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[Migration & Flüchtlingspolitik (Notizen) ... ]

Started by Link, April 28, 2015, 09:33:37 AM

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#120
Quote[...] MINSK/WARSCHAU dpa | Nach dem jüngsten Andrang von Flüchtlingen und Migranten schließt Polen einen Grenzübergang zu Belarus. Für 7.00 Uhr am Dienstagmorgen hatte der Grenzschutz die Schließung des Grenzverkehrs für Waren und Personen am Übergang Kuznica per Twitter angekündigt. Reisende wurden gebeten, auf die Grenzübergänge in Terespol und Bobrowniki auszuweichen – rund 230 und 70 Kilometer von Kuznica entfernt.

Am Montag hatten Gruppen von hunderten Flüchtlingen und Migranten in der Nähe von Kuznica vergeblich versucht, die EU-Außengrenze von belarussischer Seite aus zu durchbrechen. Nach Erkenntnissen der polnischen Behörden halten sich gegenwärtig zwischen 3.000 und 4.000 Migranten im belarussisch-polnischen Grenzgebiet auf – viele kommen aus Krisengebieten wie Afghanistan und dem Irak.

Auf am Montagabend in sozialen Netzwerken veröffentlichten Videos war zu hören, wie polnische Beamte Menschen in einem provisorischen Zeltlager per Lautsprecher vor illegalen Grenzübertritten in die EU warnten.

Staatsnahe belarussische Medien berichteten unter Berufung auf den Grenzschutz von angeblichen Schüssen auf polnischer Seite. Aus Polen gab es dazu zunächst keine offiziellen Angaben. Die Regierung in Warschau und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus verschiedenen Krisenregionen visafrei einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen.

Der immer wieder als ,,letzter Diktator Europas" kritisierte Lukaschenko hatte erklärt, Geflüchtete auf ihrem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten zu wollen – als Reaktion auf Sanktionen gegen sein Land.

Angesichts der Lage an der polnisch-belarussischen Grenze forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusätzliche Sanktionen. Belarus müsse mit der ,,zynischen Instrumentalisierung von Migranten" aufhören, sagte sie am Montagabend. ,,Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, die erweiterte Sanktionsregelung gegen die belarussischen Behörden, die für diesen hybriden Angriff verantwortlich sind, zu billigen."

Die EU arbeite insbesondere daran, Fluggesellschaften von Drittstaaten zu sanktionieren, die am Transport von Migranten nach Belarus beteiligt seien. EU-Kommissions-Vize Margaritis Schinas sagte, er werde in den kommenden Tagen in die Herkunfts- und Transitländer der Migranten reisen.

Auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, sprach sich für verschärfte Sanktionen aus. ,,Die europäische Botschaft muss sein: Es reicht!", sagte Weber der Bild-Zeitung. Kritisch äußerte Weber sich mit Blick auf die Türkei – eins der Länder, von denen aus Migranten mit Flügen nach Belarus gelangten: ,,Wenn der türkische Präsident Erdogan nun mittels zahlreicher Migranten-Flüge aus der Türkei nach Belarus neue Erpressungsversuche gegen die EU unternimmt, braucht es eine unmissverständliche Antwort."

Weber sagte. ,,Damit wird er genauso scheitern wie mit seinem Versuch, Migranten über die griechisch-türkische Grenze zu schleusen. Die Kommission muss umgehend Gespräche mit der türkischen Regierung aufnehmen."

Auch der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer forderte Engagement aus Brüssel: ,,Wir müssen der polnischen Regierung bei der Sicherung der Außengrenze helfen", sagte der CSU-Politiker der Bild. Die EU-Kommission hat jedoch nach eigener Aussage Polen bereits mehrfach ermuntert, Hilfe anzunehmen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Asylbehörde Easo und die Polizeibehörde Europol stünden bereit, bei der Registrierung von Migranten, Bearbeitung von Asylgesuchen und dem Kampf gegen Schmuggel zu helfen, hieß es am Montag.

Die EU erkennt den 67-jährigen Lukaschenko seit der weithin als gefälscht geltenden Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt von Belarus an und hat in diesem Zusammenhang auch Strafmaßnahmen verhängt. Unterstützt wird Lukaschenko unter anderem von Russland.

Die EU-Staaten Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet. Deutschland gilt als ein Hauptziel der Flüchtlinge und Migranten. Menschenrechtler fordern immer wieder Hilfe für die im Wald gestrandeten Menschen und warnen vor einer humanitären Katastrophe. In der Grenzregion sind bereits mehrere Migranten gestorben.


Aus: "Belarus und die EU-Außengrenze: Polen schließt Grenzübergang" (9. 11. 2021)
Quelle: https://taz.de/Belarus-und-die-EU-Aussengrenze/!5813568/

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Quote[...] An den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel
An den Präsidenten des Europäischen Parlaments David Sassoli
An die Mitglieder des Europäischen Parlaments


Literaturnobelpreisträgerinnen
Swetlana Alexijewitsch
Elfriede Jelinek
Herta Müller
Olga Tokarczuk



Die polnische Regierung hat im Grenzstreifen zwischen Polen und Belarus den Ausnahmezustand verhängt, auf Grund dessen sie den Ärzten und Sanitätern die Hilfeleistung für die Kranken und Sterbenden in der Grenzzone verweigert und den Medien den Zugang zur sich dort abspielenden Tragödie versperrt. Jedoch geben schon die inkompletten, bruchstückhaften Informationen einen Einblick in das gigantische Ausmaß der humanitären Katastrophe, die sich an der Grenze der Europäischen Union ereignet. Wir wissen, dass dort Menschen der erbarmungslosen Prozedur von Push-Backs unterzogen und dem Hunger, der Erschöpfung und der Unterkühlung in den Sümpfen ausgesetzt werden.

Belarussische, von Lukaschenkos Regime kontrollierte Reisebüros versprechen Verzweifelten, gegen hohe Bezahlung ins Gebiet der EU zu gelangen. Auf diese Weise nach Minsk gelockte Menschen werden mit organisierten Transporten in den Wald an die Grenze gebracht. Von dort treibt man sie mit Gewalt nach Polen, die polnische Grenzwache treibt sie ebenfalls mit Gewalt nach Belarus zurück. In den schlimmsten Fällen endet es tödlich. Manche Verstorbene kennen wir mit Namen, andere sterben namenlos.

Als Bürgerinnen und Einwohnerinnen der EU wenden wir uns an die demokratisch gewählten Vertreter Europas: Lasst uns unseren Blick nicht von der Tragödie abwenden!

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass Menschen in diesem Hybridkrieg als Geiseln benutzt werden. Diese teuflischen Praktiken werden als Beispiele für die moderne Variante der Grausamkeit in die Geschichte eingehen. In der Geschichte Europas haben wir uns allzu oft Unwissen erlaubt. Wir schlossen unsere Augen. Wir hielten uns die Ohren zu. Wir schwiegen. Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts haben uns deutlich gezeigt, dass es unbequemes und quälendes Wissen gibt. Die meisten Menschen haben es nicht an sich herangelassen, um ihr eigenes Wohlbefinden zu schützen.

Heute wiederholt sich die Situation.

Die Europäische Union ist für uns vor allem eine grenzüberschreitende moralische Gemeinschaft, basierend auf den Regeln zwischenmenschlicher Solidarität. Das gibt uns das Recht, zu einer eindeutigen Stellungnahme aufzurufen. Wir verstehen, dass es nicht einfach ist, mit dem Ansturm der Verzweiflung auf die Grenzen Europas klarzukommen. Jedoch passt das, was wir an diesen Grenzen zulassen, nicht zu unseren fundamentalen europäischen Werten.

Wir appellieren an Sie, diese humanitäre Krise möglichst schnell und effektiv zu lösen, die Beschlüsse der Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten und insbesondere allen den Zugang zum Asylverfahren zu gewähren, die darum bitten und an der östlichen EU-Grenze festgehalten werden.

Wir fordern eine breit angelegte diplomatische Initiative in den Ländern des Nahen Ostens, um dem irreführenden Narrativ des belarussischen Regimes entgegenzuwirken, das sich als Ziel setzt, möglichst viele verzweifelte Flüchtlinge an die polnisch-belarussische Grenze zu holen um damit die politische Situation in Polen und in der ganzen Europäischen Union zu eskalieren und zu destabilisieren.

Vor allem rufen wir auf, die Hilfsorganisationen, die medizinische und juristische Hilfe leisten könnten, in das Grenzgebiet hineinzulassen.

Wir fordern, dass den akkreditierten Journalisten und Medien der Zugang zum Gebiet des Ausnahmezustandes gewährt wird. Dies ist unerlässlich, um der Öffentlichkeit vollständige und wahrheitsgetreue Informationen zu liefern.

Wir fühlen uns schmerzhaft ratlos – zu wissen bedeutet, sich des Bösen, das sich gerade ereignet, bewusst zu sein. Dem Wissen sollte das Handeln folgen.



Aus: "Schriftstellerinnen zu Belarus : ,,Lasst uns unseren Blick nicht von der Tragödie abwenden!"" (09.11.2021)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/literaturnobelpreistraegerinnen-zu-belarus-ein-appell-an-europa-17625389.html

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Quote[...] Zwei größere Gruppen von Migranten haben auf ihrem erhofften Weg in die EU polnischen Medien zufolge die Grenze von Belarus nach Polen durchbrochen. Mehreren Dutzend Migranten sei es gelungen, Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Bialowieza zu zerstören und die Grenze zu passieren, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP am späten Dienstagabend unter Berufung auf den örtlichen Sender Bialystok. Der Sender zitierte eine Sprecherin des Grenzschutzes, dass in beiden Fällen Zäune und Barrieren gewaltsam niedergerissen worden seien.

Einige der Migranten seien nach Belarus zurückgebracht worden, andere seien auf freien Fuß. Der belarussische Grenzschutz veröffentlichte Bilder mehrerer Menschen, die am Kopf und an den Händen bluteten. Zu sehen waren tiefe Schnittwunden in Handflächen, nachdem Menschen versucht hätten, die Stacheldrahtzäune zu überwinden. Es handele sich um Kurden. Sie hätten medizinische Hilfe bekommen, hieß es.

