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[Migration & Flüchtlingspolitik (Notizen) ... ]

Started by Link, April 28, 2015, 09:33:37 AM

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Quote[...] Es gab Zeiten, da war Fluchthilfe in Deutschland nicht nur kein krimineller Akt. Wer half, konnte sogar seinen Lohn einklagen. Im September 1977 gelang dies einem Norweger, der auf Bitte der Verlobten eines DDR-Bürgers den Mann über die innerdeutsche Grenze schmuggelte. Als das Paar die schriftlich vereinbarte Vergütung von 5000 D-Mark verweigerte, zog der Fluchthelfer vor Gericht.

Vor dem Berliner Kammergericht blitzte er ab, das Gericht hielt den Vertrag für sittenwidrig. Das sah der Bundesgerichtshof anders und hob das Urteil auf: "Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, dem anderen Vertragsteil für die sog. Ausschleusung eines Einwohners der Deutschen Demokratischen Republik ein Entgelt zu zahlen (Fluchthelfervertrag), verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) noch ohne weiteres gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB)."

Sprach Karlsruhe. Damals waren es die Organe der DDR, die Fluchthelfer als Menschenschmuggler diffamierten. Heute, da es vor allem um Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten geht, tun dies praktisch unisono die Behörden und Regierungen der europäischen Staaten. Diese Umetikettierung traf vor ein paar Jahren zuerst nur die, die ihnen dabei halfen, nach Europa zu kommen. Seit spätestens 2017 sind auch Nichtregierungsorganisationen ins Fadenkreuz von Justiz und Behörden geraten, die die derart Geschleusten davor bewahrten, im Mittelmeer zu ertrinken.

Derzeit bereiten sich zehn Crew-Mitglieder der "Iuventa" auf ihren Prozess in Italien vor. Das Schiff des Berliner Vereins "Jugend rettet" wurde im Hochsommer des vorletzten Jahres auf Sizilien beschlagnahmt, der Besatzung drohen 20 Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen illegalen Waffenbesitz, Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen und Beihilfe zur illegalen Einwanderung vor.

Am Dienstag fiel auf Malta das erste Urteil, das dieser neuen Politik geschuldet ist: Claus-Peter Reisch, Kapitän der "Lifeline", die letztes Jahr Migranten vor der libyschen Küste aus Seenot holte, muss deswegen 10.000 Euro Geldstrafe zahlen - weil sein Schiff nach Auffassung des Gerichts nicht ordnungsgemäß registriert war. Die Seenotretter gehen gegen das Urteil in Berufung.

Das Vorgehen gegen die Retter auf See scheint aber nur die sichtbare Spitze eines recht beeindruckenden Eisbergs zu sein. Weniger bekannt ist, dass Europas Behörden auch an Land immer massiver gegen Bürgerinnen und Bürger vorgehen, die Migranten, Geflüchteten, Papierlosen helfen - und sei es mit einer Unterkunft für ein paar Tage oder Hinweisen auf sichere Wege. Dass die Repression wächst, zeigt der jüngste Bericht des traditionsreichen Londoner Think Tanks "Institute of Race Relations" (IRR), der Ende April erschien.

Demnach wurden im vergangenen Jahr 99 Menschen wegen derartiger Hilfeleistungen angeklagt oder verurteilt - oder es wurde gegen sie ermittelt. Als das IRR 2017 zum ersten Mal recherchierte, waren noch 45 Personen europaweit betroffen.

Es wachse nicht nur die Zahl derer, die wegen "Solidaritätsverbrechen" ins Fadenkreuz von Justiz und Behörden geraten, schreiben die Autorinnen des Berichts, Frances Webber, Anya Edmond-Pettitt und die Europa-Chefin des IRR, Liz Fekete: "Es sind auch neue Straftatbestände entstanden, wie die Gefährdung der Sicherheit von Seefahrt und Flughäfen, Spionage, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Mitgliedschaft in der Organisierten Kriminalität. Wir erleben, dass Gesetze, die gegen Terror und die Mafia gerichtet sind, auf Organisationen und Einzelpersonen angewendet werden, die Flüchtlingen und Migranten helfen. In einigen Fällen wurden ihre Telefone abgehört und ihre Bankkonten gesperrt." Auch die Crew der "Iuventa" wurde abgehört.

Der Bericht unter dem Titel "Zeugen, die nicht schweigen wollen" listet unter anderem die Anklage wegen Menschenschmuggel gegen sechs tunesische Fischer auf, die im September 2018 14 Migranten in Italien abgesetzt hatten. Die Männer, die seit Jahren immer wieder auf Schiffbrüchige getroffen waren und geholfen hatten, erklärten, sie hätten die 14 aus Seenot gerettet und deren Boot auch erst nach Absprache mit der italienischen Küstenwache in italienische Gewässer abgeschleppt.

Ein weiterer Fall ist der der Spanierin Helena Maleno Garzón, die im marokkanischen Tanger lebt und gegen die die Justiz ihres Landes, schließlich auch die Marokkos, sechs Jahre lang wegen "Förderung illegaler Migration" vorging. Ihr Vergehen: Sie hatte ehrenamtlich die Küste beobachtet und die spanische Seenotrettung oder die marokkanische Küstenwache alarmiert, wenn sie zwischen Marokko und Spanien von Booten in Seenot erfuhr. Erst im März dieses Jahres wurden die Vorwürfe gegen Maleno Garzón fallen gelassen.

In Frankreich wurde Benoît Ducos wegen Menschenschmuggels verhört. Er hatte in den Bergen an der italienisch-französischen Grenze einer nigerianischen Familie geholfen und wollte die hochschwangere Mutter ins Krankenhaus im nahen Briancon bringen, als er von Grenzern gestoppt wurde. Zur Anklage kam es schließlich nicht, die kassierte Ducos allerdings für einen weiteren Fall, den der "Sieben von Briancon". Er hatte im März 2018 an einem Protestmarsch gegen die Straßenblockade einer Gruppe der rechtsextremen "Identitären Bewegung" teilgenommen. Weil sie auch dort Migranten mitnahmen, die über die Seealpen nach Frankreich wollten, wurden sie im vergangenen Dezember wegen Beihilfe zu illegaler Einreise verurteilt.

In Kroatien wurde Dragan Umicevic eine Taschenlampe zum Verhängnis. Er wurde im September 2018 verurteilt, nachdem er die Polizei auf eine Gruppe Flüchtlinge aufmerksam gemacht hatte und bei ihnen blieb, um sicherzustellen, dass die auf der Polizeiwache auch wirklich ihren Asylantrag stellen konnten. Dass er die Beamten mit einer Taschenlampe zur der Gruppe geführt hatte, legte ihm das Gericht als Zeichen aus, dass er ihr zum Grenzübertritt verholfen hatte.

Die Liste enthält auch den bekannter gewordenen Fall des Bürgermeisters von Riace in Kalabrien, Domenico Lucano. Weil er in seiner wirtschaftlich abgehängten 2300-Seelen-Gemeinde Migranten leerstehende Häuser zur Verfügung gestellt, ihnen Arbeit gegeben hatte und dadurch auch wieder Leben in die Gemeinde gekommen war, hatte ihn Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini gleich zu Beginn seiner Amtszeit aufs Korn genommen und beleidigt. Er wurde zeitweise vom Dienst suspendiert und muss sich im Juni wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder vor Gericht und Förderung illegaler Einwanderung verantworten. Lucano hatte einen Müllentsorgungsvertrag ohne öffentliche Ausschreibung an eine Kooperative gegeben hatte, die Flüchtlingen hilft.

Das IRR konstatiert in seinem Bericht nicht nur mehr Verfolgung von "Solidaritätsverbrechen", sondern auch ein Anwachsen eben dieser Solidarität: Es sei "offensichtlich", schreiben die Autorinnen, dass die Bürgerproteste und -aktionen "eine Antwort sind auf die große Zahl unnötiger Todesfälle und die Gefahren, die die EU-Politik vor allem, aber nicht ausschließlich, im Mittelmeer verursacht". Es seien "Gesetze und Praktiken" der Europäischen Union, die zu Widerstand unter Europas Bürgerinnen und Bürgern führten.




Aus: "Ganz Europa kriminalisiert die Hilfe für Flüchtlinge" Andrea Dernbach (14.05.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/nicht-nur-malta-ganz-europa-kriminalisiert-die-hilfe-fuer-fluechtlinge/24320520.html

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Quote[...] CANBERRA taz | ,,Die Situation auf der Insel Manus ist außer Kontrolle", warnte der iranische Autor und Journalist Behrouz Boochani am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter. Sechs Flüchtlinge hätten bereits versucht, sich im von Australien betriebenen Internierungslager in Papua-Neuguinea das Leben zu nehmen. ,,Manus wird zum Friedhof", so Boochani, der seit mehreren Jahren in der Anlage lebt.

Insgesamt fast 1.000 Flüchtlinge werden auf der Insel Manus sowie im kleinen Pazifikstaat Nauru auf Geheiß der australischen Regierung festgehalten – einige seit über fünf Jahren. Die unerwartete Wiederwahl der konservativen Regierungskoalition unter Premierminister Scott Morrison am Samstag habe vielen Internierten die Hoffnung geraubt, innerhalb kurzer Zeit entlassen zu werden.

Die Flüchtlinge hatten offenbar auf einen Sieg der oppositionellen Labor-Partei gehofft, und auf eine Lockerung der von einem ehemaligen Lagerarzt als ,,Folter" kritisierten Politik der Zwangsinternierung. ,,Unser Leben hing davon ab", so Boochani. Die Flüchtlinge hätten damit gerechnet, eine Labor-Regierung würde ein von Neuseeland gemachtes Angebot akzeptieren, 150 der Festgehaltenen aufzunehmen. Die konservative Regierung unter Premierminister Scott Morrison weigert sich, die Flüchtlinge nach Neuseeland reisen zu lassen.

Wie der Polizeikommandant von Manus, David Yapu, gegenüber dem Fernsehsender CNN sagte, hätten zwei auf der Insel Festgehaltene versucht, sich das Leben zu nehmen. Zwei weitere Suizidversuche seien aus der Hauptstadt Port Moresby gemeldet worden.

Laut Boochani, der sich in den letzten Jahren als Sprecher der Festgehaltenen einen Namen gemacht und ein Buch über die Situation auf Manus geschrieben hatte, führt die Diskrepanz bei den Opferzahlen darauf zurück, dass ,,die Polizei nicht über alle Fälle hier Bescheid weiß". Ian Rintoul, Sprecher der australischen Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition, bestätigte die Meldungen. ,,Es gibt eine Welle von Selbstmordversuchen seit dem Wahlausgang vom Samstag." Die australische Regierung äußerte sich bis Mittwochabend nicht offiziell zu den Meldungen.

