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[Stadtgeschichte - Berlin ...]

Started by Link, December 27, 2015, 03:47:14 PM

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Landesarchiv Berlin
https://de.wikipedia.org/wiki/Landesarchiv_Berlin


https://landesarchiv-berlin.de/fotosammlung

http://www.landesarchiv-berlin-bilddatenbank.de/hida4web-LAB/search?smode=simple

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Die Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB)
https://www.zlb.de/fachinformation/spezialbereiche/berlin-sammlungen/berlin-portal/karten-plaene-bilder.html

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https://www.berlin.de/geschichte/historische-bilder/suche/

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http://zeitreisen-berlin.de/

http://zeitreisen-berlin.de/Altstadt/index.html

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"Berlin zur Kaiserzeit Glanz und Schatten einer Epoche - Doku über Berlin" (Datum ?)
Glanz, das galt für die Bewohner der feinen Gegenden, in der Stadtmitte, bedeutete Gesellschaft, Tiergarten, "Unter den Linden" mit Paraden, Theatern, eleganten Geschäften. Schatten lag über den Mietskasernen in den Arbeiterbezirken im Norden und Osten der Stadt, bedeutete harte Arbeit, schlechte Wohnverhältnisse, Hunger, aber auch bescheidene Vergnügungen am Sonntag: Biergarten, Wannsee, Rummel. Dieser Film zeigt die Auswirkungen des 1.Weltkrieges auf die Bevölkerung und endet mit der Ausrufung der Republik.
https://www.youtube.com/watch?v=oOFKfnoQc38


"Die Stunde Null - Berlin im Sommer 1945 " (Phoenix, Datum ?)
Der 8. Mai 1945: das Ende des "totalen Krieges". Die Gefühle der Besiegten schwankten - Niederlage oder Befreiung? Wenige Minuten nach Mitternacht unterzeichnet Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin-Karlshorst die deutsche Kapitulationserklärung. Nach den dunklen Jahren des Krieges zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Leben und Tod markiert das Ende des "Dritten Reiches" zugleich einen Neuanfang.
Die "Stunde Null" ließ Sieger und Besiegte, Soldaten und Gefangene, die Überlebenden in den Konzentrationslagern, die Flüchtlinge und Vertriebenen sowie die Bewohner der zerbombten Städte aufatmen. Für einen Moment schien die Geschichte stillzustehen. Doch der Schein trog. Nicht nur Trauer und Verzweiflung über den Tod von Verwandten und Freunden, auch den Verlust von Idealen, die pervertiert worden waren, galt es zu verkraften. Der Erkenntnis vieler Deutschen, schamlos betrogen worden zu sein, folgte die deprimierende Aussicht, daß Jahre des Hungers, der Not und der Entbehrung bevorstanden. Im Film prallen Erinnerungen an den 8. Mai 1945 aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Kindersoldaten, die noch in den Trümmern für den "Endsieg" kämpften. Der Elendszug der Flüchtlinge. Der Kampf ums nackte Überleben. Das "Frau komm" der Sowjets und die Lucky Strikes der Amerikaner. Die Konfrontation mit der Wahrheit über die Konzentrationslager und die Hoffnung, daß es irgendwie weitergeht. Erinnerungen, die schmerzen - auch heute noch. Im "ZDF-Jahrhundertbus" äußerten sich viele Zeitzeugen zum ersten Mal, wie sie die schwerste Stunde der deutschen Geschichte erlebten: Menschen, die auf der Flucht waren, Frauen, die noch in den letzten Tagen des Krieges ihre Männer verloren, Männer, die den Tag der Kapitulation in der Kriegsgefangenschaft erlebten, und solche, die froh waren, zum ersten Mal Glen Miller zu hören. Der Film zeigt, daß "Die Stunde Null" nicht nur Ende, sondern auch Anfang war. Der Film "Die Stunde Null" von Peter Adler zeigt, wie zwiespältig bei vielen Deutschen die Empfindungen bis heute sind.
https://www.youtube.com/watch?v=QZ9Pil_kgOI

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#1
"Berlin vor 100 Jahren: Die Hauptstadt der Häutungen" Christian Schröder (01/2015)
Abreißen, neu bauen – und Berlin boomt: Ein Bildband zeigt, wie aus der Residenz eine Millionenmetropole wurde. Mittelalterliche Altbauten verschwanden genauso wie viele historistische Neubauten. [Miriam Paeslack: Berlin im 19. Jahrhundert. Frühe Photographien 1850–1914. Schirmer/Mosel, München 2015. 232 S.] ...
http://www.tagesspiegel.de/kultur/berlin-vor-100-jahren-die-hauptstadt-der-haeutungen/12847294.html


"Weltbühne Berlin - Die Zwanziger Jahre" Irmgard von zur Mühlen
Doku, BRD, 1986
https://www.youtube.com/watch?v=KNw2OqOzyQ4

Tauchen Sie ein in die Vergangenheit Berlins
http://alt-berlin.info/

http://alt-berlin.info/seiten/buecher.shtml

Historische Berliner Urinale
http://www.surveyor.in-berlin.de/berlin/real/index.html


Prenzlauer Berg
Geschichten und Geschichte eines verschwundenen Stadtbezirks
http://reifenwechsler.blogspot.de/

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"Kreuzberg in den Siebzigern: Die Bronx Berlins" Katja Iken (05.06.2016)
Kinder toben durch Bruchbuden, Freaks proben den Aufstand: Kreuzberg war einst Aussteiger-Mekka, Armenviertel und Abenteuerspielplatz in einem. Amateurfotograf Steffen Osterkamp fing den morbiden Charme ein. ... Osterkamp scannte 1200 Negative ein und begab sich mit den Aufnahmen in der Hand auf Spurensuche durch den "Hinterhof West-Berlins", wie die "Berliner Zeitung" den Bezirk Kreuzberg einmal titulierte: Wo lief der Onkel damals genau entlang? In welchem Jahr könnten die Fotos entstanden sein? Es begann eine minutiöse Detektivarbeit, die noch immer nicht abgeschlossen ist. ...
http://www.spiegel.de/einestages/kreuzberg-in-den-siebzigern-die-bronx-berlins-a-1095202.html

http://www.spiegel.de/fotostrecke/kreuzberg-fotograf-steffen-osterkamp-fotostrecke-137780.html




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#2
zeit.zeiger.berlin e. V., Geschichte – Bildung – Partizipation, wurde 2014 von Friedrichshainern und Kreuzbergern gegründet. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunst-, Kultur- und Geschichtsprojekte zu entwicklen, zu fördern und zu beraten. Er residiert in der Rigaer Straße 103, 10247 Berlin. ... Uns, den Herausgeberverein, verbindet gemeinsame jahrzehnte­lange Friedrichshainer Kiezerfahrung mit Kreuzberger Außensicht sowie Kulturarbeit, Medienerfahrung, Wissenschaft und Amüsement. Hinzu kommt die Zuneigung zu Friedrichshain, seinen Bewohnern und Gästen. Für sie soll ,,Friedrichshainer Zeitzeiger" wie ein Spiegel sein, in dem sie ihre Unternehmungen, ihre Freuden und Ärgernisse, Sehnsüchte und Befürchtungen wiedererkennen.
https://fhzz.de/

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"Fotovergleich Ost-Berlin 1980 und heute" (06/2016)
http://interaktiv.morgenpost.de/ost-berlin-1980-2016/

http://interaktiv.morgenpost.de/ostberlin-1960er-2016/

http://interaktiv.morgenpost.de/prenzlauer-berg-1980-2016/

http://interaktiv.morgenpost.de/kreuzberg-1970-2015/

http://interaktiv.morgenpost.de/berlin-1945-2015/


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Im Frühjahr 2005 ging Berlin Street wieder als selbstständiges Weblog online. Inhaltliche Schwerpunkte sind Kommentare zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen sowie die Berliner Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, auch in Form von persönlichen Erinnerungen. Regelmäßig werden Texte anderer Autoren veröffentlicht, wie der Taxiroman von Sabine Faber (mittlerweile nur noch beim Würfelfunk) oder die Spaziergänge von Diether Huhn. ...
http://www.berlinstreet.de/

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#3
"Bevölkerung und Wohnungsnot Berlin hat so viele Bewohner wie seit Jahrzehnten nicht mehr" Ralf Schönball (20.07.2016)
Erstmals seit Jahrzehnten leben mehr als 3,5 Millionen Menschen in Berlin. Aber der Wohnungsbestand wächst zu langsam. ... Erstmals seit Jahrzehnten ist die Bevölkerung von Berlin auf mehr als 3,5 Millionen Einwohner gestiegen. Dies geht aus einem aktuellen Bericht des Statistischen Amtes Berlin-Brandenburg hervor, der an diesem Donnerstag erscheint. Demnach wuchs die Bevölkerung allein innerhalb der letzten zwölf Monaten um mehr als 50.000 Einwohner auf 3.520.031. Damit verschärft sich die Wohnungsnot in der Stadt drastisch, denn der Bestand an Wohnungen wächst gemessen am Einwohnerzuwachs nur schleppend – längst gibt es viel weniger Wohnungen als Haushalte in Berlin.
Denn nach aktuellen Zahlen des Statistikamtes nahm der Bestand an Wohnungen im vergangenen Jahr um gerade mal 0,6 Prozent zu: 10.877 Wohnungen wurden Ende 2015 mehr gezählt als ein Jahr zuvor. Theoretisch müssten sich also fünf Neuberliner jede der neu entstandenen Wohnungen teilen, damit sich die Wohnungskrise in der Stadt nicht noch zusätzlich verschärft. Die Realität sieht aber anders aus: In der deutschen Hauptstadt der Singles besteht ein Haushalt im Durchschnitt aus nicht mal zwei Personen (statistisch: 1,8). Gemessen daran fehlten also allein im vergangenen Jahr mehr als 15.000 Wohnungen, um allein jenen Teil der Nachfrage zu decken, der durch das Bevölkerungswachstum zusätzlich entstanden ist. ...
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bevoelkerung-und-wohnungsnot-berlin-hat-so-viele-bewohner-wie-seit-jahrzehnten-nicht-mehr/13903866.html

