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[Medienjournalismus und Medienkritik... ]

Started by lemonhorse, August 04, 2008, 01:48:45 PM

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Quote[...] "Mit Framing können wir nichts anfangen", ließ die ARD noch im Sommer verlauten. Da hatte es wieder Kritik an der Talkshow hart aber fair gegeben: Die Redaktion übernehme beim Thema "Flüchtlinge und Kriminalität" das Framing – also den Deutungsrahmen – von Rechtspopulisten. Die Ankündigung der Sendung enthielt etwa diese Suggestivfragen: "Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?"

Einige Monate zuvor war es der Programmhinweis auf eine MDR-Radiosendung, die schließlich aufgrund öffentlicher Empörung abgesagt wurde: "Darf man heute noch 'Neger' sagen? Warum ist politische Korrektheit zur Kampfzone geworden?" Und davor das Kanzlerduell vor der Bundestagswahl 2017 zwischen Angela Merkel und Martin Schulz, an dem auch die ARD beteiligt war: Die Journalisten verbrachten große Teile der Sendezeit mit Fragen nach Flüchtlingen und dem Islam – und trugen damit erneut die Deutungsmuster von Rechtspopulisten in die mediale Debatte. Die ARD hat außerdem viel Zuschauerkritik, insbesondere aus Ostdeutschland, erfahren für ihre als einseitig wahrgenommene Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt und Russland. Framing spiegelt sich aber auch in der Wortwahl in Nachrichtensendungen: "Machthaber" und "Regime" zum Beispiel sind wertende Begriffe.

Viel ist geschrieben und geforscht worden darüber, dass Wirklichkeit nie völlig objektiv dargestellt werden kann, dass bei allem Bemühen um Neutralität auch die persönliche Weltsicht der Journalisten in ihrer Berichterstattung durchscheinen kann. Und dass eben andererseits beim Zuhörer und der Zuschauerin Sprache immer unterbewusst einen gewissen Deutungsrahmen im Gehirn aktiviert.

Umso besser, wenn die ARD inzwischen vielleicht doch etwas "mit Framing anfangen" kann. Die öffentlich-rechtliche Anstalt hat die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling mit einem Empfehlungspapier zum Thema beauftragt. Allerdings ist dieses sogenannte Manual, das über das Rechercheportal netzpolitik.org öffentlich geworden ist, leider nicht dazu gedacht, die Journalisten für einen besonnenen Umgang mit Sprache und Framing zu sensibilisieren. Es ist vielmehr eine Verteidigungsstrategie für ARD-Führungskräfte, die mithilfe dieser Handreichung lernen sollen, wie sie Angriffe von Kritikern ("Staatsfunk", "Lügenpresse") argumentativ parieren können.

Den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit starken Argumenten zu begegnen, ist während der Glaubwürdigkeitskrise der Medien, in der "alternative Fakten" und Social-Media-Blasen den Diskurs bestimmen, von größter Bedeutung. Dass die ARD in der Legitimationsdebatte über die Rundfunkgebühren auf das Gut der objektiven, ausgewogenen Berichterstattung hinweisen will, ist richtig.

Doch empfiehlt das Gutachten erstaunlicherweise weniger die sachliche Argumentation, sondern vielmehr die emotionale und moralische – eine Strategie, die durchaus manipulatives Potenzial hat. Es geht also gar nicht darum, wie man Framing vermeidet, sondern wie man es "wirkkräftig" einsetzt. So heißt es: "Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner." Mit Gegnern sind wohl auch Kritiker gemeint, die aller Wahrscheinlichkeit nach selbst Rundfunkbeiträge zahlen. Nur durch die "ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg" könnten diese zu einer "realistischen Wahrnehmungsalternative" werden. "Fakten sind also zentral. Aber sie werden in einer öffentlichen Auseinandersetzung erst zu guter Munition, wo ihre moralische Dringlichkeit kommuniziert wird."

Nun fragt sich, worin die Autorin der Studie eine moralische Dringlichkeit sieht. Sie scheint die ARD selbst als Moralanstalt legitimieren zu wollen, anstatt als plurale, freie, demokratische Einrichtung. Wiederholt betont sie eine moralische Überlegenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und meint damit häufig lediglich Werte, die im Grundgesetz verankert sind und auf die sich natürlich auch privatwirtschaftliche Medien berufen.

Dabei geht es Wehling nicht nur darum, die ARD aufzuwerten, sondern offenbar, den "Gegner", gemeint sind wohl die Privatsender und Medienhäuser, abzuwerten. Sie schlägt Slogans vor wie: "Demokratie statt Umsatz", "Fernsehen ohne Profitzensur", "Demokratie statt ideologischer Monopolisierung" und "Unsere Redakteure strengen sich für die Bürger an, andere für den Profit". Ganz so, als fühlten sich Journalisten privater Träger nicht der Aufklärung ihrer Leserinnen und Leser verpflichtet.

Die ARD beeilt sich nun, zu erklären, dass es sich beim Framing-Manual "weder um eine neue Kommunikationsstrategie noch um eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden" handle, sondern lediglich "um Vorschläge aus sprachwissenschaftlicher Sicht". Von einzelnen Formulierungen, die Elisabeth Wehling vorschlägt, distanziert sich die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab: "medienkapitalistische Heuschrecken" als Bezeichnung für die Privatsender etwa, auch "Profitzensur" oder "ungezügelter Rundfunkkapitalismus" lehne sie ab. Warum verwendet sie das Papier trotzdem als Grundlage für interne Workshops? Damit billigt sie schließlich ein Konzept, das den öffentlich-rechtlichen Auftrag grundsätzlich missversteht: moralisch-emotionale Aufladung statt Fakten und Einordnung.

Regionalität, Teilhabe, Identitätsstiftung, Information, Kritik und Kontrolle im Interesse der Bürger dank guter finanzieller Ausstattung: Die ARD hat viele Argumente auf ihrer Seite. Sich die populistischen Methoden derer zu eigen zu machen, die sie am liebsten zerschlagen wollen, wird ihr nicht helfen.


Aus: "Tipps aus der Moralanstalt" Ein Kommentar von Rita Lauter (18. Februar 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/film/2019-02/framing-ard-manual-gutachten-sprache-glaubwuerdigkeit

QuoteDer freundliche Waran #2

"Ganz so, als fühlten sich Journalisten privater Träger nicht der Aufklärung ihrer Leserinnen und Leser verpflichtet."

Ich würde privaten Medienunternehmen kein pauschales Aufklärungsinteresse unterstellen. Wo doch der FOCUS sich gerade von der titanic eine gefakete Story darüber hat andrehen lassen, wie Autonome angeblich mit Luftpumpen Abgasmessstationen manipulieren. Was man so nur bringen kann, wenn man exakt 0 Faktenchecking betrieben hat.


QuoteCymbeline #5.2

"Die Journalisten sollten einfach wieder wertungsfreie Nachrichten senden und die Menschen ihre eigenen Schlüsse aus ihnen ziehen lassen, so wie es noch vor der Jahrtausendwende gewesen war."

Hätten Sie den Artikel gelesen, wüssten Sie, dass es so etwas wie "wertungsfreien" Journalismus nicht gibt. ...


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#101
QuoteDaniel Hug, Ressortleiter Wirtschaft, bei der «NZZ am Sonntag» hat gekündigt. Nach 25 Jahren im Journalismus, 16 davon bei der NZZaS arbeitet er ab August für die Uhrenmarke Longines und wird dort den Bereich Vintage-Uhren weiterentwickeln und stärken, wie er auf Anfrage von persoenlich.com sagt. «Ich habe mich entschieden, nochmals etwas ganz anderes zu machen», fügt er an. Für ihn sei die Aufgabe bei Longines spannend, weil er sowohl auf Produkt- wie auf Kommunikationsebene mitgestalten könne. Auf der anderen Seite müsse er seinen Journalisten-Beruf aufgeben, was ihm nicht ganz leicht falle.

Hug startete seine journalistische Karriere 1995 in der Wirtschaftsredaktion vom «Bund» und wechselte drei Jahre später zum «Tages-Anzeiger». Seit 2003 arbeitet er im Wirtschaftsressort der «NZZ am Sonntag», wo er im Herbst 2008 die Ressortleitung übernahm. Hug hat Wirtschafts und Politikwissenschaften an der Universität Bern studiert. Später folgte die berufsbegleitende Ausbildung zum Exec. Master of Science in Communications Management an der Uni Lugano.

Wer die Position als Ressortleiter Wirtschaft bei der «NZZ am Sonntag» ab August übernimmt, ist laut Hug noch nicht klar.


https://www.persoenlich.com/medien/wirtschaftschef-daniel-hug-geht (26.04.2019)

Quote
Kommentare

    Robert Penzinger, 26.04.2019 15:19 Uhr
    Früher galt ein Redaktionsjob bei der NZZ als "Lebensstellung"; in der Aera Gujer hat das geändert: Noch nie gab es so viele Abgänge wie in den letzten Monaten.

    Sebastian Renold, 26.04.2019 19:25 Uhr
    @Penzinger: Und nicht die Schlechtesten verliessen das Schiff!

    Urs Rauber, 29.04.2019 18:04 Uhr
    Die NZZaS steht unter ausschliesslicher Leitung von Chefredaktor Luzi Bernet. Eric Gujer redet da nicht rein.

...


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Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), im Zürcher Dialekt Zürizytig genannt, ist eine Schweizer Tageszeitung des Medienunternehmens NZZ-Mediengruppe mit Sitz in Zürich. Als traditionsreiche Zeitung ist sie überregional bekannt, wird zu den Leitmedien im deutschsprachigen Raum gezählt und vertritt gemäss ihrem Leitbild eine «freisinnig-demokratische Ausrichtung». ... Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt meinte einmal, dass er doch lieber gleich die NZZ lese als die Berichte seines Auslandsgeheimdienstes BND.[22] Rainer Link stellte 2019 im Deutschlandfunk fest, dass die ,,Qualitätszeitung [...] zu einer intellektuellen Kulturlandschaft" in der deutschen Presse zählt und laut Thomas Bernhard ,,ein Geistesmensch nicht an einem Ort existieren kann, in dem er die ,Neue Zürcher Zeitung' nicht bekommt". ... Seit der Ernennung von Eric Gujer als Chefredaktor im März 2015 und von René Scheu 2016 als Feuilletonchef zeichnet sich nach Ansicht mancher Beobachter nach Abgängen mehrerer Redaktoren eine Verschiebung der NZZ nach rechts ab.[26] In einem Brief an die NZZ von rund 70 Intellektuellen (darunter Jan-Werner Müller, Jan Assmann, Caspar Hirschi und Sibylle Lewitscharoff) wurden die Entlassungen kritisiert und die Entwicklungen von einigen als «politische Öffnung am rechten Rand des Liberalismus oder hin zu einem bemüht unkonventionellen Libertarismus» gedeutet.René Scheu hat diese Einschätzung in einem Interview mit dem Branchenmagazin Persönlich bestritten. ... (1. Juli 2019)
https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Z%C3%BCrcher_Zeitung

Johannes Franzen @Johannes42
03:38 - 6. Juli 2019
Guter Artikel in der @Wochenzeitung der einen Eindruck davon vermittelt, wie die NZZ zum deutschsprachigen Fox-News werden konnte. Auch beängstigend, weil sich zeigt, wie schnell so etwas gehen kann.
https://twitter.com/Johannes42/status/1147454813753491457/photo/1

"NZZ: Die Angst geht um an der Falkenstrasse" Von Kaspar Surber
Nr. 41/2017 vom 12.10.2017 (Dossiers: Archiv)
Bei der «Neuen Zürcher Zeitung» findet ein radikaler Umbau von oben statt. Erstmals sprechen prominente frühere MitarbeiterInnen der Zeitung: Unter Chefredaktor Eric Gujer herrschten ein Klima der Angst und ein ideologisch verengter Kurs. ...
https://www.woz.ch/-81a3


""Neue Zürcher Zeitung": Druck von rechts" Matthias Daum und Caspar Shaller (13. Dezember 2017)
Renommierte Wissenschaftler protestieren gegen Entlassungen bei der "Neuen Zürcher Zeitung". Manche befürchten einen politischen Kurswechsel beim Schweizer Traditionsblatt.
https://www.zeit.de/2017/52/neue-zuercher-zeitung-christoph-blocher-rechtsruck

QuoteInoagent #3

Das übliche Schema nur in diesem Fall schon kurz vor dem Endstadium: der medialen Gleichschaltung. Die Rechtspopulisten haben überall gemeinsam, dass sie den freien und unabhängigen Journalismus dumpf mit Schlagworten wie "Lügenpresse" in den Dreck ziehen. Da kommt dann immer der Vorwurf, die Publikation "XYZ" würde zu einseitig und tendentiös berichten, dabei ist das eigentliche Problem der Rechtspopulisten, dass die Publikatuionen eben nicht so einseitig und tendentiös sind, wie sie es gerne hätten. Sobald eine Rechtspopulistische Partei in die Situation gerät, über genügend Macht zu verfügen, setzt sie diese zur Gleichschaltung auf die eigene Parteilinie ein. Das kann man in Polen und Ungarn sehen, in Russland sowieso, jetzt in Österreich.
In den Online-Foren kann man ganz gut beobachten, wie rechtspopulistische User versuchen, auf die Inhalte der jewiligen News-Site einzuwirken. Passt ein Artikel oder eine Kolummne nicht zur Ideologie, wird Gift und Galle gegen das Portal und den Autoren gespuckt. Passt es hingegen, heißt es dann, das sei jetzt eine "wohltuende Ausnahme" und dergleichen gewesen. Diese User reflektieren entweder gar nicht, dass sie selbst es sind, die nach einseitiger Information verlangen oder sie versuchen bewusst die plurale Medienlandschaft einzuschränken.


Quotedaketias #5

Die NZZ ist schon seit längerem durch eine immer tendenziösere Berichterstattung aufgefallen. Dass dann Nadelstreifen-Rassisten wie Blocher ihre Finger im Spiel haben wundert leider nicht. Immer Lügenpresse, Lügenpresse schreien, wenn einem die ideologische Gesinnung nicht passt zeigt halt seine Früchte. So funktioniert halt die Welt: anstatt sich mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu widmen wird der alte Kampf von Geldeliten (Milliardäre wie Blocher) von Innnen gegen ein vermeintliches Außen angezettelt. Und all die Trottel fallen drauf rein :( #sad


QuoteSchulzsuchender #5.1  —  16. Dezember 2017, 14:35 Uhr 11

"Die NZZ ist schon seit längerem durch eine immer tendenziösere Berichterstattung aufgefallen. "

"Tendenziöse Berichterstattung" stört merkwürdiger Weise stets dann besonders, wenn sie von der eigenen Ideollogie abweicht. Geht die "Tendenz" jedoch in die eigene politische Weltsichtsrichtung, wird sie zur Objektivität.


QuoteWindomEarle #5.3  —  18. Dezember 2017, 9:55 Uhr 1

Das ist doch immer so. Schauen Sie mal, welche Leute nun die NZZ für ihre "realitätsnahe" Berichterstattung loben. Denken Sie, das sind Linke oder Rechte?

Was "realitätsnah" ist, entscheidet der eigene Horizont. Und der ist eng und wird in der eigenen Blase, welche uns das Internet gibt, immer enger. Entsprechend schriller brüllen sich die Seiten an.


QuoteProgenitor #6

Zur NZZ (und übrigens ebenso zur Weltwoche) kann man den Schweizern nur gratulieren. So stellt man sich Journalismus vor. Sachliche, ideologiefreie Kritik an herrschenden Zuständen, ohne dabei übers Ziel hinauszuschießen. Dass insbesondere Vertreter des deutschen Mainstreams darin gerne einen "Rechtsruck", "Rechtspopulismus" etc. erkennen mögen, sagt nichts über die NZZ aus, aber alles über diejenigen, die solche Vorwürfe erheben...


QuoteManudein #6.1  —  16. Dezember 2017, 22:29 Uhr 4

Du meine Güte, die Weltwoche ist ein rechtsnationales, populistisches Partei-Schmierenblatt. Mit üblen Kampagnen-Journalisten. So stellt man sich Systempresse vor. Weiter unter die Gürtellinie als die Weltwoche ist gar nicht möglich, da landen Sie nämlich bereits bei den Knöcheln. Dass Redaktoren der Weltwoche schon mehrfach von den Gerichten für ihre widerliche Schreibe, ihre Unterstellungen und Lügen verurteilt worden sind, scheint nicht bis zu Ihnen durchgedrungen zu sein. Zur Weltwoche muss man uns Schweizern vor allem eines: kondolieren.


Quote
Rage against the Washmachine #8  —  16. Dezember 2017, 12:43 Uhr 7

"Das ist für mich Kindergarten-Logik", sagt Scheu. Nur weil die AfD applaudiert, bedeute das noch lange nicht, dass man es auf die AfD-Sympathisanten abgesehen habe.

Richtig, absolute Kindergarten-Logik. Mit derartiger Logik wird aber in letzter Zeit gern versucht zu argumentieren bzw. zu unterstellen. Ähnlich wie mit Labels und Schubladen diffamiert wird, mit Debatte hat das nichts zu tun.


Quotethenakedtruth
#10  —  16. Dezember 2017, 12:49 Uhr 18

Mir persönlich ist die Deutsch-sprachige Presselandschaft ohnehin DEUTLICH zu linkslastig !

Es fällt mir doch immer wieder, auf beinahe ALLEN Seiten anhand der Leserbriefe und Kommentare auf, dass die Menschen, welche sich wirklich für Politik und Gesellschaft interessieren und auch und Presse-Artikel zu diesen Themen überhaupt LESEN, statt sich ausschließlich mit Konsum und Unterhaltung zu befassen, ganz andere Meinungen und Werte-Ansichten haben, als die dauer kritischen links-intellektuellen, bisher der Gesellschaft "vorschreibenden" Damen & Herren der veröffentlichten Meinung.

Die Zeit des "Vorschreibens" geht zu Ende - auch dank des Internet. - ich bin nicht böse darum, denn oft sind die Kommentare gehaltvoller als der Artikel, bzw. gleichen Sie, deutlich erkennbare Tendenziösität aus.
Insofern dürfte eine von "Linken" als "Rechts" angesehene Zeitung doch an sich eine gute Sache sein ?


Quote
Inoagent #10.1  —  16. Dezember 2017, 12:56 Uhr 13

Dann lesen Sie doch eine rechte Zeitung. Cicero, Junge Freiheit, Compact, BILD usw., da ist für jeden etwas dabei. Alles frei ud überall erhältlich.
Stattdessen hängen Sie bei Zeit Online im Forum herum und nölen über die linkslastigkeit...ja warum eigentlich?


Quote
ReAnder #10.6  —  16. Dezember 2017, 13:59 Uhr 3

"Die Zeit des "Vorschreibens" geht zu Ende"

Sie geht erst richtig los mit lauter Internetkommentaren, die Journalisten vorschreiben, wie sie zu arbeiten und zu schreiben haben - natürlich inklusive selbstgenüsslicher Polemik.
Glauben Sie echt, dass ein Kippen nach Rechts die "Volkserziehung" ein Ende bereitet? ...


QuoteAlois Hingerl #16  —  16. Dezember 2017, 13:16 Uhr 12

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, die NZZ ist nichts anderes als ein Parteiblatt der Schweizer FDP.
kurz mal bei wiki zitiert:
Politisch steht die NZZ der FDP Schweiz nahe; sie vertritt eine liberal-bürgerliche Haltung. Um Aktionär der NZZ zu werden, muss eine Person Mitglied der FDP sein oder aber sich zur freisinnig-demokratischen Grundhaltung bekennen, ohne Mitglied einer anderen Partei zu sein.

Man könnte das übergehen, aber leider triften die Liberalen immer mehr von einer humanistischen Grundidee (Dönhoff, Baum, ...Leutheuser-Scnarrenberger, ...) zu einem neokonservativen rechtspopulistischen Wirtschaftsliberalismus unter Vernachlässigung der Menschenrechte (FPÖ-Haider und Nachfolger, Kubicki, Lindner, ...)
Die NZZ ist als seriöses Organ der politischen Information schon längst im rechtspopulistischen Nebel gestrandet. Die Kulturseiten sind noch so einigermassen ok, waren aber auch schon deutlich besser.


QuoteJan Holler #23  —  16. Dezember 2017, 13:55 Uhr 5

"die Leser mögen den neuen Kurs"
Diese Hintergründe, die Matthias Daum hier in der Zeit einbringt, sind in der Schweiz allenthalben zu lesen gewesen. Sie werden hier gut auf den Punkt gebracht. Selber war ich um die 10 oder mehr Jahre Leser der NZZ. Ich nehme für mich in Anspruch, ein Gespür dafür zu haben, ob das, was ich in einer Zeitung lese, meinen Wissensdurst befriedigt. Ändert eine Zeitung oder Zeitschrift vom guten, recherchierten und objektiven Journalismus (inkl. der Kommentare) hin zu einem belehrenden Ton, der, auch wenn subtil, den Leser von bestimmten Positionen überzeugen will oder wird der Journalismus einseitiger, in dem er gewisse Themen auslässt oder sich zu wenig kritisch mit ihm nahestehenden Gesellschaftsströmungen auseinander setzt, dann breitet sich in mir über die Zeit Langweile und Enttäuschung aus.
Und genau das ist mir in der Zeit nach Spillmann mit der NZZ geschehen. Man kann das arrogant nennen, wenn sich ein einfacher Leser ein solches Urteil erlaubt: Mir sind die Positionen der heutigen NZZ zu banal, die Artikel befriedigen meinen Intellekt zu wenig, sie fordern mich nicht heraus, sie lassen mich als Leser unberührt. Dieser "Schaum vor dem Mund", wie es Daum beschreibt, stösst ab. Es ist nicht arrogant, wenn ein langjähriger Leser darum kündigt. Was hier Daum beschrieben hat, ist vielen aufgefallen. ...


