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[Autoren & Bücher (so durcheinander)... ]

Started by lemonhorse, July 31, 2008, 05:09:46 PM

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#20
"Phantasmagorischer Städtetrip" Boris Poplawskis posthumer Roman ,,Apoll Besobrasow" aus dem Paris der 1930er Jahre
Von Klaus-Peter Walter (2019)
Apoll Besobrasow ist ein faszinierend sprach- und wortmächtiges Buch zum Immer-wieder-lesen. Jeder Satz scheint tonnenschwer, aber vieles ist für Nachgeborene und Nichtslawisten in mancherlei Hinsicht erklärungsbedürftig. Eine ganze Reihe von Erläuterungen fordern schon Vor- und Nachname der Titelfigur heraus, die an sich Unvereinbares vereinen. Apoll wurde in der Antike unter anderem als der Gott des Lichts, der Medizin, der Musik und der Dichtkunst sowie etlicher ethisch positiver Eigenschaften wie der sittlichen Reinheit verehrt. Außerdem gelten Träger seines Namens als ausgesprochen gut aussehend. Ganz anders der Nachname, Besobrasow. Das russische Wort besobrasny, wörtlich ,,kein Bild, keine Form habend", deckt einen weiten Bedeutungsbereich zwischen ,,vage" und ,,hässlich" ab. Hier haben wir also einen fleischgewordenen Widerspruch in sich vor uns. Apoll Besobrasows Lebensprinzip ist das Non-commitment. Er tut so, als ginge ihn das Leben nichts an, katalysiert lediglich Denken und Handlung seiner Umgebung. Er ist ein Flaneur, ein Zuschauer, der nirgendwo mitmacht. ...
https://literaturkritik.de/poplawski-apoll-besobrasow-phantasmagorischer-staedtetrip-boris-poplawskis-posthumer-roman-apoll-besobrasow-aus-paris-1930er-jahre,25771.html

Boris Julianowitsch Poplawski (russisch Бори́с Юлиа́нович Попла́вский; * 25. Maijul./ 7. Juni 1903greg. in Moskau; † 9. Oktober 1935 in Paris) war ein russischer Schriftsteller, der zur jüngeren Generation der Ersten russischen Emigration gezählt wird. ... Leitmotivisch setzt sich ein Großteil des Werks Poplawskis mit dem Tod und Todessehnsucht auseinander. Die Literaturkritik sieht ihn unter dem Einfluss nicht nur der französischen und russischen Symbolisten, sondern auch des Surrealismus. Auch wurde er von James Joyce geprägt. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Boris_Julianowitsch_Poplawski

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Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne. James Joyce lebte vorwiegend in Dublin, Triest, Paris und Zürich.
https://de.wikipedia.org/wiki/James_Joyce

The World of James Joyce: His Life & Work documentary (1986)
The authoritative documentary on the man who single-handedly transformed English literature in the 20th century.
https://youtu.be/4IwrHkNUk24

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#21
Generation X dient seit den frühen 1950er-Jahren als schlagwortartige Bezeichnung für eine Reihe unterschiedlicher Generationen bzw. Bevölkerungskohorten, denen von den jeweiligen Autoren jeweils unterschiedliche Charakterisierungen zugeschrieben werden.
Die Bezeichnung Generation X, auch als Gen X abgekürzt, bezieht sich konkret auf die den Baby-Boomern folgende Generation. Sie wird vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum für eine Generation benutzt, die von den mittleren 1960er bis in die frühen 1980er Jahre geboren wurden. Die gängigste Definition umfasst die Jahrgänge 1965 bis 1980, es gibt aber auch abweichende Positionen (so umfasst die Gen X etwa nach den US-amerikanischen Autoren William Strauss und Neil Howe die Jahrgänge 1961 bis 1981). Popularisiert wurde der Ausdruck speziell durch den 1991 erschienenen Roman Generation X von Douglas Coupland. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_X_(Soziologie)

Nach Couplands Einschätzung ist für diese Generation charakteristisch, dass sie sich erstmals ohne Kriegseinwirkung mit weniger Wohlstand und ökonomischer Sicherheit begnügen muss als die Elterngenerationen, aber andererseits für deren ökonomische und ökologische Sünden büßt. Der Roman erzählt ,,Geschichten von der Katerstimmung im Amerika nach der auf Pump veranstalteten letzten großen Sause unter Reagan und Bush" (Deutschlandfunk) über eine Generation mit ,,zu vielen Fernsehern und zu wenig Arbeit" (Newsweek). Coupland kritisiert mit seinem Schlüsselroman die Wohlstandsgesellschaft der Vorgänger-Generation, die ,,mit 30 stirbt, um mit 70 begraben zu werden". Ursprünglich sollte der Begriff Generation X andeuten, dass sich diese Generation bislang erfolgreich der Benennungswut von Werbeindustrie und journalistischem Gewerbe entzogen hat. Couplands Buch erreichte die Bestsellerlisten und der Titel wurde zum Schlagwort für die bis dahin unbenannte Generation. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_X_(Roman)

GENERATION X: SELBST- UND FREMDBESCHREIBUNGEN EINER GENERATION. EINE LITERATURWISSENSCHAFTLICHE STUDIE Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.)  durch die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgelegt von Guido Jablonski aus Sevelen (2002)
https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-2629/629.pdf


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#22
"Salmen Gradowski: ,,Die Zertrennung" Er schrieb, als die Krematorien noch brannten" Fabian Wolff (23.11.2019)
Er verstand das Überleben und vor allem das Schreiben als Widerstandshandlungen und plante mit anderen Mitgliedern des ,,Sonderkommandos" einen großen Aufstand. Dieser, so erklärt er frustriert in einer Notiz, wurde durch die anderen ,,Lagermenschen" immer wieder verschoben. Erst am 7. Oktober 1944 kommt es doch zu einer Revolte, bei der Gradowski stirbt – ,,im Kampf gefallen" wie ein Soldat oder ein Makkabäer. Die stilistische Geschlossenheit und Sprachmacht dieser unter fatalsten Bedingungen entstandenen Texte machen sprachlos, die einordnenden Essays und die sensible Übersetzung überbrücken diese Sprachlosigkeit mit großer Vorsicht. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/salmen-gradowski-die-zertrennung-er-schrieb-als-die.950.de.html?dram:article_id=464007

Salmen Gradowski - Die Zertrennung - Aufzeichnungen eines Mitglieds des Sonderkommandos
https://www.suhrkamp.de/buecher/die_zertrennung-salmen_gradowski_54280.html

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Szilárd Borbély: Berlin Hamlet - Gedichte
Herausgegeben und aus dem Ungarischen übersetzt von Heike Flemming (Erschienen: 28.10.2019)
Szilárd Borbély, der vor einigen Jahren mit seinem Roman Die Mittellosen international Aufsehen erregte, gilt als der bedeutendste ungarische Lyriker seit 1989. Erstmals liegen nun zwei Gedichtzyklen auf Deutsch vor: Zustandsbeschreibungen eines wahrnehmungssensiblen Ich, das in ruhigem Parlando über sich und seine Umgebung reflektiert (Berlin Hamlet), und ein formstrenges Brevier von Trauergedichten, die auf ein ungesühntes Verbrechen eine Antwort suchen (Leichenpomp). 
Ein mitteleuropäischer Flaneur streift durch das aufgerissene, im Umbruch begriffene Berlin der neunziger Jahre, sein Blick folgt dem Flugzeug über der Hermannstraße im Landeanflug auf Tempelhof, verirrt sich im Gewirr bunter Rohrleitungen über den Ausschachtungen, im Wald der Kräne am Potsdamer Platz. Gattungsbezeichnungen wie Allegorie, Brief, Epilog und Fragment, Zitate aus Shakespeare-Sonetten, aus Benjamins Passagenwerk und Kafkas Briefen an Felice verbannen die Stadtansichten in die Kulisse – es ist ein urbaner metaphysical poet, besessen vom Gedanken der Vergänglichkeit. 
Der gewaltsame Tod der Eltern, die einem Raubmord zum Opfer fielen, und die Vernichtung der ungarischen Juden wurden zu Borbélys Lebensthema. In Leichenpomp greift er auf dichterische Formen katholischer Frömmigkeit und auf chassidische Legenden zurück, um dem Unerträglichsten einen Ausdruck abzuringen, der jegliche Erlösungsbotschaft verneint.
https://www.suhrkamp.de/buecher/berlin-hamlet-szilard_borbely_22511.html


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#23
Quote[...] Die Anthologie ,,Die untergründigen Jahre" erzählt über Literatur abseits vom Mainstream in Westdeutschland seit den 1970ern.

Hans Magnus Enzensberger hat 1980 kurzen Prozess gemacht. ,,Widerstandslos, im großen und ganzen, / haben sie sich selbst verschluckt, / die siebziger Jahre", schreibt der Dichter und Schriftsteller in ,,Die Furie des Verschwindens". ,,Daß irgendwer ihrer mit Nachsicht gedächte, / wäre zuviel verlangt." Der allgemeine Befund stimmt nicht mehr so ganz. Kulturhistoriker und Literaten haben schon seit einiger Zeit ein Auge auf die Siebziger geworfen und nicht ohne Nachsicht über diese Dekade geschrieben. Die Literaturwissenschaft hat sich bisher vornehm zurückgehalten.

Mit den Stichworten Neue Subjektivität, Alltagslyrik, Pop hat sie gerade mal jene Exponenten ein- und oftmals auch wegsortiert, die es in die Mainstream-Verlage geschafft haben: also Rolf Dieter Brinkmann, Jörg Fauser, Wolf Wondratschek, Nicolas Born, Jürgen Theobaldy, Michael Buselmeier, Karin Kiwus, Ursula Krechel et alii. Aber das ,,Jahrzehnt der Underground-Literatur", so formuliert es der Schriftsteller Peter Salomon, ,,existiert bislang nicht in den Literaturgeschichten". Salomon und die anderen Autoren des Sammelbands ,,Die untergründigen Jahre" liefern einiges Material für diese noch zu schreibende Geschichte der Alternativliteratur.

,,Das,Kapital', erster Band, lag aufgeschlagen auf meiner Schreibplatte auf zwei Böcken, und um nicht ständig Vorhaltungen über die fehlende gesellschaftliche Funktion der Literatur im Spätkapitalismus zu hören, schob ich den Wälzer über meinen dünnen Stapel Manuskriptblätter, sobald sich jemand aus dem Umkreis der antiautoritären Zirkel der Tür näherte: seine oder ihre Abneigung gegenüber Lyrik, Poesie konnte ich voraussetzen", erinnert sich Jürgen Theobaldy mit leichtem Gruseln an diese Jahre.

,,Einmal hob ein junger Revoluzzer im Ledermantel beim Weggehen ein gerade herumliegendes Buch an und meinte, mit Blick auf den Titel:,Damit machen wir dann auch Schluß.'" Gemeint ist Gert Jonkes ,,Geometrischer Heimatroman". Theobaldy ist ein Linker, er marschiert mit, aber er will eben trotzdem auch weiter Lyrik schreiben. ,,Das Gedicht im Handgemenge", so heißt einer seiner Aufsätze damals.

Die sich bald konsolidierende Szene der Minipressen mit ihrer geradezu explodierenden Zahl von ,,Little Mags" lässt sich wohl auch als eine Reaktion auf die politische Desillusionierung nach 1968 verstehen, auf die Selbstzerfleischung der Linken und nicht zuletzt auf die schwer erträgliche Bürokratisierung ihrer Gebaren und Sprache. Man wollte schlicht den Hedonismus der Anfänge wieder zurück, die Literatur sollte nicht länger tot, sondern geradezu ein Antidot sein gegen die absurden Fraktionskämpfe.