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",,Vanishing Berlin": Diese Fotos zeigen, wie eine Stadt langsam ihre Seele verliert" Tessa Högele (2016)
http://ze.tt/vanishing-berlin-wie-eine-stadt-langsam-ihre-seele-verliert/

https://berlinvanishing.wordpress.com/

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"So sah das Berlin der 80er Jahre aus" (2016)
http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/fotostrecken/berlin/bildergalerie-so-sah-das-berlin-der-80er-jahre-aus/14663834.html

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"Berlin, deine 50er Jahre" (2016)
http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/fotostrecken/berlin/historische-fotos-berlin-deine-50er-jahre/10769390.html

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"Westberlin in den Achtzigern - Im Wilden Westen" Michael Sontheimer (01.11.2016)
Graue Stadt, prima Stimmung: Westberlin war in den Achtzigerjahren ein surreales Soziotop mit Spießern und Spinnern, Punks und Hausbesetzern. Fotograf Christian Schulz zeigt die Stadt zwischen Party und Randale.
http://www.spiegel.de/einestages/fotograf-christian-schulz-west-berlin-der-80er-freaks-und-spiesser-a-1118310.html

http://cs-christianschulz.de/

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"Berlin: Das wahre Sozialistenparadies lag im Westen"  (10.11.2014)
Für Eva C. Schweitzer hieß das sozialistische Paradies West-Berlin. Vor dem Fall der Mauer war das Bier dort billig, die Mieten günstig und es musste niemand arbeiten, der nicht wollte. ... Ich lebte damals in einem städtischen Sanierungsgebiet, am Chamissoplatz (die Wohnungen in West-Berlin wurden, anders als im Osten, mit viel, viel Staatsknete saniert). Mit dem "Mieterladen Chamissoplatz", einer Bürgerinitiative, untersuchten wir einmal im Auftrag des Senats einen sanierten Block. Dort wohnten ein Drittel Studenten, ein Drittel Rentner und ein Drittel Arbeiter. Die Arbeiter stammten ausnahmslos aus der Türkei und verdienten doppelt so viel wie die Studenten oder die Rentner. Dem Senat gehörten auch Gewerbeetagen, in denen linksalternative Projekte vor sich hin bastelten, von der Berlin-Zulage über Wasser gehalten. Ich arbeitete damals bei einer kleinen, linken Tageszeitung, die vornehmlich dank des Talents des Geschäftsführers, Steuerabschreibungen auszunutzen, überlebte. Es handelte sich natürlich um die "taz". ...
http://www.spiegel.de/einestages/west-berlin-paradies-der-sozialisten-a-1001572.html

Berlin Chamissoplatz ist ein Film von Rudolf Thome aus dem Jahr 1980. Die Uraufführung fand am 1. November 1980 bei den Hofer Filmtagen statt.  ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin_Chamissoplatz


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#4
"Nahverkehr in Berlin BVG setzt auf Oldtimer" Klaus Kurpjuweit (03.11.2016)
Auf der U 55 fahren bald nur noch Züge aus den 1950er-Jahren. Die BVG steckte hierfür 1,9 Millionen Euro in die alten Wagen. ... Sie will damit aber nicht Nostalgiker erfreuen, sondern reagiert nur auf den Fahrzeugmangel bei der U-Bahn. Durch das Auferstehen der alten Züge kann die BVG modernere Fahrzeuge von der U 55 abziehen und damit den Betrieb auf der nachfragestarken U 6 (Alt-Tegel–Alt-Mariendorf) durch den Einsatz eines zusätzlichen Zuges verstärken.
Die Alt-Fahrzeuge halten den Einsatz auf der U 55 aus, ist der Abteilungsleiter U-Bahn-Fahrzeuge, Martin Süß, überzeugt. Auf der nur 1,8 Kilometer langen Stummellinie, die derzeit bis zum Alexanderplatz verlängert und dann U 5 heißen wird, legten die drei dort vorhandenen Zwei-Wagen-Züge, Doppeltriebwagen genannt, zusammen jährlich rund 120 000 Kilometer zurück; etwa so viel, wie ein einzelner Doppeltriebwagen im übrigen Netz schafft. Die täglich etwa 6500 Fahrgäste strapazierten die Züge auch nicht so sehr wie auf den anderen Linien, sagte Süß am Mittwoch, als die BVG den ersten reaktivierten Doppeltriebwagen vorstellte. Die Vorführfahrt absolvierte er jedenfalls ohne sichtbare Probleme. ...
http://www.tagesspiegel.de/berlin/nahverkehr-in-berlin-bvg-setzt-auf-oldtimer/14784490.html

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"Neues Buch zeigt Berlin in 1000 Bildern" Andreas Conrad (12.01.2016)
Ein opulenter Fotoband zeichnet die Berliner Alltagsgeschichte im 20. Jahrhundert nach - Alltag in Berlin. Das 20. Jahrhundert (Elsengold Verlag)
http://www.tagesspiegel.de/berlin/alltag-in-berlin-neues-buch-zeigt-berlin-in-1000-bildern/19240530.html

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"Historischer Wedding"
Leben "Uff'm Wedding" und rund um die "Plumpe" - das ehemalige Hertha-Stadion - am Gesundbrunnen. Ralf Schmiedecke hat in seinem Buch "Wedding -Mitten in Berlin" mehr als 200 historische Bilder gesammelt. Ein Auszug. Hier: Der Nettelbeckplatz von der Pankstraße aus gesehen im Jahr im ersten Kriegsjahr 1939.
Die Bezeichnung "Auf dem Wedding" wurde am 22. Mai 1251 erstmals in den Urkunden der Marktgrafen Johann I. und Otto III. des Berliner Stadtbuches erwähnt. Der Stadtteil entstand nämlich ausgehend vom herrschaftlichen Gut des Ritters Rudolphe von Wedding nebst dem früh verlassenen Dorf Wedding an der Panke auf der Höhe der heutigen Weddingstraße Ecke Reinickendorfer Straße.
Foto: Ralf Schmiedecke ...

http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/fotostrecken/berlin/mitten-in-berlin-historischer-wedding/19432418.html

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"Berlin nach dem Krieg: Zwischen Zerstörung und Zuversicht"
Familien flanieren über Trümmerberge, Kinder spielen in Ruinen: Ernst Hahn fotografierte den Berliner Alltag 1950/51. Lange schlummerten die Negative in einer Blechbüchse ...
http://www.spiegel.de/fotostrecke/berlin-nach-dem-krieg-da-ueberlaeuft-es-einen-kalt-fotostrecke-146430.html

Die hier gezeigten Fotografien wurden im Bildband  BERLIN um 1950 erstmalig veröffentlicht.
Sie entanden 1950 und 1951 während zweier Ferienaufenthalte in Berlin.

http://www.ernsthahn-fotografie.de/ERNST_HAHN/Fotografisches_Werk/Seiten/BERLIN_um_1950.html


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#5
"Schöneberger Schüsseln – Der Sozialpalast" Sasch (21. April 2015)
Der Sozialpalast – oder wie das Gebäude heute offiziell genannt wird: Pallasseum – gehört zu einer der städtebaulichen und sozialpolitischen Erfolgsgeschichten, die es in Berlin leider viel zu selten gibt. ...
https://berlinonbike.de/blog/schoeneberger-schuesseln-vom-sportpalast-zum-pallasseum/

"Schöneberger Pallasseum Denkmalschutz statt Sprengung: Der Aufstieg des Sozialpalasts" Andreas Austilat (15.08.2017)
Zwei Toiletten, riesige Fenster, Balkon – für Meleh Ördüz war das der reinste Luxus, als sie 1987 in den Berliner Sozialpalast zog. Zehn Jahre später war der Klotz am Ende, kam am Abriss knapp vorbei. Heute steht er besser da denn je.
http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/schoeneberger-pallasseum-denkmalschutz-statt-sprengung-der-aufstieg-des-sozialpalasts/20187228.html

Lokaljournalismus aus und über Berlin-Neukölln
http://www.neukoellner.net/

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#6
Quote[...] ,,Ich glaube, es gibt keinen Ort, keine Straße in Berlin, wo Betteln nicht irgendeine Relevanz hat", sagt die Sozialarbeiterin Anna-Sofie Gerth, die in Berlin-Wilmersdorf eine Tagesstätte für Wohnungslose leitet. ,,In jeder S-Bahn, in jeder U-Bahn, an den großen Plätzen in Berlin, ich würde sagen, an jedem zweiten Supermarkt. Auch in Banken, wo Menschen einem die Tür aufmachen, in der Hoffnung, dass man ihnen etwas in ihren Becher wirft."

Doch auch wenn man die Bettler in der Hauptstadt an jeder Ecke sieht, bleiben sie für den Rest der Gesellschaft in gewisser Weise unsichtbar. Man steckt ihnen Geld zu oder Essen, man ignoriert sie oder ist genervt, wenn man auf einer S-Bahn-Fahrt zum gefühlt hundertsten Mal mit einer vermutlich ausgedachten Elendsgeschichte konfrontiert wird. Was weiß man schon über ihr Leben, wie sie ihren Alltag organisieren und wie sie es schaffen, in Berlin auf der Straße zu überleben?

Es sind Menschen wie Ronny, Straßenpunk und 33 Jahre alt. Ein kleiner, kräftiger Mann mit hellen Augen und vielen Zahnlücken. Ein freundliches, offenes Gesicht, schwer gezeichnet durch Alkohol, Drogen und neun Jahre auf der Straße. Eigentlich sei er Gärtner, sagt Ronny. ,,Schule beendet und die Ausbildung beendet. Und dann sollen sie mir mal Obdachlose zeigen, die Schule und Ausbildung beendet haben. Das sind nicht viele."

