann ginge es ein wenig leichter.

Geh doch arbeiten! Wer will, kann arbeiten, das hört sie oft. "Ich will ja, aber ich kann nicht", lautet ihre Antwort. Sie leidet an Arthrose in der Lendenwirbelsäule und Depressionen. Von Krankheit berichten unter #IchBinArmutsbetroffen viele Menschen.

Für sie interessiert sich mittlerweile auch die Wissenschaft. "Das könnte der Anfang einer Bewegung sein", sagt Holger Schoneville, Juniorprofessor für Sozialpädagogik an der Universität Hamburg, der die Tweets untersucht.

"Um die 16 Prozent der Menschen sind von Armut betroffen, bis zu 20 Prozent von sozialer Ausgrenzung bedroht, aber das sagt wenig darüber aus, was das im Alltag bedeutet", meint er. Denn: "Wir wissen aus der Forschung, dass Armut mit Scham verbunden ist. Armutsbetroffene versuchen, so zu erscheinen wie alle anderen. Das macht Armut häufig unsichtbar."

Nun aber würden Menschen über ihre Anstrengungen berichten. Dabei helfe die Anonymität des Internets, sagt Schoneville. Er vermutet, dass der große Zulauf für den Hashtag auch Corona sowie den steigenden Kosten im Rahmen der Inflation geschuldet sei: "Die Pandemie war für viele Menschen auch eine soziale Krise, die mit Verlust von Einkommen und teilweise auch Arbeitsplätzen einherging. Die Inflation verschärft die Lebenssituation jetzt noch einmal. Davon betroffen sind insbesondere Menschen, die schon zuvor wenig hatten oder nur gerade soeben über die Runden kamen."

Deshalb engagiert sich auch Susanne Hansen. 2019 war die Hamburgerin nach einer Trennung in die Armut gerutscht. "Wir haben alle eine Geschichte. Ich kenne niemanden, der es sich ausgesucht hat", sagt sie und betont: "Ich kämpfe mich Schritt für Schritt aus der Armut heraus."

Aber sie wolle auch für ihre Kinder da sein, die unter der Trennung sehr gelitten hätten. Hansens Sohn hat während der Pandemie Depressionen bekommen und muss erst wieder in eine reguläre Schule eingegliedert werden. "Ich will ihn auf einen guten Weg bringen, damit er später einmal kein Sozialfall wird", sagt seine Mutter. Und so nimmt sie den permanenten Stress in Kauf, die Angst, dass was kaputtgeht oder jemand krank wird.

Der Hashtag helfe ihr, sagt Hansen: "Früher haben sich viele geschämt und versteckt. Heute wissen wir, dass wir nicht alleine sind." Ihr Wunsch für die Zukunft: "Es hören und sehen uns zwar mehr Menschen jetzt. Aber die Politik muss uns auch noch ernst nehmen."



Aus: "Leben am Limit – wie Armut auf Twitter sichtbar gemacht wird" Birgit Baumann (22.12.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000141093761/leben-am-limit-wie-armut-auf-twitter-sichtbar-gemacht-wird (https://www.derstandard.at/story/2000141093761/leben-am-limit-wie-armut-auf-twitter-sichtbar-gemacht-wird)

Quotepeter schmidt

Schon der allererste Satz ergibt keinen sinn. Tortellini aus dem packerl sind weitaus guenstiger als yoghurt.


QuoteDr.Q

Ich wünsche Ihnen einen frohen Christtag. Auch wenns keinen Sinn ergibt. Vielleicht bringt ihnen das Christkind ja Verstand, wenn schon kein Gefühl da ist.