QuoteMaryPoppinsky #27  —  16. Dezember 2017, 14:12 Uhr 4

Die NZZ war schon immer rechts, in den letzten Jahren rutschte sie noch weiter nach rechts und nun soll sie offensichtlich faschistisch werden.


Quote
Oberarzt #27.1  —  16. Dezember 2017, 14:16 Uhr 15

Faschistisch, aha.
Das zeigt wieviel Sie von diesem Begriff verstehen


QuoteZeitsierter30 #27.4  —  17. Dezember 2017, 0:56 Uhr 1

Der Frau ist einfach nichts zu peinlich...einfach links^^ liegen lassen!


QuoteEine Schweizerin #27.6  —  17. Dezember 2017, 2:20 Uhr 2

Bürgerlich-liberal im schweizerischen Sinn ist alles andere als faschistisch. Selbst wenn zum freisinnigen Gedankengut noch eine konservative Unterströmung hinzukommen sollte, ist das immer noch Lichtjahre von Faschismus entfernt.

Die NZZ war schon nicht faschistisch, als der Faschismus im umliegenden Ausland gross in Mode war. Die Gefahr, dass sie es jetzt werden sollte, ist verschwindend klein.


QuoteSchwarzmaler #28  —  16. Dezember 2017, 14:12 Uhr 7

Rechts oder links finde ich nicht so bedrohlich. Die NZZ war, solange ich sie wahrnehme, immer etwas rechter als die deutsche Zeitungslandschaft. Gefährlicher ist ein "Gesundschrumpfen" des Personals. Mit weniger Stimmen wird eine Zeitung zwangsweise einförmiger, stromlinienförmiger und damit uninteressanter. Die FAZ hat sich inzwischen so schlank gespart, daß sich die Lektüre schlicht kaum noch lohnt.


Quote
Sendepause #30  —  16. Dezember 2017, 14:25 Uhr 5

Ich weiß nicht, wer hier wohin gerückt ist, aber ich finde, die NZZ ist sich über die Jahre treu geblieben.


QuoteIphis
#49  —  19. Dezember 2017, 16:19 Uhr

Ich lebe als Deutscher in der Schweiz, denke sozial, liberal und grün, verehre die Schweizer Demokratie usw., lese die NZZ seit langem und habe da geschrieben. Leute, die jetzt das Blatt in D entdecken, können die Fallhöhe zur bisherigen NZZ offenbar nicht ermessen. Das rechts/links-Schema ist dafür wenig hilfreich. Ist es ein Rechtsruck, wenn in einem liberalen Blatt Mitarbeiter ideologisch auf Linie gebracht werden? Wenn Führungskräfte sich als Chaoten erweisen, die Planungsstrukturen einreissen, ohne selber tragfähige Ideen zu haben? Das Feuilleton wird repetitiver und uniformativer, Themenschwund macht sich breit, Meinung rangiert vor Reflexion, Storytelling vor solider Recherche und Fachkompetenz gilt neuerdings als akademisch angestaubt. Man hält es (wie Steve Bannon) mit Talebs Schwarzen Schwan, setzt auf Zuspitzung von Konflikten und verkauft die Probleme, die intellektuell und charakterlich überforderte Führungskräfte aufwerfen, als sportliche Herausforderung. Die berühmte wohltuende Solidität der Alten Tante wird zwar als Marke gerne verwertet, aber gleich noch als unstrukturiert und bequem diffamiert, wenn man die Arbeit, die das gekostet hat, nicht mehr machen will oder kann. Ein Trost ist, dass die Kritikkompetenz, für die lange das Feuilleton kompensatorisch aufkommen musste, sich in die Ressorts verlagert zu haben scheint, in denen man mit den katastrophalen Folgen von Jahrzehnten neoliberaler Indoktrinierung direkt konfrontiert ist (Wirtschaft und Ausland).


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Quote[...] Neil Postman: ,,Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie", Fischer Taschenbuch Verlag, 206 Seiten

,,Wir amüsieren uns zu Tode" – das Buch amerikanischen Medienwissenschaftlers Neil Postman ist zwar bereits Mitte der 80er-Jahre erschienen, seine Analyse über die Auswirkung des Fernsehens auf die Gesellschaft ist aber auch heute noch lesenswert und durchaus zutreffend.

,,Herzlich willkommen natürlich auch Ihnen zu Hause, willkommen beim Finale von ,,Germanys next Top Model" ..."

Neil Postmans Buch ist keine simple Abrechnung mit dem Fernsehen, und es ist auch nur bedingt eine Warnung vor zu vielen schlechten Unterhaltungsprogrammen. Der 2003 verstorbene Professor für Medienökologie hat nichts weniger verfasst als eine gelehrte Abhandlung darüber, wie Kommunikationstechniken die Gesellschaft verändern – und wie sich unsere Kultur selbst zu zerstören droht. Er tat dies auf einem so hohen gedanklichen wie sprachlichen Niveau, dass sich zeitgenössische Kulturkritiker vom Schlage eines Frank Schirrmacher oder eines Michael Jürgs dagegen oberflächlich und banal ausnehmen.

" ... und heute kommen wir ans Ziel. Heute finden wir Germanys next Top Model ..."

Postmans Kernthese: Es könne nicht ohne Folgen bleiben, wenn sich die Art und Weise ändert, wie sich die Menschen über die Welt informieren, in der sie leben. Eindrücklich beschreibt Postman, wie eine ausgeprägte Buch- und Vortragskultur im Amerika des 19. Jahrhunderts auch einfache Menschen in den Stand versetzte, mit Sachkompetenz Dinge des öffentlichen Lebens zu diskutieren. Das Ergebnis war, so Postman, ein allgemeiner Gedankenaustausch, der die Demokratie in starkem Maße prägte. Doch diese Kultur der ernsthaften Erörterung wurde nach Postmans Ansicht schon mit der Erfindung des Telegraphen beschädigt, einem Medium, das unterschiedslos und schnell Nachrichten aus aller Herren Länder transportieren konnte.

Die Telegraphie verlieh der Idee der kontextlosen Information Legitimität, also der Vorstellung, dass sich der Wert einer Information nicht unbedingt an ihrer etwaigen Funktion für das soziale und politische Entscheiden und Handeln bemisst, sondern einfach daher rühren kann, dass sie neu, interessant und merkwürdig ist. Der Telegraph machte aus der Information eine Ware, ein ,,Ding", das man ohne Rücksicht auf seinen Nutzen oder seine Bedeutung kaufen oder verkaufen konnte.

Der langsame Erwerb und die intensive Verarbeitung von Informationen durch den Einzelnen wurde abgelöst durch eine Nachrichtenflut, bei der nicht mehr zwischen wichtig oder nur interessant unterschieden werden konnte. Im Grunde, so Postman, wurde nun alles zur Unterhaltung: Denn was nutzen selbst ernste Nachrichten, wenn sie den, der sie liest, nicht in die Lage versetzen, zu reagieren? Berichte über ferne Naturkatastrophen und überseeische Kriege würden seitdem in erster Linie zum Zeitvertreib konsumiert. Die Hilflosigkeit gegenüber der Überfülle an Informationen, die nicht unmittelbar mit dem tagtäglichen persönlichen Erleben zu tun haben, wurde, meinte Postman, durch die Einführung des Fernsehens noch verstärkt, denn dort musste nun alles Berichtenswerte erst recht unterhaltsam, also schnell verdaulich sein. Das Medium verlange es so. Das Denken habe in dieser Bilderwelt keinen Platz, denn:

Denken ist keine darstellende Kunst.

Wir haben mehr Informationen denn je, wissen aber nicht, wie wir damit umgehen sollen, fühlen uns handlungsunfähiger als je zuvor. Auch die Politik hat sich den Zwängen zur fernsehgerechten Unterhaltung, zum kurzen Statement unterworfen. Sogar gebildete Menschen messen Politik nicht länger daran, ob sie stringent ist, sondern ob sie glaubwürdig ist. Der Schein bestimmt das Bewusstsein. Unstimmigkeiten, ja sogar Lügen amerikanischer Präsidenten geraten schnell in Vergessenheit, wenn sie denn überhaupt wahrgenommen werden. Dabei sei Unterhaltung an sich ja nichts Verwerfliches, sagt Postman, aber:

Wenn sich ein Volk von Trivialitäten ablenken lässt, wenn das kulturelle Leben neu bestimmt wird als eine endlose Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsierbetrieb, wenn der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplapper wird, kurz, wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffentlichen Angelegenheiten zur Varieté-Nummer herunterkommen, dann ist die Nation in Gefahr – das Absterben der Kultur wird zur realen Bedrohung.

Nicht die Gesellschaft bestimmt, was im Fernsehen läuft, das Fernsehen formt die Gesellschaft – und die merkt es nicht einmal und wehrt sich auch nicht. Diese Diagnose von Neil Postman ist heute noch gültig. Dass, wie der Medienwissenschaftler schrieb, die Pädagogen unserer Zeit nicht die Lehrer, sondern die Fernsehmacher seien, wird jeder bestätigen, der Kinder hat oder kennt. Wer Kinder bilden will, muss das immer gegen das Fernsehen, nicht mit dem Fernsehen tun. Selbst Bildungs- und Informationssendungen, so legte Postman schlüssig dar, bringen keinem Kind das logische Denken bei. Auch der Siegeszug des Internet widerlegt den Medienwissenschaftler nicht. Es mag sein, dass das Internet mehr Menschen denn je zum Schreiben und Lesen gebracht hat, wie Netzenthusiasten meinen. Wer sich unterhalten lassen will, wird dort immer etwas finden. Wer allerdings nach fundiertem und überprüfbarem Wissen sucht, ist auch in unserer digitalisierten Epoche in jeder Bibliothek besser aufgehoben.



Aus: "Informationsflut und der Siegeszug der Unterhaltung" Brigitte Baetz (04.06.2012)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/informationsflut-und-der-siegeszug-der-unterhaltung.1310.de.html?dram:article_id=207917

http://www.zeitgeistlos.de/buecher/postman_zutode.html

Neil Postman (* 8. März 1931 in New York; † 5. Oktober 2003 ebenda) war ein US-amerikanischer Medienwissenschaftler, insbesondere ein Kritiker des Mediums Fernsehen und in den 1980er-Jahren ein bekannter Sachbuchautor.
https://de.wikipedia.org/wiki/Neil_Postman

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Quote27.09.19 10:05 news aktuell

München (ots) - Die Millionärsfamilie kehrt auf die Bildschirme zurück

- Schwere Turbulenzen in Abu Dhabi sorgen für Aufregung
- Start am Montag, 14. Oktober 2019, um 20:15 Uhr bei RTL II

Pünktlich zum Herbst sind "Die Geissens" zurück bei RTL II: Zum
Auftakt der 18. Staffel macht die Millionärsfamilie die Emirate
unsicher und genießt die warmen Temperaturen in Abu Dhabi. Doch ehe
Carmen, Shania und Davina entspannen können, schlägt ein
Instagram-Post von Robert hohe Wellen und stürzt die Geissens in
schwere Turbulenzen. Los geht's ab 14. Oktober 2019, 20:15 Uhr, bei
RTL II.

Deutschlands schillerndste Millionärsfamilie gewährt ab 14.
Oktober wieder Einblicke in ihr Leben zwischen luxuriösem Alltag und
exklusiven Events. Im Jetset zwischen St. Tropez und Heimatglück
verschlägt es die glamouröse Familie dieses Mal in ihre
Lieblingsmetropole in den Vereinigten Arabischen Emiraten - nach Abu
Dhabi.

Beim Abstecher an den Golf liebäugeln Carmen und Robert mit dem
Kauf einer Immobilie in der Wüstenstadt. Für Shania und Davina kommt
das nicht in Frage - die Töchter meutern vor Ort gegen den Plan der
Eltern. Für umso mehr Zündstoff sorgt eine anschließende Autopanne,
die den Verlust des Heckspoilers nach sich zieht. Inklusive der
großen Frage: War Carmen oder Robert schuld?

Die Wogen sind schnell geglättet, doch dann ziehen dunkle Wolken
über Abu Dhabi auf: Ein Instagram-Post von Robert stellt das
Familienleben auf den Kopf. Die Geissens finden sich in schwersten
Turbulenzen wieder - Ausgang ungewiss.

"Die Geissens - Eine schrecklich glamouröse Familie" wird
produziert von Geiss TV.

"Die Geissens - Eine schrecklich glamouröse Familie!":
Staffelauftakt am Montag, 14. Oktober 2019, um 20:15 Uhr bei RTL II

Die Folgen sind im Anschluss an die Ausstrahlung 30 Tage lang
kostenlos bei www.tvnow.de verfügbar

...

Original-Content von: RTL II, übermittelt durch news aktuell


Aus: ""Die Geissens": Staffelauftakt am 14. Oktober bei RTL II"
Quelle: http://www.aktiencheck.de/news/Artikel-Geissens_Staffelauftakt_am_14_Oktober_RTL_II_FOTO-10391929

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Quote[...] Das emanzipatorische Potential der Geissens

,,Ich kann also jeden Tag irgendwo am Ende
auch ein neues Auto kaufen, weil Gott sei
Dank immer wieder neue Autos entwickelt
werden."
Robert Geiss

Einst war der Fernseher das Fenster zur Welt. Heute langweilen einen die Programmchefs zu Tode, das Elend wird zum Alltag, und der Fernseher verkommt zu einem Gerät, dessen Inhalt zu emanzipatorischen Prozessen genau so viel beizutragen hat wie ein Cocktailmixer. Ob nun Günther Jauch oder Galileo, TV Total oder Die strengsten Eltern der Welt, ob dieses oder jenes: Die deutschen Fernsehsender leisten sich eine Schlacht darum zu beweisen, dass es immer noch ein bisschen schlechter, immer noch ein Stückchen gemeiner, und mit immer weniger Inhalt geht.
Seit 2011 jedoch zeigt RTL2, dass es auch anders möglich ist. Mit der liebevoll akribischen Dokusoap über die Millionärsfamilie Geiss bietet der oft zu Unrecht verschriene Sender sowohl Unterhaltung als auch einen Blick auf die Verhältnisse, der in seinem kritischen Gehalt der Lektüre diverser in linken Kreisen hochgehaltenen Werke in nichts nachsteht.
In Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie wird schlicht das alles andere als schlichte Leben der Familie Geiss gezeigt. Diese ist dank harter Arbeit – darauf verweist subtil auch der Titel ihrer Biographie ,,Von nix kommt nix (Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens)" – reich geworden. Robert Geiss gründete 1986 zusammen mit seinem Bruder den deutschen Ableger des Bekleidungslabels Uncle Sam, 1995 verkaufte er seine Anteile für 140 Millionen.

Heute lebt die aus Köln stammende Familie in Monaco, hat Ferienhäuser in Saint-Tropez und Kitzbühl, neben einem ganzen Fuhrpark an Luxusautos gehört auch eine Luxusyacht zu ihren Habseligkeiten, kurz: Es gibt kaum etwas, das sie sich nicht leisten können.
Die beiden Töchter Davina Shakira (9) und Shania Tyra Maria (8) erhalten die beste Schuldbildung, die aufwendigsten Geburtstagspartys, jede Woche fünf Euro Taschengeld und eine angemessene Erziehung (,,Wer keine Hausaufgaben macht, fährt auch keinen Jetski!").

Selbstverständlich, wie das nun einmal so ist, wenn man sich in der Öffentlichkeit zeigt, hat bald jeder eine Meinung dazu. Für allerlei Menschen, insbesondere für einen Haufen Linker sind die Geissens das ideale Feindbild.
So erfährt man in linken Kreisen zumeist auch nur Misstrauen und Unverständnis, wenn man erwähnt, regelmäßig die Geissens anzusehen. Aber was soll man schon erwarten, von Zusammenhängen, in denen seit über hundert Jahren hauptsächlich das gleiche Buch gelesen wird und die wichtigste Aktivität darin besteht, Sparkassenfilialen zu entglasen. Dabei stellte schon Adorno 1968 in seiner Rede ,,Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft" fest, dass unterdessen die Marktökonomie so durchlöchert ist, ,,daß sie jeglichersolchen Konfrontation spottet. Die Irrationalität der gegenwärtigen Gesellschaftsstruktur verhindert ihre rationale Entfaltung in der Theorie."

Aber solche Hinweise werden allerorten ignoriert. Schon das bloße Erwähnen der Option, die Kritik der politischen Ökonomie einmal anders anzugehen, wird im Keim erstickt. Dabei bieten die Geissens genau jene Perspektive, jenseits von Marxlektüre und Sparkassenfilialen entglasen, die nutzbar zu machen wäre, um zumindest dem deutschsprachigen Publikum endlich einen Begriff von der Irrationalität und Grausamkeit der Verhältnisse zu geben.

Diese führt die Dokusoap mit geschickten Kunstgriffen jedem vor Augen. Das gelingt hauptsächlich deswegen fantastisch, weil sich Carmen und Robert keinen Moment zieren, ihre Rollen immer weiter auszuloten. Carmen, die keine Minute mehr für sich empfinden kann, weil jede Sekunde sich darum dreht, den Vorstellungen nachzueifern, die andere von ihr haben oder haben sollen; und Robert, der nicht mehr arbeitet, aber sich doch ständig genauso im Stress befindet.
Carmen, ehemalige Miss World Fitness, heute dank diverser Silikoneinspritzungen etwas unförmig in Form gehalten, kommt nicht zur Ruhe. Außer beim Friseur, dem sie mindestens jeden zweiten Tag einen Besuch abstattet, oder den sie notfalls auch mit dem Helikopter einfliegen lässt.
Bis zur Endlosigkeit karikiert Carmen ihre Figur der reichen, verwöhnten Frau, die tausend Paar Schuhe besitzen möchte, und sonst nichts anderes tut oder kann. Völlig unbekümmert arbeitet sie an ihrem Image des verwöhnten Dummchens, ob nun in der Küche (,,Ich hab keine Nanny und nichts, wie soll ich denn dann Spiegeleier machen?") oder in Athen vor der Akropolis (,,Wie kann die 2.500 Jahre alt sein? Wir haben 2011!"). Auch ihre recht neue Karriere in der Welt der Popmusik verdankt sie nur ihrer Popularität und dem nötigen Kleingeld, kein Aufheben wird darum gemacht, dass sie nicht einmal sonderlich gut singen kann, niemand findet ernsthaft ihre Musik gut. Wie alles an ihr ist es nur eine Marke, das Erfüllen von Projektionen, gekonnt von ihr auf die Spitze getrieben.

Möchte Robert seine Ruhe haben, braucht er nur zu sagen, er kaufe ihr später Schuhe, wenn sie jetzt dafür die Klappe halte. Und sie tut es. Egal was anliegt, immer schreit sie nach ihrem Mann: ,,Rooooobeeert." Der Ruf ist nicht nur längst eine eigene Marke – überall erkennen sich Fans der Serie daran – sondern auch ein geschickter Kniff, wirft er doch immer wieder ein Licht auf die Beziehung der beiden, und zeigt insbesondere die Beziehung von Carmen zu ihrer Umwelt als eine Schreckensvision: Als wären ihr alle Fähigkeiten verkümmert, und jeder Gedanke, der über oberflächliches Haben und Sein hinausginge, gar nicht mehr denkbar.

Den Gegenpol zu Carmens hysterischer Hektik um nichts spielt Robert. Er spielt die Unaufgeregtheit dessen, der sich alles leisten kann, dessen Leben sich stets darum gedreht hat, diesen Zustand zu erreichen; und der nun damit und mit sich nur nichts mehr anzufangen weiß als stumpfe Beschäftigungspolitik. Ständig mürrisch und gelangweilt, höchstens mal ein bisschen interessiert, wenn er sich eine neue Yacht kauft – so vegetiert er in seinem Luxus dahin. Dieser kommentiert sein Dasein zwar folgendermaßen. ,,Ich leb hier ein geiles Leben, alles andere interessiert misch nischt," – aber niemand, der recht bei Trost ist, nimmt dies dem Robert ab, wie er sich im Fernsehen zeigt.
In der schon zuvor erwähnten Rede, die Adorno als Einleitungsvortrag zum 16. Deutschen Soziologentag hielt, wies er darauf hin, dass sich längst kein Standort außerhalb des Getriebes mehr beziehen lässt ,,von dem aus der Spuk mit Namen zu nennen wäre; nur an seiner Unstimmigkeit ist der Hebel anzusetzen."
Genau dies tut Robert Geiss. Statt ellenlanger Abhandlungen und Analysen, auf die heutzutage niemand mehr Lust und für die sowieso niemand mehr Zeit hat (wie Wolfgang Pohrt einmal meinte: ,,Ich hab das Zeug gelesen, aber wenn die Revolution nur möglich ist, wenn alle so viel Marx lesen wie ich – dann kommt sie ganz bestimmt nicht. Das kann man einfach von keinem Menschen verlangen.") setzt Robert Geiss mit viel Fingerspitzengefühl den Hebel an den Unstimmigkeiten an.
Geschickter als jede Abhandlung über Wert, und jede Rede über gerechte und ungerechte Verteilung führt er jedem mit nur einem Satz vor Augen, wofür Marx ein ganzes Buch schrieb: ,,Ich fahr' easy going zur Bank und hol' mir ein paar bedruckte Scheine ab."
Scharfsinnig und mit dem Gespür für die wirksamste Geste pflügt Robert hier jedem durch den Kopf. Niemand der zu Hause auf der Couch sitzt und ihn diesen Satz sagen hört, wird das einfach so schlucken können. Jede vermeintlich aufrührerische Rede irgendeines Linken-Politikers ist leichter zu ignorieren, jedes noch so dämliche MLPD-Plakat ist einem schneller wieder aus dem Sinn, und keine Ausführung zur ,,eisernen Konsolidierung der kapitalistischen Welt" (Adorno) trifft den Betrachter so scharf und erweckt so viel Bewusstsein über die falsche Einrichtung der Welt, wie dieser Satz.

