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[Emanzipation, Selbstbefreiung, Geschlechterforschung (Notizen)... ]

Started by lemonhorse, October 08, 2008, 04:05:12 PM

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Quote[...] Im Tierreich rüsten die Männchen auf, um Weibchen zu erobern. Sie demonstrieren Stärke, Kraft, lautes Geschrei. Manche singen in hohen Tönen, manche sehen rot. Sie zeigen ihre Eier, ihre Kampfbereitschaft, ihr Gemächt. Das ist, was Russland tut. Seine Eier sind aus Stahl. Sein Sperma ist Schwarzpulver.

150.000 Soldaten mit schwerem Gerät hat Russland an die Grenze zur Ukraine verlegt. Laut US-Geheimdiensten reicht das, um siegesgewiss in die Ukraine einzumarschieren und die Regierung dort zu stürzen, was eines der Szenarien ist.

In endlosen Kolonnen fahren russische Militärfahrzeuge und Panzer an der 2.295 Kilometer langen russischen Grenze zur Ukraine auf. Und an der 1.084 Kilometer langen zwischen der Ukrai­ne und Belarus, denn auch Belarus ist involviert. Von drei Seiten bedrängt Russland sein Nachbarland.

Die demonstrierte Macht der Panzer mit ihren phallischen Kanonenrohren und der Kampfflugzeuge mit ihren geschürzten Schnauzen wirkt obszön. Sie richten sie auf die Ukraine; Ukrayina. In Sprachen mit grammatischem Geschlecht ist die Ukraine weiblich. Die Ukraine also – aber selbst wenn das Land die Frau ist, ist dies kein Freibrief, sie mit Gewalt zur Vereinigung zu zwingen: ,,Nein heißt Nein."

Auch im Tierreich wird vergewaltigt. Also gilt der Vergleich vom Anfang des Textes. ,,Häufig attackieren die Männchen die Weibchen in Gruppen, was dramatische Folgen haben kann" – für manche Weibchen gar tödliche. So ist es auf der Webseite der ARD-Sendung ,,Planet Wissen" zu lesen. Delfine, Fledermäuse, Stockenten sind auf Gang-Bang aus.

Bereits mehrfach wurde die Ukraine bezwungen. Befragen Sie die neuere deutsche Geschichte. Und die russische. Beide Länder haben sich die Ukraine zeitweise einverleibt. Unsere Urgroßväter, Großväter, Väter haben das Land erobert und vergewaltigt. Im Wörtlichen und Übertragenen. ,,We live in Bloodland", wir leben im Blutland, sagte die ukrainische Autorin Hanna Hrytsen­ko, die zu Faschismus und der neuen Rechten forscht, als sie mich im vergangenen Herbst durch die Schlucht von Babyn Jar führte, diesen Ort, wo die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende erschossen.

Vor Jahren habe ich meinen inzwischen verstorbenen Vater, der Wehrmachtssoldat war, auch im Osten, gefragt, ob er im Krieg vergewaltigt hat. ,,Nein. Aber einmal hätte ich gekonnt, nur war ich zu besoffen."

Wenn ich das erzähle, wird mitunter mit Unverständnis reagiert: ,,Warum willst du das wissen?" Und: ,,Was hast du davon?" – Ja, was? Wie anders als durch Fragen, komme ich seiner Wirklichkeit näher? Ich bin eine Frau. Ich will nicht vergewaltigt werden.

Die Panzer, die Russland auffährt, die Kanonenrohre, die Putin zeigt, in ihrer Obszönität sind sie im Grunde lächerlich, wenn sie nicht so sehr die Integrität derer, die sie als Beute auserkoren haben, verletzen würden.

Mich erinnert das an den Mann, der auf einem weitgehend leeren Bahnsteig einer Berliner U-Bahn steht. Nur er und ich. Er trägt einen Mantel; die Hände in den Taschen. Es ist sein unruhiger, nach allen Seiten gehender Blick, der irritiert; er checkt die Umgebung. Langsam kommt er näher. Plötzlich schiebt er mit den Händen, die er in den Taschen hält, als wolle er sogleich eine Waffe ziehen, und das tut er ja auch, den Mantel auseinander und richtet seinen stehenden Schwanz auf mich. Seine Jeans ausgeschnitten rund ums Gemächt. ,,Du Drecksau!", brülle ich: ,,Ich will dein Kanonenrohr nicht sehen." Da kommt Gott sei Dank die U-Bahn. Krieg ist das Ding mit Schwanz.

Der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Krieg, Faschismus und toxischer Männlichkeit. ,,Männerphantasien" heißt sein bekanntes Buch. Letzten Herbst hat er bei der Verleihung des Ador­no-Preises in der Dankesrede einen Satz seiner Frau zitiert: ,,Männer werden zivilisiert durch Frauen; egal wo auf der Welt." Im Umkehrschluss heißt das: Wer nicht zivilisiert werden will, muss Frauen bekämpfen.

Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz mir nichts dir nichts auf die Ukraine zu übertragen. Denn das würde bedeuten, dass dort nicht auch Männer wären, die kämpfen wollen – und es in der Ostukraine seit Jahren tun. Prorussische Separatisten und ukrainische Streitkräfte bekriegen sich dort. Nur geht es in diesem Text nicht um Stellungskämpfe, hier geht es um die Obszönität der russischen Militärinszenierung.

Alles hängt mit allem zusammen. So wie der Armeeaufmarsch rund um die Ukraine derzeit stattfindet, ist es wie ein Déjà-vu.

Russland und Belarus beginnen inmitten von Ukraine-Krise mit Militärmanöver (10.02.2022)
https://www.youtube.com/watch?v=qSkQqZFFLgQ

Die Filme der auf gefrorenem, leicht schneebedecktem Boden auffahrenden Kriegsmaschinerie wirken durch das winterliche Schwarz-Weiß der Umgebung wie die Schwarz-Weiß-Filme der Wehrmacht. Die gleiche donnernde Martialität. Auf gleiche Weise wird Stahl und Metall, wird gepanzertes Gefährt und tonnenschweres Gerät, wird Manpower und Testosteron in Szene gesetzt. Es wirkt wie ein Rückgriff ins letzte Jahrhundert. In Europa aber wurde genug Krieg geführt. Niemand will das mehr. Niemand will versehrte Menschen, zerstörte Städte, sinnlose Tote. Krieg ist das Ding mit Bart.

Werden in diesem Jahrhundert Orte zerstört und Menschen getötet, liegt es nicht am Krieg, sondern an der zivilen Zerstörung im Frieden. Die Erderwärmung ist der Killer. Dass sich die Erde erwärmt, hat mit einer ähnlichen Maschinenverliebtheit zu tun, wie die stahlhelmbesoffene Kriegsmaschinerie im letzten Jahrhundert. Trotzdem sind die Herausforderungen jetzt andere. Es geht nicht um Eroberung einzelner Länder, von Putin begründet aus Sicherheit; es geht um die Rückeroberung sicherer Lebensbedingungen für alle. Krieg zwischen Ost und West macht unter den Bedingungen keinen Sinn. Beide Blöcke brauchen den Planeten.

Aus einem weiteren Grund ist die militärische Machtdemonstration von Russland wie aus der Zeit gefallen: Denn auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen hat sich verändert. Heute ist es möglich, die Gewaltstrukturen zwischen den Geschlechtern öffentlich zu diskutieren. Und: Männer hören zu, wenn Frauen sprechen. Nicht alle, aber immer mehr. Sein Gemächt auf eine Frau richten? Gesellschaftlich ist es kein Kavaliersdelikt mehr, sondern ein No-go.

Annalena Baerbock, ,,diese junge Dame, die unsere neue Außenministerin ist", wie Christoph von Marschall vom Tagesspiegel sie patronierend in einem Fernsehinterview titulierte, habe sich, als sie das umkämpfte Separatistengebiet in der Ost­ukrai­ne besuchte, ,,nicht besonders wohl" gefühlt. Man sehe, ,,dass das nicht ihre Welt ist", meint er. Wessen Welt das Kämpfen aber ist, insinuiert sein Statement: die der Männer.

Diese Frau Baerbock aber sagte einen bahnbrechenden Satz beim Staatsbesuch in Ägypten, der von keinem Außenminister je kam: ,,Nur wo eine Frau sicher ist, sind alle Menschen in einer Gesellschaft sicher."

Baerbock ist kaum im Amt, schon ist sie mit einem brandgefährlichen Konflikt konfrontiert, in dem Männer ihre geschwollenen Kämme zeigen. Was macht sie? Sie deutet, wenngleich in einem anderen Krisengebiet, dem in Nahen Osten, mit dem Finger auf Zusammenhänge, die im Kriegsdiskurs so nicht vorkommen. Und sie redet. Redet, wie andere auch, mit allen am Konflikt Beteiligten. Denn der Faden darf nicht abreißen. Konfliktlösung hat viel mit Gespräch zu tun und nicht damit, zur Waffe zu greifen.

Scheherazade hat es vorgemacht, als sie redete, bis der Aggressor, ihr eigener Mann, davon abließ, sie umzubringen. Sie hat von anderen Situationen berichtet, in denen Probleme mit Klugheit pariert wurden, um ihn aus seiner Fixierung, dass all seine Frauen untreu seien und umgebracht gehören, zu lösen. Da ist sie wieder, die Analogie, erscheint Putin die Ukraine doch untreu, weil sie mit der Nato ins Bett möchte.

Reden ist eine weibliche Konfliktlösungsstrategie. Dass in der gegenwärtigen Situation auf der internationalen politischen Bühne alle Akteure weiterhin miteinander reden, macht Hoffnung.

,,Hope is the thing with feathers" [https://www.youtube.com/watch?v=-TbqRaBY9K0]– Hoffnung ist das Ding mit Federn – das ist die erste Zeile eines Gedichts der Lyrikerin Emily Dickinson. Sie lebte im 19. Jahrhundert und gilt als die berühmteste amerikanische Dichterin.

Der Aufbau der Thesenzeile dieses Textes, ,,Krieg ist das Ding mit Gemächt", kopiert Dickinsons Vers. Ihr Gedicht beschreibt, dass Hoffnung widerständig ist, auch unter schlimmsten Bedingungen. Und sie spricht darüber, dass Hoffnung nichts von einem verlangt. Sie ist einfach da.

Auch die Hoffnung auf Frieden.


Aus: "These zur toxischen Männlichkeit: Krieg ist das Ding mit Gemächt" Kommentar von Waltraud Schwab (20. 2. 2022)
Quelle: https://taz.de/These-zur-toxischen-Maennlichkeit/!5833610/

Waltraud Schwab (* 29. Februar 1956 in Oberrimsingen (Breisgau))
https://de.wikipedia.org/wiki/Waltraud_Schwab

QuoteIgnaz Wrobel

Wenn Panzerkanonen phallische Symbole sind, die durch toxische Männlichkeit bewegt werden, was symbolisieren dann Schächte in Kampfjets, aus denen Bomben fallen?


QuoteBoandlgramer

Frauen mögen noch nicht so viele Gelegenheiten gehabt haben, um erektionslos Kriege zu führen - aber mir fallen da ein paar Beispiele ein, in denen Frauen mindestens so gewalttätig agierten wie in Rede stehenden Männer: Angefangen bei den Königinnen der europäischen Monarchien über Margret Thatcher und die Falklandinseln, Hillary Clinton oder Madeleine Albright, denen man, weiß Gott, keine mäßigende Wirkung auf die imperiale Vorherrschaft der USA unterstellen kann...

Ich halte Gerhard Schröder auch für einen alten Trottel, aber er weigerte sich als Penisträger ohne Evidenz mit in den Irak einzufallen, wohingegen sich die Muschi - äh, nein - Mutti Merkel dem Bush damals schamlos an den Hals warf...

Man sollte Frauen fraglos die Gelegenheit zum Scheitern bieten - aber das wird die Welt nicht per se verbessern.

Und die schlechte Welt jetzt nur mit toxischer Männlichkeit zu (v)erklären, sagt auch eher was über die Erklärerin als über die Welt.

Blöd ist nur, dass man immer erst nach dem Lesen weiß, dass es einen nicht interessiert hat... ;)


QuoteDarmok Jalad

Ich bin der Überzeugung das Putins Männlichkeitsbild ein nicht unwesentlicher Faktor in seinem Handeln ist, aber zu diesem Kommentar fällt mir nur ein:

,,Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel"


QuoteWilli Müller alias Jupp Schmitz

"Hoffnung ist das Ding mit Federn". Danke Frau Schwab für diesen Sinn stiftenden, einfühlsamen Artikel, auch für den Hinweis auf Emily Dickinson.

Trotz allem Relativieren schließt sich der Kreis mit

"Hoffnung ist das Ding mit Federn"!


QuoteColonel Ernesto Bella

Der seid einigen Jahren anhaltende Hype um Theweleits Männerphantasien führt zu seltsamen Verwirrungen. Das Buch ist toll, die Kombination von Text und Bild, seine Charakterstudien und Darstellungen von Charaktermasken mit Beispielen aus Kunst, Propaganda, Populärkultur, diese ganze Art der der Anschaulichkeit und Argumentation ist fantastisch. Das Buch ist perfekt in der Erklärung faschistischer, nationalistischer, kapitalistischer männlicher Charaktere, ihrem Habitus, ihrer Kultur, ihrer Sexualutät, ihrer Phantasien, ihrer Ideologie. Aber, es taugt halt wenig zur Erklärung des Faschismus, es taugt wenig um das geopolitische Gerangel der Nationen zu begreifen, es taugt nicht dazu die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu begreifen, Imperialismus, Nationalismus, bürgerliche Ideologie usw. Man sollte sich die Grenzen der Aussagefähigkeiten von Theweleits Männerphantasien bewusst machen, sonst stiftet man sich nur unnötige Verwirrungen, schafft es aber nicht eine richtige Kritik herrschender Verhältnisse zu formulieren.


QuoteZeuge14

@Colonel Ernesto Bella Lieber Colonel, wahrscheinlich schauen sie (mal wieder eben) aus männlichem Blickwinkel; lässt mich ihr Kommentar vermuten, gele - oder?

Die Autorin schriebt ja selbst: ""Aber so einfach ist es auch nicht, diesen Satz... "" Es geht im Artikel eben genau um eine erweiterte Sicht, die eben (auch) das typisch männliche an der putinschen Haltung offenbart... gab es da nicht ein entsprechendes Bild "auf Pferd, mit (zudem aufgerichteter) Knarre und blankem Oberkörper. Und das es nicht nur um Theweleits Konzepte in dem Beitrag geht, ist doch klar....Doch mit "Aber, es taugt halt wenig..." wischen Sie so mal eben den ja richtigen Aspekt vom Tisch. Ein rhetotisch "nettes" Mittel, aber hier an dieser Stelle eben wieder mal "so eben und nebenbei" Ausdruck männlicher Arroganz, oder?


QuoteSandor Krasna

@Zeuge14 Das Problem an dieser erweiterten Sicht, ist doch, dass das Bild halt schief wird, wenn einerseits die Weiblichkeit der Ukraine konstruiert wird, aber das Geschlecht des "Mütterchen Russlands" unterschlagen wird. ...


QuoteMichael Myers

Es gibt nur wenige Länder, in denen es ein so massives Problem mit häuslicher Gewalt gegen Frauen gibt. Es gibt noch nicht einmal ein Gesetz, das häusliche Gewalt bestraft. https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4usliche_Gewalt_in_Russland

Putins toxische Männlichkeit hat durchaus ihre Entsprechung in der russischen Mehrheitsgesellschaft.


...

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Quote[...] Toxisch heißt so viel wie giftig oder schädlich. Der Begriff der toxischen Männlichkeit kommt aus dem Feminismus. Das Konzept beschreibt, so hat es das feministische "Missy Magazine" schon 2018 im Zuge der Debatten rund um Donald Trump oder #MeToo zusammengefasst, eine Gender-Norm, die folgendes Verhalten und Selbstbild umfasst:

Erstens: Männer dürfen keine Schwäche zeigen, Gefühle nur, wenn es um Wut und Aggression geht.

Zweitens: Konflikte werden durch Gewalt gelöst, nicht etwa durch Kooperation oder Kommunikation. Es geht im Umgang mit anderen vor allem um Konkurrenz und Dominanz. Es wird verlacht, verurteilt und verletzt. Mit toxischer Maskulinität werden deswegen auch Sexismus, Misogynie, Homo- und Transfeindlichkeit assoziiert.

Drittens: Ein Mann muss in diesem patriarchalen Rollenbild einem maskulinen Ideal entsprechen und seine (heterosexuelle) Männlichkeit immer wieder unter Beweis stellen, mithilfe von Hierarchien, Ritualen oder Mutproben.

... Toxische Männer schaden nicht nur Frauen, Minderheiten und Gruppen, die sie unterdrücken und diskriminieren. Sie schaden auch anderen Männern und sich selbst. In der Geschlechterforschung werden Einsamkeit, soziale Isolation, Depressionen und erhöhte Suizidraten als Folgen toxischer Männlichkeit genannt. Die Lebenserwartung von Männern, etwa in Russland, ist geringer als die von Frauen. Alkohol, Gewalt, Suizid und Verkehrsunfälle sind Gründe. Jetzt werden sie in einen Krieg geschickt, der so nicht genannt werden darf. Am Ende zahlen auch sie den Preis für Putins Politik der toxischen Männlichkeit.

Und Putin? Der Krieg habe ihn groß gemacht, schrieb der US-Schriftsteller Jonathan Littellam vergangenen Samstag in der Welt, "ein Krieg wird ihn auch zu Fall bringen". (Mia Eidlhuber, 8.3.2022)


Aus: "Das Gift der narzisstischen Männer" Mia Eidlhuber (8. März 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133917318/das-gift-der-narzisstischen-maenner

Quote
Martin Kaffanke
8. März 2022, 07:16:04

Wie ein Mann sein soll sehen wir auch im Fernsehen/Kino/Netflix und co. Solange überall diese "Helden" als männlich gelten, die durch die Welt jagen und mit Gewalt ihre Bedürfnisse abarbeiten, werden wir kein neues Männerbild bekommen.


Quote
10318_1110, 8. März 2022, 07:14:57

"man muss das Geschlecht welches laut Artikel Leid bringt anscheinend laut betonen"

Sie haben den Text nicht verstanden. Es geht nicht um das Geschlecht und nicht um "die bösen Männer", sondern um ein bestimmtes Verständnis von Männlichkeit - und dieses Verständnis gibt es sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

"Alle toxischen Männer haben oder hatten eine Mutter die sie hätte zu einem besseren Menschen erziehen können."

Genau, denn der Vater hat mit der Erziehung bekanntlich rein gar nichts zu tun!


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ungleiches Gleichnis, 8. März 2022, 06:52:03

Ich halte diese Einzeltätertheorien nicht für sinnvoll
Es waren nicht Hitler, Stalin, Mao, Putin, Pinochet, ... alleine.

Es waren und sind keine Einzelakteure im luftleeren Raum. Es geht dabei immer zumindest um ein enges Umfeld an gleichgesinnten Unterstützern und um ein sehr breites Umfeld innerhalb einer gesellschaftlichen, ähnlich gesinnten Masse. Hinzu kommt idR eine sehr große Menge, die zumindest so weit konform geht, dass Widerstand faktisch ausgeschlossen ist.

Lassen wir uns also keinen Sand in die Augen streuen. Es ist nicht Putin und es ist nicht seine Partei. Viel mehr geht es um die "Gesellschaft". Darum wie Menschen mit ihren Ängsten gesteuert werden können. Wie Macht dadurch Ohnmacht erzeugen kann. Es sind vielmehr die Strukturen, als die letztendlichen Täter.



