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[Kategorie:Aufruhr (Notizen)... ]

Started by lemonhorse, June 18, 2009, 10:15:11 AM

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Quote[...] Im Irak zeigen Staat und tiefer Staat wieder ihr autoritäres, brutales Gesicht. Am Dienstag wurde abermals das Internet blockiert. Wieder werden Demonstranten getötet, wird nicht nur Tränengas, sondern auch scharfe Munition auf sie abgefeuert. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich ,,geschockt". Die amerikanische Botschaft im Irak erklärte am Mittwoch in einer Stellungnahme: ,,Es gibt keinen Weg vorwärts, der auf der Unterdrückung des Willens des irakischen Volkes beruht."

Mehr als 300 Tote haben die zwei Protestwellen gefordert, die den Irak seit Anfang Oktober erschüttern. Über Wochen haben Abertausende der Brutalität und der Todesgefahr getrotzt. Die Rikscha-Fahrer, die bei Zusammenstößen nahe der ,,Grünen Zone" von Bagdad die Verletzten in Sicherheit bringen, sind zu Helden der Massen geworden. Vergangenen Freitag kamen in der Hauptstadt Hunderttausende Demonstranten um den zentralen Tahrir-Platz zusammen und setzten ein friedliches und deutliches Zeichen.

Die Leute, die auch in anderen Städten des Iraks ihrer Wut Luft machen, wollen das politische System beseitigen, das nach dem Sturz von Saddam Hussein und dem Einmarsch der Amerikaner errichtet wurde. Sie wollen die korrupte politische Klasse entmachten, die den ölreichen Staat herunterwirtschaftet und seinen Bürgern weder Sicherheit noch funktionierende Dienstleistungen oder Zusammenhalt bietet, sondern Arbeits- und Perspektivlosigkeit.

So konnte auch das Friedensangebot des Präsidenten die Protestbewegung nicht umstimmen. Barham Salih hat ein neues Wahlrecht versprochen, außerdem Neuwahlen. Er hat sogar den Rücktritt von Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi in Aussicht gestellt. Allerdings erst, wenn ein Nachfolger gefunden worden sein sollte. Der Regierungschef steht unter enormem Druck. Der schiitische Prediger Muqtada al Sadr betreibt offen seinen Sturz. Sadr, der sich zum Volkstribun stilisiert und zum Anwalt der einfachen Leute erklärt hat, kann nicht nur mit einem Fingerschnipsen Menschenmassen und Milizionäre auf die Straße bringen. Seine Wahlallianz stellt auch den größten Block im Parlament.

Am Anfang standen bloß verstreute Proteste. Sie entzündeten sich an der Entlassung von Generalleutnant Abdul Wahhab al Saadi, der Nummer zwei der Anti-Terror-Elitetruppe. Er war Ende September seines Postens in der Armee enthoben worden. Die Männer seiner ,,Goldenen Division" werden als Helden des Krieges gegen den ,,Islamischen Staat" (IS) verehrt. Und al Saadi war zudem gegen Korruption in den Sicherheitskräften zu Felde gezogen, was wohl zu seiner Herabstufung auf einen Verwaltungsposten im Verteidigungsministerium geführt hat.

Doch das war nur der Funke, der ein Pulverfass lange aufgestauter Wut entzündete, die vor allem sozioökonomische Wurzeln hatte. Anfangs waren die Proteste dominiert von jungen schiitischen Männern ohne feste Arbeit aus den Armenvierteln. Längst steht die Bewegung auf einer breiten Basis. Kräfte der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften haben sich ebenso angeschlossen wie Leute aus der Mittelschicht wie Regierungsmitarbeiter. Früh waren Schüler und Studenten mit dabei.

Unter jungen Akademikern ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Und gerade die Mittelschicht hat in den vergangenen Jahrzehnten gelitten. Ihre Lage umschreibt die arabische Redewendung: ,,Das Messer hat die Knochen erreicht". Besitz und Ersparnisse sind aufgezehrt. Das hat auch damit zu tun, dass der Irak in der jüngeren Vergangenheit ständig in Kriege verwickelt war. Unter Saddam Hussein waren es der Krieg mit Iran 1980 bis 1988 und der zweite Golfkrieg nach dem Einmarsch in Kuweit von 1990 bis 1991. Nach der amerikanischen Invasion und dem Sturz Saddams 2003 folgten Jahre des Aufstands gegen die Besatzer und des Blutvergießens zwischen den Bevölkerungsgruppen. Zuletzt verwüstete von 2014 an der Krieg gegen den IS den Irak.

Das Land blickt aber nicht nur auf Jahrzehnte der Gewalt zurück, sondern auf eine lange Tradition der Korruption. Sie florierte in den siebziger Jahren unter der Herrschaft der Baath-Partei und der Diktatur Saddam Husseins. Das Programm ,,Oil for food", das die Vereinten Nationen 1995 lanciert hatten, um trotz der Sanktionen den Grundbedarf im Irak zu decken, war eine Einladung an die herrschende Klasse, sich zu bereichern. Nach dem Sturz Saddam Husseins schürte ein konfessionalistisches System, das Posten entlang der ethnischen und religiösen Linien verteilte, Vetternwirtschaft und Selbstbereicherung; es beförderte ebenso die Korruption im Alltag. Ob es sich um den schiitischen, sunnitischen oder kurdischen Teil des Iraks handelte – stets gab es den Vorwand, die Interessen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe zu verteidigen.

Den irakischen Staat selbst stellen die Demonstranten trotz allem nicht in Frage. Im Gegenteil: Sie wollen ihn zurückerobern. ,,Wir wollen ein Land", rufen sie. Vor allem die jungen Menschen lassen das konfessionalistische Lagerdenken hinter sich. Zugleich scheint sich das nationalistische Gefühl immer stärker gegen das Regime in Teheran zu richten. Die antiiranischen Töne werden lauter.

Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass Iran die Proteste niederschlagen will. Es gibt übereinstimmende Berichte, laut denen Qassem Soleimani, der für die klandestinen Auslandsoperationen der iranischen Revolutionswächter verantwortlich ist, eine aktive Rolle dabei spielt und dass von den Revolutionswächtern gelenkte Milizen hinter den schlimmsten Gewaltexzessen stecken. In Kerbela griffen Demonstranten in der Nacht zum Montag das iranische Konsulat an und steckten es in Brand. Und die Stellungnahme der amerikanischen Botschaft zielte wohl auch nicht in erster Linie auf die Führung in Bagdad.


Aus: "Gewalt im Irak : Über 300 Tote bei Protestwelle" Christoph Ehrhardt und Rainer Hermann (10.11.2019)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/proteste-im-irak-die-wiederentdeckung-der-nation-16472135.html

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Quote[...] Im Irak tobt der größte Aufstand der Nachkriegsära. Die Repression dagegen hat mittlerweile hunderte Tote und tausende Verletzte zu verantworten. Die Proteste verstummen trotzdem nicht. Sie werden vor allem von der Jugend getragen, und die hat im heutigen Irak ohnehin nichts zu verlieren, schreibt Mosaik-Redakteurin und Autorin Tyma Kraitt.

Von der Hauptstadt Bagdad bis zur Erdölmetropole Basra spiegeln die Massendemonstrationen den Zorn und die Forderungen, der wohl wichtigsten gesellschaftliche Gruppe im Irak ab: der Jugend. Sie macht zwei Drittel der Bevölkerung aus – allein der Anteil der unter 14-jährigen soll bei fast 40 Prozent liegen. Für junge Menschen ist Gewalt und Armut Normalzustand im Irak. Sie fühlen sich ihres Landes und ihrer Zukunft beraubt. Das erklärt die Wucht, mit der die jüngste Revolte die Eliten trifft.

Die neue Oppositionsbewegung räumt endgültig mit dem Klischee auf, die irakische Jugend sei apolitisch. Sie ist vielmehr anti-politisch, und zwar in dem Sinne, dass sie das politische System und die darin agierenden Parteien ablehnt. Die bisher noch nicht vollzogene Rücktrittsankündigung des Premierministers Adel Abdel Mahdi konnte die Massen daher nicht besänftigen. Indessen veröffentlichten die RebellInnen auf dem Bagdader Tahrirplatz einen konkreten Forderungskatalog. Die zehn zentralen Punkte darin sind:

1. der Sturz des gesamten politischen Systems. 2. die Schaffung eines Präsidialsrats und 3. eines Militärrats für die Übergangszeit. 4. freie und faire Wahlen unter internationaler Beobachtung. 5. die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. 6. etablierte Parteien und Politiker sollen wegen Korruption vor Gericht gestellt werden. 7. Nur Polizei und Armee sollen Waffen tragen, den unzähligen irakischen Milizen soll das untersagt werden. 8. Religions- und Meinungsfreiheit. 9. Rückerstattung des geplünderten und ins Ausland geschmuggelten irakischen Vermögens. 10. Die Trennung zwischen Religion und Staat.

Seit einigen Jahren schon kommt es immer wieder zu Demonstrationen und Zusammenstößen insbesondere im Süden des Landes. Der Krieg gegen den IS überlagerte den Unmut über die gravierenden sozialen Missstände eine Zeit lang. Doch spätesten seit der Zerschlagung des Gewaltkalifats und der Rückeroberung Mossuls brechen die Widersprüche offen auf. Dass dies in eine Revolte münden konnte, war absehbar. Beispielsweise war Korruption schon bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 das wichtigste Thema.

Laut einer aktuelleren Umfrage des National Democratic Institutes zur Post-IS-Ära sind der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Korruption und erschwingliche Lebenserhaltungskosten die zentralen Anliegen von jeweils rund 80 Prozent der Befragten gewesen. Die irakische Regierung unter Premierminister Adel Abdel Mahdi ist genauso wie jene davor weder imstande noch gewillt, sich der sozialen Frage ernsthaft zu widmen. Derweil plündern korrupte PolitikerInnen die Staatskassa vor den Augen der Bevölkerung und müssen aufgrund des allgegenwärtigen Staatsversagens nicht einmal mit Sanktionen rechnen.

So geschehen in Mossul, als der im Frühjahr 2019 abgesetzte Gouverneur Nawfel Akoub mit rund 60 Millionen US-Dollar untertauchte. Davon waren 40 Millionen für den Wiederaufbau der zerbombten Großstadt und der Flüchtlingshilfe vorgesehen. Akoub dürfte sich in der Autonomen Region Kurdistan abgesetzt haben. Derartige Fälle gehören seit längerem schon zum politischen Alltag. Der Irak ist eine Kleptokratie.

