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[Wilhelm Reich (Notizen) ... ]

Started by lemonhorse, September 25, 2012, 01:25:11 PM

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Wilhelm Reich (* 24. März 1897 in Dobzau, Galizien, Österreich-Ungarn; † 3. November 1957 in Lewisburg, Pennsylvania, USA [1]) war ein österreichisch-US-amerikanischer Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe. Mit der von ihm ab 1934 entwickelten Vegetotherapie war er einer der wesentlichen Begründer der Körperpsychotherapie. Nach seiner ,,Entdeckung des Orgons" 1940 bezeichnete Reich seine Lehre als Orgonomie. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Reich


Massenpsychologie des Faschismus
http://www.conne-island.de/nf/123/10.html

Wilhelm Reich im LSR-Projekt
http://www.lsr-projekt.de/wr.html

On March 8, 1957, four days before he was taken to a federal prison, Wilhelm Reich signed his Last Will and Testament. By this time his orgone energy accumulators and many of his publications had already been banned and destroyed by order of a United States Federal Court injunction, starting on June 5, 1956 when three orgone energy accumulators were destroyed outside of Reich's Student Laboratory at Orgonon in Rangeley, Maine.
Three weeks later, several boxes of his publications were burned under the supervision of Food and Drug Administration agents outside the Student Laboratory. A month after that, in July, the panels for about fifty orgone accumulators were dismantled in the town of Rangeley, Maine by the local contractors who had built them.
And exactly one month after that--on August 23, 1956--several tons of Reich's publications, including the titles of 10 hardcover books as well as medical and scientific research bulletins and journals, were burned under FDA supervision at a New York City municipal garbage incinerator on Gansevoort Street.
In his Last Will and Testament, Reich had named his daughter, Dr. Eva Reich, as the sole Trustee of The Wilhelm Reich Infant Trust Fund. She was the individual now charged with carrying out Reich's final wishes as stipulated in his will. And among the will's principal stipulations was this:
    "To operate and maintain the property at Orgonon under the name and style of The Wilhelm Reich Museum."
http://www.wilhelmreichtrust.org/

http://www.wilhelmreichtrust.org/museum.html

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#1
"Wilhelm ReichIm Bann des Orgon" Stefan Müller (DIE ZEIT, 3.1.2013 Nr. 02)
Schlagworte Sigmund Freud | Wilhelm Reich | J. Edgar Hoover | Bangladesch | Pakistan | Russland
Ein neuer Film zeigt bloß eine Seite von Wilhelm Reich. Das gefällt jenen, die noch heute seinen wilden Theorien anhängen. ...
http://www.zeit.de/2013/02/Film-Der-Fall-Wilhelm-Reich-Orgontherapie

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"Reich, die CIA und MKULTRA" Thomas Barth (04.09.2013)
"Der Fall Wilhelm Reich" - Der Film des Österreichers Antonin Svoboda kommt Anfang September in die Kinos. Er zeichnet ein emotional anrührendes, aber ungenaues Bild des umstrittenen Pioniers der Psychoanalyse. Auseinandersetzungen Wilhelm Reichs mit Freud, Marx und dem Faschismus werden fast völlig übergangen. Dafür wartet Svoboda mit einer neuen Verschwörungstheorie auf...
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39803/1.html

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http://www.derwesten.de/kultur/der-fall-wilhelm-reich-ist-reines-bildungskino-id8387633.html

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"Man wollte ihn zu einem Schmuddelarzt degradieren"
Klaus Maria Brandauer im Gespräch über seine Rolle in ,,Der Fall Wilhelm Reich"
mit Marietta Schwarz (30.08.2013)
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/corso/2234418/

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"Wer hat Angst vor Wilhelm Reich? "
Eine Dokumentation aus dem Jahre 2009.
https://www.youtube.com/watch?v=4du3_mAHTWY

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Quote[...] Es ist die alte Hänschenfrage: Weshalb stimmen und wählen Menschen gegen ihre eigenen Interessen? Warum lassen sich US-amerikanische und englische IndustriearbeiterInnen von Demagogen zur metaphorischen Schlachtbank führen?

Die erste historische Zäsur, die den Fortschrittsglauben der ArbeiterInnenbewegung erschütterte, war der Faschismus. Der kommunistische Psychoanalytiker Wilhelm Reich (1897–1957) folgerte daraus, dass die bisherigen Erklärungen zum politischen Engagement versagt hätten. Bereits im Herbst 1933 veröffentlichte er die «Massenpsychologie des Faschismus», die einen neuen Ansatz präsentierte. Bekannt geworden ist diese Analyse später in einer wesentlich veränderten Fassung. Jetzt liegt der «Originaltext von 1933», reich kommentiert von Andreas Peglau, neu vor.