Ronny lebt in der Nähe des Bahnhofs Zoologischer Garten, seit Jahrzehnten ein Hotspot für Obdachlose, Stricher und Drogenabhängige. Sein Geld verdient er als Bettler:

,,Ich setze mich irgendwo hin, wo Leute vorbeikommen, stell den Becher hin, die Leute kommen direkt zu mir und schmeißen es rein." Manche würden sich auch mit ihm unterhalten. Er selbst spreche die Leute allerdings nie an. ,,Weil ich einen Respekt habe vor die Leute", so Ronny. ,,Weil ich obdachlos bin, habe ich Respekt."

Über die Jahre hat sich Ronny einen Stammplatz zum Betteln erkämpft, vor einem großen Supermarkt. Ein Premiumplatz, denn das Geschäft ist jeden Tag geöffnet und hat viel Laufkundschaft. Zwischen 10 und 30 Euro bekomme er täglich in seinen Becher, sagt er. Und dann sind da noch die Leute, die ihm kein Geld geben, aber ihm etwas kaufen wollen.

,,Einige fragen mich, bevor sie in den Laden reingehen: Brauchst du irgendwas?", erzählt Ronny. ,,Nee, ick hab alles", sage er dann. Aber wenn sie dann fragen: Brauchst du noch ein Bier? – ,,Ja, gern."

Nur von Kindern will er kein Geld haben: ,,Es gibt auch Familien, die geben den Kinder das Geld in die Hand und die Kinder schmeißen das Geld in den Becher rein." Für Ronny ein ,,No-Go": Warum machen die Eltern es nicht selbst, sondern schicken die Kinder vor?

Die Jahre auf der Straße und der Alkohol haben Ronnys Gesundheit angegriffen. Er leidet unter Krampfanfällen – und hat inzwischen auch keine Lust mehr, auf der Straße zu leben. Schon gar nicht in Berlin: ,,Die Osteuropäer, Südländer, also die ganzen, die vom Ausland kommen, es wird mir zu viel", erklärt er. Ronny träumt davon, nach Hamburg zu gehen und dort sesshaft zu werden.

Nicht nur, weil dort weniger Ausländer seien. Auch wegen des FC St. Pauli, dessen Fan er ist. Und wegen des frischen Fischs: ,,Kann sein, dass ich dann auch mit auf einen Kutter gehe, zum Arbeiten, zum Fischfang."

Straßenpunks wie Ronny, die vom Schnorren leben, gehören in Berlin gewissermaßen zum Lokalkolorit, genauso wie die Musiker in den S- und U-Bahnen. Doch in den letzten Jahren sind neue Formen des Bettelns hinzugekommen: Straßenzeitungsverkäufer oder Flaschensammler etwa, die zwar etwas tun, aber ebenfalls auf guten Willen ihrer Umgebung angewiesen sind, ihnen etwas zukommen zu lassen.

So hat sich am unteren Rand der Gesellschaft in den letzten Jahren eine Art Schattenökonomie des Bettelns entwickelt, von der niemand so genau weiß, wie viele Menschen sie ernährt:

,,Es gibt keinerlei Statistik", sagt die Sozialarbeiterin Anna-Sofie Gerth. Die Zahl der Bettler in der Stadt sei aber auf jeden Fall vierstellig. Denn es gebe etwa 6000 Obdachlose in Berlin. Von denen betteln zwar nicht alle. Aber umgekehrt ist auch nicht jeder Bettler obdachlos.

,,Pfandsammeln und Zeitungverkaufen – das machen schon eher Leute, die noch Wohnraum haben, die mit ihrem Geld nicht klarkommen oder die sanktioniert sind vom Jobcenter, weil sie irgendwelchen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind," erklärt Wilhelm Nadolny, Leiter der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten in Berlin.

Das Aufkommen dieser ,,Nebenerwerbsbettler" liegt zum einen daran, dass sich die soziale Lage für viele Menschen in Berlin in den letzten Jahren verschlechtert hat.

Zum anderen könnte es aber auch Ausdruck eines Kulturwandels sein: Denn seit der Hartz-IV-Debatte ist der Umgang mit Armut offener und offensiver geworden.

Armut wird nicht mehr so versteckt wie früher, sondern viele Menschen haben weniger Scheu, Hilfe in Anspruch zu nehmen: Zum Beispiel zu den Tafeln zu gehen, um günstig Lebensmittel zu kaufen.

Inzwischen scheinen auch manche Formen des Bettelns nicht mehr tabuisiert zu sein: ,,Ich würde sagen, Flaschensammeln ist nicht mehr so schambehaftet", sagt Anna-Sofie Gerth.

,,Wenn ich sehe, es gibt Leute, die haben Einkaufswagen, die besonders präpariert sind, damit man besonders viele Flaschen sammeln und es ganz toll stapeln kann, dann zeigt das ja auch: Ich kann was. Ich kann nicht nur Flaschen sammeln, sondern auch noch ein Konzept entwickeln, wie ich besonders viele sammele. Und das wird schon anerkannt. Dass da so eine Hemmschwelle gesunken ist, das würde ich schon sagen."

Für Anna-Sofie Gerth von der Berliner ,,City-Station" steht dahinter auch eine Generationenfrage: ,,Die Älteren, die hier zu Gast sind, die Nachkriegsgeneration, die wissen, wie die mit zwei Scheiben Brot und Butter die Woche überleben, die kriegen das irgendwie hin", sagt sie. ,,Ich glaube, dass das Menschen, die ein bisschen jünger sind, die solche Zeiten nicht durchmachen mussten, dass da auch Kompetenzen fehlen, wie überlebe ich mit zwei Scheiben Brot die Woche."

Für die sei es dann einfacher, rauszugehen und Flaschen zu sammeln. ,,Weil sie eben nicht mehr dumm angemacht werden, weil es gesellschaftlich minimal akzeptierter ist oder da so eine Toleranz entsteht."

Klaus ist 63, ein großer, schwer übergewichtiger Mann, der sich nur noch mit Mühe ohne Rollstuhl fortbewegen kann. Früher hat er Getränke ausgefahren und sich erfolglos als Selbständiger versucht. Jetzt sind die Knie kaputt und das Geld vom Amt reicht hinten und vorne nicht:

,,Von Hartz IV ist schwer zu leben, jedenfalls für einen Menschen, der früher normal gelebt hat", sagt er. ,,Dann musste ich eben sehen, was ich mache. Und in der S-Bahn hat mir eines Tages einer mal ein paar ,Straßenfeger' (Berliner Straßenzeitung, die 2018 eingestellt wurde) in die Hand gedrückt. Verkauf doch mal so was, sagt er zu mir. Hab ich gesagt, na warum nicht?"

Inzwischen bessert Klaus sein Hartz IV auf, indem er in einer vornehmen Villengegend Berlins die Straßenzeitung ,,Motz" verkauft. So drei, vier Stunden am Tag müsse man das schon machen, sagt er. ,,Wenn man Glück hat, verdient man gut, und manchmal sitzt man auch eine Stunde, wo gar nichts läuft."

Insgesamt kämen so etwa 250 Euro im Monat zusammen, sagt Klaus.

Vorausgesetzt er halte sich an bestimmte Regeln. ,,Man muss gut angezogen sein, das heißt normal, man darf nicht Zigaretten rauchen, man darf nicht Alkohol trinken, so was wollen die Leute nicht haben", erklärt er. ,,Selbst wenn mir mal die Augen zufallen, die Leute sehen alles, wenn ich mal ein Loch im Strumpf habe oder wenn ich mal eine Tüte da zu liegen habe, das wollen die Leute nicht. Der Platz muss ordentlich aussehen! Desto mehr Trinkgeld gibt's."

Allerdings wollen die meisten Leute gar keine Zeitung. Sondern sie geben ihm lieber so Geld. Ist Klaus damit dann nicht eigentlich ein herkömmlicher Bettler? Er widerspricht heftig:

,,Eben nicht! Weil ja manchmal auch Leute kommen und mir eine Zeitung abkaufen, das ist ja nicht, dass nun gar keiner kommt. Eine Zeitung muss dabei sein, das ist das mindeste, dass man wenigstens vor sich selber sagen kann, ich bin ein Verkäufer und kein Bettler."

Aber das Motiv der Leute, ihm Geld zu geben oder eine Zeitung abzukaufen, ist doch Mitleid? ,,Ja, so ungefähr", räumt Klaus ein. Findet er das nicht ein bisschen komisch? ,,Ja, es ist nicht gut. Ich meine nur, im Moment lässt sich da nichts machen. Es ist ja so schon deprimierend, aber wenn da wenigstens eine Zeitung dabei ist, kann man ja den Schein noch wahren. Vor sich selber."

Deprimierend findet Klaus auch, dass man immer mehr weniger Geld auf der Straße verdient, weil inzwischen so viele dort unterwegs sind: ,,An jeder Ecke stehen die", sagt er. ,,Und die Leute sagen, wenn wir schon fünf Leuten vorher was gegeben haben, dann können wir Ihnen nicht auch noch was geben."

Doch immer wieder kursieren wilde Geschichten in der Regenbogenpresse über Bettler, deren Tageseinnahme das übersteigt, was ein mittlerer Angestellter im gleichen Zeitraum verdient – und dann auch noch steuerfrei. Ganz unschuldig sind Bettler daran nicht, denn viele neigen dazu, ihre Situation positiver darzustellen, als sie ist.

,,Ich glaube, da spielen Scham und Selbstbild eine Rolle", erklärt der Sozialarbeiter Wilhelm Nadolny. ,,Menschen bauen sich ja ihre eigene Realität zusammen, dass sie selber gut dastehen." Er hält die Verdienstmöglichkeiten von Bettlern dagegen für äußerst beschränkt.