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Franz Salz

Ganz einfach erklärt!
Toxische Männlichkeit entsteht dort, wo das rücksichtsloseste, das gewalttätigste und das lauteste Männchen, die größte Anerkennung, die schönsten Weibchen und das beste Fressen bekommt.
Also in den Reservaten der alten Werte und jeder weiß wo die sind!
Wir in der West-Europa aber auch in anderen Ländern, also zumindest ein Teil von uns, versuchen mit Kultur, Bildung und Wissenschaft diese unheilige Allianz aus Gewalt und Religion zu brechen, um so den Herausforderungen der Zukunft standzuhalten.
Es funktioniert noch nicht so gut wie wir es gerne hätten!
Auch bei uns sitzen viele noch auf den Bäumen und lassen sich nicht herunterlocken aber immerhin wir versuchen es und bewerfen andere nicht mit unserer Scheiße!


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Paul Hoerbiger

Wir können nur kulturelle Ausformungen ändern, nicht aber unsere Instinkte in Bezug auf sexuelle Anziehung, die sich in Millionen Jahren Evolution herausgebildet haben


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Postingnamekannnichtgeändertwerden

Ich habe mich schon öfter gefragt, ob es Eroberungskriege gegeben hätte oder gäbe, wenn mehrheitlich Frauen das Sagen hätten.


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titus lucretius carus

,,Männer dürfen keine Schwäche zeigen, Gefühle nur, wenn es um Wut und Aggression geht."

männer zählen in bewaffneten konflikte noch immer nicht zur vulnerablen gruppe, da greift man dann gern auf das sonst verhasste männerbild zurück...


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Jenesaisquoi

Das ist wahr. Da greift ,,Mann" dann gerne darauf zurück. Ich möchte aber erwähnen, dass ich in den letzten Tagen mindestens drei Artikel/Diskussionsbeiträge von Frauen gelesen haben, die genau das kritisiert haben - auch im aktuellen Fall der Ukraine. Auch Männer haben durchaus ein Recht auf Flucht. Es gibt ja auch Frauen, die zu den Waffen greifen.


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dcdw_thx1138

Mütter machen Männer.


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Leonid Leonid

Väter machen Männer


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The Librarian

Männer machen Männer


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Durchdenken

Medien machen Männer.


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Don Federico

Mama und Papa sind selbst schuld, dass ich wütend bin. Hätten sie mich nur mehr lieb gehabt.


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Ergänzende Fragen

Genau: weil alle Männer so "toxisch männliche" Diktatoren von riesigen Ländern sind. Mit einem Fingerschnippen andere riesige Länder mit der Armee überfallen. Weil ja Frauen in Machtpositionen nicht den Verführungen von Macht & Geld erliegen ; )
Seit auch Frauen die Gelegenheit zu Machtmißbrauch haben, gibt es ihn auch dort. Wie man auch bei österreichischen Politkerinnen - vor allem im rechten Lager - seit Jahrzehnten deutlich sehen kann.

Ich bin für die Emanzipation von ALLEN Menschen im Sinne der Aufklärung - und alle sollen nach ihrer Facon leben. Und das Sexleben der Leute geht mich nichts an - und ich will es auch gar nicht wissen.

Und ich bin gegen die indirekte "Heiligsprechung" von Frauen, Schwulen (da hatten wir schon üble Populisten) und Transvestiten. Wir haben die Gewaltenteilung in unserer Verfassung - weil kein Mensch zuviel Macht haben sollte. Betonung auf Mensch : )


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Jenesaisquoi

Genau. Das ist Feminismus.


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Walbeisser

Übrigens...
...wenn Männer sich nicht-toxisch verhalten, also Empathie, Verletzlichkeit und Sensibilität an den Tag legen, werden sie gerne von Feministinnen (besonders hier im Forum) lächerlich gemacht ("mimimi", "herumheulen", Incel, usw.).
Das finde ich herrlich (sic) ironisch.


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Jenesaisquoi

Gekränkter Narzissmus ist jetzt vielleicht nicht unbedingt die Art Gefühl von der man mehr haben möchte. Und keinesfalls hat das was mit Empathie, Verletzlichkeit und Sensibilität zu tun. Emotionale Inkompetenz heißt nicht, dass man keine Gefühle hat, sondern dass man sich damit nicht auskennt.


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Des Standards wildes Groupie

Gibt es zu "Stutenbissigkeit" eigentlich ein männliches Pendant?


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Dschingis Wahn

Gibt schon einige Analogien aus der Fauna....nur meist mit heroischem Beigeschmack:
Streithähne, Revierkämpfe, Alphamännchen, Silberrücken, Leithamml, Leitwolf, Imponiergehabe...


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Ausgeflippter Lodenfreak

Toxische Männlichkeit ist ein feministisches Konzept um ALLE Männer unter Verdacht zu stellen und zu beschimpfen. Es ist die Allzweckwaffe um bei allem was ein Mann sagt oder tut, was irgendwem nicht passt, das auf sein Geschlecht zurückzuführen. Es ist eine Art Erbschuldmodell für Männer. In seiner völligen Beliebigkeit ist der Begriff auch ungeeignet irgendetwas wirklich zu beschrieben. Außerdem ist er extrem abwertend und man stelle sich vor, jemand würde anderen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe, usw. unterstellen einen toxischen Anteil zu haben. Absurderweise gibt es bei Gender und Feminismus noch nicht einmal toxische Weiblichkeit, obwohl Frauen z.B. auch schon Krieg führten und narzistisch sein können.


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Orjares

Nein

Sie erfinden hier eine Definition und argumentieren dann dagegen.

Toxische Männlichkeit ist eine einzelne Ausprägung von "Mann" unter vielen möglichen. Eine Ausprägung, in der Männer hart sein müssen, keine Ängste haben, Wut die einzige erlaubte Emotion ist, jeder Mann anstreben sollte in der Hackordnung ganz nach oben zu kommen.

Übrigens ist eine Eigenschaft auch, diese Ausprägung als einzig wahre Männlichkeit zu sehen.


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reunion

Wie lange muss man sich dieses Männer-Bashing eigentlich noch geben?


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Da geht noch was

Sind Sie davon betroffen?


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trukazec

Das Forum, wie zu erwarten war, voller getriggerter Kinder. Ich schäme mich schon fast, ein Mann zu sein. Es ist ganz einfach; Wenn ihr nicht Teil davon seid, müsst ihr euch auch nicht angesprochen fühlen. Oder fühlt ihr euch auch angesprochen, wenn es um Mörder, Triebtäter und dgl. geht?


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derbladefranz

alles richtig, aber nicht zu unterschätzen auch die toxische stutenbissigkeit. ;)


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Da geht noch was

Mein Gott sind Sie aber lustig!


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Cap1tal

Wäre Fr. Le Pen Russlands Präsidentin, würden wir uns jetzt in gleicher Situation befinden. ...


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Voestler

Korrekt: ich erinnere an Thatcher und die Falkland Inseln.


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betterknower

Würden die Frauen ihr toxisches Wahlverhalten auch bei uns in Griff bekommen, gäbe es nicht nur in Finnland und Schweden Frauen in der politischen Elite.


Quote
pauletta

ich sags wieder......nehmts euch nicht soooooo wichtig.....und wieder......bedanke ich mich bei all den nicht toxischen männern die grad jetzt im krieg ihren mann stehen, menschen leben retten, wenn sie in tiefe schächte kriechen, feuerwehrmänner, da gibts noch viele.....ohne ein aufheben darum zu machen......arbeitens sie mal in einer abteilung mit nur frauen zusammen, toxischer gehts oft gar nicht. mobbing, intrigen, getuschel..... wurscht wer an der macht ist egal ob mann oder frau, da sinds alle gleich narzistisch ...


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Wieauchnimmer

Narzisstische Frauen sind genauso
am schlimmsten wenn sie Mütter sind.
Noch schlimmer ist es nur wenn sie Single-Mütter sind.


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Wachstumsschmerz

Interessant. Ich brauch mir hier nur die ersten Kommentare durchlesen, schon sehe ich Punkt eins, zwei und drei bestätigt.
Gleich brüllen Alle los: Aber die Frauen sind auch soooooo!!!!

Herrlich


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face_the_truth

"toxische männlichkeit"

diese beschreibung von "toxischer männlichkeit" klingt für mich schlicht nach "a oaschloch sein".
aber wieso brauchts dafür eine neue formulierung? ...


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krendl

Weils unterschiedliche Formen und Ursachen von oaschlöchern gibt.


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face_the_truth

damit kann ich arbeiten


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Quote[...] Im Krieg ist die Welt zweigeteilt. Es gibt die Männer, die angreifen, kämpfen, verteidigen. Und die Frauen, die mit ihren Kindern fliehen oder, wenn ihnen das nicht gelingt, in ihren Häusern auf die Bomben warten oder darauf, dass die Aggressoren kommen, die sie vielleicht vergewaltigen. Denn auch das gehört zum Krieg, und in Kiew und anderswo in der Ukraine könnte das schon bald Realität sein. Nichts scheint sich geändert zu haben seit den drei Kriegen, die uns hierzulande aus den vergangenen Jahrzehnten besonders im Gedächtnis geblieben sind, die beiden am Golf und den in Südosteuropa.

Männer und Frauen sind vom Krieg unterschiedlich betroffen. Das wussten schon die über 1.200 Frauen, die im April 1915 in Den Haag zu einem Friedenskongress zusammenkamen. Erst 85 Jahre und zwei Weltkriege später wurde daraus mit der UN-Resolution 1325 die Konsequenz gezogen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten in kriegerischen Auseinandersetzungen zur Gewaltprävention und zur Verfolgung der Täter. Nicht die nationale Sicherheit ist das Leitmotiv, sondern eine an den Menschenrechten orientierte, wozu auch die Ächtung von Vergewaltigung als Kriegswaffe gehört. Gleichzeitig sollen Frauen adäquat an Konfliktlösungen und Friedensverhandlungen beteiligt und ihre Perspektive berücksichtigt werden. Studien haben gezeigt, dass eine Einigung dann 15 Jahre hält, ein Drittel länger als üblich.

Dabei geht es gar nicht darum, ob Frauen friedlicher seien und deshalb prädestiniert, friedensstiftend zu wirken. Während des Golfkriegs 1991 gab es eine starke Fraktion in der Frauenfriedensbewegung, die sich dies mehr oder weniger explizit auf die Fahnen schrieb, und die Kritik folgte auf dem Fuß.

30 Jahre später ist von diesen Netzwerken nur noch wenig übrig, nicht zuletzt, weil es nun durchaus Frauen gibt in den Entscheidungszonen, selbst in der immer noch männerdominierten Außenpolitik. Ihr eine ,,feministische" Richtung zu geben, verspricht der Koalitionsvertrag, mit Annalena Baerbock als Außenrepräsentantin. Die drei Prozent aus dem Bundeshaushalt für Verteidigung, Entwicklung und Diplomatie sollten möglichst kreativ und keinesfalls für mehr Rüstung ausgegeben werden. Wir wissen heute, wie es darum bestellt ist. Für die zivile Friedenssicherung wird nur wenig übrig bleiben.

Deshalb muss man auch gar nicht darüber spekulieren, dass sich die Außenministerin wie wohl alle ihre Geschlechtsgenossinnen im Amt der nun herrschenden Kriegslogik, der Dominanz militärischer Stärke und der Freund-Feind-Bestimmung nicht wird entziehen können. Gelegentlich hat man sogar den Eindruck, dass die inzwischen in Sicherheitsfragen aufgerufenen Frauen sich noch entscheidungsfreudiger geben und den Militärs nacheifern. Damit, dass Baerbock mit rhetorischem Eifer Europas Einigkeit ,,als Überlebensfrage" bezeichnet, suggeriert die Grünen-Politikerin eine Situation auf Leben und Tod, die zumindest außerhalb der Ukraine nicht realistisch ist.

Sich in solche ausweglosen Entscheidungssituationen treiben zu lassen, ist gefährlich. Gerade hat das Berliner Bündnis Gesundheit aufgerufen, am Internationalen Frauentag gegen die sozialen Auswirkungen von Aufrüstung zu demonstrieren, denn die vielen Milliarden werden fehlen für Care-Arbeit, Daseinsvorsorge und Klimaschutz. Und es ist in diesem Zusammenhang kein Zufall, dass nun auch wieder die Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Menschen aufkommt.


Aus: "Ist Krieg reine Männersache?" (Ulrike Baureithel | Ausgabe 09/2022 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/internationaler-frauentag-ist-krieg-reine-maennersache

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Spieglein an der Wand | Community


Möglicherweise liegt es eben nicht daran, ob es sich um Männer oder Frauen handelt; es sind alles Subjekte der Macht - also machtafine Menschen - die zur Macht streben. Die somit auch die Mechanismen verinnerlicht haben, die dazu führen, dass Menschen Macht erlangen und ihre Macht behalten.


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Armin Christ | Community

Die Olivgrüne Militaristin Göring-Eckard wurde in der Aufzählung vergessen. Und wenn es schon über den Tellerrand hinausgeht. Wo bleibt Frau Albright und wo Killary Clinton ?


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Quote[...] Es gehört wohl zum größten Grauen, das Eltern sich vorstellen können: Das Kind wird in den Krieg geschickt und verschwindet. Keine Nachricht mehr, über Wochen, und immer der ungeheure Verdacht, es könnte gefallen sein.

So geht es derzeit vielen russischen Müttern und Vätern, die um ihre Söhne bangen. Sie suchen sie auf Onlineportalen und scannen Kriegsfotos.

Eine Gruppe von Frauen aus der Ukraine und Russland hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Eltern zu helfen. Laut der deutschen Partnerorganisation identifizieren ukrainische Frauen zurzeit die Leichen russischer Soldaten. Noch wissen sie nicht, wohin mit den toten Körpern. Aber sie sollen zurück nach Hause, zu ihren Müttern. Auch das wollen die Frauen aus der Ukraine organisieren.

Es ist ein kalter Februar­abend in Berlin. Vier Frauen aus der Ukraine und Russland sitzen zusammen bei einer Podiumsdiskussion, zwei in Berlin, zwei online zugeschaltet aus der Ukraine, und erzählen von ihrer Arbeit. Die umfasst nicht nur Leichen identifizieren, sondern auch Brot backen. Es ist Friedensarbeit. Weil diese zur Zeit besonders gefährlich ist, steht hier nicht der Name der Initiative, die Frauen tragen nicht ihren echten Namen.

Eine der vier Frauen ist Anastasia Danylenko. Sie lebt in der Ostukraine, seit acht Jahren tobt der Krieg vor ihrer Haustür. Danylenko und eine russische Kollegin sind einen Tag nach der Invasion nach Berlin gereist, um über ihre Initiative zu sprechen. Nun sitzen sie fest. Die Rückreisen in die Ukraine und nach Russland sind momentan schwierig. Das auszuhalten, fällt ihnen sichtlich schwer. Permanent klingeln ihre Handys und zeigen Nachrichten von Familie und Freunden aus der Heimat.

Der Krieg in der Ukraine hat auf sehr brutale Weise klassische Geschlechterrollen sichtbarer gemacht: Männer erschießen, Frauen kümmern sich um die Leichen. Männer ziehen an die Front, Frauen tragen ihre Kinder über die Grenze. In Talkshows und auf Zeitungsseiten erklären Männer Militärstrategien. Und hinter der ukrainischen Grenze verteilen polnische und slowakische Frauen Tee und Salamibrote an geflüchtete Ukrainer*innen.

Ganz so eindeutig ist es natürlich nicht. Aber wer sich in der ukrainischen Community in Berlin umhört, bekommt auch den Eindruck, dass es hier gerade vor allem Frauen sind, die zur Solidarität mit der Ukraine aufrufen. Sie sprechen bei Demos, schreiben Spendenlisten und suchen Schlafplätze für Geflüchtete. Man könnte sagen: Sie leisten Care-Arbeit in einem Krieg.

Vor dem Pilecki-Institut am Brandenburger Tor in Berlin weht am vergangenen Dienstag eine ukrainische Fahne neben einer polnischen. Das Pilecki-Institut ist ein polnisches Kultur- und Forschungszentrum. Gerade ist dort eine Ausstellung über den jüdischen Juristen und Friedensforscher Rafał Lemkin zu sehen.

Im Erdgeschoss laufen an diesem Vormittag viele Menschen herum. Sie reden hektisch miteinander, telefonieren, tragen Tüten und Kartons rein und raus. Sie sind nicht für die Ausstellung gekommen, sie leisten von hier aus Hilfe für die Ukraine: sammeln Medikamente, Verbandsmaterial, Thermoskannen, Isomatten, Windeln. Sie beordern Busse an die ukrainische Grenze, organisieren Demos und Gespräche mit Politiker*innen. Das Pilecki-Institut hat dafür seine Räume zur Verfügung gestellt.

Es sind vor allem junge Leute zwischen 20 und 30 da. Sie tragen weiße Turnschuhe, große Kopfhörer, Hawaiihemden. Sie nennen sich ,,Ukrainischer Widerstand" und stammen aus verschiedenen Initiativen von Exil-Ukrainer*innen in Berlin: ein Pfadfinderverband, ein deutsch-ukrainischer Kinoklub und Vitsche, eine neu gegründete Gruppe junger Ukrainer*innen.

Iryna ist eine von ihnen. Ihren Nachnamen will sie nicht nennen, um sich zu schützen. Eigentlich studiert sie in Frankfurt an der Oder Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas. Seit fünf Jahren wohnt sie in Berlin, ihre Familie lebt noch im Zentrum der Ukraine. Im ,,ukrainischen Widerstand" engagiert sie sich erst seit wenigen Tagen.

,,Als Putin in seiner Fernsehansprache der Ukraine ihr Existenzrecht abgesprochen hat, konnte ich nicht länger rumsitzen", sagt sie. Im Internet sei sie auf die Gruppe Vitsche gestoßen, seitdem sei sie dabei.

Es stimme, sagt Iryna, dass es vor allem Frauen sind, die zur Zeit für Solidarität mit der Ukraine werben. ,,Das liegt vielleicht daran, dass die Frauen häufiger öffentlich sprechen." Im ukrainischen Widerstand seien aber auch viele Männer und vor allem Queers organisiert. ,,Solidarität ist keine Frage von Geschlecht."

Anastasia Danylenko aus der Ostukraine nimmt das anders wahr. In ihrer Friedensgruppe engagieren sich explizit nur Frauen. Sie seien ganz unterschiedlich aufgewachsen, erzählt Danylenko. Manche stammen aus Kiew, andere aus Dörfern in der Ostukraine. Was sie eint: Sie bauen die vom Krieg zerstörten Städte wieder auf.

Wie damals, als in einer Stadt im Donbass die Brotfabrik zerbombt wurde. ,,Wir wussten, diese Stadt braucht Brot. Also haben wir Frauen uns gegenseitig gezeigt, wie Brot gebacken wird", sagt Danylenko. Viele kleine Bäckereien seien so in der Stadt entstanden. Andere Frauen aus der Westukraine hätten Frauen im Osten gezeigt, wie man einen Pizzalieferservice aufbaut und damit Geld verdient.

Die Männer hingegen säßen deprimiert zu Hause und warteten ab, ob die Bomben heute ihr Haus treffen. Oder sie kämpften an der Front. Wenn sie nach Hause kämen, würden sie als Helden gefeiert. Wie die neuen Machthaber – ebenfalls alles Männer. ,,Dabei haben wir Frauen die Stadt wiederbelebt", sagt Danylenko.

Dass Frauen anders von Kriegen betroffen sind als Männer, beschäftigt die Politik und die Wissenschaft schon lange. Frauen werden häufiger Opfer von sexualisierter Gewalt, erleben erzwungene Schwangerschaften und Zwangssterilisation, leiden meist nicht nur psychisch, sondern auch wirtschaftlich an der Verschleppung männlicher Verwandter.

Dass Frauen aber auch als Akteurinnen in Friedensprozessen eine besondere Rolle zukommt, das haben die Vereinten Nationen vor gut 20 Jahren anerkannt. Einstimmig hat der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2001 die Resolution 1325 ,,Frauen, Frieden und Sicherheit" verabschiedet. Sie ruft die Mitgliedsstaaten auf, in Kriegs- und Krisengebieten die Rechte von Frauen zu schützen und Frauen stärker in Friedensverhandlungen und Wiederaufbau einzubinden. Es geht dabei nicht bloß um die Frauenquote. Verschiedene Konflikte auf der Welt haben gezeigt, dass der Frieden stabiler ist, wenn Frauen an dessen Aushandlung beteiligt sind.