,,Die politischen Entwicklungen in der Studentenschaft, der Aufbau von immer neuen Kommunistischen Parteien zerstörten mein Geschäftsmodell", erinnert sich der Raubdrucker Detlef Michelers. ,,Ich konnte den ideologischen Auseinandersetzungen nicht folgen, mir wurde Prügel angedroht, weil ich die falschen Bücher druckte." Michelers sattelt zunächst um auf Songbooks von Dylan, The Doors und Jimi Hendrix und spielt bald darauf in der Bremer Literaturszene als Veranstalter, Verleger, Herausgeber und Autor eine wesentliche Rolle. Sein Beispiel zeigt den egalitären Impuls, der in diesem Paradigmenwechsel steckte. Es durften eben nicht mehr nur Akademiker mitspielen. Michelers hatte als Reedereikaufmann und Schiffsmakler gearbeitet, bevor er in die alternative Literaturszene abbog.

Die Mehrzahl der Szene-Exponenten kommt zwar aus dem universitären Umfeld, aber auch sie sind nicht unbedingt an einer pfeilgeraden Karriere interessiert, sondern wollen sich ausprobieren. Daniel Dubbe promoviert über Henri Michaux und wirft nach Feierabend Acid ein, um so zu seinem eigenen Stil zu kommen. Mit ganz beachtlichen Ergebnissen, wie er sich selbst auf die Schulter klopft.

Es herrscht aber auch Bereitschaft bei einer wachsenden Leserschaft, sich mit solchen Experimenten auseinanderzusetzen. ,,Man brauchte damals nur ein paar zusammengeheftete Blätter hochzuhalten, dann wurden die einem aus der Hand gerissen", erinnert sich Helmut Loeven, Herausgeber der Zeitschrift Der Metzger.

Die etablierten Verlage bemerken das durchaus und machen eigene Reihen auf, Rowohlts ,,Das neue Buch" zum Beispiel, um den Rahm abzuschöpfen. Aber sie gehören nun mal zum Schweinesystem. ,,Laßt euch nicht von den Rowohlts verschachern, Genossen! Organisiert euch selbst! Macht den bürgerlichen Linksgeschäftemachern ihr Geschäft kaputt! Der Polizeiknüppel, der uns auf den Kopf schlug, ließ es bei den Verlegern bimmeln: Schlagt da zurück!", steht ausrufezeichenreich auf dem Cover des Szenehandbuchs ,,Die Alternativpresse".

Viele Autoren erinnern sich an den Zauber des Anfangs, die große Aufbruchstimmung. Man legt einfach los. Und tatsächlich entwickelt sich bald eine eigene Infrastruktur. Dreh- und Angelpunkt ist Josef ,,Bibi" Wintjes mit seinem ,,Literarischen Informationszentrum" in Bottrop. Wintjes sorgt für die interne Verständigung und vor allem für den Vertrieb. Und Benno Käsmayr, der sich neben seinem Studium in einer Druckerei verdingt, für die Herstellung. ,,Es sprach sich in der Szene schnell herum, daß ich Zugang zu Produktionsmitteln hatte und Sonderpreise machen konnte", erzählt er.

Für ambitioniertere Publikationen, die ihr Larvenstadium als hektografiertes Heftchen hinter sich haben, wird der Augsburger zum ersten Ansprechpartner und bleibt es jahrzehntelang. Als wir Mitte der 90er Jahre mit dicker Hose ein Magazin für ­Literatur und Kritik herausgaben, machte Benno immer noch Sonderpreise. Mit seinem Maro Verlag hatte er zudem großen Anteil an der Popularisierung des Undergrounds. Bei ihm erscheinen viele Klassiker der Alternativliteratur, etwa Tiny Strickers ,,Trip Generation", Jörg Fausers ,,Tophane" und nicht zuletzt ,,Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang" von Charles Bukowski.

Dass die Literatur der Siebziger so gründlich vergessen ist, gehört zu den Unterlassungssünden einer elitären Literaturgeschichte, der es schon immer nicht ganz geheuer war, wenn auf einmal Krethi und Plethi, also auch vermeintliche Literaturfremde, Unstudierte, Handwerker und Proleten, anfingen Gedichte zu schreiben und womöglich mit Anspielungsmaterial jonglierten, das nicht dem bildungsbürgerlichen Traditionszusammenhang entstammte.

Dass eine Literatur, die oft roh und unartifiziell scheint und die profanen Dinge des Lebens, auch die lange verdrängte Gefühlswelt in den Blick und beim prosaischen Wort nimmt, nicht zwangsläufig unpoetisch sein muss, dafür gibt es genügend Beispiele – von Christoph Derschau, Ralf Thenior, Yaak Karsunke, Barbara Maria Kloos und nicht zuletzt von Uli Becker, ohne den nicht nur meine Lesebiografie sehr viel fader verlaufen wäre.

Der Literaturkritiker Michael Braun, der sich ohnehin nur als Zaungast der damaligen Szene begreift und ein wenig den Spielverderber gibt, will davon nichts wissen. Für ihn nehmen die literarischen Siebziger zu Recht wenig Platz ein in den Literaturgeschichten. Vom Underground lässt er noch weniger gelten. Vier Bücher reichen seiner Ansicht nach, um zu erfahren, was ,,wir über die siebziger Jahre wissen müssen": Michael Rutschkys ,,Erfahrungshunger", Enzensbergers ,,Die Furie des Verschwindens", Theobaldys ,,Blaue Flecken" und Günter Steffens' ,,Die Annäherung an das Glück".

Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Vielleicht führt ja das aktuelle Interesse an autofiktionaler Literatur – von Annie Ernaux, Didier Eribon, Karl Ove Knausgård und J. J. Voskuil –, wenn schon nicht zu einer Renaissance der ,,Neuen Subjektivität" und zur Wiederentdeckung ihrer Exponenten, dann wenigstens zu einer gerechteren Beurteilung dieses literatursoziologisch und ästhetisch bemerkenswerten Dezenniums. Bis dahin gilt Wolf Wondratscheks Empfehlung: ,,trink noch'n Whisky, / einen auf die siebziger Jahre, / dieses elende großzügige Jahrzehnt."


Aus: "Sammelband über Underground-Literatur: Acid nach Feierabend" Frank Schäfer (10. 8. 2020)
Quelle: https://taz.de/Sammelband-ueber-Underground-Literatur/!5701728/


"Rolf Dieter Brinkmann: Einen Tag älter, tiefer und tot" Ulrich Rüdenauer (08.11.2021)
https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/rolf-dieter-brinkmann-einen-tag-aelter-tiefer-und-tot-91101348.html#idAnchComments

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'Fratzen in der Straßenbahn' - Rolf Dieter Brinkmann über Köln
Der DDR-Dramatiker Heiner Müller nannte ihn "das einzige Genie im Westen". Markus Mayer befragt alte Weggefährten - wie Ralf-Rainer Rygulla und Hermann Peter Piwitt - und erkundet, welche.
Rolf Dieter Brinkmann, geboren 1940 in Vechta, lebte ab 1962 in Köln, Schriftsteller. Gestorben 1975 in London (Verkehrstod). Tonbandaufnahme vom Dezember 1973 Veröffentlicht auf der CD-Box.
Rolf Dieter Brinkmann Vechta 1940 - London 1975 "In Rom dachte ich an London. In London dachte ich an Rom. Als ich in Köln war, dachte ich an Amsterdam." Veröffentlicht auf der.
Rolf Dieter Brinkmann - Brinkmanns Zorn . die to [2006] Die Tonbänder zwischen 1973-1975 Mit Fotos, Super8-Filmen, Arbeitsbüchern und Collagen aus dem Nachlass Brinkmanns. Text ab Min 52
https://youtu.be/qAT_M1SroKA

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JÖRG FAUSER ,,Wenn Literatur nicht bei denen bleibt, die unten sind, kann sie gleich als Partyservice anfangen" (14.07.2012)
Jörg Fauser wird 1944 im hessischen Bad Schwalbach geboren. Vor 25 Jahren, am 17. Juli 1987, stirbt er, als er nach einer Geburtstagsfeier auf die
Münchener Autobahn gerät und von einem Lkw überfahren wird. Er wird 43 Jahre alt. In seiner Todesnacht ist er betrunken, 2,6 Promille.
Fauser ist Journalist und Schriftsteller.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/joerg-fauser-wenn-literatur-nicht-bei-denen-bleibt-die-unten-sind-kann-sie-gleich-als-partyservice-anfangen/6877514.html

"Rohstoff: Vergessen Sie Jörg Fauser nicht, denn irgendein Mexiko brauchen wir alle!" (26. Juli 2013)
Rohstoff ist auch ein politischer Roman, ohne zu politisieren. Und obwohl er Anfang der 1980er geschrieben wurde, ist er nicht durchtränkt von künstlich wirkendem Zeitkolorit und Namedropping, wie es heutzutage oft der Fall ist, wenn Autoren ihren Text in die jüngste Vergangenheit verlegen.
Fast anrührend das 42. Kapitel, in dem Fauser eine Nachtwächterschicht beschreibt. »Irgendein Mexiko brauchen wir alle«, meint eine der Figuren, Fritz. Doch – und das mag typisch für Fauser sein – steht der Ort Mexiko für einen höchst zweifelhaften Traum. ...
https://www.literaturcafe.de/rohstoff-vergessen-sie-joerg-fauser-nicht/

"Jörg Fauser Die Optik des Direkten Ein Feature 1994"
Jörg Fauser - Die Optik des Direkten - Grenzgänger zwischen Journalismus und Literatur
15.06.1994 - 21.00-22.00 WDR 3
https://youtu.be/gkCcjiS_lkk

Jörg Fauser Autor-Scooter (1984) Teil 1/5
Eine Fragestunde mit Jörg Fauser. Der am 17. Juli 1987 tödlich verunglückte Schriftsteller zu Gast bei Hellmuth Karasek und Jürgen Tomm im September 1984.
Quelle: BR-alpha am 14.07.2009 zum 65. Geburtstag.
https://youtu.be/5I0Htin9QSM

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#24
Erich Maria Remarque (eigentlich Erich Paul Remark; * 22. Juni 1898 in Osnabrück; † 25. September 1970 in Locarno, Schweiz) war ein deutscher Schriftsteller. Seine überwiegend als pazifistisch eingestuften Romane, in denen er die Grausamkeit des Krieges thematisiert, finden bis heute große Verbreitung. Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, als der Autor durch sein Hauptwerk, den 1928 erstmals erschienenen, 1930 in Hollywood verfilmten Antikriegsroman Im Westen nichts Neues, schon weltberühmt war, emigrierte er in die Schweiz. Seine Arbeiten wurden in Deutschland als ,,schädliches und unerwünschtes Schrifttum"[1] verboten und 1933 öffentlich verbrannt. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm 1938 aberkannt. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Maria_Remarque

Erich Maria Remarque - Gespräch mit Friedrich Luft (1962)
Aus der Reihe "Das Profil". Erich Maria Remarque (1898-1970) war ein deutscher Schriftsteller. Seine überwiegend als pazifistisch eingestuften Romane, in denen er die Grausamkeit des Krieges thematisiert, finden bis heute große Verbreitung. Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, als der Autor durch sein Hauptwerk, den 1928 erstmals erschienenen, 1930 in Hollywood verfilmten Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues", schon weltberühmt war, emigrierte er in die Schweiz. Seine Arbeiten wurden in Deutschland als ,,schädliches und unerwünschtes Schrifttum"[1] verboten und 1933 öffentlich verbrannt. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm 1938 aberkannt. In den USA fand er Aufnahme, bekam die amerikanische Staatsbürgerschaft und Anerkennung als Schriftsteller (Quelle: Wikipedia). ...
https://youtu.be/aOzROBGLkpE


"Als wäre alles das letzte Mal: Erich Remarque. Eine Biographie" Januar 2000 (Deutsch) Wilhelm von Sternburg (Autor)
Der Publizist und Buchautor Wilhelm von Sternburg hat die erste umfassende Biographie dieses Autors vorgelegt, dessen Bücher Millionenauflagen erreicht haben und vielfach verfilmt wurden und über dessen schillerndes, ebenso mondänes wie schwieriges, engagiertes wie zerrissenes Leben dennoch so genau und kenntnisreich bislang nie Auskunft gegeben wurde. Sternburgs Biographie, brillant und anschaulich geschrieben, verknüpft das Lebensbild Remarques mit der Werk- und Zeitgeschichte, wobei der Autor auf viele bislang nicht breit zugängliche Materialien, wie Briefe und Tagebücher, zurückgreifen konnte. ...
ISBN-10 : 3462029177
ISBN-13 : 978-3462029178