Überprüfbar waren die von der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik am Morgen veröffentlichten Nachtaufnahmen nicht. Gezeigt wurden auch Dutzende Menschen, die in Zelten und an Lagerfeuern ausharrten. Es war zudem ein weinendes Kind zu hören. Die belarussische Staatspropaganda wirft den polnischen Sicherheitskräften ein brutales Vorgehen gegen die Schutzsuchenden vor.

Auf der belarussischen Seite befänden sich Hunderte Menschen. Nach Angaben der polnischen Behörden hätten die Flüchtlinge von belarussischen Organisationen Lebensmittel erhalten, hieß es weiter. Das EU-Mitglied Polen hat Tausende Soldaten an der Grenze stationiert, die einen Durchbruch an den Anlagen mit Stacheldraht verhindern sollen. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte am Dienstag gefordert, die Menschen durchzulassen. Sie wollten sich nicht in Polen niederlassen, sondern vor allem in Deutschland, sagte er in einem Interview.

Der als ,,letzter Diktator Europas" verschriene Politiker steht im Ruf, die Menschen aus Krisenstaaten wie Syrien, Afghanistan, Libyen und Irak gezielt einfliegen zu lassen, um sie dann in Richtung EU-Grenze zu schleusen. Lukaschenko hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen und internationale Schleusernetzwerke für die Organisation der Reisen der Menschen verantwortlich gemacht. Er räumte erneut ein, die Migranten auf ihrem Weg in die EU nicht mehr aufzuhalten.

Angesichts der Lage an der Ostgrenze der Europäischen Union zwischen Polen und Belarus hat der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, eine gemeinsame europäische Migrationspolitik gefordert. Belarus (früher: Weißrussland) betreibe eine ,,schädliche Strategie", um die EU unter Druck zu setzen, sagte Schulz am Dienstagabend während eines Besuchs in der russischen Hauptstadt Moskau. ,,Das geht zu Lasten der Menschen, die dort hingebracht werden." Im Grenzgebiet harren inzwischen Tausende Menschen aus, die in den Westen wollen.

Mit Blick auf Polen sagte der frühere SPD-Chef bei einer Veranstaltung des Deutsch-Russischen Forums: ,,Es geht mir echt auf den Zeiger, dass ausgerechnet ein Land, das sich am meisten gegen eine gemeinsame europäische Migrationspolitik wehrt, jetzt dieses Vorgehen als Legitimation für seine Blockadehaltung gegen eine gemeinsame Migrationspolitik innerhalb der EU heranzieht." Es könne keine Kritik an den aktuellen Vorgängen geben, ,,ohne auch die Fahrlässigkeit der Europäischen Union selbst zu kritisieren". (dpa)


Aus: "Migranten durchbrechen Grenze von Belarus nach Polen" (10.11.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/zwei-groessere-gruppen-migranten-durchbrechen-grenze-von-belarus-nach-polen/27784708.html


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#122
Quote[...] Die polnische Regierung will hinter den Flüchtlingsbewegungen in Belarus Aggressionen Russlands erkennen. Derweil passieren Migranten illegal die Grenze.

Update von Mittwoch, 10.11.2021, 09.15 Uhr: Zwei größere Gruppen von Migranten haben Medienberichten zufolge die Grenze von Belarus nach Polen durchbrochen. Mehreren Dutzend Migranten sei es gelungen, Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Bialowieza zu zerstören und die Grenze zu passieren, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP am späten Dienstagabend unter Berufung auf den örtlichen Sender Bialystok.

... Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten 55 Prozent der Menschen in Polen gewaltsame Pushbacks. Nur jeder Dritte ist dagegen. Die gemäßigte ,,Rzeczpospolita" wertet das Ergebnis so: ,,Migranten sind in Polen unerwünscht." Zugleich herrscht in dem katholisch geprägten Land ein starker Impuls, notleidenden Menschen zu helfen. Drei von fünf Polen äußern sich entsprechend. Wie das zusammenpasst? ,,Gar nicht", sagen Meinungsforschungsinstitute. Es handele sich um widersprüchliche emotionale Reaktionen. Immerhin in einer Frage sind sich 80 Prozent der Befragten einig: Die Regierung soll sich schnellstmöglich mit der Bitte um Hilfe an die EU wenden. (Ulrich Krökel)


Aus: "Eskalation an der Grenze zu Polen: Migranten reißen Barrieren und Zäune nieder" Ulrich Krökel (10.11.2021)
Quelle: https://www.fr.de/politik/hunde-traenengas-kriegsgeheul-91105630.html

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Quote[...] Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warnt Europa bei einer laxen Grenzpolitik vor einem Zustrom von ,,Millionen" Migranten. Dabei schloss er angesichts der Entwicklung an der polnisch-belarussischen Grenze eine Kriegsgefahr nicht aus.

,,Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalten, dann werden es bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen", sagte Morawiecki am Donnerstag der ,,Bild". ,,Wenn wir unsere Grenzen in Europa nicht entschieden schützen und verteidigen, werden Hunderte Millionen aus Afrika oder dem Mittleren Osten versuchen, nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu kommen."

In Deutschland lebten mehr als 80 Millionen Menschen. ,,Würden Sie erlauben, dass 50 Millionen weitere kommen?", fragte Morawiecki.

Tausende Menschen zum Großteil aus dem Nahen Osten, darunter viele Kurden aus dem Irak, sitzen derzeit in Belarus bei eisigen Temperaturen vor allem an der Grenze zum EU-Mitgliedstaat Polen fest. Die Europäische Union wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, die Migranten in sein Land gebracht zu haben und dann weiter in die EU schleusen zu wollen als Vergeltung für bereits bestehende Sanktionen.

Polnische Sicherheitskräfte haben in der Nacht zum Donnerstag rund hundert Migranten an der Grenze zu Belarus festgenommen. Die Flüchtlinge hätten versucht, die Grenze nach Polen zu überqueren, teilte das Verteidigungsministerium in Warschau mit. "Belarussen drängten die Migranten, polnische Soldaten zur Ablenkung mit Steinen zu bewerfen", teilte das Ministerium weiter mit.

Die Lage an der belarussischen Grenze beschrieb Morawiecki als stabil mit wachsendem Risiko. Eine Kriegsgefahr wollte er nicht ausschließen. ,,Die belarussischen Kräfte provozieren immer deutlicher. Ich hoffe, sie machen dabei nicht den einen Schritt zu weit", sagte er. ,,Denn wir Polen sind fest entschlossen, unsere Grenze mit allen Mitteln zu schützen. Die Ostgrenze Europas und auch der Nato."

Es gebe Eskalationsstufen, sagte Morawiecki. Er freue sich über den Beistand Deutschlands und anderer Nato-Staaten. Nun könnte eine gemeinsame Erklärung Polens, Litauens und Lettlands folgen. ,,Ein weiterer Schritt könnte sein, Artikel 4 des Nato-Vertrags zu aktivieren, der offiziell die Verletzung ihrer Staatsgebiete feststellt", sagte er. Der Artikel sieht Konsultationen der Bündnispartner vor, aber noch keinen militärischen Beistand.

Morawiecki fügte hinzu, man wisse nicht, was Belarus und Russland planten. ,,Möglich wäre auch, dass die Krise an der Grenze nur ablenken soll von neuen militärischen Angriffen, die (der russische Präsident Wladimir) Putin in der Ukraine vorbereitet."

Vor dem Hintergrund der Lage an der Grenze warf Morawiecki der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Versagen in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. Merkels Politik von vor fünf bis sechs Jahren habe ,,die Souveränität vieler europäischer Staaten gefährdet" und ,,einen künstlichen Multikulturalismus" geschaffen. ,,Das war eine gefährliche Politik für Europa und für die Welt", sagte Morawiecki.

Gleichzeitig dämpfte er die Kritik Polens an Merkels Telefonaten mit dem belarussischen Präsidenten Lukaschenko. ,,Wenn es in dem Telefonat darum ging, wie die Migranten aus Belarus zurück in ihre Heimatländer gebracht werden, dann ist jede Initiative in dieser Richtung im Sinne Polens", sagte er. Es dürfe aber ,,in dieser Krise keine Entscheidung über unsere Köpfe hinweg gefällt werden".

Die Regierung in Kiew befürchtet eine Umleitung der Flüchtlinge von der belarussisch-polnischen Grenze Richtung Ukraine. ,,Es besteht die Gefahr, dass eingeschleuste Migranten von der belarussisch-polnischen Grenze an die Grenze zur Ukraine umgeleitet werden", sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die Ukraine habe mehr als 8.500 Polizisten, Nationalgardisten und Grenzschutzbeamte in die Grenzregion entsandt. ,,Das ist nur der Anfang. Möglicherweise wird auch der Notstand ausgerufen. Wir sind für alles gerüstet."

Die Grenze zwischen der Ukraine und Belarus sei mehr als 1.000 Kilometer lang und bestehe aus schwer zu kontrollierenden Sümpfen und Wäldern. ,,Wir haben die Sorge, dass dieses Gebiet für mögliche Provokationen genutzt werden kann", sagte Melnyk.

Die aktuelle Migrantenkrise sei von dem Lukaschenko und Kremlchef Wladimir Putin ,,inszeniert, um die Militäraktivitäten Russlands vor der Ostgrenze der Ukraine und im Donbass zu verschleiern". An der ostukrainischen Grenze war in den vergangen Tagen eine massive Truppenkonzentration russischer Soldaten beobachtet worden.(dpa, AFP, Reuters)



Aus: "Polens Regierungschef warnt Europa vor ,,Millionen" Migranten" (18.11.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-an-belarussisch-polnischer-grenze-polens-regierungschef-warnt-europa-vor-millionen-migranten/27810946.html

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Quote[...] Weil sie offenbar versucht hatten, die schwer bewachte Grenze nach Polen zu überqueren, haben polnische Sicherheitskräfte rund hundert Flüchtlinge an der Grenze zu Belarus festgenommen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Warschau mit. Die Festnahmen ereigneten sich demnach nahe dem Dorf Dubicze Cerkiewne.