Daran glaubt auch Anastasia Danylenko. Als Feministin sieht sie sich trotzdem nicht. Viel wichtiger ist ihr: Sie sei zwar eine Frau im Kriegsgebiet, aber deswegen kein Opfer. ,,In der Opferposition richtet man sich ein, da rauszukommen ist nicht leicht", sagt sie.

Zu der Podiumsdiskussion, auf der sie in Berlin spricht, werden auch zwei weitere Frauen ihrer Friedensinitiative dazugeschaltet. Sie sitzen in der Ukraine. Sie schätzen die akute humanitäre Hilfe und die vielen Spenden, die im Rest der Welt gesammelt werden, sagen sie. Trotzdem: Eine dauerhafte humanitäre Hilfe bediene den Krieg. Es sei ein Problem, dass die internationale Staatengemeinschaft nicht auf Prävention, sondern auf Reaktion ausgelegt sei. ,,Die Ukraine braucht keinen Fisch, sondern eine Angel", sagt eine der beiden. Für einen kurzen Moment bricht ihre Verbindung ab – Bombenalarm in ihrer Stadt.

Bis wieder an Prävention gedacht werden kann, unterstützen sich die Frauen weiterhin in ihrer akuten Not. Vor wenigen Tagen habe es schwere Angriffe auf einen Ort an der russisch-ukrainischen Grenze gegeben. In einem Krankenhaus sei das Insulin ausgegangen. Zusammen haben es die Frauen geschafft, Insulin aus Russland in das Krankenhaus zu bringen.


Aus: "Weibliche Solidarität: Care-Arbeit im Krieg" Anne Fromm, Sophie Fichtner (8. 3. 2022)
Quelle: https://taz.de/Weibliche-Solidaritaet/!5838894/

QuoteAlfonso Albertus

Ansonsten meistens an der Seite der Frauen, aber aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine finde ich diesen Artikel unglaublich unangemessen!
Der männliche Cousin einer ukrainischen Freundin zieht gerade in den Kampf und wird vielleicht sterben-weil er als Mann in der Ukraine bleiben muss!
Seine Frau befindet sich dagegen auf dem Weg nach Deutschland. Kann sie als Frau.
Wäre es möglich dieses Thema einfach mal nicht für die eigene Agenda nutzen zu wollen?
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QuoteCrushedIce

Genau so gut könnte man einen Artikel darüber schreiben warum denn überhaupt überwiegend Männer an der Front kämpfen.
Die "klassische" Rollenverteilung spielt eben immer noch eine Rolle.


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Quote[...] Warum hat das Putin-Regime in offen imperialistischer Manier die Ukraine überfallen?

Wenn es nach Kommentator:innen in rechtskonservativen Kreisen geht, ist ein wesentlicher Teil des Problems, dass westliche Staaten zu verweichlicht, zu politisch korrekt, zu liberal seien. So schreibt Markus Somm in der «SonntagsZeitung» vom 27. Februar, wir alle hätten so getan, als «bestünden unsere dringendsten Sorgen nach wie vor darin, ob es auch Velowege in Schwamendingen gibt oder in unseren Formularen das Gendersternchen oft genug auftaucht, sodass niemand sich verletzt fühlen muss». Der Westen, konstatiert Somm, sei «krank»: «Eine schwächliche, verzagte Generation, die sich lieber selber umbringt, als sich zu wehren.»

Roger Köppel kommt am 26. Februar in der «Weltwoche» online zum Schluss, die «rotgrüne Scheinwelt» breche nun zusammen: «Der Westen muss wieder über Panzer, Energie und Wirtschaft sprechen statt über Windräder und Gendertoiletten.» Die Politologin Regula Stämpfli diagnostiziert einen Tag zuvor auf nebelspalter.ch, dass der Westen die Geopolitik vernachlässigt habe, weil wir über «irrelevanten Scheiss» redeten. Was für «irrelevanten Scheiss» genau? Zum Beispiel die Frage, «was eine Frau und was ein Mann» sei. Und Urs Gehriger beklagt am 25. Februar auf weltwoche.ch, militärische Rüstung sei «im Zeitalter von Gender-Wahn, cancel culture und Öko-Fetisch» nicht «en vogue». Diese Schwäche des Westens habe Putin darin bestärkt, seinen Angriffskrieg zu lancieren.

Der Westen, so der Tenor, befinde sich im Zerfall. Unsere Gesellschaft sei derart liberal und progressiv, dass sie sich selbst abschaffe und die Bühne Potentaten wie Putin überlasse, die bodenständig geblieben seien. Dieses Deutungsmuster ist inhaltlich offensichtlich Humbug – die Militärbudgets und die Feuerkraft der Nato-Mitgliedsländer übersteigen jene von Russland um ein Vielfaches. Dass sich diese Argumentation jedoch in der Schweiz so durchgesetzt hat, weist auf ein grösseres Problem hin: Die Vorstellung, Russland sei stark, weil der Westen dekadent sei, zeugt davon, wie erfolgreich die antidemokratische Kreml-Propaganda der letzten zehn Jahre war.

Im ersten Jahrzehnt der Putin-Ära war Russland eine verhältnismässig technokratische Autokratie, die deutlich weniger reaktionär-nationalistische Züge trug als heute. Den grossen Umschwung brachte die Zeit um 2011 und 2012, die von Protesten gegen Putin und seine Regierung gezeichnet war. Als Reaktion setzte der Kreml ab circa 2013 auf eine Strategie reaktionärer Propaganda, die auf Traditionalismus und Konservatismus setzte. Dadurch sollte das russische Demokratiedefizit innenpolitisch gerechtfertigt und nationale Geschlossenheit markiert werden. Der demokratische Westen, so die Propaganda, zerfalle ob seiner liberalen Prinzipien der Offenheit und Toleranz. Dieses Schicksal solle Russland nicht ereilen, und darum würde die drohende westliche Dekadenz durch Tradition, Nationalstolz und Christentum bekämpft. Das Vokabular der Propaganda war dabei von Anfang an jenes, das rechtskonservative Kreise in ihren Dekadenzdiagnosen heute verwenden. Der Liberalismus des Westens, so Putin im Jahr 2013, sei «genderlos und unfruchtbar».

Diese reaktionäre, antidemokratische Staatsideologie war aber nicht bloss als innenpolitische Propaganda konzipiert. Das Bild von Russland als konservativem Rettungsboot in einer Welt, die von Feministinnen, von Schwulen und trans Menschen, von nichtweissen muslimischen Migrant:innen kaputtgemacht werde, wurde auch aktiv nach aussen projiziert.

Mit durchschlagendem Erfolg: Der globale Desinformationsschlauch des Kreml, der von Social-Media-Trollen bis zu staatlichen Propagandamedien wie RT (ehemals Russia Today) reicht, in Kombination mit der «Flüchtlingskrise» von 2015 als Propaganda-Brandbeschleuniger, verfestigte in westlichen rechtskonservativen bis rechtsextremen Milieus das Bild von Russland als starkem Gegenpol und Gegenentwurf zum Westen, der unter seiner moralischen Beliebigkeit kollabiere. Und um Wladimir Putin, den Architekten dieser vermeintlichen konservativen Renaissance, der die westliche Zivilisation rette, bildete sich ein weltumspannender Personenkult.

Was lernen wir aus dieser Episode? Propaganda wirkt. Ob die konservativen Kreise, die die Kreml-Propaganda des dekadenten, verweichlichten Westens wiedergeben, dies bewusst tun oder nicht, sei dahingestellt. Sicher ist: Sie machen sich dadurch zu nützlichen Idiot:innen, die das Dekadenznarrativ verinnerlicht haben und aufrichtig glauben, der Westen stehe vor dem Untergang, weil Minderheiten und vulnerable Gruppen besser behandelt werden als früher.

Doch das ist ein Trugschluss. Gleichheit, Vielfalt, Inklusion machen uns nicht schwach – im Gegenteil: Das sind just die demokratischen Werte, die Gesellschaften und Gemeinschaften stark machen.


Aus: "Aus Putins Mund ins rechte Ohr" Marko Kovic (Nr. 09/2022 vom 03.03.2022)
Quelle: https://www.woz.ch/2209/rechte-rhetorik/aus-putins-mund-ins-rechte-ohr

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... Der Angeklagte soll ihr die Nase zertrümmert haben. Sie erwirkte demnach ein Gewaltschutzabkommen und wollte die Scheidung, er wollte sie aber nicht loslassen. Gegen die Anordnung, sich ihr nicht zu nähern, verstieß er laut Zeugen immer wieder und stalkte sie. Er habe Telefonterror ausgeübt. ...

Quote[...] Kiel – Im Dreifachmord-Prozess gegen einen Zahnarzt aus Westensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) will das Kieler Landgericht am Montag (9 Uhr) Gerichtsmediziner zu den Todesumständen der Opfer befragen.

Außerdem plant das Schwurgericht nach Angaben eines Sprechers die Anhörung zweier Zeugen sowie die Verlesung einer Vielzahl von Urkunden.

Der 48 Jahre alte Angeklagte hatte vor Gericht gestanden, am 19. Mai 2021 seine Frau und deren neuen Bekannten in Dänischenhagen mit einer Maschinenpistole sowie kurz darauf einen weiteren Bekannten des Ehepaares in Kiel mit einer halbautomatischen Pistole erschossen zu haben. Die Taten bezeichnete er als irreal.

Angeklagt sind drei heimtückische Morde aus niedrigen Beweggründen. Demnach wollte der Mann seine Frau wegen der Trennung und ihren neuen Bekannten wegen der Beziehung zu ihr bestrafen. Das dritte Opfer soll er für das Scheitern der Ehe verantwortlich gemacht haben.

Dem Deutschen drohen lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine Strafaussetzung zur Bewährung nach fünfzehn Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unwahrscheinlich.

Das Urteil wird am 30. März erwartet.


Aus: "Prozess gegen Killer-Zahnarzt: Gerichtsmediziner schildern Todesumstände" (21.03.2022)
Quelle: https://www.tag24.de/justiz/gerichtsprozesse-schleswig-holstein/prozess-gegen-killer-zahnarzt-vor-landgericht-kiel-gerichtsmediziner-schildern-todesumstaende-2379142

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Quote[...] Am zweiten Tag des Prozesses um den mutmaßlichen Dreifachmord von Dänischenhagen und Kiel hat ein Freund des Angeklagten Details aus dessen Leben geschildert. Es ging dabei um die Frage, was den beschuldigten Zahnarzt möglicherweise zu den Taten getrieben hat.

... Die Ehe gescheitert, drückende finanzielle Probleme: "Er war gebrochen", sagte der Zeuge, "er wusste einfach nicht mehr, was er machen sollte". Der Aussage zufolge wollte der Beschuldigte seine Frau zurück, sie "war sein zentraler Dreh- und Angelpunkt". Zur Trennung war es wegen seiner Gewalttätigkeiten gekommen, und die Frau wollte laut dem Zeugen nicht mehr zum Angeklagten zurück.

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Aus: "Dänischenhagen-Prozess: Freund des Angeklagten sagt als Zeuge aus" (01.03.2022)
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Daenischenhagen-Prozess-Freund-des-Angeklagten-sagt-als-Zeuge-aus,prozess7038.html

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Quote[...] Er habe nach den Morden "die ganzen Monate darüber nachgedacht, welche Impulse dazu geführt hätten": "Es ist wie in einem ganz komischen Film abgelaufen, als würde es gar nicht der Realität entsprechen", sagte der Angeklagte. Aus seiner Sicht hat er niemanden vorher bedroht, auch nicht seine Frau. "Ich verstehe nicht, dass ich es dann machte."

Einen speziellen Blick auf den Angeklagten eröffnete der psychiatrische Sachverständige Thomas Bachmann. Demnach googelte der Zahnarzt noch in der Nacht zum Tattag um 00.24 Uhr Suchbegriffe wie "Jeder kann Mörder werden", "Wege aus der Schuld" und "Schuldgefühle nach dem Tod des Partners". Außerdem fuhr er Bachmann zufolge am Vortag des Dreifachmordes, am 18. Mai 2021, die späteren Tatorte in Dänischenhagen und Kiel ab.

Nach Zeugenaussagen war die Ehe des Mannes zerrüttet, seine Frau hatte sich getrennt und einem neuen Mann zugewendet. Der Angeklagte soll ihr die Nase zertrümmert haben. Sie erwirkte demnach ein Gewaltschutzabkommen und wollte die Scheidung, er wollte sie aber nicht loslassen. Gegen die Anordnung, sich ihr nicht zu nähern, verstieß er laut Zeugen immer wieder und stalkte sie. Er habe Telefonterror ausgeübt.

Am Tattag, dem 19. Mai 2021, sei er frühmorgens los, um die zwei illegalen späteren Tatwaffen zu entsorgen, sagte der Angeklagte. Er habe nach anonymen Anzeigen gegen ihn jeden Moment eine große Durchsuchungsaktion der Polizei vermutet. Ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wäre für ihn als Jäger "der Todesstoß" gewesen, so der Angeklagte. Seine Frau habe seit Jahren von den Waffen gewusst, die er zeitweise nahe seinem Wohnhaus in einem Wäldchen in einem Erdbunker vergraben und dann in der Garage eines Bekannten versteckt hatte.

Über einen Tracker habe er dann gesehen, dass seine Frau zur Uni fuhr. Er sei ihr "leider hinterhergefahren". Als er an der Uni ankam, sei sie bereits auf der Weiterfahrt gewesen. Er sei ihr nach Dänischenhagen gefolgt. "Dann kam es zu den schrecklichen Ereignissen", sagte der 48-Jährige. "Ich habe versucht, mit ihr noch mal zu sprechen." Die 43-Jährige habe jedoch gesagt, "ich solle verschwinden, was ich da zu suchen hätte". Daraufhin sei er zurück zum Wagen, habe "leider" die Maschinenpistole vom Typ Uzi vom Rücksitz geholt.

Laut Anklage schoss der Deutsche zwei Magazine auf seine Frau und den Bekannten leer. "Ich krieg das nicht mehr richtig zusammen", sagte er auf Nachfragen des Gerichts. "Es war wie im schlechten Film." Die Situation "war irreal, völlig entrückt". Später sagte er auf eine Frage des Psychiaters zu den Schüssen in Dänischenhagen: "Ich dachte, das kann nicht der Realität entsprechen, die können ja wieder aufstehen."

Seiner Aussage zufolge fuhr der Angeklagte nach den Schüssen in Dänischenhagen zu dem gemeinsamen Bekannten des Paares nach Kiel, der sich mit ihm zerstritten hatte. Er habe ihm "davon berichten wollen", sagte er auf eine Frage des Vorsitzenden, was er dort wollte, wo doch zwischen beiden "das Tischtuch zerschnitten" war? "Ich habe mich zu ihm hingezogen gefühlt", erwiderte der Angeklagte.

Der Bekannte, ein Elektriker, der ihm seine Praxis elektrifizierte und dem er noch etliche tausend Euro schuldete, sei dann auf ihn körperlich losgegangen. "Dann hab ich die Waffe gezogen." Der erste Schuss "war seitlich ins Kleinhirn". Der Mann sei kurz weitergegangen, dann habe er "mehrere Schüsse abgegeben, auf das bereits liegende Opfer". Er könne sich "nicht erklären, warum, ich hatte das als Bedrohungssituation wahrgenommen".

Während seiner Aussage sprach der Angeklagte schnell, ausufernd, wie mit Rechtfertigungsdruck. Er habe damals nicht mehr gekonnt, sagte er und bestritt, dass er seine Frau jemals bewusst verletzt habe. Es sei eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, als ihr das Nasenbein durch seine Tritte zertrümmert wurde. "Es war nie meine Absicht, jemandem zu schaden." Er habe "niemanden vorher bedroht, auch nicht meine Frau. Ich verstehe nicht, dass ich es dann machte."

Während der Aussagen des Angeklagten saß die Witwe des Elektrikers im Gerichtssaal. Sie trug ein Shirt mit dem Foto des Toten. Auch eine Tochter des in Dänischenhagen ermordeten Bekannten der Ehefrau war anwesend.


Aus: "Kiel: Zahnarzt äußert sich erstmals zu tödlichen Schüssen" (10.03.2022)
Quelle: https://www.t-online.de/region/kiel/news/id_91802828/zahnarzt-aeussert-sich-erstmals-zu-toedlichen-schuessen.html

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Quote
roma753, 22. März 2022, 11:20:30

über die feministische punk-rockerin hat sich so manch reaktionärer geist bekanntlich stärker echauffiert als nun über den menschenverachtenden angriffskrieg. reaktionäre eben.

bella ciao - grande nadja


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lustenau, 22. März 2022, 11:05:33

"Putins schillerndste Gegenspielerin"

Dass sich ein Autokrat, der sich weder von Appellen ausländischer Regierungen noch von Sanktionen stoppen lässt, vor einer feministischen Punkerin zurückschreckt, ist evtl ein bissl optimistisch.


Kommentare zu: Nadja Tolokonnikowa: "Putins schillerndste Gegenspielerin"
Die Ex-Pussy-Riot-Musikerin rückt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nun digital zu Leibe
Kopf des Tages, Florian Niederndorfer (22. März 2022)
https://www.derstandard.at/story/2000134293227/nadja-tolokonnikowa-putins-schillerndste-gegenspielerin

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Quote[...] Kurz nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine postete die Berliner Hetäre Salomé Balthus auf Facebook ein lustvolles Selbstporträt. Darunter versprach sie auf Russisch: ,,Alle Deserteure des russischen Militärs bekommen kostenlosen Sex mit mir!" Statt moralischer Empörung löste Balthus' politisches Statement überwiegend Zustimmung aus.

Möglicherweise befinden wir uns schon mitten in der Revolution, die die britische Star-Feministin Laurie Penny in ihrem neuen Buch ausruft. Die Sexuelle Revolution, die ihr vorschwebt, stellt sich ,,dem Machtmissbrauch auf allen Ebenen entgegen", heißt es da. Der brutale Überfall der Ukraine ist ohne Zweifel ein solcher Machtmissbrauch.

Der Krieg, den Penny beschreibt, ist dennoch ein anderer. Die Verschmelzung der allgegenwärtigen Sexualität mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen habe zu einem Klima geführt, ,,in dem der Freiheitsgedanke theoretisch fetischisiert und praktisch ausgehölt wird". Das Ergebnis seien autoritäre Tendenzen, die die politische Mainstream-Kultur vollkommen durchdrungen hätten. Diesen Mainstream gelte es aufzubrechen, um ein lebensbejahendes Miteinander zu schaffen.

Wer meint, dass für einen solchen Wandel der Begriff Revolution zu hoch gegriffen sei, dem nimmt Penny gleich den Wind aus den Segeln. Die sexuelle Revolution bedrohe mit ihrer Forderung einer Neuorganisation von Fürsorge und Arbeit die moderne Wirtschaftsordnung. Die Britin will nichts weniger, als die neoliberale Ordnung der Welt auf den Kopf stellen, um die ,,Kultur des Zwangs" (rape culture) durch eine ,,Kultur der Einvernehmlichkeit" (consent culture) abzulösen. ,,Ein Kulturkrieg, den entweder alle gewinnen oder niemand."

Derlei kompromisslose Alles-oder-nichts-Ansagen machen skeptisch. Umso überraschender, wie überzeugend die 36-jährige Journalistin die aus ihrer Sicht relevanten Bruchkanten des Daseins analysiert. Dabei nimmt sie die klassischen feministischen Handlungsfelder in den Blick, diskutiert reproduktive Rechte, körperliche Selbstbestimmung und Schönheitsnormen, sexuelle Gewalt und Frauenhass, Prostitution und Pornografie sowie Arbeitsverhältnisse und Beziehungsarbeit.