Für die Geissens könnt' alles so einfach sein. Isses aber nich. Denn statt sich endgültig auf die faule Haut zu legen, haben sich Carmen und Robert Geiss der mühsamen Aufgabe angenommen, der Menschheit das Unheil vorzuführen. Wo sich sonst stumpf und einträchtig der Pöbel vor dem Fernseher traf, um Bestätigung dafür zu finden, einfach so weiterzumachen wie bisher, sieht man heutzutage die Geissens, und die führen einen vor und führen einem vor, dass da mehr sein muss.
Denn wer die Geissens sieht, dem wird vielerlei bewusst: Zum einen, dass der Luxus und die wundervollen Dinge und Möglichkeiten, mit denen die Geissens sich umgeben, durchaus erstrebenswert sind. Wer möchte nicht einmal solche Sätze sagen wie Robert Geiss: ,,Ich könnte sagen, mit harter Arbeit bin ich hierher gekommen. Aber das stimmt nicht. Nein, dieses Mal war es der Heli."
Aber viel wichtiger: Bei jedem Zuschauer keimt das Bewusstsein auf, dass keine Gründe sich finden lassen, warum ihnen dieses materiell gute Leben nicht genauso zustehen sollte. Die Geissens strafen die Legende von den Reichen und Schönen, die so sind, weil sie es verdient haben, Lüge.
So begreift der Zuschauer – der schon längst die Vermutung hegte, dass an der Kapitalverteilung nichts gerecht ist, so wie sie stattfindet – nun, dass sie auch nicht logisch ist, sondern dass lediglich das Beherrschen der Gesetze des Marktes und eine Menge Glück dazugehören, um reich zu werden.
Gleichzeitig aber zeigt sich montagabends auf RTL2 die Schreckensvision eines Lebens, in dem zwischen Yachtausflügen und Shoppingtouren nichts mehr auszumachen ist als das große Nichts.

So führen also die Geissens den Leuten vor, was ihnen auf anderen Wegen gar nicht mehr vermittelbar wäre. Linke, denen ernsthaft daran gelegen ist, emanzipatorische Prozesse voranzubringen und in der breiten Masse ein Bewusstsein über das Kapital und seine Unstimmigkeiten zu prägen, sollten alles tun, die Sendung zu verbreiten. Eine Menschheit, der ihre Vergangenheit, und damit auch ihr Unglück, vollständig zitierbar geworden ist, wird sich vielleicht einmal statt an die Internationale an einen anderen Weckruf erinnern, der mit messianischer Kraft erst in den guten Stuben und hoffentlich bald auch auf den Straßen der Welt ertönen wird: ,,Roooobeeert!"


Aus: "Das emanzipatorische Potential der Geissens" Spätzle (28.09.2013)
Quelle: https://www.conne-island.de/nf/207/3.html

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Quote[...]  ARD und ZDF überlassen es weitgehend der privaten Konkurrenz, die gesellschaftliche Armut darzustellen. RTL 2 hat seine Sozialreportagen zum Markenkern des Senders erkoren. Von der erfolgreichsten Sendung ,,Hartz und herzlich" wurden mittlerweile schon 23 Folgen ausgestrahlt, und RTL hat für ,,Zahltag! Ein Koffer voller Chancen" und ,,Vera Int-Veen – zwischen Mut und Armut" wochenlang den gesamten Dienstagabend freigeräumt. Es lohnt sich, etwas genauer hinzuschauen.

Die produzierende Firma, Ufa Show & Factual dreht für RTL 2 bevorzugt an sozialen Brennpunkten wie der Eisenbahnsiedlung in Duisburg, den Benz-Baracken in Mannheim oder in den Plattenbauten von Bitterfeld-Wolfen. Mit der Kamera blicken wir nach ganz unten, in Abgründe. Gezeigt werden schreckliche Zustände. Die Kamera schweift durch zugemüllte Wohnungen, zeigt Dreck, Schimmel, ja Kot. Ausgiebig werden einzelne Protagonisten begleitet.

Nicht selten sind die Menschen sehr krank. Olaf aus der Duisburger Eisenbahnsiedlung wiegt 204 Kilogramm. Gudrun aus den Benz-Baracken hat einen Fuß amputiert. Elvis, der achtfache Vater aus Mannheim, ist drogensüchtig. Er versucht einen kalten Entzug - und dann sehen wir ihn aus der Wohnung laufen, die Frau ruft ihm hinterher. Jetzt ist er wieder unterwegs zu seinem Dealer, heißt es lapidar. In Mannheim sitzen vier Nachbarinnen zum Plausch zusammen. Sie halten den Gestank ihres ,,Problemnachbarn" Johann nicht mehr aus. Bald schon sprechen sie nur noch darüber, wie lange der Alkoholiker überhaupt noch leben werde. Die Kamera zoomt auf den völlig abgemagerten Mann, der sich kaum noch an seinem Rollator halten kann. Ohne Scham wird draufgehalten. RTL 2 weidet sich an einem Extremismus des Elends.

Ob in Pirmasens, Salzgitter oder Duisburg – immer wieder protestieren hinterher die Bewohner und fühlen sich getäuscht. Gezielt werde nach Menschen am Rande der Gesellschaft gesucht, um Klischees zu bedienen. Was sich ,,Dokumentation" nennt, produziert Ideologie: Armut ist das ganz Andere, der Schrecken, von dem man die Augen kaum abwenden kann, den man aber unbedingt von sich selbst fernhalten möchte. Für den Zuschauer ist es beruhigend, dass es ihm besser geht.

Als ,,Sozialreportage" firmiert die RTL-2-Sendung ,,Armes Deutschland – stempeln oder abrackern?" Wieder werden einzelne Protagonisten ausführlich begleitet. ,,Aaron ist gepflegt und gebildet," belehrt der Kommentar. Ganz anders dagegen die 24-jährige Jacky P. aus Bremerhaven, die sich als besonders cool inszeniert. Ihre zwei kleinen Töchter hat das Jugendamt in Obhut nehmen müssen. Nun verscherbelt sie ungerührt für gerade einmal zehn Euro die Babyklamotten und das Spielzeug, um sich davon Energy-Drinks und Zigaretten zu besorgen. ,,Party und Energy-Drinks statt Fürsorge für die Kinder – armes Deutschland", raunt der Kommentar.

Wir wissen immer viel zu wenig, um zu urteilen. Das erledigt gnadenlos der Kommentar. Das Bild, in das er die Figuren einpasst, ist schwarz-weiß. Der ruchlosen Jacky werden Theo, 59, und Margret, 60, aus Bergheim bei Köln gegenübergestellt. Auch deren kleine Wohnung ist chaotisch, aber beide stehen um Mitternacht auf, um bei Wind und Wetter Zeitungen auszutragen. ,,Sie strampeln sich Nacht für Nacht für ihren Lebensunterhalt ab", heißt es anerkennend.

Der Riss zwischen lobenswert tüchtig und tadelnswert verantwortungslos geht in Köln sogar mitten durch ein Paar. Als Willi wieder einmal arbeitslos geworden ist, macht sich der gelernte Gärtner sofort auf die Suche nach einem neuen Job als Gabelstaplerfahrer, während seine Lebensgefährtin Carola (,,Arbeit ist nicht so meins") wie folgt charakterisiert wird: ,,Carola genießt ihre Freiheit – der Staat zahlt. Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, kommt für die 34-Jährige offenbar nicht infrage." Später erfahren wir: Carola war auf der Sonderschule, hat keine Ausbildung, hat nie gearbeitet, und ihre sieben Kinder wurden alle vom Jugendamt in Obhut genommen. Man möchte sie davor schützen, im Fernsehen ausgestellt zu werden, aber gerade deshalb geschieht es. Sie dient nur als Material, um zu veranschaulichen: Die einen strampeln sich ab, um gerade so über die Runden zu kommen, die anderen faulenzen und liegen uns allen auf der Tasche.

Nicht auf Spaltung, sondern auf Empathie ist dagegen Vera Int-Veen aus. In den vier Folgen der mittlerweile zweiten Staffel von ,,Vera unterwegs – Zwischen Mut und Armut", einer Produktion von Imago TV für RTL, fährt die Moderatorin quer durch Deutschland und trifft sich mit Menschen, die arm sind. In Delmenhorst hilft sie Roswitha und Andreas, die erhaltene Räumungsklage noch drei Monate aufzuschieben, in Berlin lässt sie sich von Obdachlosen ausführlich zeigen, wie sie die Schlafsäcke zum Nachtlager ausbreiten. Demonstrativ respektvoll geht Vera Int-Veen dabei stets mit den Betroffenen um, fragt artig, ob sie hereinkommen darf und umarmt alle, selbst wenn sie schlecht riechen. Sie ist auch mal streng, wie mit Melanie, die ihrer 15-jährigen Tochter keine Liebe zeigen kann oder sagt zu Andreas, der mehr Jahre im Gefängnis verbracht hat als in Freiheit: ,,Viele Dinge, die du getan hast, finde ich nicht gut, aber ich mag dich als Mensch."

Eigenartig ziellos wirkt dieses Unterwegs-Sein, das nur eine Konstante kennt: Vera Int-Veen und ihre Gefühle – Mitleid, Trauer, Scham und Freude, die sie aufdringlich ausstellt. ,,Helges Geschichte berührt mich", sagt sie dann in die Kamera. Uwe, der obdachlos war, lebt nun mit Kerstin zusammen, die Obdachlose betreut hat. ,,Oh, ist das schön!", jauchzt Vera. RTL 2 macht Armut reißerisch zur Sensation und stigmatisiert die Verlierer wegen ihres mangelnden Einsatzes, bei Vera Int-Veen dagegen regiert Sentimentalität.

Unter den zahlreichen Sendungen zur Armut ragt ,,Zahltag! Ein Koffer voller Chancen" (RTL) nach Aufwand und Setting heraus. Sie nennt sich selbst ein ,,Sozial-Experiment" und kombiniert Elemente von Reportage und ,,Help"-Formaten. Die in der Regel seit Jahren auf Hartz IV angewiesenen Protagonisten – in der gerade vergangenen Staffel waren es fünf Familien – bekommen als ,,Überraschung" einen Koffer voller Geld vor die Tür gestellt. Natürlich ist das Filmteam, das die stets tränenreich überwältigte Familie beim Öffnen des Koffers zeigt, aber schon vorher in der Wohnung. Im Koffer ist als Geschenk der Hartz-IV-Betrag für ein Jahr. Für Familie Röder aus Selb sind das immerhin fast 30 000 Euro, während die alleinerziehende Mona Assenmacher aus der Eifel 15 500 Euro vorfindet. Davon sollen sich die Auserwählten ein neues Leben aufbauen, möglichst ein Gewerbe gründen und so das Hartz-IV-Leben hinter sich lassen.

RTL und damit den Zuschauern gewähren sie dafür einen tiefen Einblick in ihr Leben und begleitet werden sie dabei von drei ,,Experten", vor denen sie am Ende zur ,,Abschluss-Bilanz" antreten müssen. Dieses Team besteht aus Heinz Buschkowsky, dem ehemaligen Neuköllner Bezirksbürgermeister; dem ,,Gründerberater" Felix Thönnessen, der blaue Augen hat, verwuschelte Haare und Start-up- Sprech beherrscht sowie Ilka Bessin, die einst selbst von Hartz IV lebte, sich als Comedy-Figur ,,Cindy aus Marzahn" aber erfolgreich aus der Abhängigkeit von Transferleistungen herausgearbeitet hat. Diese Drei sitzen an einem Tisch und kommentieren, was die Protagonisten so treiben und besuchen diese auch mal.

Der 28-jährige Michael Traut aus Siegen lebt mit seiner gleichaltrigen Lebensgefährtin Melanie Schmidt und drei Kindern im Chaos. Für zehntausend Euro schafft er ein Auto an, weitere zweitausend Euro gehen für ein Logo, Flyer, Visitenkarten, Homepage und bedruckte Arbeitskleidung drauf. Ein Lieferservice soll entstehen. Kunden gibt es keine. ,,Beide haben keine Ausbildung, keinen Job und noch nie gearbeitet", weiß der Gründungsfachmann. Ilka Bessin besucht die beiden. ,,Melanie ist in so einer Situation," sagt sie, ,,die weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. Ich würde mir wünschen für Melanie, dass hier jemand herkommt, der sie unterstützt bei der Planung." Und? Hilft jemand? Großherzig macht der flotte Gründerfachmann ein Geschenk: kostenlos darf Michael an einem seiner hippen Start-up-Seminare teilnehmen. Naturgemäß fühlt der sich da unwohl und haut bald ab. Heftig echauffiert sich da Ilka Bessin und findet das unglaublich ,,respektlos".

Unter dem Vorwand, ihnen eine Riesenchance zu bieten, werden hier arme Menschen, die dabei dankbar mitspielen, auf eine absurde Irrfahrt geschickt. Wobei die ,,Experten" sich stets besorgt zeigen (Ilka Bessin) oder bissige Kommentare (Heinz Buschkowsky) zum Besten geben. ,,Wir können die Menschen nicht davon abhalten, Blödsinn zu machen. Sie sind selbstständig. Sie können mit dem Geld machen, was sie wollen," erklärt Heinz Buschkowsky in einem von RTL veröffentlichten Interview zur Sendung. Wirklich nicht? Aber dabei zusehen, wie diese Menschen weder in der Lage sind, rational mit Geld umzugehen, geschweige denn strukturiert zu arbeiten oder gar ein Gewerbe aufzubauen – das macht das Fernsehen möglich.

Manuela Röder ist achtfache Mutter und hat einen kränkelnden Ehemann. Sie ist eine tatkräftige Frau – allerdings ohne jede Erfahrung. Sie will eine Suppenküche aufmachen, mietet einen Laden, kauft teure Wärmetheken. Einkauf, Schnipseln, Kochen, Service, Buchführung – all' das hat sie noch nie gemacht und soll es nun alleine stemmen. Niemand schreitet ein. Buschkowsky kommentiert lakonisch, dass Kochen ja wohl was anderes sei als Dosen warmmachen. Wir können zusehen, wie sie scheitert. Mit vielen Tränen. Am Ende sind 30 000 Euro verballert worden, und die Familie lebt wieder von Hartz IV. Das gebe ihr doch mehr Sicherheit, gibt Manuela zu.

Geschafft haben es die patente Mona Assenmacher, die in einer Drückerkolonne arbeitet und putzen geht, und René und Ines Schröder mit Dienstleistungen für Haus und Garten. Ebenfalls nicht mehr von Hartz IV leben Maik und Sarina Schubardt aus Eisleben. Ihr Traum war es, einen Imbisswagen zu betreiben. Für siebentausend Euro haben sie einen gekauft, umständlich renoviert und dann später notgedrungen für die Hälfte wieder verkauft. Betrieben haben sie ihn nie. Einmal kam Ilka Bessin zu Besuch und wollte eine Currywurst mit Pommes. Es dauerte 45 Minuten, bis die Wurst fertig war. Von den 24 000 Euro für die Schubardts war am Ende kein Cent mehr übrig. Zwischendurch haben sie einmal eine Bewerbung geschrieben – genüsslich zeigte die Kamera: ,,Sehr geärte" stand in der Anrede.

Nun arbeiten sie für zehn Euro Stundenlohn am Band in der Fleischverarbeitung. Als ,,größtes Abenteuer ihres Lebens" nennt der Kommentar die Teilnahme am ,,TV-Experiment", als wäre es nicht sinnvoller gewesen, den beiden sofort den Job am Band zu vermitteln und das kuriose Theater um ein eigenes Geschäft abzublasen. Aber dann hätte sich das Publikum ja nicht an einem zynischen ,,TV-Experiment" vergnügen können. Dass RTL-Bossen so etwas einfällt – geschenkt. Dass aber Heinz Buschkowsky und Ilka Bessin dabei mitmachen, ist skrupellos.




Aus: "Ideologie statt Dokumentation Armut im Fernsehen oder armes Fernsehen?" Bernd Gäbler (26.10.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/ideologie-statt-dokumentation-armut-im-fernsehen-oder-armes-fernsehen/25158294.html

QuoteDenkerin 08:39 Uhr
Was erwartet man denn anderes vom Privatfernsehen? Wer das anschaut ist selber schuld. Wer da mitmacht, auch.


Quote2010ff 26.10.2019, 18:35 Uhr
Was würden Sie nur machen ohne all diejenigen, die sie ausstellen? ...


...

Link

Quote[...] Die Mehrheit glaubt laut einer neuen Studie an die Unabhängigkeit der Medien. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird am ehesten eine politische Beeinflussung vermutet. Die Mehrheit der Deutschen glaubt einer aktuellen Studie zufolge nicht an eine Einflussnahme von Staat und Regierung auf die Medien. Das ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap (https://presse.wdr.de/plounge/wdr/programm/2019/11/_pdf/20191120_WDR_Glaubwuuerdigkeit_Medien.PDF) zur Glaubwürdigkeit der Medien im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Eine Erkenntnis der Umfrage lautet: Im Vergleich zu früheren Studien ist der Anteil derer, die eine politische Einflussnahme vermuten, leicht zurückgegangen. Etwa vier von zehn Deutschen glauben laut der aktuellen Studie, dass Staat und Regierung deutschen Medien Vorgaben bei der Berichterstattung machen. Das sind 38 Prozent der Befragten. Mit 58 Prozent sehen die meisten hingegen keinen Einfluss der Politik. 37 Prozent vermuten, dass besonders die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Vorgaben durch die Politik betroffen sei. Beim Fernsehen allgemein lag der Wert bei 15 Prozent, und bei Tageszeitungen und Zeitungen allgemein bei neun Prozent. Im Vergleich zu früheren Studien für den WDR zur Berichterstattung der Medien ist der Anteil derer, die eine politische Einflussnahme vermuten, etwas gesunken. Im Jahr 2016 waren es den Angaben zufolge noch 42 Prozent und im Jahr 2018 40 Prozent.

Im März dieses Jahres kam eine andere Studie zum Vertrauen der Bevölkerung in die Medien mit Zahlen aus 2018 noch zu einem anderen Ergebnis. Demnach gab es eine wachsende Gruppe, die den Medien gezielte Manipulation vorwarf. 25 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, "die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren". Das glaubten 2017 nur 20 Prozent der Befragten. 2016 hatten dieser Aussage allerdings schon 27 Prozent zugestimmt.

Die Vermutung der politischen Einflussnahme wird in den ostdeutschen Bundesländern häufiger (50 Prozent) als in den westdeutschen (35 Prozent) geäußert. Auch gehen jüngere Bürger und Häufignutzerinnen sozialer Medien überdurchschnittlich oft von einer Beeinflussung von Staat und Regierung auf die Medien aus.

Die Qualität des Informationsangebotes der Medien in Deutschland halten der Studie zufolge 90 Prozent der Befragten zugleich alles in allem für sehr gut oder gut. Auf die Frage, ob man die Informationen in den deutschen Medien für glaubwürdig halte, antwortete ein Drittel (33 Prozent) mit "nicht glaubwürdig". In der Studie im Jahr zuvor waren es 28 Prozent, in Befragungen davor lagen die Werte (42 Prozent im Jahr 2015 und 37 Prozent im Jahr 2016) allerdings über dem der jetzigen Studie. 61 Prozent der Befragten stufen die Informationen der deutschen Medien als glaubwürdig ein. In der Vorgängerstudie waren es noch 65 Prozent.

Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap befragte in Telefoninterviews zwischen dem 14. Oktober und 1. November 1.000 Deutsche im Alter ab 18 Jahren in einer repräsentativen Zufallsauswahl. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland.

Aus: "Objektivität: Weniger Deutsche vermuten politische Einflussnahme auf Medien" (20. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/objektivitaet-medien-deutschland-einflussnahme-politik-studie

Quotespringer1 #16

"Weniger Deutsche vermuten politische Einflussnahme auf Medien"

Ich glaube eher, durch die Bündelung der Medien, eine massive Einflussnahme auf die Politik.

Sehr schönes Beispiel zusehen der "Die Anstalt" vom 22.05.2018
24.05.2018 um 12:43 Uhr - "Gefühlte Pressefreiheit": Wie die ZDF-Satire "Die Anstalt" den Madsack-DuMont-Deal in Berlin vorwegnahm
Selten war Satire so nah an der Nachrichtenlage. Am Dienstag widmete die ZDF-Satire-Show "Die Anstalt" dem Thema Medien und Medienkonzentration ein ganzes Special. Tags darauf verkündeten die Verlage DuMont und Madsack, dass sie ihre Hauptstadt-Redaktionen in Berlin zusammenlegen. Beide Verlage spielten auch bei der "Anstalt" eine Rolle. Die Satire-Show nahm die reale Entwicklung praktisch vorweg.

https://meedia.de/2018/05/24/gefuehlte-pressefreiheit-wie-zdf-satire-show-die-anstalt-den-madsack-dumont-deal-in-berlin-vorwegnahm/



QuoteGeorg666 #35

Es ist ja nicht das, was wir hören, sehen oder lesen, sondern das, was weggelassen wird.