Reichs Ausgangspunkt ist klar: Es reicht nicht, mit ökonomischen Interessen und der Klassenlage zu argumentieren, um die Massen zu überzeugen. Ebenso wichtig sind die Ideologie, die Mentalität, psychische Verhältnisse. Tatsächlich hat Reich eine Betrachtung vorgespurt, die den Alltag und die Institutionen der Zivilgesellschaft untersucht: wie sich die Menschen einrichten in der Welt, wie sie widersprüchlich denken und handeln und wie sie solche Widersprüche aushalten.

Vordergründig konzentriert sich Reich auf das Kleinbürgertum, meint damit aber auch weite Teile der Arbeiterklasse. Ausführlich zitiert er aus den Schriften Hitlers sowie aus christlicher Erbauungsliteratur und zeigt in prägnanten Einzelanalysen, wie darin eine Weltanschauung von oben konstruiert und von unten aufgegriffen wird. Machtverhältnisse und Konkurrenzsituation in der Kleinfamilie reproduzieren sich im alltäglichen Verhalten. Familie, Nation, Kirche: Sie alle tragen zur Bildung eines autoritären Charakters bei. Dieser ist vom Psychoanalytiker Erich Fromm und der Frankfurter Schule teils parallel, teils ein Jahrzehnt später untersucht worden.

Reichs Buch ist nicht einfach zu lesen. Terminologie und Argumentarium entstammen dem zeitgenössischen Handgemenge, gegen die ökonomistischen Ansätze der orthodoxen kommunistischen Bewegung. Dagegen wird Reich im Überschwang der Polemik und des eigenen Prophetentums gelegentlich fortgerissen. Denn er hat eine entschiedene Meinung, wie der autoritäre Charakter entsteht: aus gestörter Sexualität. In der gesellschaftlich vorherrschenden bürgerlichen Kleinfamilie werde die sexuelle Energie gehemmt und dann abgeleitet, in die Religion, in allerlei Mystizismen, in den Nationalismus und den Führerkult.

Zuweilen vergisst er darob den Vorsatz, nicht eindimensional zu argumentieren, und macht die gestörte Sexualität zum alleinigen Grund autoritären Verhaltens. Entsprechend beschränkt fällt der Vorschlag zur Abhilfe aus: «Sexuelle Bewusstheit ist das Ende jedes mystischen Empfindens und jeder Religion.» In der Konzentration auf die Sexualität bleibt er Sigmund Freud verhaftet, von dem er sich doch abgegrenzt hatte. Sichtbar wird zudem ein klassenmässig zugespitzter «Rousseauismus»: Die proletarische Sexualität – zumindest die genitale, heterosexuelle – ist angeblich frei, ungezwungen und wird erst durch die «Verkleinbürgerlichung» und die staatlichen Institutionen verbogen. Unter dieser Prämisse hatte Reich seit 1927 in der psychoanalytischen Praxis und durch den Aufbau eines Verbands für proletarische Sexualreform eine andere Sexualpolitik ausprobiert.

Reichs Versuch, Marx und Freud zu synthetisieren, wurde von beiden Seiten mit Anfeindungen beantwortet. Aus der kommunistischen wie der psychoanalytischen Internationale ausgeschlossen, führte ihn ab 1933 eine Odyssee über Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen 1939 in die USA. Dort widmete er sich zunehmend der Erforschung einer von ihm «Orgon» genannten Lebensenergie. Worauf ihn die US-Behörden als vermeintlichen Spion ebenso wie als Pornografen verfolgten; Reich starb 1957 im Gefängnis an Herzversagen.

Die dritte Auflage der Massenpsychologie (Fassung von 1946), die im Gefolge von 68 und des damals neu entfachten sexualpolitischen Interesses einiges Aufsehen erregte, war im Lichte der «Orgontheorie» überarbeitet worden; lebensgeschichtlich eine tragische Sackgasse. Mit der ersten Fassung von 1933 aber liegt ein Buch vor, das, von Schlacken befreit, einiges zu autoritären Strukturen und ihrer Indienstnahme durch den aktuellen Rechtspopulismus und -extremismus zu sagen hat.