Zugleich zeigt sie, wie ,,aus der Debatte über das Leben von Frauen ein Referendum über die Seelen der Männer geworden ist". Dabei schreibt sie auch über eigene Traumata wie Bodyshaming und Vergewaltigung. Keine Frau, so die Botschaft, ist vor solchen Erfahrungen sicher oder daran schuld. Die Kehrseite dieses subjektiv motivierten Schreibens ist eine latente Wut auf den Hetero-Mann, die sich in irritierenden Pauschalbehauptungen Bahn bricht.

Penny räumt aber auch ein, dass ,,jede weiße Person, die über Politik schreibt, intellektuell weiße Scheuklappen" trägt. Wer die ablegen will, dem sei Das Recht auf Sex der amerikanisch-indischen Philosophin Amia Srinivasan empfohlen. Nirgendwo werden die fatalen Zusammenhänge von Sexualität, Macht, Klasse, Gender und ,,race"so deutlich aufgezeigt wie hier.

Diese politische Kritik der Sexualität ist ebenfalls von der Hoffnung auf eine andere Welt getragen. Mutig blickt die 38-jährige Philosophin in die dunklen Abgründe des Sexuellen, nicht um zu urteilen, sondern um die Ambivalenzen des gesellschaftspolitischen Umgangs mit Begehren, Pornografie und Sexarbeit, Misogynie und häuslicher Gewalt herauszuarbeiten.

,,Diese Essays bieten kein Zuhause", warnt sie eingangs, um dann die Leserschaft mit unbequemen Wahrheiten zu konfrontieren. Dabei entpuppt sich der provokante Titel als Irreführung. Er lehnt sich an das Manifest von Elliot Roger an, der meinte, er hätte ein ,,Recht auf Sex". Der in Incel-Foren gefeierte Frauenhasser tötete 2014 sechs Menschen, weil keine Frau mit ihm ins Bett gehen wollte.

Natürlich gibt es kein pauschales Recht auf Sex, wenngleich sexpositive Feminist:innen wie Laurie Penny das so auch nicht behaupten. Sex, würden sie betonen, unterliegt immer der Einschränkung auf Einvernehmlichkeit; ,,consent culture" statt ,,rape culture". Srinivasan weist darauf hin, dass dieser Ansatz in einer patriarchalen Gesellschaft einen entscheidenden Aspekt unterschlägt. Wenn ,,consent" die einzige Voraussetzung für ethisch einwandfreien Sex sei, werde die sexuelle Präferenz zum Leitmotiv jeglichen Handelns. Das berge die Gefahr, ,,nicht nur Misogynie, sondern auch Rassismus, Transphobie und sämtliche anderen Unterdrückungssysteme, die über den scheinbar harmlosen Mechanismus ,persönlicher Präferenz' Eingang ins Schlafzimmer finden, zu entschuldigen". Dass persönliche Vorlieben zudem Konstrukte politischer Wirklichkeit sind, macht die Philosophin anhand von Abstufungen individueller ,,Fickbarkeit" sichtbar. Demnach wirke sich positiv auf den Status aus, ,,geile blonde Schlampen" und weibliche East Asians zu vögeln, während schwarze Frauen und männliche Asians als relativ unfickbar gelten. Sex mit schwarzen Männern werde fetischisiert und vor geistig oder körperlich beeinträchtigten oder korpulenten Körpern gebe es sogar eine regelrechte Abscheu. Wer begehrt wird und wer nicht, ist politisch motiviert.

Möglicherweise liegt der beste Sex aber noch in der Zukunft. Wer gut kommen will, muss diesen Mustern also erst einmal entkommen. Denn im allerbesten Fall ,,kann sich das Begehren dem widersetzen, was die Politik für uns entschieden hat, und selbst entscheiden". Immer wieder nimmt die Philosophin Abhängigkeitsverhältnisse und Machtstrukturen in den Blick. Anhand statistischer Daten zeigt sie etwa, dass Strafverfolgungsbehörden in den USA dem von weißen Frauen vorgebrachten Vorwurf sexueller Gewalt durch einen schwarzen Mann deutlich häufiger nachgehen, als wenn schwarze Frauen weiße Männer eines Übergriffs bezichtigen. Ursächlich sind rassistische Stereotype, die den schwarzen Mann als notorischen Vergewaltiger und die schwarze Frau als chronisch promiskuitiv zeichnen. Feminist:innen sollten daher genau hinschauen, wenn sie konsequente Strafverfolgung fordern.

Spannend sind auch die Gespräche, die die in Oxford lehrende Professorin mit Studierenden über Pornografie geführt hat. Für die ,,ist Sex das, was die Pornoindustrie als Sex definiert", was wiederum Penny mit den Worten ,,geölte Körper, die einander am Fließband in die Unterwerfung bumsen" treffend beschreibt. Srinivasans Text ist jedoch kein antipornografisches Manifest, sondern will eine differenzierte Betrachtung der politischen Anti-Porno-Bewegung sein. Mainstream-Praktiken wie ,,die gute alte Hetero-Pornografie" lasse die nämlich unangetastet, während kinke BDSM-Praktiken zensiert werden.

Auch die amerikanische Literatin Maggie Nelson interessiert sich für die halbseidenen Zonen der Lust. In dem Sex-Essay in ihrem aktuellen Buch Freiheit beschreibt sie Sexualität ,,als potenziellen Raum des Lernens", in dem Grenzerfahrungen möglich sind. Die gegenwärtige Fixierung der individuellen Sexualität auf Gefahren und Abgründe findet sie lebensfern. Um die Wahrscheinlichkeit negativer Erfahrungen zu verringern, ,,sollten wir Räume für die Praxis der Freiheit erweitern, ohne jedoch eine Welt herbeizufantasieren, in der unsere Sicherheit immer garantiert ist", schreibt die 49-Jährige. Zum Menschsein gehöre, ,,mit dem Verlangen fertig zu werden, dunkle Räume zu umkreisen oder zu betreten". Zugleich macht Nelson deutlich, dass die ,,consent culture" keine befriedigenden Antworten auf die heiklen Fragen von Macht, ,,race" und Klasse biete. Einvernehmliche Sexualität ist nicht automatisch erfüllend oder gewaltfrei, das zeigen sowohl Nelson als auch Srinivasan auf. Sexuelle Freiheit bedeute, ,,Ja zu sagen, vor allem, wenn es mehr oder etwas anderes bedeutet als Erdulden", so Nelson.

In diesem Ja-Sagen – zur Selbstliebe, zum Begehren, zur Sexualität – liegt für die 2021 verstorbene Aktivistin bell hooks die tatsächliche feministische Revolution. In ihren vor 20 Jahren verfassten und nun übersetzten Ratgebern appelliert sie an den ,,Willen, das eigene Selbst auszudehnen, um das eigene spirituelle Wachstum oder das eines anderen Menschen zu nähren". Liebe ist für die feministische Ikone eine politische Utopie, die Dominanz und Unterdrückung ein Ende macht.

Zuweilen merkt man den Texten ihr Alter an, auch so manchen Verweis auf spirituelle Erweckung muss man erdulden. Aber ihre Ethik der Liebe bleibt aktuell. Etwa wenn sie schreibt, dass Kulturen der Dominanz auf die ,,Kultivierung der Angst" bauen. Wie man die Angst abbauen und in der Liebe die Freiheit entdecken kann, beschreibt sie in Lieben lernen, wo sie aus persönlicher Erfahrung heraus Macht, Körper, Alter und Sexualität in den Blick nimmt. ,,Frauen, die lernen zu lieben, stellen die größte Gefahr für den patriarchalen Status quo dar", schreibt hooks dort. Dass diese Herausforderung nicht allein bei den Frauen liegt, darf man heute als gesetzt sehen.

Warum das Männern Angst macht, erklärt die französische Aktivistin Emilia Roig in dem lesenswerten Sammelband Das Paradies ist weiblich. Männer würden nicht verstehen, dass der Feminismus nicht umgekehrt die Dominanz der Frauen anstrebe, sondern eine gerechtere, ,,unterdrückungs- und hierarchiefreie Welt". Aber auch das ist radikal. Denn das Ende des Patriarchats ist nicht ohne das Ende ,,der institutionalisierten Heterosexualität, das Ende der Polizei und der Gefängnisse, das Ende des Nationalstaats, das Ende des Geldes (im kapitalistischen Sinne) und das Ende der Lohnarbeit" zu haben.

Die Freiheit des Individuums erfordert das Ende der Dominanz. ,,Ficken für den Frieden" ist dann Ausdruck einer politischen Haltung sowie freien und selbstbestimmten Entscheidung für die sexuelle Revolution.



Sexuelle Revolution Laurie Penny Anne Emmert (Übers.), Edition Nautilus 2022, 384 S.

Das Recht auf Sex. Feminismus im 21. Jahrhundert Amia Srinivasan A. Emmert, C. Arlinghaus (Übers.),
Klett-Cotta 2022, 320 S.

Freiheit. Vier Variationen über Zuwendung und Zwang Maggie Nelson Cornelius Reiber (Übers.), Hanser Berlin 2022, 400 S.

Lieben lernen. Alles über Verbundenheit bell hooks Elisabeth Schmalen (Übers.), Harper Collins 2022, 304 S.

Das Paradies ist weiblich. 20 Einladungen in eine Welt, in der Frauen das Sagen haben Tanja Raich (Hg.), Kein & Aber 2022, 256 S.




Aus: "Besser kommen" (Thomas Hummitzsch | Ausgabe 11/2022 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/neue-feministische-literatur-fuer-die-sexuelle-revolution


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Quote[...] In der afghanischen Hauptstadt Kabul haben Mädchen und Frauen für die Wiederöffnung der weiterführenden Mädchenschulen demonstriert. Die Demonstration habe friedlich geendet, sagte einer der Organisatoren der Deutschen Presse-Agentur. Bei früheren Protesten hatten die Taliban Teilnehmerinnen sowie darüber berichtende Journalisten eingeschüchtert.

Videomaterial örtlicher Medien zeigte, wie einige Dutzend Frauen und Mädchen ihr Recht einforderten, zur Schule zu gehen und arbeiten zu können. "Öffnet die Schulen!" und "Gerechtigkeit!" riefen die versammelten Demonstrantinnen auf einem Platz in der Hauptstadt. "Bildung ist unser Grundrecht, kein politisches Vorhaben" stand auf dem Protestplakat einer Demonstrantin. "Sogar der Prophet (Mohammed) hat gesagt, dass jeder das Recht auf Bildung hat, doch die Taliban haben uns dieses Recht entrissen", sagte eine junge Demonstrantin.

Die Taliban hatten am Mittwoch kurz nach der offiziellen Wiederöffnung der weiterführenden Schulen für Mädchen in Afghanistan diesen Beschluss wieder rückgängig gemacht. Tausende Schülerinnen wurden an ihrem ersten Unterrichtstag seit August nach wenigen Stunden wieder nach Hause geschickt.

Die Entscheidung sorgte für Kritik westlicher Staaten und der EU. Die USA sagten nach der Schließung die für dieses Wochenende geplanten Gespräche mit den Taliban am Rande des Forums von Doha ab. Das Recht von Frauen auf Bildung ist eine der Hauptbedingungen der internationalen Gemeinschaft für Hilfen an die nicht anerkannte Taliban-Regierung.

Als die Islamisten im August vergangenen Jahres die Macht übernahmen, hatten sie offiziell wegen der Corona-Pandemie alle Schulen geschlossen. Zwei Monate später durften nur Jungen und einige jüngere Mädchen den Unterricht wieder aufnehmen.


Aus: "Frauen demonstrieren für Wiederöffnung weiterführender Schulen" (26. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-03/afghanistan-maedchenschulen-demonstration-taliban-kabul-oeffnung-frauen

QuoteMidwayEques #3

Es sind Frauen / Mädchen aus Großstädten. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein absoluter Großteil der Bevölkerung die Ideologie der Taliban zum größten Teil teilt:
Hier das Ergebnis einer Umfrage zur Scharia in Afghanistan
https://www.welt.de/newsticker/news1/article115754530/Mehrheit-der-Muslime-weltweit-fuer-Anwendung-der-Scharia.html

Den Frauen bleibt im Grunde nur eine Auswanderung. Sofern ein männlicher Vormund dem zustimmt.


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Quote[...] Der Gouverneur von Oklahoma hat ein Gesetz zur drastischen Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen in dem Bundesstaat unterzeichnet. Kevin Stitt schrieb am Dienstag auf Twitter zur Begründung, die vier Millionen Menschen in seinem Bundesstaat seien mit großer Mehrheit für den Schutz des ungeborenen Lebens.

In den vergangenen Monaten hatten bereits mehrere konservativ regierte US-Bundesstaaten schärfere Schwangerschaftsabbruchgesetze beschlossen. Das Gesetz in Oklahoma ist dem texanischen Heartbeat Act nachempfunden, das seit seinem Inkrafttreten im September juristischen Anfechtungen standgehalten hat. Oklahoma lässt aber im Gegenzug zu Texas Ausnahmen für spätere Schwangerschaftsabbrüche in medizinischen Notfällen, nach Vergewaltigungen oder Inzest zu.

Es verbietet Schwangerschaftsabbrüche, sobald ein Arzt bei einem Embryo oder Fötus den Herzschlag feststellen kann. Das kann bereits nach etwa sechs Wochen sein, wenn viele Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind. Das Gesetz erlaubt auch Zivilklagen gegen Personen, die Abbrüche vornehmen oder Frauen dabei wissentlich unterstützen.

Am Montagabend hatte das Magazin Politico den Entwurf einer Urteilsbegründung des Supreme Court veröffentlicht, wonach das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt werden soll. Das Dokument löste in der Regierung des demokratischen US-Präsidenten Joe Biden und in liberalen Teilen der Bevölkerung heftige Empörung aus. Der Supreme Court hat die Echtheit des Dokuments bestätigt. Gleichzeitig betonte das Gericht, dass es sich dabei nicht um eine endgültige Entscheidung handle – damit wird in den kommenden zwei Monaten gerechnet.

Es gibt kein landesweites Gesetz, das Abbrüche erlaubt oder verbietet. Mehrere republikanisch regierte Bundesstaaten haben die Regelungen verschärft – in der Hoffnung, dass sie vor dem Supreme Court Bestand haben. Konservative Politiker versuchen seit Langem, das als Roe v. Wade bekannte Grundsatzurteil von 1973 zu kippen. Auf Grundlage des Roe-v.-Wade-Urteil sind Abbrüche in den USA mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche.

Bidens Demokraten schrieben in einer Mail an Unterstützer, bei den Kongresswahlen im November gehe es auch um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Die Partei warb um Spenden. "Wir werden mit allem, was wir haben, zurückschlagen, um sicherzustellen, dass die Republikaner für die unerbittlichen Angriffe ihrer Partei geradestehen müssen, aber wir können das nicht ohne Sie tun", hieß es in dem Schreiben. Umfragen zufolge könnte die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat gefährdet sein.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama warnte vor einem Ende des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA. "Die Folgen dieser Entscheidung wären ein Schlag nicht nur für die Frauen, sondern für alle, die glauben, dass es in einer freien Gesellschaft Grenzen für den Eingriff des Staats in unser Privatleben gibt", teilte der 60-Jährige in einer Mitteilung mit. "Nach der Logik des Gerichts könnten die Parlamente der Bundesstaaten vorschreiben, dass Frauen jede Schwangerschaft bis zum Ende austragen müssen, unabhängig davon, wie früh sie ist und welche Umstände zu ihr geführt haben – selbst bei Vergewaltigung oder Inzest."

Es sei unwahrscheinlich, dass so eine Entscheidung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche signifikant verringern würde, schrieb Obama. Dafür, dass die Zahl sinke, seien größtenteils der bessere Zugang zu Verhütungsmitteln und Aufklärung verantwortlich. Schwangere würden bei einem Verbot "verzweifelt nach illegalen Abbrüchen suchen, die unweigerlich große Risiken für ihre Gesundheit, ihre zukünftige Fähigkeit, Kinder zu gebären, und manchmal auch für ihr Leben mit sich bringen", schrieb Obama.

Ähnlich wie US-Präsident Joe Biden sprach sich auch Obama während seiner Amtszeit dafür aus, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche per Gesetz festzuschreiben. Mit den aktuellen Mehrheiten im Senat können Bidens Demokraten ein solches Gesetz aber nicht ohne Weiteres durchbringen. 

"Dies ist ein dunkler Moment. Letzte Nacht wurden unsere Befürchtungen über das Schicksal der Schwangerschaftsabbruchrechte am obersten Gerichtshof der USA bestätigt – und heute stehen die Menschen in Oklahoma vor dem unmittelbaren Verlust des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch", sagte Alexis McGill Johnson, Präsidentin der Beratungsstelle Planned Parenthood.

Oklahomas Gouverneur Stitt hatte erst im vergangenen Monat ein Gesetz unterzeichnet, wonach die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs in Oklahoma mit bis zu zehn Jahren Haft und einer Geldbuße von bis zu 100.000 US-Dollar geahndet werden kann. Ausnahmen sollen nur gelten, wenn das Leben der werdenden Mutter aufgrund der Schwangerschaft akut in Gefahr ist. Die vorgesehenen Strafen drohen nicht den Schwangeren, sondern dem medizinischen Personal, das Abbrüche vornimmt. Kritiker gehen US-Medienberichten zufolge juristisch gegen beide Gesetze in Oklahoma vor.

Landesweit demonstrierten am Dienstag Tausende Menschen gegen die möglicherweise drastische Einschränkung des Rechts. Etwa 1.000 Demonstrierende versammelten sich vor dem Gebäude des obersten Gerichtshofs in Washington. In New York protestierten Tausende Frauen und Männer in Downtown Manhattan – die Teilnehmer signalisierten mit grünen Kleidern ihre Unterstützung für weibliche Selbstbestimmung. Auf Plakaten stand unter anderem "Frauenfeindlichkeit tötet mehr Menschen als Schwangerschaftsabbruch" und "Ich werde weniger Rechte haben als meine Mutter". In Austin im Südstaat Texas kamen Hunderte Menschen zu einem Protestmarsch zusammen. Kleinere Kundgebungen gab es auch in Los Angeles, San Francisco und in anderen kalifornischen Städten.

Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist in den USA immer wieder Thema heftiger Auseinandersetzungen. Gegner versuchen, die Regeln seit Jahrzehnten zu kippen.


Aus: "Oklahoma schafft Recht auf Schwangerschaftsabbruch weitgehend ab" (4. Mai 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-05/usa-supreme-court-schwangerschaftsabbruch-protest-new-york-barack-obama

QuoteIngwerknolle #4

Das wäre ein Sprung zurück in mittelalterliche Verhältnisse. Frauen werden trotzdem weiter Abtreibungen vornehmen. Das haben sie schon immer.
Diejenigen, die es sich leisten können, werden ins Ausland reisen um sich dort von Ärzten helfen zu lassen.
Diejenigen, die das nicht können, sind einer großen Gefahr ausgesetzt durch "Engelmacher" und Pfusch verletzt zu werden oder an den Folgen sogar zu sterben.


QuoteGophi #20

Ist die US-amerikanische Gesellschaft auf dem Weg zu einem christlich-fundamentalistischen Gottesstaat? Stellenweise sieht es so aus. ...


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Quote[...] Die USA stehen vor einer Epochenwende: der Revision des liberalen Abtreibungsrechts. Wenn der Supreme Court demnächst das Urteil verkündet, das der geleakte Entwurf der Begründung nahelegt, führt das – die Wortwahl ist nicht übertrieben – zu einer revolutionäre Situation [https://www.tagesspiegel.de/politik/durchgestochener-urteilsentwurf-des-supreme-court-kippt-das-abtreibungsrecht-in-den-usa/28299412.html].

Die Wende rückwärts erschwert Millionen Frauen in Notlage den Schwangerschaftsabbruch. Sie wird dem Ansehen des höchsten Gerichts schaden und die parteipolitische Polarisierung verschärfen. Das Positive daran: Die Entscheidung könnte mehr Bürger bei der Kongresswahl im November zur Stimmabgabe mobilisieren.