Das polnische Verteidigungsministerium teilte bei Twitter mit, belarussische Einsatzkräfte hätten zunächst "höchstwahrscheinlich" den Stacheldrahtzaun entlang der Grenze beschädigt. "Dann haben die Belarussen die Migranten gedrängt, polnische Soldaten zur Ablenkung mit Steinen zu bewerfen." Der Versuch des Grenzübertritts sei in mehreren hundert Metern Entfernung geschehen.

Auf Videoaufnahmen des Verteidigungsministeriums ist zu sehen, wie polnische Soldaten eine große Gruppe von Menschen umzingeln, die zusammengekauert in einem Waldstück neben Stacheldraht hocken.

Trotz Kälte hatten hunderte Migranten an der Grenze den elften Tag in Folge die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Sie wärmten sich an Feuerstellen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Viele Menschen dort klagten über Atembeschwerden, weil Rauch von Feuern über dem Gebiet an der Grenze lag. Auf dem Grenztreifen halten sich noch schätzungsweise 900 Menschen auf.

Weil Regen droht, wollen die belarussischen Behörden weitere Notunterkünfte vorbereiten. Unweit der Grenze wurde am Montag eine Logistikhalle als Schlaflager geöffnet. Dort soll nun die obere Etage gereinigt werden, damit mehr Menschen untergebracht werden können. Die vergangene Nacht sei in der Halle ruhig verlaufen, meldete die Staatsagentur Belta. Das Militär verteile dort heißen Tee.

Die humanitäre Hilfe für die gestrandeten Migranten in Belarus wird indes ausgebaut. An dem Schlaflager wurde eine Gulaschkanone aufgestellt, damit Menschen mit warmen Mahlzeiten und Getränken versorgt werden. Bislang sind Migranten bei der Verteilung von Essensrationen mitunter leer ausgegangen.

An der belarussisch-polnischen Grenze harren seit Tagen Tausende Migranten aus. Europa beschuldigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck zu machen. Es wird vermutet, dass er sich damit für Sanktionen rächen will.

Kanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch erneut mit Lukaschenko telefoniert. Dabei ging es nach Angaben beider Seiten auch um die humanitäre Situation der Migranten. An diesem Donnerstag sollte ein Sonderflug erste irakische Migranten in ihre Heimat zurückbringen. 


Aus: "Polen nimmt 100 Migranten an Grenze zu Belarus fest" (18. November 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-11/grenzstreit-polen-belarus-migranten-festgenommen-humanitaere-hilfe

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Quote[...]  Die deutschsprachige Literatur feiert bei der Buchmesse in Thessaloniki ihren Gastauftritt. Er zeigt: Zwischen beiden Ländern gibt es viel aufzuarbeiten.

Dieses Jahr ist in Griechenland ein Jahr des Gedenkens. Das Land ist 40 Jahre in der EU, es gibt den 80. Jahrestag der deutschen Besatzung Nordgriechenlands, und die griechische Revolution fand vor genau 200 Jahren statt. Auch aus diesem Grund eröffnete die griechische Präsidentin Katerina Sakellaropoulou die Buchmesse in Thessaloniki, die vergangenes Jahr wegen der Pandemie ausgefallen war.

Sakellaropoulou würdigte denn auch den nachgeholten Gastauftritt der deutschsprachigen Literatur. ,,Die Deutschen haben uns große Klassiker geschenkt", sagte sie bei der Festveranstaltung. ...

... die Debatten über die europäische Flüchtlingspolitik ähneln sich in beiden Ländern. Darauf wies Andreas Kossert bei der Vorstellung seines Buches ,,Flucht, eine Menschheitsgeschichte" hin. Beide Gesellschaften, die 2015 mit der so genannten Flüchtlingskrise konfrontiert wurden, sind selbst historisch von Fluchterfahrungen geprägt: Griechenland durch die 1,2 Millionen Griechen die nach dem Ersten Weltkrieg aus Kleinasien vertreiben wurden, Deutschland durch 14 Millionen Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten nach 1945.

Doch die Erinnerung an das Leid ist längst verklärt oder verdrängt und führt auf beiden Seiten selten zu einer empathischen Perspektive mit den Fluchterfahrungen von heute. Die anfängliche Hilfsbereitschaft schlug in Deutschland wie Griechenland in Populismus oder bestenfalls Gleichgültigkeit um. Die griechische Politik fühlt sich alleingelassen, bisweilen gemaßregelt von der EU und nicht zuletzt von Deutschland.

Der letzte Woche veröffentlichte Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen hat sich nicht nur im Kapitel ,,Europäische Flüchtlingspolitik" vorgenommen, das zu verändern. Im Abschnitt ,,Erinnerungskultur" wird direkt auf Griechenland verwiesen: Aktuelle Debatten im Land zeigten, dass ,,die gemeinsame Aufarbeitung nicht abgeschlossen ist." Daraus abgeleitet wird eine besondere Verantwortung, dies zu ändern. Veranstaltungen wie die Buchmesse in Thessaloniki sind Orte, um daran zu arbeiten.

Das geschah hier durch den Bezug auf die Ausstellung ,,Gespaltene Erinnerung" und die Vorstellung der Katalogpublikation, die die für Griechenland wie Deutschland schicksalhaften Jahre 1940-1950 umfassend beleuchtet.

Die Ausstellung, derzeit zu sehen in Köln, wurde bereits 2016 in Kölns Partnerstadt Thessaloniki gezeigt. Sie zeigt das ganze Grauen der deutschen Besatzungsherrschaft in Griechenland. Die Auslöschung griechischer Dörfer und die Ermordung fast der 50 000 überwiegend sephardischen Juden aus Thessaloniki hatten nachhaltige Folgen für Griechenland. Der Krieg endete nämlich nicht, sondern mündete in einen Bürgerkrieg. In Deutschland sind die griechischen Kriegstraumata kaum bekannt. Viele Griechen sind verbittert, weil sich Deutschland, das sich gern als Erinnerungsweltmeister darstellt, beharrlich weigert, über eine angemessene Entschädigung der materiellen Folgen der Besatzung zu verhandeln.

Als der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Ausstellung 2016 eröffnete, war der Tiefpunkt des deutsch-griechischen Verhältnisses erreicht. In den harten Krisenzeiten für Griechenland wurden deutsche Minister auf Demo-Plakaten schon mal in Naziuniform dargestellt. In Deutschland grassierten üble Klischees von den ,,faulen Griechen".

Wie konnte es soweit kommen, ist doch Griechenland ein erklärtes Lieblingsland, ein Sehnsuchtsort der Deutschen? Zumal fast eine halbe Million Menschen mit griechischer Migrationsgeschichte in Deutschland leben. Griechische ,,Gastarbeiter" schufteten jahrzehntelang im Dienste des deutschen Wirtschaftswunders. Viel Aufmerksamkeit oder gar Dank erfuhren sie nie. Die verdrängte Geschichte deutscher Gewaltherrschaft bleibt die größte Leerstelle im gegenseitigen Verhältnis. Dass diese Aufarbeitung ,,nicht abgeschlossen" sei, wie es der Koalitionsvertrag formuliert, darf getrost als Understatement gelten – sie muss erst noch richtig beginnen.


Aus: "Die Abstiegsängste der Mittelschicht – und ein verdrängter Krieg" René Wildangel (01.12.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/deutsche-literatur-in-thessaloniki-die-abstiegsaengste-der-mittelschicht-und-ein-verdraengter-krieg/27848434.html


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Quote[...]  Eine Woche nach dem Kentern eines Boots im Ärmelkanal mit mindestens 27 Toten haben die beiden Überlebenden schwere Vorwürfe gegen britische und französische Behörden erhoben, weil sie untätig geblieben seien. Ihr Boot sei voll Wasser gelaufen, alle Flüchtlinge seien im Meer gelandet und hätten sich aneinander festgehalten, sagte einer der Überlebenden dem französischen Sender BFMTV. Kurz vor dem Untergang hätten die Menschen im Boot die französische Küstenwache kontaktiert. "Wir haben den Franzosen unsere Position durchgegeben und sie haben uns gesagt, dass wir in britischen Gewässern seien."

"Daraufhin haben wir die britische Polizei angerufen und die hat gesagt: 'Ruft die französische Polizei an'", sagte der 21-Jährige. "Großbritannien hätte uns helfen müssen, weil wir in britischen Gewässern untergegangen sind, aber es hat uns nicht geholfen und nichts für uns getan." Auch der zweite Überlebende schilderte dem Sender, dass die Menschen vom Boot aus zweimal die britische Seite kontaktiert hätten. "Niemand ist gekommen, das Boot ist untergegangen, die Leute sind gestorben und ich bin elf Stunden im Meer geschwommen."

Im laufenden Jahr haben bisher mehr als 25.700 Menschen illegal den Ärmelkanal überquert. Das sind fast dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2020. Die meisten Bootsflüchtlinge kommen aktuell aus dem Iran, Irak, Sudan, Syrien, Afghanistan, Somalia und dem Jemen. Derzeit werden nach langen Wartezeiten etwa bei 70 Prozent der Bootsflüchtlinge die Asylanträge anerkannt.

Die britische Regierung wirft Frankreich vor, nicht genug gegen illegale Überfahrten zu unternehmen, Paris weist das zurück. Frankreich hat ein EU-Abkommen mit Großbritannien zur Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgeschlagen. Außerdem vereinbarte Frankreich mit Belgien, den Niederlanden und Deutschland einen verschärften Kampf gegen Schleuser. Der britische Premierminister Boris Johnson forderte ein Abkommen mit Frankreich zur Rücknahme von Migranten. Großbritannien ist derzeit außerdem dabei, seine Asylgesetze zu verschärfen.


Aus: "Ärmelkanal: Nach Kentern von Flüchtlingsboot erheben Überlebende schwere Vorwürfe" (1. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-12/aermelkanal-gekentertes-fluechtlingsboot-vorwuerfe-ueberlebende

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Quote[...] Wegen der angespannten Lage an der EU-Außengrenze mit Belarus will die EU-Kommission Polen, Litauen und Lettland für eine Dauer von sechs Monaten einen restriktiveren Umgang mit Asylbewerbern erlauben. Die Regierungen der drei EU-Staaten, die an Belarus grenzen, hatten mehr Flexibilität bei ihrer Abwehr von illegaler Migration gefordert.

