"Ausnahmezustand in Frankreich: Das Außergewöhnliche wird Alltag" Annika Joeres (7. Juni 2017)
Schwer bewachte Dorffeste, Tausende Wohnungsdurchsuchungen, Verdächtige unter Hausarrest: Nirgendwo in Europa ist die Antwort auf den Terror so radikal wie in Frankreich. ... Das Außergewöhnliche gehört inzwischen für französische Bürger zum Alltag. Der Antiterrorplan Vigipirate erinnert mit einem roten Dreieck an öffentlichen Gebäuden an die ständige Terrorgefahr. Weniger sichtbar dagegen ist der sogenannte Ausnahmezustand, den Frankreich nach den Terroranschlägen in Manchester und nun London zum fünften Mal bis zum 1. November verlängert hat. Damit gibt Frankreich seinen Ermittlern und Polizisten besonders hohe Befugnisse. ...
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-06/frankreich-ausnahmezustand-terrorbekaempfung-sicherheitspolitik/komplettansicht"Großbritannien: May zu Einschränkung von Menschenrechten bereit" (7. Juni 2017)
Premierministerin May hat angekündigt, im Antiterrorkampf härter gegen Gefährder vorzugehen. Nach den Anschlägen in Manchester und London gab es erneut Festnahmen. ... Bei dem Anschlag durch den Selbstmordattentäter Salman Abedi bei einem Konzert der US-amerikanischen Popsängerin Ariana Grande am 22. Mai in Manchester waren 22 Menschen getötet worden, darunter Kinder. Mehr als Hundert Menschen wurden verletzt. Insgesamt 19 Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen, zwölf wurden inzwischen wieder freigelassen. In Libyen sitzen außerdem Abedis Vater und Bruder in Haft.
Bei dem Anschlag in London am vergangenen Samstag waren sieben Menschen getötet und 48 verletzt worden. Die drei mutmaßliche Attentäter, Khuram Shazad Butt, Rachid Redouane und Youssef Zaghba, waren auf der London Bridge mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge gerast. Anschließend griffen sie im angrenzenden Borough Market Menschen mit Messern an. Sie wurden von der Polizei getötet. ...
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-06/grossbritannien-festnahmen-irland-terror-theresa-may---
"Politik Rechtsextremismus Mehr als 25.000 Personen auf rechten Feindeslisten" Thoralf Cleven/RND (30.07.2018)
Von 25.000 auf Feindeslisten Rechtsextremer aufgetauchter Personen wurden 2017 von Bundesbehörden lediglich 3 informiert. Der Rest sei Ländersache, heißt es in Berlin. Auf eine gemeinsame Datei verzichten Bund und Länder.
Berlin - Die deutschen Sicherheitsbehörden haben seit 2011 bei Razzien und Festnahmen in der rechtsextremen Szene Listen gefunden, auf denen mehr als 25.000 Personen mit Namen, Telefonnummern und Adresse als „Feinde“ markiert worden sind. Die entsprechenden Schriftstücke oder Datensätze seien vor allem bei den Ermittlungen gegen den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), gegen die Rechtsextremisten Franco A., Maximillian T. und Mathias F. im vergangenen Jahr sowie – ebenfalls 2017 – gegen Mitglieder der rechten Prepper-Gruppierung „Nordkreuz“ beschlagnahmt worden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Bei den NSU-Ermittlungen hätte das Bundeskriminalamt (BKA) aus den beschlagnahmten Adressen und Telefonlisten eine Gesamtliste von etwa 10.000 Datensätzen erstellt, heißt es. „Eine verlässliche Zuordnung, bei welchen Datensätzen, Adressen und Markierungen es sich um ein potenzielles Anschlagsziel gehandelt haben könnte, ist nicht möglich.“ Im Verfahren gegen Franco A. seien 32 Personen auf sogenannten Feindeslisten aufgetaucht.
Die meisten bedrohten Personen fanden sich bei beschlagnahmten Daten im Zuge der Ermittlungen gegen die „Nordkreuz“-Prepper. „Deren Auswertung führte bislang zur Feststellung von etwa 25.000 Personen“, so Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium. In weiteren Verfahren gegen Rechtsextreme seien keine weiteren Listen mit Namen bedrohter Politiker gefunden worden.
Umstritten ist, wer und wie auf diesen Listen vermerkte Frauen und Männer informiert. Die Bundesregierung sagt, das BKA hätte 2011 im Zuge der NSU-Ermittlungen die zuständigen Länderpolizeien „über die Adresslisten in Kenntnis gesetzt“, heißt es weiter in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken. Das träfe auch auf die Personen zu, die auf den Listen von Franco A. aufgetaucht seien.
„Die Information der betroffenen Personen erfolgte durch die Länder in eigener Zuständigkeit beziehungsweise durch die Abteilung Sicherungsgruppe (SG) des BKA. Die Abteilung SG des BKA informierte jeweils am Tag des Bekanntwerdens zwei betroffene Personen am 28. April 2017 und eine Person am 2. Mai 2017.“ Dabei hätte es sich um Personen in Zeugenschutzprogrammen gehandelt.
