[...] ... Putins Rede am Dienstag, die Reden westlicher Politiker, allen voran die von US-Präsident Joe Biden: Auf beiden Seiten wird das Säbelrasseln lauter. Alle setzen auf einen Sieg auf dem Schlachtfeld. Doch der ist derzeit weder für Russland noch für die Ukraine in Sicht.
...
Aus: "Das Säbelrasseln zwischen Russland und den USA wird lauter" Aus einem Kommentar von Jo Angerer (21. Februar 2023)
Quelle:
https://www.derstandard.at/story/2000143789086/das-saebelrasseln-zwischen-russland-und-usa-wird-lauterKamiikatze
"Damit das Blutvergießen einmal zu Ende gehen kann, müssen beide Seiten zu gewissen Kompromissen bereit sein."
Mein Kompromiss wäre: Russland muss alle besetzten Gebiete abtreten und bekommt dafür eine faire Verhandlung vor Gericht.
Pat Thetic
So schwierig es auch aussieht, sind doch Dialog und Diplomatie gefragt, müssen die Außenpolitiker ihren Job tun. Damit das Blutvergießen einmal zu Ende gehen kann, müssen beide Seiten zu gewissen Kompromissen bereit sein. So weh das auch tut. (Jo Angerer, 21.2.2023)
Fragen an Jo Angerer:
a) Gilt das Völkerrecht?
b) Zu welchem Kompromiss, der das Völkerrecht wahrt, ist Russland bereit?
c) Kann man Leuten wie Lawrow oder Putin noch glauben, nachdem sie mehrfach bewiesen haben, dass ihnen Verträge nichts bedeuten?
Würden Sie über diese doch recht simplen Fragen nachdenken, würden Sie sehen, dass sich Ihr Apell in Luft auflöst.
...
-
[...] Vor allem Polen und die baltischen Staaten hatten, seit sie 2004 der Union beigetreten waren, vor einem allzu engem Umgang mit Russland gewarnt. Der Angriff auf die Ukraine hat ihnen auf tragische Weise recht gegeben – und den Westen blamiert. Die Moral hat die Seite gewechselt; vor allem Deutschland und Frankreich, die Moskau stets besonders nahe standen, haben viel politisches Kapital in der EU verspielt. ...
Der tschechische Schriftsteller Milan Kundera hat 1983, vor fast 40 Jahren, einen großen Essay geschrieben, der nun erneut Furore macht. Die Tragödie Zentraleuropas handelt vom Selbstverständnis der Polen, Tschechen oder Ungarn, die sich auch unter kommunistischer Besatzung als Teil des westlichen Europas sahen: als Erben einer mehr als tausend Jahre alten gemeinsamen Geschichte, die im römischen Christentum wurzelt. Die Tragödie dieser Länder, schrieb Kundera damals, sei es, dass sie "von der Landkarte des Westens verschwunden sind".
Das änderte sich zwar mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989, doch die Tragödie setzte sich unter veränderten Vorzeichen fort. Die meisten mittel- und osteuropäischen Länder traten der EU bei, aber ihre Geschichten und Erfahrungen, ihre Träume und Albträume blieben außen vor. Nicht zuletzt ihre Erfahrungen mit Russland, die unterschiedlich waren.
...
Aus: "Wenn die Moral nach Osten wandert" Aus einer Kolumne von Matthias Krupa (22. Februar 2023)
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/2023-02/eu-osteuropa-joe-biden-polen-ukraine-5vor8 Herrschmeisshirnvomhimmel #1
Ist Serbien nicht auf der Seite Russlands?
Matthias N #1.1
So wie auch Ungarn.
Felikx Krull #14
Die polnische Einschätzung Russlands und die der baltischen Staaten war realistischer als die der deutschen Regierungen und (soweit ich das beurteilen kann) Frankreichs. Das ist auch Richtschnur für das Handeln gegenüber der Ukraine und Russland. Dieser Kompass fehlt Teilen der SPD, großen Teilen der Linken und dem überwiegenden Teil der AgD. ...
Vorschau #15
Wenn man die Aufnahme von Flüchtenden nach Herkunft, Hautfarbe und Religion als top-moralisch empfindet, ist Polen in jedem Fall ganz vorn dabei, zweifellos.
IchMachMirDieWeltWieSieMirGefällt #17
So ist das in der Geopolitik. Da wird mal schnell aus einem Terroristen ein Freiheitskämpfer und umgekehrt. Wie es eben einem gerade so passt.
Pro-Leser #23
Komplett irrelevante Analyse. Moral war schon immer drittrangig und wird nur nach vorn geschoben, wenn es schön aussieht.
Was sich nach Osten verschoben hat, ist nicht der moralische Führungsanspruch sondern die Bedrohungslage.
Und die „deutsch-französische Achse“ ist in einer EU mit 27 Mitgliedern eh anachronistisch und anmaßend.
nicola.maus #29
Die osteuropäischen Staaten waren nun einmal sehr viel klarsichtiger als andere europäische Staaten, insbesondere Deutschland.
Es steht ihnen also durchaus zu, auch jetzt mehr politische Bedeutung zu erhalten. ...
...
-
[...] Neben der direkten Waffenhilfe für die Ukraine hat in den letzten Monaten die militärische Ausbildungshilfe zunehmend an Bedeutung gewonnen. Längst geht es nicht mehr nur darum, die Empfänger*innen der Waffen für deren Nutzung zu schulen. Sowohl die Europäische Union als auch Großbritannien und die USA sind zwischen Herbst 2022 und Anfang 2023 dazu übergegangen ganze Kampfverbände in europäischen Staaten auszubilden. Von dort aus ziehen die ukrainischen Truppen dann frisch geschult und ausgerüstet wieder in die Kriegsgebiete in der Südostukraine. Das dafür nötige Training tausender ukrainischer Soldat*innen findet auch an diversen Militärstandorten in Deutschland statt – direkt vor unseren Haustüren. ...