Beobachter gehen davon aus, dass ein jüngst gegen den Willen der australischen Regierung eingeführtes Gesetz wieder rückgängig gemacht werden soll. Danach soll es im Ermessen von Ärzten liegen, ob kranke oder verletzte Flüchtlinge aus den Lagern zur Behandlung nach Australien evakuiert werden sollen. Bisher lag der Entscheid bei den Behörden. In einigen Fällen starben Schwerkranke oder -verletzte, weil ihnen der Flug nach Australien verweigert worden war oder die Bewilligung nicht rechtzeitig eingetroffen war.

Mehr als 4.000 Männer, Frauen und Kinder sind seit 2012 in den Lagern festgehalten worden, nachdem die damalige australische Labor-Regierung beschlossen hatte, kein sogenannter Bootsflüchtling dürfe jemals einen Fuß auf australischen Boden setzen. Es handelte sich dabei meist um aus Afghanistan, Irak und Iran stammende Menschen, die versucht hatten, von Indonesien oder Sri Lanka aus auf Fischerbooten nach Australien zu gelangen, um dort Schutz zu suchen.

Die Lebensbedingungen in den Lagern wurden unter Scott Morrison deutlich verschärft, als dieser Einwanderungsminister in der konservativen Regierung wurde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) sprach nach einer Inspektion der Pazifikinsel Nauru von einem ,,Regime systematischer Vernachlässigung und Grausamkeit". Nicht mal in Kriegsgebieten in Syrien und Irak habe AI derart inhumane Zustände angetroffen, unter welchen Flüchtlinge leben müssen, die den Schutz Australiens gesucht hatten.

Von Wärtern und Angestellten im Asylinternierungslager Nauru verfasste ,,Vorfall-Berichte" zeichnen ein Bild der Brutalität, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung: Fälle von Selbstmordversuchen, Selbstverstümmelungen, körperlichen Angriffen auf die festgehaltenen Asylsuchenden seien an der Tagesordnung, so auch ehemalige Mitarbeiter. Besonders häufig sind Berichte über angedrohte und erfolgte sexuelle Belästigungen von Frauen und Kindern. So sollen Wärter Kinder geschlagen oder sexuell attackiert haben.

Die Mehrheit der australischen Bevölkerung steht hinter der ,,Politik der Grausamkeit", wie Kritiker sie nennen. Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, die Praxis der Abschreckung von Nachahmern sei erfolgreich. Sie habe die Boote gestoppt, es würden keine Menschen mehr auf dem Weg nach Australien ertrinken. Wie viele der oftmals kaum seetüchtigen Schiffe in den Gewässern im Norden des Kontinents von der australischen Marine zur Umkehr gezwungen werden und wie viele Menschen auf dem Rückweg ertrinken, ist jedoch unklar. Die Regierung hat alle entsprechenden Informationen zur Geheimsache erklärt.



Aus: "Wahlsieg Konservativer in Australien: Suizid-Welle im Flüchtlingslager" Urs Wälterlin (22. 5. 2019)
Quelle: http://www.taz.de/Wahlsieg-Konservativer-in-Australien/!5597412/

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Quote[...] Weil Unrecht fürchtet, benannt zu werden, möchte ich mit diesem kurzen Text an folgendes erinnern: Heute trifft der Innenausschuss des Bundestages zur öffentlichen Anhörung für das »Abschiebegesetz« zusammen, für das sich Horst Seehofer (CSU) als Urheber rühmt. Zuvor haben 22 Organisationen in einem offenen Brief geschrieben: ,,Sollte dieses Gesetz in Kraft treten, werden Zehntausende in Deutschland permanent in Angst vor Haft und vor Abschiebung in einem Zustand der Perspektivlosigkeit leben." Dazu gehören u.a. Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Amnesty International Deutschland, PRO ASYL, Diakonie und Der Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband.

Das Gesetz sieht vor, dass von Abschiebung Bedrohte in regulären Gefängnissen untergebracht werden können. Abschiebehaft soll also als Strafhaft behandelt werden. Da musste ich an den durch Polizeigewalt ermordeten Asylbewerber Oury Jalloh vor 14 Jahren denken, der in einer Dessauer Polizeizelle lebendig verbrannt wurde – Oury Jalloh, einer von Tausenden, die strukturellem Rassismus täglich zum Opfer fallen. Außerdem soll künftig strafbar sein, wer beim ,,Untertauchen" hilft, mit anderen Worten: Humanität wird zum Verbrechen, auch die Arbeit entsprechender Vereine erschwert. Eine Aktivistin aus Berlin Kreuzberg hat mir im März gesagt, dass mit dem »Abschiebegesetz« ihre Beratung- und Unterstützungsarbeit teilweise eingestellt werden muss. Bei konkreten Einzelheiten, die das für den ein oder anderen haben wird, wurde ich sprachlos.

Sicher habt ihr auch mitbekommen, dass Joko und Klaas am Mittwoch die Hauptsendezeit von ProSieben im #JKlive für jene verwendet hat, die ,,mehr" und ,,sinnvollere" Sachen zu sagen hätten . Da war Pia Klemp, Kapitänin auf dem beschlagnahmten Rettungsschiff Iuventa10. Ihr drohen bis zu 20 Jahre Haft, weil sie auf der tödlichsten Grenze der Welt, das Mittelmeer, Menschenleben gerettet hat. Sie erzählte von einem toten Zweijährigen, den sie tagelang in einer Gefriertruhe verwahren musste, weil kein europäisches Hafen das Schiff aufnehmen wollte. ,,Was sage ich dieser traumatisierten Frau [der Mutter] über den Friedensnobelpreisträger EU?" – fragt sie und fügt hinzu: ,,Ich komme aus einer Generation, die damit aufwuchs, ihre Großeltern fragen zu müssen: ,Was habt ihr damals dagegen getan?' Jetzt bin ich Teil einer Generation, die sich von ihren Enkeln die gleichen Fragen gefallen lassen muss." Werde ich Antworten auf diese Fragen haben? Auch hier drängt sich eine Sprachlosigkeit auf, die sich in einer Vermischung aus Wut und Resignation ankündigt, gegen die ich mich mit Begriffen zu widersetzen versuche.

Heute ist nur eine Anhörung des Gesetzes, sicher, aber ein Schritt näher zur Verabschiedung desselben und zur Vorbereitung von niederträchtigeren. Lasst uns in der Familie, unter Freunden, in der Bar und Kneipe, auf der Straße Gehör verschaffen gegen die rassistische Schweinerei, die damit prahlt, Solidarität mit Notleidenden zu kriminalisieren, obwohl die Rüstungswirtschaft und Politik Deutschlands wie Europas die Geschlagenen aus ihrer Heimat vertreibt. Die Klassengewalt hat auch uns, die sie anvisiert und zu Mittätern disziplinieren will, anzuhören.

Abschiebegesetz, Abschiebepolitik, Abschiebung, Flüchtlingspolitik, Flucht


Aus: "Was habt ihr damals getan?" Mesut Bayraktar (03.06.2019)
Quelle: https://blogs.taz.de/stilbruch/2019/06/03/was-habt-ihr-damals-getan/

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Quote[...] Wie die Deutsche Presse-Agentur am Montagabend aus Koalitionskreisen erfuhr, soll in den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ,,Beschäftigungsduldung" eine Stichtagsregelung eingefügt werden. Die sogenannte Beschäftigungsduldung für Ausländer, die durch Arbeit dauerhaft ihren Lebensunterhalt selbst sichern und gut integriert sind, soll länger laufen: bis Ende 2023. Von dieser Regelung soll aber nur profitieren können, wer vor August 2018 eingereist ist.

Auf Betreiben der Union soll es zudem leichter werden, ausreisepflichtige Ausländer in Gewahrsam zu nehmen. Und zwar schon dann, wenn sie die von der Ausländerbehörde für ihre Ausreise gesetzte Frist um mehr als einen Monat überschritten haben.

Auf Drängen der SPD sollen mehr Schulabsolventen aus Nicht-EU-Staaten als ursprünglich vorgesehen zur Suche eines Ausbildungsplatzes für sechs Monate nach Deutschland kommen dürfen. Der Entwurf der Bundesregierung sah diese Möglichkeit eigentlich nur für Absolventen deutscher Auslandsschulen vor und für junge Menschen, deren Schulabschluss mit einem deutschen Schulabschluss gleichgestellt ist. Dieser Kreis wird jetzt deutlich erweitert. Gute Deutsch-Kenntnisse bleiben aber weiterhin Voraussetzung.

Die von der Regierung ebenfalls geplanten Visa-Erleichterungen für Fachkräfte werden nach Einschätzung von Experten allerdings keine große Zahl von ausländischen Arbeitskräfte nach Deutschland locken. Die Hürden für die Einreise qualifizierter Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten blieben auch mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz noch ziemlich hoch, sagte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags.

Die auf Erwerbsmigration spezialisierte Anwältin Bettina Offer sagte, das größte Problem seien nicht restriktive gesetzliche Vorgaben. Ein enormes Hindernis sei vielmehr, dass Fachkräfte an Standorten wie Bangalore in Indien oder Mexiko-City oft monatelang auf einen Termin warten müssten, um in einer deutschen Auslandsvertretung ihren Visumsantragstellung stellen zu können.

Johannes Jakob vom DGB-Bundesvorstand forderte, es dürften nur echte Fachkräfte kommen. ,,Wir sehen derzeit nicht die Notwendigkeit, Geringqualifizierte zusätzlich einwandern zu lassen." Unternehmen in Branchen wie der Fleischindustrie oder der Gastronomie könnten leicht Personal finden, wenn sie bessere Arbeitsbedingungen anbieten würden.

Das Bundeskabinett hatte in den vergangenen sechs Monaten mehrere Gesetzentwürfe zur Fachkräfteeinwanderung, zur Duldung für abgelehnte Asylbewerber mit festem Job, Leistungen für Asylbewerber und zu einer Verbesserung der Erfolgsquote bei Abschiebungen verabschiedet.

Pro Asyl erklärte: ,,Diese Gesetzespakete atmen den Geist des Rechtspopulismus". Der Paritätische Gesamtverband sprach von einer ,,maßlosen Ausweitung der Abschiebungshaft".

Das ,,Geordnete-Rückkehr-Gesetz" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht erweiterte Haftgründe für Ausländer vor, bei denen die Behörden vermuten, dass sie vor einer geplanten Abschiebung untertauchen könnten. Ausreisepflichtige Ausländer, denen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Schutzstatus zuerkannt wurde, sollen in Deutschland nur noch zwei Wochen lang staatliche Hilfe erhalten.

Grüne, Linke und der Paritätische Gesamtverband kritisierten besonders die geplante ,,Duldung minus" für abgelehnte Asylbewerber, die an der Klärung ihrer Identität und der Beschaffung von Reisedokumenten nicht mitwirken. Wer mit diesem Status in Deutschland lebt und sich später um einen dauerhaften Aufenthaltsstatus bemüht, bekommt diese Phase nicht als ,,Voraufenthaltszeiten" angerechnet.