Die aktuellen Ereignisse sind jedoch mehr als ein bloßer Aufschrei gegen ein erdrückendes politisches System, das nur Repression kennt und der Bevölkerung keinerlei sozialen Perspektiven anbietet. Es ist auch der Wunsch nach Selbstbestimmung, der abertausende junge Menschen auf die Straßen Bagdads, Basras oder Nassiriyahs drängen lässt. Gemeint ist nicht bloß eine nationale, sondern gerade auch die individuelle Selbstbestimmung.

Wurden die Proteste Anfang Oktober noch stark von jungen, meist arbeitslosen Männern und deren Forderung nach Jobs geprägt, so sind es mittlerweile immer mehr Frauen, die ihr Leben bei den Demonstrationen riskieren. Das Thema der Geschlechterverhältnisse innerhalb der Protestbewegungen ist um einiges vielschichtiger, als von der internationalen Berichterstattung abgebildet. Gerade in Bezug auf die ,,Maskulinität" des Widerstands lohnt sich ein differenzierter Blick. Unter den Demonstrierenden und vor allem auch unter den Todesopfern finden sich viele sogenannte Attwaniyin – die derzeit größte Jugendbewegung im Irak. Sie hat ihren Ursprung in Sadr-City, dem riesigen Slum im Nordosten Bagdads.

Es handelt sich dabei um eine im weiteren Sinne queere Subkultur, der tausende irakische Burschen und junge Männer angehören sollen. Sie setzen dabei auf einen metrosexuellen Look, benutzen Make-up und lassen sich dabei filmen, wie sie auf Fake-Hochzeiten andere junge Männer heiraten. Damit protestieren sie gegen die rigide Sexualmoral und aufgezwungene Geschlechterrollen im Irak. Die Attwaniyin sind zur Zielscheibe konservativer schiitischer Milizen geworden, die unzählige junge Männer auf den Demonstrationen ermordet haben sollen.

Die Milizen agieren allerdings nicht bloß als Sittenwächter, sondern als verlängerter Arm des Iran. Sie wollen mit aller Gewalt verhindern, dass sich Bagdad von der politischen Umklammerung Teherans lösen kann. Die Islamische Republik lässt sich ihren Einsatz in den Krisenherden des Nahen und Mittleren Ostens Einiges kosten. Seit 2012 sollen die Mullahs etwa 16 Milliarden US-Dollar in Syrien, Irak und Jemen verpulvert haben, während die eigene Bevölkerung unter den anhaltenden internationalen Sanktionen zu leiden hat. Teheran fühlt sich in die Enge getrieben: Die eigenen Machtgelüste sind angesichts der prekären Wirtschaftslage nur mehr schwer finanzierbar. Ein Erfolg des irakischen Aufstands ist jedoch aus Sicht der Mullahs nicht hinnehmbar. Sie würden damit nicht nur einen strategischen Verbündeten in der Region verlieren, das Beispiel Iraks könnte der iranischen Bevölkerung als Inspiration dienen.

Eines ist gewiss: Gelingt es den IrakerInnen sich ihres Regimes zu entledigen und den Einfluss konservativer-islamischer Parteien zu brechen, so wird dies in der gesamten Region Widerhall finden.


Aus: "Iraks verlorene Generation geht auf die Barrikaden" Tyma Kraitt (8. November 2019)
Qulle: https://mosaik-blog.at/irak-aufstand-jugendl-attwaniyin/

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Quote[...] In Prag haben mehr als 200.000 Menschen gegen die Regierung von Ministerpräsident Andrej Babiš demonstriert und seinen Rücktritt gefordert. Sie folgten einem Aufruf des Bündnisses "Eine Million Augenblicke für Demokratie". Die Demokratie in Tschechien sei krank, sagt der Organisator der Proteste, der Theologiestudent Mikuláš Minař. Sie sei wie ein Garten, der mit Unkraut zuwuchere, wenn man sich nicht um ihn kümmert.

Die Demonstranten werfen Babiš vor, als Regierungschef und Unternehmer in einem ständigen Interessenkonflikt zu stehen. Vor wenigen Wochen hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen den Politiker wegen mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Fördergeldern eingestellt, endgültige Prüfberichte der EU-Kommission stehen noch aus.

Der Multimilliardär Babiš ist Gründer eines Firmengeflechts, das von der Agrarwirtschaft über die Chemieindustrie bis zur Medienbranche reicht. Der 64-Jährige steht an der Spitze einer Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten, die von den Kommunisten toleriert wird.

Die Proteste finden vor dem 30. Jahrestag der sogenannten Samtenen Revolution statt, der Abkehr der damaligen Tschechoslowakei vom Realsozialismus. Am 17. November 1989 hatten staatliche Sicherheitskräfte eine friedliche Studentendemonstration niedergeschlagen. Die Empörung darüber markierte den Beginn der demokratischen Wende in dem Land. Im Dezember wurde der Bürgerrechtler Václav Havel Präsident, im Sommer 1990 gab es freie Wahlen – die Beteiligung lag bei mehr als 95 Prozent.


Aus: "Prag: Hunderttausende demonstrieren gegen Ministerpräsident Andrej Babiš" (16. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/prag-tschechien-demonstration-hunderttausende-andrej-babis

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Quote[...] Nach einer umstrittenen Erhöhung der Benzinpreise weiten sich die Proteste in Iran aus. In Teheran und Dutzenden anderen Städten im Land soll es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen sein. Der Nachrichtensender Al Arabiya berichtet, dass dabei landesweit zwölf Menschen getötet worden sein sollen. In sozialen Medien waren brennende Autos und Gebäude zu sehen, zudem wurde von Sprechchören gegen die Regierung berichtet.

Am Abend berichtete die Organisation Netblocks, die den Internetverkehr weltweit beobachtet, dass das Internet in Iran fast völlig zum Erliegen gekommen sei. Auch die größten Mobilfunknetze funktionierten demnach nicht mehr.

Das staatliche Fernsehen berichtete, die Polizei habe sich Straßenschlachten mit Randalierern geliefert und Tränengas eingesetzt, um die Menge zu zerstreuen. Der TV-Sender beschuldigte "feindliche Medien", das Ausmaß der Demonstrationen zu übertreiben und dazu Fehlinformationen und falsches Videomaterial in den sozialen Medien zu verbreiten. Generalstaatsanwalt Mohammad Dschafar Montaseri sagte dem Staatsfernsehen, die Demonstranten, die Straßen blockierten und sich Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften lieferten, stammten sicher aus dem Ausland.

Die Regierung hatte am Freitag die Benzinpreise drastisch erhöht, ab 60 Liter pro Monat kostet Benzin nun das dreifache. Viele Iraner betrachten billiges Benzin als ihr angestammtes Recht in dem erdölreichen Land. Die Preiserhöhung nährt zudem Befürchtungen, dass der Lebensstandard weiter sinkt. Die Behörden versichern dagegen, dass die zusätzlichen Einnahmen verwendet würden, um Familien in Not zu helfen.

Der Benzinpreis gilt im Iran als die "Mutter aller Inflationen", weil nach jeder Preiserhöhung alles im Land teurer wurde. Schon seit längerer Zeit wollte die Regierung von Präsident Ruhani die Benzinpreise erneut erhöhen, hatte es aber aus Angst vor einer Verschärfung der Inflation - und landesweiten Protesten - immer wieder verschoben.

Die geistlichen Herrscher des Iran bemühen sich, eine Neuauflage der Unruhen im Jahr 2017 zu vermeiden. Damals gingen Menschen in 80 Städten im ganzen Land gegen schlechte Lebensbedingungen auf die Straße, einige von ihnen forderten den Rücktritt hoher schiitischer Geistlicher. 22 Menschen wurden nach iranischen Angaben getötet. Iranischen Medienberichten zufolge wollen die Abgeordneten am Sonntag über die Benzinpreiserhöhung debattieren. Einige von ihnen bereiteten einen Antrag vor, um die Führung des Landes zu zwingen, die Entscheidung zurückzunehmen.


Aus: "Nach Benzinpreiserhöhung in Iran: Brennende Autos, Proteste, Internetblockade" Max Muth (16. November 2019)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-proteste-internet-benzin-1.4684889

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Quote[...] In Hongkong dauern die gewalttätigen Zusammenstöße der vergangenen fünf Monate an. Neben Angriffen auf die Polizei mit Pfeil und Bogen, warfen die Demonstranten auch Molotowcocktails und Brandbomben. Die Polizei setzte Wasserwerfer mit einem hautreizenden Wirkstoff sowie Tränengas ein. Den Ordnungskräften zufolge wurde ein Polizist von einem Pfeil ins Bein getroffen und ins Krankenhaus gebracht.

Viele Demonstranten trugen Gasmasken oder Tücher über Mund und Nase, um sich vor Tränengaswolken zu schützen. Einige zogen sich bis auf ihre Unterwäsche aus, nachdem sie zuvor von einem Wasserwerfer durchnässt worden waren, dessen Wasser Augenzeugen zufolge ein Reizmittel enthielt. Ein gepanzertes Polizeifahrzeug, das bei den Ausschreitungen am Sonntag von Benzinbomben in Brand gesteckt worden war, wurde am frühen Montag abgeschleppt.

Einer der Schwerpunkte ist weiterhin die Polytechnische Universität in der Finanzmetropole – die letzte der fünf Universitäten der Stadt, deren Campus noch besetzt ist. Augenzeugen zufolge wirkt die Universität wie eine Festung. Von den Dächern wurden die Pfeile abgefeuert.

Als sich die Polizei in den Morgenstunden dem verbarrikadierten Eingangstor der Universität näherte, zogen sich die Demonstranten in den Campus zurück und entfachten Brandsätze am Eingangstor sowie auf einer Fußgängerbrücke. In der Hektik des Aufruhrs wollten einige Demonstranten das Gebäude verlassen, andere verstärkten die Barrikaden und positionierten Kisten mit Benzinbomben rund um den Komplex. Tausende Bewohner und Demonstranten kamen über Nacht in verschiedene Bezirke rund um die Universität, um die Reihen der Bereitschaftspolizei zu durchdringen und die eingeschlossenen Studenten zu retten.

Eine unbekannte Zahl von Aktivisten wurde festgenommen. Es gab auch Verletzte. Die Polizei bestritt, das Gelände "gestürmt" zu haben. In einer Erklärung wurde aber von einem anhaltenden Einsatz gesprochen, um Demonstrationen aufzulösen und Festnahmen durchzuführen. "Aufrührer, die sich auf dem Gelände versammelt haben, legten Feuer und richteten schwere Schäden an", teilte die Polizei mit. "Explosivstoffe, brennbare Materialien und gefährliche Güter stellen dort auch eine Gefahr für alle dar." Die Polizei fordere jeden auf, das Universitätsgelände zu verlassen. In Filmaufnahmen Hongkonger Medien war zu sehen, wie am Morgen junge Leute gefesselt abgeführt wurden.