"IMI-Analyse 2023/07: Trainings-Hub Deutschland - Ausbildung ukrainischer Soldat*innen vor unseren Haustüren" Martin Kirsch (21. Februar 2023)
Quelle:
https://www.imi-online.de/2023/02/21/trainings-hub-deutschland/-
[...] [Dr. Thomas Mueller arbeitet an der Universität Bielefeld ... Der Politikwissenschaftler ... ist Akademischer Oberrat an der Fakultät für Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben Narrativen weltpolitischen Wandels die Rolle von Großmächten in der Weltpolitik seit dem 18. Jahrhundert sowie Prozesse der Quantifizierung in der globalen Sicherheitspolitik.]:
... Es stellt sich [ ] immer auch die Frage, wie man internationale Geschichte erzählen möchte. ... Um ein paar Beispiele zu geben: Bundeskanzler Olaf Scholz nutzt den Begriff [Zeitenwende], um damit den starken politischen Wandel bei den Themen Bundeswehr, Waffenlieferungen und Energiepolitik zu legitimieren. In Deutschland existierte seit dem Kalten Krieg das Narrativ, dass die Welt besser und demokratischer wird und Russland ein Partner ist. Wirtschaftliche Beziehungen waren für große Teile der deutschen Politik wichtiger für Weltpolitik als militärische Macht. Wenn wir dieser Erzählung folgen, ist dieser Krieg ein Moment des Erwachens. In den USA hingegen war die politische Debatte in der letzten Dekade geprägt von der These, dass die Welt sich wieder in eine Ära des Wettbewerbs der Großmächte bewegt, mit mehr Spannungen und Konflikten zwischen den mächtigsten Staaten. Ein Krieg wie der in der Ukraine markiert dann keine Zeitenwende, sondern ist Bestätigung dieser These. Russland und China wiederum beurteilen die vergangenen 30 Jahre als zu stark vom Westen geprägt. Demnach habe dieser mit Druck und Gewalt seine eigene Ordnungsvorstellung der Welt durchgesetzt. Nun bewegt sich die Welt wieder Richtung Multipolarität mit mehreren Staaten von ähnlichem Machtpotenzial. Aus Sicht Russlands und Chinas eine gute Entwicklung, da sich ein Gleichgewicht der Mächte herstellt. Die Unterstützung der Ukraine durch die USA ist für Russland und China ein Beleg, dass die USA diese Entwicklung verhindern und die eigene Vorherrschaft erhalten möchte. Es gibt also viele verschiedene Deutungen dieses einen Ereignisses, abhängig von Perspektive und Erfahrung. ... Erzählungen schaffen Handlungsräume. Sie lassen bestimmte Handlungsoptionen sinnvoll oder gar notwendig erscheinen und andere als unpassend. Für Scholz ist es ein schwieriger Prozess, weil er mit der Erzählung der Zeitenwende mit der bisherigen Politik und Gewissheiten brechen will. Lange Zeit galt in Deutschland der Grundsatz, dass keine Waffen in Konfliktgebiete geliefert werden. Jetzt ändert sich das. Die Diskussion über die Lieferung von Leopard-Panzern musste sowohl innerhalb der Regierung als auch mit Partnern in Europa und den USA geführt werden. In Deutschland galt als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, nie wieder alleine zu handeln und als erstes Land einen militärischen Schritt zu tun. Dass die Bundesregierung anderen den Vortritt lässt, wird im Ausland aber als Zögern ausgelegt, als Unentschlossenheit, als Unvermögen, der Ukraine zu helfen. Das Zögern hat einen weiteren Grund: Alte politische Gewissheiten sind überholt, die Regierenden operieren auf unsicherem Terrain und tasten sich vor. Dieses vorsichtige Neu- und Umorientieren passt aber vermeintlich mit dem Anspruch Deutschlands, eine Führungsrolle in Europa zu spielen, nicht zusammen. Mit einem Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs rechtfertigt Scholz das Agieren der Bundesregierung sogar vor der US-Öffentlichkeit. Er möchte der Wahrnehmung des Zögerns entgegentreten. Gleichzeitig argumentiert er, wie mit dem Wandel umgegangen werden soll: Scholz will zurück zur Weltpolitik vor der „Zeitenwende“. Er will den von Putin angestoßenen Wandel aufhalten und verhindern, dass Weltpolitik zu stark über die Erzählung eines neuen Kalten Krieges zwischen den USA, Russland und China gedacht wird. Er möchte damit andere Handlungsoptionen offenhalten.
... Die USA sagen: Wir befinden uns im Wettbewerb mit China. Sie rüsten militärisch auf und ändern ihre Wirtschaftspolitik. China agiert ähnlich. Wenn beide diesen Wettbewerb empfinden und entsprechend politisch agieren, wird er stärker. Das ist dann eine selbsterfüllende Prophezeiung.
...
Aus: "„Alte politische Gewissheiten sind überholt“" Ludmilla Ostermann (22. Februar 2023)
Quelle:
https://aktuell.uni-bielefeld.de/2023/02/22/alte-politische-gewissheiten-sind-ueberholt/-
[...] Berlin. Russland wird von der deutschen Bevölkerung inzwischen als mit Abstand größte Bedrohung für den Frieden in der Welt wahrgenommen. Auf die Frage, von welchem Staat wohl in den kommenden Jahren die größte Gefahr ausgehen werde, nannten 82 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage Russland. 60 Prozent der Befragten entschieden sich für China. Die Atommacht Nordkorea halten 52 Prozent der Bevölkerung für eine sehr große Bedrohung. Die Befragten konnten aus einer Liste von 14 Staaten mehrere Staaten auswählen sowie zusätzlich andere vorschlagen. Die Ergebnisse des «Sicherheitsreports 2023» stellte das Meinungsforschungsinstitut Allensbach am Dienstag in Berlin gemeinsam mit dem Centrum für Strategie und Höhere Führung vor.
Vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 war die Wahrnehmung noch eine andere gewesen, wie ein Vergleich mit den Ergebnissen früherer Befragungen zeigt. Im Jahr 2021 hatten lediglich 32 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren Russland als größte Bedrohung wahrgenommen. Der Wert für China lag damals bei 46 Prozent. Nordkorea beurteilte eine Mehrheit von 58 Prozent als sehr gefährlich.
Die Ergebnisse des «Sicherheitsreports» zeigen, dass der Blick auf die Großmächte auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung in den verschiedenen Teilen Deutschlands noch sehr unterschiedlich ist. Während jeder Zweite (50 Prozent) in Westdeutschland die USA für einen verlässlichen Bündnispartner hält, gilt das in den neuen Bundesländern nur für etwas mehr als jeden Vierten (26 Prozent). Auch liegt der Wert der Ostdeutschen, die Russland als große Gefahr für den Frieden wahrnehmen, im Osten mit 73 Prozent deutlich niedriger als im Westen, wo 84 Prozent der Befragten diese Auffassung vertreten.
Auch die Bereitschaft, gemäß der Nato-Bündnisverpflichtung im Ernstfall zur Verteidigung eines anderen Nato-Mitgliedsstaats beizutragen, ist im Osten deutlich weniger ausgeprägt als im Westen. 48 Prozent der Deutschen im Westen meinen, Deutschland sollte sich an einem solchen Militäreinsatz beteiligen. Im Osten des Landes hielten das nur 30 Prozent der Befragten für richtig. Bundesweit sprachen sich 45 Prozent der Bevölkerung dafür aus, dass Deutschland seiner Nato-Verpflichtung in einem solchen Fall nachkommen sollte. 35 Prozent der Befragten meinten, man solle sich besser «heraushalten». Jeder Fünfte war in der Frage unentschieden. (dpa)
Aus: "Menschen in Ostdeutschland blicken skeptisch auf USA" (07.02.2023)
Quelle:
https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/menschen-in-ostdeutschland-blicken-skeptisch-auf-usa-artikel12701901-
[...] Zwei Tage vor dem Jahrestag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beraten die USA und die Staaten der Nato-Ostflanke über Sicherheit in der Region. Bei seinem Besuch in Warschau trifft sich US-Präsident Joe Biden am Mittwoch mit Staats- und Regierungschefs des so genannten „Bukarest 9“-Formats.
Dazu gehören Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. An dem Treffen nimmt auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg teil.
Vor dem Jahrestag an diesem Freitag setzt sich damit eine Reihe symbolträchtiger Treffen, Reisen und Ansprachen fort. Russland einerseits und die Ukraine und ihre internationalen Unterstützer andererseits wollen damit Siegesgewissheit vermitteln.
Den Angriff vom 24. Februar 2022 hatte der russische Präsident Wladimir Putin befohlen. Er sagte am Dienstag, die „militärische Spezialoperation“ werde fortgesetzt. So nennt Moskau den Krieg. „Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen“, sagte Putin in Moskau bei seiner Rede an die Nation.
Zum wiederholten Mal gab er dem Westen die Schuld an dem Krieg. Als politische Warnung an den Westen erklärte Putin das letzte große Abkommen über atomare Rüstungskontrolle für ausgesetzt, den „New Start“-Vertrag von 2010.
Biden antwortete wenige Stunden später mit einer Ansprache vor dem Königsschloss in Warschau. Er warnte Russland vor einem Angriff auf die Nato und beschwor die Stärke des Verteidigungsbündnisses.
„Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen“, sagte der US-Präsident. Auch die Unterstützung für die Ukraine werde nicht wanken. „Die Nato wird nicht gespalten, und wir werden nicht müde“, sagte Biden. Er kündigte neue Sanktionen gegen Russland an.
Schon am Montag war Biden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ins Kriegsgebiet nach Kiew gefahren. Dort sicherte er dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj die andauernde Unterstützung der USA zu.
Der polnische Staatschef Andrzej Duda dankte Biden bei einem Gespräch am Dienstag in Warschau für den Besuch in Kiew. Das habe die Moral der ukrainischen Verteidiger gestärkt. „Aber es war auch eine bemerkenswerte Geste gegenüber unseren Verbündeten in der Nato und den Menschen, die auf der Seite der freien Welt stehen“, sagte Duda.
Der polnische Präsident unterstrich, wie wichtig die Anwesenheit von US-Truppen für die Sicherheit seines Landes sei. In dem östlichen Nato- und EU-Mitgliedsland stehen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington bereits etwa 11.000 US-Soldaten, die meisten auf Rotationsbasis. Die Regierung in Warschau hofft auf noch mehr US-amerikanische Militärpräsenz.
Biden dankte Polen dafür, dass es die Ukraine so tatkräftig unterstütze. Kein anderes Land hat so viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen wie Polen. Es leistet nicht nur selber Militärhilfe, auch ein Großteil der Rüstungslieferungen anderer Länder für die Ukraine werden auf polnischem Gebiet umgeschlagen.
Das gibt Warschau eine Art Führungsrolle an der Nato-Ostflanke. Dudas außenpolitischer Berater Marcin Przydacz sagte vor dem Treffen am Mittwoch: „Dass heute auf Einladung von Präsident Andrezej Duda acht Führer dieser Region und der Nato-Generalsekretär anreisen, zeigt dass Warschau in gewissem Sinn Zentrum der Diskussion über Sicherheit in dieser Region ist.“
Die Nato und die USA haben schon nach 2014 die Ostflanke gestärkt, als Russland sich die ukrainische Halbinsel Krim einverleibte und den Krieg im Osten der Ukraine begann.