QuoteChocopop

Ich war als Kind selber arm. Kleidung nur gebraucht, kaputte Spielsachen und nicht mal Milch.
Grund für die Misere war eine Reihe finanzieller Fehlentscheidungen meines Vaters, sowie seine Alkohol- und Nikotinsucht.
Hier im Forum haben die Leute große Freude daran, den Vermögenden die Schuld für Armut zuzuschanzen und die Armen von ihrer Eigenverantwortung freizusprechen. Das kann man machen - es bringt halt nichts.
Mit meiner Ursprungsfamilie ist es übrigens bergauf gegangen, als mein Vater seine Süchte besiegt hat.
Er wäre auch nie auf die Idee gekommen, externalen Umständen der Gesellschaft die Schuld für sein eigenes Unvermögen zu geben. Sonst hätte er sich wohl kaum aufrappeln können.


Quoteha_1980

"und die Armen von ihrer Eigenverantwortung freizusprechen"

Kinder können auch wirklich nichts für die Armut in die sie hineingeboren werden und die dadurch massiv verminderten Chancen an Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe. Bildung wird sehr stark vererbt.
Und schön wenn Ihr Vater die Kurve gekriegt hat. Es gibt aber auch Erkrankungen, an denen man nunmal nichts ändern kann.
Was wollen Sie uns eigentlich sagen? Arme Menschen sollen einfach nur ihren Hintern hochkriegen?


QuoteSpeed of light

In sehr vielen Fällen ist es genau das,was nötig wäre. Den Hintern hoch kriegen.
Das stimmt natürlich nicht in allen Fällen. Was wo zutrifft lässt sich halt ohne Kenntnis der näheren Umstände nicht beurteilen.


QuoteTravelling hopefully

Bin entsetzt, wie zynisch manche Menschen sind. Erinnert mich an Aussprüche wie "Die, die früh aufstehen, sollen nicht die Dummen sein". "soziale Hängematte" usw. Von Depression haben auch viele keine Ahnung. Ich habe durch diese Krankheit meinen jüngeren Sohn verloren. Hätte auch nie gedacht, einmal selbst in die Armut zu schlittern und schäme mich dafür. Im Leben läuft eben nicht alles wie geplant. Psychische Krankheit, Scheidung, Leben als Alleinerziehende, mit Nachhilfe geben über Wasser gehalten, nach oben erwähntem Schicksalsschlag innerhalb von drei Jahren nicht mehr die Kraft dazu. Selber schuld?


QuoteAllesWieImmer

Dazu passt viell. auch diese 'Story' über den Britischen Premier, der bei einer Propaganda-in-eigener-Sache-Obdachlosenausspeisung einen Mann fragt 'ob er in der Wirtschaft arbeite, worauf dieser antwortete, dass er obdachlos sei'!

Auch am Heiligen Abend sieht sich Sunak erneut mit Kritik konfrontiert. Auslöser ist ein Auftritt des Premiers in einer Suppenküche für Obdachlose. Dort fragte er einen Mann, ob er in der Wirtschaft arbeite, worauf dieser antwortete, dass er obdachlos sei. Er sei aber an Wirtschaft interessiert, vor allem an der Finanzindustrie. Sunak sprach dann über seinen Hintergrund in der Finanzbranche und fragte, ob der Mann ,,gerne in diese Branche einsteigen" würde. Der Mann antwortete: ,,Ich hätte nichts dagegen, aber ich weiß nicht, ich möchte erst einmal Weihnachten überstehen."
https://orf.at/stories/3298971/ (https://orf.at/stories/3298971/)


QuoteKreisfetischist

Wir leben in einer Überflußgesellschaft, egal in welchen Bereich wird über Lebensmittel, Baustoffe, Arbeitsleistung extrem viel "weggeworfen" bzw nicht genutzt.
Das Problem, das wir haben liegt in der Verteilung der Ressourcen.


Quotedepp am huegel

Der eine kauft sich Twitter um zig Milliarden, die andern berichten darauf über ihre Armut. Dystopisch.