Die Hochschulen der chinesischen Sonderverwaltungsregion hatten sich vergangene Woche zu einem neuen Brennpunkt der seit fünf Monaten anhaltenden Proteste entwickelt. An anderen Stellen der Stadt versammelten sich am Montagvormittag wieder vermummte und schwarz gekleidete Aktivisten, während ein Großaufgebot von Sicherheitskräften auf den Straßen zu sehen war.

Die Demonstranten setzen sich für mehr Freiheit ein. Die Polizei gehe sehr gewaltsam vor, sagte ein 23-Jähriger zur Nachrichtenagentur Reuters. "Die Demonstranten haben nur auf die Polizei reagiert." Er sei bereit, für seine Überzeugungen ins Gefängnis zu gehen. Diejenigen, die Pfeile abfeuerten, würden sich nur selbst verteidigen. Ein anderer Student sagte: "Wir haben keine Angst." Wenn der Kampf nicht weitergehe, werde die Protestbewegung scheitern.

In der Erklärung warnte die Polizei die Demonstranten, nicht mehr mit tödlichen Waffen gegen die Polizei vorzugehen und weitere Gewalttaten einzustellen. Die Beamten würden sonst mit Gegengewalt reagieren und gegebenenfalls scharfe Munition einsetzen.

Der Bürgerrechtler Joshua Wong verteidigte den Einsatz von Gewalt durch die Demonstranten. "Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen", sagte Wong der Süddeutschen Zeitung. "Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides."

Seit Juni demonstrieren immer wieder Zehntausende Menschen für Demokratie und gegen die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone, der sie zu große Nähe zur Führung in Peking vorwerfen. Die anfangs friedlichen Proteste arten immer mehr in Gewalt aus – auf beiden Seiten.


Aus: "Hongkong: Demonstranten werfen Brandbomben, Polizisten setzen Tränengas ein" (18. November 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/hongkong-demonstranten-polizei-gewalt-joshua-wong


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Quote[...] Diesmal war nicht die Champs-Élysées an der Reihe, sondern der Place d'Italie im Südosten von Paris. Hunderte Vermummte schlugen dort am Samstag alles kurz und klein, was ihnen vor die Brechstangen kam. Sie steckten Autos in Brand, zerstörten Bushäuschen und Monumente, schlugen an sich bruchsichere Scheiben des lokalen McDonald's ein. Sogar die Feuerwehr wurde attackiert. Die Polizei konterte mit Tränengas und mobilen Einsatzgruppen. 155 Personen kamen in Untersuchungshaft.

Innenminister Christophe Castaner bezeichnete die Randalierer als ,,Schläger", ,,Lumpen" und ,,Barbaren". Gemeint war das auch als Antwort auf Linkenchef Jean-Luc Mélenchon, der die Polizeikräfte früher ,,Barbaren" genannt hat. Ihre Gummi- und Schreckschussmunition hat im einen Jahr, das die Proteste nun schon anhalten, insgesamt 24 Demonstranten Augen ausgeschossen und fünf weitere eine Hand gekostet.

Außerhalb von Paris ging es am Wochenende friedlicher zu. In Südfrankreich blockierten ,,gilets jaunes" wie früher schon Kreisverkehre und eine Autobahnausfahrt. Allerdings waren sie zehnmal weniger zahlreich als am 17. November 2018, als landesweit 280.000 Gelbwesten auf die Straße gegangen waren. In Paris setzten sie die Aktionen am Sonntag fort, indem sie unter anderem das bekannte Kaufhaus Galéries Lafayette besetzten.

Nach einem Jahr scheinen die verbliebenen Gelbwesten stärker politisiert, wenn nicht radikalisiert. Eine Pariser Demonstrantin erklärte, sie sei ,,nicht mehr nur wütend, sondern rasend". Von den Gewaltakten wollte sie sich nicht distanzieren. Ein älterer Neonwestenträger ärgerte sich hingegen: ,,Die Schläger hindern uns am Demonstrieren." Medien würden nur Gewaltbilder zeigen.

Die Gelbwesten-Pionierin Priscillia Ludosky sprach am Sonntag von ,,einem traurigen Geburtstag". Sie warf Macron vor, er setzte sich über die Bewegung hinweg, obwohl deren tiefere Ursachen keineswegs beseitigt seien.

In der Bevölkerung verspielte die führungs- und orientierungslose Bewegung viel Kredit, nachdem Macron ihre Forderung nach Rücknahme einer Benzinsteuererhöhung erfüllt hatte. Die Zustimmungsquote ist von 80 Prozent vor einem Jahr auf gut 50 Prozent gesunken. Eine klare Mehrheit von 63 Prozent der Befragten spricht sich zudem gegen die gewalttätigen Samstagsdemos aus.

Pariser Medien fragen sich generell, ob der Jahrestag der ,,gilets jaunes" das letzte Aufflackern einer zunehmend diskreditierten Bewegung war – oder vielleicht eher der Auftakt zu einem ,,heißen" Jahresende in Frankreich. Ab 5. Dezember organisieren die Eisenbahner nämlich einen harten Streik, um gegen Macrons Pensionsreform zu protestieren. Das Spitalpersonal ist schon vergangene Woche auf die Straße gegangen, und nach der versuchten Selbstverbrennung eines Studenten gärt es auch an den Unis. Mélenchons Unbeugsames Frankreich und die Kommunisten versuchen, einen breiten Sozialkampf gegen die Staatsführung zu zünden.

Macron muss ebenso zur Kenntnis nehmen, dass die Wirkung der 17 Milliarden Euro, die er Anfang des Jahres in Form von Steuersenkungen und Mindestlohnerhöhung lockergemacht hat, weitgehend verpufft ist. Für kommenden Mittwoch verspricht er den Spitälern bereits neue Zugeständnisse, wohl erneut in Milliardenhöhe. Die schon 2017 versprochene Pensionsreform hat er bisher nicht einmal vorgestellt.

Nach einem Jahr Sozialkrise in Frankreich drängt sich deshalb das Fazit auf, dass die Gelbwesten zwar inhaltlich wenig erreicht haben – politisch aber haben sie Macron völlig destabilisiert und seinen Reformeifer gebremst. Vom hohen Ross gefallen, schwankt der junge Präsident, der die Krise nicht hat kommen sehen, zwischen starken Worten und fast devoten Auftritten. Beides wirkt reichlich künstlich. Und es zeugt von einer großen Angst vor dem heraufziehenden Sozialkonflikt. Insofern war die Gelbwesten-Krise für Macron womöglich nur ein Anfang.


Aus: "Frankreichs Gelbwesten begehen ihren Geburtstag mit der Brechstange" Stefan Brändle aus Paris (18.11.2019)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000111168829/frankreichs-gelbwesten-begehen-ihren-geburtstag-mit-der-brechstange

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Demokratie ist möglich

Ich verstehe das irgendwie nicht ...

"Innenminister Christophe Castaner bezeichnete die Randalierer als ,,Schläger" "

Einen Artikel weiter unten, allerdings in Hongkong, wird der selbe Typus als Demokratieliebender, seine Rechte verteidigender "Demonstrant" verteidigt.
Liegt es daran daß die Gelbwesten noch nicht mit Pfeil und Bogen Jagd auf Polizisten machen? Oder werfen sie zu wenig Brandsätze auf Polizisten? Ich weiß es nicht.


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dampfplaudern

die Hong Konger wären froh. hätten sie die Freiheiten der Gelbwesten


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zege de zung

Im heutigen Standard steht ein Artikel, wie Europa von den USA und China technologisch abgehängt wird. In Frankreich ganz besonders. Jede noch so sinnvolle Reform wird erstickt, wenn die Proteste nur groß und gewalttätig genug sind. Partikulärinteresse vor Gemeinwohl. Der Hauptgrund der Proteste waren höhere CO2 Steuern auf Benzin! Eine zentrale Forderung der Grünen.


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Loesungen-verzweifelt-gesucht

Nein. Eben nicht! Also zum Teil haben Sie schon recht...
Die Grünen in Deutschland haben zwar soeben auf ihrem Parteitag eine deutliche Erhöhung der co2 - Steuer gefordert, aber gleichzeitig auch, dass die daraus resultierenden Einnahmen als Energiegeld an die Bürger /innen zurück gegeben wird.


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Der Cartoonist

Schon traurig wenn uns Frankreich so dargestellt werden, aber in Boliven, Hong Kong und Venecuela Hurra gebrüllt wird.
Und so sieht es in Europa aus, wenn die Demokratie Staatlich abgebaut wird und die Menschen zum europäischen Neofeudalismus gezwungen werden sollen.


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Breitwieser Schani

Präsident Emmanuel Macron hält an seiner neoliberalen Linie fest. Doch warum konnte die Bewegung so groß werden?
"Als Staatspräsident hat Macron den Sozialstaat zu seinem Hauptfeind erklärt. Das Wohngeld senkte er bereits. Alle weiteren Sozialleistungen erhöhte die Regierung nicht einmal mehr um die Inflation. Nun steht eine ,,Reform" der Arbeitslosenversicherung an."

Die schrittweise Privatisierung und Deregulierung großer Industrieunternehmen samt Stärkung des Finanzsektors führte in den 1980ern und 1990ern zum Verlust mehrerer hunderttausend Industriearbeitsplätze. Gleichzeitig wuchsen auch in Frankreich Leih- und Zeitarbeit an. Die Milieus der Linken zerfielen, ihre Organisationen gerieten in die Krise. Gleichzeitig versuchte der französische Staat, einen Teil der neu entstanden Armut aufzufangen. Die Grundsicherung für Erwerbslose, die keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung hatten, oder das Anrecht auf eine staatliche garantierte medizinische Versorgung kommen aus dieser Zeit.
Kurz gesagt, der Sozialstaat blieb bis in die 2000er Jahre hinein weitgehend unangetastet. Erst ab 2010 unterwarf sich der französische Präsident Sarkozy endgültig dem neoliberalen Mantra der Europäischen Union. Über allem stand in Frankreich nun Haushaltssanierung durch strikte Austerität und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Macron treibt diese nun noch weiter voran. ...

https://mosaik-blog.at/gelbwesten-geburtstag-frankreich/


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Twink28

Es gibt keine Gründe in Europa zu protestieren

Diese Leute gehören in Gewahrsam genommen und psychisch betreut in Lager ähnlichen Unterkünften auf dem Land mit Freizeit Programm.