,,Ich glaube, es reicht gerade so zur Überlebenssicherung", sagt Nadolny. Und das sei meistens Suchtmittel einkaufen. ,,Als Alkoholabhängiger ist man so mit 10, 20 Euro am Tag dabei. Die Leute, die Heroin konsumieren, müssen teilweise am Tag 170 Euro erbetteln. Das schaffen Menschen wohl, aber die haben dann einen 20-Stunden-Arbeitstag."

,,In Nürnberg hatte ich innerhalb von einer halben Stunde 40 Euro zusammengeschnorrt", sagt Vivi, 28. Eine hübsche, blonde Frau in Jogginghose und grauem T-Shirt, der man nicht ansieht, dass sie zurzeit auf der Straße lebt.

Anders sei es, in Berlin zu betteln: ,,Wenn du dich hier mal hinhockst und nach ein bisschen Kleingeld fragst, ein paar Cent oder was weiß ich, dann werden die gleich beleidigend."

Vivi lümmelt sich in der Berliner Bahnhofsmission auf einem Sessel herum und erklärt, wie man am erfolgreichsten schnorrt: ,,Erstmal hat man als Frau ja grundsätzlich einen Tittenbonus", sagt sie. ,,Dann noch eine Trauermiene aufsetzen, das macht es dann auch noch. Und wie du die Leute nach Geld fragst, das ist auch noch so ein Punkt."

Vivi ist voller Wut: Auf ihre Mutter, die sie nicht wollte, auf den Vater, der die Mutter früh verließ – und auf die Behörden, die ihr ihren Sohn weggenommen haben, weil sie sich nicht adäquat um ihn kümmern konnte.

Vor Kurzem hat sie ihren Freund Danny kennengelernt. Auch er lebt auf der Straße. Nicht zum ersten Mal: ,,Es gab Zeiten, da habe ich geraubt, räuberische Erpressung gemacht, hab Leute kaputtgeprügelt, hab damals alles gemacht, um an Geld zu kommen. Aber das war eine andere Zeit."

Dannys Leben, so wie er es erzählt, ist ein permanenter Wechsel zwischen drinnen und draußen, nicht nur, was das Leben in Wohnungen oder auf der Straße angeht. Mit seinen 26 Jahren war er schon dreimal im Gefängnis. Aber er hat auch eine Berufsausbildung als Maler und Lackierer. Und zwei Kinder, von denen eines bereits tot ist. Vor drei Jahren hat Danny zum ersten Mal gebettelt:

,,Es war erniedrigend", erinnert er sich. ,,Ich hab eigentlich diesen Malerbrief in der Hose, kann was, habe eigentlich eine Familie. Ich stehe jetzt hier so. Toll. Was mach ich da jetzt? Dann hab ich eine Oma gefragt wegen Geld und habe Tränen in den Augen gehabt, weil es mir so peinlich war. Extrem."

Die angesprochen Frau reagierte aber offenbar recht positiv und lud Danny erst zum Kuchen in eine Bäckerei ein, drückte ihm danach noch 10 Euro in die Hand. ,,So, hier, kauf dir was, und wenn du willst, auch ein Bier", sagt Danny. ,,Dann hab ich mir Essen und Tabak geholt, und da stand sie noch am Bus, und dann hab ich ihr das gezeigt. Und dann geht die in diesen Döner-Laden und hat mir ein Bier gekauft."

Inzwischen bevorzugen Danny und Vivi eine andere Form des Bettelns: Sie sammeln Pfandflaschen. Danny hat das auch früher schon gemacht, am Bahnhof Südkreuz in Berlin. ,,Da habe ich, wenn ich Glück hatte, am Tag knapp 50 Euro gehabt", sagt er. Weil man da auch in den Zügen sammeln konnte und da offenbar einiges findet. Nicht nur Pfandflaschen: ,,Manchmal findest du auch ein bisschen Tabak, manchmal hast du auch ein Handy gefunden."

Allein mit Pfandflaschen 50 Euro zu verdienen, ist viel Arbeit. Selbst wenn man nur die wertvollen findet, die 25 Cent bringen, brauchte man davon 200 Stück. Zwei Müllsäcke voll, erklärt Danny. Doch das ist inzwischen nur noch mit Fleiß, Disziplin und bei größeren Events möglich wie Konzerten, Fußballspielen oder größeren Festen.

,,Da musst du schon wirklich Glück haben und auch die richtigen Ecken kennen, wo du weißt, da rennt keiner so wirklich hin", erklärt Vivi. ,,Und dann halt auch mal in die Büsche reinkriechen, scheiß drauf, ob du dir Zecken einfängst. Hauptsache, du hast erstmal ein bisschen Geld."

Ein bisschen Geld – das heißt? ,,An einem normalen Tag vielleicht einen Tabakbeutel und ein bisschen Essen", sagt Danny. ,,Ein Tabakbeutel kostet jetzt 4,30, okay, und dann noch ein Toastbrot, das reicht zum Essen. Hat man mehr, kann man noch eine Wurst holen."

Weil inzwischen so viele Flaschensammler in Berlin unterwegs sind, kommt es immer wieder zu Konflikten um Pfandflaschen. Bei denen auch Danny mitmischt: ,,Ist es eine alte Dame, die vielleicht ihre Rente aufbessern will, dann okay, komm, lass sie", sagt er. ,,Aber kommt da so ein Besoffener oder einer, der sich was spritzen will, dann kann es schon mal dazu kommen, dass ich dem eine Schelle gebe, weil, ich tu keinem von so was Drogen finanzieren."

Er selber habe schon mal ein Messer an der Kehle gehabt, weil er offenbar an einen Abfalleimer geraten war, den ein anderer als sein Revier betrachtete, erzählt Danny.

,,Zum Glück war aber die Bundespolizei gleich da." Wenn man schon auf der Straße lebt, sollte man sich eigentlich gegenseitig unterstützen, meint Vivi. Und sich wegen Pfandflaschen abstechen oder sich gegenseitig beklauen. ,,Was ich jetzt leider in den letzten Tagen auch schon paar mal hatte. Wurde mir erstmal das Portemonnaie geklaut und dann noch der frisch gekaufte Tabak. Sechs Euro oder was kam der?" – ,,6,50", sagt Danny und schüttelt den Kopf:

,,Allgemein ist alles so krass und krank geworden, auch jetzt abgesehen vom Flaschensammeln. Ich hab mich jetzt in den letzten zwei Wochen mit Kumpel fast boxen müssen, weil die auf eine Frau raufwollten", sagt Danny.

,,Das war mein Ziehpapa, der auf mich draufwollte im Suff", erklärt Vivi. ,,Aber er hat sich dann entschuldigt und okay ... Er hat so oft auf mich aufgepasst, da war Danny noch nicht dagewesen." ,,Man kann so besoffen sein, wie man will, man geht nicht auf eine Frau", sagt Danny.

Es ist voll geworden auf dem ,,fünften Arbeitsmarkt" – und ungemütlich. Die Stimmung auf der Straße ist schlecht:

,,Ist egal, was Sie denken, ich hab eine Meinung und einen Standpunkt: Ich kann eine Sorte Leute nicht leiden – nicht alle, kommt immer drauf an, wie sie zu mir sind –, und das sind Ausländer". Sagt Helga, 70, und ist damit beileibe nicht die Einzige. Sondern Sätze wie diesen hört man häufig von denen, die ganz unten sind. Denn der harte Verteilungskampf auf Berlins Straßen wird von vielen Betroffenen als ethnischer Konflikt wahrgenommen.

,,Rassismus ist ein großes Thema", bestätigt die Sozialarbeiterin Anna-Sofie Gerth. ,,Sowohl dass sich Menschen zusammentun aus ihrem Land und dann gegen andere wettern, als auch dass deutsche Obdachlose oder deutsche Bettler sagen, die nehmen uns jetzt unser Geld weg, das uns zustehen würde." Dass das nicht richtig so sei, sei schwer zu formulieren. ,,Da gibt es sehr viel Unruhe und Neid und auch Verständnislosigkeit."

Das beobachtet Anna-Sofie Gerth auch in der Tagesstätte für wohnungslose Menschen, die sie leitet: ,,Es gibt richtig Lager. Man sieht es auch bei uns im Gastraum, an einem Tisch sitzen nur die Rumänen und am anderen nur die Polen, und beide werfen sich feindselige Blicke zu."

Hintergrund des Konflikts ist die Konkurrenzsituation. Da gilt es gegenzusteuern. ,,Das ist auch eines unserer Themen, dass wir sagen, ihr sitzt alle im gleichen Boot, und dass wir versuchen, eine Gemeinsamkeit zu schaffen, und wir sichern euch zu, heute darf jeder duschen und nicht erst die Rumänen und dann die Russen, sondern wer zuerst kommt, darf zuerst duschen", sagt sie.

Viele, die hier stranden, sind aus Ost- und Südosteuropa. Sie sind nach Berlin gekommen, weil sie glaubten, hier ihr Glück machen zu können. ,,Berlin ist einfach toll", sagt Anna-Sofie Gerth. ,,Das ist auch der Grund, warum andere Bürger nach Berlin kommen. Das ist eine große Stadt, wo man die Hoffnung hat, im Niedriglohnsektor, irgendein Hotel saubermachen oder in der Gastronomie, auch mit wenig Sprachkenntnissen etwas zu finden."

Viel zu oft klappt es nicht, weil Berlin vielleicht noch einen schlecht bezahlten Job zu bieten hat, aber keinen Wohnraum. Und dann geht es vielen schnell wie Igor, Anfang 50 und seit sechs Monaten in Berlin. Vor der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten trinkt er mit anderen Polen Bier.

,,Guck mal. Meine Handy – weg. Meine Ausweis – weg", sagt Igor in gebrochenem deutsch. Er hat einen Rucksack dabei und eine große Plastiktüte, in der ein paar leere Pfandflaschen liegen. Davon lebt er derzeit. ,,Das ist crazy", meint er und kündigt an, sich morgen endlich um neue Ausweispapiere zu kümmern.