Über die Gesetzentwürfe könnte bereits diesen Freitag im Bundestag abschließend beraten werden. Mehrere Oppositionspolitiker haben allerdings das hohe Tempo beklagt, mit dem über diese Migrations- und Asylvorhaben beraten wird.


Aus: "Gesetzespaket zu Asyl und Migration: Große Koalition bessert nach" (03.06.2019)
Quelle: https://www.focus.de/finanzen/boerse/wirtschaftsticker/gesetzespaket-zu-asyl-und-migration-grosse-koalition-bessert-nach_id_10788567.html

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Quote[...] Ein Einwanderungsgesetz gehört zu den Hauptvorhaben der großen Koalition. Im vergangenen Dezember hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen. Doch dann stockte das Projekt, weil die Union härtere Abschieberegelungen wollte. Nun ist ein Kompromiss gefunden, den der Bundestag am Freitag verabschieden soll.

Zur Abstimmung steht ein Paket von sieben Gesetzesänderungen aus dem Bereich Migration und Integration. Änderungen am Staatsbürgerschaftsrecht sollen unmittelbar danach folgen. Die Einigung zeige, dass die Koalition trotz der Krise in der SPD arbeitsfähig sei, betonten Regierungsfachpolitiker von Union und SPD. Die wichtigsten Punkte im Überblick.   

Was ändert das Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Grundsätzlich gilt: Das Einwanderungsgesetz – oder Fachkräfteeinwanderungsgesetz, wie es auf Wunsch der Union präziser heißt – betrifft nur Menschen aus Nicht-EU-Staaten. EU-Ausländer können schon bisher im Rahmen der EU-Freizügigkeit zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen und bilden auch den weitaus größten Teil der Zuwanderer und Zuwanderinnen. Für Nicht-EU-Ausländer sind die Hürden dagegen so hoch, dass ihr Zuzug bisher relativ gering ausfiel.

Vor allem für Nichtakademiker mit qualifizierter Berufsausbildung soll nun der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden. So entfällt die bisher geltende Beschränkung auf Mangelberufe. Erstmals dürfen auch beruflich qualifizierte – und nicht nur Akademiker – für sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland kommen. Sie müssen also nicht schon vorher ein Jobangebot haben. IT-Fachkräfte sollen auch ganz ohne formalen Abschluss einwandern können – wenn sie entsprechende berufliche Erfahrung haben und nachweisen können, dass sie mindestens 50.000 Euro im Jahr verdienen werden. Besondere Regeln gelten für Menschen über 45 Jahre. Sie müssen ein Mindestgehalt oder eine sonstige angemessene Altersvorsorge nachweisen. So wolle man verhindern, dass ältere Menschen einwanderten, die später Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, sagte der Unionsabgeordnete Thorsten Frei. 

Wie viel Zuwanderung wird das Gesetz bringen?

Da halten sich die Fachpolitiker von Union und SPD bedeckt. Sie hoffen gleichwohl auf spürbare Effekte: Man erwarte, dass die Zahlen der Asylsuchenden deutlich zurückgingen, weil es nun mehr Wege für legale Migration gebe, sagte etwa die Innenexpertin der SPD-Fraktion, Eva Högl. Arbeitsmarktexperten sind jedoch skeptisch. Die Hürden für die Einreise qualifizierter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus Nicht-EU-Staaten blieben hoch, kritisierte etwa der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages. Auch FDP und Grüne werfen der Regierungskoalition vor, das Gesetz sei viel zu klein geraten. Die Koalition selbst rechne damit, dass der jährliche Zuzug von ausländischen Fachkräften von derzeit etwa 28.000 Menschen auf lediglich 53.000 jährlich steigen werde, heißt es in einem Positionspapier der FDP. Die Nettozuwanderung werde allerdings noch weit geringer ausfallen, da jedes Jahr auch wieder Fachkräfte das Land verlassen. Laut Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung liegt der Bedarf wegen des demographischen Wandels jedoch bei jährlich 150.000 Fachkräften aus nicht EU-Staaten.

Wie viel Zuwanderung wird das Gesetz bringen?

Da halten sich die Fachpolitiker von Union und SPD bedeckt. Sie hoffen gleichwohl auf spürbare Effekte: Man erwarte, dass die Zahlen der Asylsuchenden deutlich zurückgingen, weil es nun mehr Wege für legale Migration gebe, sagte etwa die Innenexpertin der SPD-Fraktion, Eva Högl. Arbeitsmarktexperten sind jedoch skeptisch. Die Hürden für die Einreise qualifizierter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus Nicht-EU-Staaten blieben hoch, kritisierte etwa der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages. Auch FDP und Grüne werfen der Regierungskoalition vor, das Gesetz sei viel zu klein geraten. Die Koalition selbst rechne damit, dass der jährliche Zuzug von ausländischen Fachkräften von derzeit etwa 28.000 Menschen auf lediglich 53.000 jährlich steigen werde, heißt es in einem Positionspapier der FDP. Die Nettozuwanderung werde allerdings noch weit geringer ausfallen, da jedes Jahr auch wieder Fachkräfte das Land verlassen. Laut Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung liegt der Bedarf wegen des demographischen Wandels jedoch bei jährlich 150.000 Fachkräften aus nicht EU-Staaten.


Aus: "Migration: Mehr Fachkräfte, mehr Abschiebungen"  Katharina Schuler (5. Juni 2019)
Katharina Schuler, Redakteurin im Ressort Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ZEIT ONLINE
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-06/migration-asyl-integration-gesetzespaket-grosse-koalition-faq#was-aendert-das-fachkraefteeinwanderungsgesetz

Quotelassteskrachen #74

Ein Geschenk für die Wirtschaft. ...


QuoteHerr Wolfmann #47

Der ideale Einwander: 1) Darf nicht arm sein, noch Not leiden. 2) soll gut ausgebildet sein, (Warum sollen deutsche Unternehmen in teure Ausbildung investieren?). 3) Sollte in ihrem Herkunftsland dringend gebraucht werden (wir bemühen uns derweil, Ausländer, die wir nicht brauchen können, auch noch in ärmere Länder abzuschieben). 4) Soll in Deutschland konsumieren & Steuern zahlen, keine Familie im Herkunftsland finanzieren (das sind unsere Devisen!), aber vielleicht doch nicht ganz dauerhaft einwandern (Wir wollen ja nicht, dass ihre Kinder am Ende in unsere Sozialsysteme einsickern).
...


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Quote[...] Die Grünen-Politikerin Filiz Polat hat das Gesetzespaket zur Migration von Union und SPD scharf kritisiert. Es sei ein ,,Katalog der Inhumanität", sagte sie im Dlf. Dadurch würden Flüchtlinge kriminalisiert und Grundrechte gebrochen. ,,Auch für abgelehnte Asylbewerber gilt unser Grundgesetz."

Filiz Polat im Gespräch mit Christiane Kaess


Christiane Kaess: Nach dem politischen Paukenschlag von Andrea Nahles, von allen politischen Ämtern zurückzutreten, wollen SPD und Union zeigen, dass die Große Koalition dennoch handlungsfähig bleibt. Überraschend schnell hatten sich die Koalitionspartner vorgestern auf ein Paket zu acht Migrationsgesetzen geeinigt.

Die Abgeordneten des Bundestages sollen schon bis morgen den Großteil der Regelungen verabschieden. Rückführungen beziehungsweise Abschiebungen sollen entschiedener durchgesetzt werden. Abgelehnte Asylsuchende, die ausreisen müssen, sollen einfacher in Gewahrsam genommen werden können. Sanktionen wie ein Arbeitsverbot soll es für diejenigen geben, die nicht mithelfen, ihre Identität zu klären. Auf der anderen Seite soll die Einwanderung von Fachkräften erleichtert werden. Vorgesehen ist zudem auch ein Gesetz zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung.

Kritik kommt von der Opposition und darüber kann ich jetzt sprechen mit Filiz Polat. Sie ist Sprecherin für Migrationspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Frau Polat!

Filiz Polat: Guten Morgen, Frau Kaess.

Kaess: Härtere Regeln für Rückführungen, Abschiebungen von Asylsuchenden, die schon abgelehnt sind, die sollen forciert werden. Was ist daran falsch?

Polat: Na ja, wir erleben in dieser Woche im Deutschen Bundestag nach 1993 die schärfsten Eingriffe in das Asylrecht von Geflüchteten und unverhältnismäßige Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte. Die Gesetze, die uns vorliegen, sind ein Katalog der Entrechtung und Inhumanität, denn auch für abgelehnte Asylbewerber gilt unser Grundgesetz, und hier werden nicht wenige Grundrechte in verschiedener Weise gebrochen.

Das Problem sind nicht die Geflüchteten, sondern das Problem ist, dass diese Bundesregierung dem rechten Kurs der AfD folgt, Flüchtlinge kriminalisiert, sie als Identitätstäuscher general pauschal abtut und die Gesetze sich konterkarieren, weil wenn wir von abgelehnten Asylbewerbern sprechen, sprechen wir ja genau von denjenigen, wo Unternehmen sagen, die sind jetzt schon so lange hier, die haben sich hier integriert, wir sind aufgefordert, sie zu integrieren, und wir wollen eigentlich ein Bleiberecht für diese Personen.

Kaess: Um die geht es ja nicht nur. Wo sehen Sie denn Grundrechte gebrochen?

Polat: Es wird quasi eine neue Duldung eingeführt, eine sogenannte Duldung light. Das verstößt gegen Urteile des Bundesgerichtshofes. Man sagt, es kann keinen Status unter einem Status geben. Der Anwaltsverein spricht von der Entrechtung der zukünftigen Mandantinnen und Mandanten. Mit diesem Status ist verbunden, dass man ein Ausbildungsverbot hat, ein Beschäftigungsverbot, man bekommt eine Wohnsitzauflage und man wird unter das garantierte menschenwürdige Existenzminimum gekürzt, das für alle Menschen gleich ist, unabhängig von der Herkunft und des Aufenthaltsstatus.

Kaess: Aber, Frau Polat, wenn ich das richtig verstanden habe, ist genau das als Sanktion gemeint, wenn zum Beispiel Asylsuchende nicht wirklich mithelfen, zum Beispiel ihre Identität zu klären.