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wederlechtsnochrinks

Wie wär's aus deinem kuscheligen Penthouse mit Blick auf den Genfersee mal rauszugehen und durch Europa zu reisen?
Einmal mit der realen Welt der Armen und sozial Abgehängten in Kontakt zu kommen?
Keine Angst, sie beißen und stinken nicht.


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Protagoras v. Abdera

In F wird gerade ausgetestet, wie weit neoliberale Politiken, die längst, spätestes seit 2008, die Zustimmung und den Konsens der Bevölkerungen verloren haben, auch gewaltsam durchgeprügelt werden können. Dabei kommt der quasi-monarchischen Rolle des frz. Präsidenten und seiner überlangen Amtszeit besondere Bedeutung zu. Die Widerstände sollen noch vor den nächsten Wahlen in der Manier Thatchers plattgemacht werden, damit der neoliberale deutsch-frz. Motor, inklusive entsprechend besetzter Kommission und EZB, auf europäischer Ebene weiter ungestört die Interessen großer Konzerne und Banken bedienen kann.


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Hans Hansen

Nur mal um das so genannte "neoliberale Problem" in den Zusammenhang zu stellen: Der Sozialstaat den viele Europäer haben, ist etwas Neues. Die Einführung der Sozialgesetzgebung ist relativ neu, bezahlter Urlaub, Arbeitslosengeld auch. Das gab es vor 150 Jahren nicht. Und der Trend geht seitdem in Richtung zunehmender Sozialstaatlichket. Trotz mancher Rückschläge die der "Neoliberalismus" verursacht.
Kritiker nehmen viele soziale Errungenschaften als Selbstverständlich an. Dabei wäre es wichtig die Probleme des Neoliberalismus im Detail zu betrachten und die positiven Seiten sozialer Marktwirtschaft und des Sozialstaat auch zu sehen.


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HerrFranz1

In einer sozialem Markwirtschaft gibt es keine Suppenküchen und da sammeln Pensionisten keine Pfandflaschen damit sie überleben können, soziale Marktwirtschaft war einmal....


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commender

Niemals zuvor gab es in Europa derartig viele Unruhen. Neoliberalismus, der nur von oben hierachisch diktiert wird ist eben keine Dauerlösung.


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nichtseitenblicker

wenn der Mob zu undemokratischen Mitteln wie Gewalt greift, darf man keine Sekunde zögern - denn sobald die merken dass der Widerstand fehlt, werden die keine Sekunde zögern sich zu holen was zu holen ist sobald man bei Gewalt auf den Straßen tatenlos zuschaut, überlässt man die Macht einem aufgebrachten Mob und man macht einen schweren Fehler, denn Gewaltdemos terrorisieren das Volk und haben nichts mit Demokratie und Freiheit zu tun, sondern gefährden diese Akut - denn Gewaltdemos wo Hab und Gut anderer Bürger zerstört wird sind Anarchie, ansonsten nichts.


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rote sonne

sie haben offenbar nicht den funken einer ahnung, was in frankreich abgeht - sie informieren sich als 'nichtseitenblicker' offenbar nur in den regimetreuen medien ... die brutalität der polizei in frankreich sucht ihresgleichen, nur dürfen wir die bilder nicht sehen ...


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henio

Sie sprechen doch über Hong Kong, nicht wahr?


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Quote[...] Nach der Trauer die Wut: Im Iran und im Irak haben die Menschen ihre Machthaber genauso satt wie Einmischung von außen.  ... Dass überhaupt wieder protestiert wird, ist erstaunlich. Wer in diesen Zeiten im Irak oder im Iran auf die Straße geht, braucht eine Mischung aus dem Mut der Verzweiflung und Glück. Als sich im vergangenen November Iraner im ganzen Land gegen eine drastische Erhöhung der Benzinpreise erhoben, wurden Hunderte, womöglich über 1500 Menschen getötet – erschossen oder überfahren von Sicherheitskräften wie den Basidsch-Milizen, einer Hilfspolizei von Freiwilligen, die den Revolutionsgarden unterstehen. Im Irak feuerten Scharfschützen auf Demonstranten, Aktivisten wurden entführt und gefoltert, viele sind seither verschwunden. ...

... Die Aktivisten haben sich aus der Falle der Geopolitik befreit. Man müsse sich gegen jede Form der Unterdrückung richten, haben am vergangenen Wochenende Studenten der Teheraner Amir-Kabir-Universität geschrieben. "Während der letzten Jahre hat die Präsenz der USA nichts produziert als wachsende Unsicherheit und Chaos. Aber Amerikas Abenteuertum ist keine Entschuldigung für lokale Repression."

Da könnten sie zusammenkommen, die regimekritischen iranischen Studenten und der proiranische Milizionär Murtada al-Mussawi aus Bagdad. "Ich würde gern endlich in einem Staat leben,", sagt er, "der nicht das Schlachtfeld ausländischer Mächte ist."


Aus: "Genug gelogen" Andrea Böhm, Lea Frehse und Luisa Hommerich (15. Januar 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/2020/04/proteste-naher-osten-iran-irak-regime-korruption/komplettansicht

QuotePertlyCornflakes #5

Wir im Westen haben die Lügen unserer Regierungen zur Nahost-Politik genauso satt.


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Quote[...] Nach monatelangen Anti-Regierungsprotesten im Irak haben Sicherheitskräfte mit Gewalt versucht, die Versammlungen aufzulösen. Dabei kam es in der Hauptstadt Bagdad und in anderen Städten zu Zusammenstößen mit Demonstranten, wie Augenzeugen und irakische Medien am Samstag berichteten. Im Zentrum Bagdads gingen die Spezialkräfte gegen Protestlager vor, um Plätze, Straßen und Brücken wieder zu öffnen, hieß es weiter. Die Einheiten hätten auch Protestzelte angezündet.

Augenzeugen meldeten, in Bagdad seien mindestens 30 Menschen durch Tränengas verletzt worden. In der weiter südlich gelegenen Stadt Nassirija kamen demnach drei Menschen ums Leben. Dafür gab es zunächst keine unabhängige Bestätigung. Der irakische TV-Sender Al-Sharqia sprach von einem bislang beispiellosen Vorgehen der Sicherheitskräfte.

In Bagdad und im Süden des Landes kommt es seit Oktober immer wieder zu Protesten gegen die Regierung, Misswirtschaft und die weit verbreitete Korruption. Der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission zufolge wurden dabei mehr als 460 Menschen getötet und mehr als 20.000 verletzt. Menschenrechtler werfen den Sicherheitskräften einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt vor.

Die Demonstrationen führten zum Rücktritt von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi. Die von der Mehrheit der Schiiten dominierte Regierung im Irak pflegt gute Beziehungen zum ebenfalls schiitischen Iran.

Augenzeugen berichteten am Samstag, die Anhänger des einflussreichen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr hätten sich auf dessen Geheiß von den Demonstrationen zurückgezogen und ihre Protestlager aufgelöst. Al-Sadrs Anhänger hatten die Proteste in den vergangenen Wochen unterstützt. Demonstranten zeigten sich enttäuscht und warfen dem Geistlichen ,,Verrat" vor.

Al-Sadr gehört zu den wichtigsten Politikern des Landes. Bei der Parlamentswahl 2018 hatte sein Block die meisten Stimmen gewonnen. Der populistische Prediger kritisierte in den vergangenen Monaten immer wieder die Korruption und verlangte politische Reformen.

Am Freitag hatten Zehntausende Anhänger Al-Sadrs bei einem Massenprotest in Bagdad den Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert. In diesem Monat hatte bereits das irakische Parlament beschlossen, dass alle ausländischen Truppen das Land verlassen müssten. Es reagierte damit auf die Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani bei einem US-Raketenangriff in Bagdad.

Im Irak sind rund 5000 US-Soldaten im Einsatz. Sie waren unter anderem entsendet worden, um das irakische Militär im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen. (dpa)


Aus: "Sicherheitskräfte gehen mit Gewalt gegen Demonstranten vor" (25.01.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/tote-und-verletzte-im-irak-sicherheitskraefte-gehen-mit-gewalt-gegen-demonstranten-vor/25473616.html

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Quote[...] Stuttgart - Der Stuttgarter Polizeivizepräsident Thomas Berger beziffert den Schaden durch marodierende Gruppen in Stuttgart auf einen sechs- bis siebenstelligen Betrag. Das sagte der Leiter des Polizeieinsatzes während der nächtlichen Randale in einem Interview mit dem Journalisten Gabor Steingart. Mehrere Hundert junge Männer hatten in der Nacht zum Sonntag in Kleingruppen 40 Läden beschädigt und zum Teil geplündert. Zwölf Streifenwagen wurden demoliert.

19 Polizisten wurden infolge ,,total enthemmter Gewalt" verletzt, einer davon brach sich das Handgelenk, wie Berger erläuterte. Auslöser war die Drogenkontrolle eines 17-Jährigen, mit dem sich gleich mehrere Hundert Menschen solidarisierten.

Zu den möglichen Hintergründen gab Berger mehrere Hinweise: Die Täter hätten sich in sozialen Medien in Pose setzen wollen und skandiert: ,,Endlich ist in Stuttgart was los". Zudem hätten die Corona-Einschränkungen dazu geführt, dass junge Menschen sich zunehmend im öffentlichen Raum träfen. Diese Gruppe reagiere auf normale polizeiliche Ansprache sehr aggressiv.

Schließlich hätten die Rassismusvorwürfe gegen die US-Polizei auch zu Unmut hierzulande geführt. Zur Stimmung in der Polizei sagte Berger: ,,Es gibt großes Unverständnis in der Belegschaft, warum es Teile der Gesellschaft gibt, die uns das antun."


Aus: "Ausschreitungen in Stuttgart: Randale richtete wohl Millionenschaden an" red/dpa/lsw  (22. Juni 2020)
Quelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ausschreitungen-in-stuttgart-randale-richtete-wohl-millionenschaden-an.7eb14509-4ced-407e-858d-1a2085b95567.html


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Quote[...] Stuttgart - Der Montag nach den Radalen in der Suttgarter Innenstadt ist ein Tag der Anrufe bei Versicherungen, dem Aufkehren von zerbrochenem Glas, dem Klopfen von Pflastersteinen auf der Königstraße – und großem Unverständnis. ,,Wir waren fassungslos, als uns Nachts gegen 1.30 Uhr die ersten Anrufe erreichten", berichtet Fadi Mongid, der in der Marienstraße ein Juweliergeschäft betreibt. ,,Uns hat es viel schlimmer als die Königstraße erwischt, weil hier ja viel mehr Außenbestuhlung rumsteht", sagt er und zeigt auf sein eingeschlagenes Schaufenster. Mongid sagt, was an diesem Vormittag noch viele Stuttgarter Passanten erzählen werden, wenn sie über die Beweggründe für die Straßenschlacht sinnieren: ,,Diese Kinder haben nichts zu verlieren."

