[...] Philipp Amthor - Schon zu Schulzeiten trat der heute 27-Jährige der CDU bei und wurde Mitglied der Jungen Union. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald. 2012 wurde er Kreisvorsitzender der Jungen Union Vorpommern-Greifswald und 2014 Mitglied im Kreistag Vorpommern-Greifswald. 2017 zog er in den Bundestag ein, er ist der zweitjüngste Parlamentarier derzeit. Amthor kandidiert als Einziger für den CDU-Landesvorsitz in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Prominenz der Adresse ist kaum zu überbieten: New York, One World Trade Center, das Gebäude mit der (laut Eigenwerbung) "besten Aussicht der Welt". Hier, im 77. Stockwerk, residiert die Firma Augustus Intelligence auf rund 600 Quadratmetern. Die Geschäfte scheinen gut zu laufen. Erst im Februar hat man die neuen Räume bezogen, das frühere Büro lag im 45. Stock und war nur halb so groß. Von oben hat man tatsächlich einen spektakulären Blick. Ganz Manhattan liegt einem zu Füßen.
Den Empfangsdamen im One World Trade Center zufolge ist aber schon länger niemand mehr in den Büros von Augustus Intelligence gewesen. Vielleicht seien die Mitarbeiter wegen der Pandemie im Homeoffice, vermuten sie. Es gibt eine Mobilnummer für Notfälle, aber wer dort anruft, landet bei einer automatischen Ansage der Telefongesellschaft: Der Teilnehmer sei gerade nicht erreichbar.
Die frühere Adresse von Augustus Intelligence, unter der das Unternehmen ins Register der US-Börsenaufsicht eingetragen wurde, ist weit weniger beeindruckend. Ein Gebäude in der 23. Straße, dritter Stock, über einer Filiale von Kung Fu Tea und der Praxis eines Physiotherapeuten. Der Portier ist sich nicht sicher, ob Augustus Intelligence hier noch residiert. Wenn man klopft, öffnet niemand die Tür. Eine Firma wie ein Schatten. Wie ein Gerücht.
Ausgerechnet diese Firma steht im Mittelpunkt einer der seltsamsten deutschen Politikaffären der jüngeren Zeit. Es geht um Philipp Amthor, 27 Jahre alt, seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und so etwas wie ein Hoffnungsträger der CDU. Amthor soll beim Bundeswirtschaftsminister um politische Unterstützung für Augustus Intelligence geworben und dafür, so legen es Recherchen des Spiegels nahe, Aktienoptionen der Firma bekommen haben, was ihm nun den Vorwurf der Käuflichkeit einträgt. Es geht aber auch um ein Netzwerk ehemaliger Politiker und Staatsdiener des Landes, das Augustus Intelligence um sich herum aufgebaut hat und bei dem unklar ist, ob da ehedem bedeutende Menschen sich nur ihrer Bedeutung versichern wollten – oder ob sie wirklich Bedeutendes tun.
Und es geht um Augustus Intelligence selbst, eine Firma mit bestenfalls unklarem Geschäftsmodell. Offiziell beschäftigt sich das Unternehmen mit künstlicher Intelligenz und einer Software zur Gesichts- und Objekterkennung. Aber wie viel an Augustus ist echt? Und was wäre eigentlich, wenn das Zentrum dieser Affäre, über die ein aufstrebender Politiker stolpern könnte, weil er womöglich gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen hat, wenn also der unternehmerische Kern des Ganzen nur aus heißer Luft bestünde? Einem Nebel aus Angeberei, Versprechungen und Bling-Bling? Einem Nichts?
Über die Frage, wie groß dieses Nichts tatsächlich ist, liefert sich die Firma einen Rechtsstreit mit zwei ehemaligen Managern. Die Klageschrift liegt der ZEIT vor. Die beiden Ex-Angestellten behaupten, man habe sie damit gelockt, dass die Firma über "üppige Investorengelder" sowie "allerneueste Technologie" verfüge. Tatsächlich sei das Investorenkapital nicht vorhanden gewesen, ebenso wenig Produkt, Kunden oder Umsatz, heißt es in der Klage. Augustus hat dem widersprochen. Das Verfahren ruht, weil die beiden Parteien eine gütliche Einigung suchen.
Eine wichtige Rolle in dieser seltsamen Angelegenheit spielt Karl-Theodor zu Guttenberg, 48 Jahre alt, ehemaliger Wirtschafts- und Verteidigungsminister, seit seinem Rückzug aus der Politik in der Beratungsszene aktiv. Guttenbergs Unternehmen Spitzberg Partners, das er 2013 gründete, ist ebenfalls im One World Trade Center gemeldet. Bis 2017 hatte Spitzberg, ähnlich wie Augustus, ein typisches New Yorker Ein-Zimmer-Büro in Soho, alter Baubestand, ein halbes Dutzend kleiner Firmen auf einem Stockwerk. Dann zog man ins One World Trade Center um.
Guttenberg war bis vor Kurzem "President in charge of General Affairs" bei Augustus – ein Titel von maximaler Unklarheit. Aber seine Kontakte scheinen nützlich gewesen zu sein: Guttenberg sprach zum Beispiel August Hanning an, den früheren Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) und ehemaligen Staatssekretär im Bundesinnenministerium. So bestätigt es Hanning im Gespräch mit der ZEIT.
Hanning sagt, man habe ihm erklärt, dass Augustus eine Technik entwickelt habe, mithilfe von künstlicher Intelligenz aus relativ wenig Daten relevante Schlüsse zu ziehen. Er könne das "nicht alles im Einzelnen beurteilen", aber sein Eindruck sei: "Das ist ein reelles Unternehmen." Es gebe auch schon Kunden, habe man ihm gesagt.
Zwischen Augustus Intelligence und August Hanning besteht seither eine schriftliche Vereinbarung, es gehe um "Beratung, wenn man so will", sagt der ehemalige BND-Präsident. Dafür erhielt er – wie offenbar auch Amthor – Aktienoptionen. Es gebe allerdings "keine enge Beziehung", und er sei "nicht besonders aktiv", so Hanning. Er habe keine Papiere für Augustus verfasst und keine Kontakte vermittelt. Die Aktienoptionen seien zudem "überschaubar" und "im Augenblick nichts wert". Es sei üblich, dass Start-ups so verfahren – ein preisgünstiges Instrument, um sich bei jemandem erkenntlich zu zeigen. Amthor habe er einmal am Rande einer Jagd getroffen, sagt Hanning. Da sei es kurz auch um Augustus gegangen, "aber nicht vertiefend".
Zu dem Netzwerk, das Augustus aufbaute, zählen neben Guttenberg und Hanning noch weitere Männer aus dem konservativen Milieu, der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen etwa oder August François von Finck, Spross einer der reichsten Familien Deutschlands. Hanning wie Maaßen standen einmal im Zentrum des politischen Geschehens. Nun wirkt vor allem Maaßen so, als sehne er sich nach einer Anschlussverwendung: Er arbeitet als Berater der Medienkanzlei Höcker, ist eines der Gesichter der CDU-nahen Werte-Union und lässt sich von Augustus einspannen. Von Finck investierte laut Spiegel rund 11,2 Millionen US-Dollar in Augustus. Dass sein Name in Verbindung mit den Geschäften konservativer Prominenter auftaucht, ist wenig überraschend: Seit Jahrzehnten investiert der Vater von August François, August senior, Millionenbeträge in libertäre und nationalkonservative Parteien und Thinktanks. Laut dem Magazin pumpte er 4,3 Millionen Euro in die Anti-Euro-Partei Bund Freier Bürger, zahlte sechs Millionen Euro an den "Bürgerkonvent", der sich für einen Rückbau des Staates einsetzte. Im Jahr 2009 bescherte der ältere Finck der FDP mit Spenden von mehr als einer Million Euro die Mövenpick-Affäre.
Seit einigen Jahren widmet sich Finck senior offenbar einem neuen Projekt: der AfD. Immer wieder wird sein Name in Zusammenhang mit der Partei genannt; die Rede ist von möglichen verdeckten Spenden und der unklaren Finanzierung eines AfD-Unterstützervereins. August von Finck schweigt zu alledem. Auch sein Sohn, dessen Name in Zusammenhang mit der aktuellen Affäre aufgetaucht ist, äußerte sich auf Anfrage der ZEIT nicht.
Es ist ein mehr als illustres Umfeld, in das sich Philipp Amthor begeben hat. Was all diese Männer an Augustus interessiert haben könnte, was sie bewogen haben mag, sich für eine Firma zu engagieren, die in ihrem Innersten kaum mehr zu sein scheint als ein schwarzes Loch, das ist einstweilen rätselhaft.
Seit Anfang der Woche prüft die Bundestagsverwaltung, ob Amthor gegen die Verhaltensregeln für Parlamentarier verstoßen hat. Konkret geht es um drei Reisen im Jahr 2019: Amthor war zweimal zu Gesprächen mit Augustus-Mitarbeitern nach New York geflogen, auf einer weiteren Reise traf er sich auf Korsika und in St. Moritz mit Vertretern der Firma. Amthor hatte bei Augustus eine Art Aufsichtsratsposten inne. Diese Nebentätigkeit hat er als Abgeordneter auch offiziell beim Bundestag angegeben.
Laut den Regeln des Parlaments müssen Abgeordnete anmelden, wenn sie im Rahmen ihrer Nebentätigkeit einen "geldwerten Vorteil" erwirtschaften. Dazu können auch von Unternehmen bezahlte Reisen zählen. Sollte Amthor sich nicht in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied, sondern als CDU-Abgeordneter einladen haben lassen, könnte es sich um eine Spende gehandelt haben. Auch diese hätte möglicherweise gemeldet werden müssen.
Kommen die Beamten nach der Prüfung zu dem Schluss, dass Amthor die Regeln verletzt hat, drohen ihm Konsequenzen: Wird sein Vergehen als schwerwiegend bewertet, könnte das eine Geldstrafe nach sich ziehen.
Neben den Reisen befasst sich die Bundestagsverwaltung mit dem Brief Amthors, der Anfang Oktober 2018 bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier einging. Darin warb der Abgeordnete für das Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat er wenig später berufen wurde. Auch hier prüfen die Beamten, ob Amthor die Regeln verletzt hat. Die schreiben vor, dass Parlamentarier bei der Ausübung einer Nebentätigkeit keine "Briefköpfe mit dem Bundesadler" verwenden dürfen – genau der aber prangt mindestens über dem Entwurf von Amthors Brief an Altmaier.
Amthor hatte sich vor einiger Zeit selbst bei der Bundestagsverwaltung danach erkundigt, ob er die Aktienoptionen, die er für seine Tätigkeit im Auftrag von Augustus erhalten hat, auf seiner Website als Nebeneinkunft hätte vermelden müssen. Da Amthor die 2817 Aktienoptionen aber nicht verkauft und damit kein Einkommen erwirtschaftet hat, äußerten die Beamten keine Bedenken. Die Reisen kamen zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht zur Sprache.
Und die CDU? In der Partei machen Beschwichtigungsformeln die Runde: Hier sei ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen dem Glamour von New York oder St. Moritz erlegen und den Lockrufen von zu Guttenberg sowie der Autorität des früheren Verfassungsschutzchefs Maaßen gefolgt. Amthor habe am Ende niemandem geschadet außer sich selbst und die Aktienoptionen doch nicht eingelöst. Wenn er Reue zeige, mal ein Jahr lang etwas in der Deckung bleibe – dann könne er mit einer kleinen Image-Delle davonkommen. Seinen Posten im Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz gab Amthor bereits auf; vor dem Ausschuss soll Maaßen im Herbst als Zeuge aussagen. Aber in der innenpolitischen Arbeitsgruppe der Fraktion am Dienstagmorgen dieser Woche trat Amthor auf, als sei nichts gewesen, mit frischen Vorschlägen zur Wahlrechtsreform.
"Konservative Politik", so hatte Amthor im Frühjahr in einem Interview gesagt, beginne für ihn "zuallererst damit, dass man sich anständig benimmt". Erst einmal in der Deckung zu bleiben scheint aber auch nicht der Plan zu sein. Am Montagabend beschloss der erweiterte Kreisvorstand der CDU Mecklenburgische Seenplatte mit nur einer Gegenstimme, man wolle an ihm als Kandidaten für den CDU-Landesvorsitz festhalten. Am Freitag entscheidet der Landesvorstand. Die Personaldecke der CDU in Mecklenburg-Vorpommern ist dünn. Aber kann die Partei in einem der ärmsten Bundesländer der Republik einen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl nominieren, der sich für ein Unternehmen aus New York eingesetzt hat, von dem niemand so genau zu sagen vermag, was es eigentlich macht?
Philipp Amthor war trotz mehrmaliger Nachfragen nicht zum Gespräch mit der ZEIT bereit.
Aus: "Philipp Amthor: War's das?" Marc Brost, Heike Buchter, Mariam Lau, Paul Middelhoff und Yassin Musharbash (17. Juni 2020 DIE ZEIT Nr. 26/2020, 18. Juni 2020)
Quelle:
https://www.zeit.de/2020/26/augustus-intelligence-philipp-amthor-karl-theodor-zu-guttenberg/komplettansicht Ostseebär #164
Einen Skandal kann ich hier nicht erkennen, höchstens eventuell ein Fehlverhalten. Welcher Mensch macht keine Fehler? - Aber einige Leute scheinen sich immer zu freuen, auf jemanden mal losgehen zu können. In diesem Fall sind es wohl hauptsächlich die eher Linksgrünen. - Nebenverdienste und Lobbyismus finde ich auch schlimm. Aber wenn, dann müsste man mal alle Bundestagsabgeordnete ansehen. Nebentätigkeiten dieser Art sind doch dort nicht die Ausnahme sondern die Regel. Dabei werden diese Abgeordneten üppig bezahlt und erwarten auch nach kurzer Amtszeit eine hohe Rente bzw. Pension. Dennoch haben sehr viele von ihnen Zeit für Nebentätigkeiten, d.h. sie sind im Job gar nicht ausgelastet. - Diese Verhältnisse sollten insgesamt geändert werden, größere Nebentätigkeiten gar nicht zugelassen werden. Aber das wird wohl nicht passieren. Ähnliche Auswüchse gibt es im EU-Parlament, wo die Abgeordneten hohe Sitzungsgelder auch bei Abwesenheit kassieren. Herr Amthor ist da nur ein ganz kleiner Fall - vielleicht wird dieser Fall aufgebauscht, weil (oh welch Skandal) er mal mit Herrn Maaßen auf einem Foto war.
Runkelstoss #164.2
In diesem Fall sind es wohl hauptsächlich die eher Linksgrünen.
die korrekte Bezeichnung lautet "linksgrün Versiffte", soviel Zeit sollte sich auch ein besorgter Bürger nehmen.
DrkdD #56
"Konservative Politik", so hatte Amthor im Frühjahr in einem Interview gesagt, beginne für ihn "zuallererst damit, dass man sich anständig benimmt".
Ich bin ja ein ausgewiesener Fan von Real-Satire. ...
Meister der Provokation #91
Philipp Amthor ist Deutchlands Zukunft.
Die CDU braucht diesen Mann, um auch die U70 zu erreichen.
Gebt ihm noch eine Chance, er ist noch jung.
Amali #91.1
Sie machen Ihrem User Namen alle Ehre;-)
abdurchdiemitte #98.1
Die Predigt von Moral und Anstand gilt ausschliesslich dem "Fussvolk" ...
Arthur.Minkley #121
Mit gewisser Lebenserfahrung möchte ich kurzgefasst sagen, Philipp A. fehlt es an sittlicher Reife. Dabei vor allem wie seinem sozialdemokratisches "Gesicht" Kevin K. , an ausserpolitischen Begegnungen. Dies führt zu ständigen altklugen Belehrungen in der jeweiligen der roten und schwarzen Blase. Seine Überzeugungen sind mehr oder weniger vom Blatt abgelesen.
Meine eher menschlich gemeinte Empfehlung dabei, es wäre am besten , 5 Jahre Beruf und Familie, und die Politik etwas weniger ehrgeizig und unbedingt angehen.
Fatigue #121.1
Ach Sie Langweiler*in! Was wäre uns da an staatstragenden Posen entgangen. ... [ .... Fände es schade, wenn er in der Versenkung verschwände. Ich mag einfach diese herrlichen, gestellten Bilder von ihm, mein Favorit: der verträumte Blick aufs Grundgesetz auf dem Balkongeländer. Hätte Michelangelo nicht besser hinbekommen! ...]
PanB #130
Wenn Amthor die Antwort ist, wie war denn wohl die Frage???
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"Wer hat Amthor verpfiffen? Wer und was hinter Augustus Intelligence steckt" Benjamin Konietzny (Donnerstag, 18. Juni 2020)
Guttenberg soll es dem Bericht zufolge auch gewesen sein, der zwei Managern der Firma im Dezember vergangenen Jahres die Kündigung ausgesprochen habe. Der Vorwurf gegen Marco Pacelli und Ed Crump lautete demnach: Sie hätten eine Konkurrenzfirma aufgebaut. Seither überziehen sich beide Seiten mit Klagen. Guttenberg soll die beiden als "Diebe" und "Feinde" bezeichnet haben. Die beiden Ex-Manager nennen ihren ehemaligen Arbeitgeber demnach "erpresserisch und betrügerisch". Und dieser Streit könnte letztlich auch Amthor zum Verhängnis geworden sein. ...
https://www.n-tv.de/politik/Wer-und-was-hinter-Augustus-Intelligence-steckt-article21852794.html