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#25
Jack Kerouac, eigentlich Jean-Louis Lebris de Kérouac (* 12. März 1922 in Lowell, Massachusetts; † 21. Oktober 1969 in Saint Petersburg, Florida), war ein US-amerikanischer Schriftsteller franko-kanadischer Herkunft und einer der wichtigsten Vertreter der Beat Generation.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Kerouac

"On the Road" Audiobook Part 1 of 10
Written by Jack Kerouac.
Performed by Frank Muller.
https://youtu.be/H7aHumxaQ4A

Jack Kerouac & Steve Allen ~ Poetry For The Beat Generation (LP, 1959)
1 October In The Railroad Earth 7:09
2 Deadbelly 1:05
3 Charlie Parker 3:45
4 The Sounds Of The Universe Coming In My Window 3:17
5 One Mother 0:49
6 Goofing At The Table 1:45
7 Bowery Blues 3:56
8 Abraham 1:17
9 Dave Brubeck 0:31
10 I Had A Slouch Hat Too One Time 6:12
11 The Wheel Of The Quivering Meat Conception 1:55
12 McDougal Street Blues 3:23
13 The Moon Her Majesty 1:36
14 I'd Rather Be Thin Than Famous
https://youtu.be/dywFHScNecI

Jack Kerouac - Big Sur (Complete Audio Book With Chapter Tracks)
https://youtu.be/9iXgtLqpJmE

Big Sur is a 1962 novel by Jack Kerouac, written in the fall of 1961 over a ten-day period, with Kerouac typewriting onto a teletype roll.[1] It recounts the events surrounding Kerouac's (here known by the name of his fictional alter-ego Jack Duluoz) three brief sojourns to a cabin in Bixby Canyon, Big Sur, California, owned by Kerouac's friend and Beat poet Lawrence Ferlinghetti. The novel departs from Kerouac's previous fictionalized autobiographical series in that the character Duluoz is shown as a popular, published author; most of Kerouac's previous novels instead portray him as a bohemian traveller.
https://en.wikipedia.org/wiki/Big_Sur_(novel)

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#26
Steffen Köhler ,,Unsere Rettung ist der Tod,  aber nicht dieser." Kafka  in eschatologischer Perspektive (27. März 2001)
https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/6/file/dissertation.pdf

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Jürgen Ploog (* 9. Januar 1935 in München; † 19. Mai 2020 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Schriftsteller und Publizist. ... Sein schriftstellerisches Werk umfasst an die 20 Monografien und über 50 kürzere Arbeiten, vorwiegend in den Organen der Underground-Presse publiziert, unter anderem in der politisch-satirischen Zeitschrift Der Metzger. Es steht ganz im Zeichen der von Brion Gysin ,,entdeckten" und von William S. Burroughs weiterentwickelten Cut-up-Technik. Sie diente Ploog als adäquates Ausdrucksmittel für seinen Lebensrhythmus als Langstreckenpilot. Die konstanten Ortswechsel, das verschobene Zeitkontinuum, die Desorientierung und die ständigen Déjà-vus-Leben erzeugten dieses Cut-up-Gefühl. .... Herausragendes Beispiel für Ploogs erste Schaffensphase ist sein Debütroman, Cola-Hinterland, 1969 im Darmstädter Melzer Verlag erschienen. Die Cut-up-Methode wird hier konsequent angewendet. Resultat ist ein stark fragmentierter und offener Text, dessen kausal-chronologische Bezüge weitgehend aufgelöst sind. Skizzenhaft entsteht ein Universum, das Cola-Hinterland, dessen Bewohner durch die verschiedensten Kommunikationsmedien und -kanäle kontrolliert und manipuliert werden. Zwänge, oftmals sexueller Natur, in grotesk-obszönen Szenen exerziert, sind die Folge der medialen Überwachung. Der Text insgesamt wird als Logbuch einer Raumfahrerfigur präsentiert, die als Forschungsreisender durch fremde Welten driftet....
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Ploog


Jürgen Ploog (1935-2020)
Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann
Vor genau fünf Jahren, am 20. Mai 2015, ging der Fragebogen von Jürgen Ploog online. Nun ist der Schriftsteller, Cut-Up-Avantgardist und langjährige Langstreckenpilot zu seinem letzten Flug aufgebrochen. Am 19. Mai 2020 verstarb er im Alter von 85 Jahren in Frankfurt/Main.
http://www.brinkmann-wildgefleckt.de/juergen-ploog/

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"Er suchte die Freiheit"
Literatur Wolfgang Haugs Biografie des Schriftstellers Theodor Plievier ist ein beeindruckendes Zeugnis antiautoritären Denkens
Gerald Grüneklee | Ausgabe 07/2021
Theodor Plievier (1892 – 1955) gehört zu den heute weiterhin lesenswerten und doch weitgehend vergessenen Schriftstellern. Er zählte zu den im Nationalsozialismus geächteten Autoren, als Anarchist, Kommunist, Marxist, Antimilitarist – die Zuschreibungen sind vielfältig – passte Plievier auch nach 1945 nicht in eine Zeit, die von baldiger Wiederaufrüstung, Restauration und Antikommunismus geprägt war. Seit einigen Jahren findet nun eine Wiederbesinnung auf Plieviers Werke statt, die sich auch in Neuauflagen spiegelt. Erstmals liegt nun auch eine Biografie vor, die wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen vermag. ...
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/er-suchte-die-freiheit

Theodor Otto Richard Plievier (Schriftstellername: Plivier) (* 17. Februar 1892 in Berlin; † 12. März 1955 in Avegno)
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Plievier

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Peter Hacks (* 21. März 1928 in Breslau, Provinz Niederschlesien; † 28. August 2003 bei Groß Machnow) war ein deutscher Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Essayist. Er begründete in den 1960er Jahren die ,,sozialistische Klassik" und gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker der DDR. Dort war Hacks neben Heiner Müller, Ulrich Plenzdorf und Rudi Strahl ein Bühnenautor, dessen Stücke auch in der Bundesrepublik Deutschland gespielt wurden. Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe war sein größter Erfolg.  ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Hacks

Peter Hacks, 1928 in Breslau geboren, studierte Soziologie, Philosophie, Literatur- und Theaterwissenschaften in München. Nach ersten Veröffentlichungen siedelt er 1955 nach Ost-Berlin über und wird Mitglied in Bertolt Brechts Ensemble. 1960 wird er Dramaturg und Hausautor am deutschen Theater, ab 1963 arbeitet er als freier Schriftsteller. Erfolg feierte er mit seinem Schauspiel "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe". Hacks starb 2003 in Berlin. ...
https://www.perlentaucher.de/autor/peter-hacks.html

"1976: Auf der Wippe"
Zeitgeschichte Der Dramatiker Peter Hacks feiert seinen größten Erfolg am Theater. In Sachen Wolf Biermann erntet er einen höllischen Shitstorm und wird im Westen umgehend gemieden
Karsten Laske | Ausgabe 28/2021
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/1976-biermann-raus

/ https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Strahl
/ https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Noll_(Schriftsteller)

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Christa Wolf geb. Ihlenfeld (* 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe; † 1. Dezember 2011 in Berlin) war eine deutsche Schriftstellerin. Sie zählte zu den bedeutendsten Schriftstellerpersönlichkeiten der DDR und wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Georg-Büchner-Preis. Ihr Werk wurde in viele Sprachen übersetzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Christa_Wolf


Kassandra (Christa Wolf)
Entstanden ist das Werk Anfang der 1980er Jahre in der sich während des Höhepunkts der nuklearen Aufrüstung der Blöcke nach innen immer mehr militarisierenden DDR. So ist das Buch zugleich ein beeindruckender Bericht (und Entwurf) innergesellschaftlicher Bewusstseinsprozesse. Die in selbstverständlichem ,,Wir"-Gefühl zum trojanischen Hof gehörende Kassandra, die die um sich greifende ,,Vorkriegs"- und ,,Sicherheits"-Mentalität als ihr völlig fremd empfindet, muss sich in einer mühsamen Selbstaufklärung zunächst des Sachverhalts bewusst werden, dass ihr eigenes Leben als Königstochter und Priesterin in die herrschaftsbildenden Strukturen am Hof verwoben ist. Erst nach ihrer Selbstaufklärung kann sie sich aus diesen Strukturen lösen. Damit gehört die Erzählung (etwa mit Stefan Heyms Der König David Bericht) zu den in der DDR eher seltenen Zeugnissen einer konsequenten Selbstanalyse sich als machtfern empfindender Intellektueller.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kassandra_(Christa_Wolf)




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#28
ZEITKULTUREN ALS VERMITTLUNG VON INDIVIDUUM UND KOLLEKTIV IM NEUEN FRANZÖSISCHEN ROMAN SEIT 1983 – DARGESTELLT AN WERKEN VON BON, HOUELLEBECQ UND BEIGBEDER - DISSERTATION VON HELMUT RAUH (MAGISTER ARTIUM) AN DER UNIVERSITÄT BAYREUTH IM FACH KOMPARATISTIK (2018 - 426 S.)
Was soll man unter den Begriff Zeitkulturen subsumieren? Wie schafft man es, diese Art strukturelle Leerstelle, das, worum sich letztlich alles logo-zentristisch ,,dreht", die alles und nichts zu sagen scheint, mit wissenschaftlicher Bedeutung zu füllen bzw. zu bestimmen und auf diese Weise zu dekonstruieren? Handelt es sich wirklich um so etwas wie einen temporal turn in den Geisteswissenschaften, wenn nicht sogar in der Ideengeschichte? Der Versuch literarisch-zeitliche Themen in auch einem kulturwissenschaftlichen Kontext zu verorten, wurde in Form einer Dissertation am Lehrstuhl für Romanistik und Komparatistik der UNIVERSITÄT BAYREUTH, Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät (IV) unternommen. ...
" ... Nach der Problematisierung des Themas  Zeitkulturen, die man anhand der Arbeitsschritte von Heideggers Sein und Zeit  über Meckes Roman-Zeit im Nouveau Roman bis hin zu Bon, Houellebecq und Beigbeder nachvollziehen kann, sehen wir das entscheidende Problem von Zeitkulturen darin, wie Zeit dazu beiträgt, zwischen Individuum und Kollektiv zu vermitteln, um authentische Erfahrung zu erzeugen oder aufzulösen. ..."
https://epub.uni-bayreuth.de/3767/ | https://epub.uni-bayreuth.de/3767/1/Zeitkulturen%20als%20Vermittlung%20.._.pdf

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#29
"Lawrence Ferlinghetti ist tot" Jürgen Schneider (2021)
Der US-amerikanische Dichter, Buchhändler, Verleger, Maler und philosophische Anarchist Lawrence Ferlinghetti ist tot. ... In San Francisco eröffnete Ferlinghetti den heute noch existierenden City Lights Bookstore, den er bald um einen Verlag ergänzte. City Lights wurde zum Treffpunkt der Beat Poets. Ferlinghetti verlegte 1956 Allen Ginsbergs Buch Howl and other poems. 1957 beschlagnahmte die Polizei 520 Exemplare dieses Buches, und gegen Ferlinghetti wurde Anklage erhoben. Insbesondere die Zeile »who let themselves be fucked in the ass by saintly motorcyclists, and screamed with joy«1 sah man bei Gericht als obszön an. ...
https://telegraph.cc/lawrence-ferlinghetti-ist-tot/

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Franz Antonia Josef Rudolf Maria Fühmann, laut Taufschein Franz Antonie Josef, (* 15. Januar 1922 in Rokytnice nad Jizerou, Tschechoslowakei; † 8. Juli 1984 in Ost-Berlin) war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Autoren der DDR. Er lebte und wirkte als (Nach-)Erzähler, Essayist, Lyriker und Kinderbuchautor. In seiner Jugend durch den Nationalsozialismus geprägt, wurde er nach dem Krieg Anhänger des Sozialismus, verhielt sich allerdings zunehmend kritisch gegenüber der Entwicklung der DDR, von der er in seinen späten Jahren bitter enttäuscht war. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_F%C3%BChmann

Zitat aus seinem Testament, ein Jahr vor seinem Tod: Ich habe grausame Schmerzen. Der bitterste ist der, gescheitert zu sein: In der Literatur und in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten.