Die Frist, in der die drei Staaten Asylbewerber registrieren müssen, wird von derzeit drei bis zehn Tagen auf vier Wochen ausgedehnt. Sie dürfen Asylbewerber künftig bis zu 16 Wochen in Aufnahmezentren nahe der Grenze unterbringen, die diese nicht verlassen dürfen. Und die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber wird vereinfacht.

Menschenrechtsorganisationen warnen vor einer faktischen Einschränkung des Asylrechts. Wenn Asylbewerber die Aufnahmelager nicht verlassen dürfen und diese zudem entfernt von regulären Siedlungen direkt an der Grenze liegen, gleiche das einer Haft.

Die Kommission betont hingegen, der neue Rechtsrahmen verstoße weder gegen Grundrechte noch internationale Verpflichtungen. Es gehe um eine befristete Ausnahme von den geltenden Regeln.

Der neue Kurs ist in der EU-Kommission umstritten und hatte bei internen Beratungen zu Kontroversen geführt. Es ist zugleich ein Kompromiss zwischen Deutschland und weiteren Ländern im Nordwesten der EU, die ein liberales Asylrecht vorziehen, und Mitgliedern im Osten und Süden, die eine konsequentere Abschreckung von Migranten fordern, da diese in der großen Mehrheit kein Anrecht auf Asyl haben.

Manche Kommissionsmitglieder haben die Hoffnung, dass sich die faktische Behandlung von Migranten in Polen verbessert. Die nationalpopulistische PiS-Regierung hat ihre Verpflichtung bekräftigt, Neuankömmlinge von Tag 1 an mit Nahrung, Unterkunft und medizinischer Betreuung zu versorgen und mit internationalen Organisationen wie dem Flüchtlingshilfswerk der UN (UNHCR) zusammenzuarbeiten. Bisher war das nicht der Fall.

Die Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, hatte Polens Regierung kürzlich bei einem Besuch in Warschau ermahnt, die Grundrechte von Migranten einzuhalten. Die PiS-Regierung argumentiert, sie habe es mit illegalen Grenzverletzern zu tun, die ihr Grundrecht auf Asyl gar nicht wahrnehmen, sondern nach Deutschland weiterreisen wollten.

Der Staatschef von Belarus, Alexander Lukaschenko, habe die Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten einfliegen lassen, um Druck auf die EU auszuüben, damit sie die Sanktionen gegen sein Regime lockert. In ihren Pässen seien belarussische Touristenvisa. Und sie sagten, man habe ihnen versprochen, dies sie ihr Weg ins reiche Europa.

Da Polen seit der Eskalation des Konflikts im September den Ausnahmezustand über die Grenzregion verhängt hat, haben internationale Medien keinen Zugang. Es gibt kaum unabhängige Berichte über die Lage und den Umgang mit den Migranten. Der Ausnahmezustand ist Ende November ausgelaufen.

Doch die PiS hat mit ihrer Mehrheit im Parlament rechtzeitig ein neues Gesetz verabschiedet, das den Ausschluss der Medien weiter ermöglicht. Danach darf der Innenminister in Rücksprache mit dem Oberbefehlshaber des Grenzschutzes den Zugang zur Grenze aus Sicherheitsgründen einschränken. Innenminister Mariusz Kaminski sagte am Dienstag, er werde diese Möglichkeit nutzen.

Die liberale Opposition und Polens Ombudsmann für Grundrechte, Marcin Wiacek, fordern einen unbehinderten Zugang für Medien und Hilfsorganisationen zur Grenzregion. Sie konnten sich damit aber nicht durchsetzen.


Aus: "Die EU verschärft vorübergehend ihr Asylrecht" Christoph von Marschall (01.12.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/notsituation-an-der-grenze-zu-litauen-die-eu-verschaerft-voruebergehend-ihr-asylrecht/27853350.html

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Quote[...] An der libyschen Küste sind die Leichen von 28 Migranten gefunden worden, die nach Europa gelangen wollten. Das teilten das libysche Innenministerium und der Rote Halbmond mit. Sie seien am Samstagabend an zwei Orten in der Küstenstadt Choms entdeckt worden, rund 90 Kilometer von Tripolis entfernt. Unter den Toten befinden sich laut der Organisation ein Baby und zwei Frauen. Drei Migranten seien gerettet worden, nach weiteren wurde gesucht.

Die Behörde gehe davon aus, dass eine Gruppe von insgesamt 60 Flüchtlingen vermisst werde. Das Bootsunglück soll sich bereits kurz vor Weihnachten ereignet haben. "Der Verwesungszustand der Leichen lässt darauf schließen, dass sich der Schiffbruch vor mehreren Tagen ereignete", sagte der Behördenvertreter. Auf der zentralen Mittelmeerroute von Libyen aus sind dieses Jahr nach Angaben der UN-Migrationsbehörde IOM bereits rund 1.500 Menschen ums Leben gekommen. Auch in der Ägäis sind vor Weihnachten mehr als 30 Menschen bei vier Bootsunglücken gestorben. Noch immer werden Menschen vermisst.

Private Hilfsorganisationen sind seit Tagen im Mittelmeer im Einsatz, um Flüchtlinge aus überfüllten Booten in Sicherheit zu bringen. Am Sonntag hat die deutsche Seenotrettungsgruppe Sea-Watch nach eigenen Angaben 96 Menschen von einem Migrantenboot an Bord genommen. Es sei der fünfte Einsatz innerhalb von drei Tagen gewesen, teilte die Organisation mit. Unter den Geretteten sei auch eine hochschwangere Frau gewesen. Insgesamt habe die Crew damit fast 450 gerettete Bootsmigranten an Bord ihres Schiffs Sea-Watch 3. Das jüngste Kind an Bord sei erst zwei Wochen alt, teilte die Gruppe auf Twitter mit.

Die italienische Küstenwache berichtete zuletzt, nach zweitägiger Suche ein mit Migranten besetztes Boot an der Küste von Crotone in Süditalien aufgespürt zu haben. Die Behörden hätten die 27 Menschen in Sicherheit gebracht. Tags zuvor hatte die tunesische Küstenwache die Rettung von 48 Migranten gemeldet, die mit ihrem Boot von der libyschen Küste aus in Richtung Europa aufgebrochen waren.

Italien ist ein beliebtes Ziel von Migranten aus Afrika, die versuchen, per Boot das europäische Festland zu erreichen. Immer wieder geraten die Boote in Seenot. Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingswerks UNHCR sind von Januar bis November dieses Jahres mehr als 2.500 Migranten auf dem Seeweg nach Europa gestorben. Seit 2015 haben fast eine Million Menschen, hauptsächlich Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, von der Türkei aus griechische Inseln und damit die EU erreicht.


Aus: "Mittelmeer: Mindestens 28 Tote bei Bootsunglück vor libyscher Küste" (26. Dezember 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-12/mittelmeer-tote-bootsunglueck-libyen-migration-weihnachten


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Quote[...] Bereits im Februar 1915 befanden sich rund eine halbe Million Kriegsflüchtlinge aus der Bukowina und Galizien in verschiedenen Teilen der Monarchie, davon rund 25.000 in Niederösterreich. Dort entstanden in der Folge mehrere Barackenstädte, die größte in Gmünd beherbergte im Laufe des Krieges bis zu 30.000 Flüchtlinge, überwiegend Ruthenen.

Oberhollabrunn (jetzt Teil der Stadt Hollabrunn) war wegen des Bedarfs an Hilfskräften in der Landwirtschaft ebenfalls zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit. Im Eiltempo wurde ein Flüchtlingslager errichtet, das für 5.000 Menschen konzipiert war und nach dem Krieg als Stadterweiterungsgebiet (heute Ortsteil "Gartenstadt") einverleibt werden sollte.

... Historisch betrachtet ist die Geschichte des Lagers Oberhollabrunn lediglich die berühmte "Spitze des Eisberges" in einer bewegten Geschichte zwischen den Landesteilen Bukowina und Niederösterreich in der Monarchie im Ersten Weltkrieg.

...


Aus: "Geschichte Österreichs - Flucht innerhalb der Monarchie: Was die Bukowina mit Niederösterreich verbindet" (Blog, Mihailo St. Popović, 1. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000132970422/flucht-innerhalb-der-monarchie-was-die-bukowina-mit-niederoesterreich-verbindet

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Quote[...] Auf der türkischen Seite der EU-Grenze mit Griechenland sind offenbar die Leichen von zwölf erfrorenen Menschen gefunden worden. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu schreibt auf Twitter, die Personen hätten zu einer Gruppe von 22 Migranten gehört, die von griechischen Grenzschützern wieder zurück über die Grenze gedrängt worden seien. Soylu veröffentlichte verschwommene Fotos von leblosen Körpern. Ob die Bilder authentisch sind, ist noch nicht klar. In der betreffenden Provinz fallen die Temperaturen derzeit nachts oft unter null Grad.

Soylu schreibt, die Flüchtlinge seien in der Nähe des Dorfs Paşaköy, nahe dem Grenzübergang İpsala zwischen der Türkei und Griechenland gefunden worden. Er wirft den griechischen Grenzern vor, die Menschen zuvor entkleidet und zurück in die Türkei gedrängt zu haben. Wörtlich hieß es: "Zwölf von 22 Migranten, die von griechischen Grenzeinheiten zurückgedrängt wurden, ihrer Kleidung und Schuhe beraubt, sind erfroren." "Griechische Grenztruppen gehen gegen Opfer vor", schreibt Soylu weiter in dem Tweet. Er warf den griechischen Einheiten Grausamkeit und der EU Milde gegenüber Griechenland vor. Die EU sei "unheilbar, schwach und inhuman", schreibt Soylu.

Auch das Gouverneursamt der westtürkischen Provinz Edirne berichtete von zwölf getöteten Flüchtlingen. Zwei von ihnen seien jedoch erst später im Krankenhaus gestorben. Die Vorwürfe, Griechenland sei an der Tragödie schuld, wies der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis zurück und bezeichnete die Aussagen Soylus als falsch und reine Propaganda. "Diese Migranten haben es nie bis zur Grenze geschafft", sagte Mitarakis laut einer Pressemitteilung. "Die Aussage, dass sie es schafften und sogar zurückgedrängt wurden, ist völliger Unsinn." Die Türkei solle keine haltlosen Behauptungen aufstellen, sondern daran arbeiten, die gefährlichen Reisen zu unterbinden. "Anstatt andere zu beschuldigen, muss die Türkei Verantwortung übernehmen, wenn wir solche Tragödien künftig vermeiden wollen."

