"Philosoph Badiou über Paris-Massaker - Der Gefühlskultur widerstehen" Christof Forderer (25. 11. 2015)
Die Anschläge von Paris bewegen Alain Badiou zum Innehalten. Doch er bleibt dabei, dass der IS vom kapitalistischen Weltsystem generiert sei. ... Um einer bloßen Gefühlskultur zu widerstehen, erinnert Badiou an ein Grundaxiom seines politischen Denkens: Nichts, was von Menschen gemacht ist, ist unverstehbar. Der Verstehensversuch, den er anbietet, bestätigt, dass er ein Denker, nicht aber feinmaschig nachdenklich ist. Festen Schrittes in den Stiefeln, die er seit Jahrzehnten trägt, voranschreitend, lässt er mehrere Jahrzehnte Kapitalismusgeschichte Revue passieren, um zu zeigen, dass das Übel „von weiter herkommt“. ... Der 13. November 2015 hat seine Ursachen in der neoliberalen Entfesselung des Kapitalismus, die den Kapitalismus wieder das hat werden lassen, was er seinem innersten Wesen nach ist: eine Potenz der verheerenden totalen Destrukturierung von Gesellschaften und Menschen. Badious kapitalismuskritische Beschreibung der „Logik der Massaker“ enthält viel Richtiges. Wenn er allerdings die Ursache der Attentate darin sieht, dass in den 70er Jahren die Idee des Kommunismus nicht gesiegt hat, ist seine Analyse in ihrer Allgemeinheit das Symptom einer Unfähigkeit zu trauern. ...https://www.taz.de/!5254955/„Westlicher Todestrieb“
Nils Markwardt, Ausgabe 1116 | 21.03.2016
Interview Wir Europäer müssen uns an Flüchtlingsströme gewöhnen, sagt der Philosoph Alain Badiou. Weil wir eine große Mitverantwortung tragen. Von Integration hält er gar nichts. ...
https://www.freitag.de/autoren/nils-markwardt/westlicher-todestrieb"Die visionäre Lücke: Analyse Alain Badious Thesen zu Terroranschlägen und Faschisierung bieten Stoff zum Weiterdenken" Michael Jäger (11.05.2016)
Alain Badious Analyse ist sehr klar. Die global agierenden Großkonzerne setzen sich über die mächtigsten Staaten hinweg – das wurde schon häufiger festgestellt. Diese Staaten sind dazu übergegangen, dem Staatszerfall in Gebieten ihrer früheren Kolonialherrschaft tatenlos zuzusehen, wenn sie ihn nicht sogar aktiv betreiben – das konnte man ähnlich bei Herfried Münkler lesen. Badiou aber verknüpft beide Befunde: Kapitalistische Unternehmen können desto besser expandieren, je weniger ein Staat sie reguliert, am besten aber ist es, wenn gar nichts sie behindert. Seit 30 Jahren, seit der Niederlage des Kommunismus, setzen sie sich über alles hinweg.
Was kann man dagegen tun? Badiou weiß, worin das Rezept bestünde: Man müsste von einer Alternative zum Kapitalismus wissen. Aber auch er hat keine griffbereit. Gerade dieser Mangel führt Badiou zum wichtigsten Teil seiner Analyse. Viele Menschen, die im Staatszerfall lebten, flüchteten zu uns, weil sie in den Westen falsche Hoffnungen setzten, sagt Badiou. Gemeinsam mit diesen Menschen sollten wir eine „strategische Vision“ entwickeln.
Tun wir das nicht, würden sie, so Badiou, nihilistisch, und es bestünde die Gefahr, dass manche von ihnen auch „faschistisch“ werden. ...
https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/die-visionaere-luecke Sikkimoto 17.05.2016 | 11:29
@Moorleiche
>Wir haben zugunsten einer immer unreflektierteren Nützlichkeitsideologie verlernt andere Werte groß zu schreiben, als den Geldwert.<
Würde mir schon reichen wenn die Mehrzahl der Bevölkerung in der Lage wäre ihre eigenen monetären Interessen zu erkennen.
Ansonsten, ja, der Kapitalismus ist so neu nicht. Ich denke die Kunst der Meinungssteuerung hat in den letzten 50 Jahren einfach enorme Fortschritte gemacht. Insbesondere was das Einlullen der Geister mit allem möglichen Schnickschnack angeht.
Moorleiche 17.05.2016 | 11:53
@Sikkimoto
„Ich denke die Kunst der Meinungssteuerung hat in den letzten 50 Jahren einfach enorme Fortschritte gemacht. Insbesondere was das Einlullen der Geister mit allem möglichen Schnickschnack angeht.“
Und doch geschieht das ja zu einem gewissen, und ich glaube gar nicht mal so geringen, Teil auch freiwillig. Es ist immer so leicht gesagt, dass wir alle ferngesteuert, manipuliert, unfrei usw. seien, nur vergisst man dann oftmals die Leute selbst zu fragen, sondern entscheidet über ihre Köpfe hinweg. Natürlich nur in bester Absicht und um sie zu befreien. Nur, sie das selbst entscheiden zu lassen, das traut man ihnen dann doch nicht zu. Auch so wird Freiheit kassiert und der Einzelne entmündigt, das kommt aber so wohlmeinend daher, nur zu seinem Besten.
Sikkimoto 17.05.2016 | 13:23
@Moorleiche
Worauf wollen sie hinaus? Eine Aufzählung mit welchen Narrativen die Massen aktuell dazu gebracht werden gegen ihre Interessen zu agieren? Oder warum diese gerade heute verfangen? Da würde es schon schwieriger.
Oder wollen sie gar unterstellen, jedes Individuum handle aus rationaler Erwägung heraus? Da hat die Verhaltensforschung sie lange überholt.
... @Moorleiche
> Geben Sie mir einfach mal ein konkretes Beispiel dafür, wann ich, Ihrer Meinung nach, nicht mehr freiwillig agiere.
... Manipulation beruht immer ein Stück weit auf dem Einvernehmen des zu Manipulierenden. Auf ein binäres "frei" oder "nicht frei" würde ich mich aber nicht einlassen. Das sind theoretische Erwägungen, die Realität malt in Gratönen.
Moorleiche 17.05.2016 | 14:44
@Sikkimoto
... M.E. ist das ein fließendes Kontinuum, dass von äußeren und inneren Zwängen (bspw. Erpressung und Sucht) begrenzt ist und es ist Geschmackssache wie weit man auch in diesen Fällen den Menschen noch als „zur Freiheit verdammt“ (Sartre) bezeichnen möchte.
Das Gegenargument ist dann eben, dass uns Werbung, Erziehung, das kapitalistische System usw. manipulieren und wir eben nicht die Wahl haben und/oder sie auch dann nicht haben, wenn wir meinen, dass wir sie hätten, weil die Manipulationstechniken heute so effektiv und subtil sind.
Irgendwo dazwischen befindet man sich mit seiner Position und ich bin ein starker Befürworter der Position, dass die Menschen weitgehend frei (wenn auch nicht immer klug) agieren. Und warum das ggf. anders sein sollte, würde ich dann gerne wissen.
...