Das Urteil Roe versus Wade 1973 stand für eine liberale Epoche, die Durchsetzung von Frauenrechten und sexueller Befreiung. Seine Revision markiert eine konservative Gegenrevolution.

Damals leitete der Supreme Court aus dem Geist der Verfassung von 1787 ein Recht auf ,,privacy" ab. Ein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, auch wenn die nicht explizit im Grundrechtekatalog aufgeführt war. Damit versperrten die Verfassungsrichter konservativen Staaten den Weg zu pauschalen Abtreibungsverboten.

Seither haben die Republikaner dafür gekämpft, den Supreme Court so zu besetzen, dass die Mehrheit Roe versus Wade revidiert. Mit drei konservativen Nachbesetzungen unter Donald Trump haben sie diese Verschiebung am höchsten Gericht erreicht.

Das neue Urteil wird Abtreibung nicht generell verbieten. Es gibt das Recht zur Regelung fällt an die Bundesstaaten zurück und gibt ihnen mehr Spielraum.

Republikanisch regierte werden das Abtreibungsrecht verschärfen, demokratisch regierte die liberalen Vorgaben beibehalten. Viele Frauen in Notlagen werden nicht mehr in einer nahen Klinik Hilfe finden, sondern hunderte Meilen reisen müssen.

Das Ansehen des Supreme Court dürfte sinken. Richter, die vor ihrer Bestätigung im Senat gesagt hatten, sie wollten Präzedenzurteile wie Roe versus Wade respektieren, stehen als Schwindler da. Der Vorsitzende John Roberts hat sein Ziel verfehlt. Er wollte, obwohl George W. Bush ihn ernannt hatte, das Gericht auf Mittelkurs halten - aus Sorge, dass sonst der Glaube an die Überparteilichkeit der Richter leide.

Wer Trost sucht, findet ihn womöglich hier: Die Bürger können nicht mehr ignorieren, dass es Konsequenzen hat, ob man wählen geht oder nicht – und wen. Ihre Stimmen haben Einfluss darauf, welche Richter der Senat bei den nächsten Vakanzen wählt. Über die Mehrheiten im Senat stimmen die Bürger im Herbst ab.


Aus: "Die Revision des liberalen Abtreibungsrechts ist Trumps Erbe" Ein Kommentar von Christoph von Marschall (04.05.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/es-hat-konsequenzen-wen-man-waehlt-die-revision-des-liberalen-abtreibungsrechts-ist-trumps-erbe/28299410.html

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Quote[...] Zohra Mohammad Gul – so hieß die 31-jährige Frau aus Afghanistan, die am vergangenen Freitag an einer Kreuzung in Pankow von ihrem Mann getötet wurde. Ihre Schwester möchte, dass der Name genannt wird.

Das sagt Ava Moayeri vom Netzwerk Zora Berlin, einer Frauenorganisation. Die 20-jährige Studentin hat die Schwester am Montag kennengelernt bei einer Kundgebung, die sie und andere unter dem Motto ,,Gegen Femizide" organisiert haben. Die Schwester saß weinend auf dem Gehweg vor den Blumen und Kerzen, die für Zohra Mohammad Gul niedergelegt wurden.

An diesem Mittwoch steht Ava Moayeri wieder an der Stelle. Dort, wo der 42-Jährige Mann am Freitagvormittag auf Zohra Mohammad Gul, die Mutter der sechs gemeinsamen Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren, mit einem Messer losging. Die Schwester der Getöteten wollte erst auch kommen, sagte dann ab – zu groß ist der Schmerz. Sie hat aber einen Brief geschrieben.

Zohra ,,hatte es nach Jahren häuslicher Unterdrückung gewagt, das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben wahrzunehmen", heißt es darin. ,,Zum Mord an ihr kam es, nachdem sie und ihre Umgebung die Behörden in Berlin über ihre Bedrohung durch den Mann informiert hatten, der sich als ihr Eigentümer sieht."

Ihrer Schwester sei der Schutz verwehrt worden, ,,der ihr das Leben hätte retten können, und der ihren Kindern die traumatische Erfahrung des Verlusts erspart hätte".

Es sind harte Vorwürfe gegen die Behörden. Die Getötete kam vor zwei Jahren mit ihrem Mann und den sechs Kindern nach Deutschland, in Pankow lebten sie in einer Flüchtlingsunterkunft. Vor einiger Zeit trennte sie sich von ihrem Mann – weil er gewalttätig war.

Ava Moayeri sagt, die Polizei habe nach dem Eindruck der Familie nichts getan, obwohl die Getötete sich gemeldet hat, obwohl sie bei der Polizei war und berichtete, dass ,,ihr Ex-Mann sie verfolgt und bedroht hat".

Zohra Mohammad Gul sei gesagt worden, dass es keine Beweise gebe. ,,Sie hat versucht, sich Hilfe zu holen, und niemand ist darauf eingegangen", sagt Ava Moayeri. ,,Sie wurde nicht ins Frauenhaus gebracht, ihr wurde keine Hilfe angeboten, sie hat keinen Schutz bekommen. Der Mord hätte verhindert werden können."
Ava Moayeri von der Frauenorganisation Zora Berlin am Tatort. Sie spricht im Namen der Familie der Getöteten und fordert Aufklärung.

Auch die Schwester, die in Oldenburg lebt, war bei der örtlichen Polizei. Denn ihrem Mann soll der brutale Ex-Schwager gesagt haben, dass er sich in seiner Ehre verletzt sieht. Dass die Trennung dasselbe sei, als ginge seine Frau mit einem anderen Mann fremd.

Bei der Polizei Berlin sind seit Jahresbeginn drei Anzeigen wegen häuslicher Gewalt gegen Zohra Mohammad Gul eingegangen. Zwei Mal rückten Beamten an, von den dritten Fall erfuhr die Polizei bei einer Vernehmung. Auch eine gerichtliche Schutzanordnung, ein Kontaktverbot war nach Angaben von Polizeisprecher Thilo Cablitz bereits vorbereitet worden. ,,Wir standen auch in Kontakt mit dem Jugendamt, der Einrichtung und dem Sozialdienst."

Die Schwester der Getöteten fordert Aufklärung – und eine Erklärung ,,für das Ignorieren der Warnungen vor der Gefahr, die unserer Schwester drohte und auf bitterste Weise wahr wurde". Zohra Mohammad Gul sei ein Opfer ,,nicht nur der toxischen Frauenverachtung seitens ihres Mörders, sondern auch der Gleichgültigkeit, die schutzbedürftigen Migrantinnen ins Gesicht schlägt." Die Behörden müssten jede Warnung von Migrantinnen ,,so nehmen, wie es sich gehört – todernst".

Die Polizei will Konsequenzen ziehen. ,,Bei einem Tötungsdelikt, bei dem eine Frau aus dem Leben gerissen wird, bei dem das Leben von sechs Kindern zerstört wurde, es drei Fälle häuslicher Gewalt gab, sind wir in der Pflicht, das aufzuarbeiten", sagt Sprecher Cablitz. Es gehe darum, ,,ob wir noch mehr hätten machen müssen, was wir hätten besser machen können". Auch Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat sich eingeschaltet, sie prüft, ob und was bei den Flüchtlingsbehörden schief lief.


Aus: "Familie der getöteten 31-Jährigen erhebt Vorwürfe gegen Berliner Behörden" Alexander Fröhlich (04.05.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/der-mord-haette-verhindert-werden-koennen-familie-der-getoeteten-31-jaehrigen-erhebt-vorwuerfe-gegen-berliner-behoerden/28306214.html


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Quote[...] Das Amtsgericht Bielefeld hat eine Frau, die heimlich die Kondome eines Sexualpartners zerstochen hat, wegen sexueller Nötigung zu einer Bewährungsstrafe von einem halben Jahr verurteilt. Dies berichten die "Bild"-Zeitung und die "Neue Westfälische". Die Verurteilte wollte den Berichten zufolge unbemerkt schwanger werden, um den Mann an sich zu binden. "Das ist hier Rechtsgeschichte - würde ich mal so sagen", kommentierte demnach die Richterin Astrid Salweski den Fall der 39-Jährigen.

Den Berichten zufolge hatte die Angeklagte über ein Online-Datingportal einen drei Jahre älteren Mann kennengelernt und sich mit ihm mehrmals zu unverbindlichem Sex getroffen, zumeist in ihrer Wohnung. Schließlich soll sie sich in den 42-Jährigen verliebt haben. Als es zwischen den beiden kriselte und Funkstille herrschte, schrieb die Frau offenbar dem Mann, sie habe Löcher in die Kondome gestochen und glaube, sie sei schwanger.

Ihr Sexualpartner erstattete daraufhin Anzeige, es kam zur Anklage und zum Prozess, wie es in den Berichten weiter heißt. Zunächst habe die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen Vergewaltigung erhoben, diese jedoch rasch wieder fallengelassen. Stattdessen zähle die Tat als "Stealthing", wobei ein Geschlechtspartner ohne Wissen des anderen beim Sex sein Kondom entfernt. Dies wird als sexuelle Nötigung gewertet. Bei den Tätern handele es sich zwar in der absoluten Mehrheit um Männer, doch die Richterin argumentierte: "Nein heißt auch hier nein." Die Angeklagte habe schließlich ihre Manipulation eingeräumt und die Mindeststrafe von sechs Monaten Haft auf Bewährung angenommen.

Quelle: ntv.de, mbu


Aus: "Frau wegen durchlöcherter Kondome verurteilt" (05.05.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Frau-wegen-durchloecherter-Kondome-verurteilt-article23310577.html


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"Abgründe männlicher Sexualität: Auch nette Kerle haben Klischees verinnerlicht" (Maxi Braun | Ausgabe 21/2022)
Film Mit reduzierten dokumentarischen Mitteln lotet Jonas Rothlaender in ,,Das starke Geschlecht" Abgründe und Überraschungen männlicher Sexualität aus ... Der Mann sitzt vor einem schwarzen Hintergrund. Die Kamera ist direkt auf ihn gerichtet, er befindet sich im Zentrum des Bildes. Das weiche Porträtlicht schmeichelt seinen Gesichtszügen, nichts an seiner Mimik bleibt uns verborgen. Er hält inne, blickt in die Kamera und sagt dann: ,,Du kannst einer Frau so viele Rosen schenken, wie du willst. Aber wenn du sie nicht richtig fickst, dann wird das nix." Formal wie inhaltlich ist Jonas Rothlaenders Dokumentarfilm Das starke Geschlecht damit umrissen: Neun Männer, die der Regisseur über die sozialen Medien oder bei Straßencastings gefunden hat, sitzen vor der Kamera und reden über Sex. Der Regisseur als Interviewer bleibt dabei unsichtbar, hakt nur vereinzelt sanft nach. Die Spannung generiert sich allein aus dem, was die ,,talking heads" erzählen. Erstaunlich offen und ehrlich – fast wie in einem cineastischen Beichtstuhl – berichten sie von ihrer Sexualität und allem, was damit zusammenhängt: der Druck, im Bett perfekt performen zu müssen, der Wunsch, Frauen zu befriedigen, und die Angst, dabei zu versagen. Es geht aber auch um männliche Vorbilder, Scham und die Sehnsucht danach, sich völlig fallen lassen zu können. ... Insgesamt dominiert dieser Schlag Mann den Film – heterosexuell, fast ausnahmslos weiß, zwischen 30 und 40 Jahre alt und eher Single. Mehr Diversität hätte nicht geschadet, denn es sind die davon abweichenden Momente, in denen Das starke Geschlecht überrascht und berührt. Etwa wenn die Sehnsucht nach sexueller Erfüllung auf Augenhöhe oder der Wunsch, sich gegenüber Frauen nicht verstellen zu müssen, artikuliert wird. Hier zeigt sich, wie verunsichert und verletzlich viele der Männer sind und wie schwer es ihnen fällt, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu emanzipieren. ...
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/jonas-rothlaenders-das-starke-geschlecht-ueber-abgruende-maennlicher-sexualitaet

Das starke Geschlecht Jonas Rothlaender Deutschland 2021, 103 Minuten

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Quote[...] Mehr als ein Dutzend mehrheitlich muslimische Länder haben Disneys neuen Animationsfilm ,,Lightyear", in dem sich zwei weibliche Charaktere küssen, aus ihren Kinos verbannt. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag aus dem Unterhaltungskonzern nahestehenden Kreisen erfuhr, haben unter anderem Ägypten und Saudi-Arabien den Ableger aus der ,,Toy Story"-Filmreihe nicht zugelassen.

Disney hat es demnach abgelehnt, die Szenen zu entfernen und will den Film auf allen Märkten anbieten, ,,wie er ist".

Die Aufsichtsbehörde der Vereinigten Arabischen Emirate hatte bereits am Montag erklärt, der Film verstoße gegen ,,die Standards des Landes für Medieninhalte". Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten vor einem halben Jahr noch verkündet, internationale Kinofilme künftig nicht mehr zensieren zu wollen. Stattdessen sollte für bestimmte Filme für Erwachsene eine Mindest-Altersbeschränkung von 21 Jahren eingeführt werden. ,,Lightyear" aber wurde nun ganz verboten.

In Malaysia erklärte die Filmzensurbehörde, dass der Film in dem Land nicht gezeigt werden dürfe, wenn keine Kürzungen vorgenommen würden. "Es ist nicht angemessen, die beiden Szenen zu zeigen, und sie sind nicht für Kinder geeignet", sagte ein Beamter, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Zu den weiteren Ländern und Gebieten, in denen der Film nicht gezeigt werden darf, gehören Bahrain, Irak, Jordanien, Kuwait, Libanon, Oman, die Palästinensischen Gebiete, Katar, und Syrien.

Indonesiens Zensurbehörde erklärte AFP, sie habe den Film nicht direkt verboten, ,,aber den Betreibern des Films geraten, an ihr Publikum in Indonesien zu denken, wo eine LGBT-Kussszene immer noch als sensibel gilt". Demnach habe Disney allerdings keine umgeschnittene Version von ,,Lightyear" angeboten.

Der Film soll am Donnerstag weltweit in die Kinos kommen. Berichten zufolge war der lesbische Kuss von Disney zunächst herausgeschnitten worden. Nach Protest von Mitarbeitern des zu dem Unterhaltungskonzern gehörenden Animationsstudios Pixar wurde er demnach aber wieder eingefügt.

Auch im Heimatmarkt USA wird Disney von LGBT-feindlichen Politikern unter Druck gesetzt. Konservative Politiker im Bundesstaat Florida versuchen, dem Unternehmen Vergünstigungen zu entziehen, nachdem der Konzern ein umstrittenes Gesetz kritisiert hatte, das LGBT-Themen in öffentlichen Schulen verbietet. Disney beschäftigt in dem Staat rund 75.000 Mitarbeiter. (AFP)


Aus: "Mehr als ein Dutzend Länder verbietet Disney-Film - wegen lesbischem Kuss" (15.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/lightyear-nicht-zugelassen-mehr-als-ein-dutzend-laender-verbietet-disney-film-wegen-lesbischem-kuss/28428690.html


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Quote[...] Die erzkonservative Mehrheit im Supreme Court hat es tatsächlich getan: Sie hat das seit knapp 50 Jahren bestehende Abtreibungsrecht der Vereinigten Staaten am Freitag gekippt. Die Richter haben damit bewusst eine gesellschaftlich hochpolitische Auseinandersetzung, die viele für weitgehend geklärt hielten, wieder neu entfacht.

Jetzt dürfen Politiker in konservativen Bundesstaaten wieder regulieren, wie, wann und ob eine Frau über ihren eigenen Körper entscheiden darf.

Zahlreiche von Republikanern regierte Staaten haben sogenannte ,,trigger laws" in den Schubladen, Gesetze, die einen Schwangerschaftsabbruch teilweise fast ganz verbieten und die nun sofort in Kraft treten können. Bisher untersagte dies das Grundsatzurteil ,,Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973. Die Republikaner waren auf diesen Tag vorbereitet, ja: Sie haben auf ihn hingearbeitet, teilweise seit 50 Jahren.

Für die Mehrheit der Amerikaner ist das Urteil dagegen ein großer Schock, auch wenn sich die Entscheidung angekündigt hatte, seit ein vorläufiger Entwurf des Urteils an die Öffentlichkeit gelangt war. Es zeigt wie selten zuvor, welchen Einfluss Wahlentscheidungen haben.

Es war der Republikaner Donald Trump, der in seinen nur vier Jahren im Weißen Haus drei von neun Richterstühlen neu besetzen konnte. Empfohlen wurden ihm diese Richter von Abtreibungsgegnern – und Trump ist dem Rat nur zu gerne gefolgt, weiß er doch, welch gigantischen Stellenwert dieses Thema bei konservativen Wählern spielt.
Er, der aufgrund des Wahlsystems 2016 Präsident werden konnte, obwohl er nicht die meisten Stimmen gewonnen hatte, hat damit den Grundstein für ein anderes Amerika gelegt.

Eines, in dem die Bundesstaaten noch deutlich mächtiger sind, als es bisher schon der Fall war. Und eines, das noch tiefer gespalten ist, als es bei seinem Amtsantritt der Fall war.

Das Verrückte ist: Die Mehrheit der Amerikaner war in Umfragen dafür, an ,,Roe v. Wade" festzuhalten. Genauso übrigens, wie sich die meisten Amerikaner schärfere Waffengesetze wünschen – auch das hat der Supreme Court mit seiner Entscheidung vom Donnerstag höchstrichterlich ignoriert.

Ein Gericht, das die Auffassungen einer radikalen Minderheit vertritt, verliert an Legitimation. Wie Umfragen belegen, ist das im Fall des Supreme Court bereits gesehen. Das Ansehen ist auf ein historisches Tief gefallen.

Und was jetzt? Die Mehrheit muss endlich verstehen, dass sie zu leise ist. Viele Demokraten folgen lieber dem Rat der ehemaligen First Lady Michelle Obama ,,If they go low, we go high", als harten Widerstand zu leisten. Aber manchmal ist es wichtiger, für seine Rechte zu kämpfen, als höflich und respektvoll zu bleiben.


Aus: "Supreme Court kippt Abtreibungsrecht: Dieses Urteil zeigt das ganze Drama der USA" Ein Kommentar von Juliane Schäuble (24.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/supreme-court-kippt-abtreibungsrecht-dieses-urteil-zeigt-das-ganze-drama-der-usa/28454236.html

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Quote[...] Hätte Jerry Lamon Falwell diesen Tag noch erlebt, es wäre ein Freudentag für ihn gewesen. Die Krönung seines Lebenswerks. Doch der Prediger der religiösen Rechten in den Vereinigten Staaten starb bereits 2007. Es hilft, Jerry Falwell zu verstehen, um zu begreifen, was gerade passiert ist in den USA. Wie es dazu kommen konnte, dass sechs von neun Richterinnen und Richtern am obersten Gerichtshof ein Urteil gesprochen haben, das Frauen in den Vereinigten Staaten den Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch künftig verwehren wird.

Es ist ein dramatischer Rückschritt für die Gesellschaft, der von einem Teil Amerikas seit Jahrzehnten systematisch vorbereitet wurde. Das jetzige Urteil, das sich eigentlich mit einem Fall im Bundesstaat Mississippi befasst, hebelt das Grundsatzurteil Roe v. Wade von 1973 aus, das Frauen einen Abbruch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche uneingeschränkt und bis zur Lebensfähigkeit des Fötus, also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche, eingeschränkt garantiert.

Und dass das passieren konnte, liegt auch an Jerry Falwell. Kurz bevor er starb, gab er CNN im Mai 2007 noch ein ausführliches Interview. Falwell hat die Thomas Road Baptist Church in Lynchburg gegründet, eine der evangelikalen Megakirchen des Landes in Virginia. Für Falwell und seine Anhängerinnen und Anhänger war Roe v. Wade eine Katastrophe. Sie sind Verfechter der Pro-Life-Bewegung im Land, die strikt gegen jeden Schwangerschaftsabbruch eintreten. Im Gespräch sprach sich Falwell gegen die Gewalt aus, die in diesem so erbittert geführten ideologischen Streit immer wieder ausbricht. Von Anschlägen auf Schwangerschaftsabbruchkliniken hielt er nichts. "Sanft" und "intelligent" müsse man Bürgern die Fakten verkaufen, sagte Falwell CNN. 