Die Türkei wirft Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks vor. Damit gemeint sind illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen an den Grenzen. Griechenland bestreitet dies. Mehreren Medienberichten zufolge haben griechische Grenzschützer in der Vergangenheit jedoch mehrfach Boote mit Migranten zurück in Richtung Türkei getrieben. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll dies, so lauten die Vorwürfe, zumindest nicht verhindert haben. Die Untersuchung in der Sache dauert noch an.

Im Februar und März 2020 waren Zehntausende Migranten an der Landgrenze zwischen den beiden Ländern gestrandet. Griechenland hinderte sie am Grenzübertritt in die EU und warf der Türkei vor, die Flüchtlinge absichtlich an die Grenze geholt und durchgelassen zu haben, um Druck auf die EU auszuüben. Die Türkei wies die Vorwürfe zurück.

In der Türkei leben derzeit nach offiziellen Angaben fast fünf Millionen Flüchtlinge, davon fast vier Millionen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Ein Abkommen mit der EU von 2016 sieht vor, dass die Türkei die Zahl der Flüchtlinge begrenzt, die über ihr Staatsgebiet in die EU kommen. Im Gegenzug erhält die Türkei EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe.

Die Türkei ist ein wichtiges Etappenziel für Migranten aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika, die auf ein besseres Leben in EU-Ländern hoffen. Die meisten versuchen über die nordöstliche Landgrenze nach Griechenland zu gelangen, oder sie drängen sich in überfüllte Schmugglerboote auf dem Weg zu den östlichen Inseln im Ägäischen Meer.

Im Dezember war es in der Ägäis zudem zu mehreren Bootsunglücken gekommen, bei denen mindestens 30 Menschen ums Leben kamen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hat die türkische Küstenwache im vergangenen Jahr 15.000 Menschen gerettet, die von Griechenland zurückgedrängt wurden.

Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind im vergangenen Jahr mehr als 2.500 Migranten auf dem Seeweg nach Europa ums Leben gekommen. Seit 2015 haben fast eine Million Menschen, hauptsächlich Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, von der Türkei aus griechische Inseln und damit die EU erreicht.


Aus: "Zwölf Flüchtlinge offenbar an griechischer Grenze erfroren" (2. Februar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-02/tuerkei-griechenland-grenze-fluechtlinge-erfroren


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Quote[...] Deutschland hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Menschen abgeschoben als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. Wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage mitteilte, gab es 2021 insgesamt 11.982 Abschiebungen. Im Jahr 2020, das noch stärker von Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr geprägt war, hatten deutsche Behörden 10.800 Abschiebungen organisiert und vollzogen. Zum Vergleich: 2019 waren es knapp 22.100 Abschiebungen gewesen.

Die meisten Abschiebungen gingen im vergangenen Jahr per Flugzeug, so wie auch schon 2020, nach Georgien und Albanien. Nach Georgien wurden auf dem Luftweg 1116 Ausreisepflichtige gebracht, nach Albanien wurden 908 Menschen ausgeflogen.

In 470 Fällen wurden im vergangenen Jahr Menschen, die aus Syrien stammen und sich unrechtmäßig in Deutschland aufhielten, abgeschoben – allerdings nicht nach Syrien, sondern in andere Staaten, in denen sie sich zuvor aufgehalten hatten. Die Bundesregierung stellte erst kürzlich in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion fest, eine Rückkehr syrischer Staatsbürger in ihr Herkunftsland komme nur auf freiwilliger Basis infrage. In 388 weiteren Fällen wurden Menschen aus Syrien "zurückgeschoben".

Von Zurückschiebungen spricht man, wenn Menschen, die unerlaubt nach Deutschland gekommen sind, bereits kurz nach ihrer Einreise in ihr Herkunftsland oder in ein europäisches Land, das für sie zuständig ist, zurückgebracht werden. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 3092 Zurückschiebungen durchgeführt.

Jeweils rund 400 Abschiebungen wurden im vergangenen Jahr organisiert, um Menschen, die aus der Türkei oder dem Kosovo stammen, außer Landes zu bringen. Zu den Hauptzielländern der Abschiebungsflüge zählten 2021 auch Serbien, Pakistan, Moldau und Rumänien.

Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen heißt es: ,,Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern." Zudem sollen nach dem Willen der Ampel-Parteien Migrationsabkommen mit wichtigen Herkunftsländern vereinbart werden.

Zur Gestaltung dieser Abkommen werde die Bundesregierung einen Sonderbevollmächtigten einsetzen. Eine Einigung darüber, in welchem Ministerium dieser neue Posten angesiedelt sein soll und wer diese Funktion bekleidet, haben die Koalitionäre bislang allerdings noch nicht erzielt. Die Beratungen in der Bundesregierung dazu ,,dauern aktuell noch an", hieß es aus dem Bundesinnenministerium.

Die meisten Abschiebungen hat im vergangenen Jahr das bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen, organisiert. Von dort wurden rund 2900 Menschen abgeschoben. Das Land Berlin nahm laut einer Aufstellung des Innenministeriums 959 Abschiebungen vor. Die Bundespolizei veranlasste demnach 328 Abschiebungen.

Seehofer hatte bei seinem Amtsantritt 2018 angekündigt, er wolle dafür sorgen, dass weniger geplante Abschiebungen kurzfristig scheitern. Tatsächlich ging die jährliche Zahl der Abschiebungen während seiner Amtszeit sogar zurück – auch vor Beginn der Pandemie.

Quelle: dpa


Aus: "Innenministerium : Zahl der Abschiebungen verharrt auf niedrigem Niveau" (09.02.2022)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/zahl-der-abschiebungen-2021-relativ-niedrig-17791230.html

https://www.zeit.de/news/2022-01/13/wieder-mehr-asylsuchende-weniger-abschiebungen




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Quote[...] ,,Arbeit", so war die Erzählung überschrieben. Darin leuchtet Aydemir ihren familiären Hintergrund im Hinblick auf die Bedingungen aus, unter denen Migranten der ersten Generation in Deutschland oft in einer Art Parallelwelt zum bundesrepublikanischen Alltag existierten. Der Zustand, den Aydemir skizziert, ist schizophren. Einerseits wurden die so genannten Gastarbeiter angefeindet, andererseits aber waren sie unabdingbar geworden für das Funktionieren und die Erhaltung des Wohlstands des Landes:
,,Ich bin im Deutschland der Neunzigerjahre aufgewachsen, in dem die widersprüchlichen Parolen ,Ausländer sind faul' und ,Ausländer nehmen uns die Arbeit weg' teilweise aus denselben Mündern miteinander konkurrierten. In meiner eigenen Familie, die über das Anwerbeabkommen zwischen der BRD und der Türkei in den frühen Siebzigerjahren eingewandert ist, konnte es sich weder jemand leisten, faul zu sein, noch, irgendwem die Arbeit wegzunehmen. Alle arbeiteten immer in den Jobs, die nicht für Deutsche, sondern für sie vorgesehen waren. Leute wie mein Großvater wurden angeworben, weil sie leichter ausgebeutet werden konnten als inländische Arbeiter_innen."

... Es geht um das Aufeinanderprallen gesellschaftlicher Klassen, um diejenigen, die für das System ihre Körper ruinieren, und um diejenigen, die davon profitieren, um ,,Kanaken" und um ,,Kartoffeln", wie Aydemirs Figuren es ausdrücken, um Ausgebeutete und Ausbeuter:
,,Und nächste Woche beginnt auch für dich endlich die Rente, Hüseyin. Sie nennen es Frührente, doch nichts daran fühlt sich früh an."
,,Sie" – das sind die Almans, die Biodeutschen in ihren Einfamilienhäusern mit Partykeller; die am Wochenende Minigolf spielenden Bürgerfamilien, die ihren als selbstverständlich empfundenen Wohlstand absichern, indem sie die anderen, die Fremden, kleinhalten und auf ihre Plätze verweisen. Die radikale Subjektivität und die Unversöhnlichkeit der Außenseiterperspektive mögen nicht immer gerecht sein, und doch sind sie in ihrer Wucht erkenntnisstiftend. So also fühlt sich das an. Die deutschen Arbeitswelten und deren Undurchlässigkeit gehören zu den Generalthemen von ,,Dschinns".

... Ja, die Biodeutschen in Aydemirs Roman sind Rassisten, Ausbeuter, Ignoranten, Opportunisten oder auch alles zusammen. Doch ist es absolut legitim, das Ohnmachtsgefühl einer unterprivilegierten Gruppe gegenüber einer Mehrheitsgesellschaft literarisch auszuformen. ,,Dschinns" ist auch ein Buch des Nichtankommenkönnens. Das ist auch in Hüseyins und Emines Familie selbst als tiefer Graben zwischen den Generationen zu spüren.
Als Bild für das nie verbalisierte, sprachlich und rational kaum zu fassende Unbehagen, das alle Generationen dieser Familie auf unterschiedliche Weise erfasst, führt Peri, Sevdas jüngere Schwester, das Phänomen der Dschinns ein. Den alten Volksglauben an einen bösen Geist überträgt Aydemir auf ihre Figuren. Es ist eine diffuse, schwer greifbare Mischung aus Scham und Angst, die ihr Leben bestimmt

... Identität und fluide Sexualität, weibliche Selbstermächtigung und staatliche Gewalt gegen marginalisierte Gruppen, Rassismus, Klassismus und ein patriarchalisch geordnetes Wertesystem – es gibt kaum ein Schlagwort des aktuellen Diskurses, das Fatma Aydemir auslässt. ,,Dschinns" ist sowohl ein Buch der Zeit als auch des Zeitgeistes. Kein gelungener literarischer Text, in der Form unausgegoren, in seiner politischen Agenda oft wenig subtil. Aber dessen ungeachtet ist ,,Dschinns" auch ein bemerkenswerter, vibrierender, atmosphärisch angespannter Text, der nicht nur unsere Gegenwart, sondern auch den historischen Kontext beleuchtet. Man merkt ihm in seinen starken Passagen an, warum er geschrieben werden musste.