Bevor er nach Berlin kam, hat Igor für eine Zeitarbeitsfirma im bayerischen Kulmbach gearbeitet. Er kramt in seinem Rucksack herum: ein bisschen Kleidung, ein Kulturbeutel, ein paar lose Einwegrasierer und zwei DIN-A4-Mappen. ,,Guck mal", sagt er und breitet den Inhalt der Mappen auf dem Tisch aus: Eine Meldebestätigung aus Kulmbach, ein Schreiben der Krankenversicherung, das ihn für arbeitsunfähig erklärt, und Bankunterlagen.

Keine Wohnung und keine Arbeit zu haben sei eine Katastrophe, sagt Igor. Er scheint es immer noch nicht fassen zu können, dass alles so gekommen ist.

,,Mein deutscher Kollege in Bayern hat gefragt: Wo gehst du hin?" Nach Berlin, habe er gesagt. ,,Hauptstadt. Das ist Deutschland." Berlin sei nicht Deutschland, fand der Kollege. Berlin sei Multikulti. Auch Igor findet, dass es zu viele arabische, türkische, russische, polnische Menschen, gibt, die in Berlin auf der Straße leben. In Bayern hingegen schlafe keiner auf der Straße. ,,Das ist Deutschland."

Mitleid als Geschäftsmodell? Der Sozialarbeiter Willy Nadolny hält nichts davon, das Phänomen Betteln unter diesem Aspekt zu betrachten: ,,Ich finde es ausdrücklich richtig, Leuten Geld zu geben auf der Straße, weil Mitleid ja so eine Konnotation hat, dass jemand auf Mitleid macht, mit Absicht seine Situation dramatisiert, damit ich ihm Geld gebe."

Dennoch kann Betteln nicht ohne die Geberseite betrachtet werden, denn der Bettelnde muss den potenziellen Geber anrühren, überzeugen oder sonst wie dazu bringen, ihm etwas zu geben. Und dabei haben nicht alle die gleichen Chancen, denn auch die Geberökonomie folgt ihren Gesetzen.

Und nach diesen Gesetzen, vermutet Anna-Sofie Gerth, verdienen deutsche Menschen am besten, ,,denen man abnimmt, dass sie einen schweren Schicksalsschlag hatten und die was verkaufen oder Hunde vorm Supermarkt festhalten". Also die, die eine Leistung erbringen, die ansprechbar sind und zu denen man irgendeine Art von Kontakt aufbauen kann.

Also meist der Typ Bettler, der am wenigsten unangenehm für den Gebenden ist, weil allzu viel Elend verstört:

,,Es gibt Leute, die kommen in die Bahn rein und man will sofort fliehen, weil das einfach so stinkt, weil die Menschen halt Beine teilweise haben, die am Verwesen sind, und weil das nicht auszuhalten ist, selbst für Fachleute", sagt Wilhelm Nadolny von der Bahnhofsmission. ,,Ich bin einiges gewohnt von Arbeit, aber das sind dann auch Sachen, wo einem dann die Tränen kommen, allein schon durch den Geruch. Und wenn man dann drüber nachdenkt, dann kommen einem noch mal die Tränen."

Die, die stinken und völlig verwahrlost und kaputt sind, bekämen am wenigsten, sagt Anna-Sofie Gerth. Auch, weil man sich schon als Bürger da gar nicht mehr hintraue: ,,Weil man denkt, oh, der wirkt so psychisch instabil oder nachher fange ich mir noch eine Krankheit ein, wenn ich dem einen Euro in die Hand drücke."

Sodass auch auf dem ,,fünften Arbeitsmarkt" die Schwächsten durchs Raster fallen, die über keinerlei Ressourcen mehr verfügen, sich selbst zu helfen.

,,Ich gebe kaum in Berlin, weil das meine Stadt ist und ich ja mit den Menschen zusammenarbeite und es irgendwie komisch für mich wäre, wenn ich jemandem erst in der S-Bahn was gebe und eine halbe Stunde später ist der hier, steht er auf der Arbeit in der Tür", sagt Anna-Sofie Gerth. ,,Deswegen gebe ich oft in anderen Städten, und ich gebe tatsächlich den Menschen, die kaltschweißig, zitternd, stinkend irgendwo rumliegen und nichts mehr mitkriegen, weil ich weiß, die brauchen das, um irgendwie noch die Nacht zu überleben, um irgendwie an was ranzukommen, was noch eine kurzfristige Lösung ist."


Aus: "Betteln und Flaschensammeln - Überleben auf dem ,,fünften Arbeitsmarkt"" Ulrike Köppchen (06.08.2019)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/betteln-und-flaschensammeln-ueberleben-auf-dem-fuenften.976.de.html?dram:article_id=455623

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#7
"Neue Ausstellung über das Wohnen: Zwischen Mietkampf und Museum" Uwe Rada (7. 8. 2019)
Das Friedrichshain-Kreuzberg Museum zeigt mit der neuen Ausstellung ,,Dach über Kopf" eine Geschichte der Häuserkämpfe von 1863 bis heute. ... Das Elend war unübersehbar. Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit hatten viele an den Rand der Existenz gebracht. Die Vermieter nutzten die Zwangslage schamlos aus. Doch dann passierte, womit niemand gerechnet hatten. Unterstützt von der KPD traten Berliner Mieterinnen und Mieter im August 1932 in einen Streik. ,,Erst das Essen, dann die Miete", lautete die Parole. ...
https://taz.de/Neue-Ausstellung-ueber-das-Wohnen/!5614057/

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"Überleben, weitermachen: Die Not in der Trümmerstadt Berlin machte alle gleich" Wolfgang Benz (09.05.2020)
Berlin im Mai 1945 - eine Trümmerwüste. Die Anpassung an die neuen Verhältnisse war das Gebot der Stunde. Die Nazis waren weg, als hätte es sie nie gegeben. ... Anpassung an die neuen Verhältnisse war das Gebot der Stunde. Not nivellierte die Unterschiede zwischen Nationalsozialisten, Regimegegnern und Gleichgültigen. Die vernichtete Infrastruktur machte Berlin im Mai 1945 zur Wüste, in der alle Hunger litten, viele kein Obdach hatten. Menschen strömten zu Fuß oder auf dem Fahrrad auf der Suche nach etwas Essbarem und auf der Suche nach Angehörigen und Freunden, auf der Suche nach dem alten oder einem neuen Arbeitsplatz durch die Trümmerlandschaft. Zurückgeworfen auf vorzivilisatorischen Zustand: ohne Strom, ohne Heizung, ohne Licht. Wasser musste kilometerweit geschleppt werden. Gefühle des Befreitseins und das Bedürfnis nach Klärung des eigenen Anteils an der Katastrophe waren noch nicht erwacht. ...
https://www.tagesspiegel.de/berlin/ueberleben-weitermachen-die-not-in-der-truemmerstadt-berlin-machte-alle-gleich/25814764.html

Quotenarrow 09.05.2020, 20:59 Uhr
Wenn Benz heute - bisher wohl immer noch unbemerkt - schreibt

Die Nazis waren weg, als hätte es sie nie gegeben

und als Zusammenfassung

Der Wille zum Neuanfang aus dem Nichts einte Nazis, Mitläufer und Gegner des Regimes. Es gab weder die ,,Stunde Null", die als griffige Metapher irgendwann erfunden wurde im Dienst der Illusion des radikalen Neuanfangs, noch ein Innehalten zur Selbstvergewisserung, in dem die Befreiung vom Nationalsozialismus reflektiert wurde

dann hat er uns ja eine neue Aufgabe gestellt; eine von mehreren denkbaren Lösungen gab es ja gestern noch im rbb im ersten deutschen Nachkriegsfilm

Die Mörder sind unter uns
https://www.rbb-online.de/fernsehen/programm/index.htm/from=08-05-2020_06-00/to=09-05-2020_06-00.html

Aber die Nazis saßen ja auch später noch in Nürnberg vor Gericht und erklärten sich für "nicht schuldig" - und bei manchen Kommentaren zum Tage der Befreiung vom Nationalsozialismus hier muss ich eher an "Vaterland" von Robert Harris denken:
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article162747811/So-loeste-ich-als-Brite-einen-Hitler-Skandal-aus.html

Keitels Unterschrift am 8. Mai in Karlshorst wird heute in Brockschmidts "Rote Sterne" auf S 7 von der Frage eines russischen Offiziers begleitet, warum dieser noch den Befehl gegeben habe, Tausende von Städten und Dörfern dem Erdboden gleichzumachen und Millionen von Zivilisten ermorden zu lassen?


...

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Sammlung Online https://sammlung-online.stadtmuseum.de/
https://sammlung-online.stadtmuseum.de/?m=suche
https://sammlung-online.stadtmuseum.de/?k=WEB_0504&page=1

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Quote[...] Jurassica Parka - Die Dragqueen Jurassica Parka ist in Berlin geboren und arbeitet als freie Künstlerin. Neben ihrer Nachtshow "Paillette geht immer" im BKA veranstaltet sie ihre monatliche Party "Popkicker" im SchwuZ, ist freie Autorin und YouTuberin.

... Vor dem Corona-Shutdown arbeiteten im Durchschnitt 30 junge Frauen in der Kurfürsten, das ist seit Mitte März zum Erliegen gekommen. Wie die nun ihr Geld verdienen? Keine Ahnung. Ich hoffe, sie konnten einfach wieder zurück zu ihren Familien in die Heimat. Es ist hier merkwürdig leer. Früher war das so: Blasen 15, ficken 20. Jetzt wird man nicht mehr angequatscht.

