"Salmen Gradowski: „Die Zertrennung“ Er schrieb, als die Krematorien noch brannten" Fabian Wolff (23.11.2019)
Er verstand das Überleben und vor allem das Schreiben als Widerstandshandlungen und plante mit anderen Mitgliedern des „Sonderkommandos“ einen großen Aufstand. Dieser, so erklärt er frustriert in einer Notiz, wurde durch die anderen „Lagermenschen“ immer wieder verschoben. Erst am 7. Oktober 1944 kommt es doch zu einer Revolte, bei der Gradowski stirbt – „im Kampf gefallen“ wie ein Soldat oder ein Makkabäer. Die stilistische Geschlossenheit und Sprachmacht dieser unter fatalsten Bedingungen entstandenen Texte machen sprachlos, die einordnenden Essays und die sensible Übersetzung überbrücken diese Sprachlosigkeit mit großer Vorsicht. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/salmen-gradowski-die-zertrennung-er-schrieb-als-die.950.de.html?dram:article_id=464007Salmen Gradowski - Die Zertrennung - Aufzeichnungen eines Mitglieds des Sonderkommandos
https://www.suhrkamp.de/buecher/die_zertrennung-salmen_gradowski_54280.html-
Szilárd Borbély: Berlin Hamlet - Gedichte
Herausgegeben und aus dem Ungarischen übersetzt von Heike Flemming (Erschienen: 28.10.2019)
Szilárd Borbély, der vor einigen Jahren mit seinem Roman Die Mittellosen international Aufsehen erregte, gilt als der bedeutendste ungarische Lyriker seit 1989. Erstmals liegen nun zwei Gedichtzyklen auf Deutsch vor: Zustandsbeschreibungen eines wahrnehmungssensiblen Ich, das in ruhigem Parlando über sich und seine Umgebung reflektiert (Berlin Hamlet), und ein formstrenges Brevier von Trauergedichten, die auf ein ungesühntes Verbrechen eine Antwort suchen (Leichenpomp).
Ein mitteleuropäischer Flaneur streift durch das aufgerissene, im Umbruch begriffene Berlin der neunziger Jahre, sein Blick folgt dem Flugzeug über der Hermannstraße im Landeanflug auf Tempelhof, verirrt sich im Gewirr bunter Rohrleitungen über den Ausschachtungen, im Wald der Kräne am Potsdamer Platz. Gattungsbezeichnungen wie Allegorie, Brief, Epilog und Fragment, Zitate aus Shakespeare-Sonetten, aus Benjamins Passagenwerk und Kafkas Briefen an Felice verbannen die Stadtansichten in die Kulisse – es ist ein urbaner metaphysical poet, besessen vom Gedanken der Vergänglichkeit.
Der gewaltsame Tod der Eltern, die einem Raubmord zum Opfer fielen, und die Vernichtung der ungarischen Juden wurden zu Borbélys Lebensthema. In Leichenpomp greift er auf dichterische Formen katholischer Frömmigkeit und auf chassidische Legenden zurück, um dem Unerträglichsten einen Ausdruck abzuringen, der jegliche Erlösungsbotschaft verneint.
https://www.suhrkamp.de/buecher/berlin-hamlet-szilard_borbely_22511.html