QuoteBoblirada #38

Die 10 grössten, deutschen Medienkonzerne - da wird Meinung gemacht:
https://www.mediadb.eu/rankings/deutsche-medienkonzerne-2018.html


Quotewetware #44

Etwas, das durch solche Fragestellungen gar nicht erfasst wird, ist die oft wahrzunehmende, ideologische Kohärenz von Mainstreammedien und offiziellen Staatsideologien. Da die Macher der Medien, wie alle, in Ideologien leben, muss es nicht unbedingt Anweisungen von oben geben, wie z.B. in der DDR. Die Mechanismen sind sehr viel ausgeklügelter, differenzierter, informeller. Ideologische Denkfabriken, euphemistisch "Think-Tanks" genannt, arbeiten ständig am "Perception Management". ...


QuoteDieter Lasser #48

Reiner Mausfeld, Ulrich Teusch, Werner Müller belegen die Propaganda, Lücken und Lügen, die in den Medien vorkommen, wissenschaftlich eindeutig. Wer's lustiger mag, schaue die Anstalt zu dem Thema. ...


QuoteOneironautin #65

Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk: Einfluss des Staates.
Private Medien: Einfluss der Kapitalgeber.

Die überwiegende Zahl der Medien ist deshalb sehr wirtschaftsnah und arbeitgeberaffin eingestellt.

Man kann den Einfluss des Staates kritisieren, aber wer den ÖR abschaffen will, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er dann nur noch Medien zur Verfügung hat, die am Tropf der Wirtschaft hängen, mit einem demgemäß angepassten Informationsangebot.

Zudem sind viele Journalisten inzwischen Aktivisten, die Informationen der eigenen Agenda entsprechend filtern, egal, wo auch immer sie politisch stehen.

Ob tatsächlich eine direkte Beeinflussung existiert oder nur die Schere im Kopf für konformes und opportunes Handeln sorgt, ist dabei unerheblich.

An objektive Berichterstattung glaube ich daher nicht. Das wäre auch etwas naiv. Aber gerade ein neoliberales Blatt wie Zeit täte gut daran, solche Umfragen nicht zu instrumentalisieren, um Objektivität zu suggerieren, wo keine ist. Wie die Dirnen am Straßenrand steht auch ihr alle in der tiefen Schuld des Kapitals, und das wisst ihr auch.


...

Link

Quote[...] Fox News macht Fernsehen nur für den Präsidenten. Als gelegentlicher Zuschauer hat man das Gefühl, einer Privatveranstaltung mit einem eigenen Code beizuwohnen und Einblick in ein geschlossenes System zu nehmen, das seine maximale erzählerische Ausdehnung längst erreicht hat. ...


Aus: "Fox News: Drei Tage alternative Realität mit Hannity, Carlson und Ingraham"  Adrian Daub, Stanford (23. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2019-11/fox-news-donald-trump-impeachment-anhoerungen-berichterstattung/komplettansicht

Quotedie Wolkenpumpe #37

"... mentales Schleudertrauma." Danke Herr Daub für diese schöne Metapher und ihren, wie ich finde, sehr lesenswerten Artikel!


Quotepseudacacia #2.1

Schön, dass "Zeit online" die gängigen Tricks der Medien am Beispiel "Fox-News" erläutert.

1. De-Kontextualisierung
2. Fragmentierung

Zu 1.: Es werden Ereignisse / Handlungen / Aussagen aus dem jeweiligen Kontext gerissen und dann entsprechend der gewünschten Botschaft der jeweiligen Medien wieder zusammen gesetzt. Die Technik ist seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts eingehend erforscht und wird seit dieser Zeit eingesetzt.

zu 2.: Die Ereignisse / Handlungen / Aussagen werden so bruchstückhaft gezeigt, so dass der Betrachter kaum bis gar nicht in der Lage ist, sich ein Gesamtbild zu machen.

Werden diese beiden Techniken entsprechend kombiniert, kann bildlich gesprochen aus schwarz nach der Bearbeitung weiß gesendet werden.

Als Anschauung empfehle ich, "Fox-News" zu schauen und anschließend zum gleichen Thema "Russia-Today". Bedauerlicherweise finden sich diese Techniken in ALLEN Medien mehr oder weniger. ...


QuoteHerz für Blau #13

Ein starkes Stück, zu behaupten, Fox News berichte aus einer "alternativen Realität". Bitte dann nicht wundern, warum Trump wieder gewinnen wird. ...


QuoteKing Hats in the Belfry #13.2

Im Text werden konkrete Beispiele für den Spin genannt den Fox den Impeachmentanhörungen auflegt. Wie erklären Sie diese wenn nicht als alternative Realität?


QuoteGalgenstein #13.4

... Fox News fehlt es an jeglicher Distanz gegenüber dem Präsidenten. Trump wird dort grundsätzlich nicht kritisiert. [Ist] der Blödsinn, den er von sich gibt zu groß, berichtet man einfach nicht darüber. Damit bleibt das Bild, das von Trump gesendet will bewusst unvollständig. Die Methode der Auslassung, wie der Artikel richtig schreibt.
Das andere ist, dass der Sender jedes Wort, das Trump von sich gibt für bare Münze nimmt, und jeden Widerspruch als Verschwörungstheorie abtut. Wie dort argumentiert wird ist schon ziemlich faktenbefreit, hat mit Logik wenig zu tun. Und was man sonst an Trump nicht versteht wird einfach als genial hingestellt. Wer nur über einen gesunden Menschenverstand verfügt kann die von Trump geoffenbarten Wahrheiten natürlich nicht nachvollziehen. Aber darauf kommt es längst nicht mehr an.


QuoteMapleRidge #33

Die Einschaltquoten des Senders sind nicht besonders hoch und das Publikum bekommt serviert, was es hören und sehen will. Hier wird also eine bestimme Klientel bedient.



Link

QuoteEben zu Ende gegangen: die öffentliche Anhörung zu Julian Assange im Bundestag. Wenigstens eine der dort vertretenen Parteien – die Linke – setzt sich für die Freiheit von Julian Assange ein. Trotz sehr kompetenten und wichtigen Gästen – Julians Vater John Shipton, der UN-Menschenrechtler Nils Melzer, der Wikileaks-Chefredeakteur Kristinn Hrafnsson und einige andere – war die Veranstaltung für die öffentlich-rechtlichen Medien aber kein Thema. Doch "rt"  – ein Glück dass wir diesen "Propagandasender" haben ! –  hat die ganzen 3 Stunden komplett gestreamt [ https://www.youtube.com/watch?v=0EU8-VthvGg ] . Morgen werde ich ein Interview mit John Shipton führen, der Julian noch gestern im Gefängnis in Belmarsh besucht hat. Stay tuned...


Aus: "Anhörung zu Assange im Bundestag" Mathias Broeckers (27/11/2019)
Quelle: https://www.broeckers.com/2019/11/27/anhorung-zu-assange-im-bundestag/

Link

Quote[...] US-Regierungen – sowohl die aktuelle als auch die beiden vorherigen – haben die Öffentlichkeit über den Krieg in Afghanistan  systematisch getäuscht. Dies geht aus mehr als 400 internen Interviews mit US-Militärs hervor, die die Washington Post erhalten und ausgewertet hat.

Wie die Zeitung unter Berufung auf die sogenannten Afghanistan Papers berichtet, wurden in den vergangenen 18 Jahren Erfolge vermeldet, die es gar nicht gegeben hat. Die Regierungen hätten sich hinter "rosigen Ankündigungen" versteckt und negative Informationen gezielt geheim gehalten. Alle Daten seien so verändert worden, um das bestmögliche Bild zu präsentieren, wird etwa Oberst Bob Crowley zitiert, der US-Kommandeuren in den Jahren 2013 und 2014 als Berater diente.

Douglas Lute, ein mit drei Sternen dekorierter Armeegeneral, der während der Regierungen unter George W. Bush und Barack Obama für den Afghanistan-Krieg verantwortlich war, zeigte sich in einem weiteren Interview mit internen Gutachtern ebenfalls selbstkritisch. "Uns fehlte es an einem fundamentalen Verständnis von Afghanistan – wir wussten nicht, was wir tun", räumte er dem Bericht zufolge im Jahr 2015 ein.

Der Bericht zitiert auch einen früheren US-Botschafter in Kabul, Ryan Crocker, mit der Aussage, dass es den USA vor allem gelungen sei, "massive Korruption" in Afghanistan zu entwickeln, wenn auch unabsichtlich. "Wenn es einmal ein solches Niveau erreicht, wie das, was ich gesehen habe, als ich dort war, dann ist das irgendwo zwischen unglaublich schwierig und völlig unmöglich, es noch zu richten", wurde Crocker zitiert.

Die Interviews wurden im Rahmen des Projekts "Gelernte Lektionen" vom Sondergeneralinspektor für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar) geführt. Diese Institution wurde 2008 vom US-Kongress ins Leben gerufen, um den seit 2001 andauernden Krieg und seine Folgen zu evaluieren. Die erhobenen Daten waren jedoch zunächst nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Die Zeitung hatte die Herausgabe der Dokumente mit den Aussagen der rund 400 ranghohen Beamten, Botschaftern und Militärangehörigen vor Gericht erstritten. In einer Reaktion auf die Enthüllung teilte das Pentagon mit, es gebe "keine Absicht", den Kongress oder die Öffentlichkeit zu täuschen.

Für Kritikerinnen und Kritiker des US-Einsatzes in Afghanistan sind die nun veröffentlichten Sigar-Interviews wenig überraschend. Die offizielle Linie der Regierungen seit 2001 sei ein Mantra "zunehmender Fortschritte", schreibt die Washington Post. Diese werde nun infrage gestellt. "Ganz egal, wie sich der Krieg entwickelte – und vor allem, wenn es schlechter lief – betonten sie, dass Fortschritte gemacht werden", so die Zeitung.


Aus: "US-Regierungen beschönigten Berichte über Lage in Afghanistan" (10. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/afghanistan-krieg-us-regierung-taeuschung

Quotedeep_franz #1

Eine Bekanntschaft beim Hundegassi hat einen recht dicken kleinen Hund.
Jedes mal, wenn wir uns begegnen, also ca. 1 mal die Woche, erzählt sie mir, daß der Hund ganz schön abgenommen hat.
Der Hund nimmt nun schon seit 5 Jahren ab.
Jeder kann und konnte sehen, daß der genauso fett wie vorher ist.
Keiner sagt was, aus Höflichkeit.
Welche Ausrede hat die Presse?


QuoteMonacco #1.4

Die Presse hat ihnen diese Erkenntnis überhaupt erst ermöglicht. Aber Hauptsache irgendwas polemisches rausgehauen.


QuoteBurattino #1.5

Nur die USA sprachen von Fortschritten?

Das Ergebnis einer kurzen, oberflächlichen Google Recherche:

Regierung lobt Fortschritte in Afghanistan
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort - 14.03.2019
https://www.bundestag.de/presse/hib/628780-628780

Kramp-Karrenbauer will Afghanistan-Einsatz verlängern (2019)
https://www.landeszeitung.de/blog/nachrichten/politik/2657222-kramp-karrenbauer-will-afghanistan-einsatz-verlaengern

Afghanistan: Chancen für Frieden nutzen (2019)
Beim Besuch seines afghanischen Amtskollegen sagt Außenminister Maas Unterstützung beim innerafghanischen Dialog zu, Errungenschaften wie Frauen- und Minderheitenrechten müssten dabei bewahrt bleiben.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/afghanistan-node/maas-afghanistan/2230338

Berichte über einen möglichen Teilabzug der US-Truppen aus Afghanistan sorgen in Deutschland und bei anderen Verbündeten für Irritationen. Trotzdem hat der Bundestag das Mandat für den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der "Resolute Support" Mission vergangene Woche um ein weiteres Jahr verlängert. ...
https://www.das-parlament.de/2019/13_14/europa_und_die_welt/631192-631192

....

Insbesondere die Regierungsparteien sehen für gewöhnlich dann "Fortschritte", wenn es um die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes geht.
Kritik oder wenigstens kritische Nachfragen in der deutschen Standard-Medienlandschaft - Fehlanzeige.


QuoteHarmlos01 #1.6

Es ist nicht die Frage, welche Ausrede die Presse hat. Welche Ausrede haben wir Bürger, dass wir geschönte Berichte glauben? ...


Quotedeep_franz #1.9

Wir sind dort schon fast 19 Jahre im krieg, ich habe die kompletten 19 Jahre auch als erwachsener Mensch erlebt und auch vor 30 Jahren schon Zeitung gelesen.
Es ist leider nicht so, daß der Journalismus in Deutschland frei von Propaganda wäre. Er ist nicht glücklicherweise nicht vollständig geprägt von Propaganda, wie man das anderswo erleben darf.
Wenn man 18 Jahre braucht um festzustellen, was im Grunde jeder weiß, nämlich daß dieser Einsatz gescheitert ist, dann glaube ich nicht, daß dies aus Absichtslosigkeit geschehen ist.
Die "Interventionsfreudigkeit", die man nach dem Kosovokrieg an den Tag legte, wurde und wird von großen Teilen der Presse sogar sehr stark gefordert. Sie brauchen nur Artikel von Herrn Joffe und Herrn Kohler (beide auch Herausgeber) oder auch einfach mal Presseclub von vor 19 Jahren anzuschauen. Man hatte nicht den Eindruck, daß es auch nur einen Journalisten gab, der dezidiert gegen die Einsätze ist.
Real gabs und gibts die natürlich, ich kenne sogar welche. Um sowas zu veröffentlichen muss man fast eine eigene Zeitung/Blog/Podcast etc. eröffnen, bei ZEIT/FAZ/Spiegel etc. oder gar im ÖR kommt man da nicht unter. ... [ Die Marginalisierung der Friedensbewegung, vornehmlich durch den Wegfall der Grünen als unterstützende Partei, war ein schwerer Schlag.
Damit einher ging die Tatsache, daß sich dezidiert gegen die "out-of-area"-Einsätze nur Parteien vom ganz linken und ganz rechten Rand positionieren.
Der Krieg wurde leider zum Bestandteil der Mitte erklärt. ]


QuoteTikal69 #1.23

Da haben sie völlig recht. Allein auf ZON gabe es unzählige Artikel, wo Journalisten mehr Verantwortung der Deutschen in der Welt forderten und jeden diffamierten, der ein Ende des Afghanistan Einsatzes auch nur verwähnte. Stattdessen immer wieder Artikel für das 2% Ziel und für die Nato und unsere Freundschaft mit den USA und gegen Russland.


QuoteRitzer der Kukusnuß #1.31

,, Welche Ausrede hat die Presse?"

Die ,,Presse" klärt Sie gerade darüber auf, Sie Held.

Ist ja auch eine unheimliche Heldentat, wenn es schon die Spatzen von den Dächern pfeifen.


Quoteskipporiginal #4

Überrascht das wirklich irgendwen?


QuoteR.Eress #4.1

Das ist ein Deja vu. Ich kann mich noch an die Berichte über Vietnam erinnern. Da würde auch alles besser, bis zum bitteren Ende.


Quoted.radler #10

Aus Vietnam nichts gelernt.


Quotedeep_franz #10.1

Doch, ausgesuchte Journalisten auf Panzern mitfahren lassen und alle anderen fernhalten.


QuoteHarzzach #11

Letztlich eine ausführliche Doku über den Vietnamkrieg gesehen (The Vietnam War von Ken Burns).

Schon damals wurden die Beweggründe des Vietcong, die Geschichte des Landes und die Mentalität der Menschen massiv miss- oder gar nicht verstanden. Man stützte korrupte Generäle und diktatorische Präsidenten. Die unkontrollierten Hilfszahlungen und die Masse an geliefertem Material an Südvietnam schufen ein vorher nicht gekanntes Ausmaß an Korruption und Schwarzen Marktes.

Die US-Army berichtete auf Drängen des damaligen Verteidigungsministers McNamara einen Headcount an getöteten Vietcong, weil das die einzige Messgröße war, die man erfassen konnte und somit waren die Anstrengungen der US-Army im Kampf gegen den Vietcong umso erfolgreich, je mehr tote Gegner nach Washington gemeldet wurden. Also wurden Schätzungen über gegnerische Verlustzahlen drastisch nach oben geschraubt. Und in Washington ging man jahrelang davon aus, dass der Krieg gewonnen wird, obwohl gleichzeitig die Armeeführung immer mehr Soldaten, immer mehr Ressourcen anforderte. Natürlich um NOCH MEHR Gegner zu töten, um NOCH MEHR zu gewinnen.

Bis dann so deutlich wurde, dass man sich selbst belogen hatte, weil der Vietcong weiterhin nicht besiegt war, Nordvietnam weiterhin nicht besiegt war und der zunehmende Bedarf an Soldaten die USA dazu bewog wieder die Wehrpflicht einzuführen. Obwohl man doch seit Jahren am Gewinnen war.

Die Parallelen zu Heute sind so offensichtlich ...



Quoterumbati #12

Die systematische Täuschung über die Lage am Hindukusch wurde von den Bundesregierungen nicht minder betrieben. Mit den Brunnenbohrern und "wir verteidigen unsere Freiheit am Hindukusch" gings los.


QuoteDieter Lasser #14

"beschönigen" und "täuschen". Warum benennt man es nicht, was es ist: Die Verantwortlichen haben die Bevölkerung wieder einmal angelogen. Um Krieg zu führen. Wem es nutzt, ist klar. Nur das dadurch etliche Menschen umgekommen sind: Seit 2001 waren mehr als 775.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert, viele mehrmals. Davon starben dort 2.300 und 20.589 wurden im Einsatz verwundet.

Mit anderen Worten, und so müsste es auch im Artikel stehen:

Dafür, dass Krieg ($) geführt wird, Afghanistan 80% des weltweiten Opiums auf dem Schwarzmarkt verantwortlich ist und erst seit dem Einmarsch der US Truppen in der Lage ist, Heroin herzustellen, mussten 2.300 US Amerikaner ihr Leben lassen und wurden mehr als 20.000 verwundet.

"...es gebe "keine Absicht", den Kongress oder die Öffentlichkeit zu täuschen."

Wichser.


QuoteBrody Marcus #23

Auch zur bundesdeutschen Tätigkeit gibt es interessante Zahlen:

In der Tat spitzt sich die Lage dort beinahe 18 Jahre nach dem Beginn des Bundeswehreinsatzes immer weiter zu. Die Zahl ziviler Opfer bei Kampfhandlungen hat nach Angaben der UNO im dritten Quartal 2019 den höchsten Stand seit Beginn der UN-Aufzeichnungen im Jahr 2009 erreicht. Die Zahl der Ziviltoten bei Luftangriffen, die zu drei Vierteln auf Bombardements internationaler Truppen - der Sache nach US-Kampfjets - zurückgeht, ist mit 579 von Januar bis September 2019 ebenfalls auf den höchsten Stand seit 2009 gestiegen. Nur gut die Hälfte des Landes wird von der Regierung kontrolliert. Die soziale Lage ist desolat; zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt.
Deutschlands Interventionsbilanz (III) - Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr: mehr zivile Opfer denn je (06 Dez 2019)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8128/


QuoteDrkdD #23.1

Das sind schlimme Zahlen und sicherlich nicht zu verarmlosen. Ich frage mich nur, ob Sie diese Zahlen auch bei ihren täglichen Pro-Russland-Kommentaren über Syrien und Ost-Ukraine schreiben würden. Oder ist das ein guter und wichtiger Krieg, weil Herrchen Putin diesen führt?


QuoteRitzer der Kukusnuß #24

US-Regierungen beschönigten Berichte über Lage in Afghanistan///

Hört jetzt auf mit der antiamerikanischen Propaganda.
Amerikaner lügen nicht, das machen nur die Russen.


QuoteЗакон Шмальгаузена #25.2

Das ist kein Krieg, in dem nebenbei Milliarden verballert werden, sondern: um Milliarden von der öffentlichen Hand auf Privatkonten zu schaufeln, wird der Krieg geführt.


Quotehe44 #37

Das hätte ich jetzt nicht gedacht! - Die US-Regierungen haben doch nie etwas beschönigt, außer vielleicht in Vietnam, oder beim Drogenkrieg, oder in Nicaragua, oder Kuba, oder Irak oder, oder...
Aber Afghanistan, das überrascht mich jetzt doch ...


Quotederenor #36

Und jetzt alle: Nein!Doch!Ooohh!

Es wird tatsächlich Propaganda gegen das eigene Volk gerichtet?

Verrückt!


QuoteBärenfellbewohner #45

Mir heftet noch ein Artikel des FOCUS von Ende 2015 im Gehirn, da ich den so unglaublich schäbig fand. Kabul war nach harten Gefechten zurück an die Taliban gefallen. Da schrieb der FOCUS:
"55 deutsche Soldaten dürfen nicht umsonst gefallen sein" 2015 waren es 55 getötete Soldaten aus Deutschland. Kriegsbefürworter anfangs besonders Schröder (SPD), Fischer (GRÜNE), Verteidigungsminister Struck (SPD). Seit 14 Jahren im Kanzleramt Angela Merkel (CDU), nach Struck nur noch "christliche" Verteidigungsminister und keiner stellte diesen Krieg in Frage. Auch AKK sieht nach ihrem Besuch in Afghanistan "gute Fortschritte, die nach vorne verteidigt werden müssen"...


QuoteTroll-Jäger #57

Dieser Bericht gehört Merkel und ihrer Kriegsministerin AKK um die Ohren gehauen und all denen die ständig davor schwärmen mehr "Verantwortung" weltweit zu übernehmen. ...


QuoteBluebeardy #59

... Tja, diese westlichen Werte...