Polat: Genau, und das ist das Bild, was ich vorhin skizziert habe. Es wird dieser Personenkreis der ausreisepflichtigen Personen unter den Generalverdacht gestellt, dass sie Identitätstäuscher sind. Aber schaut man sich die Gruppe an, muss man einfach feststellen, dass erstens 130.000 von diesen 180.000 Geduldeten, die aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen Abschiebungshindernisse haben – 133.000 sind erwerbsfähig, von diesen 180.000 sind über 50.000 Kinder und Jugendliche und die größte Gruppe unter diesen Menschen sind Afghaninnen und Afghanen, von denen ungefähr 14 Bundesländer sagen, in dieses Land schieben wir nicht ab, und aus unserer Sicht zurecht. Diese Menschen als Identitätstäuscher zu kriminalisieren, das halten wir für falsch, und deswegen ...

Kaess: Warum ist das ein Generalverdacht, wenn konkret in einem Einzelfall Sanktionen verhängt werden? Was hat das mit Generalverdacht zu tun?

Polat: Das hat mit Generalverdacht zu tun, weil man erst mal diesem Personenkreis unterstellt, dass sie den Staat betrogen haben. Es wird von Illegalen gesprochen. Nehmen wir noch mal die Gruppe der Afghanen. Die sind gekommen, weil sie aus einem Kriegsland kommen und hier um Schutz gebeten haben. Viele von den Afghaninnen und Afghanen sind abgelehnt worden und diejenigen, die gegen diesen Bescheid geklagt haben – wir wissen um die Qualität der Bescheide des Bundesamtes –, haben zu 30 Prozent recht bekommen.

Diese Menschen sind jetzt geduldet, sie sind keine Asylberechtigten, haben aber die Möglichkeit, in ein Bleiberecht zu kommen. Das wünschen sich auch viele in der Zivilgesellschaft, viele Flüchtlingsinitiativen, und wir wissen, dass sie Afghanen sind. Sie täuschen nicht über ihre Identität. Es ist aber praktisch für sie nicht möglich, an Identitätsdokumente zu kommen, und hier wird ein falsches Bild gezeichnet und es wird eine Mitwirkung suggeriert, die die Betroffenen gar nicht beibringen können.

Kaess: Jetzt sagt die Union aber oder weist noch mal darauf hin, dass im letzten Jahr es mehr gescheiterte Rückführungen gab als solche, die tatsächlich vollzogen wurden. Und vor diesen Entscheidungen steht ja ein Verfahren. Sehen Sie hier keinen Handlungsbedarf?

Polat: Ganz ehrlich: Auch in der Sachverständigenanhörung wurde deutlich – wir hatten am Montag die Expertinnen und Experten zu dem Gesetzespaket gehört und es wird wirklich versucht, dieses Vollzugsdefizit, was die Union selber als regierende Fraktion darstellt, wird widerlegt, sehr eindeutig. Der Paritätische Gesamtverband hat deutlich gemacht die Zahlen für 2018. Wir hatten 19.000 rechtskräftig festgestellte Ausreisepflichtige und im gleichen Jahr sind 18.000 abgeschoben worden. Und dann sind 2018 41.000 rechtskräftig Abgelehnte ausgereist.

Kaess: Da sagt die Union, wenn ich da mal kurz einhaken darf, das sind natürlich nur die Zahlen vom letzten Jahr und das geht ja alles schon viel länger zurück.

Polat: Das ist richtig.

Kaess: Ich möchte an der Stelle mal kurz einspielen, was Thorsten Frei, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender, gestern dazu im Deutschlandfunk gesagt hat.

O-Ton Thorsten Frei: Wir reden hier immer über die letzte Möglichkeit. In keinem Fall ist es so, dass Menschen einfach von der Polizei abgeholt und zum Flughafen gebracht werden, sondern natürlich haben wir jedes Mal das Ziel der freiwilligen Ausreise. Und das wird auch mehrfach versucht! Wir sprechen hier über Leute, die in der Regel Identitätstäuscher sind, Mitwirkungsverweigerer sind, die letztlich alles dafür tun, um ihre Ausreise aus Deutschland zu verhindern, obwohl sie keine Flüchtlinge sind, obwohl sie kein Bleiberecht haben. Und da geht es um Rechtsdurchsetzung!

Kaess: Soweit Thorsten Frei. Und er hat es noch mal betont: Es geht hier um die Umsetzung von geltendem Recht.

Polat: Genau. Aber wie gesagt, wir haben kein Vollzugsdefizit. Diejenigen, die über ihre Identität täuschen, die eine Straftat begehen, eine schwere Straftat, da sind die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes schon jetzt gegeben, und die werden auch abgeschoben. Ich habe gerade die Zahlen für 2018 genannt; man kann das aber auch für die Jahre davor skizzieren.

Kaess: Wieso sagen Sie, dass es kein Vollzugsdefizit gibt, wenn die Union auf der anderen Seite sagt, dass es im letzten Jahr – ich habe es schon mal angeführt an dieser Stelle – mehr gescheiterte Rückführungen gab als die, die tatsächlich dann durchgesetzt worden sind?

Polat: Ja, das Interessante ist ja – ich habe das Interview von Herrn Frei nachlesen können –, dass sie die Zahlen nicht beibringen können. Wir haben mehrfach nachgefragt, aus welchen Gründen die Abschiebungen scheitern, und er sagt oder die Union sagt immer wieder, weil die Menschen untergetaucht sind, und das ist nicht belegbar. Wir müssen nur einfach mal die Zahlen aus Bayern kennen. Auch hier die Gruppe der Afghaninnen und Afghanen, weil sie die größte Gruppe der Ausreisepflichtigen ist.

Kaess: Frau Polat, da kommt die Musik im Hintergrund. Wir müssen leider an der Stelle einen Punkt machen, weil wir auf die Nachrichten zulaufen.

Polat: Gut.

Kaess: Ich glaube, Ihre Ansicht ist klar geworden. – Vielen Dank für das Interview.

Polat: Ich danke Ihnen auch.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Aus: "Gesetzespaket zur Migration: ,,Diese Bundesregierung folgt dem rechten Kurs der AfD"" (06.06.2019)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/gesetzespaket-zur-migration-diese-bundesregierung-folgt-dem.694.de.html?dram:article_id=450671

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Quote[...] Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Das von der GroKo eingebrachte Gesetzespaket zur Migration verstößt nach Ansicht von Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler gegen das Grundgesetz. "Massive Grundrechtseinschränkungen und verfassungswidrige Regelungen sollen im Schnellverfahren und ohne Kritik verabschiedet werden", sagte Schindler am Dienstag. "Asylsuchende sollen in normalen Haftanstalten inhaftiert werden. Ein Novum. Bisher galt der Grundsatz, dass Straftäter getrennt von Asylsuchenden inhaftiert werden." Auch das Vorhaben, Asylsuchenden Sozialleistungen zu streichen, sei ein Verfassungsbruch, so Schindler.


Aus: "Gesetzespaket zur Migration verstößt gegen Grundgesetz" (05.06.2019)
Quelle: https://www.wallstreet-online.de/nachricht/11507544-linke-gesetzespaket-migration-verstoesst-grundgesetz

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Quote[...] Nach der Annahme verschärfter Abschieberegeln im Bundestag gibt es Widerstand aus den Justizministerien der Länder. Der Rechtsausschuss des Bundesrats sprach sich laut Berichten der Welt und der Süddeutschen Zeitung mehrheitlich dafür aus, das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu überweisen. Der Welt zufolge haben auch einige Vertreter von unionsgeführten Landesjustizministerien für eine Entschärfung des Gesetzes von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gestimmt.

Die Initiative sei von drei Grünenjustizministern ausgegangen, berichtete die Zeitung, die sich auf Angaben aus der Berliner Justizverwaltung berief. Grund der Kritik ist den Berichten zufolge, dass künftig Abschiebehaft in normalen Gefängnissen erlaubt sein soll. "Die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist unerlässlich, um rechtsstaatliche Mindeststandards im Gesetz zu verankern", sagte der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) Welt. "Die Unterbringung ganzer Familien in der Strafhaft verstößt dagegen eklatant." CDU-geführte Justizministerien hatten die Neuerung bereits im März in einer Erklärung kritisiert.

Wenn es im Bundesrat bei seiner Sitzung am 28. Juni eine Mehrheit für die vorgeschlagene Anrufung des Vermittlungsausschusses gibt, könnte dies das Gesetz verzögern. Dass es scheitert, ist aufgrund der Regeln des Verfahrens aber sehr unwahrscheinlich. Der Bundestag hatte das Gesetz am Freitag zusammen mit einer Reihe von Neuregelungen zu Asyl, Arbeitsmigration und Abschiebungen beschlossen.


Aus: "Widerstand gegen Horst Seehofers neue Abschieberegeln" (13. Juni 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-06/bundesrat-abschieberecht-horst-seehofer-gruene

QuoteEineruntermilliarden #3

Ganze Familien in ein Gefängnis zusammen mit Kriminellen zu sperren... dazu fällt mir nichts mehr ein.
Die Union macht vor Anbiederung mit dem entlaufenen AfD-Wähler ja vor nichts mehr halt. Donald Trump hätte seine Freude dran.

Wo soll da jetzt eigentlich der Unterschied zur AfD sein? Wirtschaftsliberale Agenda, "Verbringung" von Familien inkl. Kinder in Haftanstalten. Ist doch derselbe braune Mist in schwarz.
Wäre ich rechts, würde ich dennoch AfD wählen. ... Sie wissen um die Mietenproblematik, um die Problematik der prekären Beschäftigung, um die Rentenproblematik, Bildung etc. (SPD eingeschlossen), Schwafeln von Europa und Zukunft und sozialer Gerechtigkrit und dem ganzen Mist und wofür nutzen sie ihre Zeit? Um Kinder in den Knast zu stecken. Pfui!!!


QuoteZeiterleben #7

"Geordnetes-Rückkehr-Gesetz". Da hat sich jemand wieder ein harmlos klingendes Wort ausgedacht, damit jeder Nachrichtenkonsument denkt alles sei damit in Ordnung. Was sich dahinter verbirgt ist das Gegenteil. Das jedenfalls wissen aus Erfahrung und Kontakt zu den Betroffenen hunderte von Sozialverbänden inkl. der Kirchen, die sich gegen diese unmenschlich betriebenen Inhaftierungen und Abschiebungen wehren. Und das Vorgehen ist ja noch nicht mal gesetzlich legitimiert (so z.B. das gewaltsame Aufbrechen der Zimmer). Wer die Tatsachenberichte der Flüchtlingsräte und sozialen Verbände liest, bekommt schnell ein Bild von der grausamen Realität, die die Behörden genau wie die Gewalt von ihrer Seite und die Suizide nicht gerne an die Öffentlichkeit bringen. Denn die soll ja den Eindruck bekommen, dass alles "geordnet" sei. Das hatten wir doch alles schon mal und ich zumindest finde es unerträglich, dass das in Deutschland wieder auf diese Art möglich sein soll und Kinder nachts mit Schuhen schlafen, aus Angst vor der drohenden Abschiebung.