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Harry Pross (* 2. September 1923 in Karlsruhe; † 11. März 2010 in Weiler-Simmerberg) war ein deutscher Publizistikwissenschaftler und Publizist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Harry_Pross

Die Philosophie der symbolischen Formen und die Zeichentheorie von Ernst Cassirer, Charles Sanders Peirce und Susan K. Langer sind die Ausgangspunkte der Kommunikations- und Medientheorie von Harry Pross. ...
http://www.harrypross.de/ | http://www.harrypross.de/lebensthemen/01-2/lebensthema-medientheorie/

Lob der Anarchie - das dürfte nur jene erschrecken, die Anarchie mit Chaos, Gewalt, Attentaten, Mord assoziieren. - Wie oberflächlich der zeitgenössische Sprachgebrauch ist, konnte im Krieg gegen den Irak festgestellt werden: Die Blätter schrieben: "Es herrscht Anarchie im Irak." Gegen diesen irreführenden "Sprachgebrauch", der nur der Desinformation dient, schreibt Pross in seinen Essays. - Anarchie: wir wissen es, ist Abwesenheit von Herrschaft des Menschen über den Menschen. ...
https://www.perlentaucher.de/buch/harry-pross/lob-der-anarchie.html

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" ... Die Fiktion des Realen - ,,Hier bewahrte eine Tankstelle an einer vierspurigen Straße ein innigeres Gemeinschaftsgefühl als jede Kirche oder Kapelle, ein höheres Bewusstsein gemeinsamer Kultur, als eine Bücherei oder städtische Galerie es bieten konnten. Ich hatte den Jensen in dem Parkhaus abgestellt, das die Stadt beherrschte, ein massiver Betonbau mit zehn abgeschrägten Etagen, auf seine Weise rätselhafter als das Labyrinth des Minotaurus in Knossos – wo wir auf den ein wenig perversen Vorschlag meiner Frau hin unsere Flitterwochen verbringen sollten. Doch in der Präsenz dieses gewaltigen Baus spiegelte sich die Plattitüde, dass Parken auf dem besten Weg war, zum größten spirituellen Bedürfnis der britischen Bevölkerung zu werden." ... Ballards Schreiben ist ein Akt der Subversion im Namen der Imagination. Herauskommen surrealistisch anmutende Entwürfe einer Welt, die eigentlich nur die konsequente Fortsetzung der unseren darstellt. ... ,,Jeder Bürger von Brooklands [...] erneuerte unentwegt den Inhalt von Haus und Heim, ersetzte die gleichen Autos und Kameras, die gleichen Keramik-Kochfelder und Fertigbäder. Nichts wurde gegen nichts eingetauscht. Hinter dieser hektischen Fluktuation herrschte eine gigantische Langeweile." ... Nach seinen eigenen Worten verstand sich Ballard als ,,Astronaut des inneren Raumes" ... " | Aus: "Das Werk des britischen Autors J. G. Ballard: Das kommende Reich" Thomas Palzer (07.07.2019) | https://www.deutschlandfunk.de/das-werk-des-britischen-autors-j-g-ballard-das-kommende-100.html
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" ... [James Graham Ballards] letzten Romane variierten das Thema der übersättigten Konsumgesellschaft, die in individuellen oder kollektiven Gewaltakten versucht, ihrer Starre zu entfliehen. Ballards Werke teilen sich auf in traditionell-erzählerische, mit einer dichten, bildhaften Sprache arbeitende Werke und in experimentelle, die sich z. B. Collage-Techniken bedienen. Seine wiederkehrenden Bilder und Motive wie karge, menschenleere Landschaften oder die psychologischen Auswirkungen von technologischen, sozialen und ökologischen Umwälzungen prägten das Adjektiv ,,ballardian". Als Einflüsse auf sein Schreiben nannte Ballard selbst den Surrealismus und die Psychoanalyse. Insbesondere mit seinen Kurzgeschichten gilt Ballard als ein wichtiger Vertreter der Slipstream-Literatur (Grenzbereich von moderner bzw. postmoderner Literatur einerseits und Science-Fiction und Fantasy andererseits) in der Science-Fiction. ..." | Aus: "James Graham Ballard" (5. Juni 2022) | https://de.wikipedia.org/wiki/James_Graham_Ballard
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" ... Der jugendliche "Sellars" findet Ballard in einem Zeitschriftenregal in Melbourne, Australien, und wird süchtig nach der intellektuellen Science Fiction, die das Unheimliche nicht im Weltraum sucht, sondern einen dahinrottenden "inner space" der Psyche seziert. Künstliche Landschaften stehen in ständigem Kampf mit dem Menschen und bringen zum Vorschein, was er verdrängt. Autobahnbrücken, Starkstromleitungen und Hochhauskomplexe, die bei Ballard wie Naturgewalten auftreten, erlebt Sellars in Melbournes Vorstadt jeden Tag. Ballard wird diesem Teenager zum Propheten, der seine Gegenwart in der Betonwüste aufschlüsselt. In seiner Bewunderung beginnt er, eine Dissertation über ihn zu schreiben, aber als Forscher versagt er schnell. Ballards Texte haben seine Wahrnehmung so infiziert, dass es ihm unmöglich wird, die wissenschaftliche Distanz zu wahren. Sellars' ganze Welt ist von einem Ballard-Film überzogen. Wo er auch hinsieht, begreift er nur noch, was Ballard schon geschrieben hat. Er flieht aus der Akademie nach Japan und wird Reise-Autor. Von Drogentrips, gewalttätigen Jugendlichen und Paranoia verfolgt, die ihn Ufos sehen und überall seinen "inner space" erahnen lassen, hetzt er über den Globus, ohne noch in den pazifischen Korallenriffen Ballards Betonphilosophie zu entkommen. ..." | Aus: Cédric Weidmann "Der diskrete Charme des angewandten Ballardismus" (8. Oktober 2018)

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Quote[...] Am 16. März 2022 um 20.16 Uhr notiert Arkadi Babtschenko in seinem Tagebuch: ,,Krankenhaus Mariupol. Das muss die ganze Welt sehen. Das muss die ganze Welt sehen." Etwa drei Wochen später, am 2. April, 12.55 Uhr, findet der russische Autor und Journalist für den Tod des berühmten ukrainischen Fotografen Maks Lewin knappe, präzise Worte: ,,Maksym Lewin ist gefunden worden. Tot. Splitterwunden am Kopf. Schweinehunde. Ich hasse sie." Es ist eine Stakkato-Sprache, fast eine Stammelsprache, in der er das das Grauen in Worte fasst. Babtschenko kennt den Krieg, er kämpfte selbst als russischer Soldat im Ersten und Zweiten Tschetschenienkrieg. Heute lebt er als Kremlkritiker im Exil und verachtet das imperiale Russland.

Das notatartige Erzählen ist nach dem 24. Februar eine typische Form des Erzählens geworden. Für den wohl berühmtesten ukrainischen Autor, Serhij Zhadan, ist die Zeit für das literarische Schreiben über den Krieg bis heute noch nicht gekommen. Bereits Anfang April postet er den Appell: ,,Lasst uns daher für den Sieg arbeiten, die Streitkräfte der Ukraine unterstützen. Alles andere später. Jetzt nichts als Widerstand, Kampf und gegenseitige Unterstützung. Es gibt keine Worte. Einfach keine." Zhadan unterstützt die Frontsoldaten selbst mit Hilfslieferungen. Er führt Kriegstagebuch auf Facebook, als Kriegspartei.

Auch die berühmte ukrainische Autorin Oksana Sabuschko hat einen langen Essay geschrieben, der am 23. Februar einsetzt. An dem Tag wollte sie eigentlich nur für eine zweitägige Lesereise nach Polen fliegen – dann kamen die Bomben, Sabuschko musste im Ausland bleiben. Für sie ist es die Literatur – und nur die Literatur –, die in der Lage ist, die Zäsur zu beschreiben, die die Zeitenwende für die kollektive Psyche bedeutet. ,,Für die Veränderungen im Massenbewusstsein, die am schwierigsten nachzuverfolgen sind, findet die Soziologie nicht das richtige Instrumentarium", schreibt sie. Auch die Politikwissenschaft sei dazu nicht geeignet. ,,So bleibt nur die Literatur als einzig geeignetes Werkzeug zu ihrer Fixierung."

Der russische Angriffskrieg dominiert – neben Klimathemen – den politischen Bücherherbst, es erscheinen dieser Tage eine ganze Reihe von Tagebüchern und Journalveröffentlichungen von ukrainischen Au­to­r:in­nen oder russischen Dissident:innen. Die gesammelten Texte von Arkadi Babtschenko sind in seinem Tagebuch ,,Im Rausch. Russlands Krieg" (das schon 2014 einsetzt) nachzulesen, Serhij Zhadans Face­book-Posts und -Fotos erscheinen dieser Tage gedruckt (,,Der Himmel über Charkiw"), und Oksana Sabuschkos historischer Essay wurde kürzlich unter dem Titel ,,Die letzte Buchtour" veröffentlicht.

Sie alle sind prominente Stimmen. Babtschenko war Journalist der Nowaja Gaseta und hat mehrere Bücher über das Kriegsgeschehen und -erleben geschrieben. Der einstige Frontsoldat ging 2017 ins Exil, zunächst nach Prag, dann nach Kiew, wo er auch heute noch lebt. Oksana Sabuschko ist mit dem Buch ,,Feldstudien über ukrainischen Sex" (2007) bekannt geworden und hat sich bereits in vorherigen Büchern mit dem ukrainisch-russischen Verhältnis auseinandergesetzt. Serhij Zhadan, diesjähriger Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, hat als Autor in Deutschland schon lange viele Fans, schrieb Bücher wie ,,Depeche Mode" (2007) und ,,Hymne der demokratischen Jugend" (2011).

Das anfängliche Suchen nach einer Sprache für den russischen Terror verbindet diese drei Bücher, andere Parallelen sind die Wut und die Polemik. Dennoch finden alle drei zu einer sehr unterschiedlichen Erzählweise: Babtschenko flucht und tobt in seinen Notizen, klagt das russische Regime an. Sabuschko erklärt, wie der Ukraine ihre Identität, ihre Sprache, ihre Kultur abgesprochen wurde, Serhij Zhadan führt fast eine Art Aktivistentagebuch.

Geschichtlich lernt man am meisten bei Sabuschko, die Autorin erzählt von den Kontinuitäten zwischen dem Stalin- und dem Putinstaat, sie zeigt auf, wie die heutige russische Taktik eins zu eins in KGB-Handbüchern aus den 1960er Jahren nachzulesen ist. Über die russische Gesellschaft schreibt sie, dass ,,Russland nie einen ,dritten Stand' freier Bürger hatte, während die Ukraine die Selbstverwaltung ihrer Städte bis ins 19. Jahrhundert verteidigte, selbst als sie Teil des Russischen Reiches war". In der postsowjetischen Ukraine habe sich eine Zivilgesellschaft gebildet, die sich jetzt eben als so widerständig und widerstandsfähig erweise.

Über die Kultur und das Selbstbild Russlands spottet Sabuschko: Zu keinem Zeitpunkt habe es sich dabei um eine eigene Kultur gehandelt, die Identitätsformel zu Zeiten des Russischen Reiches sei ,,Orthodoxie, Autokratie, Volk" gewesen (im Gegensatz zum französischen ,,liberté, egalité, fraternité"). Interessant auch Anekdoten am Rand wie jene, dass Sabuschko 2014 bei einer Veranstaltung in Berlin Putin mit Hitler verglich und ihr daraufhin das Mikrofon abgedreht wurde.