Fatma Aydemir: ,,Dschinns"
Carl Hanser Verlag, München
368 Seiten




Aus: "Fatma Aydemir: ,,Dschinns"Leben ohne Partykeller" Christoph Schröder (13.02.2022)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/fatma-aydemir-dschinns-100.html

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Quote[...] Die ,,Kanakenseite" und die andere: Fatma Aydemirs Roman ,,Dschinns" findet einen neuen, eigenen Ton, um von Migration zu erzählen.

Fatma Aydemirs zweiter Roman ,,Dschinns" ist ein Familienroman, er ist ein Gesellschaftsroman. Er erscheint in dem Jahr, in dem das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei 51 Jahre alt wird. Dieses Abkommen hat die deutsche Gesellschaft verändert und das Leben derjenigen, die gekommen sind, bis in die zweite und dritte Generation. Das ist der Hintergrund dieses Romans.

... Fatma Aydemir spricht in ihrem Roman unterschiedliche Aspekte des Migrationsspagats an, arrangierte Ehen, das Trauma der bei den Großeltern in der Türkei zurückgelassenen Gastarbeiterkindern, die Verleugnung der kurdischen Identität, die Einsamkeit der Gastarbeiter-Hausfrauen auf hier 68 Quadratmetern Deutschland, Racial Profiling, Sexualmoral – all diese Dschinns, die Geister, die in den Leben der Familienmitglieder herumspuken. Auch Ungerechtigkeiten, von denen man als Angehöriger der Mehrheitsgesellschaft wenig Ahnung hat.

... Feridun Zaimoglu hat das Wort ,,Kanake" in den 90er Jahren in die deutsche Literatur eingeführt, die der Enkelgeneration zugehörige Fatma Aydemir eignet es sich selbstbewusst an. In diesem Begriff ist jetzt eine hybride Identität aufgehoben. Etwas hat sich verändert, und Fatma Aydemir trägt dem Rechnung, indem sie nicht in erster Linie den sozialen Konflikt mit der Mehrheitsgesellschaft beschreibt. Sie interessiert sich dafür, wie sich der Aushandlungsprozess im Inneren ihrer Protagonisten fortsetzt.

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Aus: "Fatma Aydemir ,,Dschinns": Ein Teil von gar nichts sein" Susanne Lenz (15.02.2022)
Quelle: https://www.fr.de/kultur/literatur/fatma-aydemir-dschinns-ein-teil-von-gar-nichts-sein-91350146.html#idAnchComments

https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/dschinns/978-3-446-26914-9/

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Ukraine's deputy chief prosecutor, David Sakvarelidze, told the BBC, unchallenged: "It's very emotional for me because I see European people with blue eyes and blond hair being killed."

Quote[...] Vladimir Putin's bloody invasion of Ukraine has sharpened two terrifying realisations. The first is that Putin does not function within the realm of the usual finely balanced checks and balances, sticks and carrots, that the west hoped would contain him and maintain an uneasy truce in Europe. The second is that decades of work since the second world war to learn from the mistakes of the past and fortify against them in the future have failed. Here again, we have not a civil war, but an invasion of a sovereign state in defiance of the rest of the world. Here again, we have images that are only known to us as historical reels, of frenzy and panic as thousands attempt to flee to safety.

But there is a third realisation that appears to shape the perception of too many western journalists justifiably appalled at the defiling of Europe. From the tone of much coverage, this seems uniquely distressing and more alarming to them because the lives of non-Europeans have less value, and their conflicts are contained, far away from us.

I thought it was just clumsy phrasing from a couple of reporters under pressure, but soon it became clear that it was, in fact, a media-wide tic. From Al Jazeera to CBS News, journalists were appalled that this was not happening in "Iraq or Afghanistan" but in a "relatively civilised European city". One said: "The unthinkable has happened. This is not a developing, third world nation. This is Europe." Another reflected: "These are prosperous middle-class people ... these are not obviously refugees getting away from the Middle East. To put it bluntly, these are not refugees from Syria, these are refugees from Ukraine ... They're Christian, they're white, they're very similar."

Ukraine's deputy chief prosecutor, David Sakvarelidze, told the BBC, unchallenged: "It's very emotional for me because I see European people with blue eyes and blond hair being killed."

Daniel Hannan, Telegraph columnist, former MEP, Lord Hannan of Kingsclere; put it more bluntly, writing that those suffering in Ukraine "seem so like us. That is what makes it so shocking ... War is no longer something visited upon impoverished and remote populations. It can happen to anyone." It is, he said: "civilisation in retreat".

This strange account of a history in which wars, conflict and dispossession mostly happened in "third world" and "remote" countries (remote from whom?) is a fiction that has come about as a result of a political and media climate that has stripped the humanity of those seeking refuge so completely it has become a fact, repeated with no self-awareness or shame.

An extremely generous view of these statements is that it is not, in itself, an unusual impulse to care more about, or be affected more, by events happening closer to home than farther afield. Perhaps what these people are really trying to say is something along the lines of "this has not happened in this patch in generations" in order to highlight the abnormality of this particular conflict. There is that.

But there is also much more to it. There is an acceptance that war is natural in other places but an aberration here. That war happens only to the poor and the uncivilised, not the well-off and stable.

...


From: "Let the horror in Ukraine open our eyes to the suffering of war around the world" Nesrine Malik (Tue 1 Mar 2022 12.15 GMT)
Source: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/01/let-the-horror-in-ukraine-open-our-eyes-to-the-suffering-of-war-around-the-world

Topics: Ukraine, Opinion, Vladimir Putin, Refugees, Russia, Europe, comment


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Quote[...] Wegen der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten haben Helfern zufolge in den ersten zehn Wochen dieses Jahres bereits mehr als 450.000 Menschen Somalia auf der Suche nach Wasser und Nahrung verlassen. Die Zahlen steigen ,,rapide", und immer mehr Kinder leiden an Unterernährung, wie Save the Children in Berlin mitteilte.

Die Auswirkungen der Klimakrise sind demnach in Somalia besonders stark zu spüren: Das Land am Horn von Afrika kämpfe mit der dritten Dürre innerhalb eines Jahrzehnts. Etwa 90 Prozent des Landes und 4,3 Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung - seien betroffen. Einige Gebiete erlebten die größte Trockenheit seit 40 Jahren, betonte Save the Children.

Verschärft werde die Situation durch die Folgen des Krieges in der Ukraine, der Lebensmittelpreise und Transportkosten für Importe wie Weizenmehl in die Höhe treibe. ,,Dies weckt Befürchtungen, dass sich die tödliche Hungersnot von 2011 wiederholen könnte. Damals starben ungefähr 260.000 Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder unter fünf Jahren", so die Hilfsorganisation.

,,Dieses Mal müssen wir es besser machen. Schon jetzt sterben Kinder, und es werden täglich mehr. Als Menschheit haben wir hier eine besondere Verpflichtung zu verhindern, dass sich 2011 wiederholt. Noch ist es möglich", mahnte die Kommunikationsdirektorin von Save the Children, Martina Dase.

Die internationale Gemeinschaft müsse ihre Bemühungen um Gelder verstärken, forderte die Organisation. Ein internationaler Aufruf der Vereinten Nationen zu humanitärer Hilfe habe bisher lediglich 3,8 Prozent von benötigten 1,46 Milliarden US-Dollar erbracht. Falls nicht genügend Geld zusammenkomme, könnten nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis Mitte des Jahres 1,4 Millionen Kinder akut unterernährt sein - 64 Prozent mehr als vor zwei Jahren.

Die Zahl der vertriebenen Menschen könne in diesem Jahr auf bis zu 1,4 Millionen ansteigen, erklärte Save the Children. Daher seien Helfer wegen des Zugangs zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und der Gesundheitsversorgung in vielen der 5.000 Vertriebenenlager in Somalia besorgt. Auch dafür seien Finanzmittel nötig. (KNA)


Aus: "Suche nach Wasser und Nahrung treibt mehr als 450.000 Somalier aus ihrem Land" (28.03.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/schlimmste-duerre-seit-jahrzehnten-suche-nach-wasser-und-nahrung-treibt-mehr-als-450-000-somalier-aus-ihrem-land/28205702.html

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Quote[...] Sie sind die größte Gruppe Eingewanderter, dicht hinter den Türkeistämmigen: Die 2,6 Millionen Aussiedler- und Spätaussiedler:innen, also jene, die seit den 1950er Jahren als deutsche "Volkszugehörige" - so die Formulierung im Gesetz - in die Bundesrepublik kamen, weil sie aus teils jahrhundertealten Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa vertrieben wurden oder dort unter kommunistischer Herrschaft nicht mehr leben wollten. Nach dem Fall der Mauer kamen auch Menschen aus der früheren Sowjetunion dazu, unter anderem die jüdischen Kontingentflüchtlinge.

Trotz der großen Zahl sind sie fast unsichtbar. Jedenfalls hat sich die Forschung in den letzten zehn Jahren nicht mehr mit ihnen beschäftigt - und auch Politik und Öffentlichkeit nicht. Dabei kommen nach wie vor Jahr für Jahr einige Tausend ins Land, "etwas unter dem Radar", sagt Jan Schneider vom Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR). 7000 Menschen waren es allein letztes Jahr. ...


Aus: "Spätaussiedlerinnen und Aussiedler: Die unbekannten Deutschen" Andrea Dernbach (01.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/spaetaussiedlerinnen-und-aussiedler-die-unbekannten-deutschen/28217868.html

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Quote[...] Beim Untergang eines Flüchtlingsboots sind nach Angaben der UNO und der Organisation Ärzte ohne Grenzen dutzende Menschen im Mittelmeer ertrunken. ,,Mehr als 90 Menschen sind bei einer weiteren Tragödie im Mittelmeer gestorben", erklärte der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Filippo Grandi, am Sonntag auf Twitter.

Laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hatte ein kommerzielles Tankschiff am Samstag vier Überlebende von einer Rettungsinsel gerettet. Die Geretteten hätten berichtet, sie seien mindestens vier Tage lang mit einem Boot mit fast 100 Menschen an Bord unterwegs gewesen. Rund 96 Menschen seien ertrunken. Das überfüllte Boot war demnach von Libyen aus Richtung Europa aufgebrochen.

Die Überlebenden benötigten ,,dringend Schutz und Versorgung", erklärte Ärzte ohne Grenzen. Sie dürften nicht nach Libyen zurückgebracht werden, forderte die Organisation. ,,Keiner der Überlebenden sollte an einen Ort zurückgeschickt werden, an dem ihm Inhaftierung, Missbrauch und Misshandlung drohen."

Libyen ist ein wichtiges Transitland für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. Werden die Menschen in das nordafrikanische Krisenland zurückgeschickt, werden sie in Internierungslagern untergebracht. Menschenrechtler üben immer wieder massive Kritik an den Bedingungen in den Zentren.

Grandi rief die EU zum Handeln auf: ,,Europa hat bewiesen, dass es in der Lage ist, vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine großzügig und effektiv aufzunehmen", erklärte er. Nun müsse es dringend darüber nachdenken, wie es dies auf andere Flüchtlinge und Migranten in Not anwenden kann.

Das neue Unglück wurde just an dem Wochenende bekannt, an dem Papst Franziskus auf Malta deutliche Kritik am Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer geübt hatte. Am Sonntag traf das Oberhaupt der katholischen Kirche bei seinem Besuch auf der Insel Migranten und sprach danach von einem ,,Schiffbruch der Zivilisation". Er forderte Europa auf, die Last besser zu verteilen und Länder wie Malta nicht allein zu lassen. Allerdings wird der kleinste EU-Staat immer wieder von Hilfsorganisationen kritisiert, Menschen in Not abzuweisen. (AFP, dpa)


Aus: "Flüchtlingsboot im Mittelmeer gesunken – fast 100 Tote" (04.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/tankschiff-rettet-vier-ueberlebende-fluechtlingsboot-im-mittelmeer-gesunken-fast-100-tote/28225096.html

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Quote[...]  JOHANNESBURG taz | Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau, zunehmende Aufsässigkeit der Jugend gegen die Regierung und eine Gewaltkampagne gegen Ausländer: Südafrika ähnelt in diesen Wochen einer tickenden Zeitbombe.

Vor wenigen Wochen wurden die Arbeitslosenzahlen für das vierte Quartal 2021 bekannt: 7,9 Millionen – 278.000 mehr als im Vorquartal – und in dem Land mit knapp 60 Millionen Einwohnern eine Arbeitslosenquote von 35,3 Prozent, ein Rekord. Das liegt nicht nur an der schweren Wirtschaftskrise infolge der Covid-19-Pandemie, sagt Analyst Daniel Silke. ,,Es ist Zeit, das Scheitern der aktuellen Wirtschaftspolitik anzuerkennen und diejenigen zu entfernen, die im Weg stehen", sagte er.

Auf der Straße klingt das krasser. ,,Wenn wir den ANC [den regierenden Afrikanische Na­tio­nal­kongress] und die illegalen Ausländer rausschmeißen, gibt es für unsere Leute Arbeit", sagt ein Aktivist der neuen ausländerfeindlichen Kampagne ,,Operation Dudula", die sich wie Buschfeuer aus dem Großraum Johannesburg nach Natal um Durban und sogar Westkap um Kapstadt ausgedehnt hat.

Dudula bedeutet wegschieben in der Zulusprache, es begann im Johannesburger Township Soweto als Kampagne gegen illegal eingereiste afrikanische Migranten, die dort Geschäfte machen. Die Kampagne nährt sich aus einem verbreiteten Gefühl, dass einheimische Südafrikaner durch die Benachteiligung in der Apartheid-Ära heute noch weniger Chancen hätten als afrikanische Migranten, die den Einheimischen Jobs und Sozialleistungen wegnähmen.

Nhlanhla Mohlauli, Anführer der Operation Dudula, wurde am Montag vergangener Woche von einem Gericht in Roodeport bei Johannesburg gegen eine Kaution von 1.500 Rand (94 Euro) aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Polizei wirft ihm Einbruch, Diebstahl und Sachbeschädigung im Rahmen seiner ,,Operation" vor. Er hatte Dudula-Aktivisten beim Sturm auf das Haus von Victor Ramerafe angeführt – einem Unterstützer der linksopposi­tio­nellen EFF (Economic Freedom Fighters) in Soweto, dem er vorwarf, in seinem Haus Drogenhandel zu betreiben.

Nun beharken sich Dudula-Führer Mohlauli und EFF-Chef Julius Malema, die zwei lautstarksten Politiker Südafrikas, wenn es um Jugend- und Migrationsthemen geht. Der 35-jährige Mohlauli ist ein ausgebildeter Pilot, der gerne in Militärkleidung auftritt, Einwanderern den Krieg erklärt und sagt, er sei bereit, für seine Überzeugungen zu sterben. Der 41-jährige Malema läuft Sturm gegen Korruption beim ANC und fordert zugleich ein geeintes Afrika ohne Grenzen.

In der Provinz Gauteng rund um Johannesburg, Epizentrum von Dudula, sind Aktivisten längst dabei, ausländische Kleinhändler gewaltsam von ihren Verkaufsständen zu verjagen. Sie haben auch Ausländer aus einem angeblich besetzten Haus werfen wollen. Die Innenstadt von Johannesburg und angrenzende Viertel wie Hillbrow haben den höchsten Ausländeranteil in ganz Südafrika.

Vor einer Woche breiteten sich die Spannungen in die Stadt Bredasdorp in Westkap aus – zwei Wochen nachdem Einwanderer aus Simbabwe und Lesotho, die in Westkap um Saisonarbeit konkurrieren, bereits aneinandergeraten waren. Eine Demonstration für bessere öffentliche Dienstleistungen degenerierte in ausländerfeindliche Gewalt: Militante brachen in Häuser ein, demolierten Kioske und stahlen Waren.

In der Provinz KwaZulu-Natal hat die Polizei vorerst Aktivitäten der Operation Dudula verhindert – die Provinz war im Juli 2021 Epizentrum der massiven Plünderungen und Gewalt, die sich ausbreiteten, als Kriminelle Protestaufrufe von Anhängern des Ex-Präsidenten Jacob Zuma gegen dessen Verhaftung ausnutzten und am Ende über 300 Menschen starben.

Erneute Unruhen hier sind ein Angstszenario. ,,Wenn ich im Fernsehen Dudula in anderen Provinzen sehe, kann ich kein Risiko mehr eingehen. Ich schließe mein Geschäft, bis ich eine Zusicherung erhalte, dass Dudula endet", sagt der Sambier Tennyson Jere, der in der Millionenstadt Durban ein Handyreparaturgeschäft betreibt.

Die rechtsoppositionelle DA (Democratic Alliance) warnt, eine Fortsetzung der Dudula-Übergriffe würde Südafrika in eine ähnliche Gewaltspirale treiben wie im Juli. ,,Wir verstehen den Frust unter marginalisierten Gemeinschaften, aber wir glauben nicht, dass Xenophobie und Gewalt dagegen das geeignete Mittel sind", sagte DA-Schatteninnenministerin Angel Khanyile. Sie warnte vor Kleinparteien wie Action SA und Patriotic Alliance, die die sogenannte Afrophobie anfeuern.

Südafrikas nächste Wahlen 2024 werfen bereits ihre Schatten voraus, und dieses Jahr bereits hält der regierende ANC seinen Wahlparteitag ab, der über die Kandidaturen entscheidet. Kritiker werfen Staatspräsident Cyril Ramaphosa vor, sich vorrangig dem Zusammenhalt des ANC zu widmen statt dem Zusammenhalt Südafrikas.


Aus: "Gewalt gegen Migranten in Südafrika: Angst vor ,,Operation Dudula"" Savious Kwinika (6.4.2022)
Quelle: https://taz.de/Gewalt-gegen-Migranten-in-Suedafrika/!5843467/

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"Streik in polnischen Internierungslagern: ,,Sie behandeln uns wie Tiere"" Christian Jakob (7.6.2022)
Menschen, die vor dem Ukrainekrieg nach Polen fliehen, können sich dort frei bewegen. Andere Geflüchtete sitzen dort in Internierungslagern fest.
Am Freitag vor Pfingsten kamen 22.300 Menschen aus der Ukraine nach Polen, flüchtend vor dem russischen Angriff. Seit der begann, registrierte Polen 3,82 Millionen Einreisen von Ukrainer:innen. Sie dürfen sich frei bewegen und arbeiten, Freiwillige und der Staat bieten Unterkunft. Per Smartphone können die Ankommenden eine Starthilfe des UN-Flüchtlingswerks von monatlich umgerechnet 544 Euro für eine vierköpfige Familie beantragen.
Das ist nicht für alle so. Ebenfalls am Samstag meldete der polnische Grenzschutz 14 ,,Versuche von Grenzübertritten" aus dem Nachbarstaat Belarus, Menschen aus Afrika und Asien. Sie werden in der Regel für viele Monate in eines von landesweit rund zehn polnischen Internierungslagern gebracht. Die Ungleichbehandlung könnte schärfer kaum sein. ...
Amnesty International veröffentlichte Mitte April einen auf Telefoninterviews basierenden Bericht über die Situation in den polnischen Lagern. Befragte aus Lesznowola gaben dabei an, sich durch die Behandlung der Wärter ,,entmenschlicht" zu fühlen....
https://taz.de/Streik-in-polnischen-Internierungslagern/!5856606/

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Quote[...] In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres hat es der Grenzschutzagentur Frontex zufolge mehr als 86.400 illegale Versuche gegeben, in die Europäische Union (EU) einzureisen. Das seien 82 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres gewesen. Allein im Mai registrierte die Organisation 23.500 illegale Übertritte – 75 Prozent mehr als im Mai 2021.

Insgesamt machten die illegalen Grenzüberschreitungen über die Westbalkan-Route die Hälfte aller von Frontex entdeckten Fälle aus. Knapp 40.700 seien es hier gewesen – eine Steigerung um 167 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum 2021. Die meisten Menschen, die den Weg über die Länder des ehemaligen Jugoslawien wählten, stammen Frontex zufolge aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.