Im „Verfahren Nordkreuz“ wäre schließlich ebenfalls eine Auflistung der verzeichneten Personen sowie eine vom BKA zeitnah erstellte Gefährdungsbewertung an die für die Gefahrenabwehr zuständigen Länder übermittelt worden. „Entsprechend der Gefährdungsbewertung des BKA ist eine Unterrichtung der auf der Liste aufgeführten Personen durch die Bundesbehörden nicht erfolgt.“
Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass es keine gemeinsame Datei von Bund und Ländern über bedrohte Personen auf diesen „Feindeslisten“ gebe. „Eine Zentraldatei oder Verbunddatei mit Personen im Sinne der Fragestellung wird nicht geführt“, heißt es. „Entsprechende Daten werden in Ermittlungsdateien oder Amtsdateien beziehungsweise Fallakten von den zuständigen Behörden erfasst. Es werden jedoch zweckgebunden nur Personendaten gespeichert, die im Rahmen der jeweiligen Aufgabenwahrnehmung festgestellt wurden. Eine übergreifende beziehungsweise generelle Speicherung erfolgt nicht.“
Die Rechtsextremismus Expertin der Linke-Fraktion, Martina Renner, wirft der Bundesregierung vor, die rechtsterroristische Gefahr zu ignorierten. „Anders ist es nicht zu erklären, dass das Bundeskriminalamt von mehreren zehntausend Betroffenen nicht mal eine Hand voll informiert und sich sonst ausschweigt“ so Renner gegenüber dem RND.
„Es ist völlig irrwitzig, wenn der Generalbundesanwalt Terrorverfahren führt, aber die gefährdeten Personen letztlich nicht vom BKA selbst informiert werden. Man stelle sich vor, auf solch einer Liste zu stehen und im Unklaren gelassen zu werden.“ Renner fordert auch eine zentrale Datei für die „Feindeslisten“. „Spätestens seit dem Auffliegen des NSU-Netzwerks müssten beschlagnahmte Feindeslisten zentral erfasst werden. Rechte Morde und Anschläge sind eine ganz reale Bedrohung.“
http://www.kn-online.de/Nachrichten/Politik/Mehr-als-25.000-Personen-auf-rechten-Feindeslisten-
"Rechte Prepper-Gruppe Nordkreuz: Munition verschwunden? Egal" Christina Schmidt, Sebastian Erb (12. 5. 2020)
Der Kopf der Prepper-Gruppe Nordkreuz hatte tausende Patronen aus Behördenbeständen gehortet. Berlin zeigt kein Interesse an Aufklärung. ... Die Patronen waren im Sommer 2017 und Sommer 2018 bei Razzien gefunden worden, insgesamt hatte der Polizist Marko G. 55.000 Schuss Munition besessen. Darunter waren tausende Patronen von Polizeibehörden in mindestens sieben Bundesländern, von der Bundespolizeieinheit GSG 9, der Bundeswehr oder auch dem Zoll. Das Besondere daran: In fast allen Fällen kam die Munition von Einheiten, die auf einem Schießplatz in Mecklenburg-Vorpommern trainierten, zu dem auch Marko G. Zugang hatte – zunächst als SEK-Polizist, dessen Einheit den Platz ebenfalls nutzte, später dann sogar als Trainer für ziviles Schießen.
Marko G. ist aber nicht nur Polizist und einfacher Sportschütze. Er war auch Administrator der rund 30-köpfigen Prepper-Gruppe Nordkreuz, in der auch zwei Männer Mitglied waren, denen die Bundesanwaltschaft die Planung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorwirft: Sie sollen vorbereitet haben, am Tag X, dem Eintritt eines Katastrophenzustands, Menschen aus dem politisch linken Spektrum zu töten. ...
https://taz.de/Rechte-Prepper-Gruppe-Nordkreuz/!5684701/-
"Ich weiß alles, aber kann es nicht sagen" Johanna Henkel-Waidhofer (25.07.2018)
Seit 13 Monaten wartet der zweite NSU-Ausschuss auf den Bericht des früheren grünen Bundestagsabgeordneten und Sonderermittlers Jerzy Montag. Die 300 Seiten werden den Abgeordneten hartnäckig vorenthalten, was nur einen Schluss nahe legt: Die Brisanz muss erheblich sein. ...
... In "Ende der Aufklärung" stellen der Soziologe Vincent Gengnagel und der Politikwissenschaftler Andreas Kallert den Gesamtzusammenhang her. Es gehe nicht nur um die restriktive Haltung des PKG, sondern generell um die "Grenzen von Aufklärung im NSU-Komplex im Kontext einer Staatsraison, die ein abstraktes Staatswohl über die Verhinderung und die Aufklärung einer rechtsterroristischen Mordserie stellt – allen Versprechen von Bundeskanzlerin Merkel zum Trotz ('Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.')". Es seien "bei weitem nicht nur "'Pannen' und 'Fehler' der Behörden als vielmehr die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Staates sowie das sogenannte Staatswohl, die die Aufklärung des NSU-Komplexes behindern". ...
https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/382/ich-weiss-alles-aber-kann-es-nicht-sagen-5236.html...