Wo Sabuschko spottet, auch über den Westen, da ist Bab­tschenko eher zynisch, vulgär, zornerfüllt. Der Titel ,,Im Rausch" ergibt auch deshalb Sinn, weil sich der Autor zum Teil rauschhaft in den Wahnsinn schreibt, zu den Ereignissen von Butscha hält er fest: ,,Gerüchte, ich sei unter den Toten von Butscha. Wie soll man über so ein Gemetzel keine Witze machen. A-ha-ha, ein halbes Tausend Menschen an den Brunnen zusammengeschossen, köstlich! Lasst uns mal ordentlich ablachen."

Es gibt mehrere dieser Passagen, an denen deutlich wird, dass für ihn jede berichtende, nüchterne Sprache versagen muss im Angesicht der Barbarei. Er hält die heutige russische Gesellschaft für rückständig, kaum reformierbar, größtenteils gehirngewaschen: ,,Ein ganzes Land voll aggressiver, grausamer, zurückgebliebener Minderjähriger. Ein Land, in dem die Penner die herrschende Klasse sind. Wladi hat's geschafft. Das muss man sagen." Bei ihm geht das bis hin zu Vernichtungsfantasien gegen­über Russland, manchmal schießt er über das Ziel hinaus. Am eindrücklichsten ist es vielleicht, wenn er aus sehr persönlicher Perspektive erzählt, etwa aus der Sicht des jungen Soldaten, der Grosny gesehen hat.

Das Verhältnis von Sprache und Krieg bestimmt diese Texte. Serhij Zhadan erklärt in dem Epilog seines Buch sehr treffend, warum das literarische Erzählen für ihn (noch) nicht möglich ist: ,,Schon nach den ersten Bombardierungen von Wohngebieten erscheinen dir Metaphern zweifelhaft. Genauso ethisch zweifelhaft erscheint dir die Literarisierung der Wirklichkeit, die Verwandlung von Realität in Literatur, die Suche nach Bildern und Vergleichen, die Verwendung von Blut und Fleisch als literarischem Material."

All die Texte, die gerade zum Glück auch in gedruckter Form erscheinen, könnten nebeneinandergelegt ein Werk wie Walter Kempowskis ,,Echolot" ergeben. Sie erzählen oft subjektiv, unmittelbar, ungefiltert. Es sind Skizzen des Krieges. Das Bild komplettiert sich, wenn man historische und wissenschaftliche Bücher parallel liest, von dem in Harvard lehrenden Ukrainekenner Serhii Plokhy ist kürzlich etwa ,,Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine" neu erschienen, während er in ,,Die Frontlinie" erklärt, warum es fast zwangsläufig so kommen musste, dass die Ukraine so tragisch ins Zentrum des Weltgeschehens rückt.

Nicht weniger als der Erhalt der Zivilisation steht auf dem Spiel. Wie schreibt Oksana Sabuschko so richtig? ,,Wenn wir uns jetzt, nach acht Jahren Schwebezustand zwischen den Epochen, der inzwischen globale Maßstäbe annimmt, nicht als ganze Menschheit, als Spezies auf dieses andere Niveau erheben, sondern uns nach unten ziehen lassen, in den von Russland angebotenen vormodernen Absolutismus mit seiner postmodernen technologischen Entourage, die die schlimmsten Hollywood-Dystopien Wirklichkeit werden lassen, ist es vorbei." Mit diesen Sätzen dürfte sie den Welt- und Zeitgeist unserer Tage gut erfasst haben.



Arkadi Babtschenko: ,,Im Rausch. Russlands Krieg". Aus dem Russischen von Olaf Kühl. Rowohlt, Hamburg 2022, 318 Seiten

Oksana Sabuschko: ,,Die letzte Buchtour. Essay". Aus dem Ukrainischen von Alexander Kratochvi. Droschl Verlag, Graz 2022, 176 Seiten

Serhii Plokhy: ,,Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine". Aus dem Englischen von Thomas Wollermann, Bernhard Jendricke, Stephan Pauli, Stephan Kleiner, Anselm Bühling. Hoffmann und Campe, Hamburg 2022, 560 Seiten

Serhij Zhadan: ,,Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg". Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr. Suhrkamp, Berlin 2022, 239 Seiten

Serhii Plokhy: ,,Die Frontlinie. Warum die Ukraine zum Schauplatz eines neuen Ost-West-Konflikts wurde". Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt, Gregor Hens, Ulrike Bischoff, Stephan Kleiner, Stephan Gebauer. Rowohlt, Hamburg 2022, 544 Seiten




Aus: "Die ukrainische Literaturszene: Das Wort für Krieg" Jens Uthoff (18. 10. 2022)
Quelle: https://taz.de/Die-ukrainische-Literaturszene/!5885409/

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#33
Max Brod über Franz Kafka (1968)
https://youtu.be/MTo8iojF1vE

Max Brod (* 27. Mai 1884 in Prag; † 20. Dezember 1968 in Tel Aviv) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Theater- und Musikkritiker mit österreichischer, tschechoslowakischer und israelischer Staatsbürgerschaft. Sein einst erfolgreiches literarisches Werk ist heute weitgehend unbeachtet. Bedeutungsvoll sind seine Verdienste um den Erhalt der Werke des Schriftstellers Franz Kafka als deren Herausgeber, Bearbeiter und Interpret. Darüber hinaus war Brod Förderer der Komponisten Leoš Janáček und Jaromír Weinberger. Er gilt auch als Entdecker des Dichters Franz Werfel. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Brod

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Peter Weiss im Gespräch mit Friedrich Luft (1964)
https://youtu.be/4yEebmLLaeQ

Peter Ulrich Weiss (Pseudonym: Sinclair; * 8. November 1916 in Nowawes bei Potsdam; † 10. Mai 1982 in Stockholm) war ein deutsch-schwedischer Schriftsteller, Maler, Grafiker und Experimentalfilmer.
https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Weiss

Die Ästhetik des Widerstands ist der Titel eines dreibändigen, um die eintausend Seiten umfassenden Romans von Peter Weiss, der in zehnjähriger Arbeit zwischen 1971 und 1981 entstand. Das Werk stellt den Versuch dar, die historischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und die ästhetischen und politischen Erkenntnisse der Arbeiterbewegung in den Jahren des Widerstands gegen den Faschismus zum Leben zu erwecken und weiterzugeben. Zentral ist der Gedanke der zu erreichenden Einheit: zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten wie zwischen der künstlerischen Moderne und der Arbeiterbewegung. Die drei Bände sind einzeln in den Jahren 1975, 1978 und 1981 in Westdeutschland im Suhrkamp Verlag erschienen, 1983 wurden sie in einer geschlossenen Ausgabe nach Vorabdrucken in der DDR veröffentlicht. Ein Seitenstück zu dem Roman sind Weiss' Notizbücher 1971–1980, eine Auswahl, die vom Autor selbst mit der Absicht zusammengestellt wurde, den Entstehungsprozess, die Quellen des Romans und die langdauernde Arbeit an seiner Fertigstellung zu dokumentieren; auch sie sind 1981 bei Suhrkamp erschienen. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%84sthetik_des_Widerstands

Peter Weiss über "Die Ästhetik des Widerstands"
https://youtu.be/X_D0zqMaBjU

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Thorsten Krüger: Die Liebesverhältnisse der olympischen Götter mit sterblichen Frauen
Strukturanalyse und Interpretation (Reihe: Germanistik)
Dieses Buch behandelt eines der bekanntesten Themen der griechischen Mythologie. Angesichts der Popularität der Mythen ist es erstaunlich, dass bisher noch keine systematische Sammlung und Analyse des reichen Materials vorliegt. In dieser Arbeit wird die von Walter Burkert vorgezeichnete "Mädchentragödie" zunächst strukturell analysiert und anschließend bei Homer, Euripides und Ovid interpretiert. Sie liefert somit einen wichtigen Beitrag auch für andere Bereiche der Altertumswissenschaften, für die Religionsgeschichte ebenso wie für die Sozialgeschichte und die Geschichte der Sexualität.
https://www.lit-verlag.de/isbn/978-3-8258-8708-1

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Fritz Joachim Raddatz (* 3. September 1931 in Berlin; † 26. Februar 2015 in Pfäffikon ZH, Schweiz) war ein deutscher Feuilletonist, Essayist, Biograph und Romancier, der als einer der einflussreichsten deutschen Literaturkritiker seiner Zeit galt. ... Auf Grundlage seiner seit 1982 geführten Tagebücher veröffentlichte er 2003 den Erinnerungsband Unruhestifter; die Tagebücher selbst erschienen in redigierter Form 2010 und 2014. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_J._Raddatz

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Quote[...] Zu: Fritz J. Raddatz - Tagebücher

[...] Beide Bände zeigen, wie verwoben Raddatz um deutschen Literaturbetrieb war, was er einerseits genießt (»Ich bin das Trampolin für alle und alles«, TB I, 1984), ihn andererseits auch belastet. Als er 1986 die Position als Feuilletonchef der Zeit nach fast elf Jahren verlor, erkennt er, dass sehr viel der Zuwendung, die ihm entgegengebracht wurde, nicht ihm galt, sondern nur der »Position«. Man muss sich fragen, wie naiv ein Mensch sein kann, dies nicht zu bemerken, zumal Raddatz ja kein Neuling war.

Die mehr als 1600 Seiten Tagebücher sind ein Füllhorn der zeitgenössischen deutschen Literaturgeschichte. ...

... Ungerührt Raddatz' Hass auf Menschen, die sich in der Öffentlichkeit mit einer falschen Aura umgeben, in ein unpassendes Kleid schlüpfen um sich als Helden, als Lichtgestalten zu inszenieren. Leute wie Schmidt, die sich als Alleswisser geben; Gräfin Dönhoff, die nicht widerspricht, als sie zur Widerstandskämpferin gegen Hitler hochstilisiert wird (was nicht stimmt); Augstein, der, das wusste Raddatz vielleicht noch nicht so genau, sein »Sturmgeschütz der Demokratie« aus Hauptsturmführern der SS rekrutierte (wie neue Recherchen von Lutz Hachmeister zeigen). Aber noch mehr hasst er ihre Apologeten in der Journaille, die großzügig bestimmte Fragen nicht stellen, über dunkle Flecken hinwegsehen sich zu willigen Legendenbastlern werden, um damit schneller auf die entsprechenden Pöstchen zu kommen. In jeder Tagebuchzeile über solche Personen ist dieser Ekel förmlich physisch erlebbar und – man verzeihe mir das Wort dieses eine Mal - authentisch.

... »Glücksimpotent« nennt er sein Leben einmal – nicht frei von Koketterie. Und, sicherlich in einer melancholischen Stunde: »Gestreichelt worden bin ich in meinem Leben nicht«. Trotz tausend Männeraffären und zwanzig Frauen, wie er süffisant und leicht angeberisch schreibt.

...