Seine Fakten. Die basieren auf der Überzeugung, dass ein Fötus ab dem Zeitpunkt der Empfängnis uneingeschränkt zu schützen ist – unabhängig davon, was die Frau möchte, unter welchen Umständen die Schwangerschaft zustande kam oder was eine Schwangerschaft medizinisch für sie bedeuten könnte. Um diese Überzeugung auf ein juristisches Fundament zu stellen, brauchen die Pro-Lifer wie ihre Gegner, die Anhänger der Pro-Choice-Bewegung, die Richter des Supreme Courts.

"Ich glaube nicht, dass wir fünf Stimmen gegen Roe v. Wade haben, ich denke, es fehlen ein oder zwei Stimmen", sagte Falwell im Interview kalt kalkulierend. "Meine Kinder werden diesen Sieg eher erleben als ich. Ich denke, wir sind noch 50 Jahre davon entfernt. Wir müssen dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben und dürfen niemals aufgeben." Es hat gerade einmal 15 Jahre gedauert, bis sich Falwells Sieg nun eingestellt hat.

Es ist ein Sieg der religiösen Rechten und Erzkonservativen im Land. Die Evangelikalen setzen die Schöpfung über die Evolution und vertreten in gesellschaftlichen Fragen extrem konservative Haltungen. Sie haben das getan, was Falwell eingefordert hat. Sie sind drangeblieben. Sie haben ihre Botschaft niemals aufgegeben, haben finanzielle und moralische Wahlkampfunterstützung für Politikerinnen und Politiker daran gekoppelt, dass diese in ihrer Entscheidung zwischen Pro-Life und Pro-Choice nur eine einzige kompromisslose Antwort geben durften.

Diese ideologische Arbeit für die Rechte begann direkt nach dem Sieg der Pro-Choicer vor dem Supreme Court mit Roe v. Wade 1973. Bei der Präsidentschaftswahl 1980 gewann Ronald Reagan deutlich gegen Jimmy Carter, er brauchte nicht einmal die Stimmen der Rechtsaußenkonservativen, auch wenn seine Botschaft – Make America Great Again – mit auf sie abzielte. Im Schatten von Reagans ungefährdetem Sieg passierte noch etwas anderes: Im Senat verloren zwölf demokratische Senatoren ihre Sitze an Konservative mit eindeutiger Antischwangerschaftsabbruchhaltung, womit die Republikaner das erste Mal seit den Fünfzigerjahren wieder die Kontrolle über die Kammer bekamen. "Dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben."

Alle konservativen US-Präsidenten seit Reagan waren Schwangerschaftsabbruchgegner: George H. W. Bush, George W. Bush und Donald Trump. Dass Letzterer in die glückliche Lage geriet, gleich drei Richterposten in nur vier Jahren Amtszeit neu zu besetzen, hat er dem Republikaner Mitch McConnell zu verdanken. Er setzte das Dranbleiben politisch dort um, wo es Jerry Falwell und die anderen Pro-Lifer des Landes am meisten brauchten: an den Gerichten.

McConnell verhinderte 2016 als Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, dass der damalige Präsident Barack Obama 2016 nach dem Tod von Richter Antonin Scalia den frei gewordenen Sitz neu besetzen konnte. Seine Begründung: Im Wahljahr solle nicht der alte, sondern der neue Präsident über eine derart wichtige Personalie entscheiden. Scalia war im Februar 2016 gestorben, neun Monate vor der Wahl. Durch die Mehrheit der Republikaner im Senat gelang es der Partei, eine Neubesetzung zu verhindern. Als im Oktober 2020 nur wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl exakt diese Situation durch den Tod von Ruth Bader Ginsburg noch einmal eintrat, vermochte McConnell sich an seine moralischen Begründungen vier Jahre zuvor nicht mehr zu erinnern. Natürlich sollte nun noch der amtierende Präsident den so wichtigen Posten besetzen.

Mit ihrer Mehrheit im Senat erreichten die Republikaner, dass Trump Amy Coney Barrett ernennen konnte. Es war sein Geschenk an die Evangelikalen. Coney Barrett ist eine explizite Gegnerin von Schwangerschaftsabbrüchen. Die bibeltreuen Wählerinnen und Wähler verhalfen Trump zwar nicht zur Wiederwahl, stimmten aber in großer Mehrheit für ihn.

Für die Demokraten hingegen war das Thema in den vergangenen Jahren nie eins, das entscheidend Wähler mobilisierte. In der vermeintlichen Sicherheit von Roe v. Wade war die Bewegung deutlich wenig kämpferisch, die Partei wandte sich anderen Feldern zu. Die Botschaft demokratischer Präsidentschaftsbewerber, sich für Pro-Choice einzusetzen, wurde zum Standard, selbst für den Katholiken Joe Biden. Aber das Beispiel Barack Obama zeigt, welche Wichtigkeit das Thema für sie hatte. Als Präsident rückte er von der Entschiedenheit des Kandidaten Obama ab. Der war mit dem Versprechen durchs Land getourt, sich für den Freedom of Choice Act einzusetzen, eine Initiative, die das Recht von Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch gesetzlich verankert hätte. Darauf nach seinen ersten hundert Tagen im Amt angesprochen sagte Obama: "Der Freedom of Choice Act hat für mich nicht die höchste gesetzgeberische Priorität. (...) Ich denke, das Wichtigste, was wir tun können, um die Wut über dieses Thema zu dämpfen, ist, uns auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen wir uns einig sind."

Doch Einigkeit herrschte auch 2009, als Obama diesen Satz sagte, schon lange nicht mehr. Nicht bei diesem Thema und grundsätzlich nicht. Das macht das aktuelle Urteil des Supreme Courts auf vielen Ebenen problematisch. Mehrere Bundesstaaten haben nur darauf gewartet, dass die Richterinnen und Richter das grundsätzliche Recht auf einen Abbruch kippen. Sie haben Gesetze vorbereitet, die den Zugang zu einer medizinischen Betreuung fast augenblicklich erschweren oder unmöglich machen werden. Das wird drastische Auswirkungen haben.

Unterschiedliche Prognosen und Studien von Experten zeigen, dass die Zahl schwangerschaftsbedingter Todesfälle in den USA steigen wird und finanziell schwächer gestellte Frauen sehr viel härter durch die neuen Gesetze getroffen werden, da sie sich im Zweifel nicht leisten können, bis nach Kalifornien oder New York zu fliegen oder zu fahren, um einen Abbruch vornehmen zu lassen. Schon jetzt leben 58 Prozent der US-Amerikanerinnen zwischen 18 und 44 Jahren in einer Umgebung, die negativ bis extrem negativ gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen eingestellt ist, schätzt das Guttmacher Institute, das sich für Reproduktionsrechte für Frauen einsetzt. New York, Kalifornien und andere liberale Orte als letzte sichere Häfen für Hilfe suchende Frauen ist nun nicht länger ein absurder Gedanke, sondern bittere Realität.

Über all diese absehbar schwerwiegenden Folgen für Frauen hinaus ist das jetzige Urteil auch ein deutlicher Indikator dafür, welche Freiheits- und Gleichstellungsrechte in den kommenden Jahren so noch in Gefahr geraten könnten. Die Richterinnen und Richter werden auf Lebenszeit ernannt, sechs von ihnen gehören derzeit dem konservativen Lager an, drei dem liberalen. Eine komfortable Mehrheit, die kein Mechanismus kurzfristig aufzubrechen vermag.

Eine Reform des Gerichts wird zwar immer wieder diskutiert und Joe Biden hat als Präsident eine Arbeitsgruppe berufen, die Ideen dafür sammeln soll. All das aber wird Jahre brauchen und ist derzeit nicht mehrheitsfähig, weil die Republikaner keinerlei Interesse daran haben, etwas zu ändern. Sie haben ja ihre Mehrheiten. Bis das politische Pendel wieder in die demokratische Richtung ausschlagen könnte, haben die Konservativen die Chance, alle möglichen Gleichstellungsfragen vor das Gericht zu bringen. In einer ergänzenden Urteilsbegründung hat der konservative Richter Clarence Thomas nun bereits angedeutet, was das heißen könnte: Das Gericht solle unter anderem auch seine früheren Entscheidungen in den Fällen Griswold, Lawrence und Obergefell überdenken – dabei ging es um gleichgeschlechtliche Beziehungen, die Ehe für alle und den Zugang zu Verhütungsmitteln. Darüber hinaus können auch andere relevante grundsätzliche Fragen, in der die Politik nicht mehr zu Ergebnissen oder Kompromissen gelangt, von den Richterinnen und Richtern entschieden werden: Gesundheitsversorgung, Umweltstandards oder, wie gerade geschehen, Waffenrechte.

Der Supreme Court ist zu einer entscheidenden politischen Stimme geworden. Etwas, was die Gründerväter des Landes so nicht erdacht hatten. Es ist eine einschneidende Verschiebung des politischen Systems der Vereinigten Staaten, die sich lange angekündigt hat. Und ein weiterer Beleg dafür, dass es in der polarisierten Realität des 21. Jahrhunderts an Grenzen gerät. Das vorläufige Ende von Roe v. Wade ist nur die erste, bittere Konsequenz.

Die Demokraten hoffen darauf, dass das jetzige Urteil dazu führen wird, die Linke im Land zu mobilisieren, wieder kämpferisch zu werden. Dranzubleiben eben. Doch die Rechte hat gezeigt, dass sie über Jahre hinweg eisern und strategisch ihre Ziele verfolgt, sie spielen dieses Spiel schon sehr lange sehr gut. Es ist das ewige Dilemma der Demokraten, nach den Regeln spielen zu wollen, die die Republikaner längst aufgehoben haben. Die Besetzung von Richterposten auf allen Ebenen, die Kontrolle über Parlamente in den Bundesstaaten – alles ist bei den Konservativen auf maximalen Einfluss ausgerichtet. Und das sind lediglich die legalen Mechanismen und schließt mögliche Wahlmanipulationen nicht mit ein, gegen die sich die Konservativen seit Donald Trump auch nicht entschieden verwehren. Das Land wird künftig noch erbittertere Kämpfe erleben. Auch wenn das kaum vorstellbar ist. Das nächste US-amerikanische Drama.


Aus: "Schwangerschaftsabbrüche in den USA: Schöpfung statt Freiheit" Ein Essay von Rieke Havertz (24. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-06/usa-schwangerschaftsabbruch-urteil-roe-v-wade/komplettansicht

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Quote[...] Der Bundestag hat am Freitag die Abschaffung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion, dagegen votierten Union und AfD. Der Paragraf untersagte Arztpraxen und Kliniken, ausführlich darüber zu informieren, welche unterschiedlichen Methoden es für den Abbruch gibt.

Auf das Ende des Paragrafen 219a hatten sich die Ampelparteien im Koalitionsvertrag geeinigt. ,,Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB", heißt es darin. SPD, Grüne und FDP bekennen sich außerdem dazu, Schwangerschaftsabbruch zum Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung und zum Teil einer ,,verlässlichen Gesundheitsversorgung zu machen".

Die deutschlandweit bekannte Gießener Ärztin Kristina Hänel saß im entscheidenden Moment auf der Besuchertribüne des Bundestages. 2017 war sie erstmals verurteilt worden, weil sie auf ihrer Webseite Informationen zu Abtreibungsmethoden anbot. Am Freitag lauschte sie mit Maske der Debatte, nickte ein paar Mal. Für Hänel ist es ein Moment der Genugtuung, ein Moment, auf den sie jahrelang vergeblich gewartet hatte.

Als die Entscheidung verkündet wurde, seien ihr die Tränen gekommen, sagte die Ärztin später dem ,,Spiegel". ,,Dieser Kampf ist vorbei.... Ich bin erleichtert, so unendlich erleichtert", wird sie im Bericht zitiert.

Die grüne Frauenministerin Lisa Paus sprach von einem ,,Triumph" für Frauen und Mediziner in Deutschland. ,,Heute ist ein großartiger Tag." Jetzt sei endlich Schluss mit der Stigmatisierung von Ärztinnen und Ärzten. Jetzt könnten ungewollt Schwangere endlich barrierefrei Zugang zu den Informationen erhalten, die sie brauchen.

Und dann legte sie noch mit einem Satz nach, der bei Union und AfD für Empörung auslöste: ,,Man muss auch über den Paragraf 218 reden." Das würde bedeuten, Schwangerschaftsabbrüche an sich straffrei zu machen.

Die Debatte um den Paragrafen – das eigentliche Abtreibungsverbot steht im Nachbarparagrafen 218 des Strafgesetzbuchs – hatte 2017 begonnen, als Hänel sich vor Gericht gegen einen Strafbefehl wehrte.

Ihr folgten Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls von dem Verbot betroffen waren; einige hatten schon viele Bußgelder deswegen einstecken müssen, wenn Abtreibungsgegner:innen, die sich selbst als Lebensschützer verstehen, sie wegen Verstoß gegen § 219a anzeigten.

,,Ich freue mich, dass der unsägliche Paragraf, der viel Unheil angerichtet hat, damit der Geschichte angehören wird", sagte Hänel. Er habe es möglich gemacht, dass unter der falschen Bezeichnung ,,Werbung" seriöse Information verboten wurde, während ,,jegliche unqualifizierte und irreführende Äußerung von Nicht-Fachleuten" erlaubt gewesen sei – was Abtreibungsgegner:innen ausgiebig genutzt hätten, um betroffene Frauen noch mehr zu belasten.

Hänel mahnte zugleich die Erfüllung der weiteren Versprechen der Ampel an: ,,Defizite in Ausbildung, Forschung und Lehre müssen aufgeholt werden; Beratungsstellen und durchführende Einrichtungen müssen vor sogenannter ,,Gehsteigbelästigung" geschützt werden sowie vor Einschüchterungen, Drohungen und unzulässigen Holocaustvergleichen; das Versorgungsangebot sowohl ambulant als auch stationär muss sichergestellt werden; die Übernahme der Kosten für die Prävention sowie für die Behandlungen beim Schwangerschaftsabbruch, falls die Prävention versagt hat, muss sichergestellt werden; die laut WHO eingeforderte Aufhebung der Beratungspflicht und der vorgeschriebenen Bedenkzeit muss zugunsten einer freiwilligen Beratung erfolgen", so Hänel in ihrer Erklärung. Sie verfolgte die Debatte von der Besuchertribüne des Bundestags aus.

Aussagen zum seit mehr als 150 Jahren umkämpften Hauptparagrafen 218 enthält der Koalitionsvertrag nicht. Ärzt:innenverbände wie ,,Doctors for Choice" fordern erneut dessen Abschaffung. Leonie Kühn, Gynäkologin und Mitgründerin der Vereinigung, sagte im Frühjahr dem Tagesspiegel, der 219a sei lediglich ,,Teil eines Problems, das viel tiefer geht". Es gehe um die Kriminalisierung von Abtreibung insgesamt.

Sie führe dazu, ,,dass Abbrüche tabuisiert und stigmatisiert werden, in der Gesellschaft wie in der medizinischen Ausbildung – wer will denn etwas lehren, was im Strafgesetzbuch steht?" Auch für ungewollt Schwangere sei es ,,schockierend, dass ihr Wunsch nach einem Abbruch kriminell sein soll". (mit dpa)


Aus: "Ärztin Kristina Hänel zur Abschaffung des § 219a: ,,Ich bin erleichtert, so unendlich erleichtert"" Andrea Dernbach (24.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/aerztin-kristina-haenel-zur-abschaffung-des-219a-ich-bin-erleichtert-so-unendlich-erleichtert/28452214.html

Quotelindener1966 14:48 Uhr

Zum Glück wird hier ausnahmsweise "Werbeverbot" in Anführungszeichen gesetzt, denn tatsächlich war es ja ein Informationsverbot. Und Informationen sollten jedem und jeder leicht zugänglich sein.


Quoteiuklin 13:54 Uhr

Die Streichung dieses völlig antiquierten Paragraphen kann nur der erste Schritt gewesen sein. Das Kernproblem ist nicht das Verbot der sog. Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, sondern das grundsätzliche Verbot dieser Abbrüche, das in § 218 regelt ist. Dort ist zu lesen:

    Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Abbrüche von Schwangerschaften sind in Deutschland eine Straftat und das ohne Wenn und Aber. Wenn der Deutsche Bundestag § 218 angeschafft hätte, würden Frauen, die sich zu diesem Schritt schweren Herzens entschließen, sowie deren behandelnde entkriminalisiert, ein unideologischer Diskurs zu diesem Thema endlich möglich. Denn durch diese Kriminalisierung kommt überhaupt es erst dazu, dass über diesem Thema immer das Damoklesschwert der Bestrafung schwebt, das einen solchen Diskurs verunmöglicht. Dies wiederum führt dazu, dass Personen und Gruppen dazu ermuntert werden, den betreffenden Frauen sowie ÄrztInnen nachzustellen, anzufeinden und zu stigmatisieren. Das kann für eine aufgeklärte Gesellschaft allerdings kein adäquater Umgang mit Menschen sein, die sich in einer Notsituation befinden. Um es ganz klar zu sagen: Niemandem außer der Frau selbst geht es etwas an, was mit ihrem Körper passiert, wie sie über ihren Körper entscheidet.

Unsere Gesellschaft zeichnet sich sonst im höchsten Maße dadurch aus, dass das Individuum ein selbstdenkendes, selbsthandelndes Subjekt darstellt und für sich selbst am besten entscheiden kann, was gut für ihn ist. Ausgerechnet bei diesem Thema sieht das aber anders aus, und es stellt sich die Frage, ob der genannte Paragraph nicht misogyner Natur, das Argument, ungeborenes Leben zu schützen, nicht nur vorgeschoben ist. Es sind bekanntlich in den meisten Fällen Männer, die den Frauen ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung einschränken. Männer, die ihre Macht über den weiblichen Körper erhalten wollen. Ein untragbarer Zustand, der sofort abgeschafft gehört.


....

Link

Quote[...] Die Debatten um Trumpcare und um rechtspopulistische Positionen in Europa verweisen auf ein ungelöstes Problem.

Von Susan Vahabzadeh

Das Recht auf etwas ist nicht dasselbe wie eine Erlaubnis; ein Recht kann man nicht zurücknehmen, eine Erlaubnis schon. Sind das, was Frauen in den letzten Jahrzehnten erstritten haben, nun Rechte - oder doch nur Genehmigungen mit Ablaufdatum? Die Frage ist nicht so absurd, wie sie für manchen vielleicht erst einmal klingt. Über das Recht auf den eigenen Körper scheint neuerdings wieder verhandelt zu werden. Man darf dazu zumindest Meinungen kundtun, die bis vor Kurzem einem beruflichen Selbstmord recht nahegekommen wären. Das geht schon mit Pussygate los, mit dem Tape, auf dem Donald Trump prahlte, was er bei Frauen alles darf, ohne zu fragen. Bewerber um das amerikanische Präsidentenamt konnten sich bis vor Kurzem noch wegen einvernehmlicher außerehelicher Sexualkontakte alle Hoffnungen abschminken. Vorbei. Es wäre noch viel zu tun für die Gleichberechtigung der Geschlechter, aber statt über Lohngleichheit zu diskutieren, befindet sich die Debatte derzeit im Rückwärtsgang, in den USA und zum Teil auch in Europa.