QuoteBobby Tables #60

Nur in den USA? - Ein befreundeter Journalist war im vergangenen Jahrzehnt mehrmals in Afghanistan. Hat dort auch schon mit Leute wie Karzai und auf Ministerebene gesprochen. Er sagt, was dort passiert interessiert niemanden und es hat nur wenig mit dem zu tun, was hier berichtet wird. Seine Artikel bekommt er heute nicht mehr verkauft. Drei Fotos an den STERN war die gesamte Ausbeute seiner letzen Reise ... die dank einer Autobombe fast seine letzte war.


QuoteKunigunde53 #61

Die SPD hat auch immer getönt, dass "unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt" werde. Wenn man außenpolitisch so dumme Entscheidungen trifft und innenpolitisch auch alle sozialdemokratischen Tugenden ablegt, sollte man sich nicht wundern, wenn man zu einer Kleinstpartei verkommt.
Derzeit sind mehr Auslandseinsätze und Aufrüstungsphantasien wieder besonders im Kommen - man kann nur den Kopf schütteln über den Verlust an Vernunft seit den Tagen von Willy Brandt.
Wirklich ekelhaft aber wird es, wenn gebührenfinanzierte Sender ins Kriegshorn blasen. Dass das nicht in unserem Interesse sein kann, ist selbst den RTL-Sozialisierten latent klar.  ...


Quotebarzussek #71

Was gab es für ein Gedöns als Frau Kässmann gesagt hat "nichts ist gut in Afghanistan " hier hätte man hellhörig werden müssen ...


QuoteBruder Tomas #74

"Pentagon bestreitet Täuschungsabsicht" Aber das macht doch nur der Russe!

Wer sich auf die "Wertemedien" verläßt,ist verlassen. ... Aber es wird genauso weitergehen wie bisher, die Bothas und Joffes oder Backhaus werden schon für die"richtige Stimmung" sorgen.


...


Link

#107
"Nach langem Schweigen - Ein Verlag stellt sich seiner Nazi-Vergangenheit" Nils Klawitter (15.01.2020)
In der Firmenhistorie sparte die Bauer Media Group die NS-Zeit aus - jetzt soll ein Historiker die braunen Jahre aufarbeiten.  ... Die Bauer Media Group will einen Historiker einsetzen, um die Verlagsgeschichte während des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Mit der Entscheidung reagiert das Hamburger Unternehmen auf Recherchen des SPIEGEL und des NDR-Medienmagazins "Zapp", die dem Verlag in der vorvergangenen Woche einen Fragenkatalog zum Wirken während der NS-Herrschaft und zur NSDAP-Mitgliedschaft des damaligen Firmenchefs Alfred Bauer geschickt hatten. Die Bauer Media Group gibt 600 Magazine in 17 Ländern heraus und ist das größte Zeitschriftenhaus Europas. ... In der eigenen Firmenhistorie spart der Verlag die Zeit des Nationalsozialismus bisher aus, auf einer Internetseite zur Verlagsgeschichte findet sich über die Jahre 1933 bis 1945 kein Wort. Die von SPIEGEL und "Zapp" in Archiven zusammengetragenen Dokumente legen allerdings den Schluss nahe ...
https://www.spiegel.de/kultur/bauer-verlag-stellt-sich-seiner-nazi-vergangenheit-a-702cb16d-bc69-4265-b120-ba6d13f9f37c

Link

Quote[...] Die Rolle der Medien ist im Umbruch, wie die Anklage gegen Julian Assange zeigt, der nicht nur in London oder Washington als Staatsfeind gilt. Kaum eine Regierung hat gegen seine Inhaftierung protestiert oder ihn gar unterstützt. Auch große Teile der Presse äußern sich distanziert. Die durch WikiLeaks geschaffene Transparenz missfällt vielen.

Dass Assange Journalismus betreibt, wird zugleich von vielen bestritten, zuallererst vom US-Justizministerium, das im Mai 2019 klarstellte: ,,Assange ist kein Journalist". Diese Beurteilung ist aus Sicht der Regierung zwingend, da man schlecht die eigene Pressefreiheit feiern und zugleich die Inhaftierung eines Reporters gutheißen kann.

Der Einschätzung haben sich inzwischen aber auch viele Medienschaffende angeschlossen. Ein prominentes Beispiel ist das angesehene ,,Committee to Protect Journalists" (CPJ), eine Organisation, die sich seit vielen Jahrzehnten für Pressefreiheit und inhaftierte Journalisten einsetzt. Im Dezember 2019 veröffentlichte sie einen ausführlichen Report, der 250 Journalisten namentlich aufführt, die überall auf der Welt aus politischen Gründen inhaftiert werden. Assanges Name fehlt.

Robert Mahoney, ein erfahrener amerikanischer Reporter und CPJ-Vizechef, hatte sich zwar in einem Kommentar für Assanges Freiheit eingesetzt, erklärte aber zugleich:

    ,,Nach umfassenden Recherchen und Überlegungen hat sich das CPJ entschlossen, Assange nicht als Journalisten einzuordnen, zum Teil, da seine Rolle oft die einer Quelle war, und weil WikiLeaks allgemein nicht wie ein Nachrichtenportal mit einem redaktionellen Ablauf arbeitet."


CPJ-Chef Joel Simon äußerte sich ähnlich. Es gebe eine ,,legitime Debatte, ob Assange als Journalist bezeichnet werden kann". Niemand aber bezweifle, dass er ,,eine Quelle" sei und daher zu schützen. Diese Behauptung erscheint unsinnig. Assange ist kein Whistleblower, niemand, der wie Edward Snowden persönlich in einer Firma oder einer Behörde geheimes Wissen über Missstände erlangt hat und dieses öffentlich machen will. Assange ist selbst keine Quelle, sondern, wie ein Journalist, jemand, der Informationen von Whistleblowern veröffentlicht.

Ähnlich fragwürdig ist das Argument, WikiLeaks betreibe keinen Journalismus, da die Organisation keinen ,,redaktionellen Ablauf" (,,editorial process") habe, und ,,nicht wie ein Nachrichtenportal" arbeite. Das Wesen von Nachrichtenportalen besteht offenkundig nicht in bestimmten redaktionellen Gepflogenheiten sondern in der Veröffentlichung relevanter Neuigkeiten – was niemand WikiLeaks absprechen kann.

Die Einteilung in Journalisten auf der einen und Assange auf der anderen Seite wirkt wie ein rhetorischer Kniff, der es ermöglicht, sich von WikiLeaks zu distanzieren und zugleich als Verteidiger der Pressefreiheit aufzutreten – eine Position, die vielen Journalisten offenbar zweckmäßig erscheint. In ihrer Logik ist Assange ,,keiner von uns", wird zwar zu Unrecht verfolgt, aber eben nur insoweit, wie auch Snowden, Manning und andere Whistleblower verfolgt werden. Diese Perspektive verträgt sich eher mit der Sichtweise von Regierungen, als der weitaus härtere und konfliktträchtigere Vorwurf, mit Assange werde ein unbequemer Vertreter der Presse vor Gericht gestellt.

Das CPJ ist Teil des Medienmainstreams und unterhält enge Verbindungen zu den großen Medienhäusern, die die Organisation auch finanziell unterstützen. Schon als die CPJ-Führung 2010 in einem Brief an Präsident Obama die Regierung vor einer Anklage des WikiLeaks-Chefs warnte, distanzierte man sich im selben Atemzug von der Person Assange, dessen ,,Motive und Ziele" man sich ,,nicht zu eigen" mache.

Doch ob man Assange nun mag oder nicht – seine komplizierte und widersprüchliche Persönlichkeit bietet durchaus Anlass zu letzterem –, er ist es, der stellvertretend für eine kritische Presse angegriffen wird. Man kann ihn für einen guten oder schlechten Journalisten halten, man kann seine politischen Vorstellungen teilen oder bekämpfen – aber er bleibt in dem, was er und WikiLeaks tun, ein Teil der Presse.

Ähnlichen Sinnes betont auch der Reporter Glenn Greenwald, dass die Einteilung in Journalisten und Nicht-Journalisten der Regierung und deren Angriff auf die Verfassung in die Hände spiele:

    ,,Die Pressefreiheit betrifft alle, nicht bloß eine ausgewählte, privilegierte Gruppe von Bürgern, die ,Journalisten' genannt werden. Wenn Ankläger selbst entscheiden können, wer unter den Schutz der Presse fällt und wer nicht, dann schrumpft die Pressefreiheit zur Freiheit einer kleinen, abgeschlossenen Priesterklasse privilegierter Bürger, die von der Regierung zu Journalisten ernannt werden."

Greenwald erinnert an eine höchstrichterliche Einschätzung zum Ersten Verfassungszusatz, der in den USA die Pressefreiheit festschreibt. So hatte 1978 der damalige Oberste Richter der USA, Warren Burger, in einem Essay betont:

    ,,Kurz gesagt, der Erste Verfassungszusatz ,gehört' zu keiner definierbaren Kategorie von Personen oder Einrichtungen: Er betrifft alle, die seine Freiheiten nutzen."

Historisch gesehen steht das Wort ,,Pressefreiheit" dafür, dass Regierungen nicht die Verbreitung von Informationen behindern dürfen, egal ob die Nachrichten mittels einer Druckerpresse oder über das Internet publiziert werden. Es geht dabei nicht um eine Personengruppe (,,die Presse"), sondern um die Möglichkeit der unbeschränkten Verbreitung von Informationen. Wenn erst eine staatliche Autorität entscheiden darf, wer durch die Pressefreiheit geschützt ist, dann ist keine unabhängige Kontrolle der Regierung möglich, und damit auch keine funktionierende Demokratie.

Dennoch verspüren viele Beobachter, die diese Gefahr durchaus sehen, zugleich großes Unbehagen in Zusammenhang mit WikiLeaks. Hat Assange mit der Veröffentlichung der E-Mails von Hillary Clintons Stab im Wahlkampf 2016 nicht eindeutig Partei für Donald Trump ergriffen und damit deutlich gemacht, selbst eine dubiose politische Agenda zu verfolgen? Sind seine Enthüllungen über Clinton nicht bloß ein persönlicher Rachefeldzug gegen die Obama-Regierung gewesen, nachdem diese seine juristische Verfolgung gestartet hatte?

Diese Einwände mögen auf den ersten Blick einleuchten, werfen aber tiefergehende Fragen auf. Denn hätte Assange die Informationen über Clintons offenkundig korruptes Politnetzwerk nicht veröffentlicht (unter anderem zeigen die Leaks, wie unter Obama Ministerposten nach Wünschen von Wall-Street-Bankern verteilt wurden), dann hätte er damit natürlich ebenfalls die Wahl beeinflusst, nur eben in anderer Richtung, zugunsten Clintons.

Nach welchem moralischem Standard aber soll es richtig sein, Korruption und unmoralisches Verhalten einzelner Politiker zu decken? Relevant für eine Veröffentlichung sind aus journalistischer Sicht allein die Wahrheit und die öffentliche Bedeutung des Berichteten. Die von WikiLeaks enthüllten E-Mails waren zweifellos bedeutsam und offenkundig auch authentisch. Mit welchem Recht – und welchem Ziel – sollte dieses Wissen den Wählern vorenthalten werden? Welches Bild von Demokratie und der Möglichkeit einer fairen Meinungsbildung drückt sich in einem solchen Wunsch aus?

Der Guardian schrieb 2016, dass die E-Mails ,,ein Fenster in die Seele" der Demokratischen Partei Clintons seien, ,,in die Träume und Gedanken derjenigen Klasse, der die Partei sich verpflichtet hat" – und das sei gerade nicht die abgehängte und wütende Unter- oder Mittelschicht, sondern eine ganz andere Gruppe:

    ,,Für diese Klasse sind die Optionen immer recht angenehm. Sie sind die komfortable und gebildete Hauptstütze unserer modernen Demokratischen Partei. Sie sind auch die Fürsten unserer Medien, die Architekten unserer Software, die Planer unserer Straßen, die hohen Beamten unseres Banksystems, die Autoren von so ziemlich jedem Plan zur Reform der Rentenversicherung oder zur Feinsteuerung des Nahen Ostens mit Präzisionsdrohnen. Sie sind, so glauben sie, gar keine Klasse, sondern die Erleuchteten, diejenigen, auf die man zu hören hat, die sich aber nie selbst zu rechtfertigen brauchen."

Wie diese abgehobene Klasse das politische Geschehen lenkt, vor allem das haben die Leaks schwarz auf weiß der Öffentlichkeit gezeigt.

Assange hat, bei all seinen Fehlern und Alleingängen, etwas geschaffen, das es so in der Geschichte noch nie gab: WikiLeaks ist eine globale Sammelstelle für Informationen, die mächtige Interessengruppen, Regierungen oder Konzerne gern geheim halten möchten – zum Schaden der Öffentlichkeit. Bevor es diese Instanz gab, mussten Whistleblower einen vertrauenswürdigen Journalisten finden und darauf hoffen, dass es diesem nicht nur gelingt, die brisanten Informationen schnell bekannt zu machen, sondern auch, die Identität des Whistleblowers dauerhaft zu schützen.

Die etablierten Medien scheitern immer wieder an diesen beiden Aufgaben. Whistleblower werden enttarnt oder, wie Bradley Manning Anfang 2010, von den großen Redaktionen erst gar nicht ernst genommen und abgewiesen. Daher ist die Weitergabe von politisch brisanten Geheimnissen an diese Medien stets mit einem erheblichen persönlichen Risiko verbunden.

WikiLeaks hat dieses Risiko verringert. Das 2006 gestartete Internetportal funktioniert als Mittler und Anonymisierungsdienst zwischen Hinweisgebern und Öffentlichkeit. Dieses Verfahren hat mehrere große Vorteile für die Allgemeinheit. Durch das verringerte Risiko für den Whistleblower wird die Wahrscheinlichkeit der Veröffentlichung von Misständen, illegalem oder unmoralischem Verhalten erhöht. Auch können Medien nach der Veröffentlichung nicht zur Preisgabe der Quelle erpresst werden, da sie diese selbst nicht kennen. Weiterhin finden brisante Informationen von vornherein ein größeres, internationales Publikum – und können außerdem nicht durch etwaige Kontakte der Chefredaktion zur Regierung in letzter Sekunde doch noch unter den Teppich gekehrt werden.

So gelang es etwa der US-Regierung 2004, durch vertrauliche Verhandlungen mit der New York Times die Enthüllung der NSA-Überwachung amerikanischer Bürger über viele Monate, bis nach der Präsidentschaftswahl, hinauszuzögern. Der Reporter James Risen konnte sich gegenüber seinen Vorgesetzten nicht damit durchsetzen, den Bericht vor der Wahl zu veröffentlichen. Der damalige NSA-Chef Michael Hayden lobte später ausdrücklich den vertrauensvollen Austausch mit Philip Taubman, dem Washingtoner Büroleiter der New York Times, der ,,die Ernsthaftigkeit der Frage verstanden" hätte. Solche Mauscheleien der Medien durchkreuzt WikiLeaks.

Der direkte und anonyme Weg an die Öffentlichkeit ist wesentlich, um Korruption und Unmoral in Staaten und Konzernen zu begrenzen. Das durch WikiLeaks verkörperte Organisationsprinzip ist damit ein logischer Schritt in der Entwicklung von Gesellschaften, in denen Entscheidungsträger der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig sein sollen – also in der Entwicklung hin zu Demokratien. Wer das WikiLeaks-Prinzip bekämpft oder sich weigert, seine Unterstützer zu verteidigen, der hat offenkundig kein Interesse an einer solchen Entwicklung. Das ist die eigentliche Botschaft der politischen und juristischen Verfolgung von Julian Assange, die im April 2019 in seiner Inhaftierung in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis mündete.

Die Anklage der US-Regierung beruft sich auf das Spionagegesetz, das den Verrat militärischer Geheimnisse unter Strafe stellt. Dieses Gesetz wurde 1917, kurz nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg, beschlossen. Es richtete sich ursprünglich gegen deutsche Saboteure in Amerika und Bürger, die, so der damalige Präsident Woodrow Wilson, ,,das Gift der Untreue" verbreiteten und ,,die Autorität und das Ansehen der Regierung in Verruf" brächten.

Die Regierung wandte es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig gegen Sozialisten, Kriegsgegner und politische Dissidenten an. In jüngerer Zeit, unter den Präsidenten Obama und Trump, zielten die Ermittlungen meist auf Whistleblower, die illegale Aktivitäten der Regierung aufgedeckt hatten. Zur aktuellen Anklage erläutert das US-Justizministerium: ,,Assanges Handlungen riskierten ernsthaften Schaden für die nationale Sicherheit der USA, zum Nutzen unserer Gegner".

Dabei ist Assange australischer Staatsbürger und außerhalb der USA selbstverständlich nicht an amerikanische Gesetze gebunden. Die gesamte Anklage beruht daher auf der stillschweigenden, juristisch absurden Annahme, amerikanisches Recht gelte auch außerhalb der USA. Mit der gleichen Logik könnten amerikanische Staatsanwälte einen chinesischen Journalisten anklagen, der in einer Pekinger Zeitung amerikanische Staatsgeheimnisse aufgedeckt hat und dessen Auslieferung nach Washington verlangen. Eine seltsame Vorstellung, die selbst in den USA niemand in die Realität umsetzen würde.

Das Beispiel zeigt daher gut die eigentliche Logik hinter der Strafverfolgung Assanges: Die USA beanspruchen einen informellen Rechtsrahmen, der die Landesgrenzen überschreitet und praktisch den Geltungsbereich des amerikanischen Imperiums umfasst. Anders gesagt: Australier, Europäer und überhaupt Bürger von Staaten, die den USA tributpflichtig oder anderweitig von ihnen abhängig sind, sollen sich politisch an Amerikas roten Linien ausrichten, oder laufen Gefahr, bestraft zu werden. Das ist die Logik des Imperiums, der sich viele bereitwillig unterwerfen.

So hatte die damalige australische Premierministerin Julia Gillard 2010, auf dem Höhepunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit für WikiLeaks, erklärt, Assange handele ,,illegal", eine Behauptung, die sie zurückziehen musste, nachdem man ihr erklärt hatte, dass Assange mit seinen Enthüllungen kein australisches Gesetz gebrochen hatte. Doch Gillard, selbst Anwältin, hatte mit ihrer Formulierung bloß intuitiv erfasst, dass Australien als informeller Teil des amerikanischen Imperiums genau das als illegal zu begreifen hat, was Washington so benennt.

Ein weiteres Beispiel für diese Logik sind die von den USA im Dezember 2019 verhängten Sanktionen gegen Firmen, die am Bau der deutsch-russischen Gaspipeline ,,Nord Stream 2" beteiligt sind. Rechtlich geht es die USA nichts an, wenn zwei Länder beschließen, eine Pipeline zu bauen. Da das Projekt aber Deutschland betrifft und damit im informellen Geltungsbereich des amerikanischen Imperiums liegt, verstehen sich die USA als ermächtigt zu Strafmaßnahmen.

Der Fall Assange liegt grundsätzlich ähnlich. Neu ist, dass der Angriff des Imperiums sich nicht mehr nur gegen ungehorsame Untertanen, missliebige Regierungen oder Firmen richtet, sondern ganz offen gegen die internationale Presse. Selbst Barack Obama, der als US-Präsident mehrere Whistleblower, die Regierungsunrecht aufgedeckt hatten, mit Hilfe des Spionagegesetzes anklagen ließ, hatte davor zurückgescheut, die Medien dafür anzugreifen, dass sie unbequeme Geheimnisse veröffentlichten. Dieses Tabu ist nun gefallen. Kritische Journalisten, die staatliches Unrecht aufdecken, können ab jetzt zu Staatsfeinden erklärt und so behandelt werden, wie feindliche Spione im Krieg.

Proteste gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit sind kaum zu vernehmen. Unmittelbar nach der Festnahme von Assange in der equadorianischen Botschaft im April 2019 erklärte die deutsche Bundesregierung auf Nachfrage, nicht zuständig zu sein (,,das betrifft nicht deutsches Regierungshandeln"). Die britische Justiz würde ,,selbstverständlich rechtsstaatlich entscheiden".

Verhaltene Kritik kam von der russischen Regierung. Man ,,hoffe", so ein Kreml-Sprecher nach der Festnahme, dass Assanges Rechte ,,respektiert werden". Auf die Frage, ob Russland dem WikiLeaks-Chef Asyl gewähren würde, ging er nicht ein, ergänzte lediglich: ,,Aus unserer Sicht entspricht dies in keiner Weise den Idealen der Freiheit und Unverletzlichkeit der Medien."

Die Medien in Deutschland reagieren zurückhaltend. Solidaritätsbekundungen bleiben selten und werden meist durch Distanzierungen eingeschränkt. Tenor: Assange sei zu weit gegangen. Dem ehemaligen SPIEGEL-Auslandschefs und heutigen PR-Berater Gerhard Spörl zufolge ist der inhaftierte WikiLeaks-Gründer ein verantwortungsloser Egomane, der leichtfertig alles veröffentlichte, was ihm in die Hände fiel und daher ,,Ansehen verspielt" habe. Ähnlich staatstragend gibt sich die ZEIT, die bemängelt, dass Assange ,,Grenzen überschritten" habe und bloß ein Journalist ,,sein will". Den britischen und amerikanischen Gerichten hingegen solle man keine politische Agenda unterstellen, denn dies sei ,,Misstrauen in die Funktionsfähigkeit der Justiz, das keinem Journalisten gut steht".

So ähnlich sehen es viele in der Presse. In einer funktionierenden Gesellschaft müsste ein Portal wie WikiLeaks eigentlich von allen Medien gemeinsam betrieben oder zumindest geschützt werden. Doch derzeit passiert eher das Gegenteil: Medien ducken sich weg oder greifen Assange sogar an. Vor allem aber schweigen sie.