Es sind viele Sätze, die mit einem Aber enden und hier nicht alle wiedergegeben werden müssen: Ich bin kein Rassist, aber. Ja, es waren auch Deutsche dabei, aber. Die Randale sind das Gesprächsthema des Tages: Kamerateams der öffentlich Rechtlichen, regionale Reporter und neugierige Passanten, die vor den eingeschlagenen Scheiben ihre Handys zücken, bevölkern an diesem Montagmorgen die obere Königstraße und die Marienstraße. Auch die Kriminalpolizei ist zugegen und spricht mit Ladenbesitzern, während sich vor dem Pavillon des Eiscafés schon eine kleine Schlange bildet.

Vor einem Handyladen hocken die Beschäftigten und atmen kurz durch. ,,Wir müssen erst einmal eine Inventur machen und überprüfen, was alles gestohlen wurde", sagt Buce Cay, die für die Beweggründe für den Gewaltausbruch keine Antwort hat. Es ist eine Ratlosigkeit, die vielen an diesem Montag ins Gesicht geschrieben steht. Auch Fadi Mongid kann nur mutmaßen und hält eine Mischung aus fehlender Bildung, Drogen und einer Wut gegen Autoritäten für plausibel. ,,Vielleicht wurden sie auch durch die Videos aus den USA inspiriert", so der Juwelier.

Vor dem Einkaufszentrum Gerber sind noch Flecken, die wie Blutspuren aussehen, zu erkennen, die sich die Straße hoch ziehen. Eine Passantin bleibt länger vor einem Wollgeschäft stehen und blickt fassungslos auf die Zerstörung. ,,Ich habe keine Worte für diese Taten. Es gibt hier keine Not – es kann doch nicht sein, dass es an den geschlossenen Clubs und Bars liegt. Vielleicht wären Ausgangssperren am Samstagabend eine Lösung", so die Frau, die lieber anonym bleiben möchte. Sie will, dass sich die Politik Gedanken macht, wie man so einen Ausbruch in Zukunft verhindern könnte. ,,Das Potential ist da, es könnte wieder passieren." Tatsächlich denken Polizeigewerkschaften zumindest über eine Sperrstunde in Stuttgart nach.

Auch Manuela Nedorna, die mit ihrem kleinen Kind über die Königstraße flaniert, zeigt sich wie viele andere Passanten geschockt. ,,Ich denke, dass es wieder so weit kommen könnte", sagt sie. Auch ein junger Mann, der lieber anonym bleiben möchte, glaubt, dass es nicht bei diesem einen Mal bleiben muss. ,,Man kann den Jugendlichen alles zutrauen, und trotzdem haben wir in Stuttgart kein Sicherheitsproblem. Jetzt liegt es daran, die Hintergründe offenzulegen", sagt der 30-Jährige.

Während vor einigen Läden noch Scherben liegen, wird in anderen Geschäften auf der Königstraße wieder der Corona-Normalität nachgegangen. Um die Mittagszeit herrscht reges Treiben, Kamerateams filmen die Aufräumarbeiten und am Brezelkörbchen wird wild anaylsiert. Wer hat eine Versicherung, wer muss selbst zahlen, war es pure Langweile? ,,Man darf jetzt nicht eine ganze Gruppe unter Generalverdacht stellen", sagt Dušan Varcaković, der über die Königstraße läuft. Er befürchtet eine politische Vereinnahmung aller Parteien. ,,Die einen können nicht behaupten, dass alle Polizisten Rassisten sind – und genausowenig kann man alle, die sich am Samstagabend am Eckensee treffen, in den gleichen Topf werfen."

Auch die Polizei ist an diesem Montag stark präsent. Ein Einsatzwagen, dessen Scheiben zur Hälfte abgeklebt sind, hält auf dem Rotebühlplatz und wird zum beliebten Fotomotiv. Später wird Bundesinnenminister Horst Seehofer den Wagen ausgiebig inspizieren und der Polizei für ihren Einsatz danken.



Aus: "Ausschreitungen in Stuttgart: ,,Diese jungen Leute haben nichts mehr zu verlieren"" Carina Kriebernig (22. Juni 2020)
Quelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ausschreitungen-in-stuttgart-diese-jungen-leute-haben-nichts-mehr-zu-verlieren.f62b70b7-102d-4cfd-b7e7-a750004a3486.html

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Quote[...] In der belarussischen Hauptstadt Minsk haben mehrere Zehntausend Menschen gegen den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko demonstriert. Auf Videos war zu sehen, wie die Menschen in großen Gruppen Richtung Zentrum zogen. Sie schwenkten die historische weiß-rot-weiße Landesfahne. Sicherheitskräfte gingen mit einem Wasserwerfer gegen Demonstranten vor. Einigen der Demonstranten gelang es, eine Klappe eines der Fahrzeuge zu öffnen. Danach hatte es augenscheinlich mit technischen Problemen zu kämpfen und fuhr davon.

Militärlastwagen und -busse waren ins Zentrum von Minsk gefahren, wo sich die Opposition versammelte. Auch Panzerfahrzeuge waren zur Abschreckung im Einsatz. Die Polizei nahm bereits kurz nach Beginn mehrere Personen fest. Videos zeigten, wie maskierte Polizisten Menschen abführten und in Kleinbusse steckten. Auch wurden Festnahmen von Uniformierten in Sturmhauben und ohne Erkennungszeichen vorgenommen.

Das Menschenrechtszentrum Wesna zählte am frühen Sonntagnachmittag rund 20 Festnahmen. In anderen Berichten war von einer weitaus höheren Zahl die Rede. Vor einer Woche kamen rund 350 Demonstranten in Polizeigewahrsam. Auch in anderen Städten gab es Demonstrationen. Der belarussische Journalistenverband berichtete zudem, dass mindestens drei Medienvertreter vorübergehend zur Überprüfung von Dokumenten in Polizeigewahrsam gekommen seien.

Die Opposition hatte zu den neuen Aktionen aufgerufen, sie fordert, alle politischen Gefangenen freizulassen. Die Proteste am Sonntag haben traditionell den größten Zulauf. Eine unabhängige Berichterstattung darüber war für ausländische Journalisten jedoch kaum möglich, weil die Behörden ihnen am Freitag die Akkreditierungen mit sofortiger Wirkung entzogen hatten.

Beobachter berichteten, dass zudem das mobile Internet wieder zeitweise abgeschaltet worden sei. Die Behörden wollten damit verhindern, dass sich die Demonstranten zu Protestrouten verabredeten. Zudem waren in Minsk mehrere U-Bahnstationen geschlossen, damit die Menschen nicht ins Zentrum gelangen konnten. Es war das mittlerweile achte Protest-Wochenende in Folge.

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl Anfang August gehen die Menschen regelmäßig gegen Lukaschenko auf die Straße. Der 66-Jährige hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen lassen. Die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Die Opposition sieht dagegen Swetlana Tichanowskaja als Siegerin.

Die rief aus ihrem Exil in Litauen zu weiteren Massenprotesten auf. Trotz des beispiellosen Drucks mit Festnahmen und starkem Aufgebot an Einsatzkräften gelinge es dem Machtapparat nicht, den Freiheitsdrang der Menschen zu brechen, sagte sie. Zugleich beklagte Tichanowskaja, dass es ein weiteres "Opfer des Regimes Lukaschenko" gegeben habe. Wie Behörden zuvor bestätigten, starb im Gefängnis ein Mann, der sich tödliche Verletzungen beim Fall aus einem Doppelstockbett zugezogen haben soll.

Tichanowskaja warf den Behörden "Lügen" vor. Ärzte hätten eine eingeschlagene Schädeldecke mit offenem Schädelbruch, gebrochene Rippen und Blutergüsse und weitere Verletzungen festgestellt. Im Zuge der Proteste starben mehrere Menschen, zahlreiche Fotos von Festgenommenen deuten auf massive Folgerungen von politischen Gefangenen hin.


Aus: "Zehntausende demonstrieren in Minsk" (4. Oktober 2020)
Quelle; https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/belarus-proteste-festnahmen-alexander-lukaschenko-demokratie-bewegung-polizei

Weißrussland, amtliche Kurzform Belarus
https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Frussland

Proteste in Weißrussland 2020
Die Proteste in Weißrussland 2020 sind die größten Massendemonstrationen seit Ausrufung der Republik Belarus im Jahr 1991. Die meisten Proteste richten sich gegen die Politik und Präsidentschaft von Aljaksandr Lukaschenka, der das Land seit 26 Jahren diktatorisch regiert; es kam aber auch zu staatlich organisierten Unterstützungskundgebungen für Lukaschenka. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Proteste_in_Wei%C3%9Frussland_2020


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Sturm auf das Kapitol in Washington 2021
https://de.wikipedia.org/wiki/Sturm_auf_das_Kapitol_in_Washington_2021

Quote[...] Es stimmt, man kann die politischen Dynamiken der USA nicht einfach gleichsetzen mit denen Europas. Das gilt besonders auch für die rechte und rechtsradikale Bewegung, die in den USA völlig anders gelagerte Traditionen und Einflüsse als ihre europäischen Pendants hat. Religion, Sozialstaat, Homosexualität – zu all dem sind die Positionen teils konträr. Und eine Figur wie Donald Trump wäre in Europa wohl ähnlich unvermittelbar wie Viktor Orbán in den USA.

Doch der Sturm auf das Washingtoner Kapitol ist auch keine bloße spezifisch US-amerikanische Angelegenheit. Die politische Verwüstung in den USA hat derselbe Sturm ausgelöst, der auch über Europa tobt.

Der Angriff gewaltbereiter Trump-Anhänger auf das US-Parlament am Mittwoch war der vorläufig markanteste Auftritt einer globalen Bewegung, die trotz des Personenkults um den US-Präsidenten auch dann weiter wachsen würde, wenn Donald Trump selbst beschließen sollte, seine Zukunft fortan dem Klimaschutz zu widmen. Trump hat nur geerntet und kultiviert, was nicht nur in den USA gärt, sondern seit Langem auch in vielen anderen Gesellschaften des weißen Westens von Erfolg zu Erfolg eilt.