Ich kenne viele Sexarbeiterinnen vom Sehen, da gibt es die ,,Hochwertigen" ganz am Anfang der Kurfürsten vor dem Woolworth. Die haben lange blonde Extensions und kauen Kaugummi. In einem US-Teenagerfilm wären sie wohl die Cheerleaderinnen des Jahrgangs. Weiter hinten stehen die jungen Frauen aus Osteuropa, fremdbestimmt durch Zuhälter, die werden im Quartalstakt ausgetauscht. Und dann gibt es die alteingesessenen Huren. Ältere Frauen, die am späten Abend auf den Bänken sitzen, ihre Stimmen rau und tief vom Rauchen. Sie tragen Strapse und Lackpumps, kennen sich untereinander wohl lange. Die verschwinden aber immer mehr. Warum, weiß ich nicht.

... Ich sehe die Frau am Backshop, die jeden Morgen ihren Kaffee trinkt, Leute guckt und raucht. Oder meinen Hausmeister vorm Rewe. Gegenüber preist der Mann vom orientalischen Supermarkt lautstark sein Gemüse an. Die obdachlose Verrückte mit dem Einkaufswagen brüllt mal wieder Passant*innen an und trinkt Jägermeister. Ein dicker Mann diskutiert lautstark mit dem Ordnungsamt. Er versteht nicht, wieso er mit seinem SUV nicht im absoluten Halteverbot stehen darf. Die immer druffe Transgender-Sexarbeiterin läuft tränenverschmiert und wild kichernd über die rote Ampel, ihr fehlt ein Schuh.

Das Leben ist nun mal hart, dreckig und ehrlich, machen wir uns nichts vor. Ich mag es deftig. Und in der Kurfürstenstraße hat man all das auf einen Blick. An alle, die noch nie in Berlin waren, ich lade euch herzlich ein, mal mit mir in den Sexshop LSD an der Kurfürsten zu gehen. Natürlich nach Corona. Aber möglichst bald. Der Shop wird bald abgerissen und weicht einem Hotel- und Bürokomplex. Da wird der Großstadttopf wieder mal ein bisschen weniger bunt.

Was wird man wohl in 30 Jahren über die Ecke hier schreiben? Ich wünschte mir weniger Kriminalität, der Rest verwächst sich. Amüsant ist es, wenn eine verwirrte Tourist*innenfamilie vor dem U-Bahnhof Kurfürstenstraße herumirrt. Inmitten von Nutten und Nadeln suchen die dann verzweifelt das Hard Rock Café. Das befindet sich aber drei Kilometer weiter gen Westen am Kurfürstendamm.

Kurfürstenstraße, Kurfürstendamm ... das kann man schon mal verwechseln. Unterschiedlicher könnten die Welten nicht sein. Und vielleicht sehen die pubertierenden Kinder zum ersten Mal das richtige Leben außerhalb der Reihenhaussiedlung in Hinterfotzingen. Berlin ist eben nicht nur Brandenburger Tor, Fernsehturm und Checkpoint Charlie. Und letztendlich sind es doch alles nur Menschen.


Aus: "Kurfürstenstraße: Wie es ist, am einzigen Straßenstrich Berlins zu wohnen" Jurassica Parka (07. Mai 2020)
Quelle: https://ze.tt/kurfuerstenstrasse-wie-es-ist-am-einzigen-strassenstrich-berlins-zu-wohnen/


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Berlin » Stadtgeschichte - Die lange Nacht der Anarchie: 30 Jahre 1. Mai 1987
Martin Schwarzbeck, 30.04.2020
Die Kreuzberger Krawalle am 1. Mai 1987 waren eine Kreuzung aus Party und Bürgerkrieg, der weiträumigste Gewaltausbruch Nachkriegsberlins. Seit 30 Jahren versuchen Linksradikale, jene Nacht zu wiederholen – in der Klaus Kandt, von 2012 bis Februar 2018 Berliner Polizeipräsident, seinen Knüppel zerbrach. Wir haben sie rekonstruiert
https://www.zitty.de/die-lange-nacht-der-anarchie-30-jahre-1-mai-1987/

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Quote[...] Das größte Gebäude Berlins steht: 140 Meter hoch ragt es an der Grenze zwischen den Stadtteilen Kreuzberg und Friedrichshain in den Himmel über Berlin. Versand-Multi Amazon hat den Turm komplett gemietet – nachdem Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sogar noch versucht hatte, rechtlich dagegen vorzugehen.

Vergeblich, die Bauarbeiter haben nun den Rohbau vollendet. Gekauft hatte das Gebäude der Versicherungskonzern Allianz, gemeinsam mit einem Finanzpartner. Sehr umstritten war das Vorhaben im Kiez, weil der gewaltige Baukörper kaum Platz für öffentliche Nutzungen hat – und weil der Nutzer des Turms die Verdrängung im Viertel beschleunigen könnte. Doch zuletzt war es ruhig geworden.

Der Blick über Berlin aus den oberen Geschossen des Turms ist atemberaubend: Die Mercedes-Benz-Arena liegt wie eine Flunder zu Füßen des Turms im neu gebauten Quartier an der East-Side-Gallery. Auf die benachbarten Hochhäuser blickt man hinab wie auf Legohäuser.

Der Fernsehturm am Alex ist auf Augenhöhe. Das ,,Edge" der Architekten Bjarke Ingels Group sprengt den Berliner Maßstab. Und die Krone der Stadt wird der Bau erst abgeben müssen, wenn im fernen Neukölln der neue Turm neben dem Estrel-Hotel fertig wird.

100.000 Tonnen Beton werden verbaut und türmen sich keine fünf Meter von der Warschauer Brücke auf. Damit die Brücke nicht absackt, hoben die Ingenieure das Bauwerk 20 Millimeter an. Während der Bauphase sackte die Brücke dann langsam wieder auf ihr ursprüngliches Niveau ab. 200 bis 300 Bauarbeiter waren teils rund um die Uhr im Einsatz seit der Vorbereitung der Baugrube und dem Start des Vorhabens Mitte 2019. Projektleiter Andreas Jorsch zufolge verläuft alles nach Plan: Sowohl die Kosten als auch die Bauzeit würden eingehalten.

,,Hoch über der Stadt erwartet uns bald auf einer öffentlichen Dachterrasse ein einzigartiger Ausblick auf Berlin", sagte Bausenator Andreas Geisel (SPD) beim Richtfest am Mittwoch.

Ein Restaurant, eine Bar oder ähnliche ,,Gastronomie" ist dort vorgesehen, sagte der Projektleiter. Und unten im Gebäude soll eine halbe der 37 Etagen des Turms für jedermann zugänglich werden. Ein Fahrradshop und ein Café könnten dort entstehen.

Berlin und der Kiez profitieren bei diesem Vorhaben nicht ansatzweise durch öffentliche Angebote und Freiräume des Bauherrn, wie Berlins ,,Hochhausplan" es für vergleichbare Vorhaben voraussetzt. Die Baugenehmigung für das ,,Edge" war bereits erteilt, bevor die Stadt wenigstens einen kleinen Teil des enormen Wertzuwachses abschöpfen konnte, den eine solche Genehmigung dem Eigentümer beschert. Neue Projekte fügen sich durch weitaus größere Angebote an die Anwohner viel geschmeidiger in ihr Umfeld ein.

100.000 Tonnen Beton belasten auch die CO₂-Bilanz Berlins. Auf den oberen Etagen setzten die Edge-Bauherren immerhin eine innovative Bautechnik ein, die den Anteil des Zements auf das geringste – mit den Anforderungen an die Tragfähigkeit noch zu vereinbarende – Maß verringert. Der Bauherr verzichtet außerdem auf Deckenverkleidungen in den Büroräumen, was Material spart. Auch die gewaltigen Träger in den Obergeschossen sind aus nacktem Sichtbeton. Außerdem sollen Sensoren Kühlung, Heizung und Licht herunterfahren dort, wo Büros gerade nicht genutzt werden.

Vor dem Skelett aus Stahlbeton hängen die Arbeiter zurzeit einige der insgesamt 3600 Fassadenteile an gewaltige Stahlhaken. Die Fassade hat zwei Schichten, eine dünne aus Glas außen, die den Wind abfängt. Die zweite Schicht, die Fenster im Inneren, können dadurch auch in 120 Meter hoch gelegenen Büros geöffnet werden, ohne dass die Akten vom Winde verweht werden. Weil der Zug in diesen Höhen heftig ist und der Turm nicht brechen soll, wiegt sich dieser in den obersten Geschossen um wenige Zentimeter im Wind.

Die Büros der Amazon-Beschäftigten sind mit einer Raumhöhe von 2,70 Metern großzügig bemessen. Ab dem zwölften Geschoss können sie außerdem auf die Terrasse heraustreten. 2,50 Meter breite und bis zu acht Meter lange Austritte gibt es auf jedem Stockwerk ab der zwölften Etage. Sie liegen oberhalb der dunkleren, abgetreppten Bänder, die von außen die Fassade strukturieren.


Aus: "Richtfest für ,,Amazon-Tower": Höchstes Haus Berlins steht – 140 Meter misst der umstrittene Neubau ,,Edge"" Ralf Schönball (12.10.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/hochster-turm-berlins-steht-140-meter-hoch-ist-der-umstrittene-neubau-edge-8742337.html


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#11
Quote[...] ,,Es ist vermutlich aussichtslos, aber ich versuche es trotzdem: Suche bezahlbare Wohnung mit unbefristetem Mietvertrag innerhalb des Rings." So lauten mittlerweile die meisten Wohnungsgesuche in Berlin – auch meins. Der Umzug innerhalb der Stadt ist zu einer Art Endgegner geworden für alle Gering- und Normalverdiener.