QuoteBlue Brother #12

86% der Bevölkerung wünschen sich konsequentere Abschiebungen (selbst googlen, es stimmt).
Man kann das ignorieren, lächerlich machen oder als vermeintlich rechts "bekämpfen". Aber dann stellt die Afd irgendwann den Kanzler.


QuoteAugust S #12.1

Ich bezweifle mal, dass 86% wünschen, dass man dafür ganze Familien in den Knast steckt.


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Quote[...] In der fast 70-jährigen Geschichte des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) hat es weltweit noch nie so viele Menschen auf der Flucht gegeben wie im vergangenen Jahr. Das Flüchtlingshilfswerk schätzt die Zahl auf 70,8 Millionen Geflüchtete, Vertriebene und Asylbewerber, sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Das seien 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor und doppelt so viele wie vor 20 Jahren.

Aus dem jährlichen Bericht Global Trends der UN geht hervor, dass es sich bei 41,3 Millionen Geflüchteten um Binnenvertriebene handelt. 25,9 Millionen Menschen sind demnach vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen, ein Plus von 500.000 im Vergleich zum Vorjahr. Die kleinste Gruppe bilden 3,5 Millionen Asylbewerber, die noch auf eine Entscheidung über ihr Asylgesuch warten. Allein 6,7 Millionen Geflüchtete kamen aus Syrien, weitere 2,7 Millionen aus Afghanistan und 2,3 Millionen aus dem Südsudan. Weitere wichtige Herkunftsländer waren Myanmar, Somalia, Sudan und die Demokratische Republik Kongo.

Wie der Repräsentant des Flüchtlingshilfswerks in Deutschland, Dominik Bartsch, gegenüber der Stuttgarter Zeitung sagte, werden täglich 37.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Mehr als die Hälfte der Betroffenen sind demnach Kinder. Der UN-Vertreter nannte in dem Zusammenhang Afghanistan und Sudan.

"Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt", sagte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. Es gebe trotz einer oft vergifteten Sprache im Zusammenhang mit Geflüchteten und Migranten auch fantastische Beispiele von Großmut. "Auf diesen positiven Beispielen müssen wir aufbauen und unsere Solidarität für die vielen Tausenden, die jeden Tag vertrieben werden, verdoppeln", forderte Grandi. Lösungen könne es aber nur geben, wenn alle Länder zusammenarbeiteten.

In Deutschland ging die Zahl der neuen Asylanträge dem Bericht zufolge erneut deutlich zurück. Demnach sank die Zahl der Antragsteller 2018 auf 161.900, ein Jahr zuvor waren es noch 198.300 gewesen, 2016 sogar 722.400. Die meisten Asylsuchenden kamen aus Syrien, dem Irak und dem Iran. Insgesamt gab es laut UNHCR zum Jahreswechsel 1,06 Millionen anerkannte Geflüchtete in Deutschland, die Hälfte davon aus Syrien.


Aus: "Migration: Mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht" (19. Juni 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-06/migration-un-flucht-asyl-fluechtlinge

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#67
Quote[...] US-Präsident Donald Trump hat die umstrittenen Internierungslager für Migranten an der Grenze zu Mexiko erneut gegen Kritik verteidigt. ,,Viele von ihnen - nicht alle, aber viele von ihnen -, sie sind unglaublich, sie werden wirklich gut betrieben", sagte Trump am Freitag vor Journalisten in Washington. Mit Blick auf die Grenzpolizei CBP fügte er hinzu: ,,Ich denke, sie machen einen großartigen Job mit diesen Einrichtungen." Das Problem der Überfüllung der Lager könne gelöst werden, indem Migranten den USA fernblieben, statt illegal über die Grenze zu kommen. ,,Sagt ihnen, dass sie nicht kommen sollen, weil es illegal ist."

Die interne Aufsichtsbehörde des US-Heimatschutzministeriums hatte zuvor ein verheerendes Bild von Lagern gezeichnet, in denen Migranten nach dem illegalen Grenzübertritt aus Mexiko in die USA festgehalten werden. Nach der Inspektion fünf solcher Einrichtungen der Grenzpolizei CBP im Rio Grande Valley warnte das Büro des Generalinspekteurs (OIG), die Lager seien gefährlich überfüllt. Erwachsene und Kinder würden häufig zu lange festgehalten. Der am Dienstag veröffentliche OIG-Bericht schilderte alarmierende hygienische Zustände in den inspizierten Einrichtungen.

Der republikanische Präsident sagte dagegen, er habe selber einige Einrichtungen gesehen. ,,Sie sind sauber, sie sind gut." Wenn die Lager überfüllt seien, sei das die Schuld der Demokraten, die sich weigerten, ,,Schlupflöcher" in den Migrationsgesetzen zu schließen. Trump betonte, die Grenzpolizisten seien nicht dazu ausgebildet, ,,Ärzte und Krankenpfleger und Hausmeister zu sein". Die Migranten aus Lateinamerika kämen in die USA, weil sich die Wirtschaft unter ihm so positiv entwickelt habe. ,,Sie wollen Jobs."

Trump sagte mit Blick auf Migranten mit Abschiebebescheid: ,,Abertausende Menschen werden legal aus dem Land geschafft, und dieser Prozess hat begonnen und wir machen das tatsächlich schon seit langer Zeit." Trump hatte ursprünglich Massenabschiebungen ab Sonntag angedroht und dann gesagt, Abschiebungen würden nach dem Feiertag am 4. Juli beginnen. Am Freitag sagte er: ,,Menschen werden außer Landes gebracht, wir bringen sie raus." Die Polizeibehörde ICE hatte im Gegensatz zu Trump nicht von Millionen Abschiebungen gesprochen, sondern von mehr als 2000 Menschen, die ins Visier genommen würden.

Die Lager sind wegen der stark gestiegenen Zahl der Migranten völlig überlastet. In den acht Monaten zwischen Oktober 2018 und Mai 2019 wurden nach CBP-Angaben mehr als 676 000 Menschen beim illegalen Grenzübertritt aus Mexiko in die USA aufgegriffen. Das sind etwa doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Zuletzt registrierte CBP monatlich mehr als 100 000 illegale Grenzübertritte. Viele der Migranten stammen aus Guatemala, El Salvador oder Honduras. Trump hat einen Nationalen Notstand an der Grenze ausgerufen. (dpa)


Aus: "An der Grenze zu Mexiko Trump nennt Internierungslager für Migranten ,,wirklich gut"" (05.07.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/an-der-grenze-zu-mexiko-trump-nennt-internierungslager-fuer-migranten-wirklich-gut/24531210.html

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/usa-migration-mittelamerika-asylschutz-aufgehoben-einreise

"Flüchtlingspolitik: Berlin sieht Italiens Flüchtlingsplan skeptisch" (15. Juli 2019)
Die EU-Außenminister ringen um einen Verteilmechanismus für aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge. Ein Vorschlag Italiens stößt bei Deutschland auf wenig Gegenliebe.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-07/fluechtlingspolitik-michael-roth-spd-staatsminister-fluechtlinge-verteilung


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Quote[...] Behörden haben im ersten Halbjahr dieses Jahres insgesamt 609 Angriffe auf Geflüchtete verzeichnet. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion im Bundestag hervor, wie die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet. Die Delikte umfassen unter anderem Beleidigung, Volksverhetzung, Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung. Fast alle Straftaten habe die Polizei als politisch motivierte Kriminalität von rechts eingestuft.

Den Angaben zufolge wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 60 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sowie 42 Attacken gegen Hilfsorganisationen oder ehrenamtliche Helfer registriert. 102 Menschen seien verletzt worden, darunter sieben Kinder.

Jeder vierte aktenkundige Angriff auf eine geflüchtete Person ereignete sich laut der Auflistung in Brandenburg. Die Polizei habe in dem Bundesland 160 Delikte mit dem "Angriffsziel Flüchtling/Asylbewerber" verzeichnet. In anderen Bundesländern seien deutlich weniger Übergriffe aktenkundig geworden: in Baden-Württemberg 62, in Niedersachsen 58, in Sachsen 56.

Im Vergleich zu den Vorjahren ging die Zahl der Attacken zurück: 2018 hat es nach Angaben der Bundesregierung mehr als 704 Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte gegeben. 2017 wurden mehr als 2.200 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte verzeichnet, 2016 mehr als 3.500.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte der NOZ, Geflüchtete seien in Deutschland einer alltäglichen Bedrohung ausgesetzt. "Der Staat hat eine Schutzpflicht gegenüber diesen Menschen", sagte Jelpke. "Alle in unserer Gesellschaft und auch die Politik tragen die gemeinsame Verantwortung, sich gegen ein stilles Einverständnis oder auch bloßes Hinnehmen solcher Anschläge durch die Minderheit in unserer Gesellschaft deutlich zu positionieren", teilte das Innenministerium in seiner Antwort mit.


Aus: "Mehr als 600 Angriffe auf Geflüchtete registriert" (5. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09/rassistische-gewalt-angriffe-fluechtlinge-asylbewerber

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Quote[...] Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Migranten und Polizisten in einem Flüchtlingslager auf Malta haben die Behörden drastische Konsequenzen gezogen. Die Versorgung der Bewohner mit Essensrationen ist seit drei Tagen eingestellt worden, zudem gibt es keine Unterstützung in rechtlichen und medizinischen Fragen mehr, die Versorgung ruht. Seit dem Ausbruch am Sonntag würden in dem Zentrum im Süden der Insel keine Nahrungsmittel mehr ausgegeben, meldet die Tageszeitung ,,Times of Malta " in ihrer Internetausgabe.

Flüchtlinge und Migranten sind nun darauf angewiesen, sich mit einem Tagessatz von maximal 4,66 Euro selbst zu versorgen. Dies sei insbesondere für Minderjährige schwierig, da sie nicht arbeiten und Geld dazu verdienen dürften, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Bewohner. Zudem erhalten Flüchtlinge, deren Papiere bei den Ausschreitungen verbrannt sind, keinen Zugang zum Lager mehr. Wo sie jetzt leben und schlafen, ist unklar. Asylbewerber können üblicherweise bis zu ein Jahr in Hal Far leben, es wird aber erwartet, dass sie in der Zeit einen Job und eine Wohnung finden. Während sie in dem offenen Containercamp leben, erhält jeder eine monatliche Unterstützung von rund 130 Euro. Bei den Ausschreitungen war auch ein Container mit Sanitäts- und Aktenbereich angesteckt worden.

Eine Sondereinheit der Polizei hatte am Montag das Zentrum im Süden der Insel gestürmt, nachdem in der Nacht ein Beamter verletzt sowie mehrere Wagen und Räumlichkeiten in Brand gesteckt worden waren. Etliche Migranten wurden festgenommen. Am Vorabend hatten Beamte einem betrunkenen Bewohner den Zugang verwehrt. Daraufhin soll es zu einem Streit gekommen sein, Bewohner protestierten gegen das Vorgehen der Polizei, alles geriet außer Kontrolle. Es wird jetzt gegen 90 Migranten ermittelt.