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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 07, 2023, 10:27:29 AM
Quote[...] In Krisenländern ist die Zahl akut mangelernährter junger Frauen in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das geht aus einem Bericht des Kinderhilfswerks Unicef hervor. Demnach sind in den zwölf Ländern, die weltweit am stärksten von der globalen Nahrungsmittel- und Ernährungskrise betroffen sind, 6,9 Millionen Frauen und Mädchen im Jugendalter akut mangelernährt – 1,4 Millionen mehr als noch im Jahr 2020. Die Zahl der akut mangelernährten werdenden und stillenden Mütter ist demnach seit 2020 um 25 Prozent gestiegen.

Bei den zwölf Ländern, die für den Bericht untersucht wurden, handelt es sich um Afghanistan, Burkina Faso, Tschad, Äthiopien, Kenia, Mali, Niger, Nigeria, Somalia, Südsudan, Sudan und den Jemen. Sie bilden nach Einschätzung von Unicef das Zentrum einer globalen Ernährungskrise, die durch den Krieg in der Ukraine sowie durch anhaltende Dürren, Konflikte und Instabilität in einigen Ländern weiter verschärft wurde.

Weltweit leidet dem Bericht zufolge mehr als eine Milliarde heranwachsender Mädchen und Frauen an Unterernährung – und in der Folge an Untergewicht und Wachstumsverzögerungen, fehlenden Mikronährstoffen und Blutarmut. Heranwachsende Mädchen und Frauen in Südasien und den Subsahara-Ländern in Afrika seien am stärksten von der Ernährungskrise betroffen.

Das habe verheerende Folgen für ihre Gesundheit und ihr Leben. Das Immunsystem der jungen Frauen werde geschwächt und ihre kognitive Entwicklung beeinträchtigt. Sie seien einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen ausgesetzt, etwa während der Schwangerschaft und bei der Geburt.

In dem Bericht warnt das Hilfswerk, dass sich die Lage in diesem Bereich weiter verschlechtern werde. "Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht gegensteuert, könnten die Folgen über Generationen hinweg andauern", sagte Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell.


Aus: "Mehr als eine Milliarde junger Frauen ist unterernährt" (7. März 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-03/unicef-frauen-mangelernaehrung-afghanistan-burkina-faso (https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-03/unicef-frauen-mangelernaehrung-afghanistan-burkina-faso)

Quoterebelle-de-jour #10

Und zur gleichen Zeit sind mehr als zwei Milliarden Menschen übergewichtig, mit steigender Tendenz. ...


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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 25, 2023, 10:35:20 AM
Quote[...] Argentinien leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise und hat eine der höchsten Teuerungsraten weltweit. Mitte des Monats teilte die Regierung mit, dass die jährliche Teuerungsrate im Februar auf 102,5 Prozent kletterte. Mehr als ein Drittel (36,5 Prozent) der 47 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des Landes leben in Armut, darunter 2,6 Millionen Menschen in extremer Armut.


Aus: "Ratingagentur sieht Argentinien kurz vor dem Zahlungsausfall" (25. März 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-03/schuldenkrise-argentinien-ratingagentur-drohender-zahlungsausfall (https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-03/schuldenkrise-argentinien-ratingagentur-drohender-zahlungsausfall)

QuoteS.Mali #2

Schlimme Situation für Argentinien, für die Argentinier. Und nicht die erste, ernste Krise dieser Art.
Die Frage, warum Argentinien stets erneut in solche Situationen rutscht, woran Argentiniens Wirtschaft und Entwicklungen so kranken, lässt der Artikel leider völlig offen.
Welche Arten der Misswirtschaften, oder schlechtes Staats- und Administrationsmanagement führen denn nun zu solchen Krisen, und welche Wege könnten aus den Dauerkrisen heraus führen?

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QuoteSchwerdasplichtfeldauszuführen #6

"Südamerika: Warum Argentinien immer wieder pleitegeht" (14.11.2021)
Am Sonntag waren Parlamentswahlen in dem Land, das einst zu den wohlhabendsten der Welt zählte. Früher hieß es "reich wie ein Argentinier", danach kamen acht Staatspleiten. Chronik eines beispiellosen Absturzes.
https://www.dw.com/de/warum-argentinien-immer-wieder-pleitegeht/a-54292481 (https://www.dw.com/de/warum-argentinien-immer-wieder-pleitegeht/a-54292481)

Ein lesenswerter Artikel, warum Argentinien so ist wie es ist.