Mit der großangelegten Invasion in die Ukraine vor einem Jahr haben sich die Befürchtungen der Länder in Mittelosteuropa nur verstärkt. Sie zählen zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine. Eine Ausnahme ist Ungarn, das unter Ministerpräsident Viktor Orban weiter enge Kontakte nach Moskau hat. (dpa)
Aus: "Gespräche mit Staaten an der Ostflanke: Biden beteuert „heiligen Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen“" (22.02.2023)
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/internationales/gesprache-mit-staaten-an-der-ostflanke-biden-beteuert-heiligen-eid-jeden-zoll-nato-gebiet-zu-verteidigen-9391715.html-
[...] Putin wiederholte in seiner Rede zahlreiche Behauptungen der russischen Kriegspropaganda. Unter anderem bezeichnete er die ukrainische Regierung erneut als "Neonaziregime". Diesem habe der Westen Schützenhilfe geleistet und es dazu "angestachelt", "Terrorangriffe im Donbass" zu begehen. Der Westen sei schuld am Ukraine-Krieg, sagte Putin. "Sie haben den Krieg begonnen. Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden."
Ziel des Westens sei es, Russland "ein für alle Mal zu erledigen", sagte Putin. Der Westen habe nicht nur einen militärischen Konflikt gegen Russland angezettelt, sondern auch einen "Wirtschaftskrieg". Die Sanktionen wirkten sich aber nicht so gravierend auf die russische Wirtschaft aus, wie von den westlichen Staaten erhofft. "Der Westen bekämpft uns an der Wirtschaftsfront. (...) Der Westen hat unser Gold und unsere Devisenreserven gestohlen", sagte der Präsident. "Aber ihre Rechnung ist nicht aufgegangen."
Die Verantwortung für die Eskalation des Kriegs liege bei den "westlichen Eliten". Er prangerte "Geldflüsse aus dem Westen" in den Krieg an und drohte zugleich: "Es ist unmöglich, unser Land auf dem Schlachtfeld zu besiegen." Seine Offensive in der Ukraine werde Russland "sorgfältig und systematisch" fortsetzen. Den Familien getöteter Soldaten und Kriegsveteranen versprach Putin finanzielle Unterstützung. Zu diesem Zweck werde ein staatlicher Sonderfonds eingerichtet.
Russland werde überdies die annektierten Gebiete wieder aufbauen und dort auch neue Arbeitsplätze schaffen. Es werde auch neue, große Programme für die Entwicklung der vier "neuen Subjekte" geben, sagte Putin unter lang anhaltendem Applaus. Bisher kontrolliert Russland allerdings nur einen Teil der Regionen Saporischschja, Cherson, Luhansk und Donezk, deren völkerrechtswidrige Angliederung an Russland Putin im vergangenen Jahr verkündet hatte.
Die Ukraine zeigte sich nach Putins Rede siegessicher. Das ukrainische Militär werde die russischen Soldaten "aus der Ukraine vertreiben" und die Verantwortlichen für den Krieg zur Rechenschaft zu ziehen, sagte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak. Die Russen steckten "strategisch in einer Sackgasse".
Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten. Im vergangenen Jahr ist die Rede abgesagt worden – wegen der "hohen Dynamik der Ereignisse". In diesem Jahr fällt die Rede fast mit dem Jahrestag des Kriegs zusammen, der am 24. Februar 2022 mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine begonnen hat.
Nach Putins Rede wies Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Anschuldigungen von sich. "Niemand greift Russland an, Russland ist der Aggressor", sagte er bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem EU-Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, in Brüssel. Putin habe klargemacht, dass er "einen fortgesetzten Krieg vorbereiten" wolle.
Stoltenberg appellierte auch an Putin, New Start nicht auszusetzen. Er rief den russischen Präsidenten auf, "seine Entscheidung zu überdenken und geltende Verträge zu achten".
...
Aus: "Wladimir Putin will letzten großen Abrüstungsvertrag aussetzen" (21. Februar 2023)
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/wladimir-putin-rede-lage-nation-vorwuerfe-westen Der Blonde #4
Putin gehört zu den Menschen, bei denen man nachprüfen muss ob es draußen hell ist, wenn die einem einen „Guten Morgen“ wünschen.
Diese Rede kann er sich also sparen, das ganze ist nichts weiter als Politzirkus und das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde.
SirPete #5.1
Natürlich ist er zurechnungsfähig. Er macht genau das was er als skrupelloser Diktator machen muss um seine Macht zu erhalten: Märchen erzählen. Glaube Sie er wird jetzt Fehler zugeben oder ähnliches? ...
SimonPhoenix42 #5.2
"Der Mann ist definitiv nicht zurechnungsfähig…"
Was soll er denn machen? Nach 200.000 toten und verwundeten russischen Soldaten, eingefrorenen Konten in XXX Milliardenhöhe, dem Einsatz von Söldnern, der offensichtlichen mangelhaften militärischen Führung sowie der fast vollständigen Isolation Russlands, einfach sagen: "Da habe ich wohl Mist gebaut!" ?
...
Harmlos01 #6
Wäre die Ukraine eine Marionette des Westens, dann hätte Russland schon lange gewonnen. Dann würden die Ukrainer nicht so hart kämpfen.
Jeder Versuch, eine lokale Armee durch den Westen auszurüsten ist an mangelnder Motivation gescheitert. Hier wird ein gewachsener Widerstand unterstützt.
Demokrat. #7
Ich frage mich, ob Putin inwendig selbst glaubt, was er sagt. Ob das eine Schutzargumentation des professionellen KGBlers ist oder ob er psychiatrisch paranoid ist. ...
Lysander42 #7.2
Aus meiner Sicht ist es bedeutungslos, ob Putin inhaltlich glaubt, was er sagt.
Aber er ist zweifellos fest davon überzeugt, dass er mit dieser Art von Rede das russische Volk "bei der Stange" halten kann.