Unterdessen hat der Leiter des Containercamps Hal Far jenen Migranten gedankt, die beim gewaltsamen Aufstand die Mitarbeiter der Asylbehörde ,,Agency for the Welfare of Asylum Seekers" (AWAS) beschützten und sich vor die Sicherheitskräfte stellten. Man dürfe nicht einen verallgemeinernden Eindruck hinterlassen, dass alles schlecht sei.

Angesicht der derzeitigen Lage in Hal Far auf Malta dürfte sich die angespannte Lage dort sowie parallel auch in den Flüchtlingscamps an den EU-Außengrenzen weiter verschärfen. Auf Malta kommen weiter regelmäßig Schutzsuchende, vor allem aus Afrika, an - auf allen anderen Inseln im Mittelmeer landen täglich und nächtlich weiter Hunderte Migranten und Geflüchtete an. Nach Tagesspiegel-Informationen leben jetzt im improvisierten Flüchtlingscamp Moria auf der griechischem Ostägäis-Insel Lesbos bereits mehr als 14 000 Menschen, das sind beinahe viermal so viele Menschen, wie das eigentliche Campareal fassen kann. Deswegen hausen in den Olivenhainen drumherum Menschen unter Planen, auf Pappe und auf der Straße, zwischen Müll und Kloake, die Zustände sind slumähnlich. Die Wartezeit für den offiziellen Registriertermin und damit für den Beginn eines Asylverfahrens im ursprünglichen "Hotspot" liegt nach Tagesspiegel-Informationen angesichts der Masse der Menschen derzeit bei mindestens einem Jahr.

Fast die Hälfte der Bewohner [leben] auf Teppichen, Planen, unter Plastikfolien, ohne Schutz, Sicherheit, Registrierung und bei fehlender sanitärer Versorgung sind Kinder und Jugendliche, oft allein als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge unterwegs. Immer wieder ertrinken Menschen, so kam bei einem Zusammenstoß eines Bootes der griechischen Küstenwache mit einem Migrantenschlauchboot ein kleiner Junge ums Leben, mehrere Menschen wurden verletzt, einer wird noch vermisst. Die Schlauch- oder Fischerboote setzen zumeist im Schutze der Nacht von der Türkei aus über, daher sind sie nicht beleuchtet, um nicht entdeckt zu werden. Während die türkische Küstenwacht entdeckte Boote zurückdrängt oder zieht, wobei auch Unglücke passieren, nimmt die griechische Küstenwacht, dem humanitären Schutz verpflichtet, Menschen zur Rettung auf beziehungsweise bittet Nichtregierungsorganisationen zur Hilfe.

Zuletzt hatte es in Moria sowie im ebenfalls völlig überfüllten Lager nahe der Inselhauptstadt Vathy auf Samos Aufruhr mit mindestens einem Toten und mehreren Verletzten gegeben. Auf Lesbos brannte eine Kochstelle, dann brach Panik aus, es entzündete sich ein Konflikt. Auf Samos legten protestierende Migranten Feuer - die ohnehin oft traumatisierten Menschen verlieren in den Ausnahmesituationen in den völlig prekären Lagen in improvisierten Behausungen ohne Struktur und Perspektive leicht die Fassung. Die meisten Geflüchteten wollen über das Festland weiter nach Deutschland, weil dort oft schon Verwandte sind und die Versorgung im europaweiten Vergleich am besten. Manche wollen auch weiter in andere europäische Länder im Norden, aus ihrer Sicht sitzen die Migranten aber ausweglos fest und kommen nicht voran. Auch die Balkanroute ist nur mit viel Geld an Schlepper oder für gefälschte Papiere für Flüge zu überwinden.

Die griechische Bevölkerung zeigt sich auch auf den überfüllten Inseln oft noch solidarisch mit den Menschen in Not, fühlt sich aber auch völlig überfordert angesichts der Anzahl der Ankommenden und des nicht endenden Zustroms. Teils werden aus Not in der Nachbarschaft von Camps Obstplantagen geplündert, Tiere gestohlen, weil die überfüllten Camps nicht genug Essen für alle Bewohner anbieten. Die Nerven liegen vielfach blank, auf allen Seiten: Auf dem Festland wurde jetzt ein Bus mit Flüchtlingen mit Steinen beworfen. Derzeit bringt Athen regelmäßig weiter Hunderte Migranten und Flüchtlinge auf den großen Fähren aufs Festland, über die angekündigten Rückführungen in die Türkei gibt es noch keine Meldungen. (mit epd)


Aus: "Migranten auf Malta bekommen kein Essen mehr" Annette Kögel (25.10.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/drastische-konsequenzen-nach-aufstand-migranten-auf-malta-bekommen-kein-essen-mehr/25154902.html

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Quote[...] Ein Kleintransporter mit mehr als 50 Migranten an Bord hat von Marokko aus die Grenze zur spanischen Exklave Ceuta durchbrochen. Der weiße Transporter sei "mit vollem Tempo" auf den Grenzübergang zugerast und in ein Tor "gekracht", teilte ein Sprecher der spanischen Polizei mit. Vier Migranten wurden verletzt und in ein Krankenhaus gebracht.

Im dem Fahrzeug befanden sich neben Männern und Frauen auch zwei Minderjährige. Der marokkanische Fahrer wurde festgenommen, wie die Zeitung El Faro de Ceuta berichtete. Dem Bericht zufolge gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Vorfälle an der Grenze. Jedoch habe es sich bislang um kleinere Fahrzeuge mit wenigen Insassen gehandelt.

Die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sind die einzigen Gebiete in der EU mit Landgrenzen zum afrikanischen Kontinent. Laut dem spanischen Innenministerium sind seit Anfang des Jahres 5.216 Migranten über den Landweg nach Ceuta und Melilla gelangt. Das sind 12,4 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Beide Exklaven sind stark gesichert. Bei Versuchen von Migranten über den Grenzzaun zu gelangen, gibt es immer wieder Verletzte.


Aus: "Transporter mit 50 Migranten durchbricht Grenze nach Ceuta" (18. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/eu-aussengrenze-ceuta-migranten-marokko-spanien


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Quote[...] Syrische Arbeiter bauen Hochhäuser im ehemaligen Bürgerkriegsland Libanon, während ihre Häuser im eigenen Land von Bomben zerstört werden. Sie leben in Beirut unter sklavenähnlichen Bedingungen in den Kellern der Großbaustellen, die sie aufgrund einer Ausgangssperre für Flüchtlinge auch nachts nicht verlassen dürfen. Davon handelt Taste of Cement, ein mehrfach ausgezeichneter, bildgewaltiger Filmessay über Krieg, Zerstörung und Versuche eines Neubeginns.

Regisseur Ziad Kalthoum wurde 1981 im syrischen Homs geboren, das heute in Trümmern liegt, und flüchtete vor einigen Jahren selbst in den Libanon. Über seine Erfahrungen bei der Arbeit an Taste of Cement spricht Kalthoum am Freitag im Innsbrucker Leo kino. Dort widmet sich von 21. bis 23. November die zweite Ausgabe des internationalen Filmfestivals Inncontro der Vielheit der "Arbeit im Kontext von Migration".

Gängige Stereotype interessieren dabei höchstens als Diskussionsgrundlage im Rahmenprogramm, die Filmauswahl zeichnet sich durch unterschiedlichste Perspektiven auf das Thema aus: Denn dieses ist vielschichtig, global, hochaktuell, wie sich etwa am Beispiel der sogenannten Care-Migration zeigt.

Gemeint ist damit die nicht nur in Österreich gängige Praxis, Pflegekräfte auf Zeit aus dem Ausland zu "importieren", es handelt sich dabei meist um Frauen aus wirtschaftlich schwächer gestellten Ländern, die ihre Familien wochen- oder monatelang verlassen, um in privaten Haushalten als Pflegerinnen zu arbeiten.

Man darf vor dem Hintergrund von Maren Wickwires Together Apart, einem Dokumentarfilm über zwei philippinische Hausangestellte in Zypern, also auch den Begriff der "Gastarbeit" einer kritischen Befragung unterziehen. Geprägt wurde er in den 1960er- und 1970er-Jahren, als der Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland und Österreich durch die Anwerbeabkommen unter anderem mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien gedeckt werden sollte. Fatih Akins im Jahr 2000 für die Fernsehreihe "Denk ich an Deutschland" entstandener Dokumentarfilm Wir haben vergessen zurückzukehren ist eine sehr persönliche, bewusst im Stile eines Homemovies gehaltene Annäherung an die Einwanderungsgeschichte seiner Eltern und eröffnet das dreitägige Festival am Donnerstag.

Der Alltag einer Selbstständigkeit in der Illegalität spiegelt sich wiederum in Rosine Mbakams Chez Jolie Coiffure in einem winzigen Friseursalon in Brüssel, Xalko von Sami Mermer widmet sich denen, die im Zuge der Arbeitsmigration in einem kurdischen Dorf in der Türkei zurückgeblieben sind, meist Frauen und alte Männer, und in Alexandra D'Onofrios Era Domani geht es auch um die Frage, wie und von wem Filme über Migration überhaupt produziert werden. Eine Frage, der man sich noch nicht oft widmete.


Aus: "Filme zu Arbeit und Migration: Der Geschmack von Zement ist bitter" Ivona Jelčić (19. November 2019)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000111250788/filme-zu-arbeit-und-migration-der-geschmack-von-zement-ist


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Quote[...] Griechenland will die drei größten Flüchtlingslager auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos schließen. Dies teilte die Regierung in Athen mit. Demnach sollen die inzwischen deutlich überfüllten Lager durch neue Einrichtungen mit Aufnahmekapazitäten von je mindestens 5.000 Menschen ersetzt werden. Dabei soll es sich dann um geschlossene Lager handeln.

Insgesamt drängen sich auf den Ägäis-Inseln im Osten Griechenlands etwa 35.000 Migranten – die höchste Zahl seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes im März 2016. Ein Großteil der Flüchtlinge stammt aus Syrien und Afghanistan.

Immer wieder kommt es zu Protesten von Bewohnern der Flüchtlingslager. "Europa hat uns vergessen", riefen etwa Hunderte Menschen bei einer Demonstration Mitte Oktober auf Samos. Die Behörden vor Ort beklagen, die Inseln seien zu einer Art Abladeplatz für Migranten geworden, die vom nahen türkischen Festland herüberkommen. Deren Asylanträge würden sehr langsam bearbeitet und nur wenige abgelehnte Bewerber abgeschoben.