Aus: "»Gestreichelt worden bin ich in meinem Leben nicht«" Lothar Struck (19.03.2014)
Quelle: https://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/r/fritz-j-raddatz-tagebuecher-zweiter-teil.htm
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Quote... Tagebücher von Fritz J. Raddatz ... Rezensionen

Zum Brüllen (Rezension aus Deutschland vom 17. Juli 2023): "Wie eine sehr lange BUNTE für Intellektuelle ..."
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Lesenswert, klug und unterhaltsam! (Rezension aus Deutschland vom 29. April 2015): "... Wer Künstler und Literatur in Ost und West Deutschlands gekannt, gelesen und geschätzt hat, entdeckt in seinen Tagebüchern - neben den Beobachtungen von Verlegern, Journalisten und Politikern - viele interessante, überraschende, kluge und sehr persönliche Einschätzungen von Fritz J. Raddatz. In seinem "Unruhestifter" sind die besonders gut zusammengefügt, hier im Tagebuch manchmal ausführlicher beschrieben. Ich halte es für ein wunderbares "deutsches Zeitdokument"..."
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Jörg Kramer (Rezension aus Deutschland vom 12. April 2014): " ... Ein Buch, an dem sich die Geister scheiden: verrissen in der FAZ (von Elke Heidenreich), bejubelt in Leitmedien wie SZ und ZEIT. Wahr ist: Alles, was Heidenreich kritisiert, trifft zu: Fritz J. Raddatz ist reich (drei Wohnsitze, millionenschwere Kunstsammlung), klagt aber ständig über Geldsorgen; er ist für sein Alter erstaunlich fit, hat aber schon mit 50 sein Grab gekauft und klagt ständig über seine Gesundheit; und er ist tödlich beleidigt, als ihn, den über 80-Jährigen, ein anderer Mann im Schwimmbad fragt: ,,Was haben Sie früher mal beruflich gemacht!" Natürlich will er noch mitmischen, noch Nabel der Kulturwelt sein. Und die anderen Menschen, ob Leseveranstalter, Redakteure oder sein Lebenspartner, können es ihm nur selten rechtmachen. Die Gastgeschenke sind zu klein, die Aufmerksamkeit für seine Arbeit ist zu gering, und wenn alles andere mal ausnahmsweise stimmt, dann sitzen die Jacketts zu schlecht oder jemand weiß seine geliebten Messerbänkchen nicht zu würdigen.

Aber gerade diese hemmungslose Subjektivität der Schilderung macht die Tagebücher zu einem süß-sauren Lesegenuss. Raddatz – mutterlos aufgewachsen, misshandelt als Kind – ist nicht nur ein großer Intellektueller, er ist ein Hochsensibler, der die Welt wie durch eine Lupe sieht, jede kleine Kränkung, jeden Stilbruch in übertriebener Größe wahrnimmt. Wie die Dinge auf ihn wirken, so ist seine Wirklichkeit: schneller, greller, deutlicher als bei anderen – auch deutlich schmerzhafter.

Dieses Tagebuch ist herrlich subjektiv, herrlich ungerecht, herrlich arrogant. Als Leser schaut man in einen Kopf, groß wie ein Fußballstadion, und sieht, wie die Gedankenbälle dort virtuos jongliert, leichtfertig vertändelt und oft auch ins Tor geschossen werden. Dabei kritisiert Raddatz nicht nur die Welt um ihn herum, nicht nur Redaktionen, die mit ihrem Honorar warten lassen, nicht nur seinen Lebensgefährten Gerd, der sich zu wenig für seine Arbeit interessiert, nicht nur den Kulturbetrieb, den er als verkommen wahrnimmt – sondern er kritisiert, verspottet, karikiert vor allem sich selbst, am Ende sogar als ,,Leiche im Maßanzug". Passagen voller Bitterkeit werden durch diese Selbstironie aufgehellt.

Was Fritz J. Raddatz über den Literaturbetrieb schreibt, über den Irakkrieg der Amerikaner und erst recht über befreundete Literaten wie Grass, Hochhuth und Rühmkorf, hat man so dicht, so klug, so subjektiv noch nirgendwo gelesen. Je tiefer man in diese Tagebücher eintaucht, desto mehr sieht man die Welt durch die Brille des Fritz J. Raddatz. Eine Gedankenreise, die sich lohnt. ..."
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Guter Einstieg in den deutschen Literaturbetrieb (Rezension aus Deutschland vom 26. Oktober 2022): " ... Wer wissen möchte, wie weit die gut bezahlten Literaten von ihren Idealen entfernt sind, der sollte dieses Buch lesen. ..."
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StevenStone - Gedankenlust (Rezension aus Deutschland vom 18. März 2015): " ... Man soll sich schnelle Urteile ersparen. Bei der ersten Aufmerksamkeit auf seine Tagebücher dachte ich: brauche ich das wirklich, die Memoiren dieses Paradiesvogels und eitlen Pfaus, der vermutlich neue Dimensionen des Promiklatsches eröffnet und im übrigen mit den vergangenen Zeiten hadert und die nachlassende Stärke seiner Erektionen betrauert wie das unter alternden Schriftstellern so üblich ist ? Dann hat die Neugier gesiegt und ich habe sie doch erworben bzw. heruntergelanden. Und es nicht bereut. Es ist genau die richtige Mischung aus beißender Kritik und Insiderindiskretionen einerseits und wirklich souveräner, abgklärter und alles andere als eitler Selbstreflexion. Es ist berührend, eine moderne "Vanitas".Variation, für die es weiß Gott genügend Anlass gibt. ..."




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Quote[...] Bis zum beruflichen Herzinfarkt: Die Tagebücher des "Zeit"-Feuilletonisten Fritz J. Raddatz dokumentieren den Kulturbetrieb der alten Bundesrepublik als eine Welt, die an eine Vorhölle erinnert.

... Es sind eine Handvoll Männer - Grass und Enzensberger, Rudolf Augstein und Rolf Hochhuth die wichtigsten -, welche die Deutungshoheit innehaben und wie Burgherrn die intellektuelle Landschaft unter sich aufteilen.

Der Verlag bewirbt Raddatz' Buch zutreffend als Gesellschaftsroman der Bundesrepublik, aber es ist der Roman einer geschlossenen, durch und durch inzestuösen Gesellschaft, die an ihrer Enge erstickt und doch glaubt, mit Deutschland identisch zu sein. Beklemmung und Klaustrophobie sind die vorherrschenden Gefühle bei der Lektüre.

Raddatz schildert eine Welt, die an eine Vorhölle erinnert und deren Insassen sich hingebungsvoll gegenseitig zerfleischen. Und er sieht nicht nur mit gellender Schärfe, wie sich eine Elite in eine beißwütige "Lemurenversammlung von has-beens" verwandelt, er weiß auch genau warum, und bei diesem Warum fragt man sich, ob Dekadenz ein anderes Wort ist für innere Leere.

Immer wieder benutzt Raddatz die Spiegelmetapher, um seine Begegnungen mit den Protagonisten des kulturellen Lebens zu beschreiben: Keiner hört zu, keiner hat die Bücher oder die Artikel des anderen gelesen, alle reden nur von sich selbst, jeder sein eigener Lautsprecher und verbale Niagarafall, das Ganze "eine erstarrte Ich-Ich-Ich-Feier". Im Grunde sind all diese Treffen karrieristisch motiviert, es geht darum, den eigenen Marktwert zu ermitteln und seinen Platz in der Hackordnung zu verteidigen.

Es sind Distinktionskämpfe, und da wird selbst der Streit um das einzige Taxi zu einer Statusprobe. Mit dem Satz "Ich bin eine Berliner Institution!", geht schließlich Otto Sander als Sieger vom Platz. Einmal wundert sich Raddatz: "Das ist schon ein seltsames Land, in dem selbst die experimentellen Dichter Landhäuser und die Avantgardisten Zweitwohnsitze haben".

Natürlich ist Raddatz, der selbstverständlich davon ausgeht, dass ihm der Bundeskanzler zum 70. gratuliert, und der eine Rolle von Geldscheinen in der Hosentasche für die bessere Erektion hält, selbst das beste Beispiel für die Anmaßung, Geist und Geld auf sich zu vereinen. Hinter seiner Haltung "einer muss ja der Teuerste sein" lauern aber auch immer die Panik und die Paranoia des Hochstaplers, der sein Auffliegen kommen sieht. Ein Dandy möchte er sein, subversiv und elegant, ein Luxusgeschöpf, aber links, "nicht einer dieser Stubenhocker-Literaten (und dennoch nicht dümmer als die), sondern Sport und Bordeaux und im offenen Porsche durch die Pyrenäen und Knaben und Frauen ...".

Je größer die innere Leere, desto wichtiger werden Äußerlichkeiten, um die Selbstzweifel niederzuringen. In den Tagebüchern spielen quantifizierbare Größen die tragenden Rollen, denn alles, die Höhe der Gagen, die Größe der Häuser, der Preis des Champagners ist ein Gradmesser und das Selbstwertgefühl eine permanente Rechenaufgabe, der Rest, der übrig bleibt, wenn man von den Einnahmen die Ausgaben abzieht. Und hinter allem die Ahnung, gehasst zu sein und abgelehnt, früher oder später kalt gestellt zu werden. "Ich bin das 4. Programm" schreibt Raddatz über seine gefühlte Marginalisierung.

1985 wurde Fritz J. Raddatz, der neun Jahre lang Feuilletonchef der Zeit gewesen war, tatsächlich vom Thron gestoßen - seinen Sturz sah er schon zwei Jahre zuvor voraus. Das Datum ist zufällig, und doch ist Raddatz' "beruflicher Herzinfarkt", wie er das nennt, signifikant für das Ende einer Epoche, die so fremd erscheint wie das Pleistozän und deren Protagonisten uns so fern sind wie Dinosaurier. Vorbei sind nicht nur die Zeiten der ungebrochenen Laufbahnen, in denen man sein ganzes Berufsleben lang für einen einzigen Arbeitgeber tätig war und bis zur Rente unaufhaltsam höher stieg.

Vergangenheit ist auch der Personenkult und die damit einhergehende Autoritätshörigkeit im gesellschaftlichen Diskurs. Unvorstellbar wäre es heute, dass einige wenige Stimmen in einer einzigen Zeitung die intellektuelle Öffentlichkeit monopolisieren könnten. Diese Öffentlichkeit war irgendwann tautologisch geworden, bestand nur noch aus Selbstzitaten, ein hypertrophes Soziotop, das umkippen musste - und sie war zu klein, um eine größer gewordene Welt noch fassen zu können.

In den achtziger Jahren fiel nicht nur die Mauer, es wurde auch das Privatfernsehen eingeführt, der Historikerstreit gab dem Feuilleton ein völlig neues Gesicht, und der junge Journalismus formiert sich in Organen wie Tempo. In den zwei Jahrzehnten, die Raddatz' Tagebücher umfassen, sind viele Grenzen gefallen, zwischen Ländern und politischen Systemen, aber auch technologische, soziale und kulturelle Grenzen. All das zusammen nennt man Globalisierung, und sie ließ die einst große Welt des deutschen Feuilletons zu einer unbedeutenden Provinz schrumpfen. Mittlerweile hat es sich längst geöffnet, damals aber konnte Fritz J. Raddatz der Enge nur räumlich entfliehen, nach Paris und New York und immer wieder in seine Sylter Wohnung.

FRITZ J. RADDATZ: Tagebücher, Jahre 1982-2001. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 944 Seiten


Aus: "Tagebücher von Fritz J. Raddatz:Ich, Ich, Ich" Ch. Schmidt (17. September 2010)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/tagebuecher-von-fritz-j-raddatz-eine-erstarrte-ich-ich-ich-feier-1.1001721

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Quote[...] Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.11.2010

Zunehmend genervt hat Peter Laudenbach diese Tagebücher gelesen, in denen Fritz J. Raddatz genüsslich über die Größen des Kulturbetriebs herzieht, zugleich aber vor Stolz dazu zu gehören schier platzt. Laudenbach liest also auf der einen Seite von Helmut Schmidts "grauslichem Oberlehrergequatsche", von Günter Grass' "Ich-Ich-Ich-Suaden" und Christa Wolfs "Naturell eines BDM-Mädchens", auf der anderen Seite dann von Raddatz' edlen Picasso-Vasen, seinem Wochenende auf Sylt und seinem Champagnergeschmack. "Traurig-aufgekratzt" findet Laudenbach diese Berichte aus einer Welt, die völlig zu Recht untergegangen sei: "Umgekippter Literaturbetriebsnudelsalat." Und die von Phantomschmerz um die fetten Jahre des Feuilletons gebeutelten Kollegen erinnert Laudenbach daran, dass die Zeit in den Achtzigern unter Raddatz so frisch nicht mehr war, viel lieber hat er da schon die "Spex, Rainald Goetz und Gabriele Goettle" gelesen.