Im Oktober hatte der UN-Sonderbeauftragte für Folter, Nils Melzer, von seinem Besuch bei Assange im Londoner Gefängnis berichtet, wo er im Beisein von Ärzten Symptome psychologischer Folter dokumentiert hatte. Dies wurde auch mehrfach in der Bundespressekonferenz thematisiert, allerdings ausschließlich von Florian Warweg, einem Journalisten des deutschen Ablegers des staatlichen russischen Senders RT. Dieser fragte über Wochen hinweg immer wieder nach, wie die Bundesregierung zu den Erkenntnissen des UN-Experten stehe und was sie zu unternehmen gedenke.

Die Regierungssprecher versuchten das Thema so gut wie möglich zu umschiffen. Am 16.10. hieß es in einer Antwort, man habe dazu ,,keine eigenen Erkenntnisse", am 21.10., man werde sich das ,,anschauen", am 15.11., man ,,kenne den Bericht leider nicht", am 25.11. man habe ,,vollstes Vertrauen in die britische Justiz", am 2.12. schließlich, es gebe gar keinen Bericht, sondern bloß Pressemitteilungen des UN-Beauftragten, am 23.12. wiederum, man habe sich zum Fall bereits ,,ausführlich geäußert".

Bei keiner dieser Gelegenheiten gab es laut der Protokolle der Bundespressekonferenz irgendeine Nachfrage von Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder anderer Journalisten der Leitmedien. Sie waren zwar anwesend, aber niemand meldete sich, um die Phrasen der Regierung, abwechselnd vorgetragen von deren Sprechern Steffen Seibert, Maria Adebahr, Christofer Burger und Rainer Breul, kritisch zu hinterfragen. Die zuhörenden Journalisten blieben passiv – und gingen geräuschlos zur Tagesordnung über.

Ich wandte mich an mehrere Reporter von den Hauptstadtstudios der ARD und des ZDF, die an einigen der Pressekonferenzen teilgenommen hatten, und fragte, wie sie die Inhaftierung von Julian Assange mit Blick auf die Pressefreiheit bewerten würden. Die Korrespondenten der ARD reagierten mit Schweigen. Nick Leifert vom ZDF antwortete, zwar am 15. November dabei gewesen zu sein, als die UN-Foltervorwürfe im Fall Assange angesprochen worden waren, dazu aber keine Nachfragen gehabt zu haben. Das Thema wäre zu diesem Zeitpunkt auch schon vier Wochen alt gewesen.

Zur Frage, wie er die Inhaftierung von Assange insgesamt bewerte, meinte Leifert, er kenne sich mit dem Fall nicht aus, der gehöre auch nicht in sein Ressort. In gewisser Weise spiegelte der ZDF-Hauptstadtkorrespondent damit die Reaktion der Bundesregierung: Wir sind nicht zuständig. Leifert, selbst viele Jahre im Vorstand der Bundespressekonferenz tätig, betonte, man solle den realen Medienalltag nicht unterschätzen:

    ,,Wenn die anwesenden Redakteure mit Kenntnis ihrer Redaktionssitzungen wissen, dass das an dem Tag kein Thema in ihren jeweiligen Sendungen/Printmedien sein wird, dann haben sie auch keinen zwingenden Grund, dazu Fragen zu stellen."

Das trifft wohl zu. Allerdings verschiebt diese Beobachtung das Problem nur auf die nächsthöhere Ebene: Warum machen denn die Redaktionen und ihre Leitungen Assange nicht zum Thema?

In der Bundespressekonferenz ist man nicht immer so zurückhaltend. Kritisches Nachhaken gehört dort durchaus zum Alltag. Allerdings verfügen die Kollegen allem Anschein nach über ein feines Sensorium für rote Linien, Opportunität und Pragmatismus. Anders gesagt: Sie wissen, was sich nicht lohnt. Befragt, wann eine Wortmeldung eines Journalisten dumm sei, hatte Maria Adebahr, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, es einmal so formuliert:

    ,,Es gibt Fragen, von denen Sie, glaube ich, wissen, wie die Antwort ausfallen wird. Das sind Fragen, bei denen man sich natürlich fragen kann und sollte: Lohnt es sich, diese Frage hier in diesem Moment zu stellen?"

Die Sprecherin machte damit klar, dass die Pressekonferenzen eigentlich Inszenierungen sind. Jeder, ob nun oben auf dem Podium oder unten im Publikum, hat seine Rolle zu spielen und weiß das auch. Wer negativ auffällt, läuft Gefahr, ersetzt zu werden. Einzelne ,,Paradiesvögel" wie Tilo Jung toleriert man, doch im Grunde wissen alle Teilnehmer ,,was sich gehört" und was nicht. Ein Journalist der staatlich finanzierten Deutschen Welle, und regelmäßiger Gast der Bundespressekonferenz, sagte einmal, man müsse die Regierung doch ,,nicht unbedingt vorführen".

Kritik an der Regierung ist dennoch möglich und wird auch praktiziert, allerdings meist dann, wenn dies den Interessen einer höherstehenden Macht – etwa den USA – dient. So wurde zum Beispiel in der Bundespressekonferenz vom 25. November 2019 energisch nachgehakt, warum die Bundesregierung sich nicht stärker für die Einhaltung der Menschenrechte in China einsetzen würde. Mehr als zehn Minuten wurde das Thema diskutiert, verschiedenste Journalisten kooperierten, stellten nacheinander kritische Fragen und brachten die Regierungssprecher damit in die Defensive. Kritischer Journalismus live. Aber alle Beteiligten wissen eben auch: Kritik an China ist Mainstream, dafür bekommt niemand Ärger oder läuft Gefahr, isoliert zu werden.

Als eine halbe Stunde später in derselben Pressekonferenz nach der Haltung zu Assange und dessen Folterung gefragt wurde, blieben die gleichen Kollegen stumm – und zwar alle. Niemand sprang dem Reporter von RT Deutsch zur Seite, als die Sprecherin des Auswärtigen Amtes ihm gelangweilt antwortete, man habe ,,vollstes Vertrauen in die britische Justiz, dass sie diesen Fall unabhängig und rechtsstaatlich mit allen Facetten, die sich dort ergeben, bearbeitet".

Am folgenden Tag wurde der UN-Sonderbeaufragte Nils Melzer im Auswärtigen Amt empfangen. Man teilte ihm dort umstandslos mit, seine beunruhigenden Berichte zu Assange und dessen Foltersymptomen erst gar nicht gelesen zu haben. Bei einer öffentlichen Anhörung im Bundestag am 27. November schilderte Melzer dies und stellte klar, worum es seiner Ansicht nach bei diesem Fall geht:

    ,,Es geht um den Rechtsstaat, es geht um die Demokratie, es geht darum, dass wir es uns nicht leisten können, dass Staatsmacht unüberwacht bleibt. Deshalb haben wir Gewaltenteilung. Wenn die Gewaltenteilung nicht mehr funktioniert, dann brauchen wir die Presse, und wenn die Presse nicht mehr funktioniert, dann kommt eben WikiLeaks mit diesen Enthüllungen. Es geht um staatspolitische Grundelemente – und die müssen geschützt werden."

Allerdings ist weit und breit kaum jemand zu sehen, der die Absicht hat, diese Grundelemente zu schützen. Sie werden vor aller Augen zerlegt, und Journalisten mutieren dabei entweder zu geräuschlosen Mitläufern – oder zu Staatsfeinden. Die Gruppe dazwischen, für die einmal der Begriff ,,vierte Gewalt" stand, radikale und eigenständige Kritiker, die von der Gesellschaft geschätzt und unterstützt, zumindest aber akzeptiert werden – jedenfalls nicht pauschal diffamiert oder ausgegrenzt –, diese Gruppe ist in Auflösung begriffen. Scharfe und grundsätzliche Kritik wird von den Etablierten nicht länger als lebensnotwendig angesehen, sondern als lebensgefährlich. Eine Gesellschaft aber, die sich in dieser Weise verschließt und nicht mehr zu reflektieren vermag, verliert ihre Entwicklungsfähigkeit. Sie verfällt.


Aus: "Der Journalist als Staatsfeind" PAUL SCHREYER (22. Januar 2020)
Quelle: https://multipolar-magazin.de/artikel/der-journalist-als-staatsfeind

QuoteFELIX, 22. Januar 2020, 22:20 UHR

Eine hervorragende Zusammenfassung der aktuellen Ereignisse um Julian Assange! Das Ansehen der beschriebenen Bundespressekonferenzen bewirkt ein tief beschämtes, ungläubiges und zugleich wütendes Gefühl. ...



Link

Quote[...] Gut ein Jahr nach Bekanntwerden des Fälschungsskandals beim Spiegel hat das Nachrichtenmagazin neue redaktionelle Standards vorgestellt. Das mehr als 70 Seiten umfassende Werk, das auf der Website veröffentlicht wurde, sei "eine zeitgemäße Rückbesinnung auf die Grundsätze, nach denen die Spiegel-Redaktion arbeitet", heißt es in der Einleitung. In den Standards geht es unter anderem um den Umgang mit Quellen, die Fehlerkultur und die Sprache. Die Standards seien für alle Mitarbeiter der Redaktion und Dokumentation verbindlich.

... Bezüglich der Überprüfung von Fakten in Texten durch die Dokumentationsabteilung des Spiegels schreiben die Standards vor, dass nach Abgabe des Manuskripts der Redakteur der Dokumentation eine annotierte Fassung des Textes liefert, also ein Manuskript mit Verweisen auf die verwendeten Quellen, inklusive der Nennung von Gesprächspartnern. "Das beschleunigt die Verifikation und verschafft den Dokumentaren und Dokumentarinnen, aber auch Ressortleitung und Rechtsabteilung Zeit für die Prüfung schwieriger Passagen und eine gründlichere Beurteilung der verwendeten Quellen." An anderer Stelle des Leitfadens ist vermerkt, dass zur Qualitätssicherung bestimmte Beiträge nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und von der Dokumentation vertieft geprüft werden können.


Aus: "Relotius-Affäre: "Spiegel" gibt sich neue redaktionelle Standards" (3. Februar 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-02/relotius-affaere-spiegel-redaktion-standards

QuoteMarius76 #5

Kaum vorstellbar, dass heutzutage ein Spiegel- Chefredakteur wegen eines "Abgrunds an Landesverrat", sprich ordentlicher Recherche, Probleme mit der Staatsgewalt bekommen würde...


QuoteMinilieb #6

Naja... Die bunten Relotius-Geschichten waren ja nur ein Symptom. Die politische Ausrichtung des Spiegels wurde in der Zeit schon vor Blome so auf rechts gedreht, dass man den Unterschied zum Focus nur schwer ausmachen kann.

War mal gutes Blatt. Leider ist die Zeit 25 Jahre vorbei... Da nützt es auch nichts, wenn man die Webseite wieder an das alte Design der 80er anlehnt...


QuotePrianowski #6.1

Politische Ausrichtung des Spiegels rechts.
Schenkelklopfer des Tages! ...


Quotepepi06 #6.2

Natürlich ist der Spiegel neoliberal ausgerichtet und somit eher rechts zu verordnen, wie inzwischen fast alle "Qualitätsmedien" in Deutschland. Alles im Sinne einer marktkonformen Demokratie.


Quotedambachmar #6.3

neoliberal und vor allem transatlantisch.


QuoteRuestigSigmund #28

Handlungsbedarf sehe ich nicht nur beim SPIEGEL, sondern auch bei der ZEIT und vielen anderen:
Wer hat sich noch nicht verwundert die Augen gerieben, wenn er in unterschiedlichen Massenmedien ähnliche bis gleich-lautende Berichte über aktuelle politische, durchaus kontroverse Themen gelesen hatte. Auch dass die Medien mehrheitlich links zu verorten sind, wie es Alexander Dobrindt anlässlich seiner Ausrufung einer konservativen Revolution behauptet hatte, konnte ich nicht mit meinem Erfahrungshorizont in Einklang bringen. Ich wollte diesen „Gefühlen“ auf den Grund gehen und habe daher in den letzten 5 Jahren vor den letzten Bundestagswahlen die Berichterstattung vorwiegend in rd. 50 Online-Tages- und Wochenzeitungen zu zwei ausgewählten komplexen Themen - NSA/BND-Skandal und Bundestagswahl 2017 - intensiv im Sinne einer Felduntersuchung verfolgt. Die Ergebnisse meiner Analysen haben mich überrascht und meine schlimmsten Befürchtungen weit übertroffen. Sie geben Anlass zu großer Besorgnis in Bezug auf das Gebaren unserer - eigentlich freien - Presse.
In dem Bestreben, meine Erkenntnisse einem größeren Kreis von Interessenten zugänglich zu machen, habe ich die Ergebnisse zu dem zweiten Thema - Berichterstattung zur Bundestagswahl 2017 - in einen als Erfahrungsbericht ausgelegten Artikel verpackt. Ziel war, auf spannende Art die Geschichte des Bundestagswahlkampfes aus der Sicht unserer Medien zu erzählen, und dabei zu entlarven, wie es um unsere Medienlandschaft tatsächlich bestellt ist.
Massenmedien in Deutschland auf Abwegen?
- von der Vielfalt zur Einfalt
- von politischen Kontrolleuren zu politischen Akteuren
- Aufstieg und Fall von Martin Schulz
https://www.freitag.de/autoren/sigismundruestig/massenmedien-in-deutschland-2


...


Link

Quote
Mops

Jetzt wurde Assange um ihn zu desavouieren seit Jahren von den Medien inkl. dem Standard als Vergewaltiger verkauft und nun stellt sich heraus das dies nicht stimmte. Zahlen jetzt die Medien eine Entschädigung, agieren die Medien jetzt endlich wie es sich gehört und verteidigen die Medienfreiheit und demokratischen Werte oder wird wie üblich nichts passieren.


Quote
imaugedescyclon

Der Stimmungsumschwung hier freut mich ja, aber er macht die Hetz- und Hasspostings, die hier vor Jahren abgesondert wurden nicht unvergessen. Wo sind diese Law and Order Hascherl geblieben? Haben alle die Meinung geändert, oder sind sie jetzt einfach nur still geworden - oder gescheiter? ...


Quote
pwg

Diese Geschichte gehört jetzt bis zu seiner Freilassung auf die Titelseiten. Jeden Tag.



Zu: "Wie die schwedischen Behörden die Vergewaltigungsanzeige gegen Julian Assange fälschten" Ortwin Rosner (17. Februar 2020)
Dank der Recherchearbeit und der Hartnäckigkeit des Uno-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, gelangt allmählich die Wahrheit an die Öffentlichkeit.
https://www.derstandard.at/story/2000114363431/wie-die-schwedischen-behoerden-die-vergewaltigungsanzeige-gegen-julian-assange-faelschten

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Quote
La Grande Inter

Wenn man sich anschaut auf wie wenig Headlines (von diversen internstionalen Zeitungen) es einer der größten Justizskandale der jüngeren Vergangenheit geschafft hat, ist das ein Armutszeugnis für die Medien.


Quote
Werbeunterbrechung

Die Medien sind Mittäter.


Zu: "Ärzte und Psychologen fürchten um Leben von Wikileaks-Gründer Assange" (18. Februar 2020)
Mehr als 100 Mediziner setzen sich für das Ende "der psychologischen Folter und medizinischen Vernachlässigung" von Julian Assange ein
https://www.derstandard.at/story/2000114696829/mediziner-und-psychologen-fuerchten-um-das-leben-vonwikileaks-gruender-assange

Link

"Vertrauen Sie den Medien?" Bulgan Molor-Erdene (28. Februar 2020)
https://www.heise.de/tp/features/Vertrauen-Sie-den-Medien-4671162.html

Quoteich_habs_nicht_bestellt, 28.02.2020 14:11

Die Frage ist, was schlimmer ist

Wenn einer offen lügt oder wenn einfach unbequeme Teile der Wahrheit ausgelassen werden.
Oder wenn die Auslassungen so sind, dass sich auf einmal ein anderer Sinn ergibt.



Quote

    Stasi, 28.02.2020 15:50


man kann niemandem vertrauen

und daraus sollte man sein Handeln ableiten: sich so umfassend wie nur möglich informieren! Erfahrungsgemäß bringt es dafür nichts, dies auf Portalen zu tun, die die eigenen Ansichten bzw den eigenen Blickwinkel vertreten. Man muß zumindest ein klein wenig über den Tellerrand schauen, um medialen Output einigermaßen einsortieren zu können. Entsprechend kann man hier allerdings eine sehr einfach Erstselektion vornehmen: jemand der seine Wahrheit als einzige mögliche präsentiert, ist kaum vertrauenswürdig. Jemand, der noch dazu die Einschränkung bis hin zum Verbot anderer, bestimmter Quellen, die normalerweise seinen eigenen Darstellungen widersprechen, fordert, ist überhaupt nicht vertrauenswürdig.


QuoteKarfunkel9, 28.02.2020 15:42

In der Theorie mag das Medienvertrauen nicht gegeben sein

aber auf die Praxis kommt es an und da sieht es nun mal so aus, dass die Menschen im Handeln den Medien zum Großteil immer noch alles glauben. Das umso mehr wenn Nachrichten sie nicht direkt betreffen bzw. sie aussen vor stehen. ...


...

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Quote[...] Ob Terrorberichterstattung, Herkunftsnennung von potenziellen Straftätern oder Schleichwerbung: Wer Kritik an der Medienberichterstattung hat, kann sich beim Deutschen Presserat offiziell beschweren. 2019 nahmen mehr Leser diese Möglichkeit wahr. 2175 Leserinnen und Leser wandten sich 2019 an die freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 137 mehr als im Vorjahr. Das teilte der Deutsche Presserat am Montag mit.

Häufiger nutzte der Presserat auch seine schärfste Sanktion: 34 Rügen erteilten die Beschwerdeausschüsse, 2018 waren es nur 28 gewesen.

Schwerpunkt bei den Rügen war das Thema Schleichwerbung: Allein 14 Rügen wurden wegen mangelnder Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten nach Ziffer 7 des Pressekodex ausgesprochen. "Unter wirtschaftlichem Druck verwischen einige Redaktionen systematisch die Grenze zwischen Journalismus und Werbung. Aber Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber den Leserinnen und Lesern sind keine Frage der Geschäftszahlen, sondern presseethische Grundpfeiler", so der designierte Sprecher des Deutschen Presserats Johannes Endres.

Etliche Beschwerden richteten sich 2019 gegen die Berichterstattung über die rechtsradikalen Attentate im neuseeländischen Christchurch, in Halle und in Hanau.

Leserinnen und Leser kritisierten unter anderem die Verwendung von Video-Ausschnitten, die die Täter selbst gefilmt und im Internet gestreamt hatten. "Medien müssen sorgfältig prüfen, ob und inwieweit sie Bildmaterial übernehmen, das von Tätern stammt. Sie dürfen sich nicht zu deren Werkzeug machen", so der Geschäftsführer des Presserats Roman Portack.

Beschwerden über die Herkunftsnennung von Straftätern nach Richtlinie 12.1 des Pressekodex gehen dagegen weiter zurück. 2019 wandten sich deswegen 24 Leserinnen und Leser an den Presserat, sechs weniger als im Vorjahr.

Johannes Endres wurde vom Deutschen Journalistenverband (DJV) in den Presserat entsandt und löst turnusgemäß den bisherigen Sprecher Volker Stennei vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ab. Seine designierte Stellvertreterin ist Kirsten von Hutten, die vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) in den Presserat entsandt wurde.


Aus: "Presserat: Beschwerdezahlen gehen weiter nach oben" Markus Ehrenberg (23.03.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/ruegen-wegen-berichterstattung-presserat-beschwerdezahlen-gehen-weiter-nach-oben/25672132.html

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Quote[...] Alles Panikmache?" – so lautet eine Folge der Sendung ,,Der fehlende Part" von RT Deutsch, der deutschen online-Version des russischen Auslandsfernsehens RT. Sie ist mit 875.000 Abrufen der Hit von RT Deutsch auf YouTube.

Darin gibt es ein Interview mit einem Mediziner unter dem Titel ,,Die Epidemie, die nie da war". In alarmierendem Tonfall spricht die Moderatorin Jasmin Kosubek von ,,dystopischen Maßnahmen" und kritisiert ,,bisher nie dagewesenen Einschränkungen der Grundrechte in Deutschland" und anderen Ländern.

Im Film wird gezeigt, wie die Polizei in Frankreich handgreiflich gegen Passanten auf der Straße vorgeht.

In Israel bekomme man ,,schnell die Handschellen" angelegt, zwei Personen in Schutzanzügen fesseln einen auf den Boden gedrückten Bürger. Es geht weiter mit dem ,,Supergau für die deutsche Wirtschaft" und dem ,,Tod der Restaurants".

Diese Beispiele sind typisch für die Berichterstattung der russischen Staatsmedien in Deutschland, insbesondere von RT Deutsch und dem Nachrichtenportal Sputnik. Es wird suggeriert, dass die deutsche Regierung und die EU Krisen nicht bewältigen können. Und dass der Kollaps des Systems kurz bevorstehe.

Das war in der Flüchtlingskrise der Fall, im Fall Lisa – der angeblichen Entführung einer jungen Russlanddeutschen –, in der Brexit-Debatte. Die Corona-Pandemie wird nun ebenfalls genutzt, um mit tendenziöser und teils falscher Berichterstattung zu polarisieren.

Denn die russischen Staatsmedien in Deutschland haben eine Mission. Sie verstehen sich selbst als Waffe im Informationskrieg. Die Grundlagen dazu wurden von russischen Militärtheoretikern entworfen, als Ergänzung zu anderen Aktivitäten wie Cyberattacken und Spionage. Wie bei den ,,aktiven Maßnahmen" zur Sowjetzeit soll der Gegner so beeinflusst werden, dass er seine Niederlage selbst herbeiführt.