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Der Ausdruck Argentinien-Krise bezeichnet die letzte große Wirtschaftskrise in Argentinien zwischen 1998 und 2002, deren Auswirkungen bis in das Jahr 2005 zu spüren waren.
https://de.wikipedia.org/wiki/Argentinien-Krise (https://de.wikipedia.org/wiki/Argentinien-Krise)

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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on April 01, 2023, 01:11:36 PM
Quote[...] Eine dramatisch anwachsende Armut macht die Menschen in Pakistan hoffnungslos. Viele werden deswegen gottesfürchtiger – und übernehmen religiös-extremistische Weltbilder.

... Dass die Armut groß ist, dass viele, selbst Kinder, betteln müssen, um zu überleben in einem Land, in dem kein staatliches Netz, keine Sozialhilfe sie auffängt, ist keine Neuigkeit. Aber dass selbst Menschen, denen es bis vor Kurzem noch erträglich ging, sich nur noch eine Mahlzeit am Tag leisten können oder sogar zugunsten ihrer Kinder tageweise ganz aufs Essen verzichten müssen, habe ich noch nicht erlebt. Gleichzeitig nimmt die religiöse Radikalisierung der Politik zu.

Ich besuche Arshad, Ende 40, Christ und damit Angehöriger einer Minderheit. Arshad hat bei mir als Koch und Haushälter gearbeitet, als ich in Pakistan lebte. Jetzt verdient er sein Geld als Reinigungskraft an einer Universität. Seit Jahren hofft er auf eine Festanstellung, aber immer wieder wird er vertröstet und muss mit seinem Dasein als Tagelöhner vorliebnehmen.

Sein Einkommen beträgt 25.000 Rupien im Monat. Vor zehn Jahren waren das noch etwa 250 Euro, es reichte gerade so, seine vier Kinder, seine Frau und sich selbst zu ernähren. Heute entspricht diese Summe nur noch 80 Euro. Die Inflation beträgt derzeit 47 Prozent – so hoch wie noch nie in Pakistan. "Manche Lebensmittel sind heute drei- oder viermal so teuer wie vor einem Jahr", sagt Arshad. "Aber mein Gehalt ist seit Jahren gleich geblieben."

Die Folgen der Pandemie und des Krieges Russlands gegen die Ukraine bekommt die ganze Welt zu spüren. Natürlich auch Pakistan, das einen Großteil des Weizens aus der Ukraine bezieht. Das Land leidet stark unter den Auswirkungen der Klimakrise sowie unter Misswirtschaft, Korruption und schlechter Politik. Infolge der Flutkatastrophe im Sommer 2022 stand etwa ein Drittel des gesamten Landes unter Wasser, die heftigen Regenfälle ließen viele Flüsse über die Ufer treten. Rund 30 Millionen Menschen verloren ihr Zuhause, bis heute sind viele noch obdachlos, etwa 1.700 Menschen starben.

Auch wenn Experten immer wieder die Zusammenhänge erklären, die Folgen von Pandemie und Krieg nachzeichnen und die Klimakrise erklären, glauben die meisten Menschen doch etwas anderes. Viele, mit denen ich spreche, sagen, es handele sich um eine "Strafe Gottes", man sei "nicht fromm genug" gewesen, müsse "mehr beten" und "gottesfürchtiger" werden. Es gibt keine belastbaren Studien dazu, doch ich befürchte, die Mehrheit denkt so. Verwunderlich ist das nicht in einem Land, in dem Regierungen, egal welcher Partei, fast nichts für Schulen ausgeben, der Schulbesuch Geld kostet und kostenlose Bildung deshalb in weiten Teilen von Religiösen und ihren Koranschulen übernommen wird.