Damit sie nicht murren, wenn immer mehr ihrer Söhne und Ehemänner in Zinksärgen nach Hause kommen.
Und in diesem Punkt könnte Putin so Recht haben...
Darmgeräusch #7.3
Putin hat einen großen Stab von Redeschreibern hinter sich. Da wird jedes Wort und jede Aussage sorgfältig formuliert. Die Reden fußen selbstverständlich auf Vorgaben von Putin und seinem Stab. Ob er den Inhalt selbst glaubt ist, meiner Meinung nach, nicht wahrscheinlich. Die Reden sollen nur eine Innen-und Aussenwirkung entfalten. Mit der Realität haben sie nichts zu tun.
Hanayagi #8
""Sie haben den Krieg begonnen. Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden", sagte Putin vor beiden Kammern des Parlaments in Moskau."
"Vorwärtsverteidigung" a la Putin. Naja, Propaganda halt. Wer's glauben will glaubt's und alle anderen wenden sich angewidert ab.
...
-
[...] Packer: Joe Biden kam schnell nach seiner Amtsübernahme nach Europa und sagte: Wir sind zurück! An eurer Stelle hätte ich gedacht: Na ja, schauen wir mal, für wie lange. Und was heißt das überhaupt, wir sind zurück? Der Rückzug aus Afghanistan im Sommer 2021 war ein spektakuläres Versagen, moralisch und organisatorisch. Keiner hat sich mit den Nato-Partnern abgestimmt, die Afghanen wurden im Stich gelassen. Mal wollen wir der ganzen Welt Demokratie und Freiheit bringen, dann wieder wollen wir uns lieber um uns selbst kümmern. Damals sah es so aus, als würde Joe Biden wieder eine Periode des Rückzugs aus der Weltpolitik einleiten. Am 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine angegriffen hat, sind wir dann in Nullkommanichts von "Was geht uns das an?" zu "Wir müssen mehr tun!" übergegangen.
...
ZEIT ONLINE: Der Krieg ändert, wie die Welt Amerika sieht. Ändert er auch, wie sich Amerika sieht? Schafft er so etwas wie ein gemeinsames Ziel, über die politischen Lager hinweg?
Packer: Für die meisten Amerikaner ist die Ukraine sehr weit weg, auch weil hier keine amerikanischen Soldaten eingesetzt sind. Es scheint paradox: Wir sind die größten Unterstützer der Ukraine mit Waffen, aber der Krieg ist in unserer Politik kein entscheidendes Thema. Noch sind sich die Lager im Kongress einig über die Unterstützung. Als Selenskyj Washington im Dezember besucht hat, gab es zwar krasse Bekundungen der Verachtung aus den Reihen der Trumpisten für ihn. Doch der Kongress verabschiedete danach das bisher umfangreichste Hilfspaket. Es gibt immer noch genügend Republikaner, die nicht auf America first setzen und eine internationale Rolle für die USA sehen.
...
ZEIT ONLINE: Was sieht Amerika in diesem Krieg? Warum gibt es diese allgemeine Zustimmung?
Packer: Mit dem Geist des Widerstands, den die Ukrainer zeigen, fühlen sich Amerikaner instinktiv verbunden. Das ist wichtiger als geopolitische Fragen oder die Sorge um die freiheitliche Weltordnung – ein Begriff, den sowieso kein normaler Mensch benutzt. Ich habe in der Ukraine amerikanische Veteranen gefragt, warum sie dort kämpfen. Die Antworten waren immer ähnlich: Ich konnte einfach nicht zusehen, wie Russland dieses Land zerstört. Das ist ein Reflex, den man auch beobachten kann, wenn ein Hurrikan Florida verwüstet hat.
ZEIT ONLINE: Sie haben die Ukraine bereist, und über das intensive Gefühl der Ukrainer für ihr Land geschrieben – fast als hätten Sie dort etwas gesehen, das in den USA heute fehlt.
Packer: Ich war überrascht, einen Patriotismus vorzufinden, der nicht von oben verordnet ist. Die ukrainische Gesellschaft ist mobilisiert, aber von unten her. Und der Patriotismus, den ich da erfahren habe, richtet sich auch gegen die korrupte, autoritäre Tradition des eigenen Landes. Das hat mich mit einiger Wehmut erfüllt: Die Werte, für die die Ukraine eintritt, verfallen in Amerika. Dort versucht man gegen extreme Widerstände eine Demokratie aufbauen, während wir in den USA ihrer Zerstörung zuschauen. Darum muss, wie ich finde, die Ukraine als Modell verteidigt werden. Die Alternative zu ihrem Sieg wäre ein Terrorregime mit Konzentrationslagern und Abertausenden von Deportierten. Ich gebrauche eigentlich selten solche Begriffe, aber hier geht darum, das Böse zu stoppen. Eine nackte Machtpolitik im Dienst einer furchtbaren Ideologie nationaler Größe. Und so etwas sagt man eigentlich auch nicht, aber ich finde, da unterscheidet sich Putin nicht von Hitler.
ZEIT ONLINE: Die Lieferung der Kampfpanzer hatte Olaf Scholz an die Bedingung geknüpft, dass Amerika auch welche liefert. Wird die Abhängigkeit der Europäer von den USA in Sicherheitsfragen so nicht verewigt?
Packer: Ich habe das Gefühl, beide Seiten gehen durch manisch-depressive Zyklen. In den Balkankriegen der Neunzigerjahre musste Amerika eingreifen, weil die Europäer auch damals ihren eigenen Kontinent nicht befrieden konnten. Dann hat Amerika sich in zu vielen Kriegen überdehnt und es wuchs die Sehnsucht nach einem Rückzug unter Barack Obama und Donald Trump. Die Europäer erklärten, sie könnten sich auf Amerika nicht mehr verlassen und müssten nun selbst Verantwortung übernehmen. Doch jetzt reihen sie sich wieder hinten ein und Amerika, das gerade erst aus einer depressiven Phase erwacht ist, führt wieder. Die Leopard-Verhandlungen sind das perfekte Beispiel dafür, dass da eine Art transatlantische Co-Abhängigkeit besteht. Am Ende sagen wir: Okay, wir schicken fünf verdammte Panzer. Seid ihr nun zufrieden?