Zuletzt hatte das griechische Parlament die Asylgesetze des Landes verschärft. Asylverfahren sollen dadurch beschleunigt und abgelehnte Antragsteller im Rahmen des Flüchtlingspakts schneller zurück in die Türkei geschickt werden. "Das griechische Asylsystem ist seit Langem gelähmt", hatte der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis kurz vor der Abstimmung im Plenum gesagt. Es dürfe nicht sein, dass sich die Botschaft verbreite, jeder könne in Griechenland bleiben.

Immer wieder appelliert Mitsotakis auch an die Solidarität der anderen EU-Staaten. Es sei inakzeptabel, dass mehrere Mitgliedsstaaten in der Flüchtlingspolitik den Ansatz verfolgten, "dass es absolut nicht ihr Problem ist", kritisierte der Ministerpräsident und warnte angesichts der türkischen Offensive in Nordsyrien vor einer erneuten massiven Fluchtbewegung. "Wenn man sich nur die Zahl der Migranten ansieht, die in diesem Sommer im Vergleich zum vergangenen Sommer das Ägäische Meer überquert haben, wird klar, dass wir vor einem akuten Problem stehen."



Aus: "Griechenland will drei Flüchtlingslager schließen" (20. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/migrationspolitik-griechenland-fluechtlingslager-lesbos-chios-samos-vergroesserung

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QuoteFiedler: Ich habe Kalbitz gefragt, wie er das Pariser Klimaabkommen einhalten will. Er sagte: "Gar nicht." Dann habe ich weiter gefragt, was Deutschland unter AfD-Führung gedenkt zu tun, wenn wegen des Klimawandels Millionen Menschen aus Afrika um Asyl bitten. Kalbitz antwortete mit dem Üblichen ... Wirtschaftsflüchtlinge, Einwanderungsgesetz. Ich unterbrach ihn, insistierte: "Ich wollte wissen, was mit den Menschen passiert, wo die 500 Millionen hinsollen." Er entgegnete nichts. Schwieg für mehrere Sekunden. Dann stieg ihm die Wutröte in den Kopf. Und er rief: "Ich stelle mir die Zukunft ohne diese 500 Millionen Menschen vor."


Aus: "Mit Rechten reden? Natürlich!" Interview: Eva Marie Stegmann (2. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/2019/50/afd-kandidat-andreas-kalbitz-wahlkampf-konfrontation-debatte

QuoteDr. Legal#1

Eine Zukunft ohne diese 500 Millionen Menschen. Was soll da bedeuten?


Quote
Faballa #1.1

Exakt das.


Quotespiegelwechsler #1.7

Seien wir ehrlich.
Es gab schon Deutsche, die sich eine Zukunft ohne 6 Millionen Juden vorstellen konnten.
Nichts anderes wurde da gemeint.


Quote
danner1973 #1.40

Abknallen, vergasen - das Übliche halt.


Quote
gnaddrig #1.57

Es gab keinen Entwurf, diese 500 Mio irgendwie zu vernichten.

Klar, das hätte er so natürlich nicht sagen können. Vielleicht hat er das auch nicht gemeint. Aber seine Partei hätte vermutlich keine Probleme damit, diese 500 Millionen nach bewährter Manier im Mittelmeer ersaufen oder - wenn sie das aus irgendwelchen Gründen nicht wollen sollten - in Libyen internieren zu lassen.

Kalbitz und seiner Partei geht es auch ohne konkrete Vernichtungspläne vollkommen am Allerwertesten vorbei, was außerhalb seines Tellerrandes passiert, und wenn Deutschland tausendmal zu den Hauptverursachern der Klimaerwärmung zählt und damit auch erhebliche Mitverantwortung für das wahrscheinliche Entstehen von klimabedingten Fluchtwellen trägt.

Und nein, Deutschland könnte nicht einfach alle 500 Millionen aufnehmen. Deutschland kann aber auch nicht so tun, als ginge uns das alles nichts an.


Quote
Fahrinurlaub #5

Bei Kalbitz dem altem Fascho glaube ich das sofort

""Ich wollte wissen, was mit den Menschen passiert, wo die 500 Millionen hinsollen." Er entgegnete nichts. Schwieg für mehrere Sekunden. Dann stieg ihm die Wutröte in den Kopf. Und er rief: "Ich stelle mir die Zukunft ohne diese 500 Millionen Menschen vor."

Aber selbst solch ein übler Hass und eine derart dargebotene Empathielosigkeit, halten 25% nicht davon ab, wahrscheinlich genau deswegen, afD zu wählen. [Ich bin vom Osten ausgegangen, sie haben natürlich recht insgesamt sind es natürlich weniger, Gott sei Dank!]


QuoteJ. Wedler #5.1

Wahrscheinlich haben viele dieser Leute eine sadomasochistische (faschistische) Persönlichkeit.
Nur wer Liebe und Empathie erfahren hat, kann auch Liebe und Empathie geben.

Schlimm, dass wir noch immer so viele Menschen im Lande haben, die so argumentieren: mir hat Härte auch nichts geschadet!
Und sie merken gar nicht, wie sehr sie ihnen geschadet hat.


Quote
St.Ma #6

Ist dem AfD Mann egal, wenn Abermillionen Menschen aufgrund unseres verantwortungslosen Lebenswandels sterben.

Wie kann irgendwer bei so einemr zutiefst asozialen "Partei" sein Kreuz machen?


QuoteDr. Econ #6.1

Aus Trotz und Bockigkeit, wie kleine Kinder.

Und manche auch aus Lust am Bösen, wie in den 1930ern.


....

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Quote[...] Bei Protesten von Migrantinnen und Migranten gegen die Überlastung im Registrierlager Vathy auf Samos ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei wurde mit Steinen und Gegenständen beworfen, die Einsatzkräfte sollen daraufhin Tränengas eingesetzt haben, berichteten örtliche Medien. Außerdem soll ein Feuer gelegt worden sein. Eine rund 600 Meter vom Lager entfernte Schule sei wegen des Rauchs evakuiert worden.

Migranten fordern seit Tagen, dass sie zum griechischen Festland gebracht werden. Im Lager Vathy harren mehr als 7.500 Migrantinnen aus, darunter viele Minderjährige. Das Camp hat eine Aufnahmekapazität für nur 648 Menschen. Bereits im Oktober waren mehrere Menschen bei ähnlichen Ausschreitungen auf Samos verletzt worden.

Die Bürgermeister der Inseln im Osten der Ägäis warnen seit Monaten vor unkontrollierbaren Zuständen wegen der überfüllten Lager. Die konservative Regierung in Athen hat in den vergangenen Monaten mehr als 10.000 Migranten zum Festland gebracht. Der Flüchtlingszustrom aus der Türkei dauert jedoch an. Zurzeit leben rund um die Camps der Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos mehr als 41.000 Migrantinnen. Noch im April waren es nur 14.000 gewesen.

Griechenland erwartet im kommenden Jahr rund 100.000 neue Migrantinnen und Migranten aus der Türkei, die vor allem auf den griechischen Inseln in der Ägäis ankommen werden. Der Beauftrage der griechischen Regierung für die Erstaufnahme von Flüchtlingen, Manos Logothetis, sprach am Mittwoch von einer Krise, die "deutlich kritischer" für Griechenland sei als 2015. Damals seien die Flüchtlinge in andere EU-Staaten weitergezogen. Diesmal blieben sie auf den Inseln.


Aus: "Ausschreitungen in Flüchtlingslager auf Samos" (19. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/griechenland-migration-ausschreitungen-fluechtlingslager-samos-feuer

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Quote[...] Aus Protest gegen die überfüllten Migrantenlager sind am Mittwoch alle Regional - und Kommunalbehörden sowie die meisten Geschäfte auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios und Samos geschlossen worden. Die Bürgermeister und Verbände fast aller Berufe protestieren damit gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung in Athen.

Kommunalpolitiker und die regionalen Geschäftsleute fordern von den Verantwortlichen seit langem eine Entlastung. Die Regierung müsse endlich dafür sorgen, dass die Migranten, die aus der Türkei täglich übersetzen, nach ihrer Registrierung auf den Inseln zum Festland gebracht werden, begründeten sie ihre Aktion. Der Regionalgouverneur der nördlichen Ägäis, Kostas Moutzouris, sprach im griechischen Fernsehsender Open von einem "Generalstreik". Die Lage auf den Inseln sei prekär, man könne "nicht mehr Lager verlorener Seelen leidtragender Menschen sein".

In und um die Registrierlager auf den Inseln der Ostägäis harren derzeit knapp 42.000 Menschen aus. Eigentlich hatte die EU mit der Regierung in Ankara 2016 vereinbart, dass die Türkei alle Migrantinnen und Migranten zurücknimmt, die auf diesen Insel ankommen und die kein Asyl in Griechenland erhalten. Personalmangel bei den griechischen Behörden verhinderte bislang aber, dass diese Rückführungen ausreichend funktionieren.

Allein auf Samos sind in und um ein Migrantenlager mehr als 7.100 Menschen untergebracht. "Wir können diese Situation in unserer Kleinstadt nicht mehr ertragen", sagte Giorgos Stantzos, der Bürgermeister von Vathy, der Hauptortschaft der Insel. "Wir haben auch Menschenrechte."


Aus: "Generalstreik auf Lesbos, Chios und Samos" (22. Januar 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-01/griechenland-fluechtlingslager-lesbos-chios-samos-generalstreik

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Quote[...] Rund 2000 Migranten haben am Montag das überfüllte Registrierlager Moria auf der Insel Lesbos verlassen und sich auf den Weg in die Inselhauptstadt Mytilini gemacht. Die Menschen skandierten ,,Freiheit, Freiheit" und forderten, dass sie sofort zum griechischen Festland und von dort in andere EU-Staaten gebracht werden.

Wie der staatliche Rundfunk (ERT-Nordägäis) und das Nachrichtenportal der Insel stonisi.gr weiter berichteten, setzte die Polizei nach mehreren Aufforderungen, in das Lager zurückzukehren, massiv Tränengas ein. Dutzende Migranten schlugen Zelte im Hafen der Inselhauptstadt auf, um damit gegen die Zustände auf der Insel zu protestieren. Zwei Sondereinheiten der Polizei blockierte den Weg für die Demonstranten.

Am Abend gingen zahlreiche Einwohner des Dorfes Moria auf die Straßen und protestierten gegen die – wie sie im Fernsehen sagten – ,,unerträglichen Zustände in ihrem Dorf". Jugendliche Migranten randalierten fast täglich. Es gebe Diebstähle und andere Arten der Kleinkriminalität, sagten Einwohner im Fernsehen. Alle Migranten sollten ihrer Ansicht nach zum Festland gebracht werden.

Zahlreiche Migranten befürchten, dass Athen sie bald in die Türkei oder ihre Herkunftsländer abschieben könnte. Seit Jahresbeginn hat die Regierung das Asylverfahren verschärft. Sie schiebt jede Woche Dutzende Migranten zurück in die Türkei ab.