Dies nicht in anachronistischer Übertragung, sondern im Hinweis auf vergleichbare Mechanismen und Prozesse. «Was wirtschaftlich unzulänglich ist, muss moralisch kompensiert werden» – das bezeichnet den Ausgangspunkt für den «Kampf der Werte» in den USA. Und der von Reich verwendete Begriff des «nationalen Narzissmus» – ein der Grösse der Nation entliehenes Selbstwertgefühl – findet sein Echo in «America First» und der Forderung nach einer «Rückgewinnung der britischen Souveränität» ebenso wie der darin verfestigte Glaube an den populistischen Führer.


Aus: "Wilhelm Reich: So züchtet die Kleinfamilie Rechtsextreme" Stefan Howald (Nr. 20/2020 vom 14.05.2020)
Quelle: https://www.woz.ch/-a9ed

Stefan Howald (* 1953 in Brugg) ist ein Schweizer Journalist, Publizist, Redaktor und Übersetzer.  Stefan Howald studierte Germanistik, Geschichte und Literaturkritik in Zürich und Berlin. 1983 promovierte er mit einer Arbeit zu Robert Musils Romanwerk. Ab 1976 war er für den Zürcher Tages-Anzeiger tätig, zuerst als freier Mitarbeiter, dann von 1984 bis 1991 als Redaktor, zuerst im Ressort «Frontseite/Reportagen», danach als Alleinverantwortlicher der neu geschaffenen Seite «Zeitzeichen», ab 1987 als Kulturredaktor. Dort begegnete er auch der Journalistin Rea Brändle wieder, die er bereits vom Studium her kannte.[2] 1991 siedelte er nach London über, wo er bis 2003 als Kulturkorrespondent für Schweizer und deutsche Zeitungen, als Übersetzer und Buchautor tätig war. 2003 kehrte er in die Schweiz zurück, wirkte drei Jahre bei der NGO «Aktion Finanzplatz Schweiz–Dritte Welt» und war von 2010 bis 2018 Redaktor bei der alternativen WOZ Die Wochenzeitung in Zürich; seitdem ständiger Mitarbeiter. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Howald

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Quote[...] Reichs damalige Lebensgefährtin, die Tänzerin Elsa Lindenberg, hatte ihr Domizil in der Berliner ,Künstlerkolonie', einer Hochburg des Widerstands gegen Hitler. Reich war Mitglied der dortigen kommunistischen Zelle, der u. a. der Schriftsteller Arthur Koestler, der Philosoph Ernst Bloch und der Schauspieler-Sänger Ernst Busch angehörten. Nur wenige Tage nach dem Reichstagsbrand kam es zu einer Großrazzia, über die der Völkische Beobachter am 15. März 1933 berichtete: ,,Heute Vormittag wurde durch eine Bereitschaft Schutzpolizei [...] der große Block am Südwestkorso in Wilmersdorf, der den schönen Namen ,Künstlerkolonie' führt, abgeriegelt und durchsucht. Dieser Gebäudekomplex beherbergte seit seinem Bestehen eine Auslese übelster Intellektueller und Kommune-Blutredner, die dort in luxuriösen Wohnungen, im Schutze eisenbeschlagener Türen, ihre Haßgesänge gegen das erwachende Deutschland verfaßten." Zu diesem Zeitpunkt war Wilhelm Reich schon nicht mehr in Berlin. Denn er gehörte zu den ,,österreichischen Staatsangehörigen", die wegen ,,ihrer Betätigung in der kommunistischen Bewegung" auf einer Liste standen, die die Gestapo im Mai 1933 der Bundespolizeidirektion Wien übermittelte. Dorthin war Reich geflohen, um seiner Verhaftung zu entkommen. Dass Reich in Gefahr war, das wusste auch Max Eitingon, der Vorsitzende der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG), der im Sommer 1933 (nach Palästina) emigrierte. Er ließ Wilhelm Reich ,,mitteilen", das Berliner Psychoanalytische Institut (BPI) ,,nicht mehr [zu] betreten, damit, falls er verhaftet werden würde, dies nicht in unseren Räumen geschehen könne". So steht es in einem der Berichte, die Felix Boehm – der im November 1933 als ,arischer' Nachfolger Eitingons das Amt des DPG-Vorsitzenden übernahm – für Ernest Jones, den Präsidenten der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) anfertigte, um ihn über das ,Schicksal' der Psychoanalyse unter Hitler auf dem Laufenden zu halten.

... Wilhelm Reich war – neben Otto Gross als Vorläufer und Erich Fromm als Zeitgenosse – einer der Pioniere der Erforschung der autoritären Persönlichkeit. Die 1933/34 in Szene gesetzte Ausgrenzung Wilhelm Reichs aus den psychoanalytischen Organisationen erfolgte nach Lesart der vereinspolitisch motivierten Geschichtsschreibung jedoch nicht wegen dieser – aus heutiger Sicht – begrüßenswerten Pionierleistung, sondern deshalb, weil aus Reich ein ,schlechter' Psychoanalytiker wurde. Robert Waelder, ein vormaliger Lehranalysand Anna Freuds, der 1934 beim Luzerner Kongress an der Sitzung des IPV-Gremiums teilgenommen hatte, das den 1933 beschlossenen DPG-Ausschluss Reichs absegnete, formulierte in einer Besprechung der von Reich herausgegebenen Exil-Zeitschrift harsch: ,,So muß denn in aller Klarheit gesagt werden, daß die hier vorliegenden ,wissenschaftlichen' Bestrebungen mit der Psychoanalyse nichts mehr zu tun haben, daß niemand, der Reich auf seinem Weg folgt, mehr Recht hat, sich noch auf die Psychoanalyse zu berufen [...]."

Am 17. April 1933, also nur zehn Tage, nachdem Reich seinen Vortrag über die Massenpsychologie der nationalen Bewegung in Wien gehalten hatte, traf dort Boehm mit Freud zusammen, um mit ihm die weitere Politik der DPG zu besprechen. ,,Die Unterredung verlief sehr herzlich", heißt es in einem Bericht Boehms für Jones (dem auch die folgenden Zitate entnommen wurden). Bei der Verabschiedung habe Freud u. a. den ,,Wunsch" geäußert: ,,befreien Sie mich von Reich". Nachdem Eitingon (vermutlich durch Boehm selbst) von diesem ,,Wunsch" erfahren hatte, schrieb er an Freud, sollte Boehm tatsächlich ,,den Auftrag bekommen [haben], Reich hinauszuwerfen, so wird er das mit dem Takt machen, der uns sicher die Freude an der vollzogenen Tatsache ganz verderben würde". Und dann setzte er noch hinzu: ,,Wir sollten Reich nicht gerade jetzt hinauswerfen [...]."

... Reichs spätes Eintauchen in die Welt des Kosmischen ist vor dem Hintergrund einer von zahlreichen Verlusterlebnisse und Traumatisierungen geprägten Lebensgeschichte zu beurteilen (s. Bernd Nitzschke: Familiäre und gesellschaftliche Gewalt und Verfolgung im Leben Wilhelm Reichs. In: Schriften der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 42, 2017). Anfang der 1960er Jahre konnte man in einer psychoanalytischen Fachzeitschrift einen Beitrag lesen, der den Titel trug: ,,Die Ermordung von wievielen seiner Kinder muss ein Mensch symptomfrei ertragen können, um eine normale Konstitution zu haben?" Der – polemisch zugespitzten – Formulierung lag die Frage zugrunde, ob die psychische Erkrankung eines Überlebenden nationalsozialistischer Gewalt und Verfolgung als Traumafolgestörung anzuerkennen sei oder aber als anlagebedingt zu gelten habe. Im letzteren Fall konnte man die Forderung nach ,Wiedergutmachung' zurückweisen. Unter der Zwischenüberschrift ,,Trauma und Psychose" schrieb Kurt R. Eissler, der Autor dieses Beitrags, dass ,,die Widerstandskraft gegen psychotische Erkrankungen" bei jedem Menschen ,,durch die Umwelt gestärkt oder geschwächt werden kann". Auf Wilhelm Reich bezogen heißt das: bei der Beurteilung seines Spätwerkes wären neben den lebensgeschichtlich frühen auch die Traumata zu berücksichtigen, denen er nach seiner Flucht aus Deutschland ausgesetzt war.

Nach seiner Emigration kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs im August 1939 wurde Wilhelm Reich in den USA erneut zum Objekt der Beobachtung – durch das FBI (Federal Bureau of Investigation) – und der Ausgrenzung – durch die FDA (Food and Drug Administration). Anfang der 1950er Jahre wurde seine ,Orgon'-Medizin als Quacksalberei verurteilt. Seine Schriften wurden zum zweiten Mal verbrannt (s. Philip B. Bennet: The persecution of Dr. Wilhelm Reich by the government of the United States. In International Forum of Psychoanalysis, 2009). Schließlich kam er wegen Missachtung des Gerichts ins Zuchthaus Lewisburg, Pennsylvania, wo er kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag am 3. November 1957 einsam und verlassen an Herzversagen – beziehungsweise an gebrochenem Herzen – starb.

Reich hatte sich in eine scheinbar bessere Welt gerettet, die er in den ,Orgon'-Schriften beschwor, während er die schlechte Welt, in der er Verfolgung und Vertreibung, Diffamierung und Verurteilung erlebte, mehr und mehr aus den Augen verlor. Bei einem 1951 unternommenen ORANUR-Experiment (abgeleitet von: ORgone Against NUclear Radiation) jagte er die Welt um sich herum buchstäblich in die Luft. Das in einen ,Orgon'-Akkumulator eingebrachte Radium hatte eine Explosion ausgelöst, bei der Mitarbeiter Reichs, seine Tochter Eva (aus erster Ehe) und seine zweite Ehefrau, Ilse Ollendorff, zu Schaden kamen, die sich kurz darauf (1954) von ihm scheiden ließ. Der Versuch, DOR (abgeleitet von: Deadly Orgon = radioaktive Strahlung) mit Hilfe heilsamer ,Orgon'-Energie unschädlich zu machen, war gescheitert. In einem Brief an Alexander Neill beschrieb Reich die Katastrophe mit diesen Worten: ,,Es war eine schreckliche und zugleich sehr aufregende Erfahrung, so als hätte ich den Grund des Universums berührt."

Verworfen und ausgegrenzt geriet Wilhelm Reich bald nach seinem Tod in Vergessenheit. Ein Jahrzehnt später erinnerten sich dann aber die 68er-Rebellen an ihn, denn einige Titel seiner Bücher klangen so, als hätte er sie eigens für sie geschrieben: Die Funktion des Orgasmus (1927), Die sexuelle Revolution (1966). In Westdeutschland kam die Auseinandersetzung der Söhne und Töchter mit den Eltern, die ihnen nicht erklären konnten oder wollten, warum sie sich 1933 einer Diktatur beugten oder sie sogar enthusiastisch begrüßten, noch hinzu. Die 68er interessierten sich deshalb nicht nur für Marx und Freud, sondern auch für einen marxistischen Psychoanalytiker, der als Gegner der Nationalsozialisten im Exil ein Buch mit dem Titel Massenpsychologie des Faschismus veröffentlicht hatte.

Wollte man bisher die von Wilhelm Reich 1933 formulierte Analyse des realen Faschismus beziehungsweise der Gläubigkeit der Anhänger und Befürworter autoritärer Herrschaft (kirchlicher, politischer oder sonstiger Gruppierungen) nachvollziehen, musste man auf einen der ,Raubdrucke' der Massenpsychologie zurückgreifen, die in der Folge der Wiederentdeckung Reichs durch die 68er-Bewegung erschienen sind, oder man nahm eine Neufassung zur Hand, in die Reich die ,Orgon'-Theorie umfangreich eingearbeitet hat. Bis heute zitierten geschichtsvergessene Autoren, die Reich kritisieren wollten, immer wieder spätere Überarbeitungen, ohne auf die Unterschiede zur Originalausgabe der Massenpsychologie zu achten, geschweige denn darauf hinzuweisen. Nun aber hat Andreas Peglau eine sorgfältig editierte Neuausgabe des Originaltextes der Massenpsychologie des Faschismus von 1933 vorgelegt, ergänzt durch das Nachwort zur 2. Auflage von 1934, eine Zeittafel mit den wichtigsten Lebens- und Werkdaten zu Wilhelm Reich sowie einen biographisch-zeitgeschichtlichen Abriss, in dem der Kontext des Werkes vorzüglich erläutert wird. Diese Neuausgabe ist allen Lesern zu empfehlen, die nachvollziehen wollen, wie sich ein jüdisch-marxistischer Psychoanalytiker 1933 in einer Exil-Publikation mit dem sich abzeichnenden Unheil nationalsozialistischer Macht- und Gewaltpolitik auseinandergesetzt hat.

...

Wilhelm Reich: Massenpsychologie des Faschismus. Der Originaltext von 1933.
Herausgegeben, redigiert und mit einem Anhang versehen von Andreas Peglau.
Psychosozial-Verlag, Gießen 2020.
280 Seiten , ISBN-13: 9783837929409




Aus: "Die Wiederkehr eines Verdrängten" Bernd Nitzschke (Nr. 1, Januar 2021)
Die Neuausgabe von Wilhelm Reichs ,,Massenpsychologie des Faschismus" lädt zur wissenschaftshistorischen Rekonstruktion eines epochalen Werkes ein
Quelle: https://literaturkritik.de/reich-massenpsychologie-des-faschismus-die-wiederkehr-eines-verdraengten,27469.html