ZEIT ONLINE: Aber warum lässt sich der US-Präsidenten von einem deutschen Kanzler in einen europäischen Panzerkrieg hineinziehen, den er nicht will?
Packer: Ja, richtig, wer führt hier eigentlich wen? Man muss in Europa erkennen, dass die amerikanische Führung ambivalent ist. Wir wollen eigentlich nicht vorangehen, tun es aber doch, weil sonst gar nichts passiert. Ich verstehe die Ängste der Europäer, aber ich halte sie für übertrieben. Und Putin schürt sie bewusst, er kennt eure deutschen Komplexe gut und weiß, welche Knöpfe er drücken muss. Ich sehe das deutsche Engagement für die Ukraine dagegen eher als Fortsetzung der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Zugespitzt könnte man sagen, das Holocaust-Mahnmal im Zentrum Berlins und die Leopard-Panzer für die ukrainische Selbstverteidigung, das sind Teile des gleichen Projekts. Das ist für viele Deutsche schwer zu akzeptieren. Aber wäre es denn ein Akt des richtigen Geschichtsbewusstseins, zuzusehen, wie die Ukraine von Russland verschluckt wird? ... In Polen hat Biden gesagt, die Freiheiten, für die die Ukrainer kämpfen, seien die Grundlage der europäischen und amerikanischen Demokratien. Er sagt das nicht bloß so daher, er glaubt das wirklich. ...
...
ZEIT ONLINE: Noch mal zu den Chancen der Diplomatie: Sie haben die Biographie des amerikanischen Diplomaten Richard Holbrooke geschrieben, dessen beispiellosem Verhandlungskraftakt das Friedensabkommen von 1995 in Dayton zu verdanken war – und damit das Ende der Kriege auf dem Balkan. Was würde Richard Holbrooke heute tun?
Packer: Damals in den Neunzigern konnte Amerika durch Gewalt und Diplomatie Frieden in Europa durchsetzen. Die bosnischen Serben hatten keine Atomwaffen. Es war auch eine andere Zeit: Holbrooke und der russische Außenminister Lawrow kannten und trauten einander. Russland war damals sogar bereit, eigene Soldaten unter Nato-Kommando als Friedenstruppen in Bosnien bereitzustellen. Das ist heute undenkbar! Das Russland unter Putin ist ein völlig anderer Akteur. Mit Putin kann man derzeit nicht mehr reden. Angela Merkel dachte, sie könnte es, auch Olaf Scholz hat es noch versucht, und dann kam der 24. Februar letzten Jahres. Wir haben es mit einem geopolitischen Konflikt zu tun, der an den Kalten Krieg erinnert. Inklusive der nuklearen Dimension.
...
In Europa sehe ich eine interessante Entwicklung. Der Antiamerikanismus, der infolge des Irakkriegs und der Regentschaft Donald Trumps florierte, scheint mir nicht mehr den Geist der europäischen Politik zu bestimmen. Aber die Inder, Brasilianer oder Südafrikaner wollen nicht länger in einer amerikanisch geprägten Weltordnung leben. Der Krieg in der Ukraine hat die tiefe Spaltung zwischen dem Westen und dem Globalen Süden sichtbar gemacht. Für die Europäer, auch für viele Amerikaner ist er das wichtigste Ereignis nach dem 11. September 2001. Der Globale Süden sieht ihn nicht als seinen Krieg, dort stehen die steigenden Energie- und Nahrungspreise im Zentrum.
ZEIT ONLINE: Also rechnen Sie eher nicht mit dem Wiederaufstieg Amerikas zur zentralen Weltmacht?
Packer: Nein, aber die Alternative zur amerikanisch dominierten Ordnung ist keine demokratischere, gerechtere Welt, wie manche gehofft haben. Sie entspricht eher Wladimir Putins Vorstellung, dass die Starken die Schwachen dominieren. Darum darf er nicht gewinnen.
Aus: "George Packer zum Ukraine-Krieg: "Die Werte, für die die Ukraine eintritt, verfallen in Amerika"" Interview: Kerstin Kohlenberg und Jörg Lau (22. Februar 2023)
Quelle:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/george-packer-ukraine-krieg-usa/komplettansicht Heinz Brause #13
Die Ukraine verteidigt, völlig zu Recht, ihr Territorium. Vielleicht auch das Territorium des restlichen Mitteleuropa (obwohl ich persönlich nicht glaube, dass Putin da noch weitergehende Ambitionen hat).
Die ständig angeführte Behauptung, sie verteidige auch "unsere westlichen Werte" ist angesichts der jüngeren innenpolitischen Vergangenheit der Ukraine bestenfalls irreführend, schlimmstenfalls Märchenstunde.
FrankFavela #15
Herr Packer ist zwar Journalist und evtl. Schriftsteller, ein Chronist der Geschichte ist er aber nicht. In Europa ist die Gefahr von Rechts doch auch sehr Konkret gegeben. Was kommt nach Macron? Und was nach Scholz? Zumindest in Ungarn, Italien , Österreich, Schweden..... sind extrem Rechts schon Mainstream.....und wenn man die AfD Stimmen betrachtet so lässt sich feststellen: es sind mehr als z.b. NL überhaupt an Wähler hat. Der letzte Satz ist der relevant: eine Postamerikanische Ordnung wir weniger demokratisch sein.
