The witty Briton stands up to the European bully. How a populist myth helped the British Eurosceptics to win the 2016 EU referendum
Imke Henkel - In Politique européenne Volume 66, Issue 4, October 2019, pages 72 to 94
The British press has been reporting a uniquely distorted image of European affairs and institutions for decades. This article argues that the twisted narrative some British media offered about the relationship between the United Kingdom and mainland Europe was as influential as were the discursive strategies which they employed. Using Critical Discourse Analysis (CDA) to investigate three sample texts, and drawing on Jack Lule’s and Roland Barthes’ theories of myth, I find that two of these texts construct a populist myth of a witty British people eternally alien to the EU. This narrative ultimately contributed to the vote for Brexit.
https://www.cairn-int.info/article.php?ID_ARTICLE=E_POEU_066_0072#"Europe’s dream? It crumbled and died" ( By TONY PARSONS, Sun on Sunday Columnist, 1st November 2015)
25 years after The Sun’s famous message to Jacques Delors, our columnist predicts migrant crisis will finally finish EU
https://www.thesun.co.uk/archives/politics/116590/europes-dream-it-crumbled-and-died/"Brussels chuckles as reality hits mythmaker" Sarah Helm (Sunday 23 October 2011)
... Officials are clearly frustrated by their inability to respond effectively to the British right-wing press. "We answer them but the trouble is our answers aren't funny," said a senior Eurocrat.
Whether Boris Johnson changed the course of European history is debatable. What is sure is that the EU is now readier to reply, with a whole office dedicated to countering Euro-myths. A spokesman said: "We put out 134 press releases this year and killed two myths this week." ...
https://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/brussels-chuckles-reality-hits-mythmaker-1592828.html-
[...] Die Wende kam mit Kommissionspräsident Jacques Delors und der von ihm betriebenen Reform des europäischen Projekts in den Maastrichter Verträgen. Maastricht schuf die EU mit gemeinsamer Währung und Staatsbürgerschaft und insgesamt mehr Integration, als die damals in Großbritannien regierende konservative Partei mitvollziehen wollte. Den Streit um die Ratifizierung der Verträge gewann der damalige britische Premier John Major nur knapp und mit Tricks. Zugleich begannen die "Maastrichter Rebellen" den zunehmend erbittert geführten Grabenkrieg innerhalb der konservativen Partei, den David Cameron durch ein Referendum zu beenden hoffte und der stattdessen Großbritannien aus der EU trieb. Die britische Euroskeptis ist im Wesentlichen eine englische Europhobie der Tories. Wie der Economist kürzlich vorschlug, kann die britisch-europäische Entfremdung auch als Streit zwischen einem sozialdemokratisch ausgerichteten Kommissionspräsidenten – Delors war Mitglied der Parti Socialiste Frankreichs – und einer konservativen britischen Regierungspartei verstanden werden. Doch Europa ist nicht schuldlos an dieser Entfremdung. Zum Beispiel waren die Bedenken der Briten gegen den Euro keineswegs nur unberechtigt. Es hätte dem europäischen Projekt gut getan, wenn die Briten nicht vorschnell belächelt und als Sonderlinge ohne europäisches Verständnis abgetan worden wären.
Die schrillen national-patriotischen Töne aus Großbritannien erleichterten es freilich, britische Euroskeptiker in diese Ecke zu stellen. Der Tory-Traum von uneingeschränkter Souveränität hat hier seinen Anfang. Margaret Thatchers berüchtigte Rede vor dem Europakolleg in Brügge formulierte 1988 das konservative Verständnis nationaler Souveränität, das Delors' Europavision für eine Horrorvorstellung hielt: Ihre Regierung, sagte Thatcher, habe nicht die Rolle des Staates zurückgefahren, nur um jetzt einem europäischen "Superstaat" dabei zuzuschauen, wie er den Briten eine neue Oberherrschaft von Brüssel aus aufzwänge. Dieses konservativ-libertäre Staatsverständis mündete in den erfolgreichen Brexit-Kampfruf "take back control".
Es fand Unterstützung durch eine zunehmend rabiat-europhobe Presse, die britische Patrioten aufforderte, per Megaphon von der englischen Küste aus über den Kanal Jaques Delors das englische Äquivalent des Götz-von-Berlichingen-Spruchs zuzuschreien und die zugleich über Jahrzehnte durch Falschmeldungen den nationalistischen Mythos einer tyrannischen EU pflegte, wenn sie behauptete, die EU verbiete gekrümmte Bananen oder schriebe britischen Männern vor, ihre Pracht in zu kleine Kondome einzuzwängen. Dass dergleiche Desinformationen zugleich lustig waren, gehörte zum Programm, zeigte der Humor doch, wie sehr die Briten der EU und ihren tyrannischen Vorschriften überlegen waren.
Das Souveränitätsverständnis, das Johnsons Regierung dazu gebracht hat, das wirtschaftliche Wohl des Landes einer vermeintlichen Unabhängigkeit zu opfern, wurzelt in den Verzerrungen und Unwahrheiten solch nationalistisch-antagonistischer Wahrnehmung der EU. Es ist kein Zufall, dass Johnson in den späten Achtzigern als Europakorrespondent des Telegraphs in Brüssel mit seiner Berichterstattung zu den Unwahrheiten beigetragen hat. Ebenso wenig wie es ein Zufall ist, dass die Brexit-Kampagne mit Lügen wie dem 350-Millionen-Pfund-in-der-Woche-Bus warb. Denn das Verständnis nationaler Hoheit, auf dem Radikal-Brexiter wie Johnson ihre Vision eines von der EU vermeintlich unabhängigen Königreichs aufbauen, hält den Fakten nicht stand.
... Demokratische Rechenschaft fehle der EU, hatten die Brexiter einst behauptet. Großbritannien müsse wieder souverän werden, damit die britische Regierung direkt Verantwortung für ihre eigenen Bürger übernehmen könne. Die Realität des neuen souveränen britischen Staates straft auch dieses Versprechen Lügen. Das Parlament wurde am Mittwoch gezwungen, in wenigen Stunden den Handelsvertrag mit der EU durchzupeitschen – für eine demokratische Kontrolle reicht das nicht. Als vor 30 Jahren euroskeptische Tories gegen den Maastricht-Vertrag rebellierten, durften sie noch an 41 Debattentagen ihre Einwände vorbringen.
Aus: "Brexit: Großbritannien wird die EU nicht los" Eine Analyse von Imke Henkel (31. Dezember 2020)
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-12/brexit-grossbritannien-eu-wirtschaft-souveraenitaet-handelsabkommen/komplettansicht Am Anfang war Vernunft #3
Ich habe lieber "meckernde" Briten als Nachbarn als heimliche Diktatoren in der EU. Ich wünsche den Briten, dass sie die Realität einholt ... und dass das dann positive Auswirkungen auf die beiderseitigen Nachfolgeverhandlungen hat. Wer in der noch globalisierten Welt seine Rechnungen ohne die anderen macht, hat bald erhebliche Schwierigkeiten. Leider bestimmen wirtschaftliche und nicht ethische Richtlinien die Weltpolitik ... und das ist unser gemeinsames Übel, das es eigentlich zu bekämpfen gilt.
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