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 Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2010
Rezensentin Elke Heidenreich spürt reichlich Reibungswärme aus diesen Seiten kommen. Sie nimmt sich viel Raum, um uns den Lebensroman des Fritz J. Raddatz vorzustellen, ach was, uns direkt ins Herz zu schreiben. Denn so so sehr Heidenreich auch das Unmäßige dieses Autors, Großkritikers und Lebemenschen erkennt und auch das zwergisch Verzagte, so sehr liebt sie ihn dafür. So gehen die 1000 Tagebuchseiten weg wie nichts, zwischen Klatsch und Tratsch des Kulturbetriebs, des Autors Giftspur überall und nicht zuletzt seiner Einsicht bringenden Scharfsichtigkeit und Eleganz und Haltung. So im Umgang mit Grass und Hochhuth und Mayer etcetera. Mit sich selbst auch vor allem. Denn am gnadenlosesten, so Heidenreich, sei der Meister schließlich mit sich selbst, wenn er die kindischen wie die reiferen Ängste notiert. Und da wundert sich Heidenreich doch ein bisschen, wie hier sehr Banales (über Porsche und Champagner und elegante Schwänze) neben großer Analyse zu stehen kommt. Nur am Gesamtkunstwerk Raddatz ändert das eben nichts.

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 Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.09.2010
In einen sehr fernen Spiegel glaubt der Rezensent Christopher Schmidt hier zu sehen. Das also war die Welt, die Feuilleton heißt, als sie noch eine Welt war, staunt er beim Anblick, die diese Welt in Fritz J. Raddatz' Tagebüchern bietet: Wie klein sie ist! Und wie kleinlich! Eine Versammlung ganz schön provinzieller eitler Personen, die sich für nichts als sich selbst, den eigenen Ruhm und die eigene Kohle interessieren. Und Raddatz natürlich mittenmang, Eitler unter Eitlen, bekennender Kaviarlinker und einer, der dann doch nicht völlig unverblüfft feststellt, in einem Kulturmilieu zu leben, in dem "selbst die experimentellen Dichter Landhäuser" besitzen. Das Spezifische an Raddatz scheint für Schmidt darin zu liegen, dass er trotz unentwegten Mittuns mit aller ihm zu Gebote stehenden "Schärfe" das unwürdige Treiben beschreibt und für die Nachwelt festhält. Schmidt hat das Gefühl, auf eine Epoche zu blicken, die so fern und so "fremd" ist wie das Pleistozän. Und eins ist ganz sicher: Er wünscht sie sich nach der so faszinierten wie kopfschüttelnden Lektüre dieser Tagebücher auf gar keinen Fall zurück.

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 Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.09.2010
Gut, dass es das Personenregister gibt. Da kann Arno Widmann leicht auswählen, auf wen er den Autor als nächstes draufhauen sehen will, "wütend und bitter". Nein ausgewogen ist nichts in diesen Tagebüchern von 1982-2001. Widmann könnte ebenso gut die Bunte lesen, oder eben nicht, denn Raddatz ist besser, klatscht mehr, feiner. Und wenn Widmann selbst es noch nicht wüsste, nach der Lektüre aber wüsste er bestimmt um die Verkommenheit de Kulturbetriebs mit seinen Eitelkeiten und Gehässigkeiten en gros. Noch schöner aber gefällt dem Rezensenten diese kleine feine Melodie oben drüber, der Zuckerguss, mit dem Raddatz seine Interna garniert. Da geht es nicht zuletzt um die Person Raddatz selbst, um seine eigene Eitelkeit, in der sich im Idealfall dann auch die des Lesers widerspiegelt, und das scheint Widmann die reine Lust zu sein.

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 Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.09.2010
Das ist mal eine lange Besprechung. Allerdings bringt sie eher Verdruss beziehungsweise vermittelt uns den Verdruss des Rezensenten bei der Lektüre von Fritz J. Raddatz und seinen Tagebüchern, der wiederum damit zu hat, dass für Thomas Steinfeld eine Welt in sich zusammenstürzt. Es ist die Welt des großen Feuilletons, wie sie noch Anfang der 80er Jahre bestanden haben mag, als Raddatz den Kanzler zum Streitgespräch mit Günter Grass und Co bitten konnte. Steinfeld lehren die vielen Tagebuchseiten (1982-2001) vor allem dies: Die Zeit der angeblichen Hochkultur war vor allem eine Zeit der Macht- und Ränkespiele, der Eitelkeiten (Raddatz ihr großer Vertreter), der Gier und der Nierenschläge. Dass der Autor auf der einen Seite kräftig mit austeilt, auf der anderen Seite Messerbänkchen und Salongesellschaft preist, erfüllt Steinfeld nicht unbedingt mit Hochachtung. Allerdings, das muss er sagen, scheint dem Autor mitunter durchaus bewusst zu sein, "dass er eine Farce bedient". Die Erkenntnis dieser großen Lektüre also kommt dem Rezensenten eher klein vor: Feuilleton im Raddatzschen Sinn heißt vor allem: Ich. Der Rest ist kollektives Saufen unter Männern.


Aus: "Fritz J. Raddatz: Tagebücher 1982 - 2001" (2010)
Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/fritz-j-raddatz/fritz-j-raddatz-tagebuecher-1982-2001.html

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Quote[...] Ein alter Mann sieht resigniert seinem mählichen Verfall zu, registriert den Tod von Freunden und Bekannten, mokiert sich über die Eitelkeit der Schriftsteller, klagt über mangelnde Anerkennung und die Verkommenheit des Kulturbetriebs, schwelgt melancholisch in vergangenem Glanz, ordnet seinen Nachlass, denkt über Selbstmord nach und schreibt und schreibt und schreibt: Die ,,Tagebücher 2010–2012" sind das furiose Vermächtnis des Fritz J. Raddatz, der vor langer Zeit der Programmleiter bei Volk und Welt, dann bei Rowohlt war, später Feuilleton-Chef der ,,Zeit" und seit 30 Jahren vor allem berüchtigt, außerdem Autor von Biografien über Tucholsky, Benn, Marx, Heine und Rilke, eminent selbstverliebter, liebender, zweifelnder, nörgelnder, larmoyanter und klatschsüchtiger Kritiker, Essayist und Ästhet.

Schon der erste Band der Tagebücher war ein Fest der Indiskretion, der Peinlichkeiten und Kümmernisse, der Hoffart und Idiosynkrasie: eine ,,Riesen-Ejakulation", wie Raddatz seine größeren Texte gern nennt. Nun reist der mondäne Literat mal zu seiner Kemenate auf Sylt, dann zu seinem Apartment in Nizza, urlaubt grantelnd auf Teneriffa, zählt sein Geld, beschwert sich über 400 Euro Honorar und enge Etats (,,Kein Geld habe ich selber"), ausbleibende Anrufe (,,Nie wieder von ihm gehört") und schmähliche Bewirtung (,,ein Salat und immerhin eine ganze Flasche Pellegrino") – eine ,,Nuttentour des Greises". Daheim in Pöseldorf ist es kommod, der Freund äußert sich zwar kaum zu seiner Arbeit, kauft aber den Hummer, kocht und spült; Raddatz unterwirft sich einer preußischen Disziplin: ,,Punkt 8.15 Uhr aufstehen, Punkt 9 Uhr schwimmen, Punkt 10 Uhr Frühstück, und wehe, die Haushälterin, die Wäschebesorgerin, der Hausmeister kommen nicht genau zur Stunde ..." An Halloween klingeln Kinder an der Wohnungstür, Raddatz stürzt ,,rasend vor Wut" zum Eingang, ,,ein widerlicher alter Mann", er brüllt, die Kleinen weinen – dabei sieht sich Fritz doch als ,,ein Kindernarr".

Jedenfalls ist er ein unerbittlicher Kritiker der bizarren Eitelkeiten und Torheiten von Walter Kempowski und Rolf Hochhuth, Peter Rühmkorf und Günter Gaus, Joachim Kaiser und Peter Wapnewski, Jürgen Flimm und Michael Naumann, und die Freundschaft mit Günter Grass ist harten Prüfungen ausgesetzt: Mal schmollt der egomane Nobelpreisträger, weil seine Frau in Raddatz' Memoiren, ,,Unruhestifter", als Dienstmagd beschrieben wird, dann ist der Journalist beleidigt, weil er in Grass' Tagebuch als ,,Scharfrichter" vorkommt, der undankbare Dichter das mitgebrachte Buch (von Raddatz) nicht beachtet oder nicht zum Geburtstag gratuliert. Verbissen verfolgt der Tagebuchschreiber ,,die Dame Dönhoff", für deren Zugehörigkeit ,,zum Kreis um Stauffenberg" es keinen Beweis gebe, dann empört er sich über den ,,Oberleutnant" Helmut Schmidt, der den Eid auf Hitler geschworen hatte. ,,Frau Maischberger" ist an anderer Stelle ,,Frau Maischfeld o. s. ä.", er schreibt ,,Cigaretten", ,,Inscenierung", ,,Caviar", ,,en bref" und ,,perorieren", mancher Unbotmäßige ist eine ,,Magnifizenz", seine Artikel sind ,,kleine Gemmen", er hasst den ,,kleinen Italiener", bei dem nach Lesungen gespeist wird, verachtet sein Publikum und isst in Nizza ausnahmsweise im ,,ordinären Kleine-Leute-Bistro", wo das Kind am Nachbartisch ,,wusste, wie man die Muscheln aufmacht und danach die Finger säubert". Frank Schirrmacher ist ,,ein guter Zeitungsmacher – ein Herr ist er nicht", Thomas Bernhard gilt ihm als ,,Nihilismuskasper". Überall entdeckt er ,,Unreinlichkeiten", bekommt Kopfschmerzen vom billigen Wein, tadelt nach Wiederlesen Goethe und Thomas Mann und ist entzückt von Schopenhauers Aufsatz ,,Vom Unterschiede der Lebensalter".

Und ,,jedennoch": Fritz J. Raddatz, bald 83 Jahre alt, mag ein Stutzer und ein Prahlhans sein, der sich rhetorisch fragt, was an ihm das ,,Honigtopfige" für Männer (,,1000") und Frauen (,,20") war – seine Tagebücher sind ein hochnotkomisches Journal des kulturellen Personals der alten Bundesrepublik, aber auch eine pompöse Selbstvergewisserung und anrührende Todesfuge. So unnachsichtig Raddatz' ,,dicta" über Kollegen, Freund und Feind fällt, so fest schaut er in den Abgrund: ,,Sieht man hier schöne Menschen am Strand, jung, rank, wunderbare Haut, schönes Haar, kleiner spitzer Brötchen-Po (der bei den Frauen, sehr lockend, meist ein Grübchen hat) – dann weiß man: Nie wieder. Nicht nur steht man selber faltig, schlabbernd und mit alter, verfleckter Haut daneben, den Hängearsch im Wind. Man muss sich auch klarmachen: Nie wieder wird man so einen schönen Körper berühren, diese Haut streicheln." Rudolf Augstein, Joachim Fest, Peter Zadek, Rühmkorf, Kempowski, sein Freund Paul Wunderlich sterben, und Raddatz fragt sich: ,,Wie lange noch?"

Im Jahr 2009 gab er die Wohnung in Nizza auf, verschenkte ,,Beisatztische" und ,,Bratenvorlage-Gabeln", die Haushälterin packte Kochtöpfe ein und weinte. ,,Tränen unterdrückend, stieg ich in die Straßenbahn, bis zur Place Masséna, ging an die Plage, da, wo der Paillon-Fluss ins Meer strömt, und warf meinen schönen Strohhut hinein. Er trudelte fröhlich auf den Wellen, drehte sich wie zu einer Abschiedsmusik und ging dann langsam unter."