In Washington fanden in der vergangenen Woche die Befragungen des designierten neuen Richters am Supreme Court statt. Dabei war auch seine Haltung zur geltenden Abtreibungsgesetzgebung immer wieder ein Thema: Würde Neil Gorsuch versuchen, das Urteil im Präzedenzfall Roe vs. Wade, das die Grundlage für die derzeitige Abtreibungsregelung in den USA ist, gerne kippen? Gorsuch hielt sich bedeckt, und allein seine Stimme würde dafür bislang die Mehrheitsverhältnisse noch nicht ändern. Am Freitag wurde die erste Fassung von Trumpcare zurückgezogen - wie aber soll eine zweite Fassung aussehen, die dem rechten Flügel der Republikaner gefällt? Schon jetzt sollten Krankenversicherungspolicen künftig durch Steuerermäßigungen subventioniert werden, was aber nicht für Policen gelten sollte, die eine Kostenübernahme im Fall einer Abtreibung vorsehen. Zur Debatte standen bis zuletzt auch Mammografien und Schwangerschaftsvorsorge. Um Prostata-Untersuchungen ging es dabei allerdings nicht. Selbst wenn sich bei einer Neufassung von Trumpcare die moderaten Republikaner durchsetzen, könnte das Abtreibungsrecht bald im Supreme Court zur Debatte stehen. Viele Staaten erschweren Abtreibungen schon jetzt und haben Verbotsgesetze für den Fall in der Schublade, dass es gelingt, Roe vs. Wade zu kippen.

Im US-Staat Oklahoma wird derzeit ein neues Abtreibungsrecht diskutiert, wonach für jede Abtreibung die schriftliche Genehmigung des Kindsvaters erforderlich wäre. Der republikanische Abgeordnete Justin Humphrey, der dieses Gesetz durchdrücken will, erklärt seine Position so: "Ich kann schon verstehen, dass sie" - die Frauen - "das Gefühl haben, das sei ihr Körper." Verstehen kann er es, er sieht es nur anders und erklärt dann weiter, Frauen seien halt eher "hosts", Gastgeber.

Das Zitat klingt nach Mittelalter, stammt aber aus dem Februar 2017.

Damit rührt Humphrey an einen zentralen Punkt. Er stellt tatsächlich gar nicht die Abtreibung an sich in Frage, sondern wer die Kontrolle hat über den Körper einer Frau. Das ist noch einmal etwas ganz anderes als eine Diskussion darüber, ob es sich bei einem Fötus im ersten Trimester einer Schwangerschaft bereits um ein eigenständiges Lebewesen handelt, dessen Recht schwerer wiegt als das Recht der Frau, in deren Uterus es heranwächst. Es gibt durchaus Gründe, warum Gleichberechtigung ohne eine Abtreibungsregelung nur schwer vorstellbar ist. Die Frage, ob Männer Frauen dazu zwingen dürfen, Kinder auszutragen, schien aber eigentlich schon einmal geklärt.

Das hat sich geändert. Und mehr noch, es gibt Fotos von der Diskussion des Freedom Caucus, der sehr rechten Gruppe republikanischer Abgeordneter, die am vergangenen Donnerstag über Trumpcare diskutierten - alles Männer. Schon im Januar hat Donald Trump im Kreise von Männern ein Dekret unterschrieben, das der NGO Planned Parenthood die Finanzierung entzog. Die Organisation steht seit Jahren unter Beschuss von rechten Abtreibungsgegnern, denen jedes Mittel recht ist, die ihr sogar Handel mit Organen von Föten unterstellen, obwohl vor Gericht längst geklärt wurde, dass das nie passiert ist.

Um den Women's March im Januar herum wurden mehrere Forderungen laut, die gesamte Frauenbewegung unter einem Dach zu versammeln - die Pro-Life-Bewegung fühlt sich ausgeschlossen. Es gibt aber kaum Pro-Life-Anhänger, die ihre Abtreibungsgegnerschaft und den Kampf gegen die Benachteiligung von Frauen unter einen Hut bekommen, oder auch nur ihr eigenes Weltbild. In der vergangenen Woche hat sich beispielsweise die republikanische TV-Moderatorin Tomi Lahren in einer Sendung zur geltenden amerikanischen Abtreibungsgesetzgebung bekannt. Ihre Begründung: Ein Grundzug konservativer Politik sei für sie Deregulierung, und sie sehe nicht ein, warum sie ausgerechnet eine Regulierung befürworten solle, die über die Körper von Frauen bestimmt. Ihr Arbeitgeber, das konservative Medienunternehmen The Blaze, hat sie daraufhin suspendiert. Die Republikaner sind ja tatsächlich die großen Deregulierer, nur halt nicht in dieser Frage.

Kann man, in Amerika oder in Europa, tatsächlich die Gleichberechtigung hinbekommen ohne ein Abtreibungsrecht? Eher nicht. Manche Gründe dafür sind rein pragmatisch. Es hat Abtreibungen wahrscheinlich immer gegeben, mindestens aber haben sich mit Schwangerschaftsabbrüchen schon die sumerische Gesetzgebung und jene im antiken Griechenland befasst. Natürlich stand der Abbruch unter Strafe, sofern die Frauen ihn überlebten.

Wie viele Frauen auch heute noch in aller Welt an stümperhaften Abtreibungen sterben, in Ländern zumal, in denen sie legalisiert wurden, darüber sind schreckliche Schätzungen im Umlauf. Die WHO glaubt, dass jedes Jahr 47 000 Frauen durch illegale Abtreibungen sterben. In Südafrika beispielsweise wurden Abtreibungen 1996 legalisiert, die Todesfälle sanken danach drastisch. Insgesamt zeigen Studien, dass die Abtreibungsrate gar nicht sinkt, wenn Abtreibungen strafbewehrt sind. In Lateinamerika und Afrika sind die Raten viel höher, dort lassen etwa dreißig von 1000 Frauen eine Schwangerschaft abbrechen, in Westeuropa sind es aber nur 12 von 1000. Das hat auch damit zu tun, dass wir zwar in einem Zeitalter leben, in dem es ganz vielfältige Verhütungsmethoden gibt; nur kosten sie alle Geld, und das spielt in ärmeren Ländern eine große Rolle. Und für arme Leute in reichen Ländern tut es das auch.

Kinderkriegen ist ein monströses Armutsrisiko. Es gibt Heerscharen alleinerziehender Mütter, und nein, das liegt nicht allein daran, dass Vätern von Gerichten das Sorgerecht versagt wird, auch wenn das im Einzelfall passiert. In Deutschland leben laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung (2014) 1,6 Millionen Frauen mit ihren Kindern allein, die Zahl ist in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen, das Armutsrisiko auch, die Lohngleichheit aber bleibt in weiter Ferne. In fast allen westlichen Gesellschaften sind alleinerziehende Mütter die größte Gruppe innerhalb der Sozialhilfeempfänger. Mütter haben schlecht bezahlte Teilzeitjobs - und da kann eine Schwangerschaft übers wirtschaftliche Überleben entscheiden.

Victoria Woodhull, eine amerikanische Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts, wird von Abtreibungsgegnern gern zitiert, weil sie sich eine Welt ohne Abtreibungen wünschte; allerdings auch eine ohne ungewollte Schwangerschaften. Frauen tragen nach wie vor die Hauptlast der Kindererziehung. Wer für Gleichberechtigung ist und sich Woodhulls Welt wünscht, eine Welt ohne Abtreibungen, der muss gleichzeitig für einen gesellschaftlichen Umbau sein.

In Deutschland und in vielen westlichen Ländern sind die Abtreibungsraten rückläufig, im Gegensatz zum antiken Griechenland gibt es heute zuverlässige Verhütungsmittel. Wer Abtreibung verbieten will, ebnet dennoch Quacksalbern und Engelmacherinnen den Weg. Obamacare, Barack Obamas Affordable Care Act, hatte das übrigens im Blick - das Gesetz verpflichtet Krankenkassen dazu, eine von fünf Verhütungsmethoden abzudecken. Auch das würde Trumpcare abschaffen. Ach, es sind schon tolle Dinge salonfähig geworden: Auf Breitbart News erschien, als Trumps Berater Stephen Bannon die rechte Website noch leitete, unter anderem ein Pamphlet, das nachweisen wollte, die Pille mache Frauen unsexy, dumm und zu Schlampen.

Die Idee, die all das verbindet, führt zurück in eine Zeit, als Gleichberechtigung nicht einmal ein Thema war, als Frauen zwar alle Verantwortung für die Reproduktion aufgebürdet wurde, sie dann aber nicht mal über ihren eigenen Körper bestimmen durften. Frauen, die ungewollt schwanger sind, müssten, so Justin Humphrey, der Abgeordnete aus Oklahoma, ihre "Verantwortungslosigkeit" ausbaden.

Man kann über Abtreibungsregelungen ja durchaus streiten. Beispielsweise über die Regelung (Roe vs. Wade), wonach Abtreibungen erlaubt sind, bis der Fötus außerhalb des Mutterleibs als überlebensfähig gilt. Als das Urteil 1973 erging, waren das 28 Wochen, später wurden 24 draus, in den Anhörungen um Neil Gorsuch wurde auch die Absenkung auf 20 Wochen diskutiert. In den USA finden trotzdem fast alle Abtreibungen im ersten Trimester statt, und auch bei uns gibt es andererseits Fälle, in denen die Frist verlängert wird, etwa aus medizinischen Gründen. Von einem Zellhaufen kann man da aber meist nicht mehr reden.

Oder, ein anderes Beispiel: Darüber, dass die selektive Abtreibung weiblicher Föten in Indien und China ein Skandal ist, sind sich alle westlichen Feministinnen einig. Sie sind es aber nicht, wenn es um die selektive Abtreibung behinderter Föten geht. Obwohl man sehr wohl die Position vertreten kann, dass Behinderungen die schwächste aller Begründungen sind, ein Kind nicht auszutragen. Selbst, wenn man letztlich zu dem Schluss kommt, dass jede Frau das eben selbst entscheiden muss, sollte klar sein: Auch das ist eine Selektion, die ein Welt- und Menschenbild spiegelt. Jede Unterscheidung zwischen guten und schlechten Abtreibungsgründen tut das. Das Dickicht ethischer Abwägungen macht es nur zwingender, jede Frau selbst entscheiden zu lassen, was für sie relevant ist - und was nicht.

Es gibt eben einen entscheidenden Unterschied zwischen jenen Leuten, die Abtreibungen verbieten wollen, und jenen, die sich für Regelungen einsetzen, die das Individuum entscheiden lassen. Niemand, der für legale Abtreibungen auf die Straße geht, will Abtreibungsgegner dazu bringen, selbst Schwangerschaften abzubrechen; sie sollen es nur anderen erlauben. Umgekehrt ist das eben nicht so - Abtreibungsgegner verlangen die Kontrolle über andere. Und diese Kontrolle ist ein Feind der Gleichberechtigung.

Dieser Geist steckt in vielen Parteipapieren. Die französische Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen vom Front National sagt, es sei eine Unterstellung, der Front National wolle die "Frauen zu den Stricknadeln zurückschicken", aber die Erstattung durch die Krankenkasse soll trotzdem reduziert werden. Die Auslegung einer "Notlage" - einer von zwei Gründen, die nach französischem Gesetz vorliegen müssen, damit die Abtreibung in Frankreich überhaupt legal ist, geht ihr zu weit.

Und wie stehen die Dinge bei uns? Die AfD bleibt in ihren Positionen ausweislich des Parteiprogramms ziemlich unkonkret. Im Prinzip ist Abtreibung nicht so toll, soviel ist klar. Das Rezept dagegen ist die "Familie als Leitbild", es geht um "elterliche Betreuung". Über diesem Abschnitt steht: "Diskriminierung von Vollzeit-Müttern stoppen". Nur für den Fall, das irgendwer noch nicht kapiert hat, wer mit "elterlich" eigentlich gemeint ist.



Aus: "Gleichberechtigung: Kann es Gleichberechtigung ohne das Recht auf Abtreibung geben?" Susan Vahabzadeh (30. März 2017)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/gleichberechtigung-kann-es-gleichberechtigung-ohne-das-recht-auf-abtreibung-geben-1.3436601-0

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"Schwangerschaftsabbruch: Was das Urteil des Supreme Courts bedeutet" Johanna Roth, Washington D.C. (26. Juni 2022)
In den USA gibt es kein grundsätzliches Recht mehr auf einen Schwangerschaftsabbruch. Welche Folgen hat das? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Supreme-Court-Urteil
https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-06/schwangerschaftsabbruch-roe-v-wade-frauen-usa

QuoteT. Durden #103

Ein sehr gutes Urteil.

Es kann nicht sein, dass in einem Land, das sich lebensfreundlich, demokratisch und liberal schimpft, Menschen völlig legal getötet werden können, nur weil sie keine Stimme haben. Das hat nichts mit der Entscheidung über den eigenen Körper zu tun. "Pro-Choice" hält eben nicht das, was es verspricht: das abgetriebene Kind hat nie die Chance über sein Leben zu entscheiden.


QuoteHeinrich Reisen #103.1

Satire? ...


QuoteMusstika #103.3

[das abgetriebene Kind hat nie die Chance über sein Leben zu entscheiden]

Die möglichweise Vergwaltigte Frau auch nicht, ob Sie das wollte.


QuoteKalbshaxeFlorida #1

So eine Entscheidung sollte eigentlich ausschließlich oder zumindest überwiegend von Frauen bzw. Müttern getroffen werden. Hier war es sicher wieder die klare Mehrheit, alter weißer Männer. In was für einer hängengebliebenen Welt wir leben.


QuoteRGFG #1.1

Die entscheidende Stimme kam von einer jüngeren weißen Frau, die extra deswegen von Trump und den Republikanern in den Supreme Court gehievt worden war.


Quote

> alter weißer Männer.

Dummes Geschwätz.
Abtreibungsgegner (diejenigen, die die eigentlichen Gesetzesänderungen in den Bundesstaaten fordern) sind keine alten weißen Männer. Tatsächlich sind 37% der Bevölkerung in den USA gegen Abtreibung und ganz vorne Latino-Männer. Insgesamt tatsächlich mehr Männer (41%) aber auch erschreckend viele Frauen (35%). Alter spielt auch eine große Rolle, aber eben auch bei den Frauen.

"About six-in-ten Americans say abortion should be legal in all or most cases" Hannah Hartig
https://www.pewresearch.org/fact-tank/2022/06/13/about-six-in-ten-americans-say-abortion-should-be-legal-in-all-or-most-cases-2/


QuoteHouse MD #1.10

Ist das ein alter weißer Mann ?

Clarence Thomas (* 23. Juni 1948 in Pin Point, Chatham County, Georgia) ist ein US-amerikanischer Jurist und seit dem Jahr 1991 Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court). Er ist dem konservativen Flügel des Gerichtshofs zuzuordnen.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Clarence_Thomas


QuoteHarrison Bergeron #1.11

Auch junge schwarze Frauen können "alte weiße Männer" sein, wenn sie "falsche" Meinung haben.


QuoteHe_cate #1.29

....die Ursachen sind patriarchale Strukturen, gestützt von christlich-konservativen Ideologien, die auch Frauen internalisiert haben...dass für diese Zustände weiße Männer verantwortlich sind, ist fakt. Btw, hat Deutschland immer noch Paragraph 218, der Schwangerschaftsabbrüche illegalisiert - dieser ist von Frauen^ mitgetragen, aber gemacht wurde er von weißen Männern...


Quotesonstwer #1.33

Diese Diskussion ist an Heuchelei kaum zu überbieten.
Die gleichen "Pro Lifer", die Frauen das Recht auf Abtreibung nehmen, lassen ihre Kinder lieber in der Schule abknallen bevor sie ihre Haltung zu Schusswaffen auch nur in Frage zu stellen.
Es geht nicht um Kinder oder Leben. Es geht um Macht und Kontrolle. Und natürlich "to own the libs" aka "to hurt the right people". Mehr ist da nicht.


QuoteQue Che #1.70

> Alle Schwangeschaften werden zu 100 % durch Männer verursacht. Wieso werden deren Körper nicht reguliert.

Wie verblendet muß man eigentlich sein, um da eine Männer vs. Frauensache draus zu machen? Die große Mehrheit *aller* Männer in den USA ist für das Recht auf Abtreibung. Bei den Abtreibungsgegner sind es relativ ähnlich viele Frauen und Männer. Also was soll das?

Das Problem sind auch nicht nur die bösen Männer (und die Frau) im Supreme Court. Der hat nämlich nur entschieden, das die Bundesstaaten eigene Gesetze bez. Abtreibung festlegen können.
Die Bundesstaaten und die Abgeordneten dortdie verbieten gerade großflächig Abtreibung oder schränken sie stark ein. Und die werden in der Mehrheit von Frauen gewählt.

Share of people registered to vote in the United States in 2020, by gender
71% Male, 74% Female
In 2020, about 74.1 percent of women in the United States were registered to vote. This is higher than the share of men who were registered to vote in that same year.
https://www.statista.com/statistics/999930/share-people-registered-vote-gender/


QuoteJadoo6 #1.71

... Das Problem ist die Rückkehr zu einer bigotten Moral der Konservativen, die sich zwar jedes Recht gerne als Elite herausnehmen, aber Menschen ohne Einkommen oder Opfer von Verbrechen behandeln, als ob diese ein quasi göttlicher Schicksalschlag getroffen hätte. Es geht um Macht, eine sehr bösartige Art von Weltanschauung und doppelte Moral.

Dass durch solche Gesetze wahrscheinlich keine einzige Abtreibung verhindert, dafür aber viel Leid und Tragik in die Welt gesetzt wird, sehen solche bigotten Persönlichkeiten nicht ein.

Dabei sollte eben doch eine christliche Moral helfen: im Mittelpunkt sollte der Mensch stehen, und da zählt das werdende Leben nicht mehr als das Leben der Mutter. Unser moderner Satz von dem Bauch, der der Frau gehört, ist dabei nur eine Hilfskonstruktion. Es geht um mehr. Uns allen nutzt keine Frau, die durch einen illegalen Schwangerschaftsabbruch stirbt oder unfruchtbar wir. Und nutzt kein Kind, dass als Folge einer Vergewaltung bei einer nicht liebenden Mutter in Armut aufwächst und später zum Verbrecher oder Amokläufer eventuell wird. Und nutzt kein Abtreibungsrecht, dass dafür sorgt, dass Mutter und Kind im Laufe einer Schwangerschaft sterben.

Die Entscheidung in den USA ist einfach verlogen, unvernünftig und unchristlich. Schlimmer geht es nicht. Diese radikale Ideologie rund um die Abtreibung in den USA ist einfach gesagt Teufelszeug, unmenschlich und unmoralisch.


Quotenovecento788 #7

Amerikas Frauen, die gegen das Urteil sind, sollten geschlossen in einen Sex-Streik treten. Das wäre die wirksamste Waffe gegen Dummheit und Rückwärtsgewandheit.


QuoteTraveangler #7.1

Sexstreik?

Das wird diese Idioten nicht interessieren, dann gehen sie eben ins Bordell.


QuoteTavlaret #7.3

Das sind auch Amerikas Frauen! ;-)


QuoteTraxxq #8

Erst die Taliban und jetzt das, welches Problem haben Religiöse Männer nur mit Frauen ?


QuoteGerald1 #8.1

Das tragische ist, dass es nicht nur Männer sind, die das so sehen. Wenn man sieht wie viele Frauen Trump wählten oder gegen das Recht auf Abtreibung sind, kann man an der Vernunft der Menschheit zweifeln.


QuoteTraxxq #8.2

Manchen Menschen gefällt es einfach dominiert zu werden.


QuoteQuadon #8.3

Korrekt und entsprechend traurig. Selbst von den 3 Frauen am Supreme Court ist eine Abtreibungsgegnerin.


QuoteWD-40 #13.1

Mit Moral oder Religion hat es nichts zu tun, denn zum Thema Abtreibung ist in der Bibel rein gar nichts geschrieben

Naja, Gläubige sind da recht kreativ. Im Koran steht auch nichts über die Verhüllung von Frauen.


QuoteWD-40 #13.2

Genauso übrigens, wie die Bibel nicht explizit das Zölibat für Priester verlangt.


QuoteHelloDarknessMyOldFriend #17

Bevor man sich jetzt beschwert, wie barbarisch die USA doch sind, kann man doch darauf hinweisen, dass bei uns eine Abtreibung aus nicht medizinischen Gründen (sprich auch im Falle einer Vergewaltigung), nur bis zur 12. Woche, (bzw. 14. Woche nach der letzten Regelblutung) möglich ist.


QuoteWD-40 #17.1

Ist dann aber schon noch ein Unterschied zu einem evtl. kompletten Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Denken Sie nicht?


QuoteTraveangler #19

Aus Illinois, das an viele konservativ regierte Bundesstaaten grenzt, wurde bereits vor der Entscheidung gemeldet, dass drei Viertel der Patientinnen von außerhalb kommen.

In Mexiko sind Schwangerschaftsabbrüche seit dem vergangenen Jahr straffrei.

Dasmuss mansich mal vorstellen, Frauen müssen ins Ausland. Nach Mexiko oder Kanada.
Wie in Deutschland, als die Frauen nach Holland mussten.


QuoteHarrison Bergeron #24.1

... Trump wurde von 43% der US-Bürgerinnen gewählt und der hat den SC entscheidend besetzt. ...


QuoteNogod #29

The seed of Trump: 'Grab Her By The Pussy'
Welcome in the middle age.


QuoteHarrison Bergeron #29.1

Und trotzdem haben 43% der US-Bürgerinnen für Trump gestimmt.


QuoteJinx Powder #52

Schlimm ist, dass erzkonservative Politik, Machtkorruption und gesellschaftliche Ausrichtung auf Despoten eine Renaissance zu erleben scheint.


QuoteGarmirian #53

... Ja, die Konservativen arbeiten an dieser Entscheidung seit mindestens 40 Jahren konsequent und waren jederzeit bereit auch Grenzen zu überschreiten für dieses Ziel.
Sie haben es geschafft, sie haben gewonnen! ...


QuoteVonKindernFernhalten #55

Und gleichzeitig Sex Education aus dem Stundenplan nehmen, wegen der Frühsexualisierung - um Abtreibungen zu verhindern, braucht es mehr Sexualkundeunterricht, nicht weniger.
Planned Parenthood die Mittel streichen und den Zugang zu Verhütung erschweren und unmöglich machen.

Husch husch, zurück ins 15. Jahrhundert!


QuoteChristopherLein #78

Warum hat zon innerhalb von paar h bereits 5 Artikel zu einem US internen Thema?


QuoteWD-40 #78.1

Mag daran liegen, dass die ZEIT im Gegensatz zur ,,Jungen Freiheit" auch mal über den deutschen Tellerrand hinaus blickt.


QuoteChristopherLein #78.2

Ach und daher gleich 5artikel?


QuoteWD-40 #78.3

Niemand zwingt Sie dazu, alle fünf Artikel zu lesen. Falls Ihnen das zu anstrengend ist, dann können Sie wieder zur Jungen Freiheit springen.


QuoteGänsebraten ist ein schönes Essen #78.6

"Und warum darf man in ihrer Welt nicht hinterfragen warum ein innenpolitisches us Thema der Zeit gleich 5 Artikel wert ist während?"

Weil man damit in "dieser Welt" einen wunden Punkt damit trifft.


Quotemarcoti3 #79

Viel schriller als gerade diese Entscheidung des Suprime Court, empfinde ich in gewissen Bundesstaaten der USA das Verbot bei 20 Jährigen (!!!), ein Restaurant mit Alkoholausschank zu besuchen - aber im gleichen Bundesstaat ganz legal vollautomatische Waffen wie Maschinenpistolen und Maschinengewehre zu erwerben.


QuoteAlanFord #79.1

wieso schrill? ich erwarte von den "glorreichen" 6 im Supreme Court. nicht mehr und nicht weniger als die Wiedereinführung der Rassengesetze.


Quotejus-kenner #81

Nach dem Urteil über das Grundrecht auf ,,freies" Tragen von Waffen ein weiterer Beleg für den American way of ,,freedom". Und als nächstes folgen voraussichtlich die Abschaffung der Homoehe und der Schauprozess gegen Julian Assange.


...

Link

Quote[...] Nach Schüssen in Oslo mit zwei Toten und mindestens 21 Verletzten ermitteln die norwegischen Behörden wegen Terrorverdachts. "Die Polizei behandelt den Fall als terroristischen Angriff", teilten die Behörden am Samstag mit. Ein Tatverdächtiger war festgenommen worden, nachdem gegen 01.00 Uhr nachts an drei Orten Schüsse gefallen waren.

Die Schüsse fielen in Oslos Zentrum in der Nähe des größten LGBTQI-Clubs London Pub und eines Jazzclubs sowie vor einem Imbissstand. Der London Pub ist einer der Veranstaltungsorte des Oslo Gay Pride Festivals, Norwegens größtem LGBTQI-Festival mit Konzerten, Ausstellungen und anderen Veranstaltungen.

Die englische Abkürzung LGBTQI steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans Menschen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen. Weltweit feiern Menschen im Juni den Pride-Month, der sich für Diversität und die Gleichberechtigung der LGBTQI-Gemeinde einsetzt.

Der Tatverdächtige sei dem für Terrorabwehr zuständigen Inlandsgeheimdienst bekannt, sagte Polizeichef Christian Hatlo bei einer Pressekonferenz. Auch der Polizei war der mutmaßliche Täter wegen kleinerer Vergehen wie dem Tragen eines Messers und Drogenbesitzes schon früher aufgefallen. 

Das Motiv für die Tat war nach Angaben von Polizeisprecher Tore Barstad nicht bekannt. Es sei nicht klar, ob die Schüsse in Zusammenhang mit der Pride-Parade standen, sagte der Sprecher. Die Parade wurde wenig später abgesagt, teilten die Organisatoren mit. Zu dieser Entscheidung sei ihnen von der Polizei geraten worden. "Oslo Pride bittet daher alle, die geplant haben, an der Parade teilzunehmen oder ihr zuzusehen, nicht zu erscheinen" hieß es auf der offiziellen Facebook-Seite der Veranstaltung.

Ministerpräsident Jonas Gahr Støre beschrieb die Tat auf Facebook als einen grausamen und zutiefst schockierenden Angriff auf unschuldige Menschen.

Die norwegische Zeitung Aftenposten hatte zunächst berichtet, es seien mindestens zehn Menschen medizinisch versorgt worden, drei würden als schwer verletzt gelten. Weitere zwölf Menschen seien leicht verletzt.

Ein Augenzeuge sagte der Zeitung Verdens Gang, der mutmaßliche Täter habe mit einer automatischen Waffe gefeuert, der Tatort habe ausgesehen "wie ein Kriegsschauplatz". Am Boden hätten mehrere Menschen mit Kopfverletzungen gelegen. Der norwegische Sender NRK zitierte einen Augenzeugen, demzufolge im Nachtclub nach den Schüssen Panik ausgebrochen sei. Schwer bewaffnete Polizisten in Kampfmontur sicherten in den Morgenstunden den Tatort ab.


Aus: "Polizei in Oslo ermittelt nach Schüssen wegen Terrorverdachts" (Aktualisiert am 25. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/oslo-schuesse-nachtclub-norwegen-tote

Quotebetolerant #1

Ein vereitelter Angriff von rechtsextremen auf eine Pride in den USA. Menschen, die in Augsburg kurz nach dem CSD brutal zusammengeschlagen werden. Jetzt der Angriff in Oslo.
Ich habe das Gefühl, es wird schlimmer und gehe dieses Jahr mit großen Bauchschmerzen zum Münchner CSD. Nicht hinzugehen ist allerdings keine Alternative, denn dann haben die Angreifer ihr Ziel erreicht.
Meine Gedanken gehen an die Opfer dieser grausamen Tat.


QuoteZeitschriftenleser #9

Warum hasst man Menschen, die eine andere Sexualität haben, wie man selbst?
Kann es sein, dass solche Menschen ein Problem mit der eigenen Sexualität haben?


QuoteOverTheHills #9.3

Bei einigen ist es wohl verkappte Homosexualität, bei anderen religiöse Erziehung und/kultureller Einfluss. Bei anderen alles zusammen.In den 70ern gab es einen Fernsehfilm mit Jürgen Prochnow, in dem er sich in seinen Zellengenossen verliebt. Der Bayrische Rundfunk hat ihn nicht ausgestrahlt. Kirche und Hinterwäldlertum.


Quoteverschwommen #9.5

Ängste sind auf jeden Fall da. Man könnte ja selber homosexuell sein, weil man mit Homosexuellen abhängt. Sei es nur, dass man so bezeichnet wird, auch wenn es nicht stimmt, oder dass man tatsächlich feststellt, dass man es ist. Aber wie soll man wissen, was einem gefällt, wenn man es nicht ausprobiert. Ich wünschte, Leute würden das Experimentieren mit der eigenen Sexualität sehr viel lockerer sehen.

Was Araber / Türken / Muslime angeht, ist es noch paradoxer. Schwul ist man nur, wenn man passiven Sex mit Männern hat, aber nicht, wenn man den aktiven Part übernimmt. Kein Witz. Gibt nicht wenige, die so denken. Nicht alle natürlich. Manche verabscheuen Homosexualität auch, haben aber Sex mit passiven Männern, weil sie darauf stehen, zu dominieren. Was dann wieder Sinn ergibt, wenn man darüber nachdenkt. Gefühle bleiben aussen vor (wäre ja schon wieder "schwul"). Übersteigertes Männlichkeitsgehabe und der Drang nach Sex, gerne von hinten, was zu Hause nicht geht, weil es die Religion verbietet und die Frauen nicht mitmachen. Sieht man ja auch bei den ganzen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche, wie absurd und scheinheilig Religion ist bzw. sein kann. Sorry, wenn das zu offen war, aber so ist es halt.


Quotedunelm #15

Regelmäßig werden Personen, Treffpunkte und Veranstaltungen der LGBTQ-Community Zielscheibe von Gewalt und Terror. Das findet, weil es eine Minderheit betrifft, oft leider nur begrenzt Widerhall. Ich denke, gerade der sich als liberal (nicht im parteipolitischen Sinn gemeint) verstehende Teil der Gesellschaft muss sich endlich einmal ehrlich mit sich machen, wo die Prioritäten liegen und welche Werte wir in der Gesellschaft für zentral erachten und nachdrücklich schützen wollen. Gegen rechte Gewalt besteht meinem Eindruck nach ein gewisser Konsens. Sobald es ein Täter - wie jetzt in Oslo - mit migrantischem Hintergrund und Wertvorstellungen ist, die im konservativen Islam oder gar Islamismus begründet sind, wird der Konsens schon brüchiger. Dann greift das, was in ähnlicher Form auch bei der documenta-Debatte um Antisemitismus beobachtbar ist: es treten vor allem im eher linken Spektrum zwei Punkte in Konflikt: Toleranz gegenüber LGBTQ sowie das Selbstbild, nicht als rassistisch oder ausländerfeindlich wahrgenommen werden zu wollen. Leider scheint mir dann trotz inakzeptabler Wertvorstellungen oft der zweite Wunsch stärker als die Unterstützung für LGBTQ (oder die jüdische Gemeinde) aus einer m. E. falschen Nachsicht, man müsse halt Verständnis für andere kulturelle Prägungen haben. Nein, Verachtung für Mitmenschen bleibt Verachtung für Mitmenschen!


Quotedichter Dichter #15.1

Der mediale Widerhall hängt eher davon ab, welchen Hintergrund der Täter hat.


Quotevincentvision #16

Und immer wieder dasselbe ärmliche Schauspiel:
Kommt es zu solchen schrecklichen Vorfällen, lauern die Schubladendenker fast greifbar deutlich darauf, ihre kleinen Schubladen und Weltbilder bestätigt zu bekommen.
Man sieht sie förmlich vor sich, wie Sie die aktuellen Medientexte förmlich danach verschlingen, um ja das böse M-Wort zu finden - und dann, wenn der mutmaßliche Täter für sie erlösend irgendwas Muslimisches im Hintergrund hat, oder seine Eltern, ein Großvater, sein Umfeld oder der Hund - dann ist für die kleinen Denker alles klar!
Dann wird das ganze Arsenal an fehlendem rechtsstaatlichen Bewusstsein herausgeschossen - ,,Ausweisen, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, am besten die ganze Sippe raus" - sind noch die harmlosesten typischen Aussagen.
Und leider verhindern solche Sündenböcke dann zuverlässig, sich um die wahren Ursachen zu kümmern, weil man ja nicht mehr weiterzudenken braucht!
Und die liegen regelmäßig in einem Ungeist der Intoleranz, in der Spaltung in ,,die" und ,,wir" und im Akzeptieren von Einheimischen und nicht ganz so Einheimischen...
Das kommt beim radikalisierten Hinterhof-Imam vor - aber eben auch in hiesigen Politikern, die dieses Denken nach wie vor fördern, gut zu erfassen in der rechten Hälfte unserer politischen Parteienlandschaft.
Und damit selbstverständlich auch in deren Wählern, die sie und die Spaltung wählen - aber nur lautstark ,,Aber die Muslime...!" schreien...


QuoteFrau Funcke #16.12

++Ihre Reaktion ist genauso reflexartig wie die, die Sie kritisieren.++

...


QuoteReichensteuer #26

"Die Parade wurde wenig später abgesagt, teilten die Organisatoren mit."

Der Terrorismus hat sein Ziel erreicht...

Jetzt erst recht würde ich sagen!


QuoteDichter-Denker #3

Faschistische und intolerante Ideologien werden immer stärker. Jede und jeder sollte dagegen halten, wenn einem persönliche Freiheit und Recht auf Selbstentfaltung wichtig.


QuoteDithyrambe #3.1

Ich glaube nicht, dass diese stärker werden. Die Tendenzen waren in der Bevölkerung schon immer vorhanden. Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir meinen, dass wir ein ach so tolerantes Volk wären. Da läuft stellenweise ganz grundsätzlich etwas schief und das seit Jahrzehnten.


QuoteClimateJustice #3.3

"Faschistische und intolerante Ideologien werden immer stärker."

Empirisch ist das Gegenteil der Fall. Richtig ist vielmehr, dass Rechtsextremisten und Fundametalisten jedweden Glaubens weniger werden und gesellschaftlich immer mehr an Boden verlieren. Genau deshalb sind sie ja so aggressiv.

Also, mehr Gewalt von weniger Extremisten.


...

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Quote[...] Nach den tödlichen Schüssen rund um eine Bar in Oslo muss der mutmaßliche Täter für vier Wochen in Untersuchungshaft. Das teilte das Amtsgericht der norwegischen Hauptstadt mit. Die zuständige Richterin Rikke Lassen verhängte dabei ein für die gesamten vier Wochen geltendes Brief- und Besuchsverbot, zwei Wochen davon muss der Beschuldigte in vollständiger Isolation verbringen.

Der Angreifer hatte in der Nacht zum Samstag rund um eine beliebte Schwulenbar Schüsse abgefeuert. Dabei tötete er zwei Menschen und verletzte 21. Der norwegische Geheimdienst PST stuft die Attacke als islamistischen Terroranschlag ein.

Ein 43 Jahre alter Norweger mit iranischen Wurzeln wurde wenige Minuten nach den ersten Schüssen festgenommen. Das Tatmotiv ist noch unklar, die Polizei geht aber unter anderem der Theorie nach, dass es sich um ein explizit gegen Homosexuelle gerichtetes Hassverbrechen gehandelt haben könnte.

Die Behörden riefen nach dem mutmaßlichen Anschlag die höchste Terrorwarnstufe aus. Auch eine Pride-Parade, die wenige Stunden später hätte stattfinden sollen, wurde auf Anraten der Polizei abgesagt. Trotzdem fanden sich spontan mehrere tausend Menschen mit Symbolen der LGBTQI+-Community in der Osloer Innenstadt zusammen, um Solidarität mit den Opfern zu demonstrieren.

Regierungschef Jonas Gahr Støre rief die Bevölkerung nach der Tat dazu auf, sich gegen Hass zu wenden und weiter für eine vielfältige Gesellschaft einzustehen. Den Muslimen in Norwegen sicherte er zu, dass sie Teil der Gemeinschaft seien. Er wisse, dass viele von ihnen bestürzt darüber seien, dass der Angreifer aus islamistischen Motiven gehandelt haben soll.


Aus: "Mutmaßlicher Täter kommt nach Schüssen vor Lokal in Untersuchungshaft" (27. Juni 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-06/oslo-schuesse-nachtclub-untersuchungshaft


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Quote[...] Geschlossene Mädchenschulen, Frauen, die aus Berufen verdrängt werden und mehr Zwangsheiraten: Ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation ,,Amnesty International" zeichnet ein desaströses Bild der Lage von Frauen und Mädchen in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban. Frauen in Afghanistan stürben einen ,,Tod in Zeitlupe", zitiert der Bericht eine afghanische Journalistin.

Ganz unbeteiligt sind westliche Länder an dieser Lage nicht, wie der Bericht aufzeigt: 2020 kam es zu einem Friedensvertrag zwischen den USA und den Taliban. Dort wurde der Rückzug der US- sowie der Nato-Truppen vereinbart. Was Amnesty jedoch anprangert: Die Wahrung von Frauenrechten war kein Teil des Vertrages. Die Taliban sollten lediglich der militant-islamistischen Gruppierung Al-Kaida keinen Rückzug in Afghanistan gewähren. Der Friedensvertrag sei größtenteils unter Ausschluss von Frauenrechtlerinnen vereinbart worden, beklagt Amnesty.

Den Preis zahlen jetzt Frauen und Mädchen in Afghanistan: Fehlende Bildungs- und Berufschancen hätten zu einer wachsenden Anzahl von Zwangsheiraten geführt, heißt es im Amnesty-Bericht. Aber auch die herrschende humanitäre Krise sei ein starker Treiber von Zwangsehen in dem Land. Dem Bericht zufolge hatten im April dieses Jahres 95 Prozent der Menschen in Afghanistan nicht genug zu essen, nachdem die afghanische Wirtschaft in den Monaten zuvor eingebrochen war.

Höhere Mädchenschulen schlossen die militanten Islamisten bei ihrer Machtergreifung im August 2021 - und das, obwohl afghanische Medien und Zivilgesellschaft wiederholt Schulöffnungen forderten. Nur einige privat organisierte Schulen sowie öffentliche Mädchenschulen in einigen Provinzen sind noch geöffnet. ,,Millionen von Mädchen warten auf Bildung", zitiert der Bericht eine junge Lehrerin. Viele Schülerinnen würden auf Online-Unterricht ausweichen oder an privat organisiertem Unterricht teilnehmen, viele andere hätten jedoch auch aufgrund mangelnder Perspektiven die Motivation zum Lernen verloren.

Auch ein Großteil der Berufe bleibt Frauen mittlerweile versperrt - jedoch gibt es laut Bericht Unterschiede zwischen den verschiedenen Provinzen. Die Verdrängung von Frauen aus dem Berufsleben stelle vor allem ein Problem in Familien dar, in denen Frauen bisher die Alleinverdienerinnen waren. Außerdem macht der Bericht auf die Misshandlung von Frauen aufmerksam, die sich gegen die Taliban-Maßnahmen stellen. Amnesty berichtet von Inhaftierungen, Folter und sogar dem Verschwinden von Demonstrantinnen.

Für afghanische Frauen gestalte es sich außerdem zunehmend schwierig, häuslicher Gewalt zu entfliehen, da viele Frauenhäuser mittlerweile geschlossen seien. Auch die Bewegungsfreiheit von Frauen haben die Taliban eingeschränkt: Frauen dürfen weitere Reisen nur noch in Begleitung eines männlichen Angehörigen unternehmen. Viele afghanische Frauen fühlten sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen, heißt es in dem Bericht. Außerdem forderten die befragten Frauen und Mädchen, die Taliban-Regierung nicht anzuerkennen. (dpa)


Aus: "Afghanische Frauen beklagen unter den Taliban einen ,,Tod in Zeitlupe"" (27.07.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/amnesty-bericht-zeichnet-desastroeses-bild-afghanische-frauen-beklagen-unter-den-taliban-einen-tod-in-zeitlupe/28551716.html