Auch auf der Route über das östliche Mittelmeer, also über die Türkei, Griechenland und Zypern, habe die Zahl der Grenzübertritte zugenommen. Hier seien knapp 13.700 Versuche registriert worden – ein Anstieg um 116 Prozent. Etwa zwei Drittel dieser illegalen Grenzübertritte seien Einreiseversuche nach Zypern gewesen. Frontex zufolge kamen die meisten Migranten auf der östlichen Mittelmeerroute aus Syrien, Nigeria und dem Kongo.

Eine Zunahme habe es auch bei den Versuchen gegeben, über den Ärmelkanal von der EU aus illegal nach Großbritannien einzureisen. Frontex registrierte eigenen Angaben zufolge von Januar bis Mai mehr als 17.200 dieser Fälle, was einer Steigerung um 122 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in die EU einreisen, wurden laut Frontex nicht mitgezählt. Der Organisation zufolge sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges fünfeinhalb Millionen Menschen direkt aus der Ukraine oder über die Republik Moldau in die EU eingereist.


Aus: "Frontex: 82 Prozent mehr illegale Einreisen in die EU" (13. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/frontex-illegale-einreisen-eu-zunahme


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Quote[...] Madrid/Ceuta – Hunderte Flüchtlinge sind am Donnerstag gewaltsam in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta gelangt. Zwischen 450 und 600 Migranten hätten am frühen Morgen die gut sechs Meter hohen doppelten Grenzzäune überwinden können, berichteten spanische Medien übereinstimmend unter Berufung auf die Polizei.

Die Migranten hätten die Beamten unter anderem mit selbstgebauten Flammenwerfern und mit Branntkalk, der beim Kontakt mit der Haut gefährliche Verätzungen verursache, attackiert. Es habe sich um den größten Ansturm der vergangenen Jahre auf die Enklave an der Straße von Gibraltar gehandelt.

Dabei seien die Migranten so "brutal wie noch nie zuvor" vorgegangen, wurde ein Polizeisprecher von der Nachrichtenagentur Europa Press zitiert. Vier Beamte der Guardia Civil (Zivilgarde) und elf Migranten seien in ein Krankenhaus in Ceuta gebracht worden, hieß es.

Den Angaben zufolge versuchten Hunderte weitere Migranten, ebenfalls über die Grenzzäune zu klettern. Sie seien aber von spanischen und marokkanischen Beamten daran gehindert worden.

Spanien verfügt in Nordafrika über zwei Exklaven, die beide von Marokko beansprucht werden: Ceuta an der Meerenge von Gibraltar und das 250 Kilometer weiter östlich gelegene Melilla. In der Nähe der beiden Gebiete harren Zehntausende notleidende Afrikaner vorwiegend aus Ländern südlich der Sahara auf eine Gelegenheit, in die EU zu gelangen. (APA, 26.7.2018)


Aus: "Hunderte Migranten stürmen gewaltsam in spanische Exklave" (26. Juli 2018)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000084188753/hunderte-migranten-stuermen-gewaltsam-in-spanische-nordafrika-exklave

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Quote[...] Tausende Menschen aus Afrika wollten die Grenzzäune der spanischen Exklave überwinden. Die Sicherheitskräfte schritten rigoros ein, es gab mehrere Tote. NGOs üben scharfe Kritik

Das Video zeigt eine unwirkliche Szene. Dutzende von Menschen liegen völlig durcheinander – erschöpft, manche mit deutlichen Verletzungen, andere vermutlich sogar tot. Die Szenerie ereignet sich vor einem Posten der Grenze, die Marokko von der spanischen Exklave Melilla trennt. Die Leidgeplagten liegen am Boden, umstellt von marokkanischen Gendarmen. Sie gehören zu den mehr als 1000 Migranten, meist aus dem subsaharischen Afrika stammend, die Freitagfrüh den Grenzzaun zu stürmen versuchten. Die Aufnahmen wurden von der Ortsgruppe Nador der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH) verbreitet.

"Auf diese unmenschliche, gewalttätige Art wurden die Migranten am Grenzübergang Nador behandelt. Ihrem Schicksal überlassen, ohne Hilfe, stundenlang, was die Zahl der Toten ansteigen ließ", heißt es in einer Erklärung der AMDH zum Video. Während die spanischen und marokkanischen Behörden von 18 Toten sprechen, zählt die AMDH mindestens 37 tote Migranten. Hinzu kommen zwei tote Beamte der marokkanischen Gendarmerie. Hunderte Migranten sollen verletzt worden sein, mindestens 13 von ihnen schwer.

"Alles war voller Blut – Köpfe, Hände, Füße ...", zitiert die spanische Tageszeitung El País einen Anwohner, der den Grenzsturm beobachtet hatte. Er spricht von Paniksituationen, verursacht durch den Einsatz der marokkanischen Gendarmerie vor der Grenzanlage. Auch innerhalb des dreifachen Grenzzauns, mit dem sich Spanien von Marokko abschirmt, soll es zu turbulenten Szenen gekommen sein.

Die Anlage ist eine tödliche Falle. Sie besteht aus drei Zäunen, teilweise gekrönt von messerscharfem Nato-Draht. Zwischen zwei Reihen befindet sich ein Gewirr aus Stahlseilen, das das Erreichen des nächsten Zaunes erheblich erschwert. Und dann kommt auch noch eine Gasse, in der die spanischen Grenzschützer operieren.

Auch sie gingen nicht zimperlich vor. Bilder, die durch die sozialen Netzwerke gehen oder von spanischen Medien veröffentlicht wurden, zeigen, wie die spanische Guardia Civil diejenigen, die es geschafft hatten, auf spanischen Boden zu gelangen, gewaltsam durch Türen im Zaun zurücktreibt. Solche "pushbacks" sind nach internationalem Recht illegal. Denn einmal auf spanischem Boden, hat eigentlich jeder und jede das Recht, einen Asylantrag zu stellen. Auch wer dies nicht tut, darf ohne richterliches Verfahren nicht abgeschoben werden.

Mittlerweile verlangen neun spanische und marokkanische NGOs rund um die AMDH eine Untersuchung der Vorfälle. Die Toten und Verletzten seien "ein tragisches Symbol für die europäische Politik, den Grenzschutz zu externalisieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Auch die linksalternative Unidas Podemos (UP), die kleinere der beiden Parteien in der spanischen Linksregierung, verlangt Aufklärung.

Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez sieht dafür jedoch keinen Bedarf. Trotz der erschreckenden Bilder solidarisierte sich der Ministerpräsident nicht etwa mit den Toten und Verletzten, sondern mit "den Sicherheitskräften unseres Landes".

Diese hätten "außerordentliche Arbeit" geleistet, um "einen gewaltsamen Angriff auf die Integrität unseres Landes, der von der Menschenhändlermafia organisiert wurde", abzuwehren, so Sánchez, der auch für die marokkanische Gendarmerie voller Lob war. Sie hätte mit den spanischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet, um den "gewaltsamen Überfall zurückzudrängen".

Marokko war 1956 von Frankreich und Spanien unabhängig geworden. Dennoch hält Spanien dort weiterhin zwei Exklaven: Melilla und das 250 Kilometer weiter westlich gelegene Ceuta.

Sánchez hatte sich erst vor wenigen Wochen mit Marokkos König Mohammed VI. getroffen, um eine neue Freundschaft beider Länder zu besiegeln. Das Treffen fand nach mehreren Massenanstürmen auf die Grenze statt. Sánchez erkannte die Ansprüche Marokkos auf die ehemalige spanische Kolonie Westsahara an und versprach sich davon, dass es an den beiden Exklaven Melilla und Ceuta nicht mehr zu solchen Szenen wie am vergangenen Freitag kommen werde.

Die spanische Regierung will diese Woche beim Nato-Gipfel in Madrid die Verteidigung der Südflanke des Bündnisses zum Thema machen. Dabei geht es nicht nur um militärische Sicherheit. "Wir stehen vor sehr großen Bedrohungen unserer Südflanke, die unsere Souveränität gefährden, in Form der politischen, nicht zu akzeptierenden Nutzung von Energie und der irregulären Migration."


Aus: "Flucht und Migration: Schwere Vorwürfe nach Ansturm von Migranten auf Melilla" Reiner Wandler aus Madrid (26. Juni 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136909007/schwere-vorwuerfe-nach-ansturm-von-migranten-auf-melilla

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Quote[...] In einem Lastwagen im US-Bundesstaat Texas sind nach Angaben der Feuerwehr 46 tote Menschen entdeckt worden. Es handelt sich bei den Toten offenbar um Migranten. Auch die Lokalsender KSAT und News4SA sprachen von 46 Toten, die in dem Lastwagenanhänger nahe der Großstadt San Antonio gefunden worden seien. 16 Überlebende seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte der Feuerwehrchef. Fernsehbilder zeigten einen Großeinsatz der Polizei und Rettungskräfte.

Die Polizei suchte demnach nach dem Fahrer des Sattelzugs, der sein Fahrzeug in einer abgelegenen Gegend zurückgelassen hatte. Warum die Menschen gestorben waren, war zunächst noch unklar. Den Berichten zufolge soll es in San Antonio aber in den vergangenen Tagen sehr heiß gewesen sein.

In Lastwagen werden immer wieder von Mexiko aus Migranten in die USA geschleust. Der erzkonservative Gouverneur von Texas, Greg Abbott, machte auf Twitter die Migrationspolitik des Präsidenten Joe Biden dafür verantwortlich. "Diese Todesfälle sind Bidens Schuld." Sie seien "das Ergebnis seiner tödlichen Politik der offenen Grenzen", sagte Abbott. Es habe "tödliche Konsequenzen", geltendes Recht nicht durchzusetzen.

Die oppositionellen Republikanerinnen werfen Biden vor, in der Migrationspolitik und bei der Sicherung der Südgrenze einen zu laxen Kurs zu fahren. Sie wollen dieses Thema auch im Wahlkampf für die Kongresszwischenwahlen im November für sich nutzen.


Aus:"Mindestens 46 Tote in Lastwagen in Texas entdeckt" (28. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/texas-san-antonio-migranten-tot-in-lastwagen