Dort wie hier ist eine extreme Rechte am Werk, die sich in den vergangenen Jahren radikalisierte und militarisierte und die sich zugleich in einem beängstigenden Maße für eigentlich gemäßigte Milieus anschlussfähig gemacht hat. Diese Rechte wird, dort wie hier, viel zu oft legitimiert von opportunistischen, meist konservativen oder liberalen Politikern aus dem demokratischen Spektrum.

Der Unterschied zwischen US-Senatoren, die Trumps Lügen von der Wahlfälschung bestätigen und deutschen Politikern, die behaupten, in Deutschland herrsche keine echte Meinungsfreiheit – wie groß ist er? Beide bestätigen jedenfalls eine rechtsradikale Behauptung, die die Existenz demokratischer Zustände bestreitet. Und wo keine Demokratie ist, das erschließen sich viele selbst, existiert natürlich das Recht, eine herbeizuführen. Mit welchen Mitteln auch immer, gegen jeden Widerstand.

Das Ergebnis dieser Kernerzählung ist dort wie hier etwas, das auf das genaue Gegenteil von Demokratie hinausläuft: Ein Teil der gesellschaftlichen Mitte, geplagt von Abstiegsängsten, verärgert über die Mitspracheforderungen Marginalisierter, akzeptiert sogar im Angesicht einer tödlichen Pandemie inzwischen nahezu jede Erklärung zur politischen Lage, solange sie nur nicht aus dem sogenannten Establishment stammt. Sei es die pauschale Ablehnung von Corona-Schutzmaßnahmen, sei es die Behauptung, eine Bande von Kinderschändern dominiere die Welt und werde nur noch von Donald Trump davon abgehalten.

Geliefert werden ihnen solche Erklärungen in den USA wie auch in Europa von einer gut geölten Aufmerksamkeitsmaschine voller politischer Marktschreier, Sektenführer, D-Promis und Rechtsradikaler, die hier als Immobilienmogule auftreten, dort als biedere Beamte und Ökonomen, als Kabarettisten oder als Intellektuelle, in deren Drehbuch aber immer etwa das gleiche steht: Ihr, die schweigende weiße Mehrheit, könnt nicht auf den guten Willen eurer Unterdrücker hoffen. Ihr müsst euch euer Land zurückholen. Und dieses Drehbuch bestimmt mittlerweile einen bedeutsamen Teil des politischen Geschehens in vielen westlichen Gesellschaften.

Auch wenn sich jetzt viele rechtsradikale Politiker distanzieren: Was im Kapitol passierte, gehört zu diesem Drehbuch und ist eng verwandt mit dem, was Rechtsextreme und die mit ihnen alliierten Milieus in Deutschland seit einiger Zeit versuchen: Es sind symbolische Landnahmen, Machtdemonstrationen gegen Institutionen der Demokratie. Sie sollen die Fantasie vom nahenden Umsturz bebildern, sie sollen Drastik und Dringlichkeit erzeugen, wenn sie mit kitschigen Melodien untermalt bei YouTube ihre Likes holen.

Wir haben das am Reichstag gesehen, wo Rechtsradikale die Treppen zum Parlament stürmten und knapp davon abgehalten wurden, ähnliche Bilder wie in Washington zu produzieren. Auch in Leipzig, wo der gewalttätige Kern der Corona-Leugner die Polizei überrannte und sich den ungehinderten Zugang zur Innenstadt erzwang. Es geschieht aber auch in viel kleineren Kontexten, zum Beispiel jüngst bei den Corona-Protesten in Pößneck in Thüringen, wo es wenigen Dutzend Demonstranten gelang, die Polizei in die Defensive zu treiben.

Dass sich nun in Washington Abgeordnete und Medienvertreterinnen unter Tischen verstecken mussten, dass ein bewaffneter Mob die Treppen hochstürmte und die Türen eintrat, während das Parlament im Begriff war, die Korrektheit einer demokratischen Wahl zu zertifizieren, das war ein weiterer Meilenstein für diese Bewegung und ihre Sympathisanten  – ganz gleich, ob die nun vor einem Wohnwagen in Utah oder der Uckermark sitzen. Die Botschaft an all diese Anhänger ist wieder: Der Endkampf zwischen uns und der angeblichen Diktatur steht bevor. Macht euch bereit, wir können siegen.

Ja, sie spüren, dass sie siegen können. Sie spüren, dass sie Dinge bewirken, die sie vor Kurzem noch für unmöglich gehalten hätten. Sie fühlen wohl so etwas wie den wind of change. Solch ein erhabenes Gefühl lässt sich niemand kaputtmachen. Deshalb wird sich diese Bewegung nicht durch Kompromiss und Versöhnung eindämmen lassen, wie es vielen offenbar noch immer vorschwebt. Vom Freiheitskämpfer zum CDU-Wähler, diesen Weg werden nicht viele gehen, so oft konservative Hardliner ihnen auch das Wort reden. Warum sollten sie?

Das Beunruhigende sind nicht nur die Rechtsradikalen, sondern auch die, die sie gewähren lassen, hier wie in den USA. Der Autoritarismus, das lehrt auch die Geschichte, braucht nicht unbedingt Mehrheiten, um die Macht zu erhalten oder auszubauen. Was er braucht, ist Angst unter seinen Gegnern. Hilfreich ist auch ein sich in der neutralen Mitte ausbreitendes Gefühl, dass seine Machtübernahme auf kurz oder lang unvermeidlich ist und dann von Dauer ist. Und er braucht Sicherheitsorgane, die bereit sind, im Ernstfall mit ihm die Verfassung zu beugen. Und da sind wir beim nächsten Problem.

Der Überfall auf das Kapitol war auch in dieser Hinsicht ein Fanal. Er hätte ja durchaus auch zu einer demoralisierenden Veranstaltung werden können. Dann nämlich, wenn der Staat auf eine Art und Weise durchgegriffen hätte, die die Gewalttäter eingeschüchtert oder gar gedemütigt hätte. Wenn Bilder von auf den Boden gefesselten oder flüchtenden Trump-Anhängern um die Welt gegangen wären. Wir erinnern uns an die Bilder vom Sommer, als der US-Präsident skandalöserweise friedliche Black-Lives-Matter-Demonstranten verprügeln und vertreiben ließ, um sich vor einer Kirche mit einer Bibel zeigen zu können.

Dieses Mal, im Angesicht gewalttätiger rechter Möchtergernputschisten, war wenig von einer hochmilitarisierten und -motivierten Polizei zu sehen. Die Sicherheitskräfte waren nicht nur grotesk unvorbereitet. Sie gingen auch mit einer Milde vor, die auffiel. Die Bilder der Gewalttäter, die nicht in Handschellen abgeführt, sondern freundlich aus dem Gebäude heraus begleitet wurden oder Angreifern, die Selfies machten mit Polizisten, sind eine zweite Botschaft der Rechtsradikalen. Sie geht an ihre Gegner und lautet: Seid ihr sicher, dass euch die Polizei schützen wird, wenn es ernst wird?

Auch hier lässt sich eine Parallele zwischen den USA und Europa ziehen. Die Sicherheitsorgane, die Armeen, die Geheimdienste, die Polizeien sind, seien wir ehrlich, bisher höchst eingeschränkt hilfreich im Umgang mit der autoritären Welle. In Deutschland sind die vielen Geschichten von verschwundener Munition, geheimen Prepper-Netzwerken und rassistischen WhatsApp-Gruppen Anlass zu höchster Sorge. Und Washington hat auf beunruhigend deutliche Weise gezeigt, wie nahe die Rechtsradikalen ihren Umsturzfantasien kommen können, wenn die Polizei nur einfach nicht konsequent gegen sie vorgeht.

Natürlich gibt es auch Hoffnung. Sie zeigte sich genau an jenem schrecklichen Tag von Washington. Es war die Nachricht, dass der jahrzehntelang republikanisch regierte US-Bundesstaat Georgia nach der Wahl Joe Bidens im November zwei weitere Male demokratisch gewählt und so dem neuen Präsidenten eine Mehrheit im Senat verschafft hat.

Die tiefere Bedeutung dieser Nachricht geht weit über den Mehrheitswechsel im Senat hinaus. Der Sieg in Georgia war nämlich vor allem deswegen möglich, weil die schwarze Demokratin Stacey Abrams und ihre Anhänger dort mit ihrer Initiative seit Jahren unter den Schwarzen mobilisiert hatte, denen dort schon immer das Wählen besonders schwer gemacht wurde.

Man darf das nicht vergessen: So furchterregend und machtvoll die Nationalautoritären wirken mögen – sie sind eine Minderheit und sie kommen aus der Defensive. Sie fürchten Gesellschaften, in denen die bisher Marginalisierten gleichberechtigt mitreden dürfen. Sie wissen, dass sie vor allem dann eine Chance haben, wenn jene Menschen, die betroffen sind von ihrem Rassismus, nicht gehört werden, nicht wählen und sich nicht politisch beteiligen. Tun sie es doch, wendet sich das Blatt, in den USA wie in Europa.

Das ist die Möglichkeit, den rechtsradikalen Vormarsch zu beenden: eine offenere Gesellschaft, die nicht ständig auf das rechte Geschrei hört, sondern wirklich daran arbeitet, allen Teilhabe zu ermöglichen. Die Demokratie selbst, in ihrem eigentlichen Sinne, als Beschützerin aller Minderheiten, ist das beste Rezept gegen das, was jetzt in Washington geschehen ist. Dort wie hier.


Aus: "Rechtsextremismus: Es geht nicht um Donald Trump" Ein Kommentar von Christian Bangel (9. Januar 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-01/rechtsextremismus-globale-bewegung-angriff-us-kapitol-washington-faschismus/komplettansicht

Quoteroterdrachen #71

"Es geht nicht um Donald Trump."

Ja und nein. D.T. hat jetzt in den letzten ca.5 Jahren überall auf der Welt und mit viel Medienaufmerksamkeit als "negativ" Role-Model gezeigt, wie er und seine Truppe systematisch demokratische Normen zerlegt. ...