Die Bundesregierung, insbesondere Kanzlerin Merkel, und die EU stehen wegen der Russland-Sanktionen im Zentrum der Berichterstattung der russischen Staatsmedien. Auch die Östliche Partnerschaft der EU mit der Ukraine, Georgien und andere Staaten ist dem Kreml ein Dorn im Auge.

Moskau beansprucht den postsowjetischen Raum als Sphäre privilegierter Interessen und will eine Westbindung dieser Staaten verhindern. Kein Zufall, dass die Maidan-Ereignisse in der Ukraine und deren Assoziierung mit der EU den Informationskrieg auslösten.

Wirtschaftlich erfolgreiche, demokratische Staaten in der direkten Nachbarschaft könnten in Russland einen Dominoeffekt auslösen – einen Regimewandel will Moskau deshalb verhindern.

In Deutschland will die russische Führung ihren Einfluss ausdehnen. RT Deutsch hat aktuell bei Facebook 469.000 Abonnenten, Sputnik 238.000. RT Deutsch hat damit das deutsche Portal der Deutschen Welle mit 450.000 Abonnenten überholt. Doch auch der englisch-, spanisch- und arabischsprachige Dienst von RT wird in Deutschland konsumiert. RT international in englischer Sprache ist bei fast jedem Kabel-Anbieter im Paket.

Neben Deutschland gehört die EU zu den Lieblingszielen der Kreml-Sprachrohre RT und Sputnik. So wurde ein Video der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, in dem sie zeigt, wie man sich in Corona-Zeiten richtig die Hände wäscht, als ,,Ausdruck der Hilflosigkeit" und des ,,Versagens der EU" beschrieben. RT Deutschs Beitrag trug den Titel ,,Uschis Hände – sauberes Krisenmanagement à la von der Leyen".

Auf der anderen Seite wird bei den Sendern betont, dass Russland und China ,,tatkräftig" an Italiens Seite stünden. Ausführlich wurde über die Aktion ,,From Russia with Love" berichtet, als neun Militärflugzeuge Ausrüstung und Spezialisten nach Italien lieferten.

Zwar berichtete die italienische Zeitung ,,La Stampa", dass 80 Prozent der Lieferung für den Kampf gegen die Corona-Pandemie unbrauchbar seien. Aber die Botschaft kam an: Russland hat die Krise im Griff und leistet sogar dem Ausland Hilfe.

Sputnik brachte beispielsweise eine Fotoreihe, wie Präsident Putin im Schutzanzug den von Corona infizierten Landsleuten zur Hilfe eilt.

Diese für die russische Führung sehr vorteilhafte Darstellung verkauft RT auf seiner Webseite als ,,alternative Informationsquelle jenseits des Mainstreams" und als ,,Part, der sonst verschwiegen wird". Auch Sputnik führt das Motto ,,Telling the Untold" in seinem Logo.

Zweifel an dem erfolgreichen Krisenmanagement in Russland sind indes angebracht. Bis Ende März wurde die Krise in Russland offiziell geleugnet. Noch am 27. März betonte ein Kreml-Sprecher nach Angaben von BBC, dass es in Russland mit etwa 1000 Fällen ,,de facto keine Epidemie" gebe.

Der Druck wuchs jedoch, selbst systemtreue Kräfte wie der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin kritisierten, dass zu wenig getestet werde. ,,Das reale Bild kennt keiner", sagte Sobjanin nach einem Bericht der russischen Zeitung ,,Novoe Vremja".

Als die offizielle Leugnung der Epidemie unhaltbar wurde, wandte sich Putin Ende März mit einer Videobotschaft an das Volk. Er ordnete eine arbeitsfreie Woche bei voller Lohnfortzahlung an und verlängerte diese eine Woche später bis Ende April. Unklar blieb, wer die Löhne zahlen sollte, denn die Unternehmen erhalten bislang keine finanzielle Unterstützung.

Das Verkünden unangenehmer Maßnahmen überließ Putin den Verwaltungschefs der Regionen. Ein überraschender Schritt, denn in den 21 Jahren seiner Herrschaft hat Putin ein streng zentralisiertes System geschaffen und zu selbstständige Regional-Politiker entmachtet.

So war es Moskaus Bürgermeister Sobjanin, der für die Hauptstadt eine strenge Ausgangssperre anordnete. Bis zum 17.April schnellte die Zahl der getesteten Infizierten nach Angaben von Statista auf 32000 Fälle – das ist 32-mal mehr als Ende März.

An der Darstellung von RT Deutsch und Sputnik, dass Russland die Krise im Griff hat, sind also Zweifel angebracht. Da wird dann gerne auf den rhetorischen Trick des Whataboutism zurückgegriffen, also der Ablenkung von einem Missstand mit der Frage nach Missständen auf der anderen Seite.

So werden Deutschland und andere Staaten in der Corona-Krise als repressive Regime dargestellt. Während in Russland regelmäßig Demonstranten von der Polizei niedergeknüppelt und Bürger wegen kremlkritischer Posts im Internet zu mehreren Jahren Haft wegen verurteilt werden, zeigen RT und Sputnik mit dem Finger auf Deutschland und kritisieren die Einschränkung der Rechte.

Das deutsche System wird kollabieren, so die Botschaft, während Russlands autoritärer Herrscher alles unter Kontrolle hat.

Eine Botschaft, die insbesondere bei deutschen Rechtspopulisten, Linksextremen und anderen Systemgegnern gut ankommt. Auch in der Corona Krise zeigt sich: Die Medien sind eine Waffe im Informationskrieg.




Aus: "Russische Auslandsmedien zeigen Deutschland und die EU als hilflos und repressiv" Susanne Spahn (23.04.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/informationskrieg-in-der-corona-krise-russische-auslandsmedien-zeigen-deutschland-und-die-eu-als-hilflos-und-repressiv/25767588.html

QuoteZweibein 09:27 Uhr
Ja, ja, Russland hat RT etc. und Deutschland hat die Deutsche Welle. Beide hetzen im jeweils anderen Land nach Kräften. Natürlich ist es etwas völlig anderes, wenn die DW Unfug verbreitet, denn die gehört ja schließlich zu den Guten (TM). ...


Quote679 10:26 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Zweibein 09:27 Uhr

    Ja, ja, Russland hat RT etc. und Deutschland hat die Deutsche Welle.


Die DW berichtet neutral und kritisiert auch die deutsche Regierung oder Verhältnisse Hierzulande wenn angebracht. Den Journalismus der DW mit dem schwachsinnigen Gehetze des Propagandakanal RT zu vergleichen ist daher absolut lächerlich. ...


QuoteZweibein 11:09 Uhr
Antwort auf den Beitrag von 679 10:26 Uhr

    Die DW berichtet neutral und kritisiert auch die deutsche Regierung oder Verhältnisse Hierzulande wenn angebracht.

Das behauptet RT sicherlich auch von sich mit entsprechend umgekehrtem Vorzeichen. ...


Quoteach 23.04.2020, 18:00 Uhr

Immer diese rätselhaften Gastbeiträge.
Gibt doch 3 oder 4 Redakteure, die einen Beitrag imit ähnlicher analytischer Durchdringung und politischer  Bewertung abliefern könnten.


Quotea.fink 23.04.2020, 21:46 Uhr

Antwort auf den Beitrag von ach 23.04.2020, 18:00 Uhr
Warum halten Sie diesen Gastbeitrag für rätselhaft? Weil er über klar ersichtliche russische Manipulations- und Zersetzungsversuche informiert?


Quoteach 08:52 Uhr
Antwort auf den Beitrag von a.fink 23.04.2020, 21:46 Uhr

Die Antwort auf Ihre 1. Frage stand in meinem 2. Satz.


...

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Quote[...] In die Chefredaktionen der großen deutschen Medien schaffen es Menschen aus Minderheiten nach wie vor nicht. Wie eine Umfrage der Neuen deutschen Medienmacher-innen (NdM) ergab, die sie am Montag veröffentlichten, gibt es zwar einige Chefinnen und Chefs aus gemischtnationalen Familien. Der Migrationshintergrund jener sechs Prozent, die die Studie durch Befragung von 90 der 126 reichweitenstärksten Medien herausfand, ist aber durchweg einer aus der europäischen Nachbarschaft.

Die größten Einwanderer-Ethnien in Deutschland – aus der Türkei, Polen und der früheren Sowjetunion – fehlen völlig, ebenso besonders diskriminierte Gruppen und Angehörige sichtbarer Minderheiten wie schwarze Journalistinnen und Journalisten.  In den Chefetagen der Massenmedien, folgern die NdM, sei Deutschland noch immer kein Einwanderungsland – ,,nach immerhin sechs Jahrzehnten Arbeitsmigration aus den Mittelmeerstaaten und mehr als vier Jahrzehnten Fluchtmigration nach Deutschland".

Die NdM, eine bundesweite Organisation von Medienleuten, setzen sich seit 2008 für mehr thematische und personelle Vielfalt in den Medien ein; wissenschaftliche Unterstützung für ihre Umfrage – auch der Tagesspiegel wurde befragt – bekamen sie von der TH Köln.

Zur Vielfalt in den deutschen Medien gibt es nach wie vor nur wenig und altes Datenmaterial. Eine repräsentative Studie für die deutschen Tageszeitungen stellte vor mehr als zehn Jahren einen Migrantenanteil von nur 1,2 Prozent fest; 84 Prozent der Blätter hatten überhaupt niemanden mit Migrationshintergrund in der Redaktion.

Die neueste Studie stammt aus dem Jahr 2016, galt nur Nordrhein-Westfalen und schätzte den Anteil für alle journalistischen Felder auf höchstens vier bis fünf Prozent. In der deutschen Bevölkerung hat aber inzwischen ein Viertel einen Migrationshintergrund.

Die Befragung der Chefredaktionen durch die NdM dürfte der Wirklichkeit in den reichweitenstärksten deutschen Medien recht nahe kommen; immerhin antworteten 71 Prozent der angeschriebenen Chefinnen und Chefs. Gerade ihnen widmeten sich die NdM nach eigenen Angaben, weil die Gleichstellungspolitik für Frauen in Medienhäusern zeige, dass sich etwas bewege, wenn die Spitzen der Häuser dies wollten und durchsetzten.

Der Wille scheint da zu sein: Nicht einmal zehn Prozent der befragten Führungskräfte lehnten redaktionelle Diversität als Ziel ab, zwei Drittel waren aber ausdrücklich dafür, besonders in den öffentlich-rechtlichen Sendern, denen ihr Auftrag, die gesamte Bevölkerung zu versorgen und damit auch abzubilden, Handlungsdruck mache.

In Gesprächen mit der WDR-Integrationsbeauftragten und den Chefredakteuren von ZDF, Welt, dpa und Märkischer Oderzeitung zeigte sich auch ein teils hohes Problembewusstsein der Chefs für die auch soziale Gleichförmigkeit ihrer Redaktionen (,,mehr Marzahn, weniger Mitte").

Anders sieht es mit konkreten Maßnahmen aus. Damit versuche es, so die Studie, ,,nur eine Minderheit der deutschen Massenmedien". Wer aktive Förderung von Diversität ablehnt, bemühe dafür den Datenschutz, der es verbiete, Kolleginnen und Kollegen nach ihren persönlichen Hintergründen zu befragen, oder die Sorge, sie könnten sich darauf reduziert und diskriminiert fühlen.

Alle, schreiben die NdM, führten das Leistungsprinzip ins Feld, das vor Jahren schon gegen aktive Maßnahmen zur Frauenförderung genutzt wurde: ,,Würden allein Eignung und Befähigung über Einstellungen entscheiden, wäre kaum zu erklären, warum Frauen bis vor einigen Jahren keine entscheidenden Rollen in Medienhäusern einnehmen konnten", schreiben die Autorinnen der Studie.

Bezeichnend die Antwort einer nicht genannten Führungskraft: ,,Wir sind überzeugt, dass vielfältig zusammengesetzte Teams komplexe  Aufgaben besser lösen. Generell stellen wir Mitarbeiter in allen Unternehmensbereichen und auf allen Hierarchieebenen ausschließlich nach  objektiven Kriterien ein und fördern die Beschäftigten allein aufgrund  ihrer Kompetenzen. Andere Faktoren wie Herkunft und Kultur, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung und Identität, Behinderung sowie Religion und Weltanschauung spielen keine Rolle."

Bleibe es bei dieser Lücke zwischen Überzeugung und entsprechenden Konsequenzen, sehen die NdM auch wachsende wirtschaftliche Probleme für die deutschen Medien. Viele von ihnen würden ,,damit den Anschluss an die Zukunft der deutschen Einwanderungsgesellschaft verlieren".

Im Interview mit Miranda Wayland, der Chefin der BBC-Diversitätsabteilung, das für die Studie geführt wurde, lässt sich erfahren, was sie zu gewinnen hätten: Die Auflage des Modemagazin Vogue legte zu, als sie öfter People of Color zeigte und über sie berichtete, sagt Wayland. Und die 50 Jahre alte BBC-Sendung ,,Dr. Who" gewann Publikum unter Minderheiten, nachdem ein ethnisch und geschlechtergemischtes Team sie übernommen hatte.


Aus: "Einwanderungsland? Nicht in den Chefredaktionen" Andrea Dernbach (11.05.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/vielfalt-in-den-medien-einwanderungsland-nicht-in-den-chefredaktionen/25817320.html

Link

"Die Zerstörung der Presse"  Rezo (May 31, 2020)
https://youtu.be/hkncijUZGKA

Quellen: https://docs.google.com/document/d/1pL6ZTA-hwK-zp8ETFZaEi_FygaPXplb3M7gLn6Ir4ZU/edit

QuoteFuratto Bureddo

Wenn keine Echsenmenschen gibt, wozu gibt es dann Anti-Schuppen-Shampoo zu kaufen?
Ich stell nur fragen.


QuotePizza Boi

Meine Lieblingstheorie kommt von den Space Frogs:
"Geschlechter sind eine Erfindung der Toilettenindustrie um uns mehr Toiletten zu verkaufen!"
- Rick Garrido, 2019


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",,Ekelhaft und menschenfeindlich" Rezo legt sich mit dem Axel-Springer-Verlag an" Paul Gäbler (01.06.2020)
Youtuber ,,Rezo" erregte mit dem Video ,,Die Zerstörung der CDU" 2019 viel Aufsehen. Im neuen Video richtet er sich an die Presse. Der ,,Bild"-Chef hat reagiert.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/ekelhaft-und-menschenfeindlich-rezo-legt-sich-mit-dem-axel-springer-verlag-an/25876686.html

Quoteonyxbln 02.06.2020, 09:18 Uhr

REZO zeigt souverän und mit der ihm eigenen Leichtigkeit auf eine für unser Zusammenleben gefährliche Veränderung der Vertrauenswürdigkeit in die Medien. Informationen als Grundlage der Meinungsbildung müssen wahr und der Realität entsprechend sein. Medien, die diese journalistischen Grundsätze wissentlich und mit eigennütziger  Absicht  missachten, können individuell und in der Gesellschaft großen  Schaden anrichten. REZO´s Aussagen sind da glasklar, da gut recherchiert und faktisch belegt.- Redakteure sollten sich ab und zu mal die Frage stellen, wie wichtig ihre Position in einer freien Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft, die auf deren journalistische Professionalität baut, und den Medien Pressefreiheit, den Kommentatoren Meinungsfreiheit und den Bürgern Redefreiheit zusichert. Das Gebaren einiger weniger Personen in den Redaktionen der besonders negativ bewerteten Blätter BILD-FAZ und WELT ist unanständig, und ein Spiegel der zunehmenden Rücksichtslosigkeit, die sich schon lange in der Wirtschaft (VW, Deutsche Bank etc.)  und neuerdings in der Gesellschaft ausbreitet.   Wir alle sollten uns Gedanken machen, ob wir den Weg der Rücksichtslosigkeit mitgehen, oder versuchen dem Einhalt zu gebieten.


QuoteBangJI 02.06.2020, 14:07 Uhr

Man kann einen Betrüger nur mit seinen eigenen Mitteln und Methoden erfolgreich bekämpfen.
Man kann einen Lügner und Agitator nur mit dem Kehrwert seiner Lügen und Propaganda entlarven.
So gesehen macht der Junge alles ganz richtig. ...


Quote2010ff 01.06.2020, 20:14 Uhr

Rezo macht nichts anderes als etwas Bildungsfernsehen. Er beschreibt und erläutert seiner Zielgruppe - die YouTuber - die Medien in ihrer Vielfalt. Er beschreibt die Standards und Erkennungsmerkmale für sauberen Journalismus. Recherche, Quellenangaben, Opferschutz in der Berichterstattung. Das ist alles inhaltlich nicht einmal besonders originell. Jedoch informativ für junge Menschen, die im Mediendschungel vielleicht manchmal etwas überfordert werden.

Rezo benennt Roß und Reiter. Und da kommen dann die FAZ und BILD ins Spiel - als unseriös handelnde Medien. Mir gefällt an diesem Video, dass Rezo immer wieder für Qualitätsjournalismus plädiert, seine Zuschauer immer wieder ermahnt, genau hinzuschauen und kritisch zu prüfen, was sie sehen und hören.

Und Rezo macht deutlich, dass es nicht nur die Sputniks wie Attila sind, die zum Teil abstruse Behauptungen in die Welt setzen. Es sind gerade auch die sogenannten seriösen Medien, die mit einer zum Teil abenteuerlichen Berichterstattung aufwarten. Kein Grund für etwa die FAZ, selbstgefällig auf "Verschwörungstheoretiker" zu weisen. Auch in den sogenannten seriösen Medien wird jede Menge Unsinn verzapft.

Und dennoch wird Rezo nicht müde, seriös arbeitende Journalisten und Medien zu loben.

Eigentlich dürfte es niemanden geben, der ihm da widersprechen könnte. Jedenfalls dann, wenn man auch selbst für seriöse Berichterstattung eintritt.


QuoteSamuelRees 01.06.2020, 18:22 Uhr

Ein Linksliberaler kritisiert Springer. Wie originell. Was kommt als Nächstes? Ein Grüner, der gegen Atomkraft kämpft?


QuoteKamera.Hranenija 01.06.2020, 16:50 Uhr
Der Social Plebejer hat wieder einmal gesprochen und alle: Hurra!


Quotecervo 01.06.2020, 16:14 Uhr
Der Volksverpetzer-blog, der ja in Rezos Video als Positiv-Beispiel erwähnt wird, schreibt zum Thema treffend:

,,Rezo rechnet gnadenlos mit Hetzer*innen, Verschwörungsideolog*innen und den schlechtesten Seiten der deutschen Presse ab, die das in unterschiedlichen Graden verdient haben. Er appelliert an einen höheren Anspruch an die Presse an sich selbst und dass derartige Praktiken ein
Grundmisstrauen erhöhen, dass "die meisten von euch nicht verdient haben". Unterhaltsam, differenziert und informativ dürfte "Die Zerstörung der Presse" wohl auch in den nächsten Tagen wieder für Gesprächsstoff sorgen."

https://www.volksverpetzer.de/video/die-zerstoerung-der-presse/


...

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""Die Zerstörung der Presse" Was Rezo sagt" Arno Frank (03.06.2020)
In einem neuen Video erklärt YouTuber Rezo, was falsch läuft bei den Medien. Was er sagt, stimmt alles, seine Recherchen sind tadellos. Und doch ist dieser audiovisuelle Essay keine Zerstörung, sondern eine Liebeserklärung. ... Rezo repräsentiert weniger eine diffuse "Generation YouTube" als vielmehr eine konkrete Kohorte, die sich mit diesen strukturellen Fehlern nicht mehr abfinden muss. Weil es, ein wenig guten Willen vorausgesetzt, technische Mittel und Wege gibt, den Fehlern mühelos auf die Schliche zu kommen. Weshalb dieses Video keine Zerstörung ist, sondern eine Liebeserklärung.
Wenn die Branche wirklich von Krähen bevölkert ist, die einander kein Auge aushacken möchten - was ist dann Rezo? Vielleicht ist er der freundliche Paradiesvogel vom benachbarten Baum. Dort hockt er, aus Sicht des Schwarms aufreizend unabgefuckt, und singt besser als einige der Krähen.
https://www.spiegel.de/kultur/kommentar-zu-rezos-die-zerstoerung-der-presse-was-rezo-sagt-a-7410b9bf-9b35-4e8b-963b-38552530e2bb

QuoteBernd

Kompliment. Eine frische, unorthodoxe Art und Weise, den Kern von Missständen und Problemen zu treffen, sowohl was die CDU als auch manche nur scheinbar seriöse Medien und erst recht das dumme Zeug der Verschwörungsmythiker angeht.


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"Aus den FeuilletonsBlick auf die Missstände im Journalismus" Gregor Sander (02.06.2020)
Der YouTuber Rezo hat mit seinem neuen Video wieder ein Millionenpublikum erreicht. Dabei wolle er die Presse nicht zerstören, sondern Missstände des Journalismus aufdecken, berichtet die ,,SZ". Seine Analyse habe Hand und Fuß, lobt die ,,TAZ". ... Die WELT hat Rezo sogar den Feuilletonaufmacher gewidmet. ,,Natürlich passieren in den ,seriösen Medien' Fehler, natürlich geschieht im hergebrachten Journalismus Ärgerliches", gibt Hannah Lühmann zu, um dann listig festzustellen:
,,Die klassische Zeitung, gegen die Rezo zu Felde zieht, hat immer noch den Vorteil, dass sich dort die zweifellos überall vorkommende Dummheit auf mehrere Köpfe verteilt, die sich gegenseitig korrigieren. Wer korrigiert Rezo?" ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/aus-den-feuilletons-blick-auf-die-missstaende-im.1059.de.html?dram:article_id=477871

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"Rezo übt Medienkritik: Bevormundung der Zielgruppe" Kolumne von Steffen Grimberg (3.6.2020)
Youtuber Rezo zerstört mal wieder. Diesmal ist die Presse dran. Viele, wenn auch nicht alle der angesprochenen Probleme sind klug beobachtet. ...
https://taz.de/Rezo-uebt-Medienkritik/!5690240/


QuoteRicky-13

Wie Rezo in seinem YouTube Video den Innenpolitik-Chef der FAZ 'Jasper von Altenbockum' vorführt, ist besonders sehenswert.