Außerdem sollen auf den Inseln geschlossene Abschiebelager entstehen. In und um das Lager Moria sind mehr als 19.000 Menschen untergebracht, darunter viele Minderjährige. Das Camp hat aber nur eine Aufnahmekapazität für 2840 Menschen. Die Bürgermeister der Inseln im Osten der Ägäis warnen seit Monaten vor unkontrollierbaren Zuständen wegen der überfüllten Lager.

Der Flüchtlingszustrom aus der Türkei dauert an: Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) setzten seit Jahresbeginn im Durchschnitt täglich mehr als 100 Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln über. Zurzeit leben auf den Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos mehr als 41.000 Migranten. Im April 2019 waren es 14.000 gewesen. (dpa, AFP)


Aus: "Migranten protestieren auf Lesbos gegen Asylverfahren" (03.02.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlinge-auf-griechischer-insel-migranten-protestieren-auf-lesbos-gegen-asylverfahren/25504826.html

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Quote[...] Athen – Griechenland will Flüchtlingen nur noch für die Dauer von drei Jahren Asyl gewähren. Es werde kein unbefristetes Asyl geben, sagte Migrationsminister Notis Mitarachi der Zeitung "To Vima" am Sonntag. Änderten sich die Voraussetzungen in einem Herkunftsland, könne das Asyl "nicht verlängert" werden.

Die neue konservative Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis verschärft ihre Asyl- und Aufenthaltsverfahren für Flüchtlinge damit noch weiter. "Es ist schwierig, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu integrieren", erklärte Mitarachi den Schritt der Regierung. Sein Land habe seit dem Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 rund 40.000 Menschen Asyl gewährt, sagte Mitarachi. Weitere 87.000 Asylanträge seien anhängig. Die Rückführung von Asylsuchenden, deren Anträge abgelehnt werden, solle im nächsten Monat bei einer Überarbeitung der EU-Migrationspolitik diskutiert werden, sagte der Minister.

In Griechenland sitzen derzeit mehr als 36.000 Asylsuchende unter von Hilfsorganisationen als unmenschlich bezeichneten Zuständen in überfüllten Lagern auf fünf ägäischen Inseln fest. Erst im vergangenen Monat hatte die Regierung angekündigt, vor den Küsten mit "schwimmenden Schutzsystemen" gegen Flüchtlinge vorgehen zu wollen. Im vergangenen Jahr war Griechenland das Land mit der höchsten Zahl von ankommenden Flüchtlingen in Europa. (APA, 9.2.2020)


Aus: "Griechenland will nur noch befristet Asyl gewähren" (9.2.2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000114353241/griechenland-will-nur-noch-befristet-asyl-gewaehren

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#78
"Griechenland: Die vergessenen Kinder aus Olive Grove" Eine Reportage von Funda Ağırbaş, Lesbos (11. Februar 2020)
Sie haben ihre Familien verloren, sind gebrochen und hoffnungslos: die Minderjährigen im griechischen Flüchtlingslager Moria. Sie wollen ihre Geschichten erzählen. ... Das wilde Camp rund um das Flüchtlingslager Moria wird unter den Flüchtlingen auch "der Dschungel" genannt. Wir treten ein, in das Dickicht aus Mensch, Müll und Leinen. Entlang des Trampelpfades sind primitive Lager aufgestellt. Gespannte Wäscheleinen zwischen den Zelten. Frauen, die Essen über provisorischen Feuerstellen kochen, dreckige Matratzen und ein gefährlich wirkendes Gewirr aus Stromkabeln schwanken im Wind. Und Kinder. ...
https://www.zeit.de/kultur/2020-02/griechenland-fluechtlinge-fluechtlingslager-moria-kinder-lesbos/komplettansicht

QuoteFuchs im Winkel #9

Ich musste mich zwingen, den Bericht zu Ende zu lesen. Vielen Dank an die Journalistin, dass sie die Recherche durchgehalten hat.
Das Leid dieser Kinder wahrzunehmen, ihnen Interesse zu zeigen, das ist der erste Schritt, den eine Gesellschaft zu tun hat, um sich für Hilfeleistungen zu öffnen.


QuoteGinek #11

Es ist immer ein Unterschied, ob man nackte Zahlen und Statistiken ansieht, oder Schicksale aufgezeigt werden. ...


Quoteberniert #19

Ich weiß nicht, was mich betroffener machen soll: Der Artikel,  [...] oder die Tatsache, dass es mir ziemlich gut geht. ...


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Quote[...] Im Krieg und auf der Flucht traumatisiert, erleben Geflüchtete in Camps auf den griechischen Inseln gerade ihr drittes Trauma, das Europatrauma. Nicht wirklich willkommen zu sein, überrascht die Geflüchteten nicht, aber dass das reiche Europa nicht fähig oder willens ist, erste Hilfe in der Not zu leisten, muss tief verletzen.

Was sie in den vollkommen überfüllten Lagern auf Lesbos, Samos und Chios gesehen hat, wäre schlimmer gewesen als in den Flüchtlingslagern im Südsudan zur Bürgerkriegszeit, meinte eine Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen vor kurzem. Die Mehrheit der auf den Inseln festgehaltenen Geflüchteten sind Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige aus Afghanistan und Syrien. Monatelang warten sie auf den ersten Anhörungstermin. Jugendliche im Alter von nur zwölf Jahren versuchen sich das Leben zu nehmen, so unerträglich sind die Zustände vor Ort. Schwerkranke Kinder erhalten im Moment keine adäquate Versorgung, und es fehlt an Lebensnotwendigem wie Strom, Wasser und Lebensmitteln.

Das politische Kalkül der griechischen Regierung scheint zu sein, durch die Zustände auf den Inseln so viele Menschen wie möglich von der Flucht nach Griechenland abzuhalten. Nun will sie noch einen Schritt weitergehen. Vor wenigen Tagen lancierten die dortigen Behörden die Idee, mithilfe von aufblasbaren Barrieren Geflüchtete von der Landung abzuhalten. Vor den griechischen Inseln sollen diese schwimmenden Grenzzäune aus Plastik Menschen an der Landung hindern. Schuld und Verantwortung für derartig absurde, menschenunwürdige Maßnahmen allein auf Griechenland zu schieben ist kurzsichtig. Das Versagen an der Peripherie des Kontinents ist ein Versagen von ganz Europa.

Wenn es unsere Staatengemeinschaft nicht einmal schafft, die insgesamt 41.000 Geflüchteten auf den Inseln der Ägäis menschenwürdig zu versorgen, dann kann sie auch andernorts auf der Welt keine Humanität und Werte mehr einfordern. (Philippe Narval, 16.2.2020)


Aus: "Das Europatrauma für Geflüchtete" Philippe Narval (17. Februar 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000114636288/das-europatrauma-fuer-gefluechtete

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Quote[...] Die britische Regierung will nach dem Austritt aus der Europäischen Union (EU) ein punktebasiertes Einwanderungssystem für ausländische Arbeitskräfte einführen und die Zuwanderung damit deutlich begrenzen. Um nach dem Brexit künftig ein Arbeitsvisum zu erhalten, müssen Kandidaten besondere Kompetenzen nachweisen, gut Englisch sprechen und ein Jobangebot vorweisen können, wie aus Vorschlägen der Regierung hervorgeht, die am Mittwoch vorgestellt werden sollen.

Das neue Einwanderungssystem der Regierung von Premier Boris Johnson nach australischem Vorbild werde die Zahl der Zuwanderer senken, erklärte die britische Innenministerin Priti Patel am Mittwoch. "Wir beenden die Freizügigkeit, holen uns die Kontrolle über unsere Grenzen zurück und kümmern uns um die Prioritäten der Menschen." Sie sprach von einem "historischen Moment".

Großbritannien war am 31. Januar nach 47 Jahren Mitgliedschaft offiziell aus der Europäischen Union ausgetreten. Bis zum Jahresende gilt eine Übergangsphase, in der das Vereinigte Königreich noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion verbleibt.

Nach Ablauf der Übergangsphase sollen nach den Plänen der britischen Regierung am 1. Januar 2021 die neuen Einwanderungsregeln in Kraft treten. Das neue System sieht vor, dass Kandidaten eine bestimmte Zahl von Punkten erhalten für ihre Kompetenzen, ihre Qualifikationen und ihr Gehalt.

Das neue System soll EU-Ausländer und Nicht-EU-Ausländer gleichstellen. Im Vereinigten Königreich leben etwa 3,2 Millionen EU-Bürger. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, da es im Land kein Meldesystem gibt.

Das neue System gewährt maximal 20 Punkte, wenn der Verdienst bei mindestens 25.600 Pfund (30.820 Euro) pro Jahr liegt. Jeweils 20 weitere Punkte werden vergeben, wenn "passende Kompetenzen" nachgewiesen oder die Englischsprachkenntnisse auf dem "geforderten Maß" liegen. Fachkräfte in sogenannten Engpass-Berufen können zusätzliche Punkte bekommen. Insgesamt müssen Anwärter mindestens 70 Punkte sammeln.

"Die Visa werden nur an diejenigen vergeben, die genügend Punkte bekommen", teilte die Regierung mit. Damit werde den "besten Talenten" wie "Wissenschaftlern, Ingenieuren und Akademikern" der Vorrang gegeben. Es gilt als sicher, dass das Parlament das neue Einwanderungssystem unterstützt, da die konservativen Tories von Johnson dort die Mehrheit haben.

Die Opposition kritisierte die Pläne scharf. Die Labour-Partei verwies darauf, dass einige Branchen auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen seien. Die Regierung werde deshalb zu zahlreichen Ausnahmeregelungen gezwungen sein. Dies mache das Einwanderungssystem "bedeutungslos", erklärte die innenpolitische Sprecherin von Labour, Diane Abbott.

Die Liberaldemokraten erklärten, die Pläne der Regierung basierten auf "Fremdenfeindlichkeit, nicht auf den sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen unseres Landes". Dass die Neuregelung bereits in zehn Monaten in Kraft treten solle, werde für "Chaos und Verwirrung" sorgen, erklärte Christine Jardine. Die Zeit sei für Unternehmen zu knapp, um sich darauf vorzubereiten. Der britische Industrieverband CBI begrüßte einige Regeln, wies aber auf negative Folgen unter anderem für Bauunternehmen, Krankenhäuser und die Lebensmittelbranche hin. Die Gewerkschaft Unison warnte vor einem "Desaster" im Pflegebereich. Vor allem in britischen Kliniken sind schon jetzt viele Stellen nicht besetzt. (AFP, dpa)


Aus: "Premier Johnson will nur noch die besten Einwanderer" (19.02.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/punktesystem-in-grossbritannien-premier-johnson-will-nur-noch-die-besten-einwanderer/25561464.html