... Viele Menschen ... müssen sich entscheiden, ob sie etwas essen oder ihre Kinder in die Schule schicken. Da sie ohne Essen nicht überleben, verzichten sie auf die Bildung ihrer Kinder – ein Kreislauf, der ihre Zukunftsaussichten weiter verschlechtert.

... Mit der Erschaffung von Feindbildern und mit extremistischen Ansichten können Politiker da gut von den eigentlichen Problemen ablenken. Besonders gut taugt dazu der Vorwurf der Blasphemie. Gotteslästerung, die Beleidigung des Propheten Mohammed und die Schändung des Korans stehen nach pakistanischem Recht unter Strafe, auch mit dem Tod. Meist wurde dieses Gesetz missbraucht, um anderweitige Streitigkeiten auszutragen und sich am Gegner zu rächen. Menschenrechtler fordern seit Langem eine Abschaffung oder wenigstens eine Eindämmung des Missbrauchs dieses Gesetzes. Mehrere Politiker unterschiedlicher Parteien behaupten jetzt, in der Krise, Blasphemie sei einer der Gründe für die Not der Menschheit.

Prompt verschärfte die Regierung im Januar den Paragrafen. Seither steht nicht nur die Beleidigung des Propheten unter Strafe, sondern auch die Beleidigung seiner Frauen, seiner Gefährten und Begleiter sowie seiner Verwandten. Wer dieser Tat schuldig gesprochen wird, muss mit zehn Jahren, in schweren Fällen sogar mit lebenslanger Haft rechnen, zudem mit Geldstrafe.

Noch immer tauchen in den Zeitungen Meldungen auf, wonach jemand in einer Nachbarschaftsstreiterei der Blasphemie bezichtigt wurde. Das ist nach wie vor ein beliebter Racheakt. Vergangene Woche erst wurde ein Mann von einem Gericht in Peschawar deswegen zum Tode verurteilt. Im Februar stürme ein Mob eine Polizeistation im Ort Nankana Sahib, wo ein der Blasphemie Beschuldigter festgehalten wurde. Die wütende Menge zerrte den Mann nach draußen, folterte ihn, ermordete ihn und zündete den Leichnam an. Die Polizei schaute weg.

Es gab ein paar Proteste, einige Politiker kündigten Ermittlungen an. Doch wahrscheinlich ist, dass das im Sande verläuft. Mörder von Menschen, die der Blasphemie bezichtigt wurden, werden als Helden gefeiert. Eine extremistische Partei, Tehreek-e-Labbaik, kurz: TLP, wurde 2015 eigens gegründet, um die Blasphemiegesetze zu verschärfen und das Schariarecht in Pakistan durchzusetzen. Obwohl die Partei offiziell verboten ist, organisiert sie regelmäßig Proteste. In den kommenden Tagen hat die TLP angekündigt, will sie zusammen mit anderen extremistischen Gruppierungen zu Demonstrationen im ganzen Land aufrufen, wegen der steigenden Lebenshaltungskosten. Weil viele Menschen weder Imran Khan noch den Politikern der jetzigen Regierung trauen, dürften Hunderttausende diesen Aufrufen folgen.


Aus: "Wenn Hunger als Strafe Gottes empfunden wird" Hasnain Kazim (1. April 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-03/pakistan-armut-radikalisierung-taliban-blasphemie/komplettansicht (https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-03/pakistan-armut-radikalisierung-taliban-blasphemie/komplettansicht)

QuoteJackie Treehorn #1.1

Anhand von Pakistan kann man gut erkennen, wohin eklatante Bildungsarmut v.a. in der dritten Welt führt.


QuoteWer den Metalpfälzer aufhalten will mus ihn schon töten #1.2

Leider nicht nur in der dritten Welt.


QuoteTramontane #3

... Probleme sind im Diesseits zu beheben. Wehret den Anfängen.