Während das Berlin-Klischee vor zehn, 15 Jahren noch lautete, dass hier jeder eine 120-Quadratmeter-Wohnung für 250 Euro mieten kann, kursieren jetzt Fotos von 150 Meter langen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen für den zehnfachen Quadratmeterpreis. Der rbb-Podcast ,,Teurer wohnen" erzählt genauso vom großen Berlin-Thema Wohnungsnot wie unzählige Twitter-Threads. Instagram-Accounts wie ,,Berlin Club Memes" posten satirische Fotos von Wohnungsannoncen, die durchaus der Realität entsprechen könnten: ,,Durchgangszimmer (6 qm), no windows, Kreuzberg, 1200 Euros per month. Anmeldung not possible!"

Doch wer dachte, die Situation könnte kaum schlimmer werden, hat sich getäuscht. Allein seit November 2022 ist die Miete in Berlin laut dem Immobilienportal Immowelt um 27 Prozent gestiegen. Kürzlich wurde auf ,,Berlin Club Memes" ein Meme gepostet, das die Situation auf den Punkt bringt: Auf einer Party vermissen Leute einen Typen, der sonst immer in der Ecke steht. ,,Ich hoffe er ist ok", sagt eine, ein anderer antwortet: ,,Ich glaube er hat Berlin verlassen, weil er sich seine Wohnung nicht mehr leisten konnte." Darunter hat jemand kommentiert: ,,Kann der Letzte, der Berlin verlässt, bitte das Licht ausmachen?"

Auch ich wäre fast einer dieser Menschen gewesen: Die Wohnungssuche hätte mich beinahe aus der Stadt herausgetrieben – und hinein in den Burnout.
Das Drama beginnt im Spätsommer letzten Jahres. Mein Freund und ich beschließen, dass wir in eine gemeinsame Wohnung ziehen wollen. Für mein Zimmer in einer Zweier-WG in Mitte gebe ich jeden Monat fast die Hälfte meines Gehalts aus – ursprünglich eine Notlösung, nachdem bereits meine letzte Wohnungssuche wenig erfolgreich verlaufen war. Mit einer gemeinsamen Wohnung erhoffen wir uns weniger Miete und mehr Privatsphäre.
Obwohl wir wissen, dass der Markt angespannt ist, steigen wir mit unseren Suchkriterien optimistisch ein: zwei Zimmer, Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg, maximal 1300 Euro warm. Immerhin sind wir sympathisch, haben halb-anständige Jobs und einen Immoscout-Pro-Account für 30 Euro im Monat. Da wird uns schon jemand eine Wohnung geben!

Doch der Wohnungsmarkt straft unsere Hoffnung schnell ab. In den ersten Wochen kommen täglich zwei neue Angebote rein, die unseren Suchkriterien entsprechen. Wir gehen bei unseren Ansprüchen immer mehr Kompromisse ein. Vielversprechende Rückmeldungen bekommen wir trotzdem so gut wie nie. Es ist wie Tinder, nur schlimmer. 
Die wenigen Wohnungsbesichtigungen, die wir haben, sind noch desillusionierender als die Onlinesuche. Die Mitarbeiterin einer Hausverwaltung verrät uns am Ende einer Besichtigung (zwei Zimmer an einer sechsspurigen Kreuzung, 1280 warm, ein ,,auf unbestimmte Zeit" angebrachtes Baugerüst mit Werbebanner vor den Fenstern), welche Berufsgruppen bei ihr keinen Mietvertrag bekommen: ,,Lehrer und eigentlich alle anderen gut ausgebildeten Leute mit viel Zeit. Die beschweren sich dann nur wegen irgendwas. Und Juristen, die nehme ich grundsätzlich nicht."

Verständlich – Juristen kämen ja vielleicht auf die Idee, gegen das rechtswidrig angebrachte Werbebanner vorzugehen. Oder gegen andere mögliche Unverschämtheiten, die zwar theoretisch illegal sind, praktisch aber trotzdem passieren. Weil das Land es nicht schafft, dagegen vorzugehen und die Verantwortung auf die Mieter abwälzt; also die mit viel Zeit.

Es ist mittlerweile Januar, und wir haben noch immer nichts gefunden. Die Wohnungssuche wird langsam zum zweiten Vollzeitjob. Minütlich aktualisiere ich Immoscout, lasse mein Handy nie aus dem Blick, nicht auf der Toilette, nicht im Gespräch, nicht beim Essen – es könnte ja eine neue Anzeige reinkommen. Freunde treffe ich nicht mehr. Keine Zeit zwischen Arbeit und Wohnungssuche.

Anfang Februar. Ich bin verzweifelt: Was machen wir falsch? Was, wenn das immer so weiter geht? Wir sind Anfang 30, wollen vielleicht in ein paar Jahren Kinder. Dann reichen zwei Zimmer nicht mehr, dann geht all das von vorne los. Und wer weiß, vielleicht ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt dann noch schlimmer. Dass das möglich ist, beweisen Städte wie Paris oder London. Wer nicht reich ist, muss hier in die Vororte ziehen. Ich google ,,Jobs in Brandenburg".

Es ist Anfang März und ich ziehe aus meiner WG aus, ohne etwas Neues gefunden zu haben. Meine Möbel und den Großteil meiner Kleider bringe ich in einen Storage Room (Marzahn, 2,5 qm, keine Fenster, 70 Euro/ Monat), einen Koffer zu einer Freundin, die die nächste Woche im Urlaub ist und mir ihre Wohnung überlässt (mein Freund ist nun beruflich eine Weile im Ausland). Ich google ,,ab wann gilt man als obdachlos" und ,,Wohnungen in Portugal". Mittlerweile denke ich ernsthaft darüber nach, Berlin zu verlassen. Am Strand schläft es sich schöner draußen als an der Spree.
Eine Freundin erzählt mir, dass in ihrem Haus in Prenzlauer Berg mehrere Wohnungen leer stehen – allerdings nicht zu vermieten sind. Offenbar will der Besitzer das ganze (bereits sanierte) Haus leer bekommen, erneut sanieren und teuer an einen Investor verkaufen. Ich fühle mich immer machtloser gegenüber diesem kaputten System.

Wie bitte kann es sein, dass in dieser Stadt, die so gerne links-grün-sozial sein will, Wohnungen in Bestlage leer stehen, während Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren? Wie kann es sein, dass – trotz des Zweckentfremdungsverbots – fast nur noch möblierte Wohnungen im Angebot sind, für die weder Vergleichsmiete noch andere Mieterrechte gelten? Ich erwäge, eine der Wohnungen in Prenzlauer Berg zu besetzen, aber der Kapitalismus hat mich bereits so ausgelaugt, dass ich die Kraft für Protest nicht aufbringe.

Als ich kurz davor bin, eins der besagten möblierten Apartments anzumieten (schlau: Der Markt bietet Lösungen für die Probleme, die er selbst geschaffen hat – also für alle, die es sich leisten können) oder in Berlin alles hinzuschmeißen, passiert doch noch ein Wunder. Ich werde zu einer Besichtigung eingeladen und sage vorher zu meinem Freund: ,,Das ist die letzte Wohnung, die ich mir anschaue. Ich kann nicht mehr" – und bekomme nur zwei Tage später die Zusage dafür (Neukölln, 60 qm, 760 warm, mit Fenstern und sogar Balkon). Was ich richtig gemacht habe? Keine Ahnung. Vielleicht war es Glück. Vielleicht Schicksal.

Vielleicht habe ich auch in mein Anschreiben alles reingesteckt, was ich in den letzten Monaten gelernt habe. In jedem Fall hätte ich mich am Anfang unserer Suche nicht auf diese Wohnung beworben; falscher Boden, keine Küche, komplett falscher Bezirk. Aber wenn man in Berlin leben will, muss man eben nehmen, was man kriegt – das gilt für die Wohnungssuche genauso wie für Tinder.


Aus: "Wohnungsnot in Berlin: Wie der Mietmarkt uns in die Verzweiflung treibt" Jana Weiss (12.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/wohnungsnot-in-berlin-wie-der-mietmarkt-uns-in-die-verzweiflung-treibt-9637847.html

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Quote[...] Berlin, das war mal ein Traum. Die Mieten waren billig, das Bier ebenfalls, und es standen derart viele Ladenlokale und einst auch Wohnungen leer, dass Menschen einfach aus Jux alle zwei, drei Jahre eine neue Wohnung bezogen, eine neue Bar eröffneten, irgendein Projekt starteten, das überhaupt nicht das Ziel hatte, erfolgreich zu sein. Solange es nur Spaß brachte.

Es war die Zeit, in der Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister den Slogan ,,Berlin ist arm, aber sexy" ausgab. Der stand für die freudige Selbstgewissheit, dass hier linke Träume von Solidarität und Freiheit eingelöst werden können. 2003 war das.

20 Jahre später muss man feststellen: Diese Zeiten sind vorbei. Spätestens mit der Abgeordnetenhauswahl, die der CDU die meisten Stimmen bescherte, und dem am mangelnden Interesse und geringem Zuspruch gescheiterten Klimavolksentscheid ist nun auch amtlich, dass Berlin aus seinen linken Träumen erwacht ist. 2023 lässt sich stattdessen konstatieren: Die Stadt ist dysfunktional und schmutzig. Und außerdem überteuert.

Die Mieten haben das westdeutsche Niveau nicht bloß eingeholt, sondern übertreffen es in vielen Gegenden der Stadt längst. Das hat natürlich Konsequenzen: Die Freiräume für Kreative und Lebenskünstlerinnen sind in den vergangenen zehn Jahren quasi verschwunden. Wer keinen Mietvertrag aus den frühen 2000ern oder wohlhabende Eltern hat, kann es sich nicht länger leisten, hier einen nicht einträglichen Lebenstraum erfüllen zu wollen. Und wer kein Geld hat, muss sich gut überlegen, ob Berlin die richtige Stadt ist.

Die Entwicklung lässt sich auch an den in dieser Zeit entstandenen Neubauten ablesen: Es sind eng gestellte Eigentumsanlagen mit Tiefgarage, winzigen Balkonen und bodentiefen Fenstern, die exakt dem Otto-Normal-Traum vom eigenen Zuhause entsprechen. Abgeschottet, ruhig, mit Holzparkett und Blick in den teilbegrünten Innenhof.

