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Erweiterter Machtdiskurs (Politik) / [Grundrechte & Global Issues... ]
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[...] Arnd Pollmann lehrt als Professor für Ethik und Sozialphilosophie an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin. Zuletzt erschien von ihm Menschenrechte und Menschenwürde – Zur philosophischen Bedeutung eines revolutionären Projekts (Suhrkamp, 2022).

Es ist noch gar nicht lange her, da sah die Welt euphorisch einem globalen Siegeszug der Menschenrechte entgegen. Was am 10. Dezember 1948 in Paris mit der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begonnen hatte, schien spätestens mit dem Fall der Berliner Mauer und der Überwindung des Kalten Krieges in ein "Ende der Geschichte" zu münden: In Zukunft würde es kein um internationale Achtung bemühter Staat mehr wagen, sich offen gegen die Idee eines sowohl national wie völkerrechtlich überwachten Menschenrechtsschutzes auszusprechen. Eingebunden in eine globale Staatenwelt gegenseitiger Kontrolle, sollte sich fortan jede politische Herrschaft an der Präambel jener Allgemeinen Erklärung messen lassen, der zufolge die "Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unverlierbaren Rechte aller Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet".

Zwei Jahre lange hatte die von Eleanor Roosevelt geleitete UN-Expertenkommission um geradezu jede Formulierung dieser Erklärung gerungen. Schon damals erlaubte die Blockkonfrontation zunächst nur eine völkerrechtlich unverbindliche Absichtserklärung, die dann erst im Jahr 1966 in verbindliche Verträge umgemünzt werden konnte. Das bahnbrechend Neue an der Allgemeinen Erklärung war weniger die bereits seit dem 18. Jahrhundert geläufige Einsicht, dass legitime Herrschaft unter dem inneren Vorbehalt des Schutzes basaler Individualrechte steht. Revolutionär neu war die äußere Selbstverpflichtung souveräner Nationalstaaten, sich dabei fortan auf die Finger schauen zu lassen. Nach zwei Weltkriegen und dem nationalsozialistischen Zivilisationsbruch gab der UN-Menschenrechtsschutz das Versprechen ab, ein global koordiniertes Bollwerk gegen nationalstaatliche Willkür zu errichten, weil, so heißt es in der Präambel, "die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen".

Doch das vermeintliche Ende der Geschichte währte nur kurz. Schon bald nach 1989 setzte eine desaströse und bis dato nicht abreißende Serie globaler Desillusionierungen ein. Neue Kriege, Staatenzerfall, Völkermord, Terrorismus, Flucht, Klimakrise, Rechtspopulismus und Corona: Mit zunehmenden Vertrauensverlusten in den demokratischen Rechtsstaat schwanden zeitgleich auch einstige Hoffnungen auf eine internationale Ordnung zum Schutze des Friedens und der Menschenrechte. Die aktuellen Kriege in der Ukraine und in Gaza wirken da bloß wie allerletzte Nägel auf dem Sarg des UN-Schutzregimes. Die Strahlkraft dieser "letzten Utopie", wie es beim Rechtshistoriker Samuel Moyn heißt, sei endgültig verblasst. Die Menschenrechte seien eine Art "Kirche", die ihrer "Endzeit" entgegenblickt, sagt etwa der Politikwissenschaftler Stephen Hopgood.

Doch wie genau ist dieser Trend zum pessimistischen Abgesang zu erklären? Mit der kriegerischen Gewalt in der Ukraine und in Gaza drängt sich zunächst ein neuer weltpolitischer Realismus auf. Das dortige Grauen lässt den menschenrechtlichen Humanismus realitätsfern und idealistisch erscheinen. Was nützt den Opfern von russischer Invasion und Hamas das am Ende folgenlose Pochen auf Menschenrechte, wenn gegen rohe Gewalt letztlich nur handfeste Gegengewalt zu helfen scheint? Die Menschenrechte sind in ihrer Durchsetzung von völkerrechtlichen Selbstbindungen souveräner Staaten abhängig. Unter diesen greift derzeit eine neue Bereitschaft um sich, geltendes Völkerrecht schlicht zu ignorieren, falls dies der eigenen Selbsterhaltung dient. Wer da "Menschenrechte" ruft, wird belächelt oder auf bessere Zeiten vertröstet.

Erschwerend hinzu kommt die fatale Schwäche der UN, auf deren Zukunft derzeit kaum noch jemand einen Cent zu setzen gewillt ist. Die Friedensmissionen in Osttimor, Liberia oder Sierra Leone mögen erfolgreich gewesen sein. Aber was ist mit Ruanda, Srebrenica, Irak, Mali, Syrien, Afghanistan? Mit der Ukraine und nun Gaza? Das sich wiederholende UN-Versagen, das die Menschenrechte wie zahnlose Papiertiger erscheinen lässt, hat zum einen mit Konstruktionsfehlern im Sicherheitsrat zu tun, die es den Großmächten ermöglichen, jede für sie ungünstige Resolution per Veto zu blockieren. Zum anderen ist die Organisation bis in das höchste Spitzenamt von Generalsekretär António Guterres derart rückgratlos besetzt, dass sie sich, wie sonst nur die Fifa, von der arabischen Welt dirigieren lässt. In 2022 etwa hat die UN-Generalversammlung allein 15 Resolutionen gegen Israel lanciert – mehr als gegen alle anderen Staaten zusammen.
Der Ukraine-Krieg und die Hamas-Massaker haben zudem einen Trend verstärkt, der sich bereits im Zuge der auf den 11. September 2001 folgenden Kriege in Irak und Afghanistan andeutete: Immer häufiger verleiten solche Großkonflikte zu einem bekenntnishaften Freund-Feind-Denken. Man ist entweder bedingungslos für die Ukraine oder aber ein "Putinknecht". Man steht entweder vorbehaltlos an der Seite Israels oder sympathisiert mit der Hamas. Menschenrechtlich betrachtet ist diese einseitige Parteinahme deshalb problematisch, weil dabei der für die Menschenrechte zentrale Grundgedanke verloren geht: Nicht nur manche, sondern strikt alle Menschen sind als fundamental gleichwertig zu achten.

Doch spielt die Menschenrechtsrhetorik mitunter auch selbst eine unrühmliche Rolle. Es ist auf zynische Weise bezeichnend für deren "Erfolg", dass heute selbst autoritäre Gewaltherrscher nicht ohne den rhetorischen Rückgriff auf völkerrechtliche Schutzansprüche auskommen, wenn sie ihrerseits eine direkt menschenrechtsfeindliche Politik zu rechtfertigen versuchen. Man denke an Putin, der den Einmarsch in die Ukraine mit einem mutmaßlichen "Genozid" an der russischsprachigen Bevölkerung begründete. Und auch hinter dem – in der Sache berechtigten – Hinweis auf gleiche fundamentale Rechte der Menschen in Gaza versteckt sich nicht selten der Versuch einer nachträglichen Relativierung der bestialischen Hamas-Massaker vom 7. Oktober.
Zugleich ist dieser rhetorische Missbrauch, der auch schon den Irak-Krieg herbeiführen half, mitverantwortlich dafür, dass die universellen Menschenrechte heute wieder verstärkt als westliche Geheimwaffe geframet werden; so als ginge es hinterrücks bloß darum, Partikularinteressen der USA durchzusetzen. Wahlweise gelten die Ukraine und der vermeintliche Siedlerkolonialismus Israels dann als imperial verlängerte Arme der USA im osteuropäischen und arabischen Raum. Mal neurechts argumentierend, mal postkolonial, skandalisiert diese Kritik an US-amerikanischer Hegemonie mit den westlichen Verstrickungen in historisches Unrecht die universellen Rechte gleich mit.

Innenpolitisch macht sich dieser Anti-Universalismus vor allem in der Migrationsdebatte bemerkbar, und zwar vor allem in rechtspopulistischen Milieus. Die vermeintliche Überlegenheit des Eigenen soll gegen Veränderung von außen abgeschottet werden. Reaktionäre Angriffe auf den Rechtsstaat, wie man sie hierzulande vor allem von der AfD kennt, aber ähnlich auch von Trump, Erdoğan, Orbán oder der polnischen PiS, lassen sich so als Renaissance eines Kollektivismus nationalistischer oder rassistischer Selbsterhaltung deuten, der auf Kosten unveräußerlicher Menschenrechte anderer verfährt.
Diese kollektivistischen Begehrlichkeiten weisen Parallelen zu Diskussionen über Klimaschutz, Corona oder die Ukraine auf. Auch wenn sich die Positionen hier viel weniger eindeutig als bei der Migration am alten Links-Rechts-Schema orientieren: Angesichts kollektiver Bedrohungslagen und im Namen mutmaßlich höherer Ziele – Abschottung, Klimaschutz, Volksgesundheit, Landesverteidigung – gelten unverlierbare Individualrechte zunehmend als anachronistisch. Zwar lassen die Grund- und Menschenrechte sehr wohl "verhältnismäßige" Eingriffe zu. Doch die Bereitschaft, die verfassungsrechtlichen Kriterien dieser Verhältnismäßigkeit möglichst lax auszulegen, wird größer. Wo aber Gefahr ist, wächst der Kollektivismus auch.

Dabei wird deutlich, wie kostspielig ein konsequenter Menschenrechtsschutz wäre. Lange wurden die Menschenrechte – zumindest hierzulande – als Zumutung primär für Unrechtsstaaten betrachtet. So fiel es leicht, dafür zu sein. Nun aber werden diese Rechte vermehrt hier vor Ort eingeklagt. Und wer fürchtet, mit dem Verlust eigener Privilegien für die Rechte bislang marginalisierter anderer bezahlen zu müssen, wird diese Entwicklung mit Vorsicht genießen. Manche sträuben sich dagegen, dass auch Frauen, Andersgläubige, Eingewanderte, Arbeitslose, Homosexuelle oder Kinder als strikt gleich zu betrachten sind. Andere haben damit zu kämpfen, dass die Menschenrechte auch für Kriminelle, Rechtsradikale, sogenannte Schwurbler, Ungeimpfte oder Klimawandelleugner da sind.

All diese ernüchternden Befunde sprechen dafür, dass die nach 1948 und 1989 gehegten Hoffnungen tatsächlich zu hoch veranschlagt waren. Was man aber leicht übersieht: Die in diesen Krisen zum Tragen kommende Kritik an den Menschenrechten ist eher selten eine Kritik an ihrer Grundidee. Beklagt wird deren empirische Folgenlosigkeit aufgrund mangelnder politischer Konsequenz. Man kritisiert westliche Anmaßung, parteiische Auslegungen, rhetorischen Missbrauch oder ihre Kostspieligkeit. Und teilweise ja auch zu Recht. Doch die Grundidee einer politischen Gleichrangigkeit qua Menschsein wird meist "nur" noch von Personen mit völkischen, rassistischen, fundamentalistischen, misogynen, homophoben oder anderweitig menschenfeindlichen Einstellungen abgelehnt. Und wer in theoriemodische Abgesänge auf die Menschenrechte einstimmt, wird sich fragen lassen müssen, ob man sich mit diesen Gruppen gemein machen will.

An diesem 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wirkt die Forderung nach einer national wie weltweit durchzusetzenden Gleichberechtigung aller Menschen tatsächlich utopisch. Doch machen wir uns mit Blick auf Gaza klar, was verloren ginge, ließen wir dieses egalitäre Erbe fahren. Denn erst der Menschenrechtsgedanke ermöglicht es, darauf zu pochen, dass Gleichheit an Würde und Rechten für alle gilt: ob für Israelis oder Palästinenser, ob für Kinder, Alte, Frauen oder Männer. Ihr Leiden hat jeweils exakt dasselbe Gewicht. Und entsprechend haben all diese Menschen ein gleiches Recht darauf, vor Gewalt und Terror geschützt zu sein. Damit geraten die jeweils vor Ort Herrschenden, nicht die Zivilisten selbst ins Visier der menschenrechtlichen Kritik, wenngleich auf unterschiedliche Weise.

Kommt die Gewalt von außen, so haben die politischen Machthaber nicht nur die Pflicht, eigene Verstöße gegen Menschenrechte zu unterlassen, sondern auch die Aufgabe, ihre Zivilbevölkerung gegen diese äußeren Gefahren zu schützen. Das trifft auf die israelische Regierung zu, die berechtigt ist, Krieg gegen die Hamas zu führen, die aber deshalb keineswegs dazu berechtigt wäre, Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung zu begehen. Die Menschenrechte erlauben eine Gefahrenabwehr, die "verhältnismäßig" ist, nicht aber Rache oder Notwehrexzesse. Für die Hamas, deren bestialische Massaker vollends jenseits aller menschenrechtlichen Rechtfertigung verübt wurden, gilt diese Verpflichtung ebenfalls: Auch sie muss die eigene Zivilbevölkerung schützen, statt sie als Schutzschild zu missbrauchen und so internationale Anteilnahme zu provozieren.
Es ist zu befürchten, dass längst auch Israel Verstöße gegen das Völkerrecht begangen hat; etwa im Rahmen unkontrollierter Luftangriffe oder der Blockade von Strom, Wasser und Lebensmitteln. Dieser Befund darf keinesfalls als eine Relativierung der Verbrechen vom 7. Oktober verstanden werden, denn diese haben den Konflikt erst eskalieren lassen. Vielmehr wird deutlich, dass es in der aktuellen Situation auf die Entschlossenheit und Reformfähigkeit der UN ankäme. Gerade weil der universelle Menschenrechtschutz nicht zwischen israelischer und palästinensischer Menschenwürde unterscheidet, sind die UN längst dazu aufgerufen, deeskalierend und friedenstiftend einzuschreiten. Doch leider ist aufgrund der realpolitischen Kräfteverhältnisse derzeit kaum zu erwarten, dass es tatsächlich zu einer UN-Intervention kommt. Aber warum sollte man diese institutionelle Impotenz den Menschenrechten selbst zur Last legen?

Dieser Tage zeigt sich einmal mehr: Die Welt hätte aus Krieg und Gewalt erneut zu lernen. Derzeit aber schickt sie sich an, das Gegenteil zu tun: Sie verlernt die menschenrechtliche Botschaft. Das betrifft nicht zuletzt auch die historische Bedeutung des Staates Israel: Die Erinnerung an die totalitäre Judenvernichtung ist nicht nur in Artikel 1 des Grundgesetzes, sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufgehoben. Das verpflichtet die UN auch menschenrechtlich zu einer besonderen Berücksichtigung des Existenzrechtes Israels. Aber zugleich eben auch dazu, den strikt egalitären Anspruch auf ein Leben in Menschenwürde nicht auf Kosten der palästinensischen Zivilbevölkerung abzustufen.
Das ist eine schwierige Gratwanderung. Zumal in Gaza die Grenzen zwischen der Hamas und der Zivilbevölkerung mitunter zu verschwimmen drohen. Wer aber übersieht, dass die Menschenrechte für ein historisch mahnendes Gewalterbe stehen, das neben den konkreten Opfern auch die Menschheit insgesamt betrifft, sollte sich klar sein, wem Abgesänge auf die Menschenrechte vor allem dienen: einem politisch sehr konkreten Relativismus rücksichtsloser Willkürgewalt. Aktuell geht es um Israel und Gaza oder auch um die Ukraine und Russland, aber doch zugleich auch um die universelle Frage, wie der Mensch als Mensch leben und wie er gerade nicht regiert werden will. An jedem 10. Dezember ist daran zu erinnern: Die Menschenrechte fordern einen politischen Gegenwiderstand, einen legitimen Widerstand gegen den illegitimen Widerstand autoritärer Herrscher und reaktionärer Denkweisen. Und ein solcher Gegenwiderstand ist besonders dann vonnöten, wenn sich das vielzitierte Rad der Geschichte zurückzudreht.


Aus: "Jedes Leid zählt"  Arnd Pollmann (10. Dezember 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2023-12/menschenrechte-vereinte-nationen-krieg-utopie

Arnd Pollmann (* 1970 in Remagen) ist ein deutscher Philosoph. Seit 2018 ist er Professor für Ethik und Sozialphilosophie an der Alice Salomon Hochschule Berlin. ... Pollmann arbeitet schwerpunktmäßig zur Sozialphilosophie und Ethik, insbesondere zur Philosophie der Menschenrechte, aber auch zur angewandten Ethik in den Bereichen der Medizin, der Technik und des Tierschutzes. Seine Dissertation widmete er dem Begriff der Integrität.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arnd_Pollmann

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""NachDenkSeiten": Wagenknechts Schreibbrigade" Markus Linden (8. Dezember 2023)
Das Nachrichtenportal "NachDenkSeiten" feiert sein 20-jähriges Bestehen. Was als kritische Website begann, ist mittlerweile zum postfaktischen Propagandamedium geworden. ... Die NachDenkSeiten waren von zwei SPD-Urgesteinen als keynesianische Reaktion auf die neoliberale Politik der Schröder-Ära gegründet worden. ... Der Qualitätsverfall hat viel mit der Abkehr vom Kerngeschäft zu tun. Aus der linken Kritik ökonomischer Verhältnisse und politisch-medialer Machtstrukturen wurde eine maßlos-enthemmte, ränderübergreifend anschlussfähige Erzählung über Fremdbestimmung, Öffentlichkeitskontrolle und diktaturähnliche "Fassadendemokratie" (Lafontaine am 27. August 2018 auf den NachDenkSeiten). Immer stärker geriet dabei die Außenpolitik in den Fokus, und damit, zuerst bei den NachDenkSeiten und dann auch bei Wagenknecht, die immer offensivere Propaganda für die Narrative des neuen russischen Totalitarismus. Analog zum Verhältnis des Compact-Magazins zur AfD übernahm das mediale Vorfeld also eine Vorreiterrolle. Im Gegensatz zu Höckes offenem Neofaschismus ist Wagenknecht aber weiterhin so gewieft, die harten Formulierungen aus diesem medialen Vorfeld oder aus ihrer personellen Umgebung nicht direkt zu übernehmen, sondern vor allem den dort verbreiteten Tenor anzutriggern. ... Nur selten kommt es zur direkten Parteiname für verschwörungstheoretische Inhalte, etwa wenn der Redakteur Jens Berger im Juni 2020 die Ansicht vertritt, die US-amerikanische Regierung habe die Anschläge vom 11. September durch bewusste Untätigkeit "indirekt herbeigeführt". Hier handelt es sich um die sogenannte Lihop-Theorie (let it happen on purpose). Es wird dabei kein fahrlässiges Versagen der US-Sicherheitsbehörden konstatiert, sondern ein absichtliches und zielgerichtetes Tun durch Unterlassen. Ansonsten lässt man lieber die bekannten Szenefachmänner und Pseudoexpertinnen der Kategorie Daniele Ganser oder Ulrike Guérot zu Epidemien, Terrorismus und ihren sonstigen Fachgebieten reden. Im Dienste der Meinungsfreiheit, versteht sich.  ... Die NachDenkSeiten sind keine kritische Website, sondern ein fundamentaloppositionelles, mitunter sogar direkt postfaktisches Propagandamedium, welches unter dem Deckmantel der Friedensorientierung die Narrative des Putin-Regimes verbreitet. Zum 20-jährigen Jubiläum hat das Portal für den 9. Dezember einen offiziell schnell ausgebuchten Festvortrag geplant. Reden soll laut Ankündigung: Sahra Wagenknecht. ...
https://www.zeit.de/kultur/2023-12/nachdenkseiten-nachrichtenportal-blog-sahra-wagenknecht-propaganda/komplettansicht

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Pilotthedune

Die Nachdenkseiten waren wirklich mal gut. Jetzt 13 Jahre später biegen sich mir die Zehennägel bis zur Decke. Schon während COVID war die Berichterstattung gruselig bis surreal – dystopisch.
Bizarr, was alle ein Publikum findet ...


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Christian W.

Der Artikel hat es mit „fundamentaloppositionell“ schon gut auf den Punkt gebracht. Den Nachdenkseiten ist mittlerweile nichts zu blöd, um einfach aus Prinzip fundamental dagegen zu sein, egal was es auch ist. Wenn die Medien und die USA mehrheitlich für etwas sind, dann sind sie dagegen. Ist leider so eine Macke, die sich bei vielen ehemals vermeidlich linken Blogs beobachten lässt.


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Janplau

Ich lese die Nachdenkseiten erst seit 4 oder 5 Jahren, insofern fehlt mir der Vergleich. Gerade während Corona hat mir die Berichterstattung gefallen (und gefällt mir noch). Dystopisch fand und finde ich eher die diesbezügliche Berichterstattung, jetzt eher Nicht-Berichterstattung, in den Leitmedien.


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Genitiv

    Die NachDenkSeiten sind keine kritische Website, sondern ein fundamentaloppositionelles, mitunter sogar direkt postfaktisches Propagandamedium, welches unter dem Deckmantel der Friedensorientierung die Narrative des Putin-Regimes verbreitet.

Ein Blick auf die aktuellen Schlagseite von NachDenkSeiten genügt, um diesen Artikel hier mehr als merkwürdig zu bezeichnen.

1. Sofortige Freilassung von Julian Assange

2. Der lange Schatten der Pershings

3. Milde für Milliardäre, Härte beim Bürgergeld: Haushaltsdebatte völlig aus dem Lot

4. Deutschland will „die Energiewende in die Welt tragen“? Schuster, bleib bei deinen Leisten

Natürlich gibt es auch kritische Beitrage, wie z. B. zu Corona oder Putin, wo man auch anderer Meinung sein kann. Aber will hier der Autor wirklich Denkverbote verteilen, weil Ihm andere Meinungen nicht passen?
Wie soll man Ihren Artikel zusammen: "Wer ein tadelloses Mitglied einer Scharfs Herde sein will, muss vor allem ein Schaf sein". Albert Einstein.


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halt.mal.kurz

Zitat:"Aber will hier der Autor wirklich Denkverbote verteilen, weil Ihm andere Meinungen nicht passen?"

Am welcher Stelle dieses von Ihnen kommentierten Artikels wird Ihnen denn ein "Denkverbot" erteilt? Sie können die NdS aufrufen, lesen, weiterverlinken, und..., oh Wunder, die Gedankenpolizei klopft trotzdem nicht an Ihrer Tür. Genau diese Unfähigkeit, Wiederspruch zu der eigenen Ansicht wenigstens zu akzeptieren, wird im Artikel zum Beispiel auch bemängelt.


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Helfer1234

Wieder einmal das klassische Schema:

1. Als großer Verteidiger der Meinungsfreiheit auftreten, aber dann nicht mit Widerspruch und Kritik (hier: Betrachtung von NachDenkSeiten) umgehen können und als Zugabe gleich mal eines dieser lächerlichen, immergleichen Buzzwords (hier: "Denkverbote") blöken.

2. Irgendein lächerliches Zitat bringen, das angeblich von Albert Einstein stammt.

Was der alles angeblich gesagt hat ist wirklich phänomenal.


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Mermel
Antwort auf @Helfer1234

Das Zitat scheint korrekt zu sein. Und was Denkverbote angeht. Nein, die gibt es natürlich nicht. Aber einen sehr ähnlichen Effekt. Die "Schere im Kopf".
Man muss keine Denkverbote aussprechen, gesellschaftlicher Druck ist weitaus effektiver und wird als weitaus weniger übergriffig angesehen.


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St.S

Man darf aber noch Kritik an den NachdenkSeiten äußern ohne direkt in die Ecke von Meinungsunterdrückern geschoben zu werden. Die gleichen Vorwürfe hörte und hört man interessanterweise auch von Mitgliedern der Pegida oder von der AfD.


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WJR69

Ich habe in den nuller Jahren noch regelmäßig die Nachdenkseiten gelesen und war 2010 in Pleisweiler-Oberhofen bei Heiner Flassbeck. Damals waren sie einer der wenigen, die gegen den neobliberalen Einheitsbrei von Henkel bis Sinn, verbreitet vor allen bei Sabine Christansen, angetreten sind. Der Mindestlohn, der damals bolschewistisches Teufelszeug und der Sargnagel der deutschen Wirtschaft war, ist heute weitgehend Konsens.

Aber mittlerweile sind die NDS für mich nicht mehr lesbar, vielleicht einmal in sechs Wochen zum Gruseln. Nur noch kremltreue Erzählungen und Verschwörungsgeraune, vor allen von Albrecht Müller. Man sehnt sich dort wohl nach einem russisch beherrschten Europa und lässt Putinpropagandisten ausführlichst zu Wort kommen, Hautsache gegen die Amis. Kaum noch ein Unterschied zum Compact-Magazin außer, dass man sich offenen Rassismus spart.


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Klaus Lachshammer

"Was als kritische Website begann, ist mittlerweile zum postfaktischen Propagandamedium geworden."

"Mittlerweile" ist gut. Die Nachdenkseiten waren von Anfang an ein Treffpunkt antiimperialistischer Aluhüte und immer durchzogen von tiefgehenden Antiamerikanismus mit mehr oder weniger offenen antisemitischen Abstechern (gerne verklärt als "Hochfinanz"). Das dortige Weltbild war und ist unverrückbar: Der böse Ami will alle unterjochen und wer das nicht erkennen kann, der ist ein typisch deutsches Schlafschaf.


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zadong

Die Nachdenkseiten sind imnzwischen Querfront pur. Ein breites Sammelsuriem verschwörungstheoretischer Linker wie Rechter "Alternativmedien". Man kommt schnell von Rubikon" über "Tichy" bis zu den Nachdenkseiten oder Ken Jebsen. ...


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Sid Invicious

Leider haben sich die Nachdenkseiten mittlerweile zu einem deutschen Breitbart für Arme entwickelt. Kann man sich schon sehr lange nicht mehr geben, es sei dann man liest auch mit Freuden ernstgemeinte Artikel über chemtrails oder ähnliches.

Vor ca. 15 Jahren sah das noch anders aus. Aber da war z.B. die Sahra auch noch nicht zusammen mit den Rechtsextremen unterwegs und Alice Schwarzer war noch Feministin etc.


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Herber H. Hebert

Ist doch normal. Auch ZON verfolgt eine (politische und gesellschaftliche) Richtung.

Kein Problem.


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Hans75M

Ja eben! Fakten sind wie's Völkerrecht...manchmal nutzt es, manchmal ist es lästig.


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Teia

Ich bin für Vielfalt


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Magnus Nufer

Ich bin für mehr Lametta.


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nicola.maus

Ich sehe da nur Einfalt.


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Teia
Antwort auf @nicola.maus

Schauen Sie sich mal die Beiträge von Jens Berger an. Schätze ihn sehr.
Es werden eben viele Themen berücksichtig, über die anderswo nicht mehr berichtet wird.


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contradore
Antwort auf @Teia

    Schauen Sie sich mal die Beiträge von Jens Berger an. Schätze ihn sehr.

ist das der selbsternannte journalist mit notorischer quellen-phobie, der bereits zu seinen 'spiegelfechter'-fechter-zeiten jede populistische sau durchs dorf getrieben hat, und mangels belegen für seine kruden thesen bevorzugt auf artikel von sich selbst verlinkt?


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kambyses

Und ich bin für Fakten. ...


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kambyses

Amüsant an den NDS finde ich, dass sie bei überraschenden Wendungen regelmäßig erstmal verdattert schweigen, weil sie nicht wissen, was sie denken sollen. Es wirkt so, als warten sie ab, wie die allgemeine mediale Reaktion ausfällt, bevor sie dann die Gegenposition mit ihren fake news einnehmen, die dann aber mit umso größerer Verve.

Beispiel: Ukrainekrieg

Da fängt der Friedensengel Putin doch plötzlich einen Krieg an. Große Verunsicherung bei den NDS. In den ersten Tagen danach war recht wenig los auf der Website, sogar ein paar Putin-kritische Wortmeldungen waren dabei. Nach ein paar Wochen hatten sie ihr Narrativ jedoch gefunden: Die NATO ist Schuld und Putin immer noch ganz dufte.

Beispiel: Hamas-Angriff

Auch hier wieder erstmal Schweigen im Walde. Israel wurde ja sonst immer gern kritisiert, aber nach dem Terrorangriff der Hamas ging das schlecht. Es brauchte erst wieder ein paar Tage, bis man den Terror ignorierte und wieder wie gewohnt auf Israel eindrosch.


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diabolos

Habe mir nach diesem Artikel zwei Interviews, zu Covid und dem Gaza-Konflikt, durchgelesen. Zwei Themen, in denen ich aus diversen Gründen sehr belesen bin.
Extrem gut gemachte Propaganda, die genau genug Wahrheit hineinmischt, dass es für jemanden mit weniger Sachkenntnis extrem glaubwürdig erscheinen könnte, mit so viel Prise Schwurbelei, dass man richtig merkt, wie man in den "Club der Wahrheitskenner" hineingesogen werden könnte.
Gruselig.
Das genaue Gegenteil von Nachdenken.


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Multiple Ansichten

Jeder Mensch hat seine eigene Denkweise, seine eigenen Bedürfnisse und auch seine eigene Weltanschauung, seine Blase. Jeder sucht sich Nachrichten, Medien, die das eigene Weltbild bestätigen, ob rechts, links oder mitte. Auch wird die Wahrheit nicht durch die Mehrheit abgebildet.

„Man darf die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.“ (Jean Cocteau)


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Aeppelwoi#1

War mal Leser der "nachdenseiten". Hab es aufgegeben nach einigen Wochen und bin wieder zum "mainstream" zurückgekehrt, Unerträglich manchmal, was dort nicht selten geschrieben und behauptet wurde. Übrigens ist "achgut" ähnlich getrickt, nur kommt dort der Unsinn mehr von rechter Seite. Seltsam, dass ein Mann wie Henryk M. Boder dort noch mitmischt.


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Andi.M

Es ist nach wie vor ein kritisches Medium. Es hat sich verändert und der Fokus liegt nicht mehr in der Analyse und Kritik der "Leitmedien".

Auch die Zeit hat sich über die Jahre verändert und dieser Artikel ist ein Beispiel dafür.

Politik ist keine Naturwissenschaft, ein richtig oder falsch gibt es selten. Es ist oft eine Frage der Perspektive und der Argumente. Auch bei den Nachdenkseiten gibt es Meinung, aber diese Meinung ist immer mit guten Argumenten begründet.


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Dimebag

Die Nachdenkseiten waren für mich ab ca. 2005 ein wirklich interessantes Medium, mit klugen Gedanken und wertvollen Artikeln. Vor diversen Jahren ist die (mir jetzt etwas nachvollziehbarer) Seite aber schleichend komplett abgedriftet. Ich bin aber schon zu Beginn ausgestiegen und jetzt völlig faszinierend, wie weit der Unsinn noch getrieben wurde.


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CatrinaB

Um 2003 herum, also vor 20 Jahren, hat mir mal jemand die NDS empfohlen. Bei näherer Betrachtung hatte ich schon damals Zweifel, was ich von der Seite halten sollte. Über die Jahre habe ich immer mal wieder hingeklickt ... doch meine Zweifel blieben. Im Gegenteil, spätestens seit Corona und noch mehr seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde mir klar: Bei NDS sammeln sich vor allem Querschwurbler und Putin-Freunde. Inzwischen rufe ich die Seite nicht mehr auf. Dabei bin ich durchaus dafür, sich mit konträren Meinungen auseinander zu setzen! Aber einem rein auf Hasstiraden, garniert mit fake news, ausgerichteten Kanal will ich keine Klicks verschaffen. Aus dem selben Grund schaue ich auch nichts mehr von Fox News oder noch schlimmeren US-Kanälen an.

Auseinandersetzung mit gut begründeten anderen Haltungen und Meinungen: Sehr gern, sehr gut und sehr wichtig!

Reaktion auf dumpfes Geballere wie bei NDS: Kontraproduktives Verschenken von Aufmerksamkeit.


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NeinDoch

Das schlimmste an den Nachdenkseiten ist die offensichtliche Unlogik.

1. Es werden häufig "Mainstream Medien" als Quelle herran gezogen , das man Recht hatte oder zur untermauerung von Kritik. Dabei werden diese "System Medien" schon im nächsten Absatz als verlogen / blind / einseitig oder gesteuert beschrieben und alle über einen Kamm geschert.

2. Sobald die NdS selber kritisiert wird sprechen sie von "Denkverbot" "defamierung" oder "Kampagne" gegen einen selbst. Als wenn man nur in eine Richtung kritisch sein dürfte...

Das stört mich allerdings an fast allen "alternativen" Seiten.


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WALTJOH

Postfaktisches Propaganda Medium.....

Das mag "man" so sehen. Und wenn es so wäre, dann scheint mir dieses Propaganda Medium allerdings wenig zu bewirken, jedenfalls in Relation zu BILD, WELT, FOCUS und anderen "Rechtsaußen".


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Traveller1

Ohne das Internet würden solche dann als Print herausgegebene Medien ein einsames Dasein in einer schattigen Nische führen. Heute poopt jeder denkbare Unsinn irgendwo auf einer Website auf und wirkt so professionell wie jede andere Site, auch wenn es nur gerührter Quark ist. Und den meisten fehlt die Bildung, Unsinn als solchen zu erkennen.


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Mottenburger_Jung

Deutschland ein „Vasall der USA“; hat Tino Chrupalla gerade bei Lanz genauso gesagt. Querfront lebt.


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Calatayud

So sind die Spinner.


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Erweiterte Gehirn Erkundschaftungen / [Variationen zur Gretchenfrage (Notizen) ... ]
« Last post by Link on December 07, 2023, 05:22:08 PM »
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[...] BERLIN taz | Um sich gegen ein Gebetsverbot an ihrer Schule zu wehren, rufen Schü­le­r*in­nen der Anna-Freud-Schule in Charlottenburg für Freitagmittag zu einer Kundgebung vor der Schule auf. „Wir sind wütend und enttäuscht“, schreiben sie auf dem Flyer mit dem Demo-Aufruf. In den vergangenen zwei Monaten hätten sie an der Schule viel antimuslimischen Rassismus erlebt, palästinensische Symbole würden mit Antisemitismus und dem Feiern von Terror gleichgesetzt. Eine freie Debatte über Palästina sei nicht möglich, die Religionsfreiheit werde angegriffen.

„Wir fordern: Weg mit den Verboten! Für das Recht auf Palästinasolidarität! Polizei raus aus der Schule!“, schreiben sie. Konkret fordern sie „Ruhe- und Gebetsräume, die von Schü­le­r*in­nen kontrolliert werden“ sowie ebenfalls von Schü­le­r*in­nen kontrollierte Antidiskriminierungsstellen.

https://taz.de/Nahost-Konflikt-in-Berlin/!5967030/

Die Anna-Freud-Schule ist ein Oberstufenzentrum für Sozialwesen. Der Grund für die Kundgebung seien „Repressionen der Schulleitung und der Polizei“. So hätte etwa für längere Zeit ein Polizeiwagen auf dem Schulgelände geparkt, schreibt die Initiative @reportantimuslimracism auf dem gleichnamigen Instagram-Account. „Migrantisch gelesene“ Schü­le­r*in­nen der Anna-Freud-Schule seien „schikaniert“ worden, außerdem sei es Mus­li­m*in­nen verboten worden, auf dem Schulgelände zu beten.

https://taz.de/Nahostkonflikt-an-Schulen/!5967299/

Hintergrund dazu sind wohl „Hinweise zur Wahrung des Schulfriedens“, die nach Informationen der taz Mitte November den Schü­le­r*in­nen verkündet worden waren. „Die sichtbare aktive Ausübung des Glaubens (wie z.B. das Beten)“ könne „zur Wahrung des Schulfriedens und zur Vermeidung jedweder Provokation“ nur außerhalb des Schulgeländes stattfinden, hieß es darin. Ein Handeln oder Verhalten dagegen werde als „bewusste Störung des Schulfriedens“ betrachtet und die Schule werde solche Vorfälle bei der Polizei anzeigen.

Die rechtliche Lage sei relativ klar, teilt die Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS) auf Nachfrage der taz mit. Schü­le­r*in­nen hätten Religionsfreiheit und auch ein Recht darauf, in der Schule zu beten, wenn es den Unterricht nicht störe. Einen Rechtsanspruch auf einen Gebetsraum an Schulen gäbe es nicht. Auch unabhängig vom Nahost-Konflikt hätten sie öfters mit Gebetsverboten an Schulen zu tun, heißt es von der Beratungsstelle.

Wie die taz erfuhr, hatte es auch davor schon Austausch zwischen der Schule und der Polizei gegeben. Die Polizei hatte demnach Schü­le­r*in­nen und Leh­re­r*in­nen dazu aufgefordert, Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zu melden.

„Wir sind mit der Schule und der Schulleitung dazu im Austausch, auch die Schulaufsicht ist eingeschaltet“, teilte die Senatsverwaltung für Bildung der taz auf Nachfrage mit. Die Verwaltung setze sich für Toleranz und Vielfalt ein, „gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, den Schulfrieden zu sichern und für die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung des Schulbetriebs zu sorgen“, heißt es von der Verwaltung.

Ebenfalls für Freitag lädt ein Bündnis von Schulen in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde zu Lichterketten-Aktionen ein. Anlass ist der Beginn des jüdischen Chanukka-Festes am Donnerstag. Die Aktion haben laut Bildungsverwaltung Schü­le­r*in­nen und Leh­re­r*in­nen mehrerer Berliner Schulen organisiert. Auftakt ist am Freitag um 17.30 Uhr an der Synagoge in der Pestalozzistraße in Charlottenburg. Weitere Solidaritätsaktionen sind für Montag an der Synagoge Joachimsthaler Straße, für Dienstag am Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße und für Mittwoch am Seniorenzentrum Synagoge Sukkat Shalom in der Dernburgstraße geplant.



Aus: "Teppich des Anstoßes" 7.12.2023 (Uta Schleiermacher)
Quelle: https://taz.de/Nahost-Konflikt-an-Schulen/!5974248/

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Architektur (Bauwerk & Raum) [Verortung] / [Kiel (Notizen)... ]
« Last post by Link on December 05, 2023, 02:39:30 PM »
"Kiel: Mehr Jugendkriminalität, aber robuster Arbeitsmarkt" UrsulaS (30. November 2023)
https://kielaktuell.com/2023/11/30/kiel-mehr-jugendkriminalitaet-aber-robuster-arbeitsmarkt/

"Infosystem Kommunalpolitik"
Betreff:
Bericht zur Jugendkriminalität 2022
Status:
Öffentlich (Drucksache freigegeben)
https://www.kiel.de/de/politik_verwaltung/ratsversammlung/infosystem/vo020?5--attachments-expandedPanel-content-body-rows-1-cells-2-cell-link&VOLFDNR=1000687&refresh=false&TOLFDNR=1005893


"Daten für Taten - Kieler Sozialbericht"
Die Landeshauptstadt Kiel legt zum 14. Mal einen Sozialbericht vor. Der Bericht orientiert sich an den Standards der Sozialberichterstattung und fasst jährlich die wichtigsten kommunalen Sozialdaten zusammen.
https://www.kiel.de/de/gesundheit_soziales/sozialplanung_berichte_konferenzen/sozialbericht_kiel.php

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Architektur (Bauwerk & Raum) [Verortung] / [Urbanistik & Stadtforschung & Widerstand... ]
« Last post by Link on December 05, 2023, 01:26:35 PM »
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[...] Im Streit um das Speichern von Mieterdaten kassierte das Landgericht ein Bußgeld gegen die Deutsche Wohnen. Der Europäische Gerichtshof gab Datenschützern nun recht.

Im Streit um ein Millionen-Bußgeld der Berliner Datenschutzbehörde gegen die Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtsauffassung der Datenschützer bestätigt.

Wie die Richter am Dienstag entschieden, können datenschutzrechtliche Bußgelder gegen Unternehmen festgesetzt werden, ohne dass eine Pflichtverletzung einer Leitungsperson nachgewiesen werden muss. Damit bestätigt der EuGH die Sanktionspraxis der Datenschutzaufsichtsbehörden und stärkt so die effektive Durchsetzung von Sanktionen gegenüber Unternehmen.

Die Datenschutzbehörde hatte das Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro am 30. September 2019 wegen des Vorwurfs von Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verhängt. Die Deutsche Wohnen speichere ausufernd Mieterdaten, hieß es damals.

Weil die Behörde das Bußgeld gegen die juristische Person verhängte, die das Unternehmen führt, stellte das Berliner Landgericht das Verfahren gegen die Deutsche Wohnen ein. Zur Begründung hieß es damals: Im deutschen Recht gelten Datenschutzverstöße als Ordnungswidrigkeiten. Diese können nach deutscher Auffassung nur von natürlichen Personen begangen werden.

In dem Verfahren am EuGH ging es anlässlich des Bußgeldes um die Grundsatzfrage, ob eine juristische Person in Deutschland, die ein Unternehmen betreibt, nach den Grundsätzen des EU-Rechts unmittelbar für Datenschutzverstöße nach der Datenschutz-Grundverordnung sanktioniert werden kann, ohne dass eine Ordnungswidrigkeit einer natürlichen und identifizierten Leitungsperson festgestellt werden muss.

Wie der EuGH am Dienstag bestätigte, reicht für eine direkte Sanktionierung des Unternehmens die Feststellung aus, dass Mitarbeitende eines Unternehmens einen Verstoß begangen haben, ohne dass die konkret handelnden Personen ermittelt werden oder Leitungspersonen des Unternehmens sein müssen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass jeder Verstoß eines Mitarbeitenden letztendlich auf ein Versagen der unternehmensinternen Aufsicht schließen lasse.

Meike Kamp, die den Posten der Berliner Datenschutzbeauftragten vor etwas mehr als einem Jahr übernommen hatte, begrüßte das Urteil des Gerichtshofs. „Der EuGH unterstreicht die Wichtigkeit der Datenschutz-Compliance und der Harmonisierung des Datenschutzrechts in Europa. Er stellt klar, dass auch in deutschen Bußgeldverfahren bei der Zurechnung von Verstößen allein die Datenschutz-Grundverordnung maßgeblich ist“, erklärte Kamp.


Aus: "Datenschutz-Streit in Berlin: Europäischer Gerichtshof bestätigt Millionen-Bußgeld gegen die Deutsche Wohnen" Robert Kiesel (05.12.2923)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/datenschutz-streit-in-berlin-europaischer-gerichtshof-bestatigt-millionen-bussgeld-gegen-die-deutsche-wohnen-10881058.html

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Künftig sollen mehr Wohnungen an vor Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen vermittelt werden können. Eine Tagesspiegel-Recherche zeigt nun, wie die Deutsche Wohnen versucht hat, ihr eigenes Kontingent zu verkleinern.
Von Teresa Roelcke (27.11.2023)
https://www.tagesspiegel.de/berlin/programm-gegen-wohnungslosigkeit-wie-die-berliner-sozialverwaltung-vor-der-deutsche-wohnen-einknickte-10830712.html

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" ... Der Berliner Mieterverein (BMV) wirft der Deutsche Wohnen vor, nicht genügend Wohnungen für Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Deutsche Wohnen sei nach Übernahme der Wohnungsbaugesellschaft GSW im Jahr 2013 vertraglich verpflichtet gewesen, jährlich 230 Wohnungen für diesen Personenkreis abzugeben, habe in den vergangenen zehn Jahren aber im Schnitt nur rund 60 Wohnungen jährlich bereitgestellt – „also jährlich 170 Wohnungen zu wenig“, teilte die Mieterorganisation am Montag mit.
„Dass ein privater Wohnungskonzern an der Börse Gewinne ausschütten kann, aber in Berlin seine Verpflichtungen nicht einhält, ist nicht in Ordnung“, kritisierte BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Die Deutsche Wohnen habe die Wohnungsbestände der ehemals landeseigenen GSW übernommen. Mit der Übernahme habe sie auch soziale Verpflichtungen übernommen. Der Mieterverein forderte den Senat auf, die Nichteinhaltung der Verpflichtung „zu sanktionieren“. ..." Ulrich Paul (27.11.2023)
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berliner-mieterverein-gegen-deutsche-wohnen-wo-sollen-die-obdachlosen-hin-li.2162923

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" ... Die Deutsche Wohnen, die zum Vonovia-Konzern gehört, habe sich mit der Übernahme der Wohnungsbaugesellschaft GSW auch verpflichtet, jährlich 230 Wohnungen im Geschützten Marktsegment zur Verfügung zu stellen, so der Mieterverein. Tatsächlich biete das Unternehmen aber nur 60 Wohnungen an und damit 170 weniger als vereinbart.
Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften würden ihre Verpflichtungen mit 1.123 entsprechenden Wohnungen dagegen sehr gut erfüllen, lobte Hamann-Onnertz. Der Mieterverein forderte den Senat auf, die Deutsche Wohnen für die Nicht-Erfüllung zu "sanktionieren".
Das Instrument des Geschützten Marktes wurde vor 30 Jahren ins Leben gerufen. Es richtet sich an Menschen, die sich ohne Hilfe keine Wohnung auf dem Wohnungsmarkt organisieren können. Laut der Sozialverwaltung handelt es sich um "eine soziale Vereinbarung, die aber nicht im Gesetzt steht". ..." Sendung: rbb24 Abendschau, 27.11.2023
https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2023/11/berlin-mieterverein-deutsche-wohnen-kritik-wohnungen-beduerftige.html

"Deutsche Wohnen-Mieter demonstrieren gegen marode Wohnanlage"
01.12.2023, Julia Lehmann, Bezirksreporterin
" ... Schimmel, Heizungsausfälle, kaputte Fenster: Am Sonnabend haben sich rund 80 Mieter aus Mariendorf mit einer Protestaktion gewehrt. ..."
https://www.morgenpost.de/bezirke/tempelhof-schoeneberg/article240723504/Deutsche-Wohnen-Mieter-demonstrieren-gegen-grausige-Zustaende.html

" ... An der Börse liegt der Anteilsschein der Deutschen Wohnen AG zur Stunde im Plus. Das Papier legte um 46 Cent zu. Aktuell kostet die Deutsche Wohnen Aktie 23,06 Euro. Gegenüber dem SDAX (SDAX ) liegt die Aktie der Deutschen Wohnen AG damit vorn. Der SDAX kommt derzeit nämlich auf 13.145 Punkte. Das entspricht einem Plus von 0,56 Prozent. Für ein neues Allzeithoch müsste das Wertpapier der Deutschen Wohnen AG noch ordentlich zulegen. Den bisherigen Höchststand von 53,04 Euro erreichte die Aktie am 14. September 2021. ..."
Dienstag, 05.12.2023 11:17 von ARIVA.DE Redaktion | Aufrufe: 418
Deutsche Wohnen AG-Aktie: Kurs legt zu (23,06 €)
https://www.ariva.de/news/deutsche-wohnen-ag-aktie-kurs-legt-zu-23-06-euro-11069826

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Erweiterter Machtdiskurs (Politik) / [Forschender Blick nach rechts... ]
« Last post by Link on November 30, 2023, 11:11:15 AM »
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[...] Nach mehr als 170 Verhandlungstagen hat das Stuttgarter Oberlandesgericht den Rädelsführer einer rechtsextremen Terrorgruppe am Donnerstag zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Der aus der Nähe von Augsburg stammende Werner S., nach dem die „Gruppe S.“ auch benannt ist, muss sechs Jahre ins Gefängnis, weil er nach Überzeugung des Gerichts eine Terrorgruppe gegründet hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von sieben Jahren gefordert, die Verteidigung hatte auf einen Freispruch plädiert. Neben S. waren zehn weitere Mitglieder oder Unterstützer der Gruppe angeklagt. Sie wurden ebenfalls zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, teils auf Bewährung. Ein Angeklagter wurde freigesprochen.

Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft hatte vor Gericht gesagt, Mitglieder der Gruppe hätten die Übernahme der Bundesrepublik Deutschland durch Flüchtlinge gefürchtet und dagegen in den Kampf ziehen wollen.

Den Männern wird vorgeworfen, eine Terrorzelle gegründet zu haben. Sie wollten demnach mit Anschlägen gegen Moscheen einen Bürgerkrieg in Deutschland provozieren. Ein Verteidiger hingegen nannte die Gruppe eine „Ansammlung Sprüche klopfender Wichtigtuer“.

Das streng gesicherte Verfahren wurde aufgrund des Umfangs und der Corona-Pandemie in die Länge gezogen. Einer der Verdächtigen war bereits vor Anklageerhebung in Untersuchungshaft gestorben. Einer der Angeklagten aus Bayern war überraschend während des Prozesses gestorben. Der Mann war nach Angaben des Oberlandesgerichts auf der Heimfahrt von einer Verhandlung im Stammheimer Hochsicherheitstrakt kurz vor seiner Wohnung tot zusammengebrochen. (dpa)


Aus: "Elf Männer angeklagt: Sechs Jahre Haft für Rädelsführer in Terrorprozess um „Gruppe S.“" (30.11.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/elf-manner-angeklagt-sechs-jahre-haft-fur-radelsfuhrer-in-terrorprozess-um-gruppe-s-10860622.html

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[...] Sie sahen sich berufen, ein neues Deutschland zu schaffen, sammelten Waffen, gründeten Kompanien und wollten den Bundestag stürmen: Ein Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß glaubte, es werde beim Sturz des Staates und dem Aufbau einer neuen Ordnung eine wichtige Rolle spielen. Am 7. Dezember 2022 gingen auf Weisung der Bundesanwaltschaft 3.000 Polizisten gegen zunächst 27 Verdächtige vor. Der Generalbundesanwalt sagte anschließend, die Verschwörer hätten "zumindest billigend in Kauf" genommen, dass Menschen hätten sterben können.

https://www.zeit.de/2023/19/reichsbuerger-umsturzplaene-prinz-reuss

Es war einer der größten Antiterroreinsätze in der Bundesrepublik. Trotzdem, so warnt Jan Rathje, werde das Gefahrenpotenzial dieses Milieus in der breiten Gesellschaft immer noch unterschätzt. Rathje ist Senior Researcher im Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas). Er hat eben einen neuen Report, Durch die Krise ins Reich, vorgelegt. Darin untersucht er, wie sich das Milieu der Reichsbürger und Verschwörungsideologen seit Beginn der Pandemie entwickelt hat.

Auffällig ist, dass die Sicherheitsbehörden einerseits einige Reichsbürgergruppen sehr ernst nehmen und als terroristische Vereinigungen verfolgen: neben der Gruppe um Prinz Reuß beispielsweise jene Gruppe um Elisabeth R., die Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen und so einen Umsturz einleiten wollte. Ihre Mitglieder stehen seit Mai in Koblenz vor Gericht. Die Zahl der Verdächtigen im Fall der Prinzen-Gruppe stieg inzwischen auf rund 70 Personen.

Andererseits werden diese Gruppen in der rechtsradikalen Szene eher verlacht. Martin Sellner aus dem Umfeld des Instituts für Staatspolitik sprach von einer "Rentner Armee Fraktion". Alice Weidel, AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende, nannte ihren Plan einen "Rollator-Putsch".

Wie sind Reichsbürger und Verschwörungsgläubige also einzuordnen und warum wird deren Gefährlichkeit in der breiten Öffentlichkeit oft unterschätzt, fragte sich Rathje. Seine Antwort: Begriffe wie "Reichsbürger" oder "Selbstverwalter" seien sehr lange mit "Spinnern" und "Irren" assoziiert worden. Irgendwie verrückt, aber doch nicht wirklich ernst zu nehmen. Auch der Verfassungsschutz hatte seine Aufmerksamkeit lange auf andere Gruppen am rechten Rand gerichtet.

In den Sicherheitsbehörden änderte sich das, nachdem mehrfach Polizisten bei Razzien und Festnahmen von Reichsbürgern beschossen und verletzt worden waren. In Georgensmünd in Bayern wurde 2016 ein Beamter getötet.

Der Verfassungsschutz geht heute von rund 23.000 Reichsbürgern und Selbstverwaltern aus. Sie alle zweifeln die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik an. Staatliche Amtsträger sind für sie bedrohliche Feinde. Ihre Gewalt richtet sich nicht nur gegen Polizisten und andere Vertreter des Staates. 2021 erschoss ein 50-jähriger Mann im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein einen Studenten, der in einer Tankstelle arbeitete. Der Student hatte den Täter aufgefordert, sich an die Maskenpflicht zu halten.

Rathje kritisiert nun, dass mit der allgemein verwendeten Kategorie "Reichsbürger und Selbstverwalter" nicht genau genug beschrieben werde, mit was für einem Milieu man es da zu tun habe. Diese Kategorie sei vielmehr eine "künstliche Abtrennung von rechts". Während der Pandemie hätten sich jedoch alte Reichsideen bis ins Querdenken-Milieu verbreitet. Rathje schlägt als neuen Begriff "verschwörungsideologischer Souveränismus" vor. Denn allen dieser Gruppen sei gemein, dass sie eine individuelle oder Volkssouveränität anstrebten und damit eine Ordnung, die sie selbst als natürlich verständen und die gegen die "herrschende gesellschaftliche und politische Ordnung" wieder hergestellt werden müsse.

Zugleich analysiert Rathje, dass dieser Souveränismus eine "extrem rechte und antisemitische Traditionslinie" habe, die älter sei als die Bundesrepublik. Er sei auf Ungleichheit ausgerichtet, etwa in "Fragen nach einer deutschen Staatsangehörigkeit". Mit der extremen Rechten teile dieses Milieu antisemitischen Narrative und revisionistische Positionen. Diese sieht Rathje auch in der Gruppe Querdenken 711 von Michael Ballweg, der seine Community beispielsweise aufgefordert habe, sich zu einem angeblich fehlenden Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg zu informieren. Schließlich adaptierten diese Gruppen auch Verschwörungserzählungen aus der QAnon-Bewegung. Rathje weist zudem auf die engen Verbindungen hin, die diese Gruppen ins rechtsradikale und extrem rechte Milieu pflegten.


Aus: "Reichsbürger und Querdenker: Noch immer unterschätzt" Andreas Speit (05.12.2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-12/reichsbuerger-querdenker-rechtsextremismus-terrorismus

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Erweiterter Machtdiskurs (Politik) / [Radikale Linke? (Fraktale Notizen) ... ]
« Last post by Link on November 29, 2023, 04:07:05 PM »
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[...] Weltbild und Selbstverständnis der RAF sowie das Versagen des Staats im Kampf dagegen sind das Thema dieses Romans: Stephanie Barts „Erzählung zur Sache“ erzählt die Terroristinnenjahre von Gudrun Ensslin.

Die RAF und der gegen ihre vier Hauptangeklagten Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe in Stuttgart-Stammheim in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geführte Prozess sind längst Geschichte und nur noch selten Gegenstand zeithistorischer Abhandlungen. Umso überraschender, dass sie fünfzig Jahre später im Roman von Stephanie Bart auf annähernd siebenhundert Seiten höchst lebendig literarisch wiederauferstehen.

„Erklärung zur Sache“ heißt im Strafprozess das, was Angeklagte, die nicht schweigen wollen, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen vorbringen. Die Sache, um die es im Roman geht, ist die Sache der RAF. Von ihr erzählt der Roman aus der Perspektive seiner anfangs in Essen und Köln und später gemeinsam mit ihren Mitangeklagten in Stammheim inhaftierten Protagonistin Gudrun Ensslin. Erzählt wird in der aus heutiger Sicht fernen und fremden Sprache der RAF, die Ensslin wie alle in Stammheim inhaftierten Mitglieder der Gruppe sprach und schrieb. Vor allem mit einer Vielfalt von Originalzitaten aus heute in Archiven noch verfügbaren Aufrufen, Briefen, Prozesserklärungen oder schriftlichen Interviewtexten der Stammeimer Angeklagten präsentiert der Roman seiner Leserschaft das politische Weltbild und Selbstverständnis der RAF.

In diesem Weltbild gab es im Westen noch nie Demokratie oder Rechtsstaat, sondern nur ein von den USA geführtes monströses imperialistisches Welt­system, dessen Daseinszweck allein darin besteht, die Menschen in den Me­tropolen wie in der Dritten Welt im Interesse von Rendite und Profit zu unterdrücken und daran zu hindern, wie Menschen zu leben. Für die Pfarrerstocher Ensslin hat dieses System bereits Wurzeln in der Bibel, wenn Jakob seinem hungrigen Bruder Esau dessen Erstgeburtsrecht gegen nicht mehr als ein Linsengericht abnimmt. Der Krieg der USA in Vietnam: Aus Sicht der RAF nichts anderes als die Fortsetzung der Vernichtungskriege, die das NS-Regime bis 1945 in Europa und anderswo geführt hat, mit dabei die Bundesrepublik als politischer und militärischer Helferstaat.

Der Roman erzählt, dass und warum es auf die Verhältnisse, wie die RAF sie sah, auch in einer Metropole wie der Bundesrepublik nur eine mögliche Antwort geben kann: nämlich ein kategorisches Nein und die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf an der Seite der Befreiungsbewegungen in den Ländern der Dritten Welt, der zur Befreiung von Kapitalismus und Imperialismus auch hierzulande so richtig und möglich sei wie in Vietnam, Lateinamerika oder Afrika. Wer dabei nicht mitmachen wolle, verweigere den Opfern imperialistischer Unterdrückung und Entrechtung nicht nur die Solidarität, sondern bleibe selbst einer fremdbestimmten Existenz verhaftet, wie sie für die Menschen in kapitalistischen Gesellschaften typisch sei.

Im Roman werden auch die Irrwege sichtbar, auf die ihre Sicht auf die Welt die Mitglieder der RAF führen konnte. Ensslin etwa übt heftige Kritik an einem Text, den die zu dieser Zeit in Köln inhaftierte Ulrike Meinhof zum Anschlag bewaffneter Palästinenser auf die israelische Olympiamannschaft während der Olympischen Spiele 1972 in München verfasst hat. Sie hält die Passagen des Textes über den Nationalsozialismus für „unbefriedigend“ und weiß aber – so heißt es – selbst nichts Befriedigenderes darüber und will es auch nicht wissen. Den Text lehnt sie ab, weil er vom falschen Klassenstandpunkt ausgehe.

Die Massenverbrechen und der Terror des NS-Regimes sind in den Köpfen der Stammheimer Angeklagten zwar durchaus präsent. Den Nationalsozialismus erklären sie allerdings ausschließlich als das Ergebnis der brutalen Durchsetzung kapitalistischer Interessen. Warum es im Gegensatz zu Deutschland in anderen vergleichbaren kapitalistischen Staaten nicht zur parlamentarischen Durchsetzung einer Gewaltherrschaft wie derjenigen der Nazis gekommen ist, scheint nicht interessiert zu haben.

Verblüffend deutschnational klingen die im Roman dokumentierten RAF-Texte, wenn es um die Rolle der Bundes­republik nach 1945 geht. Hier ist die Bundesrepublik kein Täterstaat, den es auf Wiederholungsgefahren hin von alliierter Seite unter Kontrolle zu halten galt, sondern lediglich Produkt und damit letztlich Opfer der USA, die einen Pufferstaat gegen den Kommunismus und die Sowjetunion brauchten.

Nach langen Zeiten der Isolation in Einzelhaft vor ihrer Zusammenlegung im eigens hierfür freigeräumten siebten Stock des Stammheimer Gefängnisses und mehreren gegen die Haftbedingungen gerichteten, extrem kräftezehrenden Hungerstreiks, an deren Folgen der ursprünglich mitangeklagte Holger Meins 1974 im Gefängnis in Wittlich starb, waren die Angeklagten in der Hauptverhandlung des Prozesses in Stammheim physisch wie mental ex­trem geschwächt. Gleichwohl waren sie – wie im Roman ausführlich dokumentiert und geschildert – hochgradig daran interessiert, ihre Sache, zu der für sie auch die gesundheitlichen Folgen ihrer Haftbedingungen gehörten, vor Gericht zu Gehör zu bringen. Ihre und ihrer Verteidigung Versuche, sich angemessen Gehör zu verschaffen, führten zu heftigen und teilweise grotesken Wortgefechten mit den Vertretern der Bundesanwaltschaft und dem Senatsvorsitzenden, die im Roman auf der Grundlage verschriftlichter Tonbandmitschnitte ausgiebig dokumentiert sind.

Auch für jemanden, der wie der Verfasser teilweise selbst an ihnen beteiligt war, erscheinen sie aus heutiger Sicht als eher absurd und schwer nachvollziehbar. Sie hatten aber einen ernsthaften Kern. Heutzutage weiß man, dass die dauerhafte Isolation missliebiger Untersuchungs- oder Strafgefangener, wie sie in den Gefängnissen der DDR oder heute noch in Russland etwa im Falle Nawalnyj als Disziplinarmaßnahme praktiziert wurde beziehungsweise noch wird, physisch wie mental gesundheitliche Folgen zeitigen kann, die den Vorwurf der Folter rechtfertigen. Zur Zeit des Prozesses in Stammheim haben sich Bundesanwaltschaft und Gericht dieser Einsicht kategorisch verweigert. Wann immer das Wort Folter zu fallen drohte, verfügte der Senatsvorsitzende prompt Wortentzug.

Aus der Perspektive Ensslins schildert der Roman auch anschaulich das prekäre Verhältnis der Stammheimer Angeklagten zu den Verteidigern und Verteidigerinnen ihrer Wahl und ihres Vertrauens. Für die Angeklagten war der beste Verteidiger einer, der – wie in Einzelfällen auch geschehen – bereit war, die Robe auszuziehen und sich der RAF anzuschließen. Verteidiger hingegen, die sich darauf beschränkten, die Rechte der Angeklagten mit den Argumenten des Rechtsstaates und seiner auch damals schon im Grundgesetz wurzelnden prozessualen Schutzrechte zu verteidigen, wurden in den Augen der Angeklagten zwar dafür gebraucht, sich vor Gericht Stimme und Gehör zu verschaffen, verhielten sich aber ansonsten auch nur als Bestandteil einer als Rechtsstaat drapierten Fassade.

Die eigentlich wunden Punkte der staatlichen Reaktion der alten Bundes­republik auf Vorgehen und Anschläge der RAF werden in der Erzählung Stephanie Barts allerdings vor lauter RAF allenfalls als Hintergrund erkennbar. 1972, als die öffentliche Debatte über die Aktionen der RAF heiß zu laufen und populistisch abzugleiten begann, hatte Willy Brandt als Bundeskanzler öffentlich empfohlen, auf die ruhige Gelassenheit des Rechtsstaates zu vertrauen. Gesetzgebung, Exekutive und Justiz der alten Bundesrepublik zeigten sich aber weder willens noch in der Lage, sich in ihrer Reaktion auf das Vorgehen der RAF an der Empfehlung Brandts zu orientieren. Im Gegenteil: Ohne Sondergesetze, Sonderhaftstatuten, Sonderprozessgebäude oder – im Falle von Hungerstreiks – der Tortur von Zwangsernährungen glaubte man, der RAF nicht Herr werden zu können. Ein solch geballtes Übermaß an Reaktion konnte nur Wasser auf die Mühlen der für die Mitglieder der RAF phänotypischen Meinung sein, die Selbstbehauptung der Bundesrepublik als Rechtsstaat sei nicht mehr als das Blendwerk eines in Wahrheit hoch autoritären Staates. Eine – zeitgenössisch gesprochen – evidenz­basierte Gestaltung des Verfahrens in Stammheim, die das Bild, das sich die Angeklagten von der Bundesrepublik machten, hätte erschüttern können, konnte unter solchen Voraussetzungen nicht gelingen. Auch im Roman wird deutlich, dass die Unschuldsvermutung im Stammheimer Prozess von Anfang bis Ende ein Fremdwort blieb. Stattdessen bleibt das Bild einer seltsamen Entsprechung im Verhältnis von RAF und Staat: Hier die utopische Vorstellung von der Möglichkeit revolutionärer Veränderungen mit dem Griff zur Waffe mitten in der gesättigten Bundesrepublik der Siebzigerjahre, dort ein Staat, der so reagiert, als ob an dieser Vorstellung etwas Realistisches dran sein könnte.

Stephanie Bart zitiert und montiert nicht nur virtuos Originaltexte aus dem Fundus der RAF. Zuweilen begleitet sie mit einem „Chor der Geschichte“ die zitierten Texte. Wo die RAF im Original spricht oder die Autorin selbst erzählt, ist für den Leser nicht immer klar auseinanderzuhalten. Denn auch als Erzählerin verlässt die Autorin nie den Standpunkt und die Perspektive ihrer Protagonistin Ensslin und der RAF. Ihren Roman beendet sie mit einem makabren Text, in dem Gudrun Ensslin selbst ihre gewaltsame Tötung durch mehrere anonym bleibende Männer, die sich Zutritt zu ihrer Zelle verschafft haben, beschreibt.

In einer als „Haftungsausschluss“ ­bezeichneten Vorbemerkung weist die Autorin – augenscheinlich im Interesse der Vermeidung der Gefahr einer Verwechslung mit den Protagonisten ihres Romans – darauf hin, dass es sich bei allen im Roman enthaltenen „strafrechtlich relevanten Beleidigungen und Verunglimpfungen“ toter oder noch ­lebender Personen der Zeitgeschichte ­sowie Aufforderungen zu strafbaren Handlungen um wörtliche oder bearbeitete Zitate der RAF handele. ­Damit legt sie Wert auf eine Distanz, die dem Inhalt ihres Buches fremd ist und die ihr die tote Gudrun Ensslin als ­Pro­­­t­agonistin des Romans „Erzählung zur Sache“ mutmaßlich nicht hätte durchgehen lassen.

Der Rezensent war im RAF-Prozess von Stammheim Verteidiger von Jan-Carl Raspe.


Aus:"Gudrun-Ensslin-Roman: Das große Nein" Rupert von Plottnitz (11.10.2023)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/das-grosse-nein-stephanie-barts-raf-roman-erzaehlung-zur-sache-19233895.html

Stephanie Bart (* 1965 in Esslingen am Neckar) ist eine deutsche Schriftstellerin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stephanie_Bart
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Erweiterte Gehirn Erkundschaftungen / [Variationen zur Gretchenfrage (Notizen) ... ]
« Last post by Link on November 28, 2023, 01:53:17 PM »
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[...] Luxemburg – Ein Kopftuchverbot in öffentlichen Verwaltungen ist laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter Umständen rechtens. Das sei keine Diskriminierung, solange solche Verbote religiöser Zeichen allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal der Verwaltung angewandt würden und sich auf das absolut Notwendige beschränkten, teilten die Richter des höchsten europäischen Gerichts am Dienstag mit.

Hintergrund ist ein Fall aus Belgien. Eine Büroleiterin in der Gemeinde Ans durfte am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch nicht tragen. Die Gemeinde änderte ihre Arbeitsordnung und schrieb strikte Neutralität vor: Das Tragen von auffälligen Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit war demnach allen Angestellten verboten – auch denen, die wie die Klägerin keinen Parteienkontakt hatten. Sie fühlte sich in ihrer Religionsfreiheit verletzt und klagte sich durch die Instanzen.

Die Richter urteilten nun, dass solche strikten Regeln rechtmäßig sein können, um ein vollständig neutrales Umfeld zu schaffen. Die EU-Staaten haben demnach einen Wertungsspielraum, wie sie die Neutralität des öffentlichen Dienstes ausgestalten wollen. Die Maßnahmen müssen sich aber auf das absolut Notwendige beschränken. Ob dies der Fall ist, müssen die nationalen Gerichte entscheiden.

Der EuGH hatte in den vergangenen Jahren bereits mehrfach entschieden, dass Unternehmen das Tragen religiöser Zeichen am Arbeitsplatz verbieten können. (APA, 28.11.2023)


Aus: "EuGH-Urteil erlaubt Kopftuchverbot für Behördenmitarbeiter" (28. November 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000197271/eugh-urteil-erlaubt-kopftuchverbot-fuer-behoerdenmitarbeiter
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[...] Manon Garcia: „Das Gespräch der Geschlechter. Eine Philosophie der Zustimmung“. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 332 ­Seiten

... Ist automatisch gut, was juristisch nicht beweisbar oder vielleicht gar nicht justiziabel ist? Mit diesen Fragen im Kopf kann man direkt in Manon Garcias Buch „Das Gespräch der Geschlechter“ einsteigen. ...

Die Varianten einer Nacht reichen von klarer Vergewaltigung bis zu schlechtem Sex – eine Person denkt, dass sie nicht wirklich Lust hat, willigt aber verbal ein, weil der Partner so nett war, sie nach Hause zu bringen, und das Folgende irgendwie zu erwarten war. Letzteres ist nicht justiziabel, eine klare Täterschaft ist hier nicht erkennbar. Vielmehr führt eine patriarchale Prägung dazu, dass die Frau mitmacht – und der Mann ihre Lust gar nicht erst wirklich auf dem Schirm hat.

Wir leben in einer Kultur, die über Jahrtausende das Bild des handelnden Mannes und der empfangenden Frau etabliert hat und worin Frauen als tugendhaft gelten, wenn sie sich zieren. Sex findet nicht in einem hierarchiefreien Raum statt, sondern mitten in pa­tri­ar­cha­len Strukturen, die uns von Jean-­Jacques Rousseau bis zur heutigen Pornoindustrie einreden, dass Frauen Ja meinen, wenn sie Nein sagen.

Wie Manon Garcia in ihrem Buch zeigt, ist Nein zu sagen in anderen Lebenslagen keine akzeptierte direkte Umgangsform: „Schweigen, Komplimente, schwache Akzeptanz (‚hmmm… warum nicht?‘) werden bevorzugt, anstatt einfach ‚nein‘ zu sagen, und ‚nein‘ zu sagen birgt die Gefahr, als sehr schroffe oder sogar verletzende Antwort wahrgenommen zu werden.“

Besonders von Frauen wird erwartet, dass sie ihre Nichtzustimmung höflich äußern. Beobachten Sie sich einmal selbst oder etwa Ihre Kol­le­g*in­nen, wann Sie oder die anderen ein Nein als Stärke empfinden und wann als unhöflich, zu autoritär, zu ruppig. Beim Sex schließlich, in einer Situation, worin man vielleicht am verletzlichsten ist, sollen Frauen dann glasklar sagen: Nein, das will ich nicht.

Häufig steckt hinter der Erwartung, eine Person habe Nein sagen sollen, das Bild des fremden Vergewaltigers. Dabei wissen wir, dass die Täter häufig im Freundes- und Bekanntenkreis sind. Und es sind nach deutscher Kriminalstatistik zu 98 Prozent Männer. Eine Umfrage vom Institut national des ­études ­démographiques ergab 2016 in Frankreich, dass in 91 Prozent der Fälle das Opfer den Täter kannte und in 47 Prozent der Fälle der Täter der Ex- oder Ehepartner war. Wer sich das vor Augen führt, versteht, weshalb es schwerfallen kann, eine klare Ablehnung zu formulieren.

Wenn ein Nein nun keine ausreichend belastbare Abgrenzung ist – was genau bedeutet das? Reicht ein Ja am Anfang des Geschlechtsverkehrs? Oder ist das Ja nicht sogar im Eheversprechen enthalten? Schließlich war in Deutschland noch bis 1997 Vergewaltigung in der Ehe nicht illegal. Ursprünglich sollte, so stellt Garcia es dar, die rechtliche Sanktionierung einer Vergewaltigung auch nicht unbedingt Frauen schützen, sondern Ehemännern das sexuelle Vorrecht auf ihre Frauen sichern.

Es ist dieser präzise Blick auf diverse Begriffe und ihre Geschichte rund um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau, der „Das Gespräch der Geschlechter“ so bereichernd macht. Für ihr Buch wurde Garcia letztes Jahr mit dem Prix des ­Rencontres Philosophiques de ­Monaco ausgezeichnet. Manche theoretische Umdrehung ist für die Alltagslektüre etwas mühsam, aber in der Summe wirft Garcia genügend Anker, um immer wieder ins Thema zu finden.

Einem Exkurs ins Privatrecht folgt etwa eine Analyse von Verträgen im BDSM (kurz für Bondage und Disziplin, Dominanz und Submission, Sadismus und Masochismus). Während hier der Vertrag schon Teil des Spiels ist, wird eine vertragsähnliche Situation von den Gegnern einer Strafrechtsänderung in Richtung „Ja heißt Ja“ immer als Horrorszenario angeführt: Sex nur noch mit Vertrag. Was eben irreführend wäre, denn Zustimmung kann nicht einfach einmalig gegeben werden, wenn noch gar nicht abzuschätzen ist, wozu alles. Manon Garcia plädiert für ein erotisches Gespräch der Geschlechter. Nur, wie kommt man dahin?

Bereits vorgedacht hat es mal wieder Simone de ­Beauvoir: „Die erotische Erfahrung gehört zu denen, die dem Menschen die Ambiguität des Menschseins am eindringlichsten enthüllen. Er empfindet sich als Körper und als Geist, als der andere und als das Subjekt.“ Wer diese Ambiguität, Subjekt und Objekt zu sein, anerkennt, ist nach Simone de Beau­voir authentisch – und habe guten Sex, sagt über 70 Jahre später Manon Garcia.

Guter Sex entstehe aus der Tatsache, „dass man gibt, dass man sich selbst gibt und dass man empfängt“. Man muss sich also erst einmal als handelnde und empfangende Person sehen, sich selbst in Beziehung zueinander sehen, zumindest für den sexuellen Akt. Darin enthalten ist die Frage, was der anderen Person wohl Lust bereitet – und was einem selbst.

Um zu verstehen, wie ein erotisches „Gespräch der Geschlechter“ funktionieren kann, kann man sich auch ein verbales Gespräch einmal vorstellen: Ein Mann sitzt an einer Bar und textet eine Frau zu. Wie kann der Mann denken, dass sein Gegenüber Spaß hat? Bemerkt er überhaupt seinen Penis-Monolog?

Bei Manon Garcia lernen wir den Begriff der epistemischen Faulheit kennen, den sie von José Medinas „aktiver Ignoranz“ ableitet. Man(n) entscheidet sich, die Lust der Frauen zu ignorieren. Sonst würde er sich, im Gespräch, vielleicht fragen: Will diese Frau wirklich so ausführlich über das Römische Reich informiert werden? Wann habe ich ihr eigentlich zuletzt eine Frage gestellt? Gleichzeitig: Warum sagt sie ihm nicht endlich, dass sie seine Ausführungen langweilen? Worüber möchte sie sprechen? Wie beim Sex kann die verbale Kommunikation nicht als „Einer gibt und eine nimmt“ gedacht werden.

Wenn die Anwälte von Till Lindemann also behaupten, dass alle öffentlich bekannten sexuellen Handlungen einvernehmlich waren, würde man schon gerne – fernab des Gerichtssaals – genauer wissen, wie Lindemann diese Einvernehmlichkeit festgestellt haben will. Wer sich als Fan hinter der fehlenden strafrechtlichen Beurteilung des Bekannten versteckt, offenbart eine Sexualmoral, die die Erniedrigung von Frauen in Kauf nimmt. Die ausverkauften Konzerte sprechen für sich.


Aus: "Wider die Penis-Monologe" Katrin Gottschalk (18.10.2023)
Quelle: https://taz.de/Neues-Buch-von-Manon-Garcia/!5964066/

Quote
Chris McZott
19. Okt, 08:11

Ich habe den Eindruck dass der Text (bereits gewonnene) Kämpfe der 60/70er Jahre nachspielt.


Quote
    sàmi2
    19. Okt, 10:18

    @Chris McZott Leider nein. Bereits gekämpft, ja, aber nicht gewonnen.


Quote
Streberin
19. Okt, 10:51

Ich habe das Buch " On ne naît pas soumise, on le devient" ("Wir werden nicht unterwürfig geboren") von Manon Garcia gekauft und nach einem ersten Anlesen liegt es nun wie Blei unten in meinem Bücherstapel. "On ne naît pas femme, on le devient ("Man ist nicht als Frau geboren, man wird es") von Simone de Beauvoir hat das alles schon geschrieben. Das Buch von Garcia kann sich also allenfalls in die Fülle der Lebensratgeber einreihen.

Und der Grund, warum Till Lindemann kein verurteilter Straftäter ist, glaubt man der Presse, ist das seine Opfer mehr öffentlichkeitswirksam mit den Medien und weniger als Zeuginnen mit der Staatsanwaltschaft gesprochen haben.


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Erweiterter Machtdiskurs (Politik) / [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Politik)]
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"Hass auf die Grünen in Ostdeutschland:Im Osten nichts Grünes?" Ein Artikel von Thomas Gerlach (25.11.2023)
Nirgendwo sind die Grünen so unbeliebt wie in Ostdeutschland. Mangelnde Bürgernähe, Realitätsferne und Wessitum. Woher kommt das?
https://taz.de/Hass-auf-die-Gruenen-in-Ostdeutschland/!5972510/
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