Der SPIEGEL schreibt sehr treffend: *Der audiovisuelle Essay mit dem Titel "Die Zerstörung der Presse" ist in Vehemenz, Präzision und Aufmachung angelehnt an "Die Zerstörung der CDU", mit dem Rezo vor Jahresfrist die großen Volksparteien ins Schwimmen gebracht hat. Gleiches gelingt ihm hier mit den etablierten Medien, wenn man die empfindlichen Reaktionen von Julian Reichelt ("Bild") und Jasper von Altenbockum ("FAZ") auf Twitter richtig interpretiert.*

Vielleicht sollten Julian Reichelt ("Bild") und Jasper von Altenbockum ("FAZ") bei dem studierten Informatiker und YouTuber mal ein paar Stunden in Journalismus und Quellenangaben belegen, anstatt wieder nur wütende Kommentare gegen Rezo zu schreiben.


Quotequintusmorus

Rezos Kritik lässt sich auf den Kinderspruch verkürzen: ,,Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er ganz die Wahrheit spricht". Wenn man das ernst nimmt spielt es eben sehr wohl eine Rolle, ob an den Geschichten der Frisörzeitschriften etwas dran ist. Wo Journalisten kein klares Verhältnis zur Wahrheit haben schaden sie dem Vertrauen, dass der Vierten Gewalt insgesamt entgegengebracht wird.


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Quote[...] Die Kommunikationswissenschaftlerin Nayla Fawzi (Uni München) hat sich durch eine repräsentative Umfrage angesehen, wie die deutsche Bevölkerung Medienleistungen einschätzt. Pauschal gesehen, bestehe eine ,,diffuse" Zufriedenheit in der Bevölkerung. 61 Prozent äußerten sich zufrieden, 29 teilweise, neun gar nicht. Bezogen auf die konkreten Einzelleistungen hingegen ist das Bild durchwachsen.

Ihre politischen Funktionen, so die Sicht des Publikums, erfüllen Journalist*innen recht gut: Rund die Hälfte hat den Eindruck, dass Medien Politik und Wirtschaft kritisch beobachten, Skandale aufdecken und dass ihnen gelingt, zur Meinungsbildung beizutragen. Zwischen 14 und 18 Prozent hingegen finden, die Medien leisten dies nicht.

Dann wird es enger: nur noch 39 Prozent sind der Meinung, dass Medien komplexe Sachverhalte gut erklären. Und nur jeder dritte teilt die Ansicht, dass Medien das Interesse für politische Fragen wecken, fast gleich viele finden, dass sie das nicht schaffen.

Die größten Defizite nimmt die Bevölkerung bei sozialen Medienfunktionen wahr; hier ist der Anteil jener, die sich unzufrieden äußern, durchweg höher als der der Zufriedenen. Anliegen von Minderheiten und benachteiligten Gruppen der Gesellschaft zur Geltung bringen, einen guten Austausch zwischen Gesellschaft und Politik herstellen, ein Grundverständnis schaffen, das die Gesellschaft als Ganzes verbindet: Zwischen 31 und 25 Prozent der Befragten finden, dass Medien dies nicht leisten, nur zwischen 24 und 28 Prozent sind zufrieden mit der journalistischen Arbeit in diesen Bereichen.

Jeder dritte hat das Gefühl, Medien sind nicht das Sprachrohr für die Gesellschaft, das sie sein sollten, und 41 Prozent vermissen ein hinreichendes Maß an Lösungsvorschlägen für die Probleme der Gesellschaft.

Gewiss sind solche Einschätzungen individuell und hängen auch davon ab, wie medienkompetent die Befragten sind. Zum Grundverständnis von aufklärenden Medien gehört zudem, sich Rezipienten-Interessen nicht einfach anzupassen und unterzuordnen.

Diese sind zum einen nicht homogen. Zum kann es sich keine demokratische Gesellschaft leisten, auf eine nötige Auseinandersetzung mit relevanten Themen zu verzichten, weil sie für ein Publikum unangenehm sind oder ihm nicht gefallen.

Aber: in den Befunden stecken wichtige Aufträge, wo Berichterstattung besser und näher an dem, was die Bevölkerung umtreibt, werden kann. Wie bedeutsam eine verlässliche Vermittlungsleistung ist, belegt ein Forscherteam am Reuters-Institut der Universität Oxford. Es verglich den Grad des Vertrauens, das Menschen in 23 europäischen Ländern in insgesamt 226 Nachrichtensender und damit in den Informationsjournalismus haben, damit, wie Experten die Genauigkeit der Arbeit dieser Sender einschätzen.

Die Einschätzungen wichen wenig ab. Experten und Öffentlichkeit schrieben höchstes Vertrauen den öffentlich-rechtlichen Medien zu. Die Bevölkerung vertraut Zeitungen und Onlineplattformen etwas weniger und dem kommerziellen Fernsehen etwas mehr als Experten dies tun. ,,Vertrauen haben" in ein Medium, heißt zwar nicht, es auch zu nutzen. Aber die Studie stimmt optimistisch, weil sich offenbar die Bevölkerung in Nachrichtenumgebungen recht gut zurechtfindet.


Aus: "Wie Menschen Medien wahrnehmen" Marlis Prinzing (14.06.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/media-lab-wie-menschen-medien-wahrnehmen/25915098.html

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#117
"Bild, Merkel and the culture wars: the inside story of Germany's biggest tabloid" Thomas Meaney (Thu 16 Jul 2020 06.00 BST)
... Reichelt's agenda is marked less by novelty than by a chest-crunching resuscitation of Bild's core commitments: pro-US, pro-Nato, pro-Israel, pro-austerity, pro-capital, anti-Russia, anti-China. According to the Bild worldview, the best way to counter the left is to portray its demands as totalitarian, and the best way to kill off the far right is to cannibalise its grievances. While Bild prints relatively little material that a supporter of the far-right Alternative for Germany (AfD) party would object to, Reichelt sees the party as a threat to his effort to remake the German political scene. "We want nothing to do with the imbeciles of the AfD," he told me. "The way to destroy them is to make room for their voters in what used to be the political mainstream of this country." ...
https://www.theguardian.com/world/2020/jul/16/bild-zeitung-tabloid-julian-reichelt-angela-merkel-germany

QuoteMalte Grehsin @MalteGrehsin Replying to @Viktor_Funk and @sixtus

Money quote: "Journalism is basically about emotions, as all of the other news outlets in this country seem to have forgotten," he told me.

Zum Glück sehen das (noch) nicht alle so.


https://twitter.com/Viktor_Funk/status/1284154341281193984

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Balazs Csekö (26. Juli 2020): Balazs Csekö - Ungarns Weg in die komplette Finsternis (Kommentar der anderen)
Die Ausschaltung des bedeutendsten Mediums des Landes ist ein verheerender Schlag für Ungarn
"Wir würden nie diejenigen mundtot machen, die mit uns nicht einverstanden sind." Das sagte Ungarns Regierungschef Viktor Orbán vor zwei Jahren bei einer Debatte im Europäischen Parlament. Die damaligen Worte des Premiers sind heute in allen Ecken Ungarns bekannt und werden jedes Mal in Erinnerung gerufen, wenn Meinungs- und Pressefreiheit unter Maßnahmen seiner Regierung leiden. Ähnlich wie in diesen Tagen, wo Index, der meistgelesene Nachrichtenkanal – so wie bisher gekannt – auf einmal zur Geschichte wurde. ...
https://www.derstandard.at/story/2000118984085/ungarns-weg-in-die-komplette-finsternis

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Daniel_Moser

Könnte man nicht einfach den Unternehmenssitz in das Ausland übersiedeln?


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Tobias Kern

Vielleicht mal den Artikel lesen, das Unternehmen wurde aufgekauft, der Chefredakteur entlassen und der Rest der Redaktion ist dann selbst gegangen ...


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Kid Icarus

Einfach sagenhaft, wie hier auf das ungarische Volk herabgeblickt wird. Als ob die ganze Welt nur auf den Liberalismus amerikanischer Prägung gewartet hätte. Was für uns gut funktioniert, muss nicht gleichzeitig für jedes andere Land erstrebenswert sein, daran wird man sich in Zukunft einfach gewöhnen müssen.


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Der Ternitzer

Wenn man Orban kritisiert, dann blickt man auf das ungarische Volk herab?
Sie sind sicher, dass sie diesen Satz genau so gemeint haben? Sie denken wirklich Orban ist das "ganze ungarische Volk"? Wow.  ...


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Kid Icarus

"Es wird noch eine Zeitlang dauern, bis sie Demokratie und freie Gesellschaft verstehen."
Ok, zufrieden jetzt???


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Lass uns reden

Überall im sogenannten demokratischen Europa werden rechte Partein diffamiert, deren Wähler belächelt oder einfach ausgegrenzt...Wir sprechen nicht von radikalen oder extremistischen Bewegungen..ein rechtes Weltbild, Konservatismus, Nationalismus, Patriotismus werden diskreditiert..in ein schlechtes Licht gerückt..in vielen Teilen ist es nicht mehr möglich sich als "Rechter" zu outen..man unterdrückt unterschwellig Meinungen, verhindert in viele Bereichen die wichtige Debatte...ein rechtes Weltbild hat doch die gleiche Legitimation wie sein Widerpart oder ?...aber da liegt der Hacken...viele "Linke" verweigern dies..rechts ist und soll böse sein..das ist die Botschaft...Wenn Gesellschaften sich wehren, sollte man sich aber nicht wundern


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Dinkleberg

Parteien wie die AfD oder die FPÖ diskreditieren sich meist selbst oder werden durch ihr direktes Umfeld in ein schlechtes Licht gerückt. Dazu kommen noch eine demokratie- und rechtsstaatsfeindliche Einstellung, das Versprechen "für die Leute" da zu sein, obwohl nur in die obersten Taschen gewirtschaftet werden soll, das Schüren von Hass und Missgunst gegenüber allem, was "anders" oder "fremd" ist und das Verbreiten von "Fake News". Ihr Kasperln wissts nicht amal für was für Verbrecher ihr Einsteht und wundert euch dann, warum euch alle "belächeln" und "nicht ernst nehmen".


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back to the future

Überall im sogenannten demokratischen Europa werden linke Partein diffamiert, deren Wähler belächelt oder einfach ausgegrenzt...Wir sprechen nicht von radikalen oder extremistischen Bewegungen..ein linkes Weltbild, Empathie, Solidarität, Selbstreflexion werden diskreditiert..in ein schlechtes Licht gerückt..in vielen Teilen ist es nicht mehr möglich sich als "Linker" zu outen..man unterdrückt unterschwellig Meinungen, verhindert in viele Bereichen die wichtige Debatte...ein linkes Weltbild hat doch die gleiche Legitimation wie sein Widerpart oder ?...aber da liegt der Hacken...viele Rechte verweigern dies... Links ist und soll böse sein..das ist die Botschaft...Der gesellschaftliche Mainstream ist seit Jahren durch Rechtspopulisten geprägt.


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Martinsmeinung

häääh???


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#wemnütztes

Also die Rechten sind und waren immer die Opfer
Sie werden unterdrückt und kaum gewählt weil sie sich nicht getrauen sich zu outen. Man weiß praktisch gar nicht, dass es sie gibt. Oder kennt irgendwer in Österreich den KURZ, HOFER, KICKL, ja oder den HC? Nie gehört? Kein Wunder, alles rechte Recken, unterdrückt und diffamiert bis zu Unkenntlichkeit. Oder den Orban, den Trump? Alles unbekannte und unterdrückte Wesen auf dieser Erde, die Angst haben sich zu outen.
Alles Opfer und jedenfalls keine Täter. Für Österreich gibt es sogar eine eigene Opfertheorie, aber auf die will ich jetzt nicht näher eingehen.


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I und mei oida greana Steyr

Hoffentlich liegt die EU bald am Scherbenhaufen der Geschichte und wir können wieder leben wie zB vor 70 Jahren. Wo das Leben noch einfach und nicht so kompliziert wie heute war. Heute macht das Leben keine Freude mehr.


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Martinsmeinung

Alter! 1950 reloaded? Russische Besatzung oder sowas? Was hast du heute geraucht? Oder besser getrunken???


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I und mei oida greana Steyr

Die nicht unbedingt. Aber damals musste kaum jemand sein Dorf verlassen. Man konnte von der kleinen Landwirtschaft leben. Die Stadt war unerreichbar weit weg.


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comentatorix

Satire oder?


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Kamiikatze

Nein, der schreibt jetzt schon seit Jahren ständig das selbe ins Forum, wird aber aufgrund von rassistischen Kommentaren alle paar Monate gelöscht.


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I und mei oida greana Steyr

Und? Trotzdem mei Meinung.

Nein. Ich hasse die Zeit in der ich leben muss :(


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Binmeistensdagegen

Ich glaube, dich hat das Leben schon vor langer Zeit überholt.


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I und mei oida greana Steyr

Ich glaub ich bin nicht der einzige der sich nach der Vergangenheit sehnt. Warum so grantig deswegen?


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qwertyat

Ich komme gerade von Budapest und habe die Demonstration in Buda aus der Ferne mitbekommen. Die mit Spezialausrüstung aufmagazinierten Polizisten haben sich rund um das Parlament postiert.
Kaugummi kauende scharf gemachte Polizisten. Zum Grausen. Failed State. Leid kann einem die Bevölkerung tun. Die haben die fidesz aber gewählt. Viele Vergünstigungen für über 65 jährige. ...


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Quote[...] ARD und ZDF haben nach Ansicht von Wissenschaftlern in den ersten Monaten der Corona-Pandemie mit ihren Sendungen einen massenmedialen ,,Tunnelblick" erzeugt. ,,Sondersendungen wurden zum Normalfall und gesellschaftlich relevante Themen jenseits von Covid-19 ausgeblendet: Es war eine Verengung der Welt", sagte der Medienforscher Dennis Gräf vom Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Passau dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Hennig hat Gräf mehr als 90 Sendungen von ,,ARD Extra" und ,,ZDF Spezial" untersucht und sie im Zeitraum von Mitte März bis Mitte Mai analysiert.

Die Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass Journalismus differenzierter sein und Maßnahmen in der Corona-Pandemie auch grundsätzlich hinterfragen müsse. Dies sei in den Beiträgen der Öffentlich-Rechtlichen aber nicht geschehen, resümierten sie. Gräf sagte, vielmehr überwiege das Bild: ,,Individuelles Wohl wird eingeschränkt für das überwiegende Wohl".

ARD-Chefredakteur Rainald Becker wies dies auf epd-Anfrage zurück. ,,Dass das Informationsbedürfnis zur Corona-Pandemie außerordentlich hoch war und ist, belegt nicht zuletzt das große Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer an unseren Sendungen zum Thema", erklärte er. Für die ARD habe zu jeder Zeit die journalistische Qualität der Berichterstattung im Vordergrund gestanden.

,,Auch im Nachhinein halte ich Umfang und Inhalt unseres Informationsangebots für angemessen und ausgewogen." Der Vorwurf eines ,,Tunnelblicks" gehe an der programmlichen Realität im Ersten und an der Lebensrealität der Menschen vorbei.

Ein ZDF-Sprecher erklärte: ,,Die "Tunnelblick,,-These der Forscher ignoriert, dass Corona als dominantes Berichterstattungsthema der vergangenen Monate alle Lebensbereiche prägte und entsprechend umfangreich in den Berichterstatter-Blick geriet."

Dass in den ,,ZDF spezial"-Ausgaben die aktuelle Entwicklung der Krise mit all ihren vielfältigen Aspekten im Vordergrund gestanden habe, ,,ist angesichts einer außergewöhnlichen Pandemie-Lage nicht überraschend, sondern sogar Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Informationsangebots".

Es habe gerade in den ersten Wochen großen Informations- und Erklärungsbedarf gegeben, ,,dem das ZDF Rechnung getragen hat". Dabei sei die Gewichtung von Corona- und anderen Themen ein täglicher Abwägungsprozess in den Redaktionen.

Nach Angaben der Medienwissenschaftler Gräf und Hennig vermittelte schon die Häufigkeit der Sondersendungen Zuschauern ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario. Die Inhalte hätten dies noch verstärkt: Fußgängerzonen ohne Fußgänger seien gezeigt worden, leere Geschäfte, begleitet von Spekulationen über eine langanhaltende Krise, die aber noch gar nicht da sei. ,,Solche Bilder kennen wir aus Endzeiterzählungen und Zombiegeschichten", sagte Gräf.

Hennig fügte hinzu, dass Normalbürger ,,immer aus der Perspektive von Leistung inszeniert" wurden. ,,Immer wieder wurde von Helden des Alltags gesprochen, die ihre Berufsrolle ins Extreme übersteigern, Tag und Nacht für die Gesellschaft da sind und sich im übertragenen Sinne aufopfern für ein höheres Wohl."

Als Beispiele nannte er Pflegekräfte oder DHL-Zusteller sowie die ,,Glorifizierung" des Virologen Christian Drosten. Home-Office bei gleichzeitiger Kinderbetreuung sei indes vor allem als problematisch dargestellt worden, weil ,,der üblichen Produktivität nicht nachgekommen werden" könne.

Hennig erläuterte ferner, die Sondersendungen konstruierten eigenständige Modelle der Welt, vermittelten gewisse Werte und arbeiteten mit Zuspitzungen. Wenn aber Inszenierungsstrategien verwendet würden, ,,die wir von Hollywood-Blockbustern" über gefährliche Viren kennen, würden die eigentlich als Dokumentationen gedachten Sendungen fast zum fiktionalen Format. epd


Aus: "Kritik an Öffentlich-Rechtlichen: Forscher bescheinigen ARD und ZDF ,,Tunnelblick" während Corona-Krise" (18.08.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/kritik-an-oeffentlich-rechtlichen-forscher-bescheinigen-ard-und-zdf-tunnelblick-waehrend-corona-krise/26105458.html

Quotecarlaugusta 18.08.2020, 18:22 Uhr

Dass ich DAS noch lesen darf!! ich habs ja nicht geglaubt, dass doch noch mal Kritik an der Panikmache laut wird. Diese Strategie war gewollt und geplant: https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/default/files/media/documents/2020-04/bmi-corona-strategiepapier.pdf und die Meiden haben überhaupt keine kritische Distanz zum Regierungshandeln gezeigt. Ist das nicht auch ihre Aufgabe? Dachte ich immer, so in der Demokratie.


QuotePressekritiker2 18.08.2020, 19:14 Uhr

Antwort auf den Beitrag von carlaugusta 18.08.2020, 18:22 Uhr

Wenn ich das Strategiepapier richtig verstanden habe, muss den Bürgern das, was passieren kann, unmissverständlich klar gemacht werden. Was ist daran falsch? Mit einem "die Maske zu tragen oder den Abstand einzuhalten wäre super, aber wenn ihr es nicht tut, dann ist es vielleicht auch nicht so, vielleicht schon, aber vielleicht auch nicht" wäre man nicht weiter gekommen.

Die Lockerungen setzten auf freiwillig eigenverantwortliches Handeln. Wie das in der Praxis aussieht, kann man z.B. in Mitte oder Neukölln sehen.

Und falls Ihnen jetzt der Begriff der Hofberichterstattung im Kopfe schweben sollte: Nicht nur die Regierungen haben das so unmissverständlich ausdrücken wollen, sondern es gab vorangehend ja eine entsprechende Bewertung durch Virologen und andere Medizinier - völlig zu Recht, wie man an anderen Ländern sehen kann.

Ich will damit sagen: Erst gab es die Einschätzung der Experten, dann wurde das Strategiepapier darauf basierend entwickelt.

Und die Medien haben darüber berichtet. Klar, soll man das hinterfragen. Aber es gab eben niemanden Seriöses, der ernsthaft hätte belegen können, dass sie Maßnahmen nicht nötig wären. Im Gegenteil; viele Virologen haben sich sogar gegen die Lockerungen ausgesprochen.

Und jetzt steigen die Fallzahlen aktuell wieder, woran ich an dieser Stelle noch einmal dezent erinnern möchte.


QuotePedro_Garcia 18.08.2020, 16:18 Uhr

     dass Journalismus differenzierter sein und Maßnahmen in der Corona-Pandemie auch grundsätzlich hinterfragen müsse.

Das habe ich schon so oft gesagt.
Das betrifft aber leider nicht nur die ÖRs sondern auch die meisten Printmedien und Onlineportale der großen Tageszeitungen.
Ein Beispiel gefällig?
Seit 3 Wochen wurde an vielen Tagen mit den Rekord-Infektionszahlen aufgemacht und Angst verbreitet. Das wir gleichzeitig auch eine Rekortzahl bei den Tests hatten, wurde einfach nicht erwähnt, dabei hat sich der Prozentsatz der positiven Tests kaum erhöht. Von KW 31 zu 32 gar nicht (stabil bei 1%) allerdings bei ca. 100.000 Tests mehr in KW 32 gegenüber KW31. Von KW 30 zu 31 von 0,8 auf 1,0%.

Das ist immer so ein wenig "Halbwarheit".


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