Aus: "Fritz J. Raddatz: Tagebücher 2002–2012" Arne Willander (11.06.2014)
Quelle: https://www.rollingstone.de/reviews/fritz-j-raddatz-tagebuecher-2002-2012/

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Quote[...] Wenn man so gehässig über Fritz J. Raddatz sprechen würde, wie er in seinen Tagebüchern über andere herzieht, hätte man sofort den Presserat am Hals. Aber auch der nüchternste Charakterbefund ergibt nichts Schmeichelhaftes. Laufende Selbsterhöhung durch hartnäckige Erniedrigung von Freunden und Kollegen. Krankhafte Geltungssucht bei notorisch gekränkter Eitelkeit. Mangelndes Einfühlungsvermögen bei mimosenhafter Empfindlichkeit in eigenen Angelegenheiten. Galoppierende Klatschsucht bei fortschreitender Gedankenarmut.

Dies alles war im ersten Teil der Tagebücher, der die Jahre 1982 bis 2001 umfasste, schon angelegt. Doch das Ganze war ein unterhaltsames Soziogramm des Hochkulturbetriebs in der alten Bundesrepublik. Eine anekdotenreiche Belehrung darüber, dass in den vermeintlich goldenen Zeiten des Feuilletons hinter den Kulissen auch schon ein einziger Intrigantenstadl tobte. Allerdings durften sich die Beteiligten ihrer Bedeutung noch dadurch sicher fühlen, dass sich die Schleusen zum digitalen Mitmachjournalismus noch nicht geöffnet hatten. Im heimischen Affenstall war jeder ein König.

Im zweiten Teil, der die Jahre 2002 bis 2012 umfasst, regiert nur noch nur der persönliche Groll. Der ,,Endlosfortsetzungsroman ,Verkommenheit des Literaturbetriebs'", den der mittlerweile 82-jährige Raddatz hier schreibt, ist die Rache des großen Mannes an der schnellen Vergänglichkeit seines Ruhms. Er, der ,,einst auf den grandiosesten internationalen Podien Auftauchende", kreist immer noch obsessiv um die Jahre 1976 bis 1985, in denen er das Feuilleton der ,,Zeit" leitete, bis er über ein falsches Goethezitat stolperte – so der offizielle Grund seines bis heute nicht verschmerzten Rauswurfs.

Wäre der 700-seitige Jammerbrocken dieses Jammerlappens ironischer angelegt – die Dauerlamentatio ließe sich vielleicht aushalten. Das Eingeständnis, er habe ,,summa cum laude in Hypochondrie promoviert", ist aber nur ein koketter Zwischenfall inmitten von weinerlich aufgelisteten Zipperlein, die sich zur Beleidigung seiner narzisstischen Makellosigkeit fügen. Hier geht es geradewegs auf die Grube zu. In allem hört Raddatz ein ,,nevermore" – das ,,Lied vom Nicht-loslassen-Können, dessen Endreim Tod ist".

Ringsherum fordert das Alter seine Opfer, und so schrumpft das aktive Personal dieses Bandes trotz eines fast 20-seitigen Personenregisters allmählich auf ein geriatrisches Horrorkabinett zusammen. Rolf Hochhuth, Peter Rühmkorf, Günter Grass, Joachim Kaiser, Peter Wapnewski, Joachim Fest oder Walter Kempowski – sie sind das trübe Licht seiner späten Tage: ähnlich gequälte Weggefährten, mit denen er sich überwirft und manchmal wieder versöhnt. Für positive Kontinuität sorgen nur der Malerfreund Paul Wunderlich, die Herzensdame Ruth Pisarek und der Lebensgefährte Gerd Bruns.

Fritz J. Raddatz ist ein Helmut Berger des Feuilletons: ein schwuler Pfau, dem die Federn ausgegangen sind und der das lästermäulig kompensiert. Je weniger er gefragt ist, desto mehr stilisiert er sich zum letzten Unangepassten des Betriebs, der von anderen ständig ,,Anstand" und ,,Manieren" fordert, ohne selber darüber zu verfügen. Einen Essay von Jürgen Habermas über die USA kommentiert er so: ,,Leider spricht Habermas nicht nur, sondern schreibt auch noch mit einer Hasenscharte: Sein Geschreibsel ist, wie fast immer, unlesbar – dadurch, durch Stottern, erntet man in Deutschland ja Ruhm; Lesbarkeit, eleganter Stil: Das ist ,französisch', also verdächtig."

Klar, dass er als Élégant eine Enttäuschung nach der anderen erlebt. Vorabdruck-Versprechungen, die nicht gehalten werden. Anfragen von Redaktionen, die nie wieder auf ihn zukommen. Eingaben seinerseits, die ins Leere laufen. Von Verlagen kein Dank für seine Rezensionen. Und die Hoffnung, Michael Krüger werde ihm 2005 den Börne-Preis zusprechen, zerstört er selbst: ,,MIR nicht." Er sollte recht behalten.

Dazu kommt die ewige Klage, dass sich die Leute, die er trifft, weder nach seinem Befinden erkundigen noch die Zeche zahlen. Ein Treffen mit Jürgen Flimm endet mit der Bemerkung: ,,Eines tat er nicht. Fragen ,Wie geht es dir' – und zahlen." Eines mit Rowohlt-Verleger Alexander Fest, der Raddatz zu seinen Memoiren ,,Unruhestifter" gratuliert, resümiert er: ,,Dann verabschiedet er sich mit einem ,Nun trinken Sie 1 Glas Champagner auf Ihr Buch': Auf die Idee, dass ER mir evtl. 1 Fl. Champagner schicken dürfte/sollte/könnte/müsste, KOMMT er gar nicht: Ja, ja, ich kann mir jeden Champagner der Welt selber kaufen und entkorken – aber dass er nicht auf die GESTE kommt, NACH Lektüre dieses Kapitels ...".

So ergeht es ihm immer wieder. Allerdings: ,,Wozu noch sparen? Wozu noch da einem 750-Euro-Honorar und dort einem von 2000 hinterherlaufen? So sieht ja im Moment mein Berufsleben aus, 200 hier, 500 dort." Dagegen stehen die Kosten eines Champagner-und-Kaviar-Daseins mit Wohnsitzen in Hamburg, Nizza und auf Sylt: ,,Ich WILL nicht verkommen und/oder auf T-Shirt und Jeans-Niveau absinken, coûte que coûte."

Wenn aber mal das Honorar stimmt, hakt es woanders: ,,ETWAS besser bezahlt, zu Lesungen wie der vorgestrigen in Kiel, wo man mich nach der Mittagslesung ab 15.30 Uhr mit einem ,Dann sehen wir uns um 20 Uhr' durch die fremde, eisige Stadt trollen lässt, kein ,Tages-Zimmer', um mich auszuruhen, das Museum ärmlich kärglich, kein Kino weit und breit, nix außer Karstadt, Woolworth und Brenninkmeyer, dann vor ein paar Schlafenden die Abend-Lesung, rasch zum verdreckten Interregio, Mitternacht fix und fertig zu Hause: das mit 72! Ich darf mir so was nicht mehr antun, nur um 4 Tage Paris und die Austern in der Coupole zahlen zu können, zumal ich sie SOWIESO zahlen könnte."

Aber auch Paris, wo er im schönen Hotel Lutetia residiert, behandelt ihn herzlos. ,,NUR schlechtes Essen, und zwar in den renommiertesten Restaurants wie Récamier oder Chez Francis, wo das Fleisch verbrannt oder roh, die Saucen wie in Schlesien auf dem Bauernhof, der Wein entweder nie oder andauernd nachgeschenkt und die Aschbecher, überquellend, partout nicht geleert werden."

Kein Linker muss im härenen Gewand gehen, doch Raddatz' Ärger über die Verkommenheit der Welt klingt heuchlerisch, und was er zur Kriegstreiberei von George Bush jr. gegen den Irak zu sagen hat, ist reiner Sessellehnenpazifismus. Typisch die Eintragung: ,,En bref: Es geht mir nicht gut. Hinzu kommt der Krieg." Man kann nie sicher sein, wo bei Raddatz das Weltgewissen aufhört und die private Migräne beginnt.

Die besondere Schwierigkeit dieser Tagebücher besteht darin, dass Raddatz sie vor allem zur Vertragserfüllung geschrieben hat. Wo er im ersten Teil auf halber Strecke bekannte, dass er die Rechte an seinen Journalen lukrativ verkauft habe und einen Moment darüber nachdenkt, was das für ihren Charakter bedeutet, da inszeniert er sich jetzt nur noch vor Publikum. Das heißt aber auch, dass man seine intim anmutenden Aufzeichnungen als Text wie jeden anderen kritisieren darf.

Es ist nicht so, dass Raddatz' Mitteilungen grundsätzlich unglaubwürdig wären. Von Joachim Kaiser heißt es, dass er ,,vor Selbstgefälligkeit und Wohlwollen sich selber gegenüber" nur so strotze. Über Walter Kempowski, er sei ein ,,brävlicher Reaktionär". Moritz Rinke erscheint als Produzent ,,leicht gezuckerter Soufflés, hochgeblasen. Eigentlich nur Schülerzeitungs-Klassenwitze vor Eingeweihten." Peter Wapnewksi wird als kleinlicher, eitler Greis gezeichnet. Joachim Fest sagt Raddatz glückliche außereheliche Affären nach – und Václav Havel ein Westkonto noch vor dem Mauerfall. Doch ist es weltbewegend, dass viele Säulenheilige profane Neigungen pflegen?

Für Raddatz spielt es keine Rolle, ob ihrem egomanen Hochmut ein differenzierter zu beurteilendes Werk entsprungen ist. Mit bestenfalls maliziösem Wohlwollen macht er jeden klein: ob es um einen seit langem unbedeutenden Autor wie Rolf Hochhuth geht, oder um Peter Rühmkorf, einen der größten Dichter, den die Deutschen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten. Den Unanständigen brät er ebenso eins drüber wie den Anständigen – was in diesem Fall nur heißt: denjenigen, die sich stets loyal zu ihm verhielten. Ulrich Greiner, in seiner Nachfolge Feuilletonchef der ,,Zeit", bekommt zum 60. Geburtstag, den Raddatz eifrig mitgefeiert hat, die Bemerkung geschenkt, ob er ,,nach den obligatorischen Lobreden auf den ,großen und bedeutenden' Kritiker (...) das denn WIRKLICH war/ist, ob seine Stimme im Chor der Bestimmenden zählt. Je m'en doute." Das ist nicht das feine französische Florett, das ist die deutsche Klobürste.

Im Großen und Ganzen aber gilt: Wie wenig taugt das alles zur Erhellung der Gegenwart. Das schwant auch ihm. ,,Ich bin aus der Welt gefallen. Ganze, offenbar WESENTLICHE und den heutigen Alltag prägende Worte, Begriffe, Satzteile kann ich nicht mehr verstehen (...). Ich weiß nicht, was ein iPad, ein iPod, ein iPhone ist und warum etwas in einer ,Cloud' verschwinden kann (..) Zahllose Namen (...) sind mir Hekuba, ich habe keine Ahnung, was eine ,Lady Gaga' tut, singt sie? Tanzt sie? (...) Ich bin, was Schauspieler, Sänger angeht, ganz offensichtlich stehengeblieben bei Kortner oder Gründgens oder Marlene, gerade noch reicht es zu den Beatles oder zu dem kleinen Michael Jackson – und dann ist Filmriss bei mir."

Der Paukenschlag ereignet sich auf Seite 431. Raddatz teilt mit, dass er an Krebs erkrankt sei. Knapp 100 Seiten später spezifiziert er die Diagnose zu Prostatakrebs. Ist das die schonungslose Aufrichtigkeit des Diaristen? Oder der Versuch, sich unangreifbar zu machen? Es ist an dieser Stelle jedenfalls zu spät, an einem Schicksal Anteil zu nehmen, von dem sich schließlich herausstellt, dass es auf einem ärztlichen Irrtum beruht. Keine Frage: Niemand will sterben. Es ist nur eben unvermeidlich. Aber dafür, nicht so verbittert alt zu werden wie Fritz J. Raddatz, lässt sich eine Menge tun.


Aus: "Raddatz-Tagebücher: ,,Es geht mir nicht gut. Hinzu kommt der Krieg."" Gregor Dotzauer (08.06.2014)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/es-geht-mir-nicht-gut-hinzu-kommt-der-krieg-3567427.html