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[Filmgeschichte (Notizen)... ]

Started by lemonhorse, June 24, 2012, 06:32:46 PM

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Quote[...]  Eine Ausstellung im Pariser Musée d' Orsay zeichnet in über 400 Objekten die Geburt des Kinos im 19. Jahrhunderts nach.  ...

... Als die Gebrüder Lumière 1895 in Paris ihre ersten Filme zeigten, kündigten sie sie als ,,bewegte Fotografien" an. Damit ist über die Herkunft des Films alles gesagt; und dies nicht einmal im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich, besteht doch der herkömmliche Kinofilm aus unendlich vielen, einzelnen Fotografien, deren schneller Durchlauf durch den Projektionsapparat im menschlichen Auge (und Hirn) die Illusion eines bewegten Bildes erzeugt. Kulturhistorisch gesehen, reichen die Wurzeln des Films weiter als nur bis in die Fotografie. Das Kino tritt das Erbe an von Varieté und Zirkus, von Horrorkabinetten und Monstrositäten. Es war in seinen Jugendjahren mehr denn je danach ein Unterhaltungsmedium, ein Vergnügen für die Massen.

Das Pariser Musée d'Orsay als Museum des 19. Jahrhunderts ist prädestiniert, eine Ausstellung weniger zur Geschichte des Films als zu dessen kulturhistorischer Einbettung zu machen. ,,Endlich Kino!" versammelt rund 400 Objekte, vor allem aus dem Bereich der bildenden Kunst und der Fotografie, aber ebenso an historischer Technik und an jenen ephemeren Dingen wie Plakaten und Handzetteln, die die Frühzeit des Kinos begleiten.


... Der ,,Voyeur" kommt als Begriff um 1880 auf, und wiederum ist die Kamera das passende Medium: Sie blickt buchstäblich durchs Schlüsselloch auf nackte, sich räkelnde Körper. Sie entdeckt ebenso das verborgene historische Ereignis, am liebsten Attentate, und natürlich schweift sie in die Ferne, von wo sie Bilder von Karawanen oder Erdölfeldern mitbringt. Die ersten Vorführungen finden im Varieté statt, als Teil eines Programms mit Clowns und Akrobaten. Um 1906 schließlich verfestigt sich der Film und erhält eigene Abspielorte. Das Spektakel vor zufälliger Menge, wie auf dem Rummelplatz, weicht der geregelten Vorführung vor zahlendem Publikum. Das Kino entwächst den Kinderschuhen und wird zur gesellschaftlichen Veranstaltung, aus ,,U" wird mehr ,,E". Aber welchen Weg hat das Bewegtbild zurückgelegt! Fast benommen verlässt man diese bunte, die Sinne fordernde Ausstellung. Alles ist Kino.


Aus: "Wie die Filmkultur aus der Malerei entstand" Bernhard Schulz (14.10.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/fotografie-impressionismus-kino-wie-die-filmkultur-aus-der-malerei-entstand/27702950.html

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"Der gefährlichste Mann in Amerika?"
Abraham Polonsky im Gespräch mit Wolf-Eckart Bühler (März 1981)
https://newfilmkritik.de/archiv/2020-06/der-gefaehrlichste-mann-in-amerika/

Abraham Lincoln Polonsky (* 5. Dezember 1910 in New York City; † 26. Oktober 1999 in Beverly Hills, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Drehbuchautor und Filmregisseur. ... Als überzeugter Marxist trat Polonsky in die Kommunistische Partei der USA ein und war auch gewerkschaftlich aktiv. Seine Weigerung im Jahr 1951, im Zuge der Ermittlungen der McCarthy-Ära über seine politischen Aktivitäten auszusagen und Parteimitglieder zu verraten, führten zu seiner Entlassung durch die 20th Century Fox, und er kam auf die ,,Schwarze Liste", die sein berufliches Aus in Hollywood bedeutete. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Polonsky

McCarthy-Ära (auch McCarthyismus) bezeichnet einen Zeitabschnitt der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten in der Anfangsphase des Kalten Krieges. Sie war durch einen lautstarken Antikommunismus und Verschwörungstheorien geprägt und ist auch als Second Red Scare (deutsch ,,Zweite Rote Angst") bekannt. Obwohl der namensgebende Senator Joseph McCarthy nur von 1950 bis 1955 öffentlich in Erscheinung trat, wird der gesamte Zeitraum der Verfolgung echter oder vermeintlicher Kommunisten und deren Sympathisanten, der so genannten Fellow travellers, von 1947 bis etwa 1956 heute als McCarthy-Ära bezeichnet. ... 1952 gab er eine Sammlung seiner antikommunistischen Reden unter dem Titel McCarthyism: The Fight for America heraus. Heute wird der Begriff dagegen zumeist mit negativer Konnotation für die demagogische Kommunistenjagd der frühen 1950er Jahre benutzt, bei der die hysterischen Ängste der Bevölkerung ausgenutzt worden seien, um Unschuldige oder relativ harmlose Andersdenkende zu verfolgen; er wird assoziiert mit Verschwörungstheorien[55] und einer ,,Herrschaft des Terrors", in der auf schlüssige Beweisführung kein Wert mehr gelegt worden sei. Losgelöst vom eigentlichen historisch-politischen Bezug, wird der Begriff auch für die Verwendung von Unterstellungen und unbewiesenen Behauptungen, ganz gleich zu welchem Zweck, gebraucht. Historisch erwies sich der McCarthyismus nicht als eine dauerhafte Begleiterscheinung des Kalten Krieges. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-%C3%84ra

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Quote[...] Am 14. und 16.10.1973 zeigt die ARD "Welt am Draht". Noch bevor Zuschauer vor PCs sitzen, werden sie vor die Frage gestellt, wie es in einem Computer wäre.

Das Leben in einer Simulation ist der Stoff vieler Filme. "Tron" als früher und knallbunt-charmanter Vertreter prägt die Achtziger. Ende der neunziger Jahre, als das Internet in die Wohnzimmer und Büros kriecht, hat das Thema Konjunktur. "Matrix" fällt einem natürlich zuerst ein, "Dark City", "eXistenZ", "Total Recall" oder der spanische "Open Your Eyes" mit seinem Hollywood-Remake "Vanilla Sky". Und die Serie "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert" unter Captain Picard mit ihrem unerschöpflichen Holodeck.

Weit weniger bekannt ist ein deutscher Beitrag, der vor allen anderen erscheint: der zweiteilige Fernseh-Film "Welt am Draht" von 1973. Gedreht von Regie-Wunderkind Rainer Werner Fassbinder und mit Klaus Löwitsch in der Hauptrolle.

Ort der Handlung ist das Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung. Hier läuft als Computer-Simulation eine virtuelle Welt. Sie ist bevölkert von 10.000 "Identitätseinheiten", die man heute Avatare nennen würde. Sie leben wie Menschen, aber sie wissen nicht, dass sie nur Bits und Bytes in einer Maschine sind. Die "Welt in einer Nußschale", ein elektronisches Simulationssystem, kurz genannt Simulacron 1, was auch auf den lateinischen Begriff Simulacrum anspielt: ein Abbild.

Der Zweck des Aufbaus ist pragmatisch: Er soll künftige Konsumgewohnheiten, Wohnbedürfnisse und taugliche Verkehrssysteme voraussagen. Vom Staat beauftragt und eigentlich für wissenschaftliche Zwecke gedacht. Doch rasch kommt der Verdacht auf, man würde unter der Hand auch die Industrie füttern. Für sie ist es natürlich wertvoll zu erfahren, ob man zum Beispiel künftig eher auf Stahl oder eher auf Kunststoff setzt.

Wie "Gott in einer Miniaturwelt" über "die Leute in einem Fernsehapparat, die uns etwas vortanzen" regiert der Schöpfer des Ganzen, Direktor Henry Vollmer. Doch ihn bedrückt etwas, das er einem Mitarbeiter vorsichtig mitteilen muss: "Ich weiß etwas, was du nicht weißt, und was auch niemand wissen darf, weil es das Ende dieser Welt wäre."

Seine letzten Worte, ehe er unerwartet an einem Stromschlag stirbt. Sein Nachfolger (und Hauptfigur des Films) wird Fred Stiller; und der gerät im Bemühen, den Tod aufzuklären, in einen Strudel seltsamer Ereignisse. Personen verschwinden nicht nur spurlos – man tut so, als wenn es sie gar nicht gegeben hätte. Ein Zeitungsartikel ist nicht mehr im Blatt zu finden. Stiller bekommt regelmäßig heftige Kopfschmerzen, hat Aussetzer und überlebt um Haaresbreite einen Mordanschlag.

Der erste Teil mündet in einer großen Enthüllung, die aufmerksame Heise-Leser schon in den ersten Minuten erahnen würden: Die Welt, in der Fred Stiller lebt, ist ebenfalls eine Simulation. Auch er ist nur "eine Nummer in einer Versuchsstation". Somit gibt es drei Welten. Die reale, eine simulierte und darin eine weitere simulierte.

Viel Raum für Fragen vor dem Bildschirm zu einem möglichen Leben hinter dem Bildschirm. Und das 1973, wo kaum jemand einen Computer gesehen hat und Videospiele auf dem Niveau von "Pong" sind.

Leben wir in einer Illusion, in einer Matrix? Ist dort eine Zigarette echt, weil sie sich echt anfühlt, obwohl es nur die Idee einer Zigarette ist? Solche Überlegungen machen auch den Einheiten zu schaffen. Eine erkennt ihr Los und möchte ihrem virtuellen Leben ein Ende setzen. Eine weiß um ihr Los, als einzige, weil sie als Kontakt zur Außenwelt dient; und mit einem Trick gelingt es ihr, aus der virtuellen Welt auszubrechen.

Vorlage für "Welt am Draht" ist der Roman "Simulacron-3" des Amerikaners Daniel F. Galouye. Fassbinder zur Seite steht der Kameramann Michael Ballhaus, dem später in Hollywood unter Regisseuren wie Martin Scorsese eine Weltkarriere gelingt. Behäbiger erzählt als Filme von heute und eingefärbt in kühlem IBM-Blau, wirkt "Welt am Draht" auf den ersten Blick wie ein typischer Tatort. Auf den zweiten Blick fallen die Schauspieler auf. Ballhaus: "Alle Figuren in diesem Film haben ein Geheimnis: Wie die gucken, wie die sich bewegen, wie die Gesichter geschminkt sind, wie die angezogen sind – das waren alles Kunstfiguren, bis auf die Hauptfigur. Aber alle anderen waren schon vom Stil her verfremdet." Und überall gibt es Spiegel, die die Illusion verstärken – aber den Dreh erschweren. Eine passende futuristische Kulisse findet man in Paris, wo ein Großteil des Films gedreht wird. 44 Drehtage mit je 16 bis 18 Stunden fügen sich zu dreieinhalb Stunden – der Auftraggeber WDR akzeptiert einen Zweiteiler.

Als die Rechte am Roman wieder freiwerden, bemüht sich Ballhaus um ein Remake des Films (Fassbinder stirbt mit nur 37 Jahren), überlässt es aber Roland Emmerich, den Stoff 1999 unter dem Namen "The 13th Floor" zu produzieren. "Welt am Draht" ist lange Zeit nur unter der Hand zu bekommen. Für die Berlinale 2010 wird der Film unter der Leitung von Michael Ballhaus restauriert. Seitdem ist er auf DVD und Blu-ray (unter dem Arthaus-Label von Studiocanal) erhältlich; und mittlerweile auch über "Draht".

(bme)


Aus: "50 Jahre "Welt am Draht": Der Film, der "Matrix" vorwegnimmt" René Meyer (14.10.2023)
Quelle: https://www.heise.de/news/50-Jahre-Welt-am-Draht-Der-Film-der-Matrix-vorwegnimmt-9334769.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Welt_am_Draht