QuoteMagermilchbande #46

Es sind die Methoden, die bereits vor hundert Jahren Gesellschaften in Diktaturen getrieben hat. Genau darum müssen wir um eine freie Gesellschaft kämpfen, die alle Bürgern teilhaben lässt. Das Geschrei aus der rechten Ecke wird dann keine Opportunisten mehr anziehen. Ich bekomme den Vergleich nicht aus dem Kopf, dass der gewaltsame Marsch in den USA genauso zur Legendenbildung genutzt wird wie der Marsch auf die Feldherrenhalle oder schlimmer noch, die Dolchstoßlüge. Diese Dinge wirken über Generationen nach, noch heute höre ich in Gesprächen, dass das deutsche Militär 'im Feld ungeschlagen' gewesen sei.


QuoteAlexander Leister #34

Die Rattenfängerei vieler Parteien konnte ich noch nie nachvollziehen. Wer erst einmal so weit abgedriftet ist, dass er an QAnon und Co. glaubt und auf den Quarkdenker-Demos mitläuft, den kriegt man nicht mehr als "normalen" Wähler zurück. Es muss bei diesen Leuten, salopp gesagt, immer erst "einen Schlag tun", damit die (wieder) mit dem Nachdenken anfangen und evtl. wieder zurück finden. Sieht man ja auch an vielen Aussteigern im rechtsradikalen Milieu. Sicher, damit Leute so werden ist vorher schon einiges falsch gelaufen, da muss man ran. ...


QuoteDoubleUD #77

Ursachenbekämpfung und nicht nur an den ansetzen Symptomen anzusetzen, wäre mMn. mal eine interessante Gangart. Ungleichheit und mangelnde Bereitschaft sich den wahren eigenen Ängsten zu stellen, sorgen für das Chaos dessen Erscheinungsilder sich in Rassismus, Gewalt und den Ruf nach starken Männern an der Spitze äußern. Das Bedürfnis das Capitol zu erstürmen steht für einen kurzen Moment der Überwindung der eigenen Ohnmacht. Warum ist das Vertrauen dieser Leute in die gegebene Ordnung nicht existent? Arm wird gegen noch Ärmer ausgespielt.

Die Medien reagieren seit jahren reflexartig auf jeden neuen Nonsensschafelnden Demagogen und bieten ihm eine Bühne. Reichweitengenerierung und Wettbewerbsfähig bleiben wird größer geschrieben als neutrale und aufklärende Berichterstattung und Rückkopplungseffekte die sich aufgrund der immer schneller und unübersichtlicher werdenenden Informationsdichte verstärken. Die selben Medien die Trump verdammen haben ihn zuvor groß gemacht.

Es ist einfach auf Rednecks und Nazis als Störenfriede und Außenseiter zu blicken die sich böswillig nicht in die Gesellschaft integrieren möchten. Ich blicke auf arme, verängstige Menschen.
Die Digitalisierung in Verbindung mit Corona katylysiert und beschleunigt Prozesse die schon vorher statgefunden haben und legt deutlich offen und was für einer Welt wir uns eigentlich befinden.

Es bleibt der Wunsch für mehr Nachhaltigkeit, Vernunft und Emphatie im Sinne unserer Nachfolgegenerationen.


Quoteklaurot #26

Der Mob, der das Kapitol angriff, ist Teil einer globalen Bewegung, die ihn überleben wird, in den USA wie hier. * Man kennt das: Wenn das Establishment versagt, übernimmt der Mob. Vielleicht sollte sich das Establishment mal an die eigene Nase fassen. ...


QuoteParviflorum #31

Das ist die amerikanische Demokratie und dieser "Mob" ist ganz klar ein Teil des Volkes. Man wanderte in die USA aus, um seinen speziellen Glaubensvorlieben huldigen zu können. Dieser Mob ist nur eine andere Variante von Diversität. Man sollte sich nicht einen Teil der Diversität herauspicken (ihn auch noch passend verformen) und dann glauben, das wär's.

Trump hat allerdings einen wesentlichen Anteil an den Vorkommnissen im Kapitol. Hätte er seine Abwahl akzeptiert, wäre dort nichts gewesen. Doch dass so viele Menschen überhaupt bereit für den Glauben sind, die Wahl könne ein Betrug gewesen sein, hat nichts mit Trump zu tun und wird auch nicht mit ihm verschwinden. Das ist dies Misstrauen in die Herrschaft, in die "Eliten". Es hat nichts mit Bildung zu tun und es ist durchaus denkbar, dass dieses Misstrauen noch erheblich zunehmen wird. Die einzig sinnvolle Reaktion darauf ist meines Erachtens mehr Demokratie und mehr Transparenz.


QuoteMagMag #13

Es geht sehr wohl um Donald Trump. Er ist es, der die Menschen in Amerika 4 Jahre lang gegen das System aufgehetzt hat. Der Hass verbreitet hat, die die Menschen dazu aufgerufen hat, das Kapitol mit Gewalt zu stürmen.

Dass diese Menschen auch nach einer Verurteilung Trumps weiterhin extremisten bleiben, ist klar. Dass sie weiterhin versuchen werden, das System gewalttätig zu bekämpfen ebenfalls. Aber Einfach zu behaupten, dass es nicht um Trump ginge, es absolut falsch. Trump hat all diesen Hass und die Verachtung für die Demokratie gefördert, genährt und vorangetrieben. ...


QuoteLord Schelmchen #16

Das war ein Warnschuss, der weltweit gehört wurde. Man kann schon den Eindruck haben, dass über die Jahrzehnte Linke verteufelt und Rechte verharmlost wurden. Ich denke, mit der Verharmlosung der Rechten ist es vorerst einmal vorbei. Ein Effekt, der so von den Aufwieglern vermutlich nicht gedacht war.


Quotevincentvision #19

Es ist überall dasselbe: Die Abgehängten, oder noch schlimmer: die gefühlt Abgehängten rebellieren.

Sie sitzen nicht in den glitzernden Hotspots der Metropolen, deren Zerrbilder ihnen 24/7 in allen Breitband-Medien vorgeführt werden.
Sie sitzen in Mittelengland, im mittleren Westen der USA, in Anatolien oder in Chemnitz.
Sie sitzen in der Provinz ihrer Länder, voller Ungewissheit und voller Ängste, dem 21. Jahrhundert und seiner globalisierten Schnelligkeit nicht mehr genügen zu können.
Und dann kommen sie - die Johnsons, die Trumps, Erdogans, Meuthens und Salvinis.
Sie stoßen erbarmungslos in das Vakuum aus Sorgen, aus Überdosis an Informationen und Verunsicherung.
Und liefern - vereinfachte Lösungen, Fremdenfeindlichkeit, Abschottung, Land xy zuerst, Parolen und Sündenböcke.
Und hetzen - gegen Fremde, Bedürftige, alles Etablierte und deren Berichterstatter.
Und ihre Alternativen sind keine Alternativen, weil auch sie keine Zeitmaschine haben.
Aber sie haben polternde Parolen, zu simple Ideen für zu simple Geister, rhetorische Taschenspielertricks und die nötige Skrupellosigkeit, ihr Volk damit zu missbrauchen.
Es ist überall dasselbe: Sie verarschen ihr Land, seine Menschen und hinterlassen zerrüttete Demokratien und zerstörte Werte. ...


QuoteMarillengeist #39

"Das Beunruhigende sind nicht nur die Rechtsradikalen, sondern auch die, die sie gewähren lassen, hier wie in den USA."

Beunruhigend sind auch die, die im Hintergrund agieren und alles finanzieren, zB die Geldgeber einer Plattform wie Parler. Wie hieß sie doch gleich? Rebekah Mercer. Das sind keine Underdogs, die in Wohnwagen leben und keine Zuhause haben. Ganz im Gegenteil!


Quoteumbhaki #39.1

>Das sind keine Underdogs, die in Wohnwagen leben und kein Zuhause haben. Ganz im Gegenteil!

Richtig! Das ist tatsächlich etwas, das im Artikel unerwähnt bleibt.
Der Mob, das sind diejenigen, die sich bedroht und auf dem absteigenden Ast sitzend empfinden (oft durchaus zu Recht). Die veranstalten die offensichtlichen Schweinereien.
Sie werden aber unterstützt, im Sinne von benutzt, von Leuten, die im Hintergrund strategisch wirken. Sie erwähnen Rebekah Mercer, spontan fallen mir dazu noch die Koch-Brüder ein. Es wird weitere geben.
In Europa läuft das wohl kaum anders: Wir wissen von ,,dubiosen", also der Herkunft nach verschleierten, Spenden an die AfD und ahnen, dass der Sumpf wohl viel größer ist als uns bekannt, und dass er nicht nur die AfD betrifft. Jüngst wies Herr Röttgen, ein maßgeblicher Außenpolitiker der CDU, im Fernsehen darauf hin, dass seine Partei den US-Reps näher stehe als dem Dems. Jener Partei also, die in den USA über Wahlbetrug schreit, während sie ihn selbst extensiv begeht (,,Gerrymandering", Ignorieren von Wahlberechtigungsscheinen Farbiger, Abschaffung von Wahllokalen in demokratieverdächtigen Orten).


QuoteEinFriese #57

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den USA und Deutschland übersieht der Kommentar: Deutschland ist schon einmal und zwar schon vor der Machtergreifung der Nazis (Straßenschlachten, Ausschaltung der Legislative durch Notverordnungen, Preußenschlag) an einem viel schlimmeren Punkt als die USA angelangt und hat daraus die Lehren gezogen.
In den USA gibt es die Doktrin der "clear and present danger", die zwar Exekutive und Legislative weitreichende Vollmachten gibt, auf der anderen Seite nicht den Anfängen wehren kann.
Das Konzept der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und seine Bewehrung in Art. 9 Abs. 2, 18 und 21 Abs. 2-4 Grundgesetz ist da deutlich robuster ausgelegt und die Demokratie muss nicht untätig warten, bis eine echte Gefahr entstanden ist.
Die letzte wesentliche Verfassungsreform in den USA fand 1920 statt (Wahlrecht für Frauen), die letzte, die den Aufbau der Verfassungsorgane betraf, sogar schon 1913 (Direktwahl der Senatoren). ...


QuoteMoralaposteln #65

Das nennt man Faschismus und ist dem Kapitalismus immanent! Leider trauen sich das unsere bürgerlichen Journalisten nicht zu auszusprechen, oder sie checken es wirklich nicht. ...


QuoteLudwig van Wegen #70

Hier haben Bild und Co. jahrzehntelang die Grundlagen bereitet. Mit den neuen medialen Gegebenheiten hat sich lediglich verselbstständigt.


QuoteKopfGeist #78

Gefährlich wird es, wenn diese Leute irgendwann in der Zukunft von einem fähigen Menschen angeführt / angestachelt werden und nicht von einem instabilen Trump.