Platz für alternative Lebensentwürfe ist hier kaum. Stattdessen Platz für Vielverdiener aus den Regierungsbehörden, den boomenden Start-ups und Thinktanks, die in Scharen nach Berlin gekommen sind.

Noch dramatischer ist allerdings, dass seit einiger Zeit auch noch die Koalition der Gefühlslinken zerbröselt. Vor zehn Jahren war in Berlin noch so viel Platz, dass sich Altlinke, die fröhlich-nachhaltigen Bionade-Biedermeier-Familien und der von überall einfliegende Easyjetset gemeinsam als taktgebende Kraft der Stadt verstehen konnten. Ein bisschen links, ein bisschen öko, ein kleines bisschen alternativ.

Heute verlaufen die zentralen Konfliktlinien genau durch diese Kreise: Die Verkehrswende scheidet die SUV-Familien, die für ihren Wocheneinkauf dreistellige Beträge im Bioladen hinlegen, von den Lebenskünstlern und den von Leben Gebeutelten, die schauen müssen, wie sie in diesem neuen Berlin überhaupt noch über die Runden kommen.

Die irren Mieten reißen Gräben zwischen Erben in Eigentumswohnungen, Menschen mit uralten Billigmietverträgen und all denjenigen, die sich auf die Suche nach einem Zuhause machen müssen. Dass die kreative Klasse in großen Teilen sehr wohlhabend geworden ist, während die Armen sich einen Cafébesuch nicht mehr leisten können, treibt einen weiteren Keil zwischen die einst verbrüderten Milieus.

Dazu kommt, dass Berlin durch die Pandemie auch noch einen guten Teil seiner kreativen Internationalität eingebüßt hat. Viele der spanischen, US-amerikanischen und aus allen Teilen der Welt kommenden Expats haben die Stadt verlassen, mit ihnen gingen auch Weltläufigkeit und Weltgeist. Der neue Takt der Stadt kommt aus Spandau, nicht aus Brooklyn.
Und schließlich hat die Koalition der gefühlten Linken zu oft versucht, die politischen Probleme der vergangenen Jahre einfach auszusitzen. Die Hoffnung, der rot-rot-grüne Senat und die eigene Hegemonie würden's schon irgendwie richten, ist spätestens mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Klimavolksentscheid gescheitert.

Während die wohlhabenden Gefühlslinken Flat White tranken und die Abgehängten schufteten, haben die Konservativen agitiert und neue Brücken gebaut. Man kann es an den Wahlergebnissen sehen: Außerhalb des S-Bahn-Rings dominieren konservative Bürgerliche, innerhalb des Rings die Bio-Bourgeoisie.
Wenn die Linken und Linksliberalen, die Ökos und die restlichen Alternativen diese Stadt nicht komplett verlieren wollen, müssen sie sich dringend wieder zusammenraufen. Und sie müssen eine Idee davon entwickeln, was ein freies, vielfältiges und für alle offenes Berlin künftig ausmachen könnte. Und dann auch dafür kämpfen.


Aus: "Die linken Jahre sind vorbei: In Berlin ist nur noch Platz für Vielverdiener" Ein Essay von Daniel Erk (08.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/die-linken-jahre-sind-vorbei-in-berlin-ist-nur-noch-platz-fur-vielverdiener-9626285.html

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Quote[...]  Die Gegenposition - Sind Berlins linke Jahre vorbei? In seiner Gegenposition zu diesem Text meint Tagesspiegel-Reporter Sebastian Leber: Auch wenn die Regierung wechselt – das Ende der linksliberalen Hauptstadt ist strukturell unerreichbar. Dafür zieht es zu viele Weltverbesserer, Altruisten und Träumer her.


Selbstverständlich herrscht in Berlin übler Verdrängungsdruck, befeuert vor allem durch die Wohnungsnot. Wer daraus jedoch auf wechselnde politische Überzeugungen schließt, begeht einen ähnlichen Denkfehler wie in den 1970er Jahren die K-Gruppen, die glaubten, radikale Veränderungen könnten nur über die Mobilisierung der Arbeiterklasse gelingen.

Und sich dann wunderten, als sich die Fabrikarbeiter gar nicht für ihren maoistischen Kaderquatsch interessierten. Es klingt zynisch, ist aber wahr: Die Verdränger sind nicht automatisch weniger links als die Verdrängten.

Um es mit den Worten des großen deutschen Dichters Michael Bernd Schmidt zu formulieren: Eine Stadt wird immer gemacht durch die Menschen, die in ihr leben. Und die Menschen, die jedes Jahr aus allen Teilen Deutschlands nach Berlin aufbrechen, bilden einen kontinuierlichen, nicht abreißenden Nachschub an Weltverbesserern, Altruisten, Noch-nicht-Ausgebrannten, Träumern und NGO-Praktikanten. Hater nennen sie linksgrünversiffte Gutmenschen.

Dabei spielt es keine Rolle, welche Bedingungen sie hier vorfinden werden – sondern nur, dass Berlin für sie zu Hause in Wattenscheid oder Würzburg oder Offenbach ein Sehnsuchtsort war. Daran wird sich auch in 30 Jahren nichts ändern.
Die Anzahl der Erzkonservativen und Marktradikalen, die nach Berlin übersiedeln, weil sie glauben, sich hier verwirklichen zu können, ist dagegen überschaubar. Wer zieht denn bitte freiwillig ins Feindesland?

Der jahrzehntelange Zustrom derer, die sich im Zweifel eher links verorten, prägt die DNA der Stadt. Diese Menschen sitzen in Behörden, Stiftungen, Unternehmen, Vereinen, Bildungseinrichtungen und Digitalkonferenzen. Man findet sie in Proberäumen und Hackerspaces, auf Festivals und Yogamatten. Sie sind zu Machern und Entscheidungsträgern gereift oder wenigstens gealtert. Sie haben nachhaltige Unternehmen wie Einhorn gegründet, betreiben linke Clubs wie das About blank. Sie dominieren Kunstszene und Verwaltung. Sogar im Springer-Hochhaus hocken sie zuhauf.

Es ist eine verbreitete Fehleinschätzung, anzunehmen, Professionalisierung und unternehmerische Tätigkeit seien irgendwie rechts, Herumhängen und Verpeilt-in-den-Tag-Leben seien irgendwie links.
Weiterhin ist Berlin zum sicheren Hafen für Menschenrechtler, Whistleblower, verfolgte Journalisten, Freiheitskämpfer und Aktivisten aus aller Welt geworden. Der Druck durch autoritäre Regime und Rechtsrucke anderer Staaten treiben sie hierher. Institutionen wie die aus Budapest geflüchtete ,,Open Society Foundations" schaffen Arbeitsplätze und bereichern die Stadt. Das Cluster, das so entstanden ist, hat eine Strahlkraft, die Idealisten weltweit von Berlin träumen lässt. Das ist wirkmächtiger als jede Stadtmarketingkampagne.

Vor 20 Jahren war alles linker? Vor 20 Jahren gab es noch keine Rudi-Dutschke-Straße. Die Regenbogenflagge auf dem Rathaus war noch Politikum, keine Selbstverständlichkeit. Dafür wurden im Ring-Center an der Frankfurter Allee Thor-Steinar-Klamotten verkauft. Die Frauenquote im Abgeordnetenhaus lag nicht bei 40 Prozent, die Demonstrationen zum 8. März waren längst nicht so kraftvoll. Es gab keine grünen Bezirksbürgermeister. Der ,,Rauch-Haus-Song" war noch kein Kulturgut, auf das sich alle einigen können.
Als ich vor 20 Jahren nach Berlin zog, durfte ich mir auch schon anhören, die wilden Jahre der Stadt seien endgültig vorbei, alle Freiräume futsch. Im Grunde sei es Zeit, weiterzuziehen, nach Leipzig vielleicht. Diese Erzählung gehört zu Berlin wie jene, dass als Nächstes der Wedding kommt, diesmal aber wirklich.
Berlin steckt auch weiterhin voller Lebenskünstler. Prekär lebende, sich in Wohngemeinschaften quetschende Mittdreißiger, die sich als Helpling oder Essenskurier verdingen, bis sie hoffentlich bald einen Verlag für ihre Graphic Novel gefunden haben. Das ist schlimm, taugt nicht zur Romantisierung. Zeigt aber, wie unbedingt der Wille ist, in dieser Stadt zu leben. Und okay, zur Not auch jenseits des Rings.

Das Scheitern des Klimavolksentscheids ist kein Beleg für irgendwas. Er wurde vom scheidenden Senat durch seine Terminsetzung sabotiert. Zudem hatte Franziska Giffey schon nach dem vorherigen Volksentscheid klargestellt, dass sie Wählerwillen eh ignoriert. Nach dieser Demotivation, dem bewussten Fernhalten der Wähler von der Urne, taugt das Reißen des Quorums ganz sicher nicht als Indiz für eine veränderte politische Grundstimmung.

Ähnliches gilt für die jüngste Wahl zum Abgeordnetenhaus. Der bisherige Senat hätte eine komfortable Mehrheit zum Weiterregieren. Dass die Koalition beendet und stattdessen ein CDU-Mann ins Rote Rathaus getragen wird, ist eine legitime strategische Entscheidung der SPD, sonst aber auch nichts.
Dass Regierungen wechseln, ist demokratische Selbstverständlichkeit. Die Verfasstheit einer Stadt ändert das nicht. Das Ende des linksliberalen Berlins mag für manche ein Traum sein, ist aber strukturell unerreichbar.


Aus: "Die linken Jahre sind noch lange nicht vorbei: Berlin bleibt ein Magnet für Idealisten" Ein Essay von Sebastian Leber (08.04.2023)
Quelle: https://archive.ph/9EJRP