QuoteLena0815 #10

Mann muss sich nur das Ende des Mittelalters, bzw. die frühe Neuzeit in Europa ansehen:
'Plötzlich' gab es zuvor unbekannte Unsicherheiten, Nöte und schon wendeten sich die Menschen radikaleren Glaubensrichtungen zu.

Während im Mittelalter ein geschlossenes Weltbild vorlag (mit Gott als mächtigster Instanz) und das Leben vergleichsweise sicher, geordnet und relativ problemlos ablief (Vergleichsweise selten große Kriege, wenige Naturkatastrophen, gute Ernten...), änderte sich das.

Hatte die Kirche im Mittelalter den Glauben an Hexen oder einen mächtigen Teufel klar abgelehnt und verurteilt (Verbot des Glaubens an Zauberei, Hexen und die Macht des Teufels), änderte sich das, als die Zeiten unsicherer wurden.

Das Klima verschlechterte sich massiv (Ende mittelalterliches Klimaoptimum), eine starke Inflation setzte ein, die Reformation spaltete die Kirche, Bauern verloren Rechte... kurz: Es wurde schwieriger und unsicherer.
Dann - bereits nicht mehr im Mittelalter - begannen die großen Hexenverfolgungen, Extremisten traten auf, Religionskriege (30 jähriger Krieg) entstanden...

Zitat: "Diese Bündelung von Krisenerscheinungen ging für viele mit einer massenhaften psychischen Erschütterung des Weltbildes und dem Verlust sicher geglaubter Wahrheiten einher und konnte sich bis zur Erwartung der nahen Apokalypse steigern. Die Suche nach Sündenböcken stellt in solchen existentiellen Notsituationen eine anthropologische Konstante dar."


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Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on May 24, 2023, 10:08:46 AM
Quote[...] Wirtschaftssanktionen erzeugen einer Studie zufolge hohe Schäden in den Zielländern, besonders für die ärmere Bevölkerung. Sanktionen durch die Vereinten Nationen (UN) führen zu einem Rückgang des Wachstums in den betroffenen Ländern von jährlich zwei Prozentpunkten, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Untersuchung mitteilte.

Auf zehn Jahre hochgerechnet komme dies einem Einbruch der Wirtschaftsleistung pro Kopf um 25 Prozent gleich. Einseitige Sanktionen durch die USA führen demnach zu einem jährlichen Rückgang des Wachstums um knapp einen Prozentpunkt. Langfristig entspricht dies einem Einbruch der Leistung der Wirtschaft pro Kopf um 13 Prozent.

,,Wirtschaftssanktionen treffen regelmäßig den Teil der Bevölkerung in den sanktionierten Ländern am stärksten, der in oder nahe der Armut lebt", sagte der Leiter der Ifo-Forschungsgruppe Steuer und Finanzpolitik, Florian Neumeier. ,,Dies war in der Vergangenheit vor allem bei US-Sanktionen der Fall. Studien zeigten zum Beispiel, dass durch die 2012 verhängten Sanktionen gegen den Iran vor allem die junge, ungebildete Bevölkerung auf dem Land zu leiden hatte.

Die Studie basiert auf Auswertungen von 160 Ländern. Davon waren 67 im Zeitraum von 1976 bis 2012 von Wirtschaftssanktionen betroffen. ,,In der Vergangenheit wurden Sanktionen meist gegen kleinere Volkswirtschaften verhängt", sagte Neumeier. ,,Aus den Analysen können wir daher nicht ableiten, wie die aktuellen Sanktionen auf eine große Volkswirtschaft wie Russland wirken."

In ärmeren Ländern führen Sanktionen auch zu einer geringeren Lebenserwartung in der Bevölkerung. Bei solchen Maßnahmen durch die UN verringere sich die Lebenserwartung der Bevölkerung um durchschnittlich 1,2 bis 1,4 Jahre.

Bei Sanktionen durch die USA sinkt die Lebenserwartung demnach um knapp ein halbes Jahr. ,,Die Unterscheidung zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen zeigt außerdem, dass Frauen von der Verhängung von Sanktionen stärker betroffen sind", sagte Neumeier.


Aus: "Neue Ifo-Studie: Weltweit vor allem arme Menschen von Wirtschaftssanktionen betroffen" (23.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-studie-weltweit-vor-allem-arme-menschen-von-wirtschaftssanktionen-betroffen-9863381.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-studie-weltweit-vor-allem-arme-menschen-von-wirtschaftssanktionen-betroffen-9863381.html)

Title: [Armut, Hunger, ... (Notizen)]
Post by: Textaris(txt*bot) on March 26, 2024, 10:33:07 AM
Quote[...] Fast 17 Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebte 2022 in Armut. Das ist das Ergebnis des Paritätischen Armutsberichts. Demnach gelten mehr als 14 Millionen Menschen nach den jüngsten Daten als arm. Die Zahl stagniert damit seit Jahren erstmals – nur die Kinderarmut steigt weiter. Besonders betroffen seien zudem Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit schlechten Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit.

Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist dem Bericht zufolge von Armut betroffen. Der Wert von fast 22 Prozent ist demnach ein Allzeithoch. Unter Alleinerziehenden habe die Armutsquote zudem bei 43,2 Prozent gelegen, heißt es in dem Bericht.

"Die Armut in Deutschland ist auch in 2022 auf sehr hohem Niveau verblieben", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Trend stetig wachsender Armut sei auf Bundesebene zwar auf den ersten Blick gestoppt, aber noch lange nicht gedreht. 2022 habe es fast eine halbe Million mehr Menschen geben, die von Armut betroffen sind, als noch 2019. Dabei führt Schneider auch die Corona-Pandemie, die Energiekrise und die hohe Inflation als mögliche Ursachen auf. Im Vergleich zu 2006 habe sich die Zahl der von Armut betroffenen Menschen in Deutschland sogar um 2,7 Millionen Menschen erhöht.

Die regionalen Unterschiede sind dem Bericht zufolge groß. In Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Hamburg sei jeder fünfte Mensch von Armut betroffen, in Bremen gar jeder dritte. In Bayern hingegen lebe jeder achte in Armut. Verschlechtert hat sich die Situation demnach in Hamburg, Schleswig-Holstein und im Saarland. In Berlin ist die Armut im Vergleich zum Vorjahr hingegen von 20,1 auf 17,4 Prozent gesunken.

Während die auch in den vergangenen Jahren bestplatzierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Brandenburg Armut weiter abbauen konnten, hätten die Länder am unteren Ende der Skala zugelegt. Die stärkste Zunahme habe es demnach in Nordrhein-Westfalen gegeben, sagte Schneider. Hier sei die Armutsquote seit 2006 doppelt so stark gewachsen wie in ganz Deutschland. 2022 betrug sie 42 Prozent.

"Ein Fünftel der Armen sind Kinder und Jugendliche. Fast zwei Drittel aller erwachsenen Armen gehen entweder einer Arbeit nach oder sind in Rente oder Pension", teilte Schneider mit. 70 Prozent von ihnen besitzen dem Bericht zufolge einen deutschen Pass, 60 Prozent zumal über mittlere oder höhere Bildungsabschlüsse. Zudem seien nur sechs Prozent der erwachsenen Armutsbevölkerung arbeitslos. 34 Prozent seien erwerbstätig – 30 Prozent Rentnerinnen und Rentner.

Der Verband fordert die Bundesregierung in seinem Bericht zu "einer entschlossenen Armutspolitik" auf. Dazu gehöre, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, Kinderbetreuung auszubauen sowie eine Kindergrundsicherung. Zudem solle es eine "solidarische Pflegeversicherung als Vollversicherung geben".

Der Bericht des Gesamtverbands Der Paritätische basiert auf dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts.


Aus: "17 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von Armut betroffen" David Rech (26. März 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-03/armut-deutschland-paritaetischer-armutsbericht-kinderarmut (https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-03/armut-deutschland-paritaetischer-armutsbericht-kinderarmut)