Genährt wird der Boden aber durch gut organisierten Leute im Hintergrund wie den Mercers (Cambridge Analytica und Parler), den Koch Brüdern und Murdoch. Bewegungen wie QAnon sind ein perfekten Vehikel für diese Menschen.

Diese Leute haben es geschafft Fakten als Fake News zu deklarieren und echte Quellen als Fake News. Wir brauchen dringend(!) ein Pflichtschulfach Medienkunde, damit unsere Kinder von klein auf lernen wie man mit Informationen umgeht.


...

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Quote[...] Die Welt ist im vergangenen Jahr konfliktreicher geworden. Das ist das zentrale Ergebnis des jährlichen Global Peace Index, den das Londoner Institute for Economics and Peace (IEP) veröffentlicht hat. Damit hat sich die Friedenssituation im Schnitt zum neunten Mal in zwölf Jahren verschlechtert.

Der Gründer des Instituts, Steve Killelea, macht die Corona-Pandemie für eine Verschärfung der Lage verantwortlich: "Obwohl das Niveau von Konflikten und Terrorismus im Jahr 2020 insgesamt gesunken ist, haben politische Instabilität und gewalttätige Demonstrationen zugenommen", sagte er. "Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie werden weitere Unsicherheiten schaffen, insbesondere für Länder, die bereits vor der Pandemie Probleme hatten." Voraussichtlich werde die Erholung auch sehr unterschiedlich verlaufen. Das könnte das Risiko für eine weitere Vertiefung der Gräben bergen.

Insgesamt registrierte der Global Peace Index zwischen Januar 2020 und April dieses Jahres weltweit mehr als 5.000 gewaltsame Ereignisse im Zusammenhang mit der Pandemie und fast 15.000 gewaltsame Unruhen insgesamt. In 25 Ländern hat es mehr gewaltsame Demonstrationen gegeben, während sich nur acht Staaten in dieser Kategorie verbesserten. Am schlechtesten war die Lage in Belarus, Myanmar und Russland, wo Demonstrierende bei Protesten gewaltsam bekämpft wurden. Insgesamt stieg die Zahl ziviler Unruhen weltweit um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

In den USA nahm im untersuchten Zeitraum besonders stark die Zahl der zivilen Unruhen zu – allerdings nicht nur bedingt durch die Pandemie, sondern auch etwa im Rahmen der Antirassismusproteste oder bei der Erstürmung des Kapitols in Washington, D.C. Anfang Januar. 

Die Mordrate, die Todesfälle durch Terrorismus und auch die Wahrnehmung von Kriminalität ist in sehr vielen Ländern der Welt hingegen deutlich gesunken, wobei es auch hier extreme regionale Unterschiede gibt. In Afghanistan, Brasilien, Südafrika und Mexiko etwa gab weiterhin mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gewalt als größtes Risiko für die eigene Sicherheit im täglichen Leben an. Weltweit sind mehr als 60 Prozent der Menschen besorgt, dass sie durch Gewaltverbrechen ernsthafte Schäden erleiden könnten.

Afghanistan gilt in dem Bericht als das am wenigsten friedliche Land der Erde, gefolgt vom Jemen, Syrien, Südsudan und dem Irak. Island wurde dagegen erneut als das friedlichste Land der Welt eingestuft. Das Land verteidigt diesen Platz bereits seit 2008.

Europa bleibt demzufolge weiterhin die friedlichste Region der Welt, acht der zehn friedlichsten Länder befinden sich auf dem Kontinent. Allerdings hält der Bericht fest, dass auch hier die politische Instabilität zugenommen hat. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat demnach fast die Hälfte der Bevölkerung in jüngster Zeit Gewalt erlebt. In Asien fühlen sich hingegen 50 Prozent der Menschen sicherer als vor fünf Jahren. Die größte Verschlechterung erlebte Nordamerika, vor allem durch die politische Instabilität in den USA, die zweitgrößte der südamerikanische Kontinent.

In den vergangenen zwei Jahren hat auch die weltweite Militarisierung zugenommen. Immer mehr Länder erhöhen ihre Militärausgaben und den Personaleinsatz ihrer Streitkräfte. Dies stellt eine Umkehrung des Trends des vergangenen Jahrzehnts dar, in dem sich 105 Länder in dem Bereich verbessert und 57 verschlechtert hatten. Am deutlichsten haben in den vergangenen zwei Jahren die USA, China, Deutschland und Südkorea ihre Militärausgaben erhöht.

Zurückgegangen ist hingegen die Zahl der Todesopfer durch Terrorismus. Vorläufigen Daten für 2020 zufolge hat es weltweit weniger als 10.000 Todesopfer durch Terrorismus gegeben, die Zahl geht seit sechs Jahren kontinuierlich zurück.

Auch wenn die Gesamtzahl der konfliktbedingten Todesfälle seit 2014 zurückging, ist die Zahl der Konflikte selbst seit 2010 weltweit um 88 Prozent gestiegen. Allerdings entstehen in der Sahelzone und am Horn von Afrika neue Konfliktherde, wobei Subsahara-Afrika im Index 2021 über 65 Prozent der gesamten gewaltsamen Konflikte ausmacht.

"Gewalt ist eine sehr reale und bedeutende Bedrohung für viele Menschen auf der ganzen Welt", sagte der stellvertretende Forschungsleiter Thomas Morgan. "Über 60 Prozent der Menschen weltweit haben Angst, Opfer von Gewaltverbrechen zu werden." Dennoch hätten die meisten Menschen das Gefühl, dass die Welt sicherer werde. "Fast 75 Prozent der Menschen weltweit sind der Meinung, dass die Welt genauso so sicher ist wie vor fünf Jahren, oder sogar sicherer."

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Gewalt schätzt das Institut im vergangenen Jahr auf eine Summe von 14,96 Billionen US-Dollar (knapp 12,5 Billionen Euro). Das sind 11,6 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung oder 1.942 Dollar (1.618 Euro) pro Person. Das sei vor allem auf den Anstieg der Militärausgaben zurückzuführen, die um 3,7 Prozent gestiegen sind und bei 1,96 Billionen Dollar  (1,63 Billionen Euro) weltweit liegen.


Aus: "Mehr Unruhen und Militarisierung im Pandemiejahr" (17. Juni 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-06/global-peace-index-frieden-unruhen-corona-konflikte-terrorismus


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Quote[...] Rund elf Monate nach Massenprotesten in Kuba sind nach Regierungsangaben 381 Menschen vor Gericht verurteilt worden - zu teils jahrzehntelanger Haft. 297 von ihnen hätten Haftstrafen erhalten, teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Karibikstaats am Montag mit.

Allein 36 Angeklagte seien wegen Aufruhrs zu fünf bis 25 Jahre Haft verurteilt worden. Zu den anderen Vorwürfen gehörten demnach Sabotage, Raub, Körperverletzung, Autoritätsmissachtung und öffentliche Unruhe. Unter den Verurteilten waren den Angaben zufolge 16 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, von denen 15 Alternativstrafen zur Haft, etwa Strafarbeit, verbüßen sollten.

Bei den spontanen Massenprotesten am 11. Juli - den größten gegen die sozialistische Regierung seit Jahrzehnten - war in mehreren Städten für Freiheit sowie gegen Repression und Misswirtschaft demonstriert worden. Auf Videos waren überwiegend friedliche Demonstrationen zu sehen, die die Sicherheitskräfte gewaltsam auflösten. Die autoritäre Regierung stellt die Demonstrationen als von den USA gesteuerten Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung und die Stabilität des Staates dar. Nach Angaben von Aktivisten gab es mehr als 1400 Festnahmen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte im Januar über Gerichtsprozesse gegen 710 Angeklagte informiert, darunter 55 zwischen 16 und 18 Jahren. Im März teilte der Oberste Gerichtshof mit, 127 Menschen seien wegen Aufruhrs und Diebstahls zu Haftstrafen zwischen 6 und 30 Jahren verurteilt worden. Die Prozesse finden Aktivisten zufolge hinter verschlossenen Türen statt.

Die EU forderte Kubas Behörden im März dazu auf, ,,alle politischen Gefangenen und diejenigen, die allein aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung inhaftiert wurden, freizulassen". In den vergangenen Monaten verließen viele Kubaner das Land in Richtung USA. (dpa)


Aus: "381 Demonstranten vor Gericht: Kuba verurteilt Teilnehmer an Protesten zu bis zu 25 Jahren Haft" (14.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/381-demonstranten-vor-gericht-kuba-verurteilt-teilnehmer-an-protesten-zu-bis-zu-25-jahren-haft/28423236.html

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Quote[......] Im September 2022 begannen Proteste im Iran nach dem durch Polizeigewalt herbeigeführten Tod von Mahsa Amini in Teheran. Sie war von der islamischen Sittenpolizei festgenommen und misshandelt worden, weil angeblich ihr Kopftuch nicht richtig saß.

Die Proteste richten sich sowohl gegen das theokratische Regime im Iran als auch gegen die durch das Regime diktierten Lebensbedingungen, insbesondere gegen die Auslegung der islamischen Kleiderordnung. ...

Als Zeichen der Solidarität mit Amini und aus Protest gegen die Frauenrechtslage im Iran verstießen manche Demonstrantinnen bewusst gegen die Kleiderordnung, indem sie ihre Kopftücher abnahmen, diese verbrannten oder sich öffentlich die Haare schnitten.

Proteste gegen die Führung der islamischen Republik und ihren repressiven Kurs gab es insbesondere an iranischen Universitäten. Die iranischen Behörden sagten daraufhin in vielen Städten Vorlesungen ab.

Die Proteste weiteten sich in manchen Städten zu Revolten aus. So wurden laut der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights am 30. September in Zahedan 63 Menschen bei dem Versuch erschossen, drei Polizeistationen zu erstürmen.

... Der Oberste Führer Ali Chamenei erklärte vor Kadetten in Teheran, dass der Tod von Mahsa Amini nicht Ursache der Unruhen sei, sondern ,,dass diese Unruhen und Unsicherheiten von Amerika und dem zionistischen Regime und ihren Mitarbeitern geplant" worden seien. Chamenei ergänzte u. a. Zu den ,,gewalttätigen Ausschreitungen" gegen den iranischen Staat sei es gekommen, weil ,,jemand Unsicherheit auf den Straßen" geschürt habe.

...


Seite ,,Proteste im Iran seit September 2022". In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. Oktober 2022, 18:23 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Proteste_im_Iran_seit_September_2022&oldid=226846930 (Abgerufen: 8. Oktober 2022, 16:43 UTC)
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