Taranis #15.1
Dazu sollte man sich aber auch betrachten was in den USA als rechts und links gilt und wie es dort überhaupt mit der Demokratie bestellt ist.
Das ist keine Ausrede für unsere rechten Auswüchse und schon gar nicht der Wunsch amerikanische Verhältnisse hier herbei zu sehnen. Einzig die Behauptung die USA seien das Bollwerk gegen Rechts und ein Hort der Demokratie ist so eher fragwürdig. In fast allen Demokratien nehmen populistische und damit auch autokratische Tendenzen zu. Bei uns ist es auch nicht nur die AfD, die mit Russland, Ungarn und China sympathisiert. Das hat nichts mit der "postamerikanischen Ordnung" zu tun.
FrankFavela #17
Was mir bei den woken, Pseudo-linken Amerikanern und Europäern fehlt ist die exakte Analyse der eigenen geschichtlichen Position. Denn: Putin weiss es, Orban weiss es, und Merkel hat es Selbst gesagt: die Ukraine war in weiten teilen ihrer Geschichte von kolonialen Nachbarn besetzt und wurde ausgebeutet: von Polen-Litauen, von Preußen, von Rußland und Österreich-Ungarn. Daher rührt nach meiner überzeugung der Unwille die Ukraine zu 100% als Rechtssubjekt zu betrachten, statt als potentielle Beute. Dieser Krieg ist das Produkt fehlender Reflexion und des mangelnden Unrechtsbewußtsein. Gerade auch in Deutschlan und Österreich-Ungarn.
sugarvision #18
Ja, Putins Überfall auf die Ukraine war ein außerordentlicher Glücksfall für die USA und die Allianz.
Joern.R #19
Das Engagement der USA ist ein Sicherheitstärkendes, kein Demokratiestärkendes. Rußland ist bei Weitem nicht der einzige Staat weltweit, in dem eine liberal-demokratisch geprägte innere Verfaßtheit nicht existiert, in manchen nicht einmal (nur ein Beispiel, die Demokratischen Republik Kongo) eine zentrale Ordnungsmacht vorhanden ist. Nicht einmal in seinem eigenen Land vermag Packer einen großen Einfluß im Sinne einer demokratischen Stärkung zu erkennen. Dieser Ansatz erinnert an die National Security Strategy von 2002 (Bush-Doktrin) , welche (vordergründig) zum Ziel den "Export" von Demokratie und Menschenrechten zum Ziel hatte, hintergründig aber die unreflektierte Durchsetzung von US-Interessen, siehe etwa Irak 2003 - Öl. Demokratische Strukturen lassen sich nicht exportieren und installieren wie eine Maschine, sie müssen auf dem Willen der jeweiligen Gesellschaft eines entsprechenden Aufbaus beruhen, gelernt werden.
Warum wohl sieht der Globale Süden den Krieg nicht als den Seinigen an? Weil der Globale Norden unter der finanziell-ökonomischen Führung von in Hauptsache den USA und China nicht an einer Egalität, nicht an gleichen Möglichkeiten und Chancen für beide Komplexe interessiert ist. Letzerer klar dominierende Attitüden durchsetzt, wiederherum in der Bush-Doktrin "Marktwirtschaft" genannt, de facto damit die globale Dominanz weniger Oligopole - was dann als Markt verkauft wird - und zwischen ungleichen Partnern nicht möglich seiender "Freihandel".
MenzelMicK #22
Dass die USA eine Großmacht sind bedarf keines weiteren Beweises, dass sie allerdings eine globale Führungsmacht sind, ist völlig absurd.
Die Unterordnung unter das US-Diktat wird von der Mehrheit der Weltbevölkerung abgelehnt, die Hegemonialpolitik der USA wird gehasst.
Die USA sind keine Friedensmacht, sondern eine Kriegsmacht, die Not und Elend über zahlreiche Länder gebracht hat. Die Liste der Schandtaten der USA ist ziemlich lang.
Europa wird als gefährliche Konkurrenz gesehen, insbesondere mit der Rohstoffquelle Russland und den engen Handelsbeziehungen zu China. Da muss ein Krieg her, mitten in Europa, denke ich...
Martin Köster #27
Schönes Interview mit Herrn Packer, der ziemlich erfrischend und klar aus US-amerikanischer Perspektive das transatlantische Verhältnis beschreibt, und dabei mit Eigenkritik nicht spart.
Man mag sich gar nicht vorstellen, worüber wir heute diskutieren würden, wenn nicht Joe Biden im Oval Office sitzen würde, sondern Donald Trump, während Putins Barbaren in der Ukraine wüten. ...
Hannes1854 #28
Das ganze Geschwafel von Verantwortung tragen, Demokrati verteidigen (in Afghanistan??), für die Freiheit einstehen usw, ist doch alles schlecht kaschierter globaler Machtkampf. Dieser amerikanische Patriotismus ist doch nur eine Form von Faschismus. Glaubt hier wirklich einer, dass der latente Rassismus in den USA plötzlich am Verschwinden ist, nur weil man Artillerigeschosse in die Ukraina schickt? Das Machtzentrum in den USA ist nicht gerade der Präsident. Das liegt woanders, daher spielt es eine eher untergeordnete Rolle wer gerade das Amt ausübt.
...
-
[...] Bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine galt Russland Teilen der Linken weltweit als globale Friedensmacht. Putin war in dieser Erzählung eine Art Fahnenträger des Kampfs gegen den US-amerikanischen Imperialismus und die NATO. Mit einem starken Staat und angeblich starken Gewerkschaftsbewegungen habe Russland demnach außerdem gegen den neoliberalen Mainstream und die Vormacht der globalen Konzerne gekämpft. Nicht selten wurde Russland so als ein Gegenentwurf zur imperialistischen, militaristischen und kapitalistischen Grundordnung des Westens verstanden.
Mit dem 24. Februar 2022 scheint sich unter vielen linken Bewegungen weltweit ein Umdenken abzuzeichnen. Auch die deutsche Partei Die Linke hat den russischen Angriff auf die Ukraine „aufs Schärfste“ verurteilt. An dem klaren Nein zu Waffenlieferungen wird gerüttelt. Gleichzeitig fordern Bundestagsabgeordnete wie Klaus Ernst das Ende der Sanktionen, Sahra Wagenknecht wittert einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg“ gegen Russland, während andere zu Verhandlungen aufrufen – ohne jedoch an Russland zu appellieren, seine Truppen zurückzuziehen.
Viele Linke weltweit würden immer noch einem verzerrten Russland-Bild anhängen, kritisiert der ukrainische Sozialist Taras Bilous. ... Im Interview mit Meduza kritisiert Bilous Klischees über Russland und die Ukraine im Westen und ruft zu einem Kampf für eine „Demokratisierung der Weltordnung“ auf.
... Die russischen Polittechnologen, die die Wahlen in der Ukraine vor Ort beobachtet haben, dachten, sie hätten unsere Politik verstanden – zumindest die, die vor Selensky da war; seit seiner Präsidentschaft hat sich vieles verändert. Das ist wohl eine der schwerwiegendsten Fehlkalkulationen von Putins Leuten. Sie haben das Mobilisierungspotential der ukrainischen Gesellschaft stark unterschätzt, darunter das der Freiwilligen-Organisationen, die seit Beginn des Krieges [2014] gegründet wurden. Ja, ein Teil von ihnen ging aus bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen Institutionen hervor, aber viele wurden quasi von Null auf von einfachen Menschen und regionalen Leadern aufgebaut, die davor überhaupt nichts mit Politik zu tun hatten. Das haben die russischen Polittechnologen nicht kapiert.
... In Diskussionen mit westlichen Linken höre ich oft das Argument, dass die NATO während des Kalten Krieges die Ultrarechten unterstützt und benutzt hätte. Aber der Kalte Krieg ist seit 30 Jahren vorbei, und gerade das Beispiel, dass sich die USA in Syrien mit den sozialistischen syrischen Kurden verbündet haben und nicht mit irgendwelchen anderen Kräften, zeigt meiner Meinung nach, wie weit sich die US-amerikanische Außenpolitik mittlerweile von der Logik des Kalten Kriegs entfernt hat. Gleichzeitig ignorieren diese Linken die Tatsache, dass es in den letzten Jahrzehnten vor allem Russland war, das die rechtsextremen Parteien in Europa unterstützt hat.
... Die westlichen Linken kritisieren an der Ukraine zum Beispiel oft den politischen Einfluss der Oligarchen. Aber was für praktische Schlüsse ziehen sie daraus? Ich weiß selbst sehr gut, dass in der Ukraine eine schlechte Regierung mit einer neoliberalen Politik an der Macht ist. Wir haben vor dem Krieg dagegen gekämpft, wir müssen auch jetzt dagegen kämpfen – etwa, wenn die Arbeitsrechte beschnitten werden sollen. Mir sind viele Defizite der ukrainischen Gesellschaft, der Staatsmacht und der Politik bewusst, aber das heißt ja nicht, dass man die Verteidigung gegen die russische Aggression nicht unterstützen soll.
... Das Schlimmste, was die russische Propaganda anrichtet, ist, dass sie ein verzerrtes Bild der postsowjetischen Realität vermittelt. Dazu haben die westlichen Linken weder eigene Erfahrungen noch Informationsquellen oder ein Verständnis davon, was hier passiert. Und weil sie den Mainstream-Medien nicht vertrauen, landen sie oft bei der russischen Propaganda als Hauptinformationsquelle.
Doch die westlichen Linken brauchen kein Russia Today, um den amerikanischen Imperialismus, die Hegemonie, die unipolare Welt und die NATO abzulehnen. Sie haben genug eigene Gründe dafür. Die ältere Generation hat oft schon zur Zeit des Kalten Krieges an den Protesten gegen den Vietnamkrieg oder andere Operationen der USA teilgenommen, die jüngere hat sich angesichts des Irak-Kriegs formiert. Wobei viele die Idee einer multipolaren Welt ganz unkritisch sehen, anstatt sich zu überlegen, wie man die Weltordnung demokratisieren könnte. Für sie wird ihre NATO-Gegnerschaft einfach zu einem Teil ihrer Identität, statt dass sie ein konkretes politisches Problem angehen und im Rahmen einer linken Strategie zu lösen versuchen. Sogar die, die die Ukraine und Waffenlieferungen einhellig unterstützen, unterscheiden sich manchmal nur dadurch, dass sie für die Auflösung unterschiedlicher militärischer Allianzen eintreten, unter anderem der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS).
Na gut, angenommen, man löst die NATO auf und auch die OVKS, was ist dann eine Alternative in der internationalen Politik und wie verhindert man dann, dass die starken Staaten den schwächeren ihren Willen aufzwingen?
... Wir brauchen keine multipolare Welt und keine Konfrontation zweier imperialistischer Blöcke. Wir müssen für eine allgemeine Demokratisierung der Weltordnung kämpfen, und dafür kann man Widersprüche zwischen verschiedenen Ländern nutzen. Aber eine multipolare Welt, in der jeder imperialistische Staat seine Einflusssphäre hat und seine imperialistische Politik fährt – das ist eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert. Das kann uns wirklich gestohlen bleiben.
...
Aus: "Meduza: „Die westlichen Linken verstehen nicht, was hier passiert“"
(Original 22.08.2022 von Alexej Kowaljow , Taras Bilous — Übersetzung (gekürzt) 12.10.2022 von Jennie Seitz , Ruth Altenhofer)
Quelle:
https://www.dekoder.org/de/article/bilous-linke